Ich habe mir das Spiel relativ bald nach Release geholt und an sich gefällt es mir auch durchaus gut. Die Stimmung kann super sein (dazu gleich mehr), die Quests sind mal eine Abwechslung (mein Highlight ist der Sauf-Abend mit einem Pfarrer, der anschließend vom Kirchturm kotzt) und die Grafik ist, trotz aller Ruckler durch Performance-Probleme, sehr ansehnlich. Allerdings hat Kingdom Come bei mir nicht wirklich den "Sucht-Faktor" ausgelöst, den ich hatte, als ich im Sommer Witcher 3 inklusive der DLCs durchgesuchtet habe, weswegen ich es auch noch nicht fertig gespielt habe. Das hat mehrere Gründe:
Das Speichersystem war zu Beginn echt nervig (ein Patch hat es ja jetzt etwas verbessert). Die Idee, man solle nicht so oft speichern, klingt ja erst einmal gut. Bei mir hat das aber nur dazu geführt, dass ich vor jeder größeren Aktion zu meinem Bett renne. um nicht durch Bugs den Fortschritt von Stunden zu verlieren. Außerdem ist es echt nicht schön, wenn man bei den ersten, für eine Quest erforderlichen Schlossknack-Versuchen regelmäßig vom Besitzer der Kiste kassiert wird, weil man noch nicht richtig weiß, wie es geht. Das hat nichts mit Realismus zu tun, es fühlt sich einfach nur unfair an. Wer den zehnten Versuch verhaut, der hat von mir aus eine Bestrafung verdient, aber nicht nach den ersten drei.
Nächster Punkt sind Bugs. Bei mir wird regelmäßig mitten im Spiel das ganze Sichtfeld schwarz. Das Interface ist noch da und die ersten Zentimeter direkt vor den Füßen der Spielfigur auch, aber sobald man etwas weiter nach oben schaut, sieht man einfach nichts mehr. In der freien Landschaft probiere ich meist etwas rum, muss speichern und neuladen (ciao mein letzter Retterschnapps...) und es geht wieder. Das passiert aber auch, wenn man grad in einem Kampf oder einer Zwischensequenz ist. Daher habe ich schon einige Zwischensequenzen nur gehört und bin ein paar Mal im Kampf unfreiwillig (weil blind) draufgegangen. Zusammen mit dem fehlenden freien Speichern ein Genuss, sage ich euch. Genauso wenn man einen Kampf gerade so überlebt hat, auf dem Heimweg vom Pferd steigt und dabei einfach mal so viel Schaden bekommt (warum???), dass man stirbt. Dazu kommt noch einiges Kleinzeug, was weniger störend ist.
Der letzte Punkt ist die Atmosphäre. Die kann, das habe ich schon gesagt, super sein. Wenn man durch das virtuelle Böhmen reitet und einen fantastischen Sonenuntergang über einer realistisch aussehenden Burg bewundert. Wenn man im Wald Hasen jagt und von der Geräuschkulisse geradezu begeistert ist. Wenn man die hübschen Dörfchen durchreitet.
Aber, und das ist leider ein sehr großes Aber, die Stimmung wird viel zu oft und viel zu leichtfertig zerstört. Warum erzählt jeder zweite Bettler am Wegesrand die selbe Geschichte und sieht teilweise genauso aus, wie sein Vorgänger? Das würde wenig stören, wenn man selten Bettler treffen würde. Wenn man aber sowohl beim Reiten als auch der Schnellreise alle drei Meter von welchen angehalten wird und ich daher in meinen 60 Stunden Spielzeit locker zehn mal die selbe Geschichte der armen Witwe gehört habe, deren Mann von der eigenen Familie erschlagen wurde, nervt das gewaltig. Ich bin nicht dement und muss daher auch nicht alle zwei Minuten das selbe hören. Genauso die fahrenden Ritter am Wegesrand. Wenn ich den armen Kerl erst überzeuge, er solle sich, anstatt auf deren Druck nach Duellen zu suchen, lieber mal von seiner Mutter lösen, dann ist das extrem cool. Wenn der selbe Typ mit exakt den selben Dialogoptionen aber drei Stunden später woanders steht und mich noch mal anspricht, dann versaut das absolut alles, was an Stimmung bisher da war. Stichwort Demenz.
Und wieso sind die Questgeber so "dumm"? Ich soll nach einem Angriff auf ein Gestüt nach Spuren suchen, finde dabei einen der Angreifer, den ich noch nicht besiegen kann. Also renne ich, den Räuber im Schlepptau, zurück zum Hauptmann, der mich geschickt hat und den Angreifer erschlägt. Im nächsten Dialog darf ich dann aber von ebendiesem Räuber berichten und soll den unwissenden Hauptmann zu ihm führen. Zu dem Räuber wohlgemerkt, den er gerade selbst getötet hat. Nein, einfach nein. Und das ist leider nicht der einzige Aussetzer des Questdesigns, schon öfter hat die Quest nicht mehr zu dem gepasst, was ich schon gemacht hatte. Obwohl die Entwickler explizit mit verschiedenen und kreativen Lösungswegen werben.
Dann ist da noch die Synchronisation. An sich ist sie super, die Sprecher sind sogar richtig klasse, aber sie passt halt nicht zu den Bewegungen der Figuren. Und zwar so absolut gar nicht. So wenig, dass ich mich nicht daran erinnern kann, die Figuren irgendwann mal als "echt" wahrgenommen zu haben.
Das liest sich jetzt wie ein Verriss, dabei ist es das gar nicht. Insgesamt ist Kingdom Come ein gutes Spiel und ich bereue auch den Kauf nicht und werde es zu Ende spielen. Aber es regt mich einfach auf, wie viel besser das Spiel noch hätte sein können und wie leichtfertig die Entwickler, gerade was die Atmosphäre angeht, ihre eigene Mühe zunichte machen.
Umgekehrt zeigt es mir aber auch, was ein gutes Spiel (Kingdom Come) von einem sehr guten (Witcher 3) unterscheidet.