Re: [CK2/EU4] Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt
Verfasst: 3. Oktober 2018 10:51
Friedrich III.
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation von 1440 bis 1493
lebte 1415 bis 1493
Startdatum: 11. November 1444
Jeder von uns hat sich in EU4 schon an eine Partie mit einem Fürsten des Heiligen Römischen Reichs gesetzt und gemerkt, dass sich dieser unübersichtliche politische Flickenteppich anders spielt als eines der üblichen Königreiche. Wenigstens klingen da so einige Namen vertraut, wenn man sich unter den angebotenen Fürstentümern umschaut. Ein Wittelsbacher in Bayern und in der Pfalz, Welfen in Braunschweig und Lüneburg, und in Brandenburg laden bereits die Hohenzollern dazu ein, mit ihnen später einmal Preußen zu gründen. Bei einigen anderen Herrschern klingt das weniger vertraut. Ulkig ist ja schon der Name Albrecht III. Achilles in Ansbach. Aber wer, bitte schön, sind denn Ladislaus Postumus und Janos Hunyadi (Ungarn) oder Jiri z Podebrad (Böhmen)?
Ich habe mich durch die Regionen des HRR geklickt und notiere hier die weltlichen Herrscher, wie sie EU4 im November 1444 anbietet:
Österreich – Friedrich III. von Habsburg
Böhmen – (Regentschaft) Jiri z Podiebrad für Ladislaus Postumus
Ungarn – (Regentschaft) Janos Hunyadi für Ladislaus Postumus
Bayern – Albrecht III. von Wittelsbach
Pfalz – Ludwig IV. von Wittelsbach
Baden – Jakob I. von Zähringen
Württemberg – Ulrich V.
Burgund – Philippe III. de Bourgogne (in Union mit Flandern, Holland und Brabant)
Lothringen – René I. de Valois (in Union mit Provence)
Ansbach – Albrecht II. Achilles von Hohenzollern
Kleve – Adolf von der Mark
Braunschweig – Heinrich IV. Welf
Lüneburg – Otto I. Welf
Anhalt – Georg I. von Askanien
Sachsen – Friedrich II. von Wettin
Brandenburg – Friedrich II. von Hohenzollern
Oldenburg – Christian VI. von Dänemark
Holstein – Adolf VIII. von Schauenburg, der Onkel von Christian VI.
Mecklenburg – Heinrich IV.
Über Kapitel hinweg ist hier von Luxemburger Herrschern wie Karl, Wenzel und Sigismund die Rede gewesen, wie sie in Ungarn und Böhmen regierten. Wo sind die alle hin? – habe ich mich zumindest gefragt. Okay. Vielleicht doch lieber Österreich, dann ist man mit dem Habsburger Friedrich III. wenigstens von Beginn an Kaiser.
Um es vorneweg zu nehmen: Friedrich III. hatte den Beinamen Reichserzschlafmütze. Ich habe mir eine dicke Biographie über ihn durchgelesen, und egal um welche Krise und Herausforderung es ging, meistens unternahm er: einfach gar nichts. Friedrich III. saß die Probleme innerhalb und außerhalb des Reiches stoisch aus. Und hatte am Ende damit sogar Erfolg, weil er seine Gegner einfach überlebte. Habsburg erlebte seinen europäischen Durchbruch. Mit Friedrich III. historisch zu spielen, hieße, bei einer Partie Österreich einfach fünfzig Jahre durchlaufen zu lassen, ohne die Maus anzufassen. Trotzdem hoffe ich, dass Ihr das Kapitel interessant finden werdet, weil ich darin die ganzen handelnden Akteure um den untätigen Kaiser herum erwähnen werde. Dabei werde ich die Reichsfürsten dieser 50 Jahre unter der Reichserzschlafmütze sortieren: Wer war hier Hecht im Karpfenteich, wer verbündete sich miteinander und wer marschierte gegen wen?
Bis 1437 war die ganze Sache noch übersichtlich, der Luxemburger Sigismund war Kaiser des HRR sowie König von Ungarn. Jedoch hatte er keinen Sohn, lediglich eine Tochter namens Elisabeth. Sigismund erneuerte das Bündnis zwischen Luxemburgern und Habsburgern, nach dem sich die beiden Dynastien für den Fall der Fälle die gegenseitige Erbfolge zusicherten. Die Sache wurde 1421 durch die Verheiratung von Elisabeth mit dem Oberhaupt der Habsburger, Herzog Albrecht von Österreich, besiegelt. Als Kaiser Sigismund dann 1437 starb, war sein Schwiegersohn der Erbe all seiner Kronen: der des Heiligen Römischen Reiches sowie derer von Ungarn und Böhmen. Dummerweise starb Albrecht II. bereits zwei Jahre später und hinterließ seine Gemahlin Elisabeth als schwangere Witwe. Sie brachte das Kind im Februar 1440 zur Welt, es war ein Junge, den man auf den Namen Ladislaus taufte. Und weil er nach dem Tod seines Vaters das Licht der Welt erblickt hatte, erhielt Ladislaus den Beinamen „Postumus“, der Nachgeborene.
Das war also der Erbe der ungarischen und böhmischen Kronen, außerdem der neue Herzog von Österreich. König des Heiligen Römischen Reiches wurde er natürlich nicht, denn hier galt das Wahlrecht der Kurfürsten. Aber selbst mit Ungarn, Böhmen und Österreich war das so eine Sache. Ein Säugling konnte vielleicht einen Titel tragen, faktisch regieren musste jemand anders für ihn, ein Regent. Und schon kamen die wenig vertrauten Namen ins Spiel, denn nun schlug die Stunde für die Adeligen und Verwandten im Umfeld des verstorbenen Albrecht.
Die deutschen Reichsfürsten waren also die ersten, die sich nach Albrechts Tod die Frage stellen mussten, wen sie zu seinem Nachfolger im Heiligen Römischen Reich wählten sollten. Ihr Votum fiel im Februar 1440 auf einen entfernten Cousin des Verstorbenen, dem Habsburger Herzog Friedrich von der Steiermark und Kärnten. Der schien ein guter Kompromiss zu sein: Einerseits dynastische Kontinuität der Habsburger, andererseits ein Wechsel der Dynastie, denn Friedrich gehörte der 1379 gebildeten Linie der Leopoldiner an. Die regierten von Graz und Wiener Neustadt aus und fixierten ihre Interessen reichsabgewandt auf das südliche Ungarn und die nördliche Adria bis nach Venedig. Das sollte nach dem Willen der Kurfürsten gerne so bleiben. Der 25jährige Friedrich III. war erst fünf Jahre zuvor überhaupt erst an seine Regierung in der Steiermark, Kärnten und Krain gekommen. Zum Zeitpunkt seiner Wahl zum römisch-deutschen König war er trotzdem nicht nur der ideell bevorrechtigte Senior des Gesamthauses, er war neuerdings auch Regent von Tirol. Dort war 1439 nämlich Friedrich IV. gestorben, und dessen Sohn Siegmund war mit zwölf Jahren noch zu jung zum Regieren. Die zweite Vormundschaft erhielt Friedrich III. im Monat seiner Königswahl, er war in Österreich der Regent für den kleinen Ladislaus Postumus. Der neue deutsche König hatte also eine gesunde, aber nicht überbordende Machtbasis. So wünschten sich das die Kurfürsten.
Wie begann die Regierung von Friedrich III. und damit sie Situation, wenn man die Partie in EU4 startet? Mit einem Reichstag, der im Jahre 1442 in Frankfurt abgehalten wurde. Hier versammelten sich die drei Stände des Reiches: Adel, Bürger und Klerus. Eigentlich war die Errungenschaft der vollberechtigten Teilnahme den Bürgern der Freien Reichsstädte in der Goldenen Bulle versagt worden, Karl IV. hatte es mehr mit dem Adel gehalten. Aber mit Duldung der Könige waren die Reichsstädte trotzdem zu den großen Versammlungen gekommen. Bei Friedrich III. waren die Bürger skeptisch, ob er in ihrem Interesse regieren würde. Sie durften eigentlich keine Städtebünde zu ihrer Verteidigung schließen, aber das wollten sie vorsichtshalber ignorieren. Ein überraschendes Bündnisangebot erhielten die Städte ausgerechnet von der Ritterschaft. Die schwäbischen Ritter nämlich, reichsfreie Herren auch sie, waren arm an Besitz und Macht gegenüber den sie umdrängenden Fürsten. Auch sie hatten eine verbotene Vereinigung gegründet. Und wer von den Rittern nicht in den Hofdienst des nächstgelegenen Fürsten treten wollte, der musste auf die Städte zugehen, wo die sonst so verachteten Bürger und „Pfeffersäcke“ das Regiment führten. Aus dem Bund zwischen Rittern und Städten wurde zunächst nichts, aber sie blieb unvergessen. In den Fragen der Steuerbewilligung und des Landfriedens durften die Städte immerhin mitbestimmen. Der leidige Landfrieden und die Organisation seiner Durchsetzung war neben der Kirchenreform nämlich das Hauptthema des Frankfurter Tages.
