Seine Handgelenke waren von rostigen Verschlüssen umklammert, die seine Arme nach oben zwangen. Sein Kopf, von filzigem und dürrem Haar bedeckt, hing kraftlos auf seiner rechten Schulter, während die linke brutal gebrochen worden war. Aus seinem rechten Mundwinkel lief blutige Speichel und sammelte sich in einer kleinen Pfütze neben seiner Hüfte.
Dieser Mann, Marcello, war vor aus ihm unerfindlichen Gründen hierhergeschafft worden. Er wusste nicht, was er getan haben könnte. Sein einziges Verbrechen, wenn es denn eines war, war, dass er einst ein Sklave von Tiberius Brutus gewesen war. Doch wer würde ihm seine Sklavendienste schon als Verbrechen anrechnen? Genauer gesagt, war es eher von denen ein Verbrechen, die ihn versklavt hatten.
Römer! Hässliche, stinkende Römer! Sie redeten nur, und wenn sie mal zum Schwert griffen, legten sie es nieder und ergaben sich lieber einem Erguss an Wortmüll und Tautologien. Als der Krieg gegen seine Landsmänner, die Iberer, ausgebrochen war, hatte er gehofft und jeden Abend die Götter darum gebeten, dass die Römer vernichtet werden mögen, damit er wieder nach Hause zurückkehren konnte.
Doch seine Götter hatten ihn nicht erhört. Wie immer hatten die Römer die Schwerter niederlegt und geredet. Ihre Wortschleimerei war sogar so erfolgreich, dass sie den Puniern mehrere Tausend Denarii abluchsen konnten.
Träge hob Marcello seine geschwollenen Augenlider und versuchte eine Position zu finden, in der er keine Schmerzen hatte, vergeblich. Seine kargen Knie ragten Bergen gleich hervor und zwischen seinen Rippen spannte sich fahle, kranke Haut.
Schmerzerfüllt öffnete der iberische Sklave seine aufgeplatzten Lippen und entließ ein gequältes Seufzen.
Was sollten sie nur von ihm wollen? Und vor allem: Wer waren diese Männer?
Nach den ersten Tagen (oder waren es Wochen) seiner Gefangenschaft, war ein Mann zu ihm in den Keller gekommen. Er hatte ihm keine Schmerzen zugefügt, doch war seine bloße Anwesenheit Strafe genug gewesen. Er hatte sich vor ihn gehockt und angeschaut.
Mit durchdringenden Blicken hatte ihn der Mann taxiert, bevor er leise und doch dringlich zu sprechen begonnen hatte...
„Marcello… Sklave des Tiberius Brutus.
Was müssen deine Augen in der villa urbana gens brutii nicht alles gesehen haben? Wie viele geheime Dokumente müssen unter deinen Augen gewesen sein? Wie viele Artefakte hast du selbst sogar angefasst und getragen?
Wie viele, Marcello?“
Der Mann in der langen, nachtschwarzen Robe hatte theatralisch geseufzt.
„Ich kann dich leider erst gehen lassen, mein junger Freund, wenn du mir gesagt hast, was du weißt. Meine Männer wollen dir nicht weh tun, doch sind Wir zu der Überzeugung gekommen, dass du Uns nichts sagen wirst. Wir wollen dir wirklich nicht weh tun, Marcello. Aber Wir müssen das wissen.“
Mit stahlhartem Griff wurde sein Kinn angehoben, sodass er den Fremden hatte anschauen müssen.
In den Augen des Mannes war ein harter und fanatischer Glanz erschienen.
„Sag es mir, Marcello! Sag es mir! Und Wir versprechen dir, du wirst nicht länger leiden müssen!“
Doch in Marcellos Augen war nur Unverständnis. Er wusste nichts. Nichts von alldem, was der Fremde ihm gesagt hatte. Er kannte keine Dokumente, er hatte keine Artefakte angefasst. Nichts dergleichen!
Bevor der junge Iberer hatte antworten können, war der Fremde wutentbrannte an die Kellertür gegangen und hatte energisch auf die harte Eichentür geklopft.
„Ich bin mit dem Sklaven fertig.“
Die Tür war geöffnet worden.
„Er soll nur noch die Hälfte an Essen und Trinken bekommen. Traktiert ihn! Ich will, dass er darum winselt Uns alles erzählen zu dürfen! Aber selbst dann macht weiter!“
„Ja, Erster unter den Erleuchteten.“
Seit dem war Marcello hier. Und seit diesem Tag kamen mehrmals am Tag Männer mit Knüppeln und Schrauben. Sie quälten und misshandelten ihn. Nichts schien Marcellos Lage in diesem Keller verbessern zu können. Er wollte das alles nicht mehr. Es sollte aufhören.
Der einst stolze Iberer war gebrochen, sein Tod der Sehnlichste aller Wünsche.