Das Interview mit Civil
Civil über seinen Krieg gegen Frankreich: "Eine diplomatische Lösung schließe ich aus".
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KirKanos: Hallo Civil, Dr. Seltsam? Erklär uns doch bitte mal Deinen Namen und stell Dich kurz vor.
Civil: Civil ist abgeleitet von 'Civil Defense Broadcast System', welches im kalten Krieg, aus heutiger Perspektive, ziemlich lächerlich anmutenden Unsinn über die Folgen eines möglichen Atomkrieges in den USA verbreitet hat. Der Name wurde mit der Zeit immer kürzer, bis nur noch Civil Defense übrig blieb, warum ich hier nur Civil heiße, kann ich ehrlich gesagt gar nicht mehr sagen. Vermutlich hatte ich einfach nicht vor, hier wirklich aktiv zu sein. Dr. Seltsam ist eine der Hauptfiguren aus dem Film 'Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte die Bombe zu lieben', wobei der gute Dr. ein Naziwissenschaftler ist, welcher nach dem Krieg in die USA übersiedelte und, nun ja, irgendwie Seltsam ist. Den Film kann ich übrigens nur empfehlen.
Ich hatte damals eine Zeit lang recht häufig Company of Heroes 2 gespielt und mich mit 2 weiteren Personen dazu entschieden, einfach den Namen des Charakters zu übernehmen, während die anderen Dr. Merkwürdig und Dr. Strangelove hießen. Merkwürdig ist der bürgerliche Name des Charackters, bevor er in die Vereinigten Staaten emigrierte und Strangelove einfach die englische Version. So wussten unsere Feinde gleich, dass sie es mit einem eingespielten Team zu tun hatten und irgendwie fand ich es lustig.
Im echten Leben heiß ich Max und kom aus'm Pott, bin 24 Jahre alt und gehe noch oder besser gesagt wieder zur Schule. Dieses Jahr sollte ich dann endlich mein Abitur haben und sofern ich ein Jahr lang in der Praxis als Erzieher arbeite, auch eine Ausbildung dazu. Anstreben tue ich jedoch ein Studium, im Idealfall Lehramt mit Geschichte und evangelischer Theologie.
KirKanos: Du möchtest also Geschichte studieren, gibt es eine Epoche die Dich besonders fasziniert? Oder wie hast Du Dich für Geschichte als Studienfach begeistert?
Civil: Früher fand ich den 2. Weltkrieg immer sehr interessant, mittlerweile habe ich jedoch das Gefühl, dass ich die interessanten Aspekte alle schon kenne (oder zumindest irgendwann mal gekannt habe). Ansonsten finde ich vor allem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle fernab des Kapitalismus' sehr spannend, vor allem in Hinsicht auf die Frage, woran sie gescheitert sind. Grob gesagt finde ich also vor allem das 20. Jahrhundert recht spannend.
Woher das Interesse genau kommt, weiß ich gar nicht so genau. Irgendwie fand ich es schon immer interessant, wobei ich denke, dass neben Dokumentationen und Spielfilmen auch Videospiele dazu beigetragen haben.
Zum MP bin ich eher zufällig gekommen. Vor ewig und 3 Tagen bin ich einmal an einem Spieltag als Vertretung eingesprungen, hatte es dann ein wenig aus den Augen verloren und letzten Sommer habe ich mich dann mal angemeldet, da EUIV im Singleplayer keinerlei Reiz mehr bietet und die Leute, mit denen ich immer gespielt habe, nie ein Interesse an Spielerkriegen hatten. Im Grunde habe ich also die Herausforderung gesucht und auch gefunden, da einem hier echt nichts geschenkt wird.
KirKanos: Wie ist es bis jetzt mit Deinem Land gelaufen? Kannst Du uns den aktuellen Krieg kurz skizzieren?
