[CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

AAR u.a. zu Spielen der Total War Reihe

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 4. November 2016 21:01

Die Normandie und England

Diese Verbindung entstand seinerzeit zwischen Williams Urgroßvater Richard I. und dem englischen König Ethelred II., der Verbündete im Kampf mit den Wikingern suchte. Die Angelegenheit war so wichtig, dass deswegen 991 eine Versammlung in Rouen stattfand, die der Papst Johannes XV. selber angeordnet hatte. Päpstliche Gesandte vermittelten das Übereinkommen zwischen Richard und Ethelred, dass weder der Herzog noch der König den jeweiligen Feind des anderen unterstützen würde. Als zusätzliche Untermauerung dieses Paktes erfolgte 1002 dann die Heirat zwischen Emma, der Schwester Herzog Richards II., und König Ethelreds II. von England. (siehe rechts im Bild).

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Die weitreichenden Folgen dieser Verbindung sollten sich erst während der Herrschaft von William erweisen, doch einige Konsequenzen trat bereits zuvor zutage. Im Jahre 1013 überfiel Sweyn Folkbeard England und die westsächsische Familie musste ihr Heil in der Flucht suchen: Sie wandte sich geradewegs in die Normandie. Im Herbst 1013 traf Emma mit ihren beiden Söhnen Edward (später: Edward der Bekenner, siehe im obigen Bild) und Alfred im Herzogtum ein, der König Ethelred II. folgte im Januar 1014 nach. Mit normannischer Unterstützung unternahm der König einen Monat später die (erfolglose) Rückkehr nach England.

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Jetzt wird es etwas unübersichtlich. Nach dem Tod ihres Gemahl Ethelred II. tat sich Emma mit dem skandinavischen Eindringling zusammen und wurde im Juli 1017 die Frau des Königs Knut der Große. Der sicherte sich damit seinen Anspruch auf die englische Krone und wurde bald zum Herrn über ein großes skandinavisches Reich.

Unter diesen Umständen musste Emmas Sohn Edward noch lange Zeit im normannischen Exil verbleiben. Am Hof in Rouen muss er in diesen Jahren oft dem jungen William begegnet sein. Nach Knuds Tod im Jahre 1035 wagten die zwei Brüder Edward und Alfred die Rückkehr nach England. Aber auch sie scheiterten an Knuds Nachfolger: Alfred verlor im Kerker des Grafen Godwin von Wessex sein Leben, Edward flüchtete zurück in die Normandie an den Hof von Williams Vater.

Aber 1041 holte der kinderlose König Hardeknud seinen Halbbruder Edward aus dem normannischen Exil und bestimmte ihn zu seinen Erben. Die Nachfolge trat unerwartet rasch ein: Am 8. Juni 1042 hat sich Hardeknut bei einem Saufgelage anlässlich der Hochzeit eines seiner Gefolgsleute in Lambeth bei London zu Tode getrunken. Edward der Bekenner wurde zum König proklamiert, noch bevor Hardeknut in Winchester neben seinem Vater Knut dem Großen begraben wurde.

Edward enteignete umgehend seine Mutter Emma und setzte ihren wichtigsten Ratgeber, Erzbischof Stigand von Canterbury, ab. Edward war sehr religiös und empfand Bewunderung für das straff organisierte Herzogtum Normandie in Frankreich. Durch den 25-jährigen Auslandsaufenthalt war er den heimischen Verhältnissen entfremdet. Unter Edward nahmen Veränderungen in der Herrschaftsstruktur ihren Anfang, die sich erst unter den Normannenkönigen vollständig entfalteten, beispielsweise die direkte königliche Einsetzung von Klerikern auf Verwaltungsposten und Bischofsstühlen nach dem Vorbild des ottonischen Reichskirchensystems im Heiligen Römischen Reich.

Edward der Bekenner heiratete 1045 Edith, die Tochter des mächtigen Godwin (der einige Jahre zuvor Edwards Bruder im Kerker hatte umbringen lassen), die zahlreiche Ländereien als Mitgift erhielt. Es heißt, mit seiner Frau habe er keusch gelebt. Das Jahr 1051 brachte aber die Wende in der Beziehung zwischen Edward und Godwin, der König gewann die Kraftprobe und besiegte seinen mächtigen Schwager und Vasall. Die beinahe logische Folge war, dass der kinderlose Edward seine Frau Edith, die Tochter Godwins, nun verstieß – und zu seinem Nachfolger den jungen normannischen Herzog William bestimmte.

Godwin schlug 1052 zurück und erzwang mit Waffengewalt seine eigene Wiedereinsetzung sowie die seiner Söhne in ihre Grafschaften. Den König zwang Godwin, Edith wieder als Gemahlin zurückzunehmen. Auch das Erzbistum von Canterbury wurde mit einem Gegner Edwards besetzt: Der 1042 entmachtete Stigand bekleidete dieses Amt nun erneut.

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Stigand war nach den Ereignissen der letzten Jahre auf die Seite von Godwin gewechselt und somit auf der Position des Erzbischofs von Canterbury – die bedeutendste Position der englischen Kirche – nun ein wichtiger Parteigänger des Grafen. Stigands Ruf als Geistlicher war jedoch befleckt. Die Art, wie er an sein Amt gelangt war, sowie der Umstand, dass sein Vorgänger nach kanonischem Recht gar nicht abgesetzt worden war, stellte für die kirchliche Reformbewegung (die vom amtierenden Papst unterstützt wurde) eine Herausforderung dar. Stigand wurde vom Papst exkommuniziert. Weil Godwin an Stigand festhielt, zog auch er den ständigen Widerstand des Papsttums auf sich.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 12. November 2016 08:51

Im Jahr 1053 starb Graf Godwin und sein Sohn Harold wurde neues Oberhaupt der Familie. Harold zementierte die Macht seines Hauses weiter, im Jahre 1055 wurde sein Bruder Tosti neuer Graf von Northumbria. Einen Thronanwärter namens Edward (verwandt mit dem gleichnamigen König Edward), der es wagte, 1057 aus dem ungarischen Exil nach England zurückzukehren, ließ Harold offenbar umgehend beseitigen. Im folgenden Bild ist er links unten als „Edward Exile“ bezeichnet. Übrig blieb als Thronanwärter aus Ethelreds/Emmas Linie nur noch der 1051 geborene Edgar Etheling (im Bild unten), doch der war noch zu jung, um seinen Anspruch durchzusetzen. Vielleicht begann Harold in dieser Zeit, bei der englischen Thronfolge an sich selbst zu denken.

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Im Jahre 1064 hatte Harold den Höhepunkt seiner Macht erreicht und wurde von den Chronisten bereits als Unterkönig (sub regulus) bezeichnet. Auch war nicht länger daran zu zweifeln, dass er sich im Laufe der Zeit die Königswürde aneignen würde. Einen ehrgeizigen Konkurrenten hatte er aber in dem dänischen König Harald Hadraada (der Harte), der ebenfalls auf dem Höhepunkt seiner Macht stand.

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Aber auch Herzog William dürfte 1064 gespürt haben, dass sich seine Aussicht, das lang versprochene Königreich England zu gewinnen, wesentlich verbessert hatte. Seine Herrschaft über die Normandie hatte er gesichert, das Land war ertragreich. Insofern hatten William und Harold ihre Macht parallel konsolidieren und erweitern können. Nun, da das Leben Edwards des Bekenners seinem Ende zuging, standen sich die beiden durch den Kanal getrennten Männer als mögliche Rivalen um die Nachfolge des kinderlosen Königs gegenüber.

Dies war die Situation, in der König Edward seinen gefürchteten Vasall Harold aufforderte, sich in die Normandie zu begeben, um William seine Unterstützung bei der Thronfolge zu versprechen. Nach dem Schiffbruch und der Gefangennahme durch Guy von Ponthieu zahlte William das Lösegeld. Er wollte die persönliche Begegnung mit Harold, um dessen Versprechen zu erhalten. Und in der Tat – im Beisein einer Versammlung von Feudalherren veranlasste William Harold zur Abgabe des Eides der Lehnstreue, der sich im besonderen auf die ungeklärte Frage der englischen Thronfolge bezog. William stärkte so seinen vorrangigen Anspruch auf den Thron, indem er Harolds Anspruch kompromittierte. Harold dürfte kalkuliert haben, den Eid später immer noch ableugnen zu können oder aber geltend zu machen, dass er erzwungen worden war.

Harold kehrte nach Wessex zurück und sah sich einigen Schwierigkeiten für sein Haus gegenüber. Im Herbst 1065 erhob sich in Northumbria ein Aufstand gegen seinen Bruder Tosti, der wie erwähnt seit 1055 dort Graf war. Die Rebellion breitete sich rasch aus, die Aufständischen metzelten im Norden des Landes viele Anhänger von Tosti nieder und erklärten ihn selber für vogelfrei. Danach boten sie seine Grafschaft Morcar von Hwicce an, dem Bruder des Grafen Edwin von Mercia. Vom König erwarteten die Aufständischen die Bestätigung ihrer Beschlüsse, der ihnen nachgab (obwohl er dies selbst missbilligte). Tosti musste aus England fliehen, der Norden der Insel war in der Hand von Gegnern Harolds geraten.

So endete das Jahr 1065. Drei Männer – Herzog William, Graf Harold und König Harald – standen bereit und waren gewappnet, beim Tod des englischen Königs nach der Thronfolge zu greifen. Eines war sicher: Sobald Edward der Bekenner seine Augen für immer schließt, würde es Krieg geben.


Rouen, Januar 1066

Der Rat des Herzogs hatte sich am Morgen in der Halle zusammengefunden. Jede Woche saßen die engsten Berater mit William zusammen und machten Politik. An diesem Tag jedoch war der Herzog finsterer als sonst. „Ein Bote aus England ist eingetroffen“, sagte er, seine Stimme vollkommen ausdruckslos. „Ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen, dass mein Cousin, König Edward, gestern morgen kurz vor Tagesanbruch aus dieser Welt geschieden ist.“

Die Ratsmitglieder bekreuzigten sich. War die Nachricht auch lange erwartet, war sie dennoch wie ein Schock. Der fromme Edward war so lange König gewesen, beinahe ein Vierteljahrhundert, dass ein England ohne ihn kaum vorstellbar war. „Ihr bedauert dies schmerzvoll, so wie ich“, fuhr William ebenso bedächtig fort. „England verliert einen guten König. Aber seid guten Mutes. Es hat schon einen neuen. Gerade jetzt, da wir hier sitzen und plaudern, setzt der Erzbischof von York ihm in der neuen Klosterkirche von Westminster die Krone aufs Haupt.“

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Die Ratsangehörigen blickten unbehaglich auf den Herzog. Dessen Blick verfinsterte sich weiter. „Harold besteigt heute als zweiter dieses Namens den englischen Thron.“ Er ließ die Arme sinken, und seine großen Hände ballten sich zu mächtigen Fäusten. „Obwohl er geschworen hat, meinen Anspruch auf eben diesen Thron zu unterstützen. Obwohl er in meinen Dienst getreten ist.“ William unterbrach einen Moment, um sich wieder zu fassen. „Armes England. Ein Eidbrecher, Lügner und Verräter ist dein neuer König. Doch ich höre ihn schon sagen, dass er es nicht verhindern konnte, denn, so berichtet mein verlässlicher Bote, der angelsächsische Kronrat habe ihn zum König gewählt. Nachdem der sterbende König ihn zu seinem Nachfolger bestimmt habe. Nun, meine Herren, was denkt Ihr? Sollen wir Harold als Krönungsgeschenk vielleicht die Köpfe der Geiseln, die er mir damals hierließ, schicken?“

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Nachdem er die Nachricht von Harolds Krönung erhalten hatte, beriet sich William rasch mit seinen Feudalherren. Eine Protestnote wurde nach England gesandt, was jedoch eine reine Formalität war. William wusste, dass seine ganze politische Zukunft davon abhing, seine Ansprüche mit Gewalt durchzusetzen. Während dieser kritischen Zeit sicherte sich der Herzog die Unterstützung seiner Vasallen (die einen Angriff auf England für zu riskant hielten), förderte die Spaltungen zwischen seinen Rivalen und wandte sich mit Erfolg an die öffentliche Meinung in Europa. Außerdem traf er wesentliche Vorbereitungen zur Rüstung des Heeres, das ihm schließlich jenseits des Kanals zum Sieg verhelfen sollte.

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Es war Wilhelm FitzOsbern (Crépon), der die normannischen Herren von der Durchführbarkeit der Invasion überzeugte. William hielt eine Anzahl von Versammlungen ab und erreichte dank seiner Autorität eine beachtliche Zustimmung für seine Pläne. Für die Überfahrt musste umgehend eine Flotte gebaut werden, auch dazu brauchte William die Unterstützung seiner Fürsten. Für die Zeit seiner kommenden Abwesenheit musste William Maßnahmen ergreifen, damit sein Herzogtum nicht ohne Führung entblößt zurückbleibt. So nahm die Herzogin Mathilde (im folgenden Bild rechts) gemeinsam mit ihrem ungefähr 14jährigen Sohn Robert (links) besondere Verantwortungen auf sich. Robert wurde als zukünftiger Herrscher der Normandie benannt, die Fürsten leisteten den Treueid auf ihn.

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William war sich anhand seiner eigenen Jugenderfahrungen bewusst, wie unsicher derartige Treueide in einer Krisenzeit waren, wenn die Führung einer Frau und einem Knaben anvertraut waren. Deshalb wurden für die Abwesenheit des Herzogs bewährte Mitglieder des neuen Adels unmittelbar mit der Verwaltung der Normandie beauftragt. Der wichtigste unter ihnen war Roger von Beaumont, der für die geplante Invasion Englands von seinem Sohn Robert vertreten werden sollte. Außer ihm blieben in der Normandie zurück Roger von Montgomery sowie Hugo von Avranches.

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William war außerdem bemüht, seine Sache vor dem öffentlichen Gewissen in Europa zu rechtfertigen. Er wandte sich an Papst Alexander II. und erbat ein Urteil zu seinen Gunsten. Natürlich verwies William in seiner Begründung auf den Eid, den Harold 1064 geleistet und nun gebrochen habe. Gegen die Familie des Godwin ließen sich einige Ereignisse aus den Jahren 1036 und 1052 vorbringen – die Ermordung des Prinzen Alfred und die Auflehnung gegen König Edward etwa. Daneben wies William auf die jüngere, bemerkenswerte kirchliche Erneuerung der Provinz Rouen hin. Aus diesem Grund konnte sich das reformbestrebte Papsttum von einem Sieg Williams über Harold zu Recht einige Vorteile erwarten. Dies setzte den Herzog in die Lage, als der bewaffnete Vertreter einer Kirchenreform zu erscheinen, und zwar einem Fürsten gegenüber, der sich durch seine Verbindung mit Stigand zu Verhältnissen bekannt hatte, die von der reformbestrebten Partei innerhalb der Kirche abgelehnt wurden. Daher setzte sich der Archidiakon Hildebrand (später wurde er unter dem Namen Gregor VII. selber Papst) mit aller Kraft für William ein und veranlasste Papst Alexander dazu, das Unternehmen des Herzogs öffentlich anzuerkennen. Die förmliche Billigung des herzoglichen Planes durch das höchste Kirchengericht Europas zog weitreichende Konsequenzen der allgemeinen Meinung nach sich. Und William durfte sogar mit einem Banner, das ihm der Papst zukommen ließ, in den Kampf ziehen. Dieser Feldzug sollte als eine Art Kreuzzug erscheinen und wurde in Westeuropa weitgehend als solcher angesehen.