Zunächst die Kirchenreform: Dummerweise gab es seit 1439 wieder zwei konkurrierende Päpste. Auf der einen Seite saß Eugen IV. auf dem Heiligen Stuhl. Sein Konkurrent war der vom Basler Konzil eingesetzte Felix V., übrigens der letzte katholische Gegenpapst. Er stammte aus Savoyen: Bevor er das hohe Kirchenamt übernommen hatte, war er selber (unter dem Namen Amadeus VIII.) Herzog von Savoyen gewesen und hatte eine Tante des Burgunders Philippe III. geheiratet. Doch 1434 hatte sich Amadeus dem religiösen Leben zugewendet und das Herzogtum seinem Sohn Ludwig übergeben. Klar also, dass Felix als Gegenpapst von Savoyen und teilweise von Burgund unterstützt wurde. Für Friedrich III. war die Spaltung ärgerlich, weil im Reich so einige Bischofsstühle neu besetzt werden mussten. Welcher Papst sollte die denn nun investieren? Die Personalvorschläge des Basler Konzils jedenfalls waren Friedrich III. grundsätzlich nicht genehm. Was mischten die sich denn in die Politik der Reichskirche ein? Und wer sollte später einmal die Kaiserkrönung für Friedrich III. übernehmen? Das Konzil oder dessen umstrittener Gegenpapst etwa? Nein, das konnte nur ein allgemein anerkannter Papst leisten. Jahrelang ging es in dieser Sache hin und her. Man machte Eugen ordentlich Angst, dass man auch seinen Rivalen bevorzugen könne. Schließlich war Eugen IV. bzw. dessen Nachfolger Nikolaus V. bereit, umfassende Zugeständnisse zu machen: Er erkannte das Basler Konzil an und gab den Reichsfürsten im sogenannten Wiener Konkordat ordentlichen Freiraum bei der Besetzung ihrer Bischofsstühle. Es ging also ausschließlich um Personalpolitik. Was hatte das ganze dann mit der eingangs als so wichtig erwähnten Kirchenreform zu tun? Nichts – Friedrich III. war Realpolitiker, kein Priesterkönig.
Dann ging es als zweites Thema des Reichstags um den Landfrieden im Reich. Die Frage musste dort wieder aufgenommen werden, wo sie durch Albrechts II. plötzlichen Tod liegengeblieben war. Es gab ja noch keine anerkannte allgemeine Justiz, das Recht wurde allzu oft also durch kriegerische Fehden gefunden, es war das Recht des Stärkeren. Die Fürsten erklärten gegenüber Friedrich III. gerne, dass es kein Recht auf Fehde gebe, und bestritten damit von Staats wegen grundsätzlich das Recht auf Selbsthilfe und Blutrache, das sich die alten Adelssippen seit uralter Zeit zuerkannten und damit die Entwicklung einer straffen Staatsgewalt im modernen Sinne so gut wie unmöglich machten. Denn der moderne Staat beruht darauf, dass er das Monopol zur Gewaltausübung besitzt. Der Gedanke der Fürsten bei diesem Verzicht war: Adelsoligarchie ja, Adelsanarchie nein. Sie hatten aber eine Gegenforderung an den Kaiser: Konkret ging es ihnen um die Pfahlbürger. Das waren Untertanen eines Landesherrn, die sich ihren Dienstpflichten zu entziehen suchten, indem sie in die Städte flüchteten und nach damaliger Rechtsauffassung dadurch frei wurden. Nach dem Willen der Fürsten sollte Friedrich III. den Städten das Aufnehmen von Pfahlbürgern unmöglich machen. Wozu also entschied sich der Kaiser? Antwort: zu nichts. Bei den Pfahlbürgern erfolgte keine Änderung, und in der Sache der Fehden gab Friedrich den Fürsten Recht, sie sollten verboten werden. Nur unternahm der Habsburger nichts, die Alternative zu den Fehden zu organisieren. Wenn das Recht nicht durch Krieg, sondern durch Rechtsprechung gefunden werden sollte, musste eine Justiz im Reich etabliert werden. Der Kaiser scheute aber, den Fürsten damit in ihren eigenen Gebieten auf die Füße zu treten. Dann sollte lieber alles bleiben wie bisher. Traurige Sache mit den Fehden, aber sich als Kaiser die Finger verbrennen, wozu? Lief doch bisher auch so. Das war herzlos und auf die Dauer nicht ungefährlich, aber Friedrich III. hatte noch ein halbes Jahrhundert Regierungszeit vor sich und kultivierte den Blick durch die Generationen, nicht den auf die lästige Tagespolitik. In seiner Untätigkeit, ja Faulheit, lag ein Stück staatsmännischer Überlegenheit verborgen. Er hätte als früher Vertreter einer Politik der ruhigen Hand in die Geschichte eingehen können, wenn nicht die unmittelbare Gefahr für das Reich und auch für das Haus Habsburg für alle sichtbar gelauert hätte in Gestalt des Herzogs von Burgund, der Großmacht im Westen des Reiches.
Philipp III. der Gute
Dem burgundischen Herzog Philippe III. war es - gewissermaßen im Fahrwasser des Hundertjährigen Krieges - gelungen, die Herzogtümer Luxemburg, Limburg und Brabant an sich zu bringen. In EU4 sind sie seine Vasallen bzw. stehen in Personalunion unter Burgund. Der ganze Westen des Reiches drohte unter die Dominanz von Burgund zu fallen. Besonders unangenehm war für Friedrich III., dass Philippe seit einigen Jahren eine Pfandschaft an Luxemburg besaß. Philippe III. von Burgund interessierte sich für die Zustände rechts des Rheins, besonders für Erzbischof Dietrich von Köln, der der burgundischen Expansion beizeiten wehren sollte und sich deshalb mit dem wettinischen Landgrafen Wilhelm III. von Thüringen verband. Zwischen den Häusern Habsburg und Wettin bestanden familiäre Verbindungen, seit Friedrich III. 1440 die Schwester seines Mündels Ladislaus mit dem Markgrafen von Meißen verlobt hatte. Beide Häuser verstanden sich als Gegner der Hussiten in Böhmen, und nun war ein Wettiner mit der Schwester des kleinen böhmischen Königs verbunden, dort somit vorläufig zweiter in der Thronfolge. Außerdem waren die Wettiner im Westen geeignete Bündnispartner. Sie hatten Geldnot und wollten den Burgunder Philippe mit ihrem Anspruch auf das Herzogtum Luxemburg unter Druck setzen. Zumindest soweit, um damit ihre Kassen zu sanieren (in der Tat ließen sie sich von Burgund mit 120.000 Gulden abfinden und Philippe behielt seine Pfandschaft an Luxemburg). Deshalb kam Wilhelm III. von Thüringen mit dem Kölner Erzbischof Dietrich überein, diesen bei seinen Bestrebungen bei einem Ausbau seines Herzogtums Westfalen zu unterstützen, das der Kölner im Sauerland besaß. Wir erinnern uns: Kaiser Friedrich Barbarossa hatte damit den Erzbischof für dessen Kampf gegen Heinrich den Löwen belohnt. Die Gegner des Kölner Erzbischofs waren die Städte in diesem Gebiet, allen voran Soest, und - da Dietrich eine Landbrücke vom Rhein nach Westfalen brauchte - der durch die Lage seiner Länder blockierende Herzog von Kleve, Adolf von der Mark. Dieser wieder war im Konflikt mit den Wettinern, es ging da um eine Urkundenfälschung zur Verhinderung der Wettiner Kurwürde.
Herzog Wilhelm III. von Thüringen warb 14.000 böhmische Kriegsknechte an, die seit den wilden Hussitenkriegen einen legendären Ruf genossen. Bei der Belagerung von Soest genossen diese Söldner allerdings vor allem Wein, jedenfalls vergeigten sie 1447 den Kriegszug, und Wilhelm III. sowie Erzbischof Dietrich hatten das Nachsehen. Philippe von Burgund konnte zufrieden sein mit dem Ergebnis, die rheinischen Kurfürsten waren im Abwärtstrend. Für Friedrich III. war es dagegen nicht gut, er hätte sich lieber mit Ungarn und Böhmen befasst, nun musste der Westen des Reiches gegen Burgund gestützt werden.