Civil: Eher mäßig. Ursprünglich sollte ein größeres Defensivbündnis Frankreich ein wenig Wind aus den Segeln nehmen, wegen Differenzen kam es dann leider doch nicht dazu. In so fern profitierte ich auch stark vom Neustart. Jetzt gilt es den Krieg gegen Frankreich, Spanien, Florenz sowie diverse KI Nationen zu gewinnen. Der Kriegsstand spricht zwar gegen England und mich, jedoch haben wir auch einige Schlachten bereits gewonnen und ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir das Blatt noch wenden können und werden.
KirKanos: Wie bewertest Du denn die Chancen für einen erfolgreichen Kriegsausgang? Oder ist vielleicht eine diplomatische Lösung denkbar?
Civil: Eine diplomatische Lösung schließe ich aus. Die Kriegsparteien sind im Vorfeld auf keinen Nenner gekommen und ich denke nicht, dass der potenzielle Gewinner, welcher dann ja in einer noch stärkeren Position als im Vorfeld wäre, irgendwelche Zugeständnisse machen würde. Da ich Optimist bin, gehe ich jedoch davon aus, dass wir den Krieg noch gewinnen werden. Es wird vermutlich kein Kinderspiel, der Illusion will ich mich nicht hingeben, aber es stehen noch ein paar spannende Schlachten aus und selbst wenn wir verlieren sollten, würde dieser Sieg Frankreich und Spanien einiges kosten. Allerdings kann zu dem Thema im Allgemeinen auch nicht zu sehr ins Detail gehen, der Feind liest ja schließlich mit.
KirKanos: Wie läuft es in Burgund sonst so, hast Du schon einen Fahrplan für Deine Ideenwahl? Schwankst Du da noch zwischen Ideengruppen?
Civil: Ich habe Burgund vorher noch nie gespielt, also kann ich schwer beurteilen, ob es gut oder schlecht läuft. Ich denke Burgund hat am Anfang den Nachteil, dass es 50 Jahre warten muss, ehe es seine reichen Gebiete effektiv nutzen kann. Im Idealfall gewinne ich zusammen mit England den Krieg und bekomme es hin, Burgund mit den Niederlanden zu verbinden und genug Zeit zu schinden, bis ich die Wirtschaftskraft des Ärmelkanals effektiv nutzen kann.
Was Ideen angeht schwanke ich wirklich. Zum einem weiß ich noch nicht, ob ich kolonisieren möchte oder nicht, zum anderen, ob ich auf Qualität oder Quantität setzen möchte. Letzteres würde bedeuten, dass ich die Boni auf Söldner von Burgund ausbaue, sodass Manpower für mich ziemlich unwichtig werden würde. Am Ende denke ich wird aber auch hier der Ausgang des Krieges zeigen, in welche Richtung es geht und ob Burgund überhaupt eine Militärmacht wird.
KirKanos: Kann man daraus ableiten, dass Dir keine klassische Niederlande als See- und Kolomacht vorschwebt? Kann ein Burgund, auch als Landmacht gespielt, wirklich auf Dauer zwischen Frankreich und Österreich existieren ohne aufgerieben zu werden? Müsste es nicht dann das Ziel sein das jetzige Frankreich zu schlucken und selber Frankreich zu gründen?
Civil: Da ich Burgund noch nie gespielt habe und auch nicht sonderlich viel MP-Erfahrung, eigentlich ja keine, besitze, kann ich immer nur spekulieren. Da du ja im letzten MP bereits die klassischen Niederlande gespielt hast, dachte ich, es wäre langweilig genau in die gleiche Richtung zu gehen. Frankreich zu gründen wäre tatsächlich interessant, allerdings weiß ich nicht, ob sich das effektiv umsetzen lies. Um Österreich mache ich mir erst einmal keine Sorgen, Xem scheint ja durch aus gerade genug eigene Probleme zu haben und ich habe aktuell keinerlei Interesse, gen Deutschland zu expandieren. Wobei ich, um auf die frage der Existenz einzugehen, auch hier wieder denke, dass vor allem der Krieg zeigen wird, ob es möglich ist.