Das war ein Triumph der Diplomatie. Von nun an sollte der Angriff auf Harold keineswegs als ein reiner Überfall angesehen werden, wodurch man dem möglichen Widerstand anderer Fürsten bis zu einem gewissen Grade zuvorkam. Selbst der französische König Philipp verhielt sich wohlwollend - angesichts seines Alters von sechs Jahren jedoch wohl eher auf Betreiben seines Regenten, der kein anderer als Williams Schwiegervater war. Auch Kaiser Heinrich IV. bzw. die Ratgeber, von denen der ebenfalls junge Kaiser abhängig war, gab eine öffentliche Erklärung zugunsten des normannischen Herzogs ab. Auf Grund dieser Billigung von päpstlicher wie kaiserlicher Seite konnte William nicht wenige Freiwillige für sein Heer gewinnen. William gelang es sogar, den Söldnern die Plünderung seiner Landbevölkerung erfolgreich zu untersagen.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 16. November 2016 20:36

Für die Sicherheit des Invasionsheeres war eine Kontrolle über die Häfen am Ärmelkanal wichtig, jedoch war der Bau von Schiffen eine noch größere Notwendigkeit. Zwar existierte schon zu Zeiten von Herzog Robert I. eine ständige normannische Flotte, für den Transport eines großen Heeres war sie aber nicht geeignet. Deshalb ordnete William im Frühjahr 1066 jeden seiner Feudalherren an, einen Anteil am Schiffsbau zu übernehmen.

Im März 1066 wurde mit dem Bau der Flotte begonnen, und nach allem, was man hörte, ging es gut voran. Je nach Größe seiner Ländereien stellte jeder von Williams Vasallen ein Kontingent dazu bei. Es wurde ein hartes Frühjahr für die normannische Landbevölkerung, die Leute mussten nicht nur wie üblich ihre Felder und die ihrer Gutsherren bestellen, sondern zusätzlich Unmengen von Holz schlagen und zu den Sammelstellen schaffen. Dort übernahmen dann die Schiffsbauer die Arbeit. Auch nahe Rouen gab es einen Bauplatz, und an windstillen Tagen konnte man ihre Hämmer bis oben auf der Burg hören.

Am 21. März 1066 schrien die Menschen an ihren Arbeitsplätzen angstvoll auf, als sie zum Himmel blickten. Ein neuer Stern war plötzlich dort erschienen, stand hoch im Südwesten und ließ alle anderen Himmelslichter vor seiner strahlenden Helligkeit verblassen, selbst den Abendstern. Er zog einen eigentümlichen, milchigen Lichtstreif hinter sich her wie die fliegende Mähne eines galoppierenden Pferdes. „Wie der Stern von Bethlehem“, flüsterten sie. „Wenn die eintausend Jahre nach dem Leben des Christus vergangen sind, kommt die Zeit der Offenbarung“, erinnerten sich einen.

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An das Weltenende glaubten die meisten nicht, aber gewiss war es ein himmlisches Zeichen. Nur was wollte Gott den Menschen damit sagen? War es ein Zeichen gegen Harolds unrechtmäßige Thronbesteigung oder eine Warnung an William, von seinen ehrgeizigen Plänen abzulassen? Das seltsame Himmelszeichen hatte alle Leute erschreckt. Eine ganze Woche lang leuchtete es jede Nacht. Der Herzog selbst und seine Berater kamen bald zu dem Schluss, es müsse sich um ein Zeichen göttlichen Wohlwollens handeln, denn der Bau der Flotte ging erfreulich zügig voran und William hatte immerhin den Heiligen Vater als Fürsprecher gewonnen.

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Detail aus dem berühmten Teppich von Bayeux

Der Bau der Schiffe wurde mit Eile betrieben und ab Mai begann man, die neuen Schiffe in der Flussmündung der Dives zusammenzuziehen. Dort setze man die Arbeiten an der Flotte fort. Die Fertigstellung der Flotte erwartete man dort für August 1066.

William tat gut daran, zur Eile zu drängen. Im Mai 1066 unternahm Harolds Bruder Tosti, der nach seinem Sturz von Northumbria nach Flandern geflüchtet war, den erwarteten Versuch, mit Waffengewalt nach England zurückzukehren. In Lincolnshire wurde sein Heer gestellt und vernichtet. Tosti fand Zuflucht am schottischen Hof bei König Malcolm III. (jener Malcolm, dessen Vater König Duncan von Macbeth getötet wurde, was Shakespeare zu seinem Drama Macbeth inspirierte), mit dem er bereits ein festes Bündnis geschlossen hatte. Tosti nahm auch Kontakt auf zu Norwegens Harald, der ihm einige Schiffe zur Unterstützung schickte. Eventuell hatte Tosti vor seinem Angriff auf England sogar William in der Normandie besucht und etwas Unterstützung erhalten.

Harold war bewusst, dass der Angriff seines Bruders nur der Auftakt für eine größere normannische Invasion war, die seine Königsherrschaft bedrohte. Daher begab er sich auf die Insel Wight, wo er die Verteidigung der Südküste gegen Williams Heer organisierte. In der Zeit vom Juni bis August konnte William die schnelle Entwicklung der Lage beobachten. Von Norwegens Harald wusste man bereits, dass er für eine Invasion Englands intensive Vorbereitungen traf und in Verbindung stand mit Tosti (der sich weiter am Hof des schottischen Königs befand). Der englische König Harold wusste um die Gefahr aus dieser Richtung, konzentrierte sich zunächst aber in erster Linie auf die Normandie und zog seine Truppen an der Südküste zusammen. Offenbar ging Harold davon aus, das der normannische Angriff zuerst erfolgen würde, außerdem wollte er seine persönliche Grafschaft (Wessex) vorrangig verteidigen.

Williams Flotte wurde wie geplant fertiggestellt und stand ab dem 12. August 1066 zur Überfahrt bereit. Nur der schmale Ärmelkanal trennte die Rivalen jetzt noch voneinander.

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In den folgenden Wochen sahen sich beide Kriegsherren vor das gleiche Problem gestellt, denn es kam noch nicht zum Kampf. Williams Heer konnte nicht in See stechen, weil seine Flotte von dem Wind aus Norden an der Überfahrt gehindert wurde. Tag um Tag warteten William und seine Soldaten in dem Lager am Strand der Normandie erfolglos darauf, dass der Wind dreht. Und auf der anderen Seite des Kanals warteten Harold und seine Truppen darauf, dass das normannische Heer endlich zur entscheidenden Schlacht antreten würde. Für William und Harold bestand das Problem in der Unterhaltung eines großen Heeres für diese Dauer – und zwar ohne dass das jeweilige Heer die Gegend, in der es einquartiert war, verwüstete. In diesem Punkt zog der normannische Herzog seinen ersten Vorteil gegenüber seinem Widersacher davon. Einen ganzen Monat lang untersagte der Herzog strengstens jegliche Plünderung. Das Ausmaß, in dem seine Befehle befolgt wurden, liefert einen eindrucksvollen Hinweis auf seine überlegene Persönlichkeit sowie auf die zuchtvolle Führung, mit der er das unter seinem Befehl stehende (und sehr gemischte) Heer in der Hand hatte.

Wilhelm von Poitiers berichtete: „Er versorgte seine eigenen Ritter und die der anderen Teile des Heeres auf großzügige Art und Weise, doch erlaubte er keinem unter ihnen, sich seine Nahrung gewaltsam zu beschaffen. In der ganzen Provinz weideten die Vieh- und Schafherden der Bauern ungestört. Das Getreide reifte heran und wartete auf die Sichel, ohne dass es von hochmütigen Rittern niedergetrampelt oder von gierigen Plünderern verwüstet wurde. Ein schwacher und unbewaffneter Mann konnte den Söldnerschwarm furchtlos betrachten und singend seinem Pferd folgen, wohin es wollte.“

Im Gegensatz dazu war Harold Godwinson jenseits des Kanals nicht in der Lage, einen ähnlichen Erfolg zu erzielen. Nach langen Wochen des Wartens wurde es klar, dass er sein Heer weder länger versorgen noch zusammenhalten konnte (dies fehlt in CK2: nicht nur fremde, auch die eigenen Truppen müssten beim Stehen in einer Heimatprovinz diese ausplündern). Daher sah Harold sich am 8. September 1066 gezwungen, es aufzulösen. Die Miliz wurde nach Hause geschickt, die Kerntruppe der housecarls sowie die Flotte begaben sich nach London – und auf der Fahrt dorthin gerieten die Schiffe in einen Sturm, wobei viele sanken. Somit war die Südküste unverteidigt, und Herzog William brannte darauf, jetzt übersetzen zu können. Doch blies der Wind weiterhin von Norden, so dass die Normannen die Mündung der Somme nicht verlassen konnten.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 16. November 2016 20:53

Bei dem erwähnten Kometen handelt es sich um den Halleyschen! So mancher wird sich noch an seinen letzten erdnahen Vorbeizug vor 30 Jahren erinnern.

Periheldurchgänge des Halleyschen Kometen
Spoiler (Öffnen)
25. Mai 240 v. Chr.
13. Oktober 164 v. Chr.
06. August 87 v. Chr.
11. Oktober 12 v. Chr.
26. Januar 66
22. März 141
18. Mai 218
20. April 295
16. Februar 374
28. Juni 451
27. September 530
15. März 607
03. Oktober 684
21. Mai 760
28. Februar 837
19. Juli 912
06. September 989
21. März 1066
19. April 1145
29. September 1222
26. Oktober 1301
11. November 1378
10. Juni 1456
26. August 1531
27. Oktober 1607
15. September 1682
13. März 1759
16. November 1835
20. April 1910
09. Februar 1986
29. Juli 2061

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 24. November 2016 20:29

Norwegens Harald hatte seine Vorbereitungen abgeschlossen und begann seinen Angriff auf England – ein Feldzug, der den großen Wikingerüberfällen unter Knut vergleichbar war. Mit nicht weniger als dreihundert Schiffen traf Harald am Fluss Tyne ein, wohin Tosti mit seinen Männern hinzustieß. Der norwegische König erreichte mit seiner gesamten Streitmacht am 18. September 1066 die Mündung des Humber und zog dann gegen York. Den Weg fand er versperrt durch die angelsächsischen Heere der Grafen Edwin und Morcar. Vor York fand am 20. September die erste der drei großen englischen Schlachten des Jahres 1066 statt. Ein blutiger Kampf, aus dem Harold als unbestrittener Sieger hervorging. Über das vernichtete Heer der Grafen hinweg zog er nach York weiter. Die Stadtbevölkerung empfing ihn begeistert.

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Im Süden müssen diese Nachrichten für Harold Godwinson ein Schock gewesen sein, doch er reagierte auf die Bedrohung schnell. Er musste einschätzen: Bestand für ihn die Möglichkeit, nach Norden zu marschieren, den norwegischen Feind zu besiegen und danach in den Süden zurückzukehren, bevor der Wind im Kanal umschlug und Herzog William in See stechen konnte? Er ging dieses große Wagnis ein. Sofort brach Harold mit seinem gesamten Heer nach Norden auf und erreichte in Gewaltmärschen nach vier Tagen York.

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Dort stieß Harold auf den norwegischen Feind und befahl trotz Unterzahl unmittelbar den Angriff. Noch vor Einbruch der Nacht hatte er am 25. September 1066 einen der größten Siege des ganzen Mittelalters errungen. Unter den Erschlagenen befanden sich der norwegische König Harald und Tosti, und die zersplitterten Überreste des besiegten Feindes zogen sich zu ihren Schiffen zurück. Harold Godwinson hatte seine Herrschaft über den Norden zurückgewonnen.

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Die Schlacht von Catterick (historisch: Stamford Bridge) kennzeichnet Harold Godwinson als einen bemerkenswerten Befehlshaber. Zwar hatte der norwegische Feind zuvor schwere Verluste erlitten, doch war das Heer unter Führung eines der berühmtesten Krieger jener Zeit nichtsdestotrotz furchtbar. Überdies war das Heer, das Harold Godwinson zur Verfügung stand, in höchster Eile gesammelt worden und hatte unter der Belastung eines mehrere Tage andauernden Gewaltmarsches gekämpft. Der Überraschungsangriff unter solchen Bedingungen war ein bemerkenswerter Erfolg, Harolds Sieg ebenso verdient wie vollständig.

Zufrieden ließ sich der siegreiche Harold den Verlauf der Schlacht schildern. „...sie merkten bald, dass wir hinter ihnen waren, und gerieten in Panik, Mylord. Ihr hättet sie sehen sollen, all die stolzen Wikinger. Sie sind gerannt wie die Hasen!“ Harold lächelte grimmig. Es galt keineswegs als ehrlos, einen fliehenden Feind zu verfolgen und niederzumachen, es war nur vernünftig. Denn wer heute floh, konnte morgen mit Verstärkung wiederkommen. „Die Norweger flohen nach Ricall am Ouse, wo ihre Schiffe lagen“, fuhr der Truppenführer seinen Bericht an den König fort. „Vierundzwanzig konnten sie noch bemannen, Mylord. Nur vierundzwanzig von dreihundert. Sie ruderten mit der Strömung den Ouse und den Humber hinab, und wir verfolgten sie bis zur Küste. Sie segelten nordwärts Richtung Heimat davon, und es wird ein schwarzer Tag in Norwegen sein, wenn sie dort ankommen.“

Harolds Kopf ruckte hoch. Er umklammerte die Lehnen seines thronartigen Sessels, bis seine Knöchel schneeweiß waren, und fragte: „Sie segelten nach NORDEN davon?“ Der Truppenführer nickte, noch immer mit dem triumphieren Lächeln des Siegers. Doch das verging ihm, als er den Ausdruck des Entsetzens im Gesicht seines Königs sah. Jetzt erst ging ihm die Bedeutung seiner Worte auf und er sank auf die Knie. „Vergebt mir Mylord, dass ich Euch schlechte Kunde bringe. Aber es ist, wie ich sagte. Sie segelten nach Norden. Heiliger Oswald, steh uns bei. Der Wind hat sich gedreht.“

Jetzt kam es darauf an, ob Harold rechtzeitig in den Süden gelangen konnte, um dort der bevorstehenden Invasion des normannischen Herzogs entgegenzutreten. Der Wind auf dem Kanal war ein ungewisser Faktor und Herzog William flehte um einen Wetterwechsel – schließlich mit Erfolg. Während Harold seinen erschöpften Truppen zwei Tage Rast in York gönnen musste, kam über dem Kanal günstiger Wind auf. William ließ seine Männer sofort einschiffen, die Flotte stach am 27. September 1066 bei Einbruch der Nacht in See.

„Gott sei gepriesen, der Wind hat sich gedreht!“ Nicht nur die Seeleute, die den Umschwung als erste bemerkt hatten und freudig verkündeten, dankten der Vorsehung, sondern auch jeder Adelige im Gefolge des Herzogs. William der Bastard wurde für viele Tugenden gerühmt, doch Geduld zählte nicht dazu. Beinahe drei Monate hatten ihn die Wetterverhältnisse zu seinem Verdruss an der heimischen Küste festgehalten.