Dass der Soester Erfolg ein Labsal für alle freien Reichsstädte war, interessierte Friedrich III. nicht, er misstraute dem republikanischen Charakter der Städte. Kein Wunder, dass er sich nicht einmischte, als in Süddeutschland der Krieg zwischen Fürsten und Städten ausbrach. Dort im Süden gab es die meisten Reichsstädte, in den ehemaligen Herzogtümern Schwaben und Franken der Salier. Aus deren Hausgut waren seit den Tagen Heinrichs IV. diese Städte emporgewachsen. Mitten unter ihnen saß, wie ein Hecht mittig unter Karpfen, Markgraf Albrecht Achilles von Hohenzollern-Ansbach.
Albrecht II. Achilles
Er war Burggraf von Nürnberg, ein hochfahrender, kriegerischer und politisch kluger Herr, der sich wie alle Fürsten der Umgebung von einem weiteren Wachstum der Reichsstädte und der Existenz des niederen Adels ernsthaft bedroht fühlte und ganz der Mann war, gegen diesen Stand der Dinge militärisch vorzugehen. Die süddeutschen Städte schlossen im Jahre 1446 einen Defensivbund gegen Albrecht Achilles und korrespondierten eifrig mit den Schweizer Eidgenossen, die als Gegner der Habsburger Fürsten ihre natürlichen Verbündeten waren. Die Siege der Eidgenossen gegen die Habsburger in Sempach und Morgaten waren indirekt auch Siege der süddeutschen Reichsstädte gewesen. In Sempach war 1386 übrigens auch Leopold, der Großvater von Friedrich III., zu Tode gekommen. Albrecht Achilles durfte also die Sympathie des Habsburgers voraussetzen, wenn es gegen die Eidgenossen und die Städte ging.
Der Kaiser hatte noch einen Grund, Achilles zum Losschlagen zu ermuntern: Er wollte in Süddeutschland ein Gegengewicht zu den Wittelsbachern, die über Bayern (Albrecht III.)* und über die Pfalz (Ludwig IV.) herrschten. Sie waren stets mächtig genug, die benachbarten Habsburger Ländereien in Österreich und Tirol zu bedrohen und sogar ihren Blick nach Böhmen zu richten. Außer Achilles konnte dort niemand den Wittelsbachern das Wasser reichen: Weder der Graf Ulrich V. von Württemberg, nicht der Zähringer Markgraf Jakob I. von Baden und auch nicht die Bischöfe von Würzburg und Bamberg, von anderen süddeutschen Potentaten ganz zu schweigen. Nur der Ansbacher Markgraf Albrecht Achilles bot mit seiner Persönlichkeit die Gewähr für eine kraftvolle Gleichgewichtspolitik gegen die Wittelsbacher.
* Bayern war zu dieser Zeit eigentlich dreigeteilt, man spielt das Teilherzogtum München:
Landshut (Heinrich XVI. der Reiche),
München (Albrecht III. der Fromme) als spielbare Fraktion und
Ingolstadt (Ludwig VIII. der Bucklige).
Die eben aufgezählten süddeutschen Fürsten mochten die Reichsstädte auch nicht, sie standen jedoch auch in Konkurrenz zu Albrecht Achilles und seinen Hohenzollern. Deshalb halfen sie ihm nicht, als dieser im Sommer 1449 einen Krieg gegen Nürnberg vom Zaun brach, der beide Seiten in die Niederlage treiben sollte. Achilles hatte korrekt vorhergesehen, dass Friedrich III. nicht auf die Einhaltung des Landfriedens pochen würde, wenn er gegen Nürnberg marschiert. Die Entschlossenheit der Nürnberger, sich zu verteidigen, hatte er dagegen unterschätzt.
Mehr noch: Mit seinem ungestümen Losschlagen brachte er auch Bewegung in das gespaltene Bayern, das Friedrich III. gemäß dem Grundsatz „divide et impera“ gerne in diesem Zustand belassen hätte. Im Jahre 1450 wurde nach dem Tod Heinrichs XVI. dessen Sohn Ludwig IX. Herzog von Bayern-Landshut, und der kassierte einen Großteil des herrenlosen Bayern-Ingolstadt ein. Es gab in München zwar weiterhin den Teilherzog Albrecht III., der tonangebende Mann in Bayern war von nun an aber Ludwig – in seiner Stärke ebenbürtig dem Habsburger Friedrich.
Bei der Reichsreform war es also nur bei bloßen Absichtserklärungen geblieben, Achilles war ohne Erfolg gegen die Städte marschiert, und die Wittelsbacher in Bayern waren unter Ludwig IX. versammelt. So hatte sich das der untätige Kaiser kaum nicht vorgestellt.
Es gab da noch ein Problem im Westen, das Friedrich III. selber importiert hatte: Im Sommer 1444 überschritt ein fürchterlicher Heerhaufen die Reichsgrenze und verbreitete Angst und Schrecken im Land. Dieses Heer bestand aus Armagnaken-Söldnern, die wegen des Waffenstillstands zwischen Frankreich und England arbeitslos geworden waren. König Charles VII. konnte noch nicht daran denken, die Söldner jetzt gegen Burgund zu schicken. Also wollte die Soldateska rasch aus seinem Land loswerden, weil er wusste, dass es Ärger mit ihnen geben würde.
Für Charles VII. war es ein Wink des Himmels, als ihn ein Brief Friedrichs III. erreichte, in dem der Römische König ihn um militärische Hilfe gegen die Schweizer Eidgenossen bat. Friedrich bat ausdrücklich um die Armagnaken, und zwar auch, weil er es Philippe von Burgund wegen Luxemburg mal so richtig zeigen wollte. Dieses Herzogtum war wie erwähnt in Philipps Pfandschaft, und jeder wusste, dass aus einem dauerhaften Pfand schließlich ein Eigentum werden würde. Genau darauf spekulierte der Burgunder ja auch, er wollte Herzog von Luxemburg werden und eine Landbrücke zwischen seinen geteilten Gebieten schaffen. Dieser Titel aber war das Erbe von Friedrichs Mündel Ladislaus. Und überhaupt: Es konnte ja nicht angehen, dass sich hier zwischen Frankreich und Deutschland ein starkes Mittelreich aufbaute. In dieser Frage waren sich Friedrich III. und Charles VII. einig, daher auch das unkomplizierte Überlassen der mörderischen Söldner. Der Habsburger hatte es persönlich nicht so mit dem Kriegführen und kaufte das Kommando über die Mordtruppe gleich mit ein, Charles VII. betraute seinen Sohn mit dem Befehl über das Heer. Vielleicht konnte man die Einigkeit zwischen Wien und Paris mit einer kleinen Heirat bekräftigen? Es gab Verhandlungen über eine Ehe zwischen Friedrichs Mündel Siegmund von Tirol und einer Tochter des französischen Königs.
Im Kampf gegen die Eidgenossen hatte Friedrich III. nur die Stadt Zürich auf seiner Seite. Da er zu wenige Truppen hatte, verfiel Friedrich auf die Idee mit den Armagnaken. Jedermann wusste, was das für üble Gesellen waren, die er da ins Land holte. Auch der Kaiser war da nicht naiv. Allerdings hatte er nur um 5.000 Mann gebeten, nicht im die 25.000, die von niemand geringerem als dem Dauphin Louis (dem späteren Louis XI.) überführt wurden. Der war ein junger Mann von Anfang zwanzig Jahren, aber bereits als tapfer und klug, aber auch herrschsüchtig und tückisch, bekannt. Es kam wie befürchtet: Die Söldner benahmen sich im Gebiet ihres Auftraggebers Friedrich ebenso undiszipliniert wie im Feindesland. Dauphin Louis konnte nicht anders, als ausgiebig durch die Finger zu sehen. Nahe Basel trafen die Armagnaken dann im August 1444 auf die Schweizer, die sich der Soldateska in Unterzahl entgegenstellt hatten. Ungläubig mussten die Armagnaken im Kampf erkennen, dass die unterlegenen Schweizer sich mit grimmigen Todesmut und taktischem Geschick verteidigten, was die Söldner noch mehr in einen angriffslustigen Blutrausch versetzte. Nur 200 Man von den Schweizern kamen lebend aus dem Gemetzel davon. Und obwohl der Sieg der Armagnaken unzweifelhaft war: Sie hatten ihn mit 4.000 Toten bezahlt – und das war nur ihre eigene Angabe. Der Kriegsruhm war klar auf der Seite der Schweizer. Ganz Europa musste nun ihre militärische Tüchtigkeit zur Kenntnis nehmen, und der erste, der das tat, war der Dauphin Louis. Lieber gegen die schwachen Habsburger als gegen die unbezähmbaren Schweizer, wird er sich gedacht haben. Im Namen Frankreichs schloss er einen Waffenstillstand mit den Eidgenossen und ließ durchblicken, dass er ein Bündnis mit ihnen wünsche.
