e) Die Unterredung von Chiavenna Anfang des Jahres 1176. Heinrich der Löwe hat sich nach Baiern begeben, da erreicht ihn die Nachricht des Kaisers mit der Aufforderung zu einer Unterredung. Ort des Treffens soll der Ort Chiavenna nördlich des Comer Sees sein.
Barbarossa befand sich in einer sehr misslichen Situation. Nach einer monatelangen opferreichen und schließlich doch vergeblichen Belagerung der ihm verhassten Stadt Alessandria während des ganzen Winters 1174/75 hatte er zwar mit den Lombarden im April 1175 einen Vorfrieden geschlossen. Er hatte aber keinen Keil in das Bündnis zwischen Norditalien und Papst Alexander III. treiben können. Inzwischen konnte der Kaiser seine Söldner nicht mehr bezahlen und musste sie ziehen lassen. Nun konnte er die erneut ausbrechenden Attacken der Lombarden kaum abwehren. Barbarossa hatte im Herbst 1175 bereits den Kölner Erzbischof Philipp in die Heimat entsandt, damit dieser dort neue Streitkräfte mobil machte.
Mit seinem Vetter wollte der Kaiser offenbar selber reden. Ende Februar 1176 trafen die beiden wie verabredet zusammen. Der Staufer machte Heinrich dann Elogen, dass er ohne dessen persönliches Mitwirken gegen die Lombarden nichts ausrichten könne. Der Welfe stellte sich daraufhin wegen der Strapazen der bisherigen Feldzüge als ausgezehrt an Soldaten und Kräften dar, der 47jährige bezeichnete sich sogar selbst als einen Greis. Anstandshalber bot Heinrich stattdessen Geld an.
Der Kaiser antwortete darauf: „Der Herr des Himmels hat Dich erhöht unter den Fürsten und Dich vor allem mit Reichtum und Ehren begnadet. Die ganze Stärke des Reiches beruht auf Dir. So ist es billig, dass Du, um die Armee aller zu diesem Werk zu kräftigen, Dich an die Spitze stellst, damit das Reich, welches jetzt zu wanken beginnt, durch Dich, der bisher anerkanntermaßen dessen vorzüglichste Stütze war, sich wieder kräftig erhebe. Wir bitten Dich, daran zu denken, dass wir Dir nie einen Wunsch abgeschlagen haben und stets bereit gewesen sind, Dich in allen Deinen Ehren und Würden zu fördern; dass wir Deinen Feinden stets feind waren und keinen Dir gegenüber mächtig werden ließen. Ohne also Deines Wortes und Deiner Eide zu gedenken, welche Du dem Reiche geschworen hast, wollen wir Dich jetzt nur an unsere Verwandtschaft, wodurch Du uns vor allen nahestehst, erinnern, damit Du in der gegenwärtigen Not uns, der wir zugleich Dein Vetter, Dein Herr und Dein Freund sind, zu Hilfe kommen, und dafür in Zukunft in allem, was Du wünschest, unseres Wohlwollens Dich versichert halten mögest.“
Friedrich muss seine Lage wirklich in den düstersten Farben gesehen haben, wenn er davon sprach, dass das Reich zu wanken beginne. Wo war sein sonst stets spürbarer Stolz geblieben? Aber Heinrich ließ sich nicht durch solch unterwürfige, bittende Worte des Kaisers umstimmen. Zwar bot er Barbarossa jegliche Dienstleistung an, wies aber auf die Rechtslage hin, wonach er außerhalb der deutschen Lande und ohne allgemeines Aufgebot zu keiner Unterstützung des Kaisers verpflichtet sei.
Angesichts solch hartnäckiger Weigerung und seiner Notlage scheint der Kaiser alle Beherrschung und allen Stolz verloren zu haben und er fiel vor dem Welfen auf die Knie und bat ihn flehentlich um seine Hilfe.