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Angeführt wurde sie von der Galeere des Herzogs, die an ihrer Mastspitze eine Laterne trug. Auf halbem Wege verlor dieses Schiff die Verbindung zu den anderen, und wieder einmal sah sich der Herzog einem jener persönlichen Fährnisse seines abenteuerlichen Lebens ausgesetzt. Er erstickte die aufkommende Panik seiner Mannschaft, indem er, als befände er sich daheim in einem Zimmer seines Hauses, mit Muße und guter Laune zu Abend speiste. Nach einiger Zeit stieß die restliche Flotte wieder zu ihnen. Der übrige Teil der Reise verlief ohne Zwischenfälle, und der Herzog landete am frühen Morgen des 28. September 1066 mit seinen Truppen an der englischen Küste, wo er fast keinen Widerstand fand. „Nun, was sagt Ihr, Caedmon?“, fragte Herzog William seinen angelsächsischen Dolmetscher. „Wo sind wir gelandet?“ Der junge Mann schüttelte ratlos den Kopf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, Monseigneur.“

William hob gleichmütig die Schultern. „Dann lasst uns an Land gehen und es herausfinden.“ Mit diesen Worten sprang er von Bord. Doch als er auf dem feuchten Sand landete, strauchele er und stürzte der Länge nach hin. Die Männer an der Reling zogen erschrocken die Luft ein. Aber William sprang sofort wieder auf die Füße, hob die sandverkrusteten Arme und rief lachend: „Seht nur, ich habe England mit beiden Händen in Besitz genommen!“

Die Landung der großen Armee ging reibungslos vonstatten. Am späten Vormittag waren alle Schiffe bis auf zwei in die Bucht eingelaufen. Eines, erfuhr man später, war zu weit nach Osten abgetrieben und in Romney gelandet. Die Einwohner der kleinen Stadt hatten nicht lange gefackelt und die Besatzung bis auf den letzten Mann getötet. Das zweite Schiff war offenbar gesunken, es tauchte nie wieder auf. Der Wahrsager des Herzogs war an Bord dieses Unglücksschiffes gewesen, doch William tat den Verlust mit einem spöttischen Wink ab. „Was taugt ein Wahrsager, der ausgerechnet das Schiff besteigt, welches dem Untergang geweiht ist?“

Die eindringliche Befragung einiger Bewohner dieses Küstenabschnitts brachte schnell zutage, dass William bei dem Dorf Pevensey gelandet war, und dass der nächstgelegene Hafen der von Hastings sei, fünf Meilen weiter östlich. Das Besondere war, dass Hastings zu der Grafschaft Sussex gehörte . Und der Herrscher von Sussex war der Earl von Wessex: Harold Godwinson. „Besser hätte es nicht kommen können“, lächelte Herzog William. „Je eher wir Harold herlocken, um so besser für uns. Falls er Harald Harderade geschlagen hat und noch König von England ist, dürfen wir ihm keine Ruhepause gönnen. Morgen ziehen wir nach Hastings, und zwar mit Feuer und Schwert. Jeder Mann, der hört, dass sein Heim in Flammen steht, eilt auf dem schnellsten Weg nach Hause.“

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Die Überfahrt war ein ungeheures Wagnis. William konnte, als er am 27. September von der normannischen Küste aus zur Invasion aufgebrochen war, schwerlich das Ergebnis der Schlacht bei Catterick gekannt haben, die erst am Abend des 25. September entschieden worden war. Mit anderen Worten: als William ausfuhr, um sein großes Abenteuer zu unternehmen, wusste er nicht, welcher von den beiden Rivalen sein Gegner sein würde: Es konnte der norwegische König mit seinem skandinavischen Heer und seinen Helfern aus dem Norden Englands, als auch Harold Godwinson an der Spitze seiner vornehmlich aus Wessex stammenden Truppen sein.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 27. November 2016 10:56

In den gefährlichen Tagen nach der Landung musste William sein Heer in einem feindlichen Land schützen. Eilig errichtete er innerhalb der alten römischen Festung Pevensey einen inneren Wall. Den Hafen des nahegelegenen Hastings brachte er in seine Gewalt, um eine Anlegestelle für seine Flotte zu haben. Da Hastings an einer gut zu verteidigenden Halbinsel lag, verlegte William nicht nur seine Flotte, sondern auch seine Truppen dorthin. Er errichtete innerhalb der Stadt eine Festung und wartete dort das Ergebnis seines gewagten Unternehmens ab. Inzwischen verwüstete er das umliegende Land, um seinen Feind nach Möglichkeit zu einen Angriff zu reizen, bevor seine eigenen Hilfsmittel erschöpft waren.

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Wie William vorhergesagt hatte, eilte Harold Godwinson in Gewaltmärschen nach Süden. Er machte in London halt, um seine vollkommen erschöpften Truppen auszuruhen und neue auszuheben. Doch als er erfuhr, dass die Normannen die Umgebung von Hastings in Schutt und Asche legten, brach er umgehend dorthin auf. William war über die Entwicklung auf der Gegenseite informiert. Am Morgen des 14. Oktober 1066 verließ er, nachdem er die Messe gehört hatte, mit seinem gesamten Heer von etwa zwölftausend Mann (historisch: etwa siebentausend) Hastings und marschierte den englischen Truppen entgegen. Auf einem Hügel weit außerhalb der Stadt hielten sie an, und als die Kundschafter berichteten, das englische Heer werde bald auf dem gegenüberliegenden Hügel in Sicht kommen, gab der Herzog Befehl, die Schlachtordnung aufzustellen: links die Bretonen unter Graf Alan, rechts die Söldner aus Frankreich, Flandern und Deutschland unter Williams vertrautem Vasallen Roger de Montgomery, in der Mitte der Herzog selbst mit seinen normannischen Rittern und seinen beiden Brüdern, Odo und Robert. Zu sehen im folgenden Bild rechts unten:

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Odo war der Bischof von Bayeux, doch das hielt ihn nicht davon ab, in die Schlacht zu ziehen. Er nahm für einen Augenblick den Helm ab. „Wenn wir diese Stellung halten, müssen die Engländer bergan kämpfen“, bemerkte er. Robert von Mortain schnaubte ihn an: „Das glaubst Du doch wohl selber nicht, dass sie uns den Gefallen tun. Doch ob bergan oder bergab, auf jeden Fall haben die Engländer die Sonne im Gesicht. Zumindest vorläufig, bis zum Nachmittag. Es ist nur ein Haufen englischer Schweinehirten, aber ihr Anführer hat den gefürchteten Harald Harderade vernichtend geschlagen.“

Herzog William brachte beide alleine dadurch zum Schweigen, indem er mit seinem Pferd ein paar Längen vor ritt, das Tier wendete und dann gebieterisch die Hand hob. Das leise Waffenklirren und Stimmengewirr verebbte, selbst die Pferde schienen stillzustehen. „Vor uns steht der Thronräuber mit einem großen Heer. Hinter uns liegt das Meer, wo feindliche Schiffe lauern. Es gibt kein Zurück für uns, der einzige Weg führt nach vorn!“ rief er mit tragender Stimme. „Lasst euch von der Zahl der Gegner nicht entmutigen. Kämpft frohen Mutes und reinen Herzens, denn vergesst nicht, das Recht ist auf unserer Seite. Gott ist auf unserer Seite!“ Und mit diesen Worten hob er das Reliquiar hoch, das ihm der Papst für diesen Feldzug geschenkt hatte. William trug es um den Hals. Neben William entrollte der Bannerträger die päpstliche Standarte. Die Truppen jubelten laut. Die Morgensonne funkelte auf Kettenhemd und Helm des Herzogs, stattlich war er anzusehen.

Und das war der Moment, da über dem Kamm des nächsten Hügels die englischen Banner erschienen. Auch die Engländer traten in dreigeteilter Schlachtaufstellung an, auch sie hatten die stärksten Verbände in der Mitte gebündelt. Harold Godwinson, seine Brüder Gyrth und Leofwine und tausend seiner housecarls. Insgesamt zählte das englische Heer etwa achttausend Mann (was der historischen Anzahl entspricht), hatten die Kundschafter berichtet, doch nur ihre Anführer waren beritten. „Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, wer als erster die Geduld verliert und seinen Hügel aufgibt“, murmelte der Bischof von Bayeux und lockerte das Schwert in der Scheide. „Ich kann nicht verlieren, was ich nicht besitze“, erwiderte William und gab das Signal zum Angriff.

Hörner erschollen auf beiden Seiten. Dann setzte das normannische Heer sich hügelabwärts in Bewegung. Vor ihnen erstreckte sich eine grasbewachsene Ebene, auf der ein einsamer Apfelbaum stand. Die Engländer rührten sich nicht. William ließ seine vorderen Linien, die Armbrust- und Bogenschützen, bis auf hundert Schritt Entfernung vorrücken, ehe er den Schussbefehl gab. Die normannischen Pfeile prallten von den englischen Schilden ab, die eine dichte Mauer bildeten, ohne den geringsten anzurichten, und sie wurden nicht erwidert. „Warum schießen sie nicht?“, murmelte William. Nichts rührte sich auf englischer Seite, nichts war zu sehen bis auf den dichten Schildwall, es war geradezu unheimlich. „Sie haben keine Bogenschützen, Monseigneur“, vermutete Roger von Montgomery. „Sie sind wohl in großer Zahl bei Catterick gefallen.“

„Das fängt ja gut an“, grollte der Herzog. „Wenn sie nicht zurückschießen, heißt es, dass keine Pfeile rüberkommen, die unsere Männer aufsammeln können. Unsere Schützen werden in Windeseile mit leeren Köchern dastehen. Nehmt fünfzig Mann und reitet zurück nach Hastings. Holt an Pfeilen, was ihr tragen könnt.“ Montgomery nickte seinem Adjutanten zu, der die Zügel anhob und sein Pferd in Bewegung setzte.

William hob die Hand, und ein Hornsignal gab den Befehl zum Vormarsch. Die Fußsoldaten der Hauptstreitmacht rückten auf ganzer Linie vor, pflügten langsam, aber unaufhaltsam bergan, brandeten gegen die vorderste Linie der englischen Truppen, und das Gemetzel begann. Waffenlärm erfüllte den klaren Oktobermorgen, große Staubwolken stoben auf, und ein durchdringendes Gebrüll erhob sich auf beiden Seiten. Die beiden Frontlinien schienen ineinander verkeilt, bewegten sich kaum. Doch schließlich brach der Gegenangriff der Engländer an der linken Flanke von Williams Truppen durch. Die Bretonen gerieten ins Wanken, wichen zurück, machten schließlich kehrt und flohen. Gegen Harold Godwinsons ausdrücklichen Befehl nahm der rechte Flügel seiner Armee unter seinem Bruder Gyrth die Verfolgung auf und gab damit die erhöhte Position auf dem Hügelkamm preis. William der Bastard schlug mit seinem Schwert auf den Schild. „Jetzt! Jetzt!“, rief er, heiser vor Aufregung und Kampfeswut, und zog mit zweitausend berittenen Normannen in die Schlacht.

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Als es Mittag wurde, hatte die Wiese sich in ein aufgewühltes Feld aus rotgefärbtem Schlamm verwandelt, auf dem abgetrennte Gliedmaßen verstreut lagen wie eine schaurige Saat. Und noch immer tobte die Schlacht unvermindert. Da erhob sich ein Schrei des Entsetzens unter den Normannen: „Der Herzog ist gefallen! Der Herzog ist gefallen!“

„Oh heilige Jungfrau, steh uns bei“, stöhnte Bischof Odo, bekreuzigte sich, gab seinem Pferd die Sporen und ritt in die Schlacht. Er schwang seinen Bischofsstab, der mehr Ähnlichkeit mit einer Kriegswaffe hatte, über dem Kopf und befahl den Männern brüllend, ihre Stellung zu halten. Doch ehe noch Panik ausbrechen und das normannische Heer in einen kopflosen Haufen Fliehender verwandeln konnte, hatte der Herzog sich aus den Steigbügeln seines gestürzten Pferdes befreit und war unverletzt aufgesprungen. William schwang sich auf das nächstbeste Pferd und riss sich mitten im Schlachtgetümmel den Helm vom Kopf. „Seht!“, riefen die Soldaten um ihn herum. „Schaut mich an, Männer der Normandie“, erhob sich die Stimme des Herzogs laut. „William ist nicht gefallen! Gott steht mir bei, und mit seiner Hilfe werden wir bald den Sieg erringen.“ Er führte das Reliquiar kurz an die Lippen, dann stülpte er den Helm wieder über und wehrte Harolds gefürchtete housecarls ab, die sich gierig auf ihn gestürzt hatten, nachdem er sich so leichtsinnig zu erkennen gegeben hatte.

Wenig später kehrten die entsandten Männer mit fünftausend Pfeilen aus Hastings zurück. Hoch schossen die Schützen ihre Pfeile in die Luft, so dass sie die Engländer von oben trafen, und bald stiftete der tödliche Pfeilregen Verwirrung unter den Gegnern. Die Reihen lichteten sich, und mit einem gezielten Angriff durchbrachen die normannischen Ritter den feindlichen Schildwall. Die housecarls bildeten einen schützenden Kreis um ihren König, doch der Angriff konzentrierte sich auf diesen Ring, der immer kleiner wurde. Vier Normannen brachen schließlich durch, preschten auf die königliche Standarte zu und hauten nieder, wer sich ihnen in den Weg stellte. Einer von Harolds Bannerträgern schlug einem der Ritter den Schildarm ab, ehe er selbst fiel. Schließlich stand Harold allein. Das Schwert in der rechten, die Axt in der linken Faust, so trat er ihnen entgegen, doch einer der Normannen gab seinem Schlachtross die Sporen und ritt Harold Godwinson nieder. Dann saßen sie ab, bildeten einen engen Kreis um den König von England und hoben gleichzeitig die Schwerter.

Das war das Ende von König Harold. Die Schlacht bei Hastings am 14. Oktober 1066 war wohl eine der wichtigsten Gefechte in der Geschichte Englands. Offenbar hatte Harold den Überraschungserfolg der ersten Schlacht (gegen die Norweger) wiederholen wollen und hatte seine Männer deshalb so eilig nach Süden marschieren lassen. Einen guten Teil seiner Infanterie und seiner Bogenschützen hatte er dabei zurücklassen müssen. Das Ziel war es, Williams Heer zu attackieren, um es von seinen Schiffen abzuschneiden. Als Harolds Heer die Sussex Downs in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober erreichten, waren sie völlig erschöpft. William drehte den Spieß um, denn er erkannte seine Gelegenheit: Er befahl den sofortigen Angriff im Morgengrauen auf die ermatteten Truppen Harolds. Dessen Strategie war übertroffen worden. Harold war gezwungen, einem Feind, der sich keinen Aufschub mehr leisten konnte, mit erschöpften Truppen eine verfrühte Verteidigungsschlacht zu liefern.

Mit rund neun Stunden Dauer ist die Schlacht von Hastings eine der längsten der mittelalterlichen Kriegsgeschichte. Und bis zum Einbruch der Nacht ließ der Herzog die fliehenden Engländer verfolgen und töten. Die Nacht verbrachte der siegreiche William auf dem Schlachtfeld, wo er sein Lager inmitten der verstreuten Leichen errichten ließ. Am nächsten Tag kehrte William nach Hastings zurück, um seine Truppen dort rasten zu lassen und die hinsichtlich der Unterwerfung eintreffenden Angebote abzuwarten.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 2. Dezember 2016 10:16

Unter den Toten der Schlacht befanden sich auch Harolds Brüder, als konkurrierender Thronprätendent blieb im Grunde nur noch der zuvor erwähnte Edgar Atheling. Diesen Edgar wollten die beiden Grafen Edwin und Morcar sowie der Erzbischof Stigand (alle drei befanden sich zu der Zeit in London) offenbar auf den Thron hieven, um den Kampf gegen William fortzusetzen. Bei den nördlichen Grafen und den Bischöfen traf dieser Plan auf Widerstand. Es dauerte nicht lange, bis sich Edwin und Morcar in ihre Grafschaften zurückzogen und den mit der Lösung seiner Probleme beschäftigten Süden sich selbst überließen.