Das bekam er im Oktober 1444 auch, einen Monat vor Spielbeginn. Wer immer sich an die französische Politik binden wollte, zum Beispiel der Herzog von Savoyen, begann nun beim Dauphin vorzusprechen. Aber nicht einmal Charles VII. war daran interessiert, die französischen Waffen am Oberrhein stehenzulassen, denn damit hätte er Philippe von Burgund und Friedrich III. geradezu gezwungen, gegen ihn zusammenzustehen. Die Freundschaft der Schweizer, selbst wenn auf Dauer möglich, war dagegen kein hinreichendes Mittel. Währenddessen hausten die Armagnaken blutig im Elsass, dem „Garten des Reiches“.
Friedrich III. musste wohl etwas unternehmen und gab dem Drängen seines jüngeren Bruders Albrecht nach. Mit den Burgundern wurde am Oberrhein halbpart vereinbart. Ein schwacher Herrscher wie Friedrich konnte es sich nicht leisten, einen starken Herrscher wie Philippe zum Erbfeind zu haben. Er musste nach allen Seiten offen bleiben, eben weil er weitgehend machtlos war.
Wie aber die Eidgenossen besiegen und den Dauphin mit seinen Söldnern aus dem Elsass werfen? Ein Reichskrieg sollte es richten. Die Erzbischöfe von Trier und Köln waren in Verlegenheit und rieten daher zum Ausgleich. Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz sah sich unmittelbar bedroht und drängte auf schnelle Maßnahmen. Friedrich III. ernannte den Pfälzer zum Reichsfeldherrn und beauftragte seinen Bruder Albrecht, ihn gemeinsam mit Jakob I. von Baden und Ulrich V. von Württemberg zum Oberrhein zu begleiten. Gleichzeitig liefen weiter Verhandlungen mit dem Dauphin, um ihn loszuwerden. Friedrich III. bot ihm an, den Sold für 5.000 Mann zu erstatten, denn mehr habe er im Reich ja gar nicht sehen wollen. Louis sperrte sich, musste aber erkennen, dass er sich nicht behaupten konnte, wenn ihn sein Vater nicht mehr unterstützte. Der Dauphin verhandelte noch einige Monate über günstigere Konditionen für seinen Abzug, das Reichsheer fürchtete er nicht. Die deutschen Fürsten berieten noch immer in Speyer über das Aufstellen der Truppen, da war selbst bis zum Frühjahr 1445 kein Ergebnis in Sicht. Friedrich III. machte in der Sache nämlich keinen Druck, er unternahm schlicht nichts. Sobald ihm weitere Kosten wegen dieser Sache drohten, sollte der Westen des Reiches doch lieber selber sehen, wie er sich behalf. Schließlich führten die beiden Erzbischöfe den Ausgleich in Verhandlungen mit dem Dauphin herbei: Louis musste mit seinen Armagnaken innerhalb von fünf Wochen abrücken. Ihre Verwüstungen wurden aufgerechnet gegen die Leistungen, die Friedrich III. an ihnen gespart hatte. Ein übler Zusammenhang zwischen dessen Rechenhaftigkeit und dem Schaden im Reich.
Der Krieg gegen die Schweiz ging noch weiter bis zum Juni 1446, bis Pfalzgraf Ludwig zwischen Zürich und den anderen Eidgenossen den Frieden vermittelte. Der Bund der Züricher mit Habsburg wurde als verfassungsrechtlich unzulässig erklärt, da unvereinbar mit der Mitgliedschaft im eidgenössischen Bund. Zürich blieb, ohne territoriale Verluste oder der Auferlegung von Kriegsreparationen, dem Bunde erhalten. Das war es also mit Friedrichs Plänen, den Habsburgern wieder Geltung in der Schweiz zu verschaffen oder die alte Stammburg im Aargau zurückzugewinnen.
Das Heft des Handelns übernahmen andere: Gleichzeitig mit dem Marsch des Dauphin war auch eine französische Armee, zu der sich Charles VII. selbst begeben hatte, in Lothringen eingefallen. Nicht nur, um weitere Söldner loszuwerden, sondern auch zur Geltendmachung der Ansprüche Renés von Anjou auf dieses Herzogtum. Dieser René war zuvor von Aragon aus dem Königreich Neapel vertrieben worden, wo die Anjou seit dem Untergang der Staufer geherrscht hatten. Charles VII. suchte René Ersatz an der französischen Ostgrenze in Richtung Rhein und hatte auch keine Hemmungen, von der Stadt Metz und von ihrem Bischof den Untertaneneid auf sich zu verlangen. Der französische König überging dabei, dass es sich hierbei um Träger eines Reichslehens handelte. Bei den deutschen Reichsfürsten blieb das nicht ohne Wirkung, offenbar wollten sich die Franzosen an den Rhein drängen. Die Pfalz rief gar zum Reichskrieg gegen sie. Friedrich III. unternahm – nichts. Und so kommt es, dass eine Partie im Jahre 1444 mit Neapel als Juniorpartner von Aragon beginnt, während René von Anjou über Lothringen herrscht.
René der Gute
Reichsreform und Konkordat, Armagnaken und Städtekriege, das waren die Themen großer Politik. Doch Friedrich III. beschränkte sich auf Aktivitäten in seinen Erblanden, das Haus Habsburg war selbst uneins. Sein Mündel Siegmund von Tirol hätte schon im Jahre 1443 für volljährig erklärt werden müssen, aber Friedrich behielt ihn gegen sein Versprechen weiter bei sich in der Steiermark und nötigte ihm weitere sechs Jahre der Vormundschaft ab. Der Kaiser tat mit ihm, wie es ihm selbst in seiner Jugend unter seinem Onkel Friedrich IV. „mit der leeren Tasche“ widerfahren war. So wie der Onkel damals argumentiert hatte, er müsse den Habsburger Besitz gegen den übermächtigen Kaiser Sigismund zusammenhalten, gab Friedrich III. nun zu bedenken, dass der Krieg mit der Schweiz keine unerfahrene Regierung in Tirol zuließ. Da Friedrich III. seinen Bruder Albrecht zum Regenten der Vorlande eingesetzt hatte, konnte man ihm sogar nachsagen, er spiele seine Verwandten gegeneinander aus. Doch irgendwie musste auch Albrecht abgefunden werden.
Aber die Stände in Tirol wollten partout ihren Siegmund haben und verlangten die Herausgabe seiner Person sowie seines Vermögens. Der Kaiser gab sich gewohnt unbeeindruckt und nahm Siegmund nun sogar mit nach Wien. Dort zwang er den jungen Mann zur Überschreibung seiner Gläubigereigenschaft an einigen österreichischen Besitzungen, die Albrecht II. einst Friedrich „mit der leeren Tasche“ verpfändet hatte. Die Tiroler Stände waren nicht so leicht mit Verträgen einzufangen wie der unerfahrene Siegmund, und entschlossen sich zum Handeln. Sie erklärten die verlängerte Regentschaft für unannehmbar und besetzten das ganze Land solange, bis der Kaiser schließlich doch den jungen Mann auslieferte. Baden und Ansbach hatten sich vermittelnd eingeschaltet und einen Kompromiss ausgehandelt, und der kam Siegmund teuer genug zu stehen. Siegmund wurde 1446 als Herzog eingesetzt und musste versprechen, in seiner Politik den Vorgaben des Habsburger Oberhaupts zu folgen. Für diese verkappte Regentschaft musste er auch noch teures Geld bezahlen, sowohl an Friedrich III. als auch an dessen Bruder Albrecht. Für Siegmund von Tirol blieb das eine prägende Erfahrung, er wurde ein haltloser Mensch mit verkniffener Mine, der später ein Schürzenjäger und Verschwender vor dem Herrn werden sollte. Sein Beiname „der Münzreiche“ rührte nicht daher, dass Siegmund solche Reichtümer anhäufte. Er war in seiner Grafschaft Tirol einfach nur mit den ergiebigen Goldminen gesegnet, aus denen er reichlich Münzen prägen ließ – die er ebenso reichlich ausgab.