Über die unmittelbaren Reaktionen auf diesen Kniefall wird verschiedenes berichtet. Einer schreibt, dass Heinrich bestürzt seinen Vetter so schnell wie möglich wieder aufgerichtet habe. Nach einer anderen Version hat der Truchsess des Herzogs seinen Herrn zurückgehalten mit den Worten: „Lasst die Krone des Reiches jetzt nur zu Euren Füßen liegen, Herr, sie wird bald auf Euer Haupt kommen!“ Die anwesende Kaiserin Beatrix dagegen soll ihren Gemahl aufgefordert haben: „Erhebe Dich, mein Herr, und gedenke dieses Falles, an den sich auch Gott erinnern möge!“ Vielleicht haben sich diese unterschiedlichen Darstellungen auch zugleich ereignet und Heinrich hat den Kaiser erst nach einigen Momenten des Zögerns aufgehoben. Es gibt auch einen Bericht, nach dem der Welfe es nicht für der Mühe wert erachtet habe, Friedrich aus seiner demütigen Geste zu befreien.
Eines ist klar – der Löwe verlangte im Anschluss an diese Szene für seine Unterstützung vom Kaiser die neuerliche Belehnung mit Goslar, der reichsten Stadt Sachsens. Der Kaiser aber hielt es für schmachvoll, sich ein solches Lehen gegen seinen Willen abpressen zu lassen und verweigerte seine Einwilligung. Wenn es stimmt, dass die beiden einst die Aufteilung des Reiches in eine nördliche und eine südliche Interessensphäre verabredet hatten, dann hat der Löwe Goslar mit Recht zurückgefordert. Das Band zwischen den beiden Vettern war damit jedenfalls zerschnitten. Heinrich verließ Chiavenna voller Zorn über die verweigerte Belehnung und ritt zurück nach Baiern.
Jetzt führte Heinrich eine Politik, die sich gegen den Kaiser richtete. Mit dem Österreicher Jasomirgott ordnete er einige Ansprüche im Süden und gewann damit mehr Kontrolle über den Alpenübergang am Brenner – für den Kaiser eine strategisch wichtige Route nach Italien. Und seinen Onkel Welf VI. umwarb er so lange, bis dieser ihm statt dem Kaiser den Verkauf der Mathildischen Güter zusagte. Auf das zugesagte Geld von Barbarossa wartete Welf nämlich noch immer und hatte keine Geduld mehr. Verständlich, denn er wollte über die Mittel naturgemäß zu seinen Lebzeiten verfügen. Für den Löwen eine gute Wendung – aber er spekulierte wohl ebenso auf den baldigen Tod seines Onkels, der ihn dann der vereinbarten finanziellen Gegenleistung entheben würde. Und so ließ er sich mit der Bezahlung auch Zeit und zögerte sie mehrere Jahre hinaus.
Barbarossa erlitt unterdessen im Mai 1176 mit seinen viel zu wenigen Rittern in der Schlacht von Legnano nahe Mailand eine militärische Niederlage gegen mailändisches Fußvolk. Militärisch war die Niederlage nicht sehr bedeutend, aber politisch hatte es doch weitreichende Konsequenzen. Barbarossa musste Verhandlungen mit Mailand und Papst Alexander aufnehmen. Diese Verhandlungen führte der Kaiser zäh und mit Geschick und kam mit verhältnismäßig gutem Ergebnis durch. Im Frieden von Venedig 1177 schloss er zum einen mit den Lombarden einen sechsjährigen Waffenstillstand und mit dem Papst ein separates Abkommen. Die Kirchenspaltung wurde nach 18 Jahren beendet, denn Barbarossa erkannte Alexander III. nun als allein rechtmäßigen Papst an und leistete mal wieder den Stratordienst. Der Gegenpapst wurde abgesetzt.
