Schon nach wenigen Wochen waren im großen Hafen von Musashi viele kleine Schiffe bereit. Ein Meer bunter, dreieckiger Segel verwandelte das Hafenbecken in eine prachtvolle Oase schillernder Farben. Überall sah man Zeichen und Geschmückte Banner vieler Familien und mit Sprüchen beschriftete Segel, die die Überfahrt segnen und beschützen sollten. Mehr als dreißig Schiffe sollten in wenigen Wochen in See stechen um die diversen vorgelagerten Inseln im Norden der Neuen Welt anzusteuern.
Nach mehreren Monaten auf See kamen die meisten Schiffe unbeschädigt an ihrem Ziel an. Die schroffen Küsten der Inseln wirkten für die Siedler zunächst nicht gerade einladend. Doch schon als sie die unberührten Nebelwälder betraten überkam sie alle der Entdeckergeist. Alles war so neu, so unverbraucht. Überall wohin das Auge schaute nichts als Natur und Wunder. Bäume fremder Arten, Tiere die sich ohne Scheu den Menschen näherten seltsam anzuschauen und Berge auf denen man keine Spur menschlichen Lebens entdecken konnte. Dieses Land war wie aus einer anderen Zeit, ein jungfräuliches Geschenk an die Menschen.
Die ersten Wochen waren hart und ließen den Neuankömmlingen kaum Zeit sich auszuruhen und die Umgebung zu erkunden. Nachdem die ersten Hütten standen und die Verwaltung und Versorgung weitestgehend so gut sie konnten geregelt waren, wollte ein kleiner Teil weiter ins Landesinnere aufbrechen um die Lage der Kolonie in der neuen Welt genauer zu bestimmen.
Sie verließen die Hauptinsel mit ein paar leichten Schiffen ohne großen Tiefgang, damit sie die schmalen flachen Buchten und Flüsse möglichst weit hinauffahren konnten. Sie nahmen genug Proviant mit um einige Wochen überleben zu können, sollten sie nach 20 Tagen keine Möglichkeit gefunden haben ihre Nahrungsmittelreserven aufzustocken, wollten sie umkehren und von der Kolonie aus eine andere Route ausprobieren.
Nach etwa Achtzehn Tagen in denen sie kein Glück beim Fischen hatten und auch kein Wild in den Wäldern ausmachen konnten fanden sie etwas, wenn auch nichts Essbares, das sie dazu veranlasste die Situation weiter zu untersuchen. Sie sahen einen seltsamen Baumstamm, einen wie ihn die Natur alleine nicht geschaffen haben könnte, dies ließ nur einen Schluss zu: Sie waren nicht allein!
Diese Welt musste also Bevölkert sein, bevölkert von Menschen, die abgeschirmt und ohne Kontakt zu all den anderen Reichen hier seit ewigen Zeiten leben mussten. Wie mochten sie wohl auf die Neuankömmlinge reagieren? Wie haben sie hier, unentdeckt von der Welt gelebt? Es war schlicht ihre Neugier die sie weiter vorantrieb. Aber auch die Erkenntnis, dass diese Region durchaus in der Lage war Menschen zu ernähren, man musste also nur wissen wie und wo. Sie legten nicht weit von dem Baumstamm am Ufer an und gut die Hälfte von ihnen machten sich auf ins Dickicht. Nachdem sie schon eine ganze Weile durch den dichten Nebelwald geschritten waren, auf Geräusche lauschend und achtsam Ausschau haltend, wurden sie einer Bewegung im Unterholz gewahr. Die Büsche raschelten und heraus stürmte ein Hühnerartiges schwarzgefiedertes Vogeltier etwas größer als ein großes Haushuhn. Zu überrascht um auch nur zu reagieren rannte es unbehelligt an den ersten Männern vorbei. Allerdings war unter ihnen ein ganz aufgeweckter Bursche, der schon in jungen Jahren gelernt hatte an den Unterläufen des Tone Fische mit bloßer Hand zu fangen, er packte das Tier, hielt es an den Hinterläufen fest und drehte ihm geschickt den Hals um.