Tirol gehörte also gar nicht Friedrich III., Paradox hat konsequenterweise aber entschieden, ihm die Grafschaft zuzuschlagen, weil er de facto hier das Sagen hatte. Ebenso sieht es mit dem Sundgau aus, dem einzelnen Flecken Habsburgs im Westen. Dieses Gebiet gehörte Friedrichs Bruder Albrecht, aber der war auf seine Hilfe angewiesen. Alleine konnte Albrecht nichts gegen Philippe von Burgund ausrichten, der eigene Ansprüche auf Sundgau anmeldete. Friedrich III. half sich mit dem Aufbau einer territorialen Gegenstellung, die quer lag zur burgundischen Expansion: Er argumentierte, die Reichslehen Brabant, Seeland, Hennegau und Holland seien von vorherigen Fürsten nicht ordnungsgemäß zu Lehen genommen worden, weshalb er sie an seinen Bruder vergab. Philippe war diese Erbsenzählerei zu doof. Was sollte er sich mit kleinlichen Rechtsdiskussionen über den Erwerb von Quadratkilometern mühen, wo er doch mächtig genug war, um als König im Reich aufzutreten. Denn das war das eigentliche Streben des Burgunders: Er wollte von Friedrich III. als König anerkannt werden und bot ihm dafür ein Bündnis an. Für den Kaiser war das verhandelbar, wie üblich drehten sich die Gespräche über die Konditionen denkbarer gegenseitiger Ehen zwischen Burgund und Österreich. Diese Verhandlungen wurden jedoch so kompliziert in die Breite geschlagen, dass Friedrich III. das Gefühl bekam, die Pfandschaft über Luxemburg würde in Philipps Händen verbleiben. Luxemburg endgültig bei Burgund zu lassen, das war dem Habsburger zu teuer für ein Bündnis. Er ließ die Verhandlungen auflaufen.
Damit blieb auch die Angelegenheit mit dem Sundgau ungelöst. Die Ansprüche Philipps schrieben sich her von der Ehe Katharinas von Burgund mit Herzog Leopold IV. von Österreich, einem Sohn des Unterlegenen von Sempach, und dagegen waren die Habsburger ohne Argumente. Friedrich musste mit Burgund ein Abkommen schließen und Albrecht anweisen, den Sundgau von Philippe zu Lehen zu nehmen. Im Jahre 1448 bemächtigte sich Burgund dann auch des verpfändeten Luxemburgs, was Friedrich beim Abschluss des Abkommens vorausgeahnt haben dürfte. Philippe war der Sieger im Westen geblieben.
Dann werfen wir mal den Blick Richtung Osten, vielleicht lief es hier ja besser. Okay, ist nur sarkastisch gemeint. Friedrich III. hatte hier nichts als potentielle und aktive Gegner auf der politischen Landkarte. Und wenn er sie in Italien nicht hatte, dann nur deshalb, weil er von vornherein darauf verzichtet hatte, als Römischer Kaiser hier auch nur den bescheidensten Einfluss auszuüben. In Ungarn erkannte Friedrich im Oktober 1450 den Hunyadi Johann (Janos) als ungarischen Reichsverweser an, obwohl er sich darüber im Klaren gewesen sein muss, dass Hunyadi nun alles unternehmen würde, um seine Macht gegenüber dem minderjährigen König Ladislaus noch weiter auszubauen, wie es ihm ja auch vorher nicht hatte verwehrt werden können.
Immerhin akzeptierten Hunyadi und die anderen Magnaten, dass Ladislaus sich nicht in Ungarn aufzuhalten hatte, sondern in Wien bleiben durfte. In Böhmen war die Situation nicht anders, auch wenn das Land nicht die innere Geschlossenheit Ungarns hatte, sondern in Katholiken und Utraquisten-Hussiten gespalten war. Die Böhmen verlangten, dass sich Ladislaus als ihr König in Prag aufhalten müsse. Friedrich III. begegnete ihnen mit der üblichen Laberei, um Zeit zu schinden: Es müsse ein Bevollmächtigter geschickt werden, um die politische Lage zu sondieren. Dieser Bevollmächtigte war niemand anderes als Aeneas Sylvius, der es mittlerweile mit Friedrichs Unterstützung zum Bischof von Triest gebracht hatte, ab 1450 war er Bischof von Siena.
Aeneas Sylvius hatte die Instruktion, die Auslieferung des Ladislaus nicht einzuräumen, und er erkannte bald, dass die böhmischen Herren auf diese Forderung nicht den Wert legten, den sie ihr ansonsten lauthals beimaßen. Die Böhmen waren nämlich nicht scharf auf die deutschen Berater, die Ladislaus in diesem Fall mit nach Prag begleitet hätten. Da wollten die böhmischen Magnaten doch lieber ohne lästige Beaufsichtigung ihre Interessen verfolgen, nicht anders als die ungarischen Adeligen. Eines war in Böhmen aber anders als in Ungarn: In Prag gab es neben den Katholiken die Utraquisten, die mit Rom über Kreuz lagen. Okay, die Zeit der militärischen Konflikte während der Hussitenkriege war vorbei, aber politisch war die Sache noch lange nicht befriedet. Die Utraquisten debattierten gerne über die Enteignung der katholischen Kirche im Lande, und die Angst davor machte die böhmischen Katholiken handzahm. Es war also kein Wunder, dass der Anführer der Utraquisten der mächtigste Mann in Böhmen war. Sein Name war Georg Podiebrad - Jiri z Podebrad. Wie bei Hunyadi rang sich Friedrich III. auch Podiebrad gegenüber dazu durch, diesen als Gubernator Böhmens offiziell anzuerkennen.
Jiri z Podebrad
Jetzt haben wir einige Namen bereits kennengelernt. Mit den Herrschern von Burgund, Ungarn und Böhmen sind es bereits drei, die von härterem Kaliber sind als unser Kaiser Friedrich. Er hatte nicht nur die Stände Ungarns und Böhmens nicht im Griff, selbst in Österreich war der Habsburger nicht unangefochten. Der Streit entzündete sich daran, dass Friedrich seinen Mündel Ladislaus von Wien in die Steiermark schaffte, wo Friedrich noch am meisten anerkannt wurde. Die empörte Opposition in Wien sammelte sich um die Person des Ulrich Eizinger, der ein österreichischer Podiebrad bzw. Hunyadi werden wollte. Der Unmut des heimischen Adels schwelte eigentlich wegen Friedrichs Eigenart, sich Besitzungen und Gelder zusammenzuraffen, und gleichzeitig nichts gegen das räuberische Treiben bewaffneter Banden im Lande zu unternehmen. Der Kaiser hatte es den Ungarn und Böhmen verweigert, ihnen Ladislaus auszuliefern, das galt erst recht gegenüber den Ständen daheim. Friedrich versuchte nach bewährter Manier, Zeit zu gewinnen und einen Hoftag der österreichischen Stände zu verhindern. Die traten trotzdem zusammen und wählten Eizinger zu ihrem obersten Landeshauptmann, zwölf Verweser entgegen Friedrichs Geschmack traten ihm zur Seite. Das war die offene Rebellion. Friedrich reagierte darauf mit Schulterzucken, er wollte sich lieber um seinen Zug nach Rom kümmern, wo er sich vom Papst zum Kaiser krönen lassen wollte. Die Sache daheim wurde aber gefährlich, denn Eizinger erhielt Unterstützung von Hunyadi (der Ladislaus in Wien sehen wollte) sowie von Ulrich von Rosenberg, dem Anführer der böhmischen Katholiken (die Friedrich mit seinem Deal mit Podiebrad vergrätzt hatte). Auf dem Turm der Wiener Stephanskirche wehten die Banner von Böhmen, Mähren, Österreich und Ungarn. Was fehlte noch zu Friedrichs Erniedrigung?
Unverdrossen hielt sich Friedrich III. zu dieser Zeit in Italien auf, wo vor der römischen Krönung zwei Sachen zu regeln waren. Erstens hatte sich in Mailand der Söldnerführer Francesco „Sforza“ Attendolo an die Macht gebracht, nachdem 1450 die Dynastie der Visconti ausgestorben war. Der Sforza war sehr daran interessiert, vom Kaiser anerkannt zu werden und war bereit, dafür auch gut zu bezahlen. Das Geld strich Friedrich III. gerne ein, um Mailand selbst machte er einen großen Bogen. Allzu offensichtlich wollte er den Emporkömmling dann doch nicht anerkennen.