England war politisch gespalten, wie es nach der Katastrophe von Hastings weitergehen sollte. Nach fünf Tagen hielt William den Aufbruch für angebracht. Über Dover zog der Herzog nach Canterbury, das ihm rasch seine Unterwerfung anbot. Doch Ende Oktober geriet der normannische Vormarsch ins Stocken. Die Versorgung der Truppen im Feindesland war schwierig, die Ruhr brach im Heer aus. Einen Monat sollte die erzwungene Pause dauern, sie brachte William aber gewisse Vorteile. Die volle Bedeutung der Schlacht von Hastings war nun fast überall erkannt worden, und die Gebiete von Kent , Sussex und Hampshire begannen sich nacheinander zu ergeben. Ende November 1066 war William auf diese Weise der Herr über den Südosten von England. London selbst aber blieb ihm in seiner Haltung rätselhaft und gefährlich. Er konnte London auf seinem Vormarsch nicht einfach ignorieren, die Stadt lag strategisch wie eine Spinne im Netz aus Handelsstraßen. Diesen Umstand nutzte William jetzt, marschierte überraschend rasch vor, besetzte die Umgebung Londons und kappte ihre Verbindungen nach außen.

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Die Ergebnisse offenbarten sich sofort. Nacheinander erschienen alle wichtigen Männer nun bei William – Stigand, Morcar, Edwin, Edgar Atheling und weitere – und unterwarfen sich, nachdem so viel Schaden angerichtet worden war. Und sie stellten Geiseln (diese Art der Diplomatie fehlt in CK2) und William versprach, dass er ein gnädiger Lehnsherr sein würde. Dies stellte eine formelle Anerkennung der bedeutendsten Männer Englands dar. Die Zustimmung auch der normannischen Feudalherren zur Thronbesteigung Williams war da auch schnell eingeholt. Mitte Dezember 1066 konnte der Herzog kampflos in London einziehen.

Sofort wurden Vorkehrungen zu seiner Krönung getroffen. Endlich, am Weihnachtstag des Jahres 1066, wurde William, Herzog der Normandie, in der Westminsterabtei des Bekenners nach altem englischen Brauch zum König der Engländer gekrönt. Die Salbung erfolgte Erzbischof Aldred von York, der anstelle des schismatischen Stigand stand. Jedoch war dem Ritus eine Neuerung hinzugefügt worden. Der neue König wurde dem Volk von Erzbischof Aldred, der eine englische Ansprache hielt. Sowie von Bischof Geoffrey von Coutances, der eine französische Rede hielt, vorgestellt. Doch verursachten diese Reden einen unglücklichen Zwischenfall: die zur Bewachung des Münsters aufgestellten Söldnertruppen hatten die Schreie, mit denen das Volk den König begrüßte, missverstanden. Sie glaubten an einen Aufruhr und legten an den benachbarten Häusern Feuer. Es war ein unheilvolles Ereignis und rief in der Abtei Westminster selbst einige Unruhe hervor.

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Doch konnte nichts mehr die Konsequenz des Geschehenen rückgängig machen. Der Herzog der Normandie war nun König der Engländer.

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Das alles zählt zu der Vorgeschichte, wenn ich jetzt mit dem Startdatum 25. Dezember 1066 die Partie beginne. William regierte knapp 21 Jahre über England, das soll auch der ungefähre Zeitrahmen für die Story sein. Die Partie lasse ich einfach mal laufen, es gibt aber einige Ereignisse bzw. eine gewisse Agenda von William, die darin vorkommen sollen:

    - William entfernte die meisten Fürsten angelsächsischer Herkunft aus ihren Positionen
    - York und Nordengland waren Brennpunkte des angelsächsischen Widerstands, siehe unten im Bild: (1)
    - Auseinandersetzungen mit Malcolm III. von Schottland (2) und Sweyn von Dänemark
    - William war ziemlich misstrauisch und reagierte brutal auf Illoyalität
    - Williams hielt sich bevorzugt an seine alten Weggefährten und förderte sie
    - in Flandern (3) und der Bretagne (4) mischte sich William politisch/militärisch ein
    - mit Anjou gibt es wegen der Grafschaft Maine Auseinandersetzungen (5)
    - in späteren Jahren überwirft er sich mit seinem Sohn Robert und seinem Halbbruder Odo
    - die Grafschaft Vexin (6) ist der Zankapfel zwischen William und dem französischen König Philipp I.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 4. Dezember 2016 12:58

Der König und sein Königreich: Willelmus Rex

Die Krönung in Westminster bedeutete für William nicht das Ende des Weges, den er zur Erringung der englischen Krone zurückgelegt hatte. Er musste seinen Anspruch nun auch zu verteidigen wissen. Immerhin war er ein Ausländer auf dem Thron, ein Normanne, der als König über ein angelsächsisches Volk herrschte. Die ersten Monate des Jahres 1067 ordnete William die Strukturen des Königreiches neu. Er führte Verwaltungen aus der Normandie in England ein und belohnte seine Weggefährten wie versprochen für ihre Unterstützung bei der Invasion, indem er sie reich mit Ländereien versorgte.

Wilhelm FitzOsbern erhielt Gloucester, Roger Montgomery bekam Sussex, Robert Beaumont wurde Herr über Leicester, Wilhelm Warenne der Graf von Surrey, Ralph de Gael erhielt Norfolk. Seinen Halbbruder Odo, bereits Bischof von Bayeux, versorgte der König mit der Grafschaft Kent (rechts unten)

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Im Spiel ist Odo ausschließlich der Graf von Kent, und das ab Partiebeginn. Historisch war er weiterhin Bischof von Bayeux und wurde erst 1070 mit Kent belehnt.

Man sieht bereits, dass sich die Invasion für die normannischen Fürsten prächtig lohnte. William teilte England unter sich und seinen Leuten auf. Die Verlierer dieser neuen Zeit waren die angelsächsischen Fürsten, wobei viele von ihnen bereits in den Schlachten des Jahres 1066 ihr Leben verloren hatten. Der Thronprätendent Edgar war nach Schottland an den Hof von Malcolm III. geflüchtet und lauerte auf seine Chance zur Rückkehr. Aelfwine, ein unehelicher Sohn des getöteten Harold hatte sich nach Irland abgesetzt und arbeitete ebenfalls an seiner Rückkehr.

Nur fünf vom angelsächsischen Adel konnte William nicht ohne weiteres entmachten: zum einen die beiden Brüder Morcar und Edwin, die zusammen Nordengland beherrschten. Sie waren zu mächtig, als dass man sie einfach hätte zur Seite schieben können.

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Den politischen Sturm, der auf die Invasion folgte, überstand auch Waltheof. Trotz seiner angelsächsischen Abstammung beließ ihn der König in seiner Grafschaft Northampton. Der Grund hierfür blieb unklar. Vermutlich war Waltheof von großer Körperkraft, gleichzeitig aber charakterlich schwach. Dem neuen König aus dem Ausland hatte sich Waltheof willfährig unterworfen und sein Fähnchen in den Wind gehängt. Ansonsten war er zu schwach, um William I. gefährlich werden zu können, und das war wohl die Erklärung für seinen Verbleib.

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Und da waren noch die beiden wichtigsten geistlichen Fürsten Englands, die beiden Erzbischöfe von Worcester und Canterbury. Namentlich waren das Wulfstan – den William als Kaplan in seinen Rat holte und somit einzubinden versuchte – sowie der umstrittene Stigand. Schon bald zeigte sich, dass er zum Kristallisationspunkt der angelsächsischen Seite wurde.

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Und ist war die Liste der wichtigsten Fürsten, die William I. Ende 1066 unterstanden (die unteren Zeilen sind all jene Grafschaften, die William selbst sein eigen nennt). Hier sind ihre Abstammung und ihre Persönlichkeit, ihre Haltung zum König und ihre persönliche Macht zu sehen. Aufgrund dieser Faktoren wurde offenbar, welche der Fürsten durch den König gefördert oder eingebunden werden sollten – und wen William I. zu entmachten gedachte.

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Im Jahre 1067 war die Lage für den König durchaus bedenklich. Die Aufgabe der Regenten FitzOsbern und Odo war nicht einfach. Sie besaßen zwar die wesentliche Herrschaft über den Südosten des Landes, und die förmliche Unterwerfung der obersten englischen Feudalherren verlieh ihnen überall den Anspruch auf Gehorsam, doch die Zustände waren nach den umwälzenden Ereignissen des Vorjahres unsicher.

Im westlichen Teil des Landes stiftete ein Feudalherr namens Edric der Wilde in der Grafschaft Hereford eine Revolte an und rief die Waliser zu seiner Unterstützung herbei. Mehr als eine Art Beutezug kam dabei jedoch nicht herum. Auch in Kent fand eine Revolte statt, die aber besser organisiert war. Deren Rädelsführer riefen den Grafen Eustace von Boulogne zu Hilfe, der auch kam, sich aber nach einigen Misserfolgen wieder über den Kanal zurückzog. Unmittelbar danach weigerte sich die Stadt Salisbury, Williams Regierung anzuerkennen und leistete achtzehn Tage lang Widerstand, bis der König ihre alten Privilegien bestätigte. Darauf errichtete William I. innerhalb der Stadt eine Burg.

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Diese Revolten waren keine ernsten Gefahren für Williams Herrschaft. Auch wenn solche Aufstände zu Beginn sicher zu erwarten gewesen waren, so kamen sie für den König doch überraschend. Die Schuld daran gab William I. jenem Mann, der bereits im Rat seines Vorgängers König Harold die Position des Hofspitzels innegehabt hatte: Graf Morcar, den William sowieso zu entmachten vorhatte. Innerhalb des Rates war Morcar sowieso ein Unruheherd und Querulant, und so erfolgte die Enthebung von diesem sensiblen Amt wohl auch zu Recht.

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William I. fühlte sich von seinem angelsächsischen Vasallen hintergangen und absichtlich schlecht informiert. Morcar hingegen war durch seinen Rauswurf aus dem Rat gedemütigt und zählte spätestens jetzt zu den entschiedensten Gegnern des Königs: Meinung -94.

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Der König setzte seinen bewaffneten Umritt fort und erzwang von Cornwall und Gloucester ebenfalls die förmliche Anerkennung seiner Herrschaft. Offenbar hatte auch Bristol die neue Ordnung nun anerkannt. Denn als Aelfwine, der uneheliche Sohn Harolds, von Irland herüberkam, wurde er mit seinen Anhängern tatsächlich von den Bewohnern Bristols zurückgeschlagen. Aelfwine musste erkennen, dass er mehr Verbündete in England brauchte, um eine Chance gegen William zu haben. Er fand sie in dem gedemütigten Morcar sowie in dessen Bruder Eadwin, den der König ebenfalls brüskiert hatte, als er ihm die Übertragung eines Aftervasallen schroff verweigert hatte.

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Im Süden der Insel war Williams „Blitzkrieg“ erfolgreich gewesen. Das Osterfest des Jahres 1067 feierte er in Winchester und hielt zu Pfingsten in Westminster großen Hof, der von vielen englischen Standespersonen besucht wurde. Dorthin kam auch seine Gemahlin Mathilde, um feierlich zur Königin gekrönt zu werden. Die Ehe zwischen Mathilde und William war tatsächlich von Liebe geprägt, was beileibe keine Voraussetzung für eine Heirat darstellte. Seinerzeit dürfte es William als Herzog der Normandie darum gegangen sein, einen guten Verbündeten zu gewinnen, als er die Tochter des flandrischen Herzogs zur Frau nahm. Das Paar muss einen außergewöhnlich Anblick geboten haben, denn William war etwa 1,80 Meter groß (man hatte später seinen Oberschenkelknochen untersucht und war zu diesem Ergebnis gekommen), während Mathilde als kleinwüchsig beschrieben wird, vermutlich war sie etwa 1,20 Meter groß.

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Mathilde war trotz ihrer geringen Körpergröße eine kluge Autorität, auf deren Meinung selbst William hörte, der ansonsten mit Widerspruch nicht sonderlich gut umgehen konnte. Die Lage in Südengland war endlich sicher genug, dass Mathilde aus der Normandie nach London nachkommen konnte, um ebenfalls in Westminster gekrönt zu werden.

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Diese Zeremonien waren beeindruckend, doch sollte die mit ihnen verbundene Ruhepause nicht lange währen. Die Abwanderung vom neuen Königshof nahm Form an. Der Atheling Edgar hatte bereits bei König Malcolm von Schottland Zuflucht gesucht, und nun reisten die Grafen Edwin und Morcar in ihre Grafschaften zurück. Bisher hatte die normannische Herrschaft den Norden kaum berührt, dort war eine Widerstandsbewegung am Wachsen. Andersherum sorgte Williams notwendige Präsenz in England dafür, dass er nicht in der Normandie zugegen sein konnte und sich einige dort gebliebene Fürsten sich allmählich von ihm entfernten. Einstweilen war Williams Autorität aber stark genug, um Vasallen wie den Grafen Richard von Evreux an seinen Treueid zu erinnern. Dieser starb übrigens bald darauf am 9. September 1067, sein Nachfolger wurde sein 28jähriger Sohn William.

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Williams Werdegang als Eroberer spielte eine bedeutende Rolle in der Kirchengeschichte des Abendlands jener Jahre. Sein Sieg von 1066 vereinigte die drei Kirchenprovinzen Rouen, Canterbury und York unter einer einzigen weltlichen Herrschaft. Nachdem das Papsttum seit dem Jahre 1049 (Jahr des Konzils von Reims, bei dem ironischerweise Papst Leo IX. Die Ehe zwischen William und Mathilde von Flandern bannte) einen Tiefpunkt überwunden hatte, wurde dieses Amt seit 1061 von Alexander II. ausgeübt, einem energischen und weithin tätigen Mann. Im Jahre 1066, quasi zum Spielstart dieses Kapitels, erhielt Bischof John von Avranches das Erzbistum Rouen, er war ein junges Mitglied des normannischen Herzoggeschlechts.

Durch Williams Eroberung war es unvermeidbar, dass er in England auf den amtierenden Erzbischof von Canterbury stieß: Stigand. Er hatte Vorwürfe der Simonie und die Absetzung durch Papst Leo IX. überstanden, hatte Anfang 1066 Harold zum englischen König gekrönt. Er war also ein politisches Schwergewicht, das William vor eine Herausforderung stellte. Der neue König musste zunächst abwarten, wie er mit Stigand umgehen sollte. Im Laufe des Jahres 1067 zeigte sich, dass Stigand der Kristallisationspunkt so ziemlich jeder angelsächsischen Opposition im Königreich England war, eine Gefahr für Williams Herrschaft. Anfang 1068 entschloss er sich, Stigand beseitigen zu lassen.

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Der natürliche Lauf der Dinge kam der Eskalation der Feindschaft zuvor. Einige Monate später, im September 1068, starb Stigand im Alter von 73 Jahren eines natürlichen Todes. William sorgte dafür, dass das Amt des Erzbischofs von Canterbury mit dem loyalen Turquetil (historisch: Lanfranc) neu besetzt wurde. Bis zu dieser Zeit war Turquetil Abt von Caen gewesen und bereits ein angesehener Kirchenmann. So verband sich mit einem großen König ein ebenso großer Erzbischof.

