[AAR] Manuskript und Silberknopf

Die AAR der anderen Art...

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Caleb_der_Brecher
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[AAR] Manuskript und Silberknopf

Beitragvon Caleb_der_Brecher » 11. Dezember 2010 07:14

Manuskript und Silberknopf

...als mein Urgrossvater nach dem grossen Brand von 1898 bei den Aufräumarbeiten in den Kellern des städtischen Kirchen-Archives seinen Dienst leistete, fand er eine Nische nahe der Treppe, eine Art Versteck hinter einem losen Stein in einem der Vorräume des Hauptarchives....Sie enthielt ein Bündel verstaubter Schriften sowie einen einzelnen, in silberenen Matt schimmernden Uniformknopf...Die Zeiten warden karg damals und der Hunger ein steter Begleiter meines Ur-Ahnen. So steckte er flugs den Silberknopf ein in der Hoffnung, ihn beim Pfandleiher zu gutem Bargeld zu machen...Dies hätte eigentlich auch schon genügt um Brot und andere Unentbehrlichkeiten für seine Liebsten zu kaufen, doch seine jugendliche Neugier veranlasste ihn dazu, auch das Manuskript mitzunehmen...Des Abends im Schein einer Petroleum-Pfunzel begann er erst gedankenverloren darin zu blättern, um dann mit wachsendem Interesse zu lesen, ja die Seiten regelrecht zu verschlingen....:

" Ich danke Gott dies alles überlebt zu haben, geschunden an Leib und Seele zwar, doch noch lebendig. Nie werde ich vergessen welcher Abgrund des menschlichen Seins sich mir aufgetan und in welchen ich geblickt...Der Hölle Pforten können schlimmer nicht sein. Nur durch die Fügung des Allerhöchsten bin ich in der Lage, hier in dem kleinen Benediktiner-Stift wo man mich aufgenommen und meine Wunden versorgt, zu schildern der Dinge die so geschehen am dreiundzwanzigsten Oktober, im Jahre des Herrn 1799.

Ein regnerischer, nasser Tag, der mit seinem Grau die ganze Welt zu verschlingen schien.Unser Kontingent hatte Marschbefehl erhalten die weiter südöstlich gelegenen Manufaktur-Anlagen vor allfälligen Uebergriffen der Franzosen zu schützen. So zogen wir, das 8-te Infanterie-Regiment, zusammen mit dem 12-ten und zwei Regimentern Schützen los, begleitet von zwei Einheiten der Zwölfpfünder Fussartillerie...
....Doch in den hügeligen lichten Wäldern der Voralpen wurden wir bereits erwartet.


Unser Anführer war ein junger Heiss-Sporn von einem Dragoner-Oberst....aus einem heruntergewirtschafteten Adelshaus stammend war er bereit alles zu tun, um wieder auf den Parkettböden der prunkvollen Ball-Säle der kaiserlichen Aristokratie Fuss zu fassen. Nebst allerlei dafur angezettelten Intrigen warb er um die Hand einer Dame aus altehrwürdigen Geschlecht, allerdings mit bisher mässigem Erfolg...So hechelte er jedem erdenklichen Orden hinterher um grösstmöglichen Eindruck bei seiner Angebeteten zu schinden....eine "Reputation" welche einige meiner Kameraden mit ihrem Blut und auch mit ihrem Leben teuer erkauft haben...zu teuer für einen wie Ihn...Ueber Napoleon hatten wir sagen hören, seine Soldaten gingen mit Freuden für ihn durchs Feuer; empfänden es als Ehre für ihren Anführer zu sterben....dem Unsrigen dagegen würde wohl kein Schwein helfen, wäre er vom Pferd gefallen.


Unser Verband kam zu einer Stelle an der wir an einem jener namenlosen Flüsschen wie es sie so zahlreich in diesen Landstrichen gab, übersetzen sollten. Einige Büsche, etwas Schilf und ein lichtes Wäldchen säumten das gegenüberliegende Fluss-Ufer; der Tross stockte als die Marschformation sich zu einer schmalen Kolonne zu gruppieren begann...