Zweitens galt es, für den Kaiser eine geeignete Ehefrau zu finden. Es wurde so manche Kandidatin erwogen und verworfen, Friedrich wollte sich mit einer Ehe politisch nicht zu eindeutig auf ein Lager festlegen lassen. Ein Vorschlag des Burgunders Philippe wurde dann angenommen: Die Verschwägerung der Häuser Burgund und Habsburg auf dem Umweg über das portugiesische Königshaus, das den Burgundern aus alter Tradition nahestand. Der portugiesische König Alfons hatte drei Schwestern, von denen eine mit Philippe von Burgund verheiratet war. Die zweite Schwester hatte den schwachsinnigen Enrique IV. von Kastilien (auch so ein 0-0-0-Herrscher in EU4) heiraten müssen. Die dritte Schwester namens Eleonora war für Friedrich ausersehen. Die 14jährige Prinzessin war zwar mit dem Burgunderherzog verwandt, bedeutete aber keine Festlegung auf dessen Politik, konkreter: auf dessen Wunsch nach der Königskrone, und als Königstochter war sie Friedrichs Rang ebenbürtig. Dazu war Eleonoras Mutter aus Aragon, dem Gegenspieler Frankreichs, wenn es um den Einfluss auf den Handelsknotenpunkt Genua im Mittelmeer ging. Zugleich war Aragon mit den französischen Anjou über Kreuz, seitdem sie ihr Königreich Neapel als Juniorpartner in eine Personalunion genommen hatten. Die Anjou hatten danach die Visconti in Mailand beerben wollen, aber dort war ihnen der Sforza zuvorgekommen. Nicht zuletzt stand Aragon mit Venedig auf gutem Fuß, und das war ein direkter Nachbar von Österreich, Friedrich erhoffte sich da wohl eine politisch ruhigere Beziehung. So schloss sich der Ring politischer Interessen rund um das westliche Mittelmeer, der Friedrichs Eheprojekt mit Eleonore trug. Unbehaglich war es Papst Nikolaus bei dem Gedanken an diese Verbindung zwischen dem Kaiser und Aragon-Neapel, das klang ihm nach der alten Geschichte der Staufer, die den Kirchenstaat damals auch in die Klammer genommen hatten. Aeneas Sylvius beschwichtigte den Papst mit Erfolg, Friedrich III. war wohl harmloser als seinerzeit die energischen Staufer. Im Dezember 1450 war in Neapel der Heiratsvertrag unterschriftsreif, Eleonore bekam eine Mitgift von 50.000 Gulden und eine Rente von 7.000 Gulden zugesprochen, aufzubringen aus den Einnahmen in Istrien.
Die Braut konnte abgeholt werden in Portugal, um sie nach Rom zu bringen, wo sie Friedrich kennenlernen, heiraten und mit ihm gemeinsam zu Kaiser und Kaiserin gekrönt werden sollte. In Portugal gab es ein peinliches Missverständnis: Hier erwartete man eine prachtvolle Delegation, immerhin ließ ein Kaiser seine Braut holen. Friedrich hatte seine Gesandten aber so ärmlich ausgestattet, dass man sie dort für streunendes Gesindel hielt und zunächst einkerkerte. Erst als sich das Missverständnis aufklärte, stellte König Alfons sie seiner Schwester vor. Bei der Überfahrt war die See so stürmisch und mit Piraten verseucht, dass man mit der Prinzessin lieber schon in der Toskana an Land ging. Eine heikle Entscheidung, denn hier tobte gerade ein Krieg zwischen Alfons von Aragon-Neapel im Bund mit Venedig gegen Florenz und Mailand, das nun von Frankreich unterstützt wurde. Der unentbehrliche Sylvius musste herbeieilen, um Eleonora sicher über Pisa nach Siena zu geleiten. Hier traf sie zum ersten Mal auf Friedrich, und der zeigte entgegen seiner Natur tatsächlich Regung: Das bildhübsche Mädchen rührte sein Herz. Am 16. März 1452 wurden die beiden in Rom vom Papst gekrönt. Friedrich III. war der letzte Kaiser, der den Weg in den Petersdom antreten sollte.
Die eigentliche Feier fand in Neapel am Hof von König Alfons, dem Bruder der Braut, statt. Auf dem Rückweg nach Hause musste Friedrich III. dann doch noch etwas Politik machen. Neben Florenz war Ferrara Station, wo er herzlich empfangen wurde. Kein Wunder, der Kaiser erhob den Markgrafen Borso von Este zum Herzog von Modena. Wahrscheinlich war das anschauliche Territorium von Modena und Ferrara zusammen dem Papst als Puffer zwischen Kirchenstaat, Venedig und Mailand willkommen. Kostenlos war diese Rangerhöhung nicht zu haben gewesen, die Italiener bemerkten mit Befremden, wie geizig der Habsburger war. In Venedig wurde Friedrich ebenfalls aufwendig empfangen, obwohl Venedig sich den deutschen Herrschern gegenüber sonst immer spröde gezeigt hatte. Man konnte sich die Herzlichkeit wegen Friedrichs erwiesener politischer Harmlosigkeit leisten. Aber als er dem Dogen empfahl, doch mit Mailand und Florenz lieber Frieden zu halten, da hatte er seine Grenzen überschritten. Die Venezianer antworteten frostig, einen Kaiser dürfe man nicht anlügen, und daher sagten sie ihm offen, was sie vorhätten – nämlich gerade den abgeratenen Krieg. Da zeigte sich schneller als gedacht, wie wertlos Friedrichs Bündnis mit Neapel war: Der Kaiser hatte noch nicht Wien erreicht, da erklärte Venedig den Mailändern den Krieg, Florenz fiel in Neapel ein, und Frankreich marschierte gemeinsam mit dem Lothringer René von Anjou (der sein Königreich Neapel zurückhaben wollte) in die Lombardei ein. Weder an den Kriegshandlungen hatte Friedrich III. einen Anteil, noch an dem Friedensvertrag, der 1454 geschlossen wurde und der italienischen Halbinsel 40 Jahre Ruhe bescherte.
Das war er also gewesen, der Italienzug des Habsburgers. Vom Furor eines Barbarossa oder dem anerkannten Richterspruch eines Heinrich III. war nichts mehr vom Glanz der Kaiser geblieben. Die Italiener belächelten diesen Habsburger Friedrich. Er hatte sie, die seit 200 Jahren machten, was sie wollten, mit Samthandschuhen angefasst (sonst hätten sie ihn auch nicht gefeiert). Politisch harmlos, bescheiden sogar sein Krönungsmantel und das angebliche Krönungsschwert Karls des Großen ein Witz: Unübersehbar darauf die Gravur des böhmischen Löwen, es musste also aus luxemburgischer Zeit stammen. Papst Nikolaus hatte dem Kaiser aus Anlass der Krönung huldvoll erlaubt, seine Länder zu mehren, aber das war ja geradezu lächerlich zu nennen. Friedrich interessierten sowieso andere Konzessionen finanzieller Natur, wie etwa die päpstliche Bewilligung, von den geistlichen Fürsten des Reiches für den Krieg gegen die Ungläubigen den Zehnten zu erheben. Viel zu bieten hatte auch der Papst nicht mehr, die „Gefangenschaft“ in Avignon und das lange Schisma hatte auch diesem Amt geschadet. Die Macht des Papsttums war zwar immer noch nicht zu unterschätzen, die kraftvollen Höhen eines Innozenz III. und Gregor IX. waren aber vorbei. Die beiden Träger der universalen Herrscherkronen der Christenheit, Papst und Kaiser, nickten sich in diesem Jahr 1452 in Rom gewissermaßen noch einmal greisenhaft zu.
Die Macht auf der italienischen Halbinsel lag jetzt woanders: In Mailand, Venedig, Florenz, dem Kirchenstaat und Neapel gleichermaßen. Es waren fünf ungefähr gleichstarke Mächte, die einen Zustand bildeten, den man als erstes Beispiel einer Gleichgewichtspolitik bezeichnen kann. Solange diese zum Frieden entschlossen waren, und solange vor allem die raumfremde Macht nicht wieder etwas gegen den Verlust von Neapel unternahm, war das italienische System ausgeglichen. Es ist nur so, dass EU4 für Frankreich noch die Mission „Italienische Ambitionen“ bereithält....
Unberührt von den Kriegshandlungen in Italien traf Kaiser Friedrich mit seiner Braut Eleonore in Wiener Neustadt ein. Die junge Portugiesin im Teenageralter dürfte bald gemerkt haben, dass ihr 37jähriger Gatte ein echter Langweiler war. Keine Feste, dröges Essen wegen seiner Magenbeschwerden - Friedrich war ein Stubenhocker, der sich mit Vorliebe dem Studieren von Edelsteinen hingab. Da war er ein wahrer Kenner. Auch die Alchemie, das Handlesen und die Astrologie hatten es ihm angetan. Friedrich wollte wissen, was „die Welt in ihrem Innersten zusammenhält“, wenn man das hier so ausdrücken kann. Aus dem Interesse rührte wohl auch sein Kürzel AEIOU, das er auf allerlei persönliche Gegenstände anbrachte. Die Exegeten haben über 300 Deutungen zusammengebracht, was es mit diesem geheimnisvollen Kürzel auf sich hatte. Die bekannteste darunter ist eindeutig „Austria Est Imperare Orbi Universo“ - Alles Erdreich ist Österreich untertan. Wenn Friedrich dann ausnahmsweise doch einmal vor die Tür ging, verzichtete er darauf, standesgemäß im Sattel auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen. Friedrich bevorzugte das Reisen in der Kutsche, was so manchen irritierte. Höflicher ausgedrückt, war dem Habsburger das Maßhalten eine Tugend. Ruhm, Ehre und Ritterlichkeit bedeuteten ihm nicht viel.