KirKanos: Was spielst Du neben EU 4 noch so? Gibt es für Dich vielleicht besonders einprägsame Charaktere aus der Computerspielwelt die Dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Civil: Aktuell spiele ich noch Stellaris im MP, ansonsten ziemlich viel Crossout, was eine Mischung aus World of Tanks und Mad Max ist, wobei man die Fahrzeuge selbst zusammen basteln kann, was mir ziemlich viel Spaß macht. Lust hätte ich auch mal wieder auf ein gutes Rollenspiel, wobei es da im Moment leider auf dem Markt nichts gibt, was mich wirklich reizt.
Ein Charakter ist mir gerade nicht sonderlich präsent, wenn ich den Begriff jedoch ausweiten dürfte, würde ich Caesar's Legion aus Fallout: New Vegas als interessante Fraktion nennen. Caesar selbst ist vom Mitglied der Followers of the Apocalypse, einer quasi postapokalyptischen, anarchistischen Hilfsorganisation, zum Anführer einer riesigen Sklavenhalternation geworden. Seine Legionen bringen die Zivilisation gleichermaßen wie die Barbarei und ich erinnere mich noch heute daran, wie ich zum ersten Mal Vulpes Inculta draf, dessen Frumentarii eine ganze Ortschaft in Schutt und Asche legten und ihre Bewohner zur Teilnahme an einer Lotterie zwangen, wobei der Hauptpreis Freiheit und Unversehrtheit war, der zweite Platz sich noch damit beglücken durfte, dass 'nur' seine Kniescheiben zertrümmert wurden und der Rest hatte die Aussicht auf Kreuzigung, einer direkten Exikution oder Sklaverei. Dazu trugen ihre Mitglieder Uniformen, die an denen des Römischen Reichs angelehnt waren, jedoch aus amerikanischer Sportbekleidung bestanden. Als Begründung für diese Gräueltat erzählte Vulpes dem Spieler dann, dass diese Ortschaft moralisch komplett verdorben sei und man dem Ödland der Mojave eine Lektion erteilen müsse. Das ganze empfand ich als ziemlich paradox und ich hatte solch eine schön ausgearbeitete 'böse' Fraktion noch nie vorher in einem Spiel gesehen. Erschreckend ist auch, dass man durch aus Sympathie für diese Fraktion entwickeln konnte, da sie, im Gegensatz zu den 'guten' Fraktionen, ihren Bewohnern ein Leben in Sicherheit ermöglichte. Als ich das Spiel einige Jahre später noch einmal spielte, empfand ich es auch gar nicht mehr als so paradox und absurd, kam Caesars Gesellschaftsmodell in vielen Punkten doch dem des IS sehr nahe.
Leider hatte die Fraktion sowie ihre Charaktere viel zu wenig Content, sodass es bei einigen wenigen, dafür jedoch ziemlich einprägsamen Momenten blieb, was sehr schade ist, da ich selten eine so interessante Fraktion in einem Videospiel gesehen habe.
KirKanos: Welche Rollenspiele, außer Fallout, haben Dich besonders begeistert? Warum meinst Du kommen in den letzten Jahren nur noch spärlich Rollenspiel-Perlen heraus?