Die eine Schützen-Abteilung eilte voran und befand sich bereits hüfttief im Wasser der Passage, als unser und das zwölfte Infanterieregiment ihnen folgten; die zweite Schützenabteilung sollte die Nachhut bilden, während Artillerie und Dragoner sich mittlerweile auch für die Ueberquerung gruppierten.
Das kalte Wasser drang im Nu eisig durch die Kleidung, frass sich mit seiner Kälte bis auf die Knochen, die Strömung an den langen Kriegs-Mänteln der Männer zerrend...wo Anfangs noch halblaut über "mangelnde Durchblutung gewisser Körperteile im kalten Wasser" gewitzelt wurde, wich das verhaltene Gelächter schnell einem Zähneklappern...mit übers Wasser gehobenen Gewehren schritten wir voran, unwirkliche Schemen im Nebel des heranbrechenden Tages...



Ich behielt den gegenüberliegenden Schilf-Streifen im Auge in der Erwartung dort im nächsten Augenblick die Wild-Vögel auffliegen zu sehen welche zweifellos in dieser geschützten Umgebung genächtigt hatten; zumal die Schützen-Einheit, nicht gerade leise, sich schon beinahe unmittelbar davor befand..."Diese Trottel täten gut daran still zu sein", schoss es mir durch den Kopf; die dahinterliegende Ebene war ein Präsentierteller und jeder halbwegs nüchterne Wachsoldat hätte einen plötzlich aufgeschreckten Vogel-Schwarm bemerkt...wieso waren die sonst so scheuen Viecher noch nicht schnatternd hochgestiegen?...als ob...gar keine da wären..!?
...wie so oft im Leben ist so manches schon viel zu weit gedacht; dessen wurde ich mir schlagartig bewusst, als es aus dem kleinen Wäldchen zweimal-, dreimal- nein, viermal blitzte...dann das ohrenbetäubende Brausen als die acht-Pfund-Geschosse fauchend Löcher in den Morgenhimmel rissen, wütenden Kriegshunden gleich in unsere Reihen einfallend, zeitgleich mit dem durch den Regen gedämpften, dumpfen Wummern der Mündungs-Explosionen...im nächsten Augenblick schon zuckte ein Musketengewitter durch die Büsche am Ufer und liess eine nahezu komplette Reihe der Schützen leblos ins grün-schimmernde Wasser sinken welches nun, im grauen, tristen Morgenlicht, schwarz zu werden schien...

Erst jetzt kam Bewegung in unsere Reihen, die Schützen und wir begannen das Feuer zu erwidern, doch worauf? Ausser dem Mündungsfeuer war nicht viel zu sehen; also schossen wir halbherzig eine Salve ins Blattwerk der Büsche mit wohl geringem Erfolg...Befehle wurden gebrüllt, Verwundete begannen zu schreien, Trompetensignale erschallten ..und wurden sogleich wieder abgebrochen...Chaos machte sich breit, der "Zurückbefehl" wurde erst durch ein "Vorwärts" wiederrufen, dem wiederum folgte ein nicht komplett geblasenes "Halten" ...Halten...? hier im Wasser? Manch einer war wohl schon froh überhaupt noch das eigene Wasser halten zu können, angesichts der misslichen Lage in welcher wir uns Dank unseres übereifrigen Anführers wiederfanden...

Wir mussten raus aus dieser Pfütze; entweder vor oder zurück...Vor uns die Musketen in den Büschen - wer weiss wie viele, hinter uns die nun auf die Dragoner und unsere 12-Pfünder niedergehenden Geschosse der Artillerie...Beidseitig lauerten Tod und Verderben, doch hier im Wasser waren wir auf jeden Fall verloren...

Wieder spien die französischen acht-Pfünder ; diesmal wohl etwas tiefer als gezielt, das eine Projektil kam in einem sehr flachen Winkel gute zwölf Meter vor uns aufs Wasser, frass sich so, einen kometengleichen Wasserschweif hinter sich herziehend, durch unseren bereits in Unordnung geratenen Haufen...es war nicht das Blut, es waren nicht die Schreie, es war das Geräusch als die Kugel durch die Leiber schlug, es klang wie wenn man einige nasse Säcke von einem Turm schmeissen würde und sie unten zerplatzten...ein nasses, hässliches Klatschen, es verfolgt mich bis heute in meinen Träumen...