Eleonore dagegen war temperamentvoll und lebenslustig, zum Beispiel tanzte sie gerne. Friedrich hielt von solcher Lustbarkeit nichts, er wollte lieber fieberkrank werden, als seinen Leib zu betörenden Klängen zu verrenken. Eleonore dürfte sich in Wien kaum heimisch gefühlt haben, es war oft kalt und sie sprach kein Deutsch. Ihre einzige Vertraute aus Portugal, eine Hausdame, die sie nach Wien begleitet hatte, starb schon bald. Eleonore ging die Gemütlichkeit ihres Mannes ziemlich auf den Wecker, besonders regte sie auf, wie die Untertanen oft mit ihm umsprangen. Friedrich gab sich dann meistens mit einem seiner hausbackenen Sprüche zufrieden, und die Angelegenheit war für ihn erledigt. Der Reisewagen Eleonores wurde auf dem Rückweg von einer Andacht in der Nähe von Wiener Neustadt überfallen, und sie forderte die Bestrafung der Schuldigen. Friedrich winkte lethargisch ab. Es sei eben nicht möglich, einer jeden Hure Kind zu erziehen. Aber die Kaiserin ließ nicht locker, bis die Burg der Raubritter gebrochen war und die Räuber zur Verantwortung gezogen wurden. Die Kaiserin fuhr ihren Mann an, er sei es nicht wert, seine Scham mit einem Schurz zu bedecken, wenn er sich so auf der Nase herumtanzen lasse. In Portugal habe man andere Vorstellungen von Königswürde! Friedrich zog sich mit dem Hinweis aus der Affäre, die Rache sei die Wirtschafterin der Zeit. Dazu soll er gelacht haben, wie überliefert wird. Der Habsburger war ein kontaktarmer Einzelgänger, dem eine kühle Atmosphäre am angenehmsten war. Das fehlende Gemüt konnte er gut einweben in seine Vorstellung für die Würde und den Stolz auf das Amt des Kaisers, das ihn über seine Umgebung erhob. Zu seiner Politik passt wohl der Vergleich mit einer Spinne, die lange Zeit regungslos in ihrem Netz sitzen kann, bis sich die Beute von selbst darin verfängt.
Trotz alledem, Eleonore hatte ein gutartiges Gemüt, arrangierte sich der Umgebung und mit ihrem Gemahl, und schenkte ihm insgesamt fünf Kinder. Von diesen überlebten nur zwei das Kindesalter, Maximilian (*1459) und Kunigunde (*1465).
Nach den ersten Ehejahren lebten die Gatten getrennt, Eleonora weiterhin in Wiener Neustadt, Friedrich in Graz. Die Kaiserin starb im 31. Lebensjahr, im September 1467. Friedrich hat die schöne Portugiesin bei aller Sprödigkeit seines Wesens nie vergessen. Er hat sich kein zweites Mal um eine Heirat bemüht, auch von Verhältnissen mit Hofdamen oder Mädchen niederen Standes ist nichts Genaues bekannt.
Zurück zur Politik und das Jahr 1453, als Eleonore noch mit Friedrich III. in Wiener Neustadt weilte, denn da geschah Umwälzendes. Gerade als Sultan Mehmed II. seinen Würdenträgern eröffnete, dass er entschlossen sei, Konstantinopel endgültig für den Islam zu erobern, schrieb ihm Kaiser Friedrich III. einen Brief, in dem er ihn aufforderte, von einem solchen Vorhaben Abstand zu nehmen. Angesichts des osmanischen Heeres war das eine kraftlose Lächerlichkeit. Ein halbes Jahr später ging in Wien ein Brief des Dogen von Venedig ein, in dem die am 29. Mai 1453 vollendete Eroberung Konstantinopels durch die Türken gemeldet und in ihren blutigen Einzelheiten geschildert wurde. Das zweite Rom am Bosporus war gefallen, eine existenzielle Säule der Christenheit! Es beruhigte niemanden, dass die Osmanen keine rohen Schlächter waren, sondern mit großer Staatsweisheit ein Reich mit festem Bestand zu schaffen wussten. Im Gegenteil, man musste es fürchten, dass der Sultan ankündigte, er wolle nun von Osten nach Westen marschieren, so wie einst die Abendländer von Westen nach Osten vorgedrungen seien.
Friedrichs Berater Aeneas Sylvius war klar, dass man Ungarn nun helfend beistehen musste. Obwohl die Osmanen durch das Zerschlagen und Besetzen des Byzantinischen Reiches einen erheblichen Aggressionswert gesammelt hatten, schien Sylvius die Bildung einer christlichen Koalition als schwierig. Sylvius wusste, wie tatenscheu Friedrich III. war, lediglich dessen gute Beziehungen zum Papst waren vielleicht eine gute Voraussetzung. Hätten die beiden Universalmächte Kaiser und Papst noch die frühere Machtfülle besessen, hätten sie das Abendland wohl um sich gesammelt und zurückschlagen können. Aber der Kreuzzugsgedanke war tot, die Herrscher Europas hoffnungslos in ihre eigenen lokalen Probleme und Eifersüchteleien verstrickt. Aeneas Sylvius machte aus der abendländischen Zerstrittenheit auch noch ein Verdienst, indem er erklärte, Zwist im Inneren mache tüchtig für den Krieg nach außen, der im übrigen aussöhnend wirken werde. Das war nur eine ermahnende Phrase: Der Krieg gegen die Türken würde die Europäer nicht aussöhnen, er setzte vielmehr die allgemeine Versöhnung voraus.
Der Kaiser musste sich auf jeden Fall angesprochen fühlen, auch weil ihn Hunyadi von Belgrad aus dringend aufforderte. Auf den 24. April 1454 berief er einen Reichstag nach Regensburg ein, zu dem sogar Herzog Philippe von Burgund erschien. Dieser sah in der Führerschaft eines Kreuzzugs ein probates Mittel, um sein Ansehen zu steigern, so dass ihm die Königskrone am Ende von Friedrich nicht mehr vorenthalten werden konnte. Der hatte keine Lust, dem Burgunder eine derartige Gelegenheit zur Profilierung zu gönnen. Also erschien Friedrich in Regensburg nicht selber, sondern schickte Aeneas Sylvius als Abgesandten. Außer Laberei ergab sich auf dem Reichstag somit nichts Konkretes. Ende September 1454 tagten die Reichsstände in Frankfurt ein zweites Mal, ohne Anwesenheit des Kaisers und ohne Ergebnis in der Türkenfrage. Die Fürsten boten zwar das Aufstellen von Truppen an, allerdings blieb die Finanzierung ungeklärt. Ohne Geld keine Reichsarmee, es gab ja kein stehendes Heer. Angesichts von Friedrichs Untätigkeit musste vorher mit ihm Rücksprache gehalten werden. Die Fürsten bestimmten: zu Pfingsten 1455. Endlich gab es dann eine Stellungnahme des Kaisers: Okay, es soll ein halber Zehnt im ganzen Reich ausgeschrieben werden, um das Reichsheer aufzustellen. Treffpunkt, um das Ergebnis dieser Sondersteuer zu beraten: Daheim in Wiener Neustadt, im Frühjahr 1456. Was ist mit der Reform des Landfriedens?, gaben die Fürsten zu bedenken. Wenn sie in den Krieg ziehen sollten, musste in ihrer Abwesenheit die Sicherheit daheim gewährleistet sein. Wie gesagt, antwortete der Kaiser, nächstes Jahr in Wien, dann schauen wir weiter. Er hatte nicht genügend Autoritätspunkte für eine Reichsreform, woher auch bei seiner Untätigkeit. Derweil handelten die Türken und marschierten auf Belgrad zu, das unbedingt von dem militärisch versierten Ungarn Hunyadi verteidigt werden musste.