Das Ende des Schisma bedeutete eine „Umorganisation“ der Kirche. Immerhin hatte der Gegenpapst, dessen Herrschaft nun offiziell als nichtig angesehen wurde, zahlreiche Geistliche in ihren Stand geweiht. Diese Weihen galten jetzt als ungültig. Der Staufer ließ so manchen deutschen Kirchenfürsten, der wie er selbst gegen Alexander III. gestanden hatte, aus seinem Amt entfernen – und zwar bevorzugt jene, die Heinrich dem Löwen nahestanden. Gegner des Welfen, wie Erzbischof Philipp von Köln, erhielten von Papst Alexander eine neue Ernennung für ihr Amt und wurden vom Kaiser nicht länger zurückgehalten, gegen Heinrich loszuschlagen.
Heinrich der Löwe glaubte sich zu dieser Zeit wieder einmal berechtigt, sich in zwei Fällen Erbschaften anzueignen, bei denen nur unmündige oder weibliche Nachkommen vorhanden waren (im Spiel sind das die Gründe, bei denen man schwache Ansprüche erheben kann). In einem Fall handelte es sich um die Erbschaft des Grafen von Oldenburg, wo er die Ansprüche von dessen kleinen Söhne überging. Im zweiten Fall ging es um Güter des Grafen von Assel, die eigentlich dessen Tochter zustanden. Und welch Zufall: In beiden Fällen handelte es sich um Verwandte des Erzbischofs Philipp von Köln. Der forderte vom Löwen die Rückgabe der Erbschaften an seine Familie, natürlich ohne Erfolg. Mit Ermunterung des Kaisers rüstete Philipp von Köln zum Krieg gegen Heinrich. Mit Mainz schloss Philipp einen Bund und stellte ein Heer auf, mit dem er in Westfalen einbrach.
Sengend und brennend durchzog der Erzbischof mit seinen Truppen das Gebiet des Herzogs. Nicht nur Burgen wurden mit wildem Drang verwüstet, auch Kirchen und Klöster verschonten die Erzbischöflichen keineswegs. Heinrich musste sich angesichts dieses Sturms zurückziehen. Als bereits Hameln und Höxter verwüstet waren, gelang es Erzbischof von Magdeburg, den wütenden Philipp von Köln mit vielen guten Worten zum Stehen zu bringen. Heinrich der Löwe war offenbar so angeschlagen, dass er einem brüchigen Waffenstillstand mit vielen Zugeständnissen zustimmen musste. Philipp zog sich mit seinen Männer wieder über den Rhein zurück. Die Entscheidung über die Fehde sollte der Kaiser fällen, sobald er aus Italien zurückgekehrt war.
Der führte zunächst eine mehrmonatige Inspektion von Burgund durch und ließ sich im Dom von Arles am 30. Juli 1178 zum König von Burgund krönen. Damit war er auch formell der König aller drei Reichsteile Deutschland, Italien und Burgund. Tatsächlich herrschte er schon seit der Aachener Krönung von 1152 über das ganze Reich, weil es für die italienischen und burgundischen Fürsten nach damaligen Recht keine Einspruchsmöglichkeit gab, den gewählten und gekrönten deutschen König für ihren Reichsteil abzulehnen.
Im Oktober 1178 traf Barbarossa in Speyer ein, wo die Streithähne ihn erwarteten. Auch Herzog Heinrich ritt dorthin und beschwerte sich bei seinem Vetter über die Angriffe der anderen Fürsten gegen ihn. Natürlich stellte Philipp von Köln die Sache sogleich von der anderen Seite dar. Es stand Aussage gegen Aussage. Barbarossa überlegte – und vertagte die Angelegenheit auf einen Reichstag Mitte Januar in Worms, zu dem er beide Parteien lud.
f) Der Prozess gegen den Löwen In Speyer war Heinrich der Löwe noch selbstsicher aufgetreten. So wie die Dinge nun standen, wurde ihm aber klar, dass er sich in einer nicht guten Situation befand. Noch immer war er der mächtigste unter den deutschen Fürsten, er hatte sich jedoch zu viele Feinde gemacht. Denen schenkte der Kaiser im Gegensatz zu früher sein Ohr, wenn sie Anklagen gegen ihn erhoben. Auch Welf VI. beschwerte sich bei Barbarossa, weil er seit drei Jahren vergeblich auf das Geld vom Löwen wartete. Heinrich entschied sich, nicht zu dem Reichstag nach Worms zu reisen, um sich der Anklagen nicht auszusetzen.
