Beitragvon DarthFrankiboy » 26. September 2015 13:02
Mit einer unmissverständlichen Geste mithilfe des ihr gereichten Bechers ließ sie den Diener mit dem Wein wieder vortreten und während dem Auffüllen und dem ersten Nippen, in welchem sie den Geschmack sondierte, saß sie still da und starrte nachdenklich durch den Körper Heinrichs. Sie machte es sich in dem Stuhl so bequem wie möglich, ohne aber die Haltung zu verlieren.
"Es ist wahr. Cordoba und alle anderen Besitzungen der Mauren werden sich früher oder später unter unseren Schwerter krümmen oder unseren Flaggen und dem heiligen Kreuz beugen. Wahrscheinlich wird Cordoba bereits jetzt - in just diesem Moment, in welchem wie hier sprechen - umkämpft und von meines Bruders Armee eingenommen.
Mein Bruder hatte mit dem letzten Boten, den er mir hinterher geschickt hatte, auch mitgeteilt, dass Euer Vater ihn bereits nach diesen Zuckerressourcen gefragt habt. Ihr scheint diesen wahrhaftig zu begehren. Und es scheint den königlichen Beratern von Kastilien wohl so, als ob die anderen westlichen Christenreiche wenig interessiert am Zucker von Iberien sind, was jedoch nicht bedeutet, dass wir diesen verschenken."
Sie machte eine Pause und nahm einige Schlucke Wein. Nachdem sie mit ihrer Zunge leicht über ihre Lippen gefahren war, setzte sie wieder an, ein klein wenig errötet. "Wie unsere Unterhaltung hier nahe legt, halte ich die Verhandlungen über diesen Zucker. Und wie Ihr vielleicht nicht wisst, dass meine Reise, die mich über die Pyrenäen, durch Westfrankreich und schließlich hierher geführt hat, dem Zwecke diente, dass ich - die zweite Tochter unseres verstorbenen Königs Alfonso VI. - einen würdigen Gemahl finde." Sie neigte leicht beschämt den Kopf. "Ich habe von einigen gemeinen Leuten erfahren, Euer älterer Bruder, der Erbe der normannischen Krone, wider Erwarten noch keine Frau im heiligen Bund an seiner Seite weiß." Sie wollte nicht vor dessen Bruder ihre Gründe nennen, warum sie so schnell auf ihn gekommen ist. Einige gute Geschichten hatte sie wohl gehört. "Mit solch einer Vereinigung der Königshäuser würde Eure Familie natürlich versprechen, meiner Familie gegen jegliche Gefahren beizustehen, die sie bedrohen, sie es mit dem Schwerte oder mit der Zunge. Gleiches verspricht natürlich meine Familie Eurer, nachdem die Ungläubigen vertrieben und die spanischen Gebiete zur Ruhe gekommen sind. Der Zucker wäre sozusagen eine Mitgift dieser Eheschließung. Ich würde aber vorher liebend gern nach der Rast in Caen Euren Bruder treffen."
Den Kopf nun wieder zu Heinrich gerichtet, wartete sie mit einem weiteren großen, aber lautlosen Schluck dessen Reaktion ab.
"Es gibt nichts Eitleres und Unbeständigeres auf Erden, als der Mensch ist; so lang ihn die Götter begünstigen, meint er, die Zukunft könne ihm nichts Böses bringen; und wenn nun das Traurige kommt, so findet er keinen Mut in sich, es zu ertragen."
- Odysseus zu einem Freier; aus Gustav Schwabs Sagen des klassischen Altertums