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Als er in Canterbury eintraf, war Turquetil 32 Jahre alt und als Rechtsgelehrter, Polemiker und Lehrer berühmt. In seinem Amt zeichnete er sich durch gesunde Urteile und große Autorität aus. Aus seinen erhaltenen Briefen lassen sich sowohl Zartgefühl wie auch unbedingte Befehle lesen. Er konnte politische Rebellen und widerspenstige Mönche grausam strafen, doch war sein Gerechtigkeitssinn genau so konstant wie seine Aufopferung für die Kirche. Wie man sieht, passen die Charaktereigenschaften des Spielcharakters ganz gut zum historischen Erzbischof – von den mäßigen Diplomatie-Punkten mal abgesehen.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 7. Dezember 2016 19:47

Um seine Agenda, die Herrschaft über England mit loyalen normannischen Anhängern auszuüben, musste William die bisherigen angelsächsischen Fürsten loswerden. Viele von ihnen waren bereits in den Schlachten des Jahres 1066 gefallen, andere hatte William ohne Umstände entmachten können. Eine Ausnahme bildete wie erwähnt der nordenglische Herzog Edwin von Warwick. Im Januar 1069 erhielt William von seinem Rat – nun zumeist mit normannischen Adeligen besetzt, die ihren Reichtum William zu verdanken hatten - die Ermächtigung, untreuen Vasallen ihre Titel entziehen zu können. Eine klare Änderung des bisherigen angelsächsischen Rechts, das dem englischen König keine Verfügung über die vererbbaren Titel zugestand.

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William war ein misstrauischer Charakter, seinen alten Gefolgsleuten aus den 1050ern jedoch vertraute er und förderte sie energisch. Im Laufe der Zeit erodierte der gute Glauben in Williams Persönlichkeit aber weiter. Manch einer unter jenen alten Gefährten enttäuschte den König, weil sie tatsächlich oder vermeintlich gegen ihn agierten. So der normannische Graf von Sussex, Roger Montgomery:

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Das war eine Ausnahme. Eigentlich waren die alten Gefolgsleute diejenigen, die treu an der Seite des Königs standen. Insbesondere auf seine beiden Halbbrüder Robert und Odo verließ sich William. Obwohl Odo entgegen seiner Erwartungen nicht die Nachfolge als Erzbischof von Canterbury hatte antreten können, war er es, der William vor der drohenden Gefahr warnte, die von Herzog Edwin im Norden ausging. Das allein war keine Neuigkeit, Odo konnte dem König aber Beweise vorlegen, die den geplanten Hochverrat des Angelsachsen belegten und die Gelegenheit zum Losschlagen boten.

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Im August 1069 rief König William I. seinen Kronrat zusammen, um über die Angelegenheit zu beraten. Wie nicht anders zu erwarten, folgte der Rat der Forderung, Herzog Edwin ergreifen zu lassen und einen Prozess wegen Hochverrat gegen ihn anzustrengen.

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Edwin bekam natürlich Wind von der Sache und bat den schottischen König Malcolm sowie Sweyn Estrithson, den dänischen König, um Hilfe. Unter diesen Umständen hielt William schnelles Handeln für notwendig. Zuerst zog er nach Warwick, wo er Edwin festnehmen ließ und Heinrich von Beaumont mit der Obhut über eine neuerrichtete Festung betraute. Von dort aus marschierte er weiter nach Nottingham und dann in die Grafschaft Yorkshire, in deren Hauptstadt er kampflos einziehen konnte. Nachdem er die Unterwerfung vieler ansässiger Feudalherren entgegengenommen hatte, schloss William mit dem schottischen König einen vorübergehenden Waffenstillstand und wandte sich wieder nach Süden.

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Zur Befriedung des Nordens hinterließ William – nachdem er selber in York aufgetaucht und die Region vorerst befriedet hatte – einen Normannen namens Robert de Commines, der unter dem Titel eines englischen Grafen (earl) auftrat. Das Auftauchen und die Personalentscheidung, die William traf, trugen eine klare Botschaft für Herzog Morcar. Der König wollte klarmachen, dass sein Arm sehr wohl bis in den Norden Englands, bis nach York, reichte. Der Form halber leistete Morcar selbstverständlich den Schwur, nicht gegen William zu agitieren und mit seinem Vertreter in York zusammenzuarbeiten. Doch wurde Robert de Commines bei seiner Ankunft in Durham am 28. April 1069 in den Straßen der Stadt angegriffen und anschließend im Hause des Bischofs, wo er Zuflucht gesucht hatte, verbrannt.

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Diese Nachrichten gelangten schnell nach York, wo die normannische Besatzung sofort von ortsansässigen Aufständischen angegriffen wurde. Bei Empfang dieser Nachrichten traf Edgar Atheling umgehend Vorbereitungen, um von Schottland aus gen Süden zu ziehen. So sah sich König William gezwungen, eilig nach Norden zu ziehen.

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Bevor seine Feinde ihn erwartet hatten, war er mit seinem Heer bereits in York angelangt, verjagte die Belagerer der Burg und nahm so erneut Besitz von der Stadt. Bei dieser Gelegenheit nahm William schlimme Rache an den Rebellen und errichtete in der Nähe der Stadt eine neue Burg. Dann betraute er einen loyalen Gefolgsmann namens Gospatric mit der Obhut über die Grafschaft, doch war diese Maßnahme zweifellos nur vorübergehend.

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Im Grunde waren Williams Erfolge erstaunlich. Er bewegte seine Truppen militärisch erfolgreich in einem ihm zuvor unbekannten Land mit einer ihm fremden Bevölkerung. Mit verhältnismäßiger Leichtigkeit unterdrückten er und seine Statthalter das kürzlich eroberte Land, obwohl sie über eine lediglich beschränkte Anzahl an Truppen verfügten. Dies lässt sich teilweise auf die schweren Verluste zurückführen, die Englands Kriegerstand 1066 erlitten hatte, mehr jedoch auf den bei den Rebellen herrschenden Mangel an gemeinsamen Zielen und ihre Art, ihre Aktionen vereinzelt und ohne Fühlungnahme miteinander zu unternehmen. Exemplarisch das isolierte Vorhaben des Angelsachsen Waltheof, der bei den Historikern als eine recht armselige Person gilt: Oppositionell, aber feige, trat der historische Waltheof einer Verschwörung bei und verriet diese dann an William, wohl als ihn die Angst vor den Konsequenzen überkam. Der König dankte es ihm übrigens nicht – Waltheof wurde für seinen Verrat 1075 hingerichtet.

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William spielte in die Karten, dass fast vom Anfang seiner Herrschaft an eine starke öffentliche Meinung, die dem neuen Regime günstig oder zumindest nicht feindlich gesonnen war, existierte. Viele unter den Adeligen und den geistlichen Fürsten fühlten sich grundsätzlich der Sache des Königs verpflichtet, und das blieb unter den geringeren Männern nicht unbeachtet. Williams Heer umfasste zwar eine ganze Zahl von Söldnern, es zogen aber auch viele Lehnsmänner und Bezirksbeamte mit, die bereit waren, William als ihren König anzuerkennen und die von ihm geleitete Verwaltung fortzusetzen. Einheimische Sheriffs erklärten sich gemeinsam mit den Bischöfen bereit, die Erlasse des neuen Königs auszuführen.

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Nebenher ein Blick auf die Fürsten des anglo-normannischen Reiches zu Beginn des Jahres 1070.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 10. Dezember 2016 10:40

William I. entzog nach seinem Sieg im Norden Edwin die Grafschaft Westmorland und zog sich in den Süden zurück. Der Winter 1069/70 war angebrochen, William schickte die Heeresaufgebote seiner Vasallen heim und verbrachte die Weihnachtszeit in London. Der Frieden währte nicht lange. Im Januar kam dem König zu Ohren, dass Herzog Morcar von York auf Vergeltung sann und einen Bund anstrebte mit dem schottischen König Malcolm sowie mit dem dänischen König Sweyn. Aufgrund seiner Abstammung von König Knut dem Großen (er war sein Neffe) konnte Sweyn Anspruch auf England erheben.

William erfuhr, dass Sweyn Estrithson den Angriff auf England plante und York das Einfallstor auf der Insel darstellen sollte. Die für Sommer 1070 geplante Invasion wurde in einem Maßstab geplant, die mit der Landung des König Harold im Jahre 1066 vergleichbar war. Sweyns Söhne Harold und Knut bereiteten sich darauf vor, mit einer 240 Schiffen starken Flotte in See zu stechen. Unter ihrem Kommando standen erfahrene Krieger, unter denen sich viele Vornehme Dänemarks befanden. Die Bedrohung dieses Feldzugs lag für William darin, dass sich innerhalb der Gebiete Englands, die skandinavische Verwandtschaften besaßen, mit einer beträchtlichen Unterstützung der Dänen gerechnet werden musste. Und dies traf eben besonders für York zu. Für William galt es, rasch zu handeln, bevor die Dänen nach dem Ende des Winters an Englands Küste erscheinen würden. Die Zustimmung des Rates, Morcar den Prozess wegen Hochverrats zu machen, war dem König sicher.

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In aller Eile wurde bis März 1070 das Heer ausgehoben und William marschierte mit 10.000 Mann nach Norden, wo Morcar offen die Fahne der Rebellion gehisst hatte. Der Ernst dieser Krise weist auf die Notwendigkeit des dieses Feldzugs hin und erklärt – entschuldigt aber nicht – dessen entsetzliche Folgen. Nie handelte William mit größerer Tatkraft, aber auch unter größerer Gefahr. Morcars eintausend Männer, die den König bei Derby aufhalten sollten, wurden vollständig niedergemacht.

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Darauf marschierte William weiter auf York zu, um Dänen und Schotten zuvorzukommen. Unterwegs verwüstete der König unbarmherzig das Land, durch das er zog, verschonte keinen Mann und ließ hinter sich nichts zurück, was Leben erhalten konnte. Die ausländischen Invasoren sollten in Yorkshire nichts vorfinden, mit dem sie ihre Heere versorgen könnten. Kurz vor Ostern 1071 fiel das belagerte York. William zog triumphierend ein und feierte in der eingeäscherten und von verwüstetem Land umgebenen Stadt die Auferstehung Christi.

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Vielleicht kann Williams unbarmherzige Politik in Nordengland auch mit dem Tod der Königin Anfang 1071 in Verbindung gebracht werden. Von dem Ehepaar heißt es, dass die beiden tatsächlich sehr ineinander verliebt gewesen seien. Der frühe Tod von Mathilde bedeutete einen nicht zu unterschätzenden Verlust für William. Er verlor nicht nur einen geliebten Menschen, sondern auch einen wichtigen Berater. Rückblickend lässt sich nämlich sagen, dass der König in den weiteren Jahren seiner Herrschaft zunehmend misstrauisch seiner Umgebung gegenüber wurde, ja sogar tyrannische Züge annahm.

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Den angelsächsischen Einfluss in der englischen Politik hatte William als König von Anfang an niedergedrückt und seine normannischen Gefolgsleute an die Schaltstellen gebracht. Dass der Eindruck der ausländischen Machtübernahme nicht von der Hand zu weisen ist, zeigt die Liste der wichtigen Vasallen Williams im Jahre 1072. Ganze drei Angelsachsen besitzen noch einen nennenswerten Titel, ansonsten sind alle Posten vom Grafen und Erzbischof bis herunter zum Bürgermeister mit Normannen besetzt.

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Das Morden von 1071 in Nordengland, sowie der Skandal um den König, als dessen Beteiligung am Giftmord des angelsächsischen Erzbischofs Wulfstan ruchbar wurde, schädigten Williams Ruf bei seinen englischen Untertanen nachhaltig. Einerseits sorgte die brutale Unterdrückung jeglicher tatsächlicher wie vermeintlicher Opposition für eine Friedhofsruhe in England, andererseits wuchs der Zorn der Bevölkerung auf die regierende Fremdherrschaft.

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Dieser Zorn fand seinen Ausdruck in der Unterstützung der einfachen Leute für den Widerstandskämpfer Hereward, genannt der Wächter, der mit seinen Mannen im Stile einer Guerilla-Bewegung aus den unzugänglichen Sümpfen und Wäldern Ostenglands von Ely aus operierte und immer wieder die lokalen Vertreter der normannischen Herrschaft attackierte (Hereward kommt in meiner Partie leider nicht vor). William belagerte die Klosterinsel der Rebellen, konnte einen Angriff aber nicht wagen, weil sein Heer dazu die Sümpfe durchqueren musste. Erst der Einsatz einer Art von Pontonbrücken ermöglichte es seinen Soldaten, an Ely heranzukommen und die Insel einzunehmen. Hereward entkam in wohl letzter Sekunde und konnte sich bei der ihm wohlgesonnenen angelsächsischen Bevölkerung verstecken. Es gelang ihm aber nicht mehr, einen für William gefährlichen Aufstand zu initiieren. Schließlich musste sich Hereward den Normannen ergeben. William ließ ihn nach einigen Überlegungen nicht etwa hinrichten, er schickte Hereward in ein Kloster in der Normandie. Dort verbrachte Hereward die restlichen Jahre seines Lebens in demütiger Andacht, statt den Angelsachsen durch eine Hinrichtung ein Märtyrer zu werden.

In Nordengland war William unter der einfachen Bevölkerung der fortwährende Hass jedoch sicher. Die Angelsachsen und Skandinavier dieser Gegend sollten die Verwüstung ihrer Dörfer und Felder so schnell nicht vergessen. Wie sollten sie auch? Jeden Tag sahen sie aufs Neue das Elend, das die Truppen des Königs hinterlassen hatten. Für William dagegen war die angewendete Taktik der Verbrannten Erde nur eine militärische Notwendigkeit gewesen. Es war bei einer Jagd des Königs nahe Winchester im Herbst 1071, als es zu einer Begegnung kam, die ebenso exemplarisch für seine angespannte Beziehung zur Bevölkerung wie beunruhigend auf das königliche Gefolge war:

Der König kehrte mit zwei seiner Söhne, nämlich Richard sowie William „Rufus“ nebst Dienern und Mitgliedern des Hofes von der Jagd zurück. Als die den Waldrand schon fast erreicht hatten, stießen sie auf eine Schar zerlumpter Gestalten. Es waren vielleicht zwanzig Menschen, und sie alle waren schwer beladen, selbst die Kinder trugen Säcke auf den Rücken. Es war nicht überraschend, dass es keine persönlichen Habseligkeiten waren, die sie mit sich schleppten, sondern Holzkohle. Ihr kostbarstes Gut. Ihre Meiler hatten sie aufgeben müssen, sie standen vor dem Nichts, aber vielleicht hofften sie, mit dem Verkauf dessen, was sie tragen konnten, wenigstens über den Winter zu kommen. Die beiden Soldaten der Leibwache, die den König begleiteten, preschten ein paar Längen vor und trieben die Leute zwischen die Bäume. „Verschwindet! Macht den Weg frei! Macht Platz für den König, ihr Gesindel!“

Sie traten und schlugen mit den Zügeln nach allen, die sich nicht schnell genug in Sicherheit brachten, und die Köhler stoben auseinander wie Hühner vor dem Fuchs. Nur eine alte, gebeugte Frau drehte sich wieder um und sah dem Reiterzug unentwegt entgegen. Ihr Haar war dunkelgrau, fast noch schwarz, obwohl ihr Mund schon zahnlos und eingefallen war. Ein Lodern stand in ihren schwarzen Augen. Offenbar war sie eine Frau des alten Volkes, dem dieses Land gehört hatte, ehe die Angelsachsen hier eingefallen waren und es erobert hatten wie jetzt die Normannen.