Hatte er die Stimmung dort falsch eingeschätzt? Sein Fernbleiben entzürnte die Fürsten in Worms. Unter Vorsitz des Kaisers verhängten sie über Heinrich den Löwen wegen fortgesetzten Landfriedensbruch die Reichsacht. Die Grundlage für diese Verurteilung bildeten die in Speyer vorgebrachten Vorwürfe. Durch das Nichterscheinen zu der Verhandlung in Worms verzichtete Heinrich auf eine Rechtfertigung. Barbarossa ließ seinem Vetter eine Frist, bevor die Reichsacht offiziell verkündet werden sollte: Er lud Heinrich für den 24. Juni 1179 nach Magdeburg vor. Ein deutlicher Warnschuss.
Offenbar sah es Herzog Heinrich als unter seiner Würde an, sich einem solchen Fürstengericht zu stellen, selbst wenn der Kaiser selbst diesem vorstand. Der Welfe setzte wohl darauf, die Angelegenheit militärisch aus der Welt zu schaffen. Dabei übersah er aber, dass Barbarossa nach dem Ende des Kirchenstreits mehr Zeit hatte, sich um die Angelegenheiten im Reich zu kümmern und ihm der Hochmut seines Vetters spätestens in Chiavenna für seine eigene Position bedrohlich erscheinen musste.
Das Damoklesschwert der Reichsacht über dem Löwen – sein Onkel Welf VI. erkannte nun, dass er kaum noch mit dem Geld für seine Hinterlassenschaften rechnen konnte. Bis sich Heinrich aus diesen Verstrickungen lösen könnte – sofern ihm das überhaupt gelänge – läge er in der Grube, und sein Neffe würde das Erbe umsonst bekommen. Das wäre keineswegs in seinem Sinne gewesen! Die Aussöhnung des Kaisers mit Papst Alexander ermöglichte nun Welf eine Wiederannäherung an den Staufer, und die beiden haben sich in Worms offensichtlich darauf geeinigt, dass Friedrich an Welf eine größere Geldsumme bezahle und dafür nach dessen Tod die Güter Welfs bekomme. Alles zurück auf Anfang also. Heinrich der Löwe war wenig überraschend ziemlich verbittert darüber.
Ausgerechnet in dieser Phase, da Heinrichs Spielraum so eingeschränkt war, war Ende 1178 der Obodritenfürst Pribislaw bei einem Turnier ums Leben gekommen. Über sein Erbe gerieten sein Sohn und sein Neffe in Streit, Kämpfe brachen aus im Land der Wenden.
Ende Juni 1179 fand der geplante Reichstag in Magdeburg statt, auf dem Heinrichs Sache erneut verhandelt werden sollte. Heinrichs Gegner aus Sachsen, Brandenburg, der Lausitz und Köln erschienen in großer Zahl. Und der Löwe? Er hielt es für günstiger, in der nahegelegenen Burg Haldensleben zu bleiben und die Entwicklung abzuwarten. Diese neuerliche Missachtung der Vorladung löste bei den Versammelten in Magdeburg größtes Missfallen und Zorn aus. Sie fühlten sich vom Herzog provoziert. Sein Stolz hinderte Heinrich daran, vor einem Gericht zu erscheinen. Das aber musste dazu führen, dass jetzt die bereits im Januar in Worms über ihn verhängte Reichsacht ausgesprochen und wirksam wurde. Jeder konnte den geächteten Herzog nun töten, ohne deshalb eine Bestrafung fürchten zu müssen. Der Geächtete konnte sich aus diesem Bann noch lösen, wenn er innerhalb eines Jahres dem Gericht stellte und sich dessen Urteil unterwarf. Man gab ihm hierfür einen neuen Termin: Mitte August 1179 bei Altenburg.