Das dumpfe Surren der uns nun um die Ohren fliegenden Musketenkugeln riss mich aus meiner Paralyse...die Schützen -Einheit war binnen einer halben Minute auf knapp zwanzig Mann zusammengeschossen worden und floh nun durch unsere Reihen. In der Folge bekamen wir den Beschuss ab welcher eigentlich den Flüchtenden galt; ich hörte deutlich das trockene Knacken, als der Kamerad neben mir am Kopf getroffen, fahl wie ein Linnen blutüberströmt zusammensank. Einem anderen schlug ein deformierter Querschläger in den Hals...ich hatte noch nie so schnell so viel Blut aus einem Menschen treten sehen, es spritzte regelrecht aus dem Aermsten heraus, zumindest so lange bis die Wellen sich seiner erbarmten um ihn mit den anderen Unglücklichen in eine "bessere Welt" zu tragen...

Fortsetzung folgt...

Bild
...Now let the black flames shoot up and fire swallow this prince of fighting-men, who so often faced a rain of steel, when sped by bowstrings, a gale of arrows hurtled over sheltering shields and the feather-flighted shaft did its work, driving home the barb...

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Re: Manuskript und Silberknopf

Beitragvon Caleb_der_Brecher » 11. Dezember 2010 07:16

...Ich hatte noch immer keinen einzigen feindlichen Soldaten zu Gesicht bekommen; bloss deren verdammtes Mündungsfeuer welches uns mit jedem erneuten Bellen den Tod brachte...
..der für uns verantwortliche "Offizier" war ein 19- jähriges Herren-Bürschchen der kaiserlichen Militär-Schule für adelige Sprösslinge...seine von Inzest durchwachsene Herkunft hatte ihm eine schwache Konstitution und ein chronisches Asthma beschert, welches Kampfsituationen wie dieser wohl kaum zuträglich war. Zudem verströmte er die Autorität eines Gänseblümchens; klar, wir taten wie uns geheissen aber eher weil wir den Jungen "mochten"; er behandelte uns mit "zu" grossem Respekt für einen Vorgesetzten...wir wussten,auf den mussten WIR aufpassen; nicht umgekehrt....


Ebendieses "Bürschlein" stand nun inmitten seines ersten richtigen Feuergefechtes und wusste nicht wohin mit uns...
"Leutnant..bei allem Respekt, es gibt bessere Deckungen als diese...wir müssen da raus..!"..die Männer drängten sich um ihn.." ...äh,..Halten?!", das dünne Stimmchen klang flach und das spitze, blasse Gesicht war ein einziges Fragezeichen...

Da sah ich den "schwarzen Rupert", einen aus der Garde unehrenhaft entlassenen Elitesoldaten...weiss Gott was sich der Amts-Schimmel dabei gedacht hatte den baumlangen Finsterling ausgerechnet in unsere Kompanie zu versetzen...Scherzbolde in der Militärkantine sprachen als bald von der "Doppelkompanie" weil Rupert alleine mindestens sovielen Menschen auf dem Schlachtfeld den Gar ausgemacht haben soll, wie unsere ganze Kompanie zusammen...um seine Entlassung kursierten wilde Gerüchte; offiziel wurde von unehrenhaften Verhalten gegenüber Vorgesetzten gesprochen, hinter der Hand wurde jedoch hartnäckig gemunkelt er hätte einen sadistischen Spiess, welcher seiner Schwester aufs Uebelste nachgestiegen, in einen Sack gesteckt, ihn windelweich geprügelt, in einer Jauchegrube getunkt und ihn dann so in diesem erbärmlichen Zustand, an zwei Schweine gebunden durch die Stadt schleifen lassen...