Sie ließ den Blick über die Jagdgesellschaft schweifen, und als sie den König anblickte, sagte einer der Leibwächter eindringlich: „Was immer Du sagen willst, Mütterchen, behalte es für dich. Es würde dich deine Zunge kosten, mindestens.“ Sie ignorierte ihn vollkommen und blickte mit ihren schwarzen Augen weiter auf William. Der König war kein Mann, der einer Herausforderung widerstehen mochte – er zügelte sein Pferd und erwiderte ihren Blick. Der Reiterzug hielt an. „Verflucht sollst Du sein, William Mörderkönig“. Diese Worte hörte der König beileibe nicht zum ersten Mal, und er verstand sie sehr wohl. Aber nichts regte sich in seinem Gesicht. „Verflucht sollst du sein und deine Brut ebenso. Dieser Wald soll soviel Leid und Unglück über dich bringen, wie du über uns gebracht hast. Diese beiden Söhne, die mit dir reiten, sollen im Schatten dieser Bäume sterben.“

Prinz Richard, der sensible Charakter unter Williams Söhnen, zog hörbar die Luft ein und bekreuzigte sich. Der König ließ sich von seinem Dolmetscher übersetzen, was die Alte ihm entgegengeschleudert hatte. Die anderen Mitglieder der Jagdgesellschaft, die nun ebenfalls verstanden, worum es ging, bekreuzigten sich nun ebenfalls erschrocken. „Dieser Fluch soll das letzte sein, was du je aussprichst. Und dieser Wald das letzte, was deine Augen je sehen“, sagte der König mit jener ausdrucksloser Stimme, die jeder fürchtete, der ihn kannte. Er nickte den Männern der Wache zu, und sie traten näher, um die Frau zu packen, ein Stück zwischen die Bäume zu zerren und das Urteil des Königs dort zu vollstrecken. Doch sie zückte mit beinahe katzenhafter Schnelligkeit ein kurzes, schmales Messer aus dem Gürtel, entwischte ihnen knapp und machte einen Satz auf den König zu. Zwei Schwerter durchbohrten ihren Rücken, wurden so tief hineingestoßen, dass sie blutverschmiert aus ihrer Brust traten, und sie starb mit einem bösen Lächeln.

Die übrigen Vertriebenen hatten längst das weite gesucht. Vermutlich würden sie später wiederkommen und sie holen. Prinz Richard blickte noch einen Moment auf das ledrige, alte Gesicht hinab. Hinter den halb geschlossenen Lidern schienen die dunklen Augen immer noch zu lodern. Er wandte sich schaudernd ab. Schweigsam setzte die Jagdgesellschaft ihren Heimweg fort, und als sie zur Halle zurückkamen, schickte der König nach seinem Kaplan, befahl seinen Söhnen, ihn zu begleiten, und begab sich mit ihnen umgehend in die Kapelle.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 12. Dezember 2016 20:02

Nachdem William die gefährliche, um 1070 entstandene Situation im Norden Englands entschärft und den angelsächsischen Widerstand weitgehend unterdrückt hatte, konnte er seinen Blick über die Grenzen seines Königreiches hinaus schweifen lassen. Die Dänen waren durch sein energisches – genauer: grausames - Handeln im Gebiet um York von einer Invasion Englands abgehalten. Es blieben jedoch andere Anrainer, die seine Position gefährden konnten. Da war im Norden der schottische König Malcolm, der noch immer den Atheling aus dem Hause Godwinson an seinem Hof beherbergte. Außerdem musste William sich vermehrt dem Ausgangspunkt seiner Macht zuwenden, seinem Herzogtum Normandie.

Dort hatte sich die politische Lage in den Nachbarregionen zu Williams Ungunsten entwickelt. In Flandern war sein Schwiegervater Balduin V. im Jahre 1067 gestorben. Auf ihn folgte sein Sohn Balduin VI. nach – also Williams Schwager - seine Herrschaft als Herzog über Flandern und den Hennegau blieb mit drei Jahren nur Episode. Als auch Balduin VI. im Jahre 1070 starb, war dessen Sohn Arnulf noch minderjährig. Sofort erhob sich die Frage der Nachfolge, die für die Normandie von größtem Interesse war. Der kleine Arnulf erhielt das Erbe, für ihn übernahm seine Mutter Richilde die Regentschaft für Flandern und Hennegau. Ihr wurde vor allem in Flandern starker Widerstand entgegen gesetzt, an dessen Spitze Robert, der Onkel des kleinen Arnulf, stand. Im Februar 1071 erhob sich Robert, tötete Arnulf und ergriff die Macht in Flandern. Richilde musste mit ihrem verbliebenen zweiten Sohn fliehen. Richilde bot nun Williams treuem Gefolgsmann William FitzOsbern die Hochzeit an. Dieser konnte der Versuchung nicht widerstehen, Graf eines reichen Landes im Heiligen Römischen Reich und nahe der Normandie zu werden, und zog mit seiner Armee nach Flandern, wo er am 22. Februar 1071 in der Schlacht von Cassel geschlagen und getötet wurde.

Im Ergebnis hatte König William nicht nur seinen wichtigsten weltlichen Anhänger FitzOsbern und die eheliche Bindung nach Flandern verloren. Dort regierte nun mit Robert ein Mann, der ihm feindlich gesonnen war und von seinem holländischen Sitz Brügge aus mit den aktuellen und künftigen Gegnern Williams gemeinsame Sache machen sollte.

Auch in Paris wuchs William ein Gegner heran. Die französische Krone hatte ihm lange keine Sorgen machen müssen, denn seit dem Tod von König Heinrich I. trug ein Kind die Krone: Auf dem französischen Thron saß seit 1060 Philipp I. Capet, und der war 1068 endlich volljährig geworden. Im flandrischen Erbfolgekrieg hatte Philipp eigentlich Richildes Anspruch unterstützt, arrangierte sich nach Roberts Sieg aber rasch mit ihm. Denn beide, auch Robert, benötigten einen Verbündeten gegen den normannischen Einfluss. Die Konsequenz war ein Bündnis zwischen König Philipp und Herzog Robert, das durch eine Ehe Philipps mit Roberts Stieftochter (Bertha von Friesland) besiegelt wurde. König Philipp ging daran, die Normandie politisch einzukreisen. Wichtige potentielle Partner dafür waren - neben Flandern - Schottland, die Bretagne, die westlich an die Normandie angrenzte, sowie Anjou, das südlich des normannischen Herzogtums lag.

Der Wechsel von Flandern in das Lager der Gegner Williams war eine gute Nachricht auch für Schottlands König Malcolm eine gute Nachricht. Er nahm Kontakt nach Brügge auf und erreichte, dass Herzog Robert seinen Schützling Edgar als Anwärter auf den englischen Thron unterstützte. Malcolm sah William inzwischen in der Normandie gebunden, um dort die Koalition von König Philipp und Herzog Robert in Schach zu halten. Eine günstige Gelegenheit, um im Norden loszuschlagen. König Malcolm von Schottland ging im Frühjahr 1072 zum Angriff über und verwüstete das ganze Gebiet vom Tweed bis zum Tees, was ihm reiche Beute brachte. Dass er einige Zeit ungestraft blieb, stärkte die Opposition in Northumbria. William musste nun handeln, bevor sich die aufflackernden Aufstände zu einer einheitlichen Revolte, womöglich einer Koalition unter Philipp von Frankreich, vereinigen konnten. William eilte von der Normandie zurück nach England und bereitete den Gegenschlag auf Schottland vor. Seinen Vasallen versprach William die Ländereien des schottischen Cumberland als Lehen, damit sie seinen Kriegszug mit Truppen unterstützten.

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Sogar den Bistümern und Abteien Englands wurden zu diesem Zweck Pflichten auferlegt. Die Maßnahmen wurden im Laufe des Sommers 1072 abgeschlossen und brachten ein Heer von 10.000 Mann zusammen, das William nach Schottland führte. Das Heer, das sich zu einem guten Teil aus Reitern zusammensetzte, zog auf der östlichen Straße zuerst durch Durham und dann durch Lothian. Zweifellos erhoffte sich William eine Schlacht irgendwo in Lothian, wo sich seine Reiter von Vorteil erweisen konnten, doch war Malcolm keineswegs bereit, ihm eine derart günstige Gelegenheit zu bieten. Die beiden Heere trafen schließlich im Süden Schottlands bei Burgh aufeinander, wo William das nur halb so starke Heer von Malcolm klar besiegte.

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Malcolm war nach dieser Schlacht so sehr entmutigt, dass er sich zu Verhandlungen bereit erklärte. Die beiden Könige trafen sich in dem nur wenige Meilen von den normannischen Schiffen entfernt liegenden Abernethy. Das Ergebnis war, dass Malcolm König William Geiseln stellte und sein Lehnsmann wurde, dem allerdings keine große Bedeutung beizumessen war. Wichtig war allein die Tatsache, dass der schottische König das neue Regime in England anerkannte. Ein Beweis dieser neuen Haltung war die Vertreibung Edgar Athelings vom schottischen Hof. Edgar floh an den Hof von Robert von Flandern.

Dieser Feldzug muss als eine der bizarrsten normannischen Kriegstaten im elften Jahrhundert angesehen werden, denn das Risiko, das sich mit dem Einsatz von Rittern im Hochland verband, war erheblich. Die Jahreszeit war für einen Feldzug schon fortgeschritten und William operierte gefährlich weit von seiner strategischen Basis entfernt, so dass die Schiffe, die im Notfall als Hilfsmittel zum Rückzug dienen konnten, die Gefahr einer Isolierung kaum verminderten.

Durch den mit Malcolm abgeschlossenen, für ihn selbst so günstigen Pakt hatte William die Verteidigung seines anglo-normannischen Staates einen wesentlichen Beitrag geleistet: Die Existenz dieses Staates war im Norden förmlich anerkannt, der Kernpunkt einer ihm feindlichen Organisation neutralisiert und seine nördliche Grenze bestätigt, mit Cumberland sogar vorangeschoben worden.

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König Philipp I. von Frankreich musste ein anderes Widerstandszentrum auftun. Er fand es in der Bretagne und in Anjou. Dort entwickelte sich eine Politik, die englische und französische Feinde Williams einige Zeit verbündete. In Anjou hatte Philipp mit Gottfried III. dem Bärtigen tatsächlich einen Herrscher, der der französischen Krone nahestand. Doch musste Gottfried sich bereits seit 1062 eines Angriffs des Herzogs Wilhelm VII. von Aquitanien erwehren, der die Saintonge angriff. Gottfrieds Stern sank weiter, als er mit dem Klerus seiner Domäne wegen der Investition des Bischofsstuhls in Le Mans aneinandergeriet. Für Gottfried war dies deshalb von Bedeutung da er mit einem ihm gewogenen Bischof seinen Einfluss in der Grafschaft Maine aufrechterhalten konnte, wo sein Rivale König William seinen ältesten Sohn Robert Curthose (Kurzhose) als Grafen eingesetzt hatte. Nachdem Gottfried die Abtei Marmoutier überfiel wurde er 1067 von einem päpstlichen Legaten exkommuniziert. Dies nutzte sein jüngerer Bruder Fulko aus um die Herrschaft im Anjou an sich zu reißen und Gottfried gefangen zusetzen. Aus dieser schnell entkommen unterlag Gottfried gegen seinen Bruder in einem Kampf bei Brissac-Quincé (April 1068) und wurde erneut in der Burg Chinon eingekerkert. Erst auf Intervention des Papstes wurde Gottfried III. freigelassen, aber er starb kurze Zeit darauf bei einem mysteriösen Unfall.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 16. Dezember 2016 20:34

Wo König William 1072 die Weihnachtsmesse hörte, ist unbekannt, Anfang 1073 befand er sich jedenfalls wieder in der Normandie, wohin er an der Spitze eines Heeres von England aus übergesetzt hatte. Da sich seine Stellung in Frankreich im Laufe seines schottischen Feldzugs weiterhin verschlechtert hatte, erwies sich seine Rückkehr als keineswegs verfrüht. Die Situation in Maine/Anjou forderte die Intervention einer größeren Macht heraus, als nämlich die Bürger von Le Mans den Grafen Fulk von Anjou (Gottfrieds Bruder und Nachfolger) um Hilfe baten. Zwar stellte Anjou keineswegs die gleiche Macht dar wie unter Gottfried Martell, doch hatte der abstoßende Fulk im Laufe des Jahres 1072 die von ihm selbst hervorgerufene Anarchie soweit überwunden, dass seine Gegnerschaft durchaus nicht mehr zu unterschätzen war. Die an den Grafen gerichtete Bitte war deshalb so bedeutsam, weil sie einen früheren politischen Vorgang erneut ins Gedächtnis rief. Auch zögerte Fulk nicht, der Bitte aus Maine nachzukommen, drang sofort in diese Grafschaft ein und rückte auf Le Mans vor. Die Einwohner der Stadt empörten sich zu seinen Gunsten, der Graf von Anjou also auf dem Wege, sich an der Grenze der Normandie niederzulassen. Mit großer Schnelligkeit eroberte William die verlorenen Gebiete zurück und marschierte in Anjou ein, bevor sich der französische König einschalten konnte. Wieder einmal hatte William durch eine blitzartige Militäraktion die Oberhand behalten können.

Philipp von Frankreich hatte die Zwischenzeit, in der William gegen Schottland gezogen war, aber auch genutzt, um die Bretagne in seine Koalition zu holen. Seit dem Tod von Conan im Dezember 1066 war dort die Macht des bretonischen Herrscherhauses im Sinken. Conans Schwiegersohn Hoel, Graf von Cornouailles, setzte sich im Erbfolgekrieg gegen Conans Sohn Alan durch und errang schließlich den Herzogtitel der Bretagne. Alan floh in die Normandie unter den Schutz von William, Hoel setzte folgerichtig auf die Unterstützung des französischen Königs, um sich Alan vom Leib zu halten.

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Hoel besaß aber auch gute Verbindungen zu anderen bretonischen Adeligen, nämlich jenen Magnaten, die ihre Laufbahn unter William in England begonnen hatten. Der bedeutendste unter ihnen war Ralph de Gael, der 1069 Graf von Norfolk geworden war.

Dieser Ralph de Gael sollte in der nun folgenden Krise die Hauptfigur abgeben. Ralph hatte am Hof von Eduard dem Bekenner als Stallmeister gedient und später William bei der Besiedlung geholfen. Er besaß sowohl in der Bretagne wie in England Beziehungen und zeigte sich als der geborene Führer all jener Bretonen, die im Kielwasser des Eroberers gefolgt waren, um in England Land zu erhalten. Als Ralph im Jahre 1073 den Plan fasste, gegen William zu rebellieren, wandte er sich in der Tat zuerst an diese, und es gelang ihm, in diesem Aufstand keinen Geringeren als Roger, den zweiten Sohn von Wilhelm FitzOsbern und Grafen von Hereford, zum Bundesgenossen zu gewinnen. Die genauen Ursachen dieser Rebellion sind unklar, doch war ihr Anlass die Hochzeit Ralphs mit der Tochter Rogers. Die Revolte erhielt noch mehr Gewicht durch die Tatsache, dass Waltheof, Graf von Huntingdon, der hoch in der Gunst Williams stand, sich ihr zugesellte. So verbündete sich der englische und bretonische Widerstand gegen den Eroberer.

Auf Rat des Erzbischofs Lanfranc, dem William die Obhut über die Verwaltung Englands gelassen hatte, blieb der König trotz der Rebellion in der Normandie. Zu diesem Zeitpunkt war der Platz des Königs auf dem Festland, und es wäre schimpflich gewesen, wenn Lanfranc nicht selber mit der englischen Revolte fertig geworden wäre. Gemeinsam mit dem Erzbischof von Worcester setzte Lanfranc Graf Roger in seiner Grafschaft Hereford fest bzw. hinderten sein Heer daran, es zu verlassen und zu seinen aufrührerischen Genossen zu stoßen. Gleichermaßen hielten Bischof Odo von Bayeux und Wilhelm von Warenne den westwärts gerichteten Stoß des Norfolker Grafen Ralph de Gael auf. Ralph setzte sich nach Dänemark ab, um dort Unterstützung zu erhalten. Sie sagten zu, aber kamen zu spät: Währenddessen war Norfolk belagert und bereits eingenommen worden. Als das dänische Heer davon erfuhr, begnügte es sich damit, York zu plündern und sich dann wieder aus England zurückzuziehen. Damit brach die Rebellion zusammen. Die Bretonen wurden hart behandelt, Graf Roger gefangengenommen und Graf Waltheof sofort in den Kerker geworfen, wo er einige Monate lang schmachtete, bis er am 31. Mai 1076 außerhalb von Winchester enthauptet wurde. In meiner Partie wird er nicht hingerichtet, sondern stirbt an einer Krankheit, zeitlich fügt sich sein Tod aber ganz gut in die Historie.