Die Missachtung der Vorladung durch den Kaiser zog auch noch ein lehnsrechtliches Verfahren nach sich, denn dieses Verhalten konnte als Missachtung der königlichen Majestät, also als Majestätsverbrechen, angesehen werden. Am Ende dieses Verfahrens konnte die Aberkennung der Lehen stehen, die Heinrich der Löwe vom Reich erhalten hatte. Auf Bitten von Herzog Heinrich traf sich der Kaiser mit ihm nach Beendigung des Reichstags in der Nähe von Haldensleben. Der Löwe versuchte, seinen Vetter zu besänftigen, doch selbst wenn Barbarossa gewollt hätte, wäre die Ächtung nicht mit einem Gespräch unter vier Augen wieder rückgängig zu machen gewesen. Dazu waren die Dinge zu weit fortgeschritten. Der Staufer verlangte eine Bußzahlung von 5000 Mark und stellte Heinrich in Aussicht, sich dafür bei den Fürsten für seine Begnadigung einzusetzen. Das aber war dem Welfen zu teuer und zu ungewiss. Es war ja zu erwarten, dass die anderen Fürsten für die Aufhebung der Ächtung auch noch einmal die Hand aufhalten würden. Heinrich lehnte das Angebot des Kaisers ab.
Die Konsequenz war, dass auch der Gerichtstag bei Altenburg verstrich, ohne dass Heinrich der Löwe dort erschien. Die Zeit für Verhandlungen war jetzt vorbei: Gunzelin von Schwerin und andere Anhänger des Löwen fielen in Westfalen über Anhänger des Kaisers her, besiegten sie bei Osnabrück und verwüsteten die Gegend um Soest sowie Halberstadt. Im Streit mit Erzbischof Wichmann um die Güter des Pfalzgrafen Adalberg (mal wieder war ein Graf ohne männlichen Erben gestorben) ließ Heinrich alle Zurückhaltung fahren und riss sie an sich. So entwickelte sich auf deutschem Boden ein Krieg zwischen der Partei Barbarossas und jener um den Löwen. Der Kaiser traf rasch Gegenmaßnahmen und fiel in das Land seines Herzogs ein.
Die Wenden und Pommern nutzten das Chaos auf ihre Weise und drangen über die Spree zur Lausitz vor. Magdeburg lag schon in ihrer Reichweite, da zwang der einbrechende Winter ihre Heere zum Rückzug. Natürlich bezichtigte der Magdeburger Erzbischof Wichmann seinen Widersacher Heinrich, hinter dem Angriff zu stecken. Er marschierte mit einer Streitmacht zur Festung Haldensleben. Und an der westlichen Grenze von Sachsen sammelte der Kölner Erzbischof Philipp eine Rotte von viertausend Söldnern, mit der er plündernd durch Westfalen zog, ebenfalls mit dem Ziel Haldensleben. Der Thüringer Ludwig steuerte seinerseits 400 Ritter für die Belagerung der Festung bei. Heinrich verwüstet unverdrossen das Gebiet um Magdeburg und brach damit schließlich die Koalition seiner Gegner auf. Haldensleben war vorerst gerettet, ein Erfolg für den Welfen: Die Reichsacht gegen ihn konnte nicht durchgesetzt werden.