Jener Rupert knallte nun mit einer Vierteldrehung seinen Ellbogen auf das asthmatische Gerippe unseres zögerlichen Offizier-Jünglings; dieser japste nach Luft und sackte zusammen.."Offizier verletzt...!" blaffte Rupert in der Tonlage eines gereizten Rottweilers "Alles zu mir...Vorwä-ärts, kommt, raus-hier!" Die Worte klangen wie der dumpfe Donner einer Haubitzenbatterie...Klar und mächtig schallten sie durch unsere lichter werdenden Reihen. Jener Mann, welcher in unserem Lager oft abseits stehend trotz seiner Grösse nicht aufzufallen suchte, welcher an Gesprächen desinteressiert und einsilbig blieb, genau jener Mann verstrahlte nun eine geradezu unheimliche Präsenz einer lodernden Fackel in schwarzer Nacht...die Art und Weise wie er sich in Bewegung setzte schien die Essenz aller Entschlossenheit schlechthin zu sein. Er schulterte einen Verwundeten und watete mit ihm auf das nahe, mittlerweile vom Schiesspulverdampf eingenebelte Ufer zu; wir stolperten wie hilflose Jung-Gänse hinterher, den benommenen Offizier und die leichter Verwundeten in unserer Mitte ...


Die zweite Schützengruppe und die zwölfte Infanterie hatten sich nun weiter hinter uns in der Furt postiert und versuchten uns mehr schlecht als recht Feuerschutz zu geben. So konzentrierte sich nun das Musketenfeuer aus den Büschen über uns hinweg, auf die vorrückende Zwölfte... Derweil hatten auch unsere Geschütze auf Geheiss des Dragoner-Oberst an denkbar ungünstiger Position abgeprotzt und richteten nun gefährlich knapp über die uns deckende Schützen-Einheit aus. Ich hörte das Brüllen unserer zwölf-Pfünder,...das Geschrei hinter mir und das nasse, warme Etwas, welches an meinen Hinterkopf spritzte, liessen jedoch Erahntes zur bitteren Gewissheit werden...


Wir hatten mittlerweile das Ufer erreicht. Rupert liess den Verwundeten unsanft auf den Boden knallen; der Mann war tot...unsere Blicke traffen sich...ein entsetzliches Leuchten glühte in seinen Augen..." der war doch bloss Deckung, Junge, was hast Du denn gedacht!?" seine Stimme klang wie eine ganzen Kompanie Verdammter, sein dampfender Atem schien plötzlich nach Schwefel zu riechen und das schreckliche Leuchten umgab ihn nun komplett..."Er" zeigte sich mir ...in diesem Moment hasste ich ihn, den Dämonen der sich in dieser Sekunde mir offenbarte...ich hasste weil ich wusste, ein Ueberleben hier war nur durch ihn möglich....


Heilfroh dem Brennpunkt des Hinterhaltes entronnen zu sein, sammelten wir uns, die Musketen und acht-Pfünder flankierend, welche ihrerseits weiterhin unsere Kameraden unter scharfem Feuer hielten...doch kaum hatten wir uns gruppiert um loszuschlagen, sahen wir eine Abteilung der leichten Chasseurs , einer mit Karabinern bewaffneten Reiter-Einheit, durch den Regen auf uns zu galloppieren... Unser arg dezimierter Haufen, begann mit den wenigen noch Kampftauglichen ein kleines aber gut positioniertes Karree zu bilden; die Chasseurs flogen bereits heran. Als sie aus nächster Nähe anstürmend ihre Karabiner abfeuerten, fühlte ich einen dumpfen Schlag an meiner rechten Schulter welcher mich zu Boden riss...im nächsten Augenblick befand ich mich bereits in einem Gewühl von Beinen und Hufen...

Ich versuchte in dem Durcheinander von Mensch und Tier nicht erdrückt zu werden und wieder auf die Beine zu kommen; doch liess mich der Blutverlust nicht weiter als bis auf knapp über alle Viere... so schleppte ich mich ins Innere des arg durchgerüttelten Karrees zu den anderen Verwundeten...gerade noch rechtzeitig, denn die Chasseurs hatten sich bereits zurückgezogen um den zweiten Angriff zu lancieren...ich rappelte mich also hoch um wenigstens noch beim Nachladen der Gewehre zu helfen als die zweite Welle anritt. Die eine Ecke des nun dichtgedrängten Karrees begann zu feuern." Geschossen wird auf mein Kommando", donnerte die Stimme des schwarzen Ruperts dazwischen..."Feuerbereit!?" ...das Dröhnen der Hufe wurde lauter..."wartet!",...die anreitenden Shilouetten im Nebel des Morgens bekamen klare Konturen,"...wartet noch!",...man sah jetzt deutlich die Gesichter der Angreifer welche nun ihre Karabiner hoben...,"Feuer..!"... das Kommando ging im Donner der Salve beinahe unter; Reiter und Ross im Kugelgewitter sich überschlagend, stürzten sterbend in unsere Bajonett-bewehrte Festung aus Menschenleibern und Verzweiflung...