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Ralph de Gael flüchtete zu seinen Ländereien in der Bretagne und unter den Schutz von Hoel. König William trug den Krieg nun zu ihnen in die Bretagne. Es war eindeutig, dass William an der Westgrenze der Normandie eine feindliche Macht vorfinden würde, wenn sich die Rebellion als langlebig erweisen würde. Eine derartige Lage, die konstante Gelegenheiten zu weiteren Angriffen bot, würde zum Vorteil König Philipps und seiner Bundesgenossen gereichen. Das musste William verhindern, und daher war der im Jahre 1076 folgende Krieg von umfassender Bedeutung. Im September rückte rückte William gegen Dol vor, warf die Festung nieder und besetzte nach diesem Sieg die übrige Bretagne ohne größere Probleme. Der Widerstand gegen die Rückkehr von Alan war bezwungen, Hoel und Ralph de Gael mussten sich dem König unterwerfen. William hielt die beiden einige Zeit in Haft, versöhnte sich aber schließlich mit ihnen.

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Es folgte eine kurze friedliche Periode, die der König für die notwendige Konsolidierung seines Reiches nutzen konnte. Zwei wichtige Projekte sollen dabei hervorgehoben werden, die zeigen, wie umtriebig der Normanne die Sicherung seines eroberten Königreiches betrieb. Zum einen beauftragte William seinen Baumeister, Bischof Gundulf von Rochester, mit dem Bau des Towers von London. Diese Burg sollte als eine von mehreren Festungsbauten gegen aufständische Bestrebungen in der Stadt London dienen. Gundulf orientierte sich beim Bau der Anlage an Festungsbauten in Frankreich und Deutschland, insbesondere die inzwischen zerstörte Burg der normannischen Herrscher in Rouen hat dabei Pate gestanden. Der White Tower enthielt die für diesen Bautyp typische Anordnung von großer Halle, Wohnräumen und Kapelle. Während diese Räume normalerweise als separate Gebäude um einen Innenhof angeordnet wurden, ließ Wilhelm sie auf mehrere Etagen verteilt in einem Gebäude errichten. Nun, eine Außenseite des White Tower war hingegen weniger repräsentativ und hell: An der Nordseite des Turms befanden sich jene Öffnungen, die sich unter den Latrinen der Burg befanden.

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Zum zweiten gab William die Erstellung des Domesday Book in Auftrag. Zahlreiche Beamte seiner Verwaltung schwärmten aus, um überall in England festzuhalten, wem wie viel auf welchem Land gehörte. Die angelsächsische Bevölkerung war verständlicherweise misstrauisch bis feindselig, als die normannischen Beamten in den Dörfern auftauchten und ihre Fragen stellten. In der Tat stellte das Domesday Book nach seiner Fertigstellung nicht weniger als ein Grundbuch von England dar, das in Lateinisch die Ergebnisse dieser landesweiten Ermittlungen im elften Jahrhundert festhält. Das in zwei Bänden verfasste Buch blieb nach dem Jahr 1090 unvollendet zurück, aber es stellt die damaligen Verhältnisse in großer Ausführlichkeit dar. Jede Legitimation von Landbesitz entsprang fortan diesem Register. Dieser Besitzstand einzelner Personen stellt bis heute für die Staatsverwaltung eine zuverlässige Grundlage dar. Seit Wilhelm II. von England (Williams Sohn auf dem Thron) wurden mit Hilfe des Domesday Book die Verteilung der Heereslast nach so genannten Ritterlehen und die genaue Ausbildung der Lasten- und Rechtsverhältnisse des englischen Lehnswesens geregelt. Im Verlauf von etwa 50 Jahren wurde das englische Schatzamt geschaffen, das auf dieser Basis arbeiten konnte. Trotz nachweisbarer Lücken gibt das Domesday Book Hinweise über die damalige Bevölkerungszahl Englands, die bei ungefähr zwei Millionen lag.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 19. Dezember 2016 19:32

William glückte offenbar jeder seiner Schritte, selbst seine Gegner mussten seinen politischen Instinkt und seine militärische Entschlossenheit anerkennen. Inzwischen war Philipp, der König von Frankreich, 27 Jahre alt und kein unerfahrener Knabe mehr. Philipp fürchtete William, aber in dem Kapetinger erwuchs dem Eroberer mittlerweile ein ernsthafter Gegenspieler, der sich politisches Geschick angeeignet hatte. So nutzte Philipp einen Vorfall im umstrittenen Vexin im Jahre 1078, um sich gegenüber William in eine bessere Position zu bringen:

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Dort hatte Simon die Nachfolge seines Vater Ralph von Crepi angetreten und seine Stellung gegen den französischen König trotz einiger Schwierigkeiten behauptet. Doch wurde er nun von einem jener tiefgreifenden Impulse ergriffen, die für das elfte Jahrhundert so charakteristisch waren. Nachdem er Judith, die Tochter des Grafen Robert II. von Auvergne, zur Ehe erhalten hatte, wählte er ausgerechnet ihre Hochzeitsnacht dazu, gemeinsam mit seiner Braut Enthaltsamkeit zu geloben, von da an der Welt zu entsagen und sich in ein Kloster zurückzuziehen. König Philipp reagierte am entschlossensten auf diese günstige Gelegenheit: er besetzte sofort den Vexin und erweiterte so seine Domäne bis zur normannischen Grenze. Dies bedeutete eine erneute Bedrohung der Normandie. William konnte so zügig nichts gegen diesen Schachzug unternehmen, denn Philipp gelang es, innerhalb der Normandie Spaltungen hervorzurufen: William erwuchs die Gefahr ausgerechnet aus seiner eigenen Familie.


Williams letzte Jahre: Die liebe Familie

Robert Curthose, Williams Sohn, hatte sich bis dahin als treu zu seinem Vater erwiesen. Anfang 1079 ließ er sich von den Schmeicheleien seiner Gefährten überreden und bat seinen Vater, ihm die unabhängige Gewalt über die Normandie und Maine zu übertragen.

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Robert war tatsächlich bei mehreren Anlässen förmlich als der Erbe seines Vaters in der Normandie anerkannt worden und wurde seit 1067 ständig zu der Regierung des Herzogtums hinzugezogen, während William in England weilte. Roberts Einfluss in der Normandie wuchs in der Folge stetig, der hiesige Adel gehörte zu der jüngeren Generation Roberts und orientierte sich an ihm statt an seinen Vater, der 1066 mit den Vertretern der älteren Generation von der Normandie nach England losgezogen war und nun bevorzugt dort die Herrschaft ausübte.

Der König wies das Ansinnen seines Sohnes, ihm die Herrschaft über die Normandie zu übertragen, entschieden zurück. Zu diesem Zeitpunkt wäre die Spaltung des anglo-normannischen Reiches gefährlich gewesen, und William schreckte vor einer unüberlegten Handlung zurück. Das entsprach aber nicht dem Charakter von Robert, der beschrieben wurde als tapfer, äußerst abenteuerlustig, ein geistreicher Erzähler und anziehender Gesellschafter. Doch waren Roberts Handlungen oftmals unüberlegt. In Wort und Tat zeigte er sich zügellos, so dass er sein eigentliches Wesen zerstörte und mit Versprechen um sich warf, auf die man sich kaum verlassen konnte. „Da er jedermann zu gefallen wünschte, war er nur allzu bereit, leichtherzig jeder Bitte zu willfahren“. Dieses Bild schildert einen mit den unreifen Eigenschaften der Herren jener Zeit behafteten jungen Mann, und es ist daher wohl kaum ein Wunder, dass Robert unter seinesgleichen in der Normandie sehr beliebt war. Außerdem lässt sich mit Sicherheit hinzufügen, dass es ihm sowohl an Diplomatie wie auch an Intelligenz fehlte. Eitel und stürmisch wie er war, gab er in den Händen von Männern, die weniger offenherzig und klüger waren als er, ein brauchbares Werkzeug ab.

Schließlich war der König sogar gezwungen einen Streit zu ersticken, der Ende 1079 unter den Anhängern Roberts und denen seines anderen Sohnes William „Rufus“ ausgebrochen war. Es kam zum offenen Bruch, Robert verließ sofort den Hof seines Vaters und versuchte mit einem großen Gefolge die Stadt Rouen in seinen Besitz zu bringen, die dem Angriff aber standhielt. Wilhelm konterte sofort, befahl die Gefangennahme der Aufständischen und drohte ihnen mit Enteignung. Robert und viele seiner Anhänger flohen aus der Normandie. Dies war Philipps lang ersehnte Gelegenheit.

Die Weihnachtstage 1079 wurden für William weder besonders froh noch friedvoll. Am Heiligen Abend kam ein Bote mit der Nachricht, dass Prinz Robert mit seinen Getreuen auf der französischen Burg von Gerberoi nahe der Ostgrenze zur Normandie Stellung bezogen hatte. Der französische König hatte ihm diese Festung zur Verfügung gestellt. Damit war bewiesen, was man bereits befürchtet hatte. Robert machte gemeinsame Sache mit Philipp von Frankreich, Williams erklärtem Widersacher. Die jungen Normannen schlichen bei Nacht und Nebel über die Grenze, um sich Robert anzuschließen, aber auch französische Ritter scharten sich jetzt um ihn. Aus Frankreich, der Bretagne, Maine und Anjou wurden Truppenkontingente zu Robert geschickt. William griff die in Rémalard versammelten Aufständischen unverzüglich an, worauf diese sich zurückzogen und in der Burg Gerberoi, die Philipp ihnen zur Verfügung gestellt hatte, verschanzten. Die Belagerung der Festung dauerte drei Wochen, ehe sie einen Ausbruchsversuch wagten.

Frierend stand Prinz Rufus mit seinen Gefährten bei der Ballista, dessen Mannschaft die Mauer der belagerten Festung Gerberoi beschossen. „Mit Katapulten würden wir mehr ausrichten, denkst Du nicht?“. Rufus wies auf die Ballista. Sein Soldat Eadwig zuckte mit den Schultern und behauchte seine gefühllosen Hände. „Das macht keinen großen Unterschied. Und Katapulte hätten wir niemals unbemerkt quer durch die Normandie schaffen können. Sie lassen sich nicht so leicht auseinandernehmen und zusammensetzen wie Ballistae.“ Geistesabwesend sah Rufus zu den Palisaden hinüber. „Nichts rührt sich. Man fragt sich, ob überhaupt noch jemand dort drin ist.“ Sie waren zu weit entfernt, um jenseits der Einfriedung Schritte oder Stimmen zu hören, und die Burg wirkte tatsächlich unheimlich still.

„Wir hätten uns diese Heimlichtuerei jedenfalls sparen können“, brummte der Prinz. „Der Überraschungseffekt hat uns nichts genützt. Seit drei Wochen frieren wir uns hier halb zu Tode und haben nichts erreicht.“ Sein Soldat widersprach. „Das stimmt nicht. Seit drei Wochen ist keine Maus dort raus- oder reingekommen. Wir wissen nicht, wie viele Männer euer Bruder da drinnen hat, aber ich wette, inzwischen haben sie alle mächtigen Hunger. Spätestens wenn sie ihre Pferde aufgegessen haben, wird Robert verhandeln müssen. Wenn er darauf gehofft hat, dass Philipp von Frankreich kommen würde, um uns in den Rücken zu fallen, hat er sich offenbar getäuscht. Robert wird bald aufgeben müssen...“

Er brach ab, denn wie auf sein Stichwort war ein Poltern zu vernehmen, das vom Haupttor der Palisaden kam. Langsam schwangen die gewaltigen Torflügel nach innen. Rufus versuchte, über die Ebene hinweg mehr zu erkennen. Wenn Robert verhandeln würde wollen, hätte er jemanden auf die Brustwehr geschickt. Was also hatte das zu bedeuten? Da sahen der Prinz und Eadwig, wie sich ein Strom berittener Soldaten aus dem Tor ergoss. Eadwig sprach die Mannschaft der Ballista an: „Lasst alles stehen. Tretet das Feuer aus, nehmt die Geschosse und folgt uns zurück zum Lager.“ Dann wandte er sich an Rufus: „Sie greifen an. Wir müssen zum Zelt des Königs.“

Robert wartete nicht, bis sich das Heer seines Vaters formiert hatte. Er wusste, dass seine Truppen zahlenmäßig weit unterlegen waren, und er nutzte den Überraschungsvorteil ohne jede Rücksicht auf die Gepflogenheiten eines ehrenvollen Kampfes aus. Auf der Seite des Königs fochten 800 Mann gegen Roberts 500 Soldaten. Trotzdem behielten sie die Oberhand, sogar der König selbst geriet während der Schlacht in eine gefährliche Situation und musste sich aus dem Kampfgeschehen zurückziehen. Die Hälfte des königlichen Heeres war gefallen, aber William und Rufus waren unversehrt geblieben.

Robert blieb als Sieger zurück, William kehrte nach Rouen zurück und sah sich genötigt zu verhandeln. Die Versöhnung von Vater und Sohn fand im April 1080 statt, aber Williams Einfluss auf seinen Sohn war wesentlich geschwächt. William musste Robert noch einmal feierlich die Nachfolge im Herzogtum Normandie versichern. König Philipp konnte mit dem Ergebnis dieser Rebellion zufrieden sein. Die Trennung der Normandie von England, die schon immer ein wichtiges Ziel der Politik der französischen Krone gewesen war, war nun einen Schritt näher gerückt.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 23. Dezember 2016 20:17

Was danach geschah, ist bis heute ein Rätsel. Das Zentrum der nächsten Affäre war Odo, der Halbbruder von König William. Odo war immer sein wichtiger Vertrauter gewesen und besaß in England viel Einfluss. Als Bischof von Bayeux und Graf von Kent (im Spiel ist er ausschließlich Graf von Kent und hat den Bischof von Bayeux als Vasallen) fungierte Odo als rechte Hand seiner Politik. Doch im Januar 1082 wurde Odo überraschend vom König gefangengesetzt und in den Kerker verfrachtet. Der Vorwurf, der gegen ihn erhoben wurde, war monströs.

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Odo glaubte offenbar, er sei zum Papst auserwählt. Als er zum ersten Mal in Rom war, hatte ein Wahrsager prophezeit, der nächste Papst werde den Namen Odo tragen. Seitdem hatte der Bischof in Rom einen Palast erworben, prunkvolle Feste für den römischen Adel gegeben und viele Freundschaften geschlossen. Odos Ambition war vermessen, doch nicht unmöglich.

Die Situation des amtierenden Papstes Gregor VII. war schwierig geworden, denn er lag seit Jahren mit dem deutschen Kaiser Heinrich IV. im Machtkampf. Nachdem Gregor 1073 den Heiligen Stuhl bestiegen hatte, formulierte er zwei Jahre später eine Schrift, in der er einen klaren Machtanspruch oberhalb von Königen und Kaisern formulierte. Der Papst sei derjenige, der Monarchen ernennen und absetzen könne, außerdem dürfe nur er Bischöfe in ihr Amt erheben. Das entsprach dem Verständnis der kirchlichen Reformpartei. Praxis überall war jedoch, dass Bischöfe von weltlichen Herrschern in ihr Amt investiert wurden. Die geistlichen Positionen waren schlicht zu wichtig, als dass ein König darauf verzichten konnte. Einige Könige wie Philipp von Frankreich und auch William von England hatten sich in der Frage der Investitur aber bereits auf einen Kompromiss einigen können.