Für Mitte Januar 1180 berief der Kaiser einen Reichstag nach Würzburg ein, weil er erkannte, dass das Patt nur zu schweren Verwüstungen in Deutschland führen konnte. Er lud den Löwen erneut ein, um im lehnsrechtlichen Verfahren weiterzuverhandeln. Und der kam wieder nicht. In Würzburg beklagte sich der Lausitzer Dietrich über die vom Welfen provozierten Überfälle der Wenden und Pommern in seinem Land und forderte Herzog Heinrich zum Gottesurteil durch Zweikampf auf. Heinrich war nicht bereit, sich einem solchen Zweikampf zu stellen. Aber nach damaligen Recht führte die Verweigerung dazu, dass die Klage als rechtmäßig angesehen wurde. Das Urteil des Gerichts konnte unter diesen Umständen nur so ausfallen: Heinrich dem Löwen wurde seiner Reichslehen Sachsen und Baiern für verlustig erklärt, so wie es seinem Vater 42 Jahre zuvor widerfahren war.
Der Kaiser musste nun überlegen, wie er das Urteil vollstrecken könne. Es mag wohl sein, dass Barbarossa erwogen hat, die beiden Herzogtümer einigen seiner fünf Söhne zu geben. Für die Hausmacht der Staufer wäre das eine verführerische Lösung gewesen. Aber dieser Weg erschien dem Kaiser dann doch nicht praktikabel, denn er hätte damit zweifellos eine gegen ihn gerichtete Adelsfraktion provoziert. Er brauchte aber die Fürsten, wenn er den Löwen kleinkriegen wollte. Also ging Sachsen im April 1180 an den Askanier Bernhard, einem Sohn von Albrecht dem Bären. Einen westlichen Teil trennte der Kaiser aber von Sachsen ab, fügte es zum Erzbistum Köln und erhob dieses Ganze dann zum Herzogtum Köln. Erzbischof Philipp war nun ein Herzog. Mit Baiern verfuhr Barbarossa ähnlich: Er trennte die Steiermark heraus und gab Baiern an den Wittelsbacher Otto. Mit diesem Verfahren band der Kaiser die Fürsten an sich und unterband, dass sich jemals noch einmal eine Machtballung wie bei Heinrich dem Löwen ereignen könne.
Es war nicht zu erwarten, dass Heinrich der Löwe seine beiden Herzogtümer freiwillig herausgeben würde, also wurde eine Reichsheerfahrt gegen ihn beschlossen. Das Misstrauen der Fürsten, die beiden Vettern könnten sich plötzlich wieder verständigen, war so groß, dass Barbarossa vor ihnen einen Schwur ablegen musste: Nie mehr wolle er den Welfen in seine früheren Würden einsetzen, es sei denn, alle Fürsten wären damit einverstanden. Die Heerfahrt sollte am 25. Juli 1180 beginnen. Solange sollte Ludwig von Thüringen die Reichsstadt Goslar vor einem Angriff des Geächteten beschützen. Tatsächlich zog Heinrich dorthin und zerstörte die Silberbergwerke. Zwar konnte er die auf eine Belagerung vorbereitete Stadt Goslar nicht einfach einnehmen, Heinrich besiegte aber im Mai 1180 das Heer des Landgrafen Ludwig von Thüringen. Der geriet dabei sogar in Gefangenschaft und wurde im Triumph nach Braunschweig verschleppt.
Seit dem Ausspruch der Reichsacht war ein Jahr vergangen. Nun, nach Jahr und Tag, verfiel Heinrich automatisch der Oberacht, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Der ehemalige Herzog war nach dem Lehnsrecht völlig recht- und ehrlos.
Ende Juli 1180 hatte Barbarossa das Reichsheer gesammelt und marschierte zum Gegenschlag. Als erstes fiel Wolfenbüttel mit seiner Festung Lichtenberg. Der Kaiser versuchte die Anhänger des Welfen mit einem Amnestieangebot zu spalten: Alle sollten sie die kaiserliche Gnade zurückerlangen, wenn sie sich bis spätestens 11. November 1180 unterwerfen. Und tatsächlich lief eine ganze Anzahl welfischer Dienstleute und Vasallen zum Staufer über. Für Heinrich ein herber Schlag. Siegesgewiss löste Barbarossa schon im September 1180 das Reichsheer auf, damit die Truppen nicht unnötig das Land verwüsteten. In Baiern konnte der Wittelsbacher Otto jetzt ziemlich ungestört sein Amt antreten, für Heinrich rührte hier kaum noch einer den Finger.