Dennoch hatte unsere Gegenwehr nur etwa die Hälfte aus den Sätteln gerissen, die andere Hälfte brach nun über uns herein, die ohnehin schon wankende Formation in ihren Grundfesten erschütternd. Es war ein Hauen und ein Stechen; der Krieg sang sein Lied von klirrendem Stahl, wiehernden Pferden, schreienden Männern, stampfenden Hufen und Sterbenden...ein seelenfressender Moloch, endlich befreit aus dem Gefängnis des trügerischen Friedens...wütend...und hungrig! Die Männer stemmten sich verzweifelt gegen die drückende Masse der Pferde; mit den Bajonetten in die Tiere stechend, den Klingen der Reiter ausgesetzt.
Rupert hingegen schwang sein Gewehr mit beiden Händen am Lauf wie eine Keule; wo sie niederging, blieben die Sättel leer... ein Hüne im Sturm. Man hörte regelrecht den Kolben durch die Luft sausen bis dieser schliesslich am dritten oder vierten Pferdeschädel zerbarst. Obwohl "der Schwarze" bereits aus etlichen Wunden blutete, schien er immer stärker zu werden...während sich die anderen Soldaten mit Mühe und Not verteidigten, schien er in den Feind hineinzugehen...er kämpfte nicht, er wütete...ein ganz und gar seltsames, ja furchtbares Bild. Die Pferde scheuten bei seinem Anblick, stiegen hoch und warfen ihre Kavalleristen ab. Der Berserker setzte mit dem zersplitterten Kolbenende nach, riss die Reiter von den Gäulen und erschlug die im Dreck um Pardon Flehenden wie die jungen Hunde eines überflüssigen Wurfes...Die Chasseurs-legères begannen endlich von uns abzulassen.


"...Chargez les fusils...!" erklang es hinter uns; die Eine der in den Büschen verborgenen Einheiten war nun aus der Deckung hervorgetreten und bereitete eine Salve auf uns vor. Die ihr zugewandte Seite des Karrees feuerte schon fast verlegen in deren Richtung.....die Antwort kam postwendend und riss die eine Seite unserer Formation beinahe komplett zu Boden...gestandene Männer wälzten sich vor Schmerzen brüllend im nassen Dreck, schrien nach ihren Müttern, die schwarze Erde mit ihrem Blute mischend, husteten durch zahllose Einschüsse ihr ungelebtes Leben aus...


Fortsetzung folgt ...
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Re: Manuskript und Silberknopf

Beitragvon Caleb_der_Brecher » 11. Dezember 2010 07:35

Eine laute Detonation war vom gegenüberliegenden Ufer her zu hören, anscheinend waren die Pulverkisten unserer zwölf-Pfünder getroffen worden. Ein grosser Teil der sie schützenden Dragoner war dabei gefallen oder wurde abgeworfen; die übrigen hatten alle Mühe, ihre verängstigten Pferde zu bändigen...Einige herrenlose Reittiere flohen über das Flüsschen und an uns vorbei...ich erkannte die Uniform-Hose und den Degen des Dragoner-Oberst...Viel mehr von ihm "ritt" nicht mehr auf seinem Pferd; eine acht-Pfund Kugel musste ihn knapp oberhalb der Hüfte seitlich erwischt haben...wir hatten ja immer gewusst, dass wir einen " Arsch" als Anführer hatten,....dies war so allerdings eine sehr, sehr böse Pointe des Schiksals....


Ich sah die jämmerlichen Reste der Zwölften und der Schützen wie sie sich fluchtartig zurückzogen, kaum mehr Männer als wir noch waren; bedrängt von den restlichen Chasseurs-legères, welche uns schon an der Gurgel hatten. Die Dragoner waren in alle Winde zerstreut, an den Zügeln ihrer durchgegangenen Gäule zerrend, versuchten sie vergebens ihnen wieder Herr zu werden....die "Schlacht", wenn man dieses Gemetzel überhaupt so nennen konnte war verloren...