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Anders lag der Fall beim deutschen Kaiser, der nach seinem Selbstverständnis über dem Papst stehen musste. Immerhin hatte noch der vorherige Kaiser noch vor rund dreißig Jahren den Papst in Rom abgesetzt und einen anderen eingesetzt. Gregors Anspruch seinen höheren Rang sowie auf Gehorsam durch den Kaiser waren also eine klare Kampfansage an Heinrich IV. in Deutschland. Dort war der Kaiser jedoch nicht unumstritten, insbesondere nachdem Gregor VII. zur schärfsten kirchenrechtlichen Waffe gegen ihn griff: Er exkommunizierte Heinrich und verbot seinen Vasallen den Gehorsam gegen ihn. Die deutschen Fürsten rückten größtenteils tatsächlich von Heinrich IV. ab und wählten einen der ihren, den schwäbischen Herzog Rudolf von Rheinfelden, zum neuen deutschen König.

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Dem Kaiser gelang es aber, Rudolf in der Schlacht zu töten und seine Position im Reich wieder zu verbessern. Anfang der 1080er hatte Heinrich die Oberhand gewonnen und schickte sich an, mit einem Heer nach Rom zu marschieren, um seinen Widersacher Gregor als Papst abzusetzen. Für Odo bedeutete diese Umbruchsituation die Chance, selber nach der höchsten kirchlichen Würde zu greifen. Er zog Unmengen von Geldmitteln an sich, um in aller Heimlichkeit ein eigenes Heer auf die Beine zu stellen und dann nach Rom zu ziehen, um selber Papst Gregor VII. zu stürzen.

Als William von den geheimen Plänen seines Halbbruders erfuhr, geriet er in Zorn und ließ ihn verhaften. Persönlich trat er ihm gegenüber, um ihn zur Rede zu stellen. Mit langen Schritten durchquerte der König die Vorhalle, und als er mit seinem beachtlichen Gefolge den Hauptraum der Burg betrat, verstummten die Instrumente der Musiker und das Stimmengewirr ebbte ab und versiegte. William trat an die hohe Tafel. „Auf ein Wort... Bruder.“

Odo erhob sich langsam. „Sire“. Das war alles. Seine Stimme bebte nicht, klang auch nicht gepresst, aber mehr brachte er nicht heraus. Der König verschränkte die Arme vor seiner massigen Brust (er war im Laufe der Jahre immer fetter geworden). „Ist es wahr, dass Du meinen Vasallen Männer, die in meinen Armeen dienten, gestohlen hast, um eine eigene Streitmacht aufzustellen?“ Odo sagte knapp „Ja“ und nickte. „Und ist es wahr, dass du diese Männer auf einen Eroberungszug nach Rom führen wolltest, ohne meine Zustimmung einzuholen?“ Odo straffte seine Haltung. „Das ist eine Angelegenheit der Kirche, für die ich Eure Zustimmung nicht brauchte, Sire.“ William trat einen Schritt näher heran, auf eine unangenehme Nähe zu Odo. „Aber meine Soldaten schon, ja?“ Odo wich nicht zurück und entgegnete: „Ihr habt mich übergangen, wieder und wieder. Kent habt ihr mir gegeben, die wirkliche Macht in England aber mit anderen geteilt. Ihr seid nicht der einzige, der zu Höherem berufen ist, Bruder.“

Der König lächelte frostig. „Du willst deine frevlerische Revolte gegen den Heiligen Stuhl mit meinen Siegen vergleichen? Meinen heiligen Krieg mit deinem Verrat? Das ist infam!“ Odo protestierte energisch. „Ich habe niemanden verraten. Euch am allerwenigsten. Ich wollte den Heiligen Stuhl, um mit Euch gemeinsam die christliche Welt zu beherrschen.“ Das ließ William nicht gelten und hob abwehrend die Hand. „Du hast den Graf von Chester und andere normannische und englische Adelige versuchen wollen, dir nach Rom zu folgen. Sich gegen den Papst und ihren König aufzulehnen. Du bist ein Verräter, Odo. Einen Mann der Kirche zu richten habe ich vielleicht nicht das Recht, aber ich richte Euch als Grafen von Kent, als meinen Vasallen.“ William sah über die Schulter und sagte zu niemand Bestimmten in der Halle: „Nehmt ihn fest und bindet ihn.“

Erst der Sohn und dann der Bruder. Aber es kam schlimmer für den König.

Es war im Mai 1083, als der König mit seinem Sohn Richard erneut in Winchester weilte, wie bereits 1071 und danach einige weitere Male. Mit einigen Mitgliedern des Hofes war Prinz Richard zur Jagd in die Wälder aufgebrochen und da geschah das Unglück: Ein großer Keiler brach aus dem Gebüsch und hielt geradewegs auf den Sohn des Königs zu und verletzte ihn mit den Hauern im Unterleib, bevor seine Begleiter das Tier töten konnten. Richard sackte zusammen, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Noch bevor Hilfe kommen konnte, erbrach er Blut, schließlich fiel sein Kopf zur Seite. Hufschlag näherte sich. Der König war alarmiert worden und hatte sich sofort aus seiner Halle auf den Weg zu der Waldlichtung gemacht, wo sich das Unglück ereignet hatte. Richard starb, bevor sein Vater ihn erreichte.

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Der König hockte auf einem Knie im Morast, beinahe so reglos wie sein toter Sohn. „Wischt ihm das Blut aus dem Gesicht“, sagte William mit mürrischer Stimme, als er die Fassung wiedergewonnen hatte. Er hieß die Männer, den Kopf des Keilers vom Rumpf zu trennen und auf eine Lanze zu stecken, so dass er über dem Tor der Halle aufgepflanzt werden konnte, den restlichen Kadaver fortzuschaffen und zu verbrennen. Auch Richards Leichnam wurde in die Halle überführt und dort stürzte Prinz Rufus zu seinem toten Bruder und beklagte laut den Verlust. Niemand wagte es in Gegenwart der königlichen Familie auszusprechen, aber das Geraune war unvermeidlich: Es schien, dass sich der Fluch der alten Frau, die zwölf Jahre zuvor in eben diesem Wald, in dem Richard verunglückte, bewahrheitet hatte. Sie hatte prophezeit, dass dieser Wald Unglück und Tod über Williams Sippe bringen würde.

Und kaum war William im Juli 1083 wieder in London eingetroffen, erreichte ihn die katastrophale Nachricht, dass sein ältester Sohn Robert in Rouen an einer Krankheit gestorben sei. Ausgerechnet Robert, jenen politisch durchaus begabten Sohn, der sogar seinem eigenen Vater in der Normandie erfolgreich die Stirn geboten hatte.

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Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt

Beitragvon Mark » 27. Dezember 2016 19:13

Nun blieb dem König als Erbe nur noch William, genannt Rufus. Prinz William war eigentlich gar nicht zum Herrschen vorgesehen gewesen, denn er war ein ebenso brillanter Kriegsherr wie von unbeherrschten Temperament. Trotz seiner Erfolge auf dem Schlachtfeld war er als rücksichtsloser Herrscher bei seinen Untertanen sehr unbeliebt. Schwerwiegender war, dass William Rufus trotz seines Alters unverheiratet geblieben war, er hatte nicht einmal uneheliche Kinder gezeugt. Man erzählte sich von weibischen Wüstlingen in ausgefallener Kleidung und Sodomiten, mit denen sich der Prinz an seinem Hof umgebe. Es lag auf der Hand, dass der neue Thronfolger Englands homosexuell war.

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Einige Monate verstrichen, in denen sich der König in Rouen aufhielt, die Mine verdunkelt und von düsterer Stimmung. Wer ihm aus dem Weg konnte, mied es, sich in seiner Nähe aufzuhalten. William, einst ein stattlicher Mann und ebenso charismatischer Anführer wie erfolgreicher Heerführer, war zu einem paranoiden, fettleibigen Tyrann geworden.

Im November 1083 rief er seine Fürsten samt ihrer Truppenaufgebote nach Rouen. Der Anlass dafür war eher nichtig, einige französische Ritter hatten mit ihren Horden die Grenze zur Normandie überschritten und in der Gegend von Evreux mehrere Dörfer verwüstet, bevor sie sich ins Vexin zurückzogen. Der König war nicht gewillt, sich diese Beleidigung gefallen zu lassen.

Die normannischen Adeligen, die dem Ruf nach Rouen Folge leisteten, murrten. Nur weil König Philipp von Frankreich über die Grenze gespuckt hatte, sollten sie im Winter Kriegsdienst leisten? Doch sie verkannten, dass William in den vergangenen zehn Jahren ständig bedrängt gewesen war, so dass er sich nie um das Vexin kümmern konnte. Aber es blieb eine Tatsache, dass das Vexin ihm ebenso lehnspflichtig war wie dem König von Frankreich. Williams Vater hatte Philipps Vater zu seinem rechtmäßigen Thron verholfen und zum Dank das halbe Vexin erhalten, eine Gabe für treue Dienste. Und um diesen Anspruch durchzusetzen, versammelte William zwölftausend Soldaten in der Normandie. Ein Erobererheer.

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Wie es die diplomatische Gepflogenheit erforderte, schickte William seinem Rivalen Philipp eine Note, in der er Anspruch auf das gesamte Vexin erhob. Der französische König ließ seine Antwort auf diese Forderung durch einen Boten überbringen, der an Williams Hof in Rouen eintraf. Der Bote entsprach wohl allen Vorurteilen, die die Engländer gegenüber den Franzosen hegten. Ein stolzer junger Geck in so prächtigen wie albernen Gewändern, das teure Schwert ganz offenbar nur zur Zierde. Die zarten Hände des Boten verrieten es. Kurz: Er war eitel, eingebildet und dumm. „Alsdann“, sagte der König auffordernd. „Welche Antwort bringst Du mir von König Philipp?“

„Mein Herr und König lässt Euch wissen, dass er Eure zu Unrecht und in Willkür erhobenen Ansprüche auf das französische Vexin in aller Schärfe und Entschiedenheit zurückweist.“ Niemand war übermäßig überrascht, und die Miene des Königs blieb unbewegt, als er mit leiser Stimme fragte: „Und was ist mit dem normannischen Vexin?“

„Es gibt kein normannisches Vexin, Monseigneur“, entgegnete der Bote. „Wie würdet Ihr dann das Gebiet nennen, dass Philipps Vater meinem Vater aus Dank für seine Treue und seinen Schutz gegen Burgund verlieh?“ Der Bote wusste anscheinend keine Antwort auf diese heikle Frage und fuhr stur mit seiner auswendig gelernten Botschaft fort: „Darüber hinaus hat König Philipp mir aufgetragen, Euch daran zu erinnern, dass Ihr als französischer Herzog sein Vasall seid, und er erwartet Euch noch in diesem Monat in Paris, um Eure Huldigung entgegen zu nehmen.“

William lachte verächtlich. „Ich bin König von England und schulde niemandem Huldigung als Gott allein.“ Der Bote zog die Augenbrauen in Höhe. „Für den Fall dieser Antwort hat mein König mir aufgetragen, Euch folgendes in Erinnerung zu rufen: Ihr seid König von England nicht durch Geburtsrecht, sondern durch Usurpation. Und Ihr seid ein Bastard und könnt darum niemals im Stand göttlicher Gnade sein. Somit seid Ihr ihm keineswegs ebenbürtig an Rang und schuldet ihm Vasallentreue und Lehnseid.“ William stützte sein Kinn auf die linke Faust und starrte den Franzosen einen Moment lang ausdruckslos an. „Von allen Beleidigungen, die diese feige kleine Kröte, Philipp von Frankreich, mir je zugefügt hat, war wohl die unverzeihlichste, mir einen so unglaublichen Dummkopf wie Euch als Boten zu schicken. Sag' uns, wie viele Männer an Philipps Hof haben sich freiwillig erboten, mir diese Nachricht zu bringen?“

In den Augen des Boten waren nun Irritation und Angst zu erkennen. „Ich verstehe nicht...“ William winkte ab. „Nun, es ist nicht weiter von Belang. Ich könnte Euch auftragen, der kleinen Kröte auszurichten, dass ich in der Tat nach Paris kommen werde, aber anders, als er es sich vorstellt. Aber Tölpel, der Ihr seid, würdet Ihr die Botschaft sicher vergessen oder verfälschen, darum müssen wir einen anderen Weg finden.“ Beleidigt reckte der junge Franzose das Kinn vor. „Ich werde Eure Botschaft wortgetreu übermitteln, seid unbesorgt.“ Williams Mundwinkel zogen sich nach oben. „Ja, in gewisser Weise werdet Ihr das tun. Ihr werdet Überbringer meiner unmissverständlichen Botschaft an Philipp sein.“

Der König blickte hinter den Boten auf seine Männer: „Wache.“ Zwei Soldaten traten heran und drehten dem Franzosen die Arme auf den Rücken. „Schneidet ihm die Zunge heraus und schickt sie Philipp“, grollte William. „Wartet drei Tage, dann schlagt ihm den Kopf ab und schickt ihn hinterher. Und jetzt raus mit ihm.“ Die vierschrötigen Wachen nickten und führten den vor Entsetzen verstummten Boten hinaus.

Alle im Raum starrten den König an, und es war sein Sohn Rufus, der sich schließlich ein Herz faste und ihn fragte: „Paris, Sire? Philipp ist der rechtmäßige König von Frankreich.“ William nickte versonnen. „Dann soll er seine Krone mit dem Schwert verteidigen. Wenn er kann.“ Warnend schaltete sich der Erzbischof von Rouen in das Gespräch ein. „Philipp hat zweifellos nicht nur einen einzelnen Boten zu Euch losgeschickt. Ihm folgt in diesem Augenblick sicher ein Heer des französischen Königs nach, das die Grenze zur Normandie überschreitet.“

William stand unvermittelt auf. „Und ohne Zweifel habt Ihr da recht. Macht Euch bereit, Monseigneurs. Wir rücken alsbald aus und tragen über die toten Körper unserer Feinde Feuer und Schwert ins Vexin. Philipp soll erzittern, auf seinem Thron, denn dieses Mal kommt William von der Normandie wirklich, um ihn zu holen.“

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Der folgende Feldzug war nicht nur der letzte, sondern auch einer der blutigsten des Eroberers. Bei Lisieux trafen die Heere der beiden Könige aufeinander, beide waren sie zahlenmäßig gleichstark. William kommandierte mehr gewappnete Fußtruppen, während Philipp mehr Bogenschützen und Panzerreiter ins Feld führen konnte. Die Schlacht wogte lange unentschieden hin und her, Williams Zentrum geriet bereits unter erheblichen Druck, als Philipps linker Flügel besiegt vom Feld flüchtete. Das war die Entscheidung des Tages. Völlig ungeordnet zogen sich die Franzosen Richtung Paris zurück, wobei sie von Williams Truppen verfolgt wurden.

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Grimmig fielen die Normannen in das entblößte Mantes ein und verwüsteten die Stadt. Das Brandschatzen war derart grausam, dass bis heute kaum Spuren von Gebäuden aus dem elften Jahrhundert zu finden sind. Ein solches Verhalten war unentschuldbar, doch erhebt sich dabei die Frage, ob William diese Unbarmherzigkeit wie bei früheren Anlässen als eine Vorbereitung für ausgedehntere Operationen gedacht hatte. Immerhin lag Mantes nur rund 50 Kilometer von Paris entfernt und daher ist es vorstellbar, dass William mittels seiner großen Hilfsquellen an Männern und Geld seinen Erfolg weiterhin und mit schwerwiegenden Folgen für die französische Monarchie nutzen wollte. Es kam aber anders: