Osman I. hat geschrieben:Ja, aber davon zu sprechen, dass sie Probleme hätten sich gegenseitig abzuschlachten, ist Unsinn.
Es ist im echten Leben meist alles ein bisschen komplizierter.
Es gab durchaus Gemeinsamkeiten unter verschiedenen Germanenkräften, man denke an die Bündnisse gegen Rom. Sehr prominent ist die Koalition des Varus, die immerhin Teile der Cherusker, Marser, Brukterer und wahrscheinlich weiterer Stämme zusammenbrachte. Spätantike Stämme wie die Goten, Vandalen und Franken sind im Grunde durch ethnogenese zusammengewachsene Bündnisse aus kleineren Stämmen.
Auf der anderen Seite haben auch immer einige germanische Kräfte auf Seiten der Römer gekämpft. Es gab eben keinen Nationalismus. Das heißt jedoch wiederum nicht, dass jeder Germane ohne Skrupel seinen Nachbarstamm bekriegt hätte.
Osman I. hat geschrieben:Das stimmt, aber die Rede war ja von Italienern und nicht Italiker/Italer. Und Italiener gab es eben nicht. Es gab Lombarden, Venezianer, Römer (Bewohner Roms + Umfeld), etc., aber keine Italiener.
Es gab in der Antike keine Lombarden, sondern Langobarden (in Germanien) und in der Lombardei lebten Kelten (bis die Region ins römische Reich assimiliert wurde). Im frühen Mittelalter kamen dann die Langobarden in die Region.
Venetien wurde von den antiken Venetern besiedelt (die zeitweilig eine eigene kleine Kultur zwischen Illyrern und Etruskern gebildet hatten, welche jedoch stark von keltischen Einflüssen überlagert wurde, bis sie Römer wurden). Die mittelalterlichen Venezianer waren zwar nach ihnen benannt, waren aber keine direkten Nachfahren irgendeines Veneter Stammes, sondern römische Flüchtlinge, die sich im 5ten und 6ten Jh. n. Chr. dort vor Goten und Langobarden in Sicherheit brachten.
Latiner (die Stadt-Römer gehören kulturell dazu), Umbrer, Samniten etc. bildeten die Italischen Völker und wurden im Verlauf der römischen Herrschaft eine homogene Kultur, die schließlich auch die anderen Völker der Halbinsel einschloss, sie nannten sich auch später selbst alle Römer (nicht mehr nur die Bewohner der Stadt Rom), sprachen Latein, hatten das Bürgerrecht und wohnten im Kernland (d.h. sie waren nicht Teil irgendeiner Provinz).
Im Mittelalter und der Neuzeit ist die Region nicht nur politisch, sondern auch kulturell weniger homogen als in der römischen Antike. Wären die Einwohner Italiens also keine Römer gewesen, dann wären sie auch dem Namen nach Italiener.
Osman I. hat geschrieben:Ja, aber ich meinte, dass man solche Kulturgruppen nicht direkt als ein Volk bzw. eine Nation (das gab es zu der Zeit nämlich nicht) sehen sollte, sondern als Sammelbegriff.
Allgemein war mit meinem Post gemeint, dass man solche Sammelbegriffe nicht als Volk/Nation sehen sollte.
Natürlich gab es keine Nationen, aber Volk ist nicht gleich Nation:
"Volk/Nation"Natürlich gab es Völker.
Mit dem Wort Volk werden allgemein (große) Gruppen von Menschen bezeichnet, die durch kulturelle Gemeinsamkeiten, reale oder
fiktive gemeinsame Abstammung oder einen politisch und rechtlich organisierten Personenverband zu einer unterscheidbaren Einheit zusammengefasst sind.
Es ist nur nicht immer eindeutig wie man was zusammenfasst, weil es verschiedene unklare Kriterien gibt. Ist es das Volk der Belgier oder das der Gallier? Ist es das Volk der Athener oder das Volk der Griechen? Es sind jeweils beide Positionen argumentativ vertretbar. Genau so wie heutzutage schon Leute anfangen von einem Europäischen Volk (Volk der EU) zu sprechen.
Nation ist im Gegensatz zu Volk viel enger definiert und ist ein für die Antike und das Mittelalter grundsätzlich unbrauchbarer Begriff.