Kurz nach dieser Szene stürmten zwei Menschen aus dem Dickicht heraus. Als sie die fremden sahen, viel der jüngere von ihnen sofort hintüber vor Schreck und landete auf seinen Hinterteil. Auch die Siedler waren einige Schritte zurückgewichen. Nachdem dieser erste Schock verflogen war, richtete sich derjenige von ihnen auf, der Hingefallen war und rammte seinen Speer in den Boden. Danach breitete er seine Arme aus und sprach etwas in einer für unsere Ohren ungewohnten, vollkommen unbekannten Sprache. Da die Männer dachten, dass es sich um eine Begrüßung handeln müsste erwiderten sie diese in unserer Zunge. Derjenige der Beiden, der noch seinen Speer in Händen hielt, deutete mit diesem frech und unverhohlen auf die Männer. Erst nach einigen verwirrenden Augenblicken, als Ishigane, ihr Anführer und ein Kampferprobter Samurai, schon sein Schwert zeihen wollte, erkannten sie das er auf den Hühnervogel zeigte. Dabei benutzte er das Wort: „Inuktu“. Ob das der Name des Tieres war oder die Aufforderung es herzugeben wussten sie allerdings nicht, aber es war klar, dass sie den Vogel gejagt hatten und nun ihre Beute beanspruchten. Die Männer gaben durch Handzeichen zu verstehen, dass sie Hunger hätten und das Huhn ihrerseits gerne behalten würden. Als die beiden Eingeborenen dies verstanden hatten, machten sie eine Geste die den Männern andeutete ihnen zu folgen. Etwas misstrauisch aber entschlossen schritten sie den beiden hinterher, allerdings ließen sie sie nicht aus den Augen und waren auf mögliche Hinterhalte oder sonstige Fallen gefasst. Es stellte sich heraus, dass die beiden nur Teil einer größeren Jagdexpedition waren, denn sie führten die Männer zu einer Lichtung auf der noch sechs weitere Eingeborene saßen, welche herzlichst lachten und munter miteinander redeten zumindest bis ihre Kameraden mit den ungewöhnlichen Fremden zurückkehrten. Nachdem man sich so gut es ging verständigt hatte, dass unsere Männer fremd in dieser Gegend waren und wohl Hunger hätten und dass sie das flüchtende Huhn für sie gefangen hätten, überreichten sie den Siedlern einen Teil ihrer Jagdbeute, die aus einem duzend dieser Hühner, vier seltsamer behaarter Robben, einem großen Netz von Süßwasserfischen und zwei Füchsen bestand, ohne dafür auch nur irgendetwas zu fordern. Dies alles taten sie fast immer lächelnd. Mit einigen weiteren unbeholfenen Gesten beiderseits und nach etlichen Fehlversuchen, glaubten die Siedler herausgefunden zu haben, dass die Siedlung der Einheimischen weiter im Osten hinter einigen weiteren kleinen Flüssen lag, und dass das Baumartige Boot nicht zu ihrer Expedition gehörte, denn sie waren anscheinend nicht in dieser Richtung gewesen.
Sie kehrten mit ihrer Beute und den neugewonnenen Informationen zu der restlichen Schiffsbesatzung zurück, die gerade Dabei war ihr Glück beim Fischen zu versuchen, dabei aber nur einige Jungfische fangen konnten die alle ins Meer schwammen und schwer zu fangen waren. Als sie die Rückkehrer mit ihrer großzügigen Beute ankommen sahen, machten sie ziemlich große Augen, denn auf solch eine reichhaltige und vielversprechende Rückkehr hatten sie nie gehofft.
Die Expedition gelangte schließlich nach mehreren Tagen in das Dorf der Einheimischen, das gut Zehn Ri Landeinwärts lag, aber sehr schwer zu finden war. Hätten sie nicht explizit danach gesucht, sie hätten es wohl kaum gefunden. Doch als sie dort ankamen wurden die Männer wohlwollend begrüßt. Man lud sie auch zu einer Art Fest ein, bei dem ein großer Hirsch oder zumindest ein dem Hirsch sehr ähnliches Tier verzehrt werden sollte. Die Männer nahmen dankend an. Nachdem sich die ganze Dorfgemeinschaft um sie versammelt hatte, um die Fremden zu bestaunen und zunächst alles gut und unschuldig seinen Lauf nahm, kam es allerdings zu einem brenzligen Zwischenfall. Während nämlich die Einheimischen die Rüstungen und die Seidenkleider unserer Männer anfassten und betasteten, da sie wohl noch nie solcherlei Stoffe gesehen hatten, legte einer der Einheimischen ein junger Mann, fast noch ein Junge, seine Hand an den Griff von Ishiganes Katana und untersuchte die Minuki. Dass dies unter allen Umständen verboten war konnte der Junge nicht wissen, doch Ishigane schnellte die Klinge reflexartig in aufwallender Wut heraus und stieß dabei den Jungen nach hinten. Dabei schrie Ishigane auch noch, so wie er es gelernt und im Kampf oft angewendet hatte, aus voller Kehle. Die gesamte Bevölkerung verstummte abrupt und alle starrten auf die angespannte Szenerie. Ishigane, nachdem er sich besonnen hatte, dass die Menschen hier nichts von den Gesetzen der Samurai wissen konnten, ja noch nicht einmal wussten was ein Schwert war, gab ihnen zu verstehen, dass er nichts Böses wolle, es aber verboten sei, dass jemand anderes eines seiner Schwerter berührte.
Das dieses Schwert die Einwohner allesamt beeindruckte konnte man sehr wohl erkennen, doch kannten sie wohl noch nicht die Gefährlichkeit einer solchen Waffe. Ishigane überlegte, wie er ihnen wohl am besten vor Augen führen mochte, dass dieses Schwert etwas wirklich Besonderes war. Da kam ihm der Gedanke, dass er an dem Hirsch, der gerade zerlegt werden sollte eine kleine Demonstration ausführen könnte. Er gab den Einheimischen zu verstehen ihm doch ein wenig Platz zu machen. Er ließ ein paar der Männer den seltsamen Hirsch gut zurechtlegen und teilte ihn dann mit einem einzigen gewaltigen Hieb längs entzwei. Die Dorfbewohner waren so sehr beeindruckt, dass sie in der Folge das Schwert schon fast mit religiöser Ehrfurcht betrachteten und immer einen Respektsabstand zu dem Samurai hielten. Ishigane war darüber sehr zufrieden.
In der Folge konnten beide Seiten, die Siedler sowie die Einheimischen in Frieden miteinander leben. Viel erfuhren wir über die Tiere der Region, wie, wann und wo man sie jagen konnte. Auch welche der Pflanzen essbar waren und dass man in vielen Wäldern schmackhafte tiefblaue Beeren findet. Den Anbau irgendwelcher Pflanzen pflegten sie jedoch nicht und unser Versuch einige der uns bekannten Gräser hier zu kultivieren schlugen allesamt fehl. Auch kannten sie keine Pferde, keine zahmen Hühner, keine Schweine und auch keine Rinder. Lediglich ein paar Hunde lebten mit ihnen im Dorf. Doch fanden sie das Fleisch unserer Rinder sehr schmackhaft und gaben uns gerne vielerlei Waren im Tausch dafür. Dies waren meist Ketten aus Halbedelsteinen, Schmuckstücke aus Kupfer oder edle Steinerne Werkzeuge, die an Schärfe fast einem Katana oder Wakizashi gleichkamen. Wir waren jedoch mehr darauf aus zu wissen woher sie denn das Kupfer hatten, war doch in Nihon selbst nur wenig davon vorhanden. Sie wiesen uns einen Weg Landeinwärts in die Berge wo eine kleine Kupferader durch das Oberflächengestein deutlich zu sehen war. In dieser Art profitierten Wir und auch sie von dieser ersten Begegnung der Siedler mit der neuen Welt, allerdings sollte dieses friedliche Nebeneinander nicht allzu lange anhalten.