Unter denen, die das Amnestieangebot des Kaisers angenommen hatten, befand sich auch Graf Adolf III. von Holstein. Der war bisher ein treuer Anhänger des Löwen gewesen, umso zorniger war Heinrich über dessen Abfallen. Der Welfe ritt mit seinen Scharen nach Holstein, um ein Strafgericht gegen den Abtrünnigen zu halten. Das befestigte Plön konnte er rasch erobern, aber die Belagerung von Segeberg zog sich lange hin. Die Besatzung musste erst aufgeben, als der Brunnen ausgetrocknet war und es kein Trinkwasser mehr gab. Der vereinbarte freie Abzug wurde den Eingeschlossenen freilich nicht gewährt, sondern man nahm sie entgegen dem gegebenen Versprechen gefangen.
Trotz alledem war unübersehbar, dass Heinrichs Macht bröckelte. Ungehindert konnte der Askanier Erzbischof Siegfried in Bremen einziehen. Und zu Weihnachten 1180 eröffnete Heinrich seinem Vasallen Graf Bernhard von Ratzeburg seinen Verdacht, dass dieser ihn und seine Frau Matilda ermorden wolle. Er ließ den Ratzeburger einkerkern und nahm seine Burg ein. Zwar ließ der Löwe ihn bald wieder frei, aber Bernhard zog es nach diesem Erlebnis vor, auf die Seite des Kaisers zu flüchten und fortan gegen den Welfen zu kämpfen. Die Wenden und Pommern gerieten unter den Druck von Dänemark und Brandenburg und fielen als Stütze ebenfalls aus, so wenig berechenbar sie zuvor auch gewesen waren. Und der dänische König Waldemar zeigte Heinrich die kalte Schulter, obwohl er sein Schwiegervater war. Mit dem Staufer wollte sich Waldemar nicht anlegen, außerdem war die Schwäche des Welfen zu seinem Vorteil.
Konnte dem Welfen jetzt wenigstens seine Ehe mit der Tochter des englischen Königs helfen? Zumindest versuchte Henry II. ein Bündnis mit Frankreich und Flandern auf die Beine zu stellen. In Frankreich war gerade erst Philipp II. seinem Vater auf den Thron gefolgt. Keiner der beiden Angesprochenen hatte indes Neigung, sich für den Welfen gegen den Kaiser zu engagieren. Und so ließ auch der Plantagenet die Finger davon, so gerne er dem Staufer beigekommen wäre.
Heinrich musste sich notgedrungen in Sachsen einigeln. Sein Bollwerk war nach wie vor das gut befestigte Haldensleben. Taktisch klug hatte man extra den kleinen Fluss Bever umgeleitet und die Festung dadurch zu einer Insel gemacht. Befehlshaber der Belagerer war Erzbischof Wichmann und der ersann einen ebenso kühnen wie riskanten Plan: Er ließ mehrere Staudämme errichten und setzte die Festung unter Wasser. Heinrich konnte mit seinen Soldaten nicht zu den Eingeschlossenen vordringen und wenn er plante, die feindliche Allianz erneut zu spalten, so gelang ihm das dieses Mal nicht. Am 3. Mai 1181 fiel Haldensleben. Die Garnison durfte abziehen, danach wurde die Festung zerstört.
Heinrich hatte noch das Gebiet zwischen Braunschweig und Lüneburg unter seiner Kontrolle. Aber immer wieder hatte er mit der Treulosigkeit seiner Leute zu kämpfen. Jetzt rächte sich, dass er sie stets so streng behandelt hatte. Die befestigte Ratzeburg fiel von ihm ab, seine eigenen Dienstmannen schlossen vor ihm die Tore. Der Kaiser erreichte mit dem Reichsheer unterdessen Lüneburg. Heinrichs Gemahlin Matilda war trotz der Gefahren dortgeblieben und ließ dem Kaiser mitteilen, dass Lüneburg zu ihrem Heiratsgut gehöre. Barbarossa respektierte dies und ließ die Stadt unbehelligt. Er zog mit dem Reichsheer weiter bis vor Lübeck, wo sich Holsteiner, Dänen und Wenden zur Unterstützung der Kaiserlichen gesellten.