Civil: Einer meiner Favoriten wäre Arcanum: Von Dampfmaschinen und Magie, welches eine wunderbare Spielwelt und einen wirklich sehr schönen und detaillierten Charaktereditor besitzt. Das erste Dragon Age fand ich damals auch recht cool, wobei es mir heute ein wenig zu zwanghaft 'erwachsen' vorkommt. Mass Effect waren auch die ersten beiden Teile super, wobei schon beim Zweiten RPG-Elemente gestrichen wurden. Divinity Original Sin 2 hat mich in letzter Zeit wohl am meisten begeistert, wobei ich das immer noch durchspielen muss. Leider sind alle Anläufe im Multiplayer auf halber Strecke liegen geblieben, falls jemand also mal Interesse hätte, gerne melden. =)
Mit der zweiten Frage hast du ein wenig die Büchse der Pandora geöffnet, da ich mich wirklich gerne über die Spielindustrie aufrege. Ein Punkt liegt wohl im Wandel der Industrie selbst, welche früher ja eher aus Spielern bestand, welche Spiele gemacht haben und noch irgendwo einen künstlerischen Anspruch hatten. Um die 2000er rum sind vielegute Spieleschmieden jedoch pleite gegangen, da es zwar tolle und kreative Köpfe waren, aber eben keine effizienten Geschäftsleute. Heute haben die Firmen ja viel mehr Kapital zur Verfügung und auch die Teams sind viel größer, jedoch geht es nun eben in erster Linie darum, Aktionäre zufrieden zu stellen und nicht etwa, ein Spiel zu produzieren, was man selber auch super geil findet. Ich würde mal behaupten, dass Spiele also früher mehr Selbstverwirklichung waren und heute eher ein Produkt sind, aus welchem man möglichst viel Profit erwirtschaften möchte.
Dann hat sich natürlich auch noch die Spielerschaft selbst gewandelt, weg vom verrufenen Nerdtum, hinein in den Mainstream. Dadurch gibt es natürlich viel mehr Kunden und allen voran auch Kunden, welche Computerspiele nicht unbedingt als Hobby haben, sondern eher als Zeitvertreib für nebenher, quasi auf einer Stufe mit Fernsehen. Und ich gehe davon aus, dass diese Spielerschaft gar keine komplexen Systeme mit ebenso komplexen Geschichten möchte, wo man noch wirklich nachdenken und sich selber moralisch reflektieren muss, sondern eben eher die seichte Unterhaltung für Zwischendurch suchen. Und so wie dann Hollywood jedes Jahr mit den gleichen üblichen verdächtigen als Schauspielern generische Actionblockbluster erstellt, macht es die Spiele Industrie eben auch. Offene Spielwelt, ein paar 'epische Momente' und eine Menge Action, zack, fertig ist das Spiel.
Nehmen wir mal Bethesda als Beispiel. Sowohl bei The Elder Scrolls als auch bei Fallout schwinden die RPG Elemente mit jedem neuen Teil, die Lore wird komplett ignoriert, dafür kommen aber immer größere Spielwelten und Features, wie ein vertonter Charakter, um die nie jemand gebeten hat. Trotzdem sahnen diese Spiele unzählige Preise ab und werden von vielen Spielern gekauft, da es scheinbar interessanter ist, sich dicke Waffen craften zu können und sich durch Horden von Gegnern zu schnetzeln, als auch mal eine Quest zu bekommen, wo man wirklich mal eine schwere Entscheidung treffen muss.
Bevor ich jetzt noch weiter spekuliere und mich aufrege, lasse ich die Kritik hier mal einfach so stehen. Cool fände ich jedenfalls ein Rollenspiel, was die Tiefe in Story und Charakterentwicklung der 'älteren' RPGs hat, jedoch von den Spielmechaniken und der Optik sich eher den neueren anpasst. Im Grunde eigentlich ein Spiel wie New Vegas, nur mit aktuellerer Grafik. Und wer weiß, vielleicht schafft Cyberpunkt 2077 es ja, diese Aspekte zu verbinden.
KirKanos: Dein Buch, Spiel und Film für die einsame Insel?
Civil: Ich lese nicht sonderlich gerne, habe aber schon seit Ewigkeiten 'Botschaften aus dem lakandonischen Urwald' von Subcomandante Marcos hier rumfliegen, was ich eigentlich ganz gut finde und wer weiß, vielleicht findet sich darin auch was nützliches für das Überleben auf einer einsamen Insel. Film wäre definitiv New Kids: Turbo, der geht immer. Spiel wäre schon schwer, ich glaube, da könnte ich mich gar nichtfestlegen. Im Zweifelsfall würde ich aber wohl die Zeit (und den Zwang) nutzen, um Original Sin 2 durchzuspielen.
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