Hunyadi saß zu dieser Zeit in Ungarn fest im Sattel, nachdem er eine Hofintrige um die Österreicher Eizinger und Cilli abgewehrt hatte: Es hatte das Gerücht gegeben, Hunyadi strebe den Tod des jungen Ladislaus an, um weiter alleine in Ungarn herrschen zu können. Doch Hunyadi konterte, er bewirkte die Entlassung der beiden Intriganten (die sich auch untereinander bekämpften) und bot im Sommer 1455 auf einem Landtag in Ofen den Verzicht auf alle seine Ämter an. Doch die große Mehrheit verlangte stürmisch sein Bleiben, worauf Hunyadi sicherlich spekuliert hatte. Im Ergebnis stand er gefestigt da, während Eizinger und Cilli desavouiert waren.
Die Verteidigung von Belgrad 1456 gegen die Türken glückte entgegen aller Wahrscheinlichkeit tatsächlich, weil sich unter einem Prediger ein fanatisches Volksheer mit 60.000 Mann gebildet hatte. Man kann sich vorstellen, welches Blutbad sich an den Mauern Belgrads ereignet haben muss. Die erfolggewohnten Türken wurden von den vereinten Kräften dieses Mobs sowie den Heeressoldaten des Hunyadi zurückgeschlagen und mussten bei ihrer Flucht ihre besten Kanonen zurücklassen. Sowohl Hunyadi als auch der Prediger schrieben sich den glänzenden Sieg zu, aber beide starben bald darauf. Der große Feldherr und ungarische Regent Hunyadi fiel im August 1456 einer Lagerseuche zum Opfer. Der Tod dieser beiden charismatischen Anführer war für den Sultan beinahe so viel wert, als wenn er die Schlacht von Belgrad gewonnen hätte.
Wer sollte nach dem Tod Hunyadis nun die Regentschaft für Ladislaus in Ungarn übernehmen? Es war die Stunde seiner Widersacher, Ulrich von Cilli sicherte sich dieses wichtige Amt. Er benutzte seine Vollmachten unter anderem dazu, die hemmungslose Bereicherung des Hauses Hunyadi während der Jahre ihrer Regierung in einem Prozess zu untersuchen. Als Vertreter der Hunyadi wurden die beiden Söhne Laszlo und Matthias vorgeladen, die sich vor Gericht so glänzend verteidigten, dass Cilli gezwungen war, sich öffentlich mit ihnen zu versöhnen.
Freispruch mit einer Bedingung: Laszlo Hunyadi hatte einige königliche Burgen unter seiner Kontrolle, die mussten an den neuen Regenten übergeben werden. Man fing mit der Festung von Belgrad an, deren Kommandant Laszlo war. Cilli hatte die Absicht, König Ladislaus mit sich nach Belgrad zu nehmen und Hunyadi in der Festung ermorden zu lassen, aber Hunyadi wurde beizeiten gewarnt und ließ nur Ladislaus und Cilli hinein, nicht aber deren Söldner. Am nächsten Morgen (dem 9. November 1456) griff Cilli während einer privaten Unterredung plötzlich Laszlo Hunyadi an. Die Freunde des Kommandanten hörten aber das Klirren der Waffen, griffen ein und streckten Cilli nieder. Der junge König, der in die Pläne eingeweiht war, verzieh daraufhin Hunyadi und schwor, dass er die Familie beschützen werde. Zum Zeichen seiner Aufrichtigkeit ernannte er Laszlo Hunyadi zum Schatzmeister und Generalkapitän des Königreichs. Hunyadi, der nichts Böses vermutete, begleitete den König nach Buda. Aber als er dort ankam, wurde er mit der Begründung festgenommen, dass er Ladislaus' Untergang plane. Ohne Einhaltung jeglicher legaler Formalitäten wurde Laszlo zum Tode verurteilt und am 16. März 1457 enthauptet. Dem jüngeren Hunyadi-Sohn Matthias, nun das neue Oberhaupt der Familie, erging es besser: Der 14jährige wurde im Kerker gehalten.
König Ladislaus stand kurz vor seinem 18. Geburtstag und erwartete sicher ungeduldig seine offizielle Regierungsfähigkeit.
Wie es sich für seinen Stand gehörte, war es für ihn auch an der Zeit zu Heiraten. Ladislaus reiste nach Böhmen, wo er ja auch König war, um in Prag eine Tochter des französischen Königs Charles VII. an den Altar zu führen. Doch kurz vor der Hochzeit erkrankte Ladislaus schwer und starb unvermittelt am 23. November 1457. Das war für das Haus Habsburg eine Katastrophe! Der Versuch, eine Gesamtherrschaft über Österreich, Böhmen und Ungarn zu schaffen, war gescheitert. Natürlich kamen direkt Gerüchte auf, Podiebrad habe etwas mit dem Tod des Königs zu tun gehabt (moderne Untersuchungen des Skeletts haben ergeben, dass Ladislaus nicht vergiftet wurde, er hatte Leukämie).
Jetzt ging es nämlich um die Frage, wer in Böhmen und Ungarn jeweils die Krone erben würde. Großes juristisches Kino: Friedrich III. argumentierte, Böhmen sei jetzt als herrenloses Königreich ans Reich gefallen, da Ladislaus nach seiner Krönung bei ihm als Kaiser nicht offiziell um seine Belehnung angefragt habe. So ein Quatsch, antworteten die Böhmen: Der Kaiser solle mal einen Blick in die Bestimmungen der Goldenen Bulle werfen. Darin sei doch klar geregelt, dass in einem solchen Fall den Böhmen selbst die Thronfolge anheim gestellt werde. Außerdem habe Karl IV. im Jahre 1348 für Böhmen die agnatisch-kognatische Erbfolge bestätigt. Man müsse also mal gucken, was mit den beiden Schwestern des verstorbenen Ladislaus wäre: Anna war mit dem Wettiner Herzog Wilhelm III. von Sachsen verheiratet. Damit kamen die Wettiner eher ins Spiel als die Habsburger. Und Elisabeth war mit König Kasimir IV. von Polen verheiratet, das berechtigte die Jagellonen zur Nachfolge.
Gegen die Sache mit der weiblichen Erbfolge konnte Friedrich III. schlecht angehen. Selbst die vertragliche Erbverbrüderung, die das Haus Habsburg und das Haus Luxemburg damals geschlossen hatten, sah ausdrücklich die Möglichkeit auch weiblicher Erbfolge vor. König Albrecht II. hatte sich das seinerzeit extra von den Böhmen bestätigen lassen. Daran war Friedrich III. nun auch zu seinem Nachteil gebunden. Er versuchte es mit einem neuen Argument: Für Böhmen sei das Habsburger Hausrecht anzuwenden (das die rein männliche Erbfolge vorschrieb), seitdem der Habsburger Albrecht II. 1438 die Krone Böhmens übernommen hatte. Also bestünde auch jetzt eine Art Anwartschaft der Habsburger auf den böhmischen Thron. Das war mal wieder eine der juristischen Spitzfindigkeiten, mit denen Friedrich III. so gerne und langatmig hantierte. Die Böhmen setzten der Laberei entschlossen ein Ende: Sie selber waren nach ihrer Ansicht berechtigt, über die Besetzung ihres Königsthrons zu bestimmen, und zwar durch Wahl. In Prag brachen regelrechte Tumulte aus, die Utraquisten gingen auf die Straße. Sie wollten ihren Mann durchsetzen, nämlich Georg Podiebrad. Es gab auch Unterstützer für die Kandidaten der Habsburger, der Wettiner und der Jagellonen, aber die wurden eingeschüchtert bzw. bestochen. Podiebrad sorgte für vollendete Tatsachen, ließ sich von den böhmischen Fürsten wählen und durch „seinen“ Erzbischof Rokycan krönen. Zack.
Noch schneller als in Böhmen sah sich Friedrich III. in Ungarn vor vollendete Tatsachen gestellt. Am Tage nach Ladislaus' Tod war Matthias, der Bruder des enthaupteten Laszlo Hunyadi, in Prag eingetroffen. Sofort behandelte Podiebrad den Knaben äußerst zuvorkommend, bot ihm sogar eine Tochter zur Ehe. Der gewiefte Politiker Podiebrad hatte ein Interesse daran, dass die nationalistischen Hunyadi in Ungarn am Ruder blieben – dann konnte dort nämlich kein Habsburger die Macht ergreifen, was ihn wieder in Böhmen bedroht hätte. Nach Möglichkeit sollte Matthias Hunyadi sogar ungarischer König werden, dann wäre das Thema „Habsburg in Ungarn“ endgültig abgehakt. In Ungarn roch es zunächst nach Erbfolgekrieg, denn neben Matthias Hunyadi beanspruchten die Habsburger und die