Barbarossa verheiratete seinen Sohn Friedrich (derjenige, der zuvor Konrad geheißen hatte) mit der Tochter König Waldemars. Und die Fürsten Bogislaw von Pommern und Niklot von Werle ließen sich ihr Land von Barbarossa zu Lehen geben, anerkannten ihn also als ihren Oberherrn. Heinrich musste nun von Stade aus zusehen, wie Lübeck belagert wurde. Die Bürger dieser Stadt waren dem Welfen treu, denn er hatte viel für ihren Aufstieg getan. Aber sie sahen bald ein, dass ihnen die Vorräte fehlten, um dem Reichsheer widerstehen zu können. Ihr Bischof begab sich zum Kaiser, um ihm klarzumachen, dass sie ohne eigene Schuld in diese Bedrängnis gekommen seien. Der Kaiser möge ihnen gestatten, bei ihrem Herzog in Stade nach dessen Absichten zu fragen. Wenn er sie entsetzen wolle, würden sie die Belagerung so lange wie möglich aushalten. Wenn ihnen der Herzog keine Hilfe versprechen könne, würden sie Lübeck dem Kaiser übergeben. Und sollte der Kaiser ihnen diese Anfrage beim Herzog nicht gestatten, dann wollten sie lieber bei der Verteidigung ihrer Stadt ehrenvoll sterben als treuebrüchig werden.
Solche tapfere Gesinnung der Lübecker konnte auf Barbarossa nicht ohne Eindruck bleiben. Er wies den Bischof darauf hin, dass er alle Lehen Heinrichs bereits eingezogen habe und Lübeck sich ihm nicht widersetzen dürfe. Er wolle ihre Haltung aber nicht bestrafen, sondern die Gesandtschaft nach Stade bewilligen. Der Löwe konnte Lübeck einen Entlastungsangriff nicht in Aussicht stellen. Am 10. August 1181 öffneten sich dem Kaiser die Tore von Lübeck.
Nach dem Fall von Lübeck unterwarfen sich in rascher Folge auch die übrigen Orte, die noch unter dem Regiment des Löwen gestanden hatten. Er musste aufgeben und verhandelte sicheren Durchzug zu seiner Frau nach Lüneburg. Ansonsten geschah – nichts. Es ist bemerkenswert, dass Barbarossa seinen Vetter nicht zum Gefangenen nahm, wie das sonst vorgekommen wäre. Der Staufer zwang Heinrich nicht einmal zu einer förmlichen Kapitulation, sondern man ging einfach auseinander, als man glaubte, dass es nichts mehr zu kämpfen gäbe. Heinrich erhielt lediglich eine Vorladung zu einem Gerichtstag in Quedlinburg. Und die konnte er jetzt nicht mehr ignorieren.
Als man sich dort versammelte, gerieten Heinrich der Löwe und der neue sächsische Herzog Bernhard in die Wolle, das war zu erwarten. Es wurde ein zweiter Termin angesetzt, in Erfurt im November 1181. Dort hatte der Löwe keine andere Wahl, als sich dem Kaiser flehend zu Füßen zu werfen. Barbarossa gewährte ihm den Friedenskuss, aber das Urteil der Fürsten folgte prompt: Er wurde zu drei (oder sieben?) Jahren Exil außer Landes verurteilt. Nur Braunschweig und Lüneburg durfte er behalten, und das auch nur deshalb, weil Barbarossa ein gutes Wort für ihn einlegte. Der Kampf zwischen den beiden Großen war gefochten.