"...Pardon,...verlangt Pardon.." raunte es durch unsere Reihen, es klang wie das gequälte Stöhnen der Verwundeten..."...die Garde kämpft, sie ergibt sich nicht..!" ..die donnernde Stimme Ruperts suchte das aufkeimende Gemurmel zu ersticken..." aber wir sind die Achte-,..nicht die Garde..!"..Die nächste Salve riss den Zwischenrufer ohnehin aus dem Leben, doch in Ruperts Kopf schienen sich nun die Fugen der Realität endgültig von einander verabschiedet zu haben...wie ein Rache-Gott stand er inmitten von blutiger Erde und geschundenen Leibern...sein vom Kampf erhitzter Körper liess seinen nassen Mantel dampfen, unter seinem grossen Hut quoll sein pechschwarzes Haar hervor, klebte ihm strähnig im kantigen Gesicht, aus seinen tiefliegenden Augen knisterte ein Gewitter von irrem Leuchten und bösem Funkeln, die Luft um ihn herum brannte......

Mit einem lauten Brüllen schlug er den Erstbesten nieder, hieb ihn mit dem Säbel beinahe entzwei....Vor Entsetzen erstarrt, vergassen wir nachzuladen....sogar die Verletzten hörten auf zu jammern. Es war still...es war wirklich still, durch das Wäldchen schallte das "Arretez le feu" der Franzosen, wir wurden nicht mehr beschossen...


Aus dem Dunkel der Bäume trat nun eine kleine Reitergruppe heraus, mit ihnen rückte durch das Unterholz eine Einheit französischer Linien-Grenadiere mit dem Gewehr im Anschlag auf uns vor...Wir liessen unsere Waffen sinken und wer dazu noch in der Lage war, hob die Hände; ich hingegen hielt mich an unserem durchlöcherten Feldzeichen mühsam aufrecht, meine Schulter brannte wie Feuer und mein rechter Arm war beinahe taub...


Die Grenadiere befanden sich nun keine fünf Meter von uns entfernt und wir blickten in eine Wand von Bajonetten und Läufen....
Einer der Reiter war ungewöhnlicherweise abgestiegen und kam nun auf uns zu....doch nicht etwa wie von Offizieren gewohnt im gut gedrillten Stech-Schritt, nein er schlenderte viel mehr mit der Muse eines Sonntags-Spaziergängers durchs hüfthohe Ufergras; die eine Hand hinter dem Rücken, mit der Anderen durch die Gräser streifend...;schon beinahe spielerisch schritt er über die Leichen hinweg, liess das blutige Gras ein Muster in seine Handfläche zeichnen, tätschelte liebevoll ein totes Pferd...

Er schien nicht sehr gross...genauer gesagt war er eher klein...ziemlich klein sogar...Hut und Mantel wirkten riesig und wollten nicht recht passen...unwillkürlich dachte ich an einen "Krieg spielenden" Jungen in der Uniform seines Grossvaters....Doch dieser "Junge" hier liebte sein Spiel...er spielte es jeden Tag mit Lust und Wonne...hinter dieser unbekümmerten, jugendlichen Erscheinung brodelte eine entfesselte Urgewalt; den "Jungen" wie eine Handpuppe nutzend um Tod und Untergang durch die Lande zu tragen...es war als würde er von einer unsichtbaren Gewitterwolke umgeben und er war das Auge des Sturms....


" ...Du bist der Korse", Ruperts Gehirn schien sich wieder gefunden zu haben...Voller Verachtung hatte er diesen Satz regelrecht gebellt und spuckte nun aus....,"...das ist Napoleon!"...Jener stand mittlerweile vor uns , die Hände hinter dem Rücken.
"...Ihrr `abt Recht; ich bin DER Kors` ...und nicht irgend Einerr".
Die Stimme war nicht laut und klang nach gespielter Gleichgültigkeit, das rollende herbe "R" seines trockenen Akzentes gab ihr etwas Hartes...."...und was seid Ihrr, Soldat? Ich `abe Euch kämpfen sehen..." er legte den Kopf leicht schief " Ihrr seid `nur` Soldat?"
Die provokante Beiläufigkeit triefte förmlich von den Worten...Ruperts Kopf sank auf seine Brust..."Nein..!" knurrte er.., seine Schultern spannten sich, er umklammerte den Säbelgriff fester..." ich bin DER Soldat und nicht Irgendeiner"...

Ich sah wie ein zufriedenes Lächeln Napoleons Mund umspielte, sah Rupert wie in Zeitlupe vorstürmen, sah die Hand eines französischen Offiziers heruntersausen, sah die Musketen-Blitze die Welt in grelles, weisses Licht tauchen...Rupert war mitten in der Bewegung gestoppt worden, nun schlurfte sein linker Fuss nach vorne, dann sein rechter... sein Mantel war ein einziger durchlöcherter Fetzen aus dem das Blut hervorquoll und daran in Rinnsalen zu Boden tropfte...noch zwei Schritte, der Säbel entglitt der Hand, er brach in die Knie.
Die Grenadiere waren vorgetreten um mit Ihren Bajonetten ihr Werk zu beenden, doch Napoleon wies sie mit einer knappen Handbewegung zurück...der sterbende Rupert bekam Bonapartes Mantel-Saum zu fassen, mühsam zog er sich daran zum Korsen hin...Ueberraschenderweise versuchte dieser ihn nicht abzuschütteln, sondern beugte sich über den Todgeweihten, schloss ihn in seine Arme wie einen sterbenden Sohn...Ruperts Hand verkrallte sich in Napoleons breiten Mantelkragen ...und wurde kalt...
"Mit einem Regiment von Dir könnte ich schon Morgen die ganze Welt erobert haben" flüsterte der Korse, die Leiche sanft in seinen Armen wiegend...die groteske, abartige Szenerie ballte sich wie eine Faust in meinem Magen...

Als er sich vom Griff des toten Ruperts zu lösen suchte, riss einer der silbernen Uniformknöpfe ab, purzelte über den Stiefel des Korsen und rollte genau vor meine Füsse...Napoleon bemerkte es und blickte an seinem Revers herunter auf seine Knopf-Reihen..."Wenn ich bei jedem Gefecht nurr einen Knopf verrliere, wird sich Europa warm anziehen müssen..."...und zu mir gewandt " Du `attest grosses Glück `eute, behalte ihn...."
...Die Wolken-Decke riss in diesem Moment im Osten einen winzigen Spalt weit auf und ein einzelner Sonnenstrahl fiel auf Napoleon; nein, er erstrahlte keineswegs in "göttlichem Lichte",... aber der Schatten des kleinen Mannes fiel lang und schwer übers Land, Omen gleich die Zukunft weisend...."

An dieser Stelle endet das Manuskript; über den Namen des Verfassers ist nichts bekannt, auch nichts über das Eingangs erwähnte Benediktiner-Stift...

Mein Urgrossvater behielt beides, Knopf und Manuskript. Er hielt es für Unrecht diese Dinge gegen "schnödes" Kupfergeld zu verscherbeln, klebte doch immerhin das Blut einiger hundert Männer an der Geschichte...den Uniformknopf machte er meiner Urgrossmutter zum Hochzeits-Geschenk; ja er hatte sie damit regelrecht vor den Altar geködert....Wann immer in vergangenen Zeiten die "Glorizität" des Krieges verherrlicht wurde, kramte mein Urgrossvater seine Geschichte hervor und sorgte so meist für betretenes Schweigen bei den "über-Patrioten"

Nachwort: die Story ist komplett frei erfunden, weder Orte noch Begebenheiten stimmen; die Protagonisten sind alles Ausgeburten meiner anscheinend multiplen Persönlichkeit....also fragt mich jetzt bloss nicht nach dem Knopf; den gibts nämlich auch nicht...gar nichts, nada, nix, niente...!!
:)
...Now let the black flames shoot up and fire swallow this prince of fighting-men, who so often faced a rain of steel, when sped by bowstrings, a gale of arrows hurtled over sheltering shields and the feather-flighted shaft did its work, driving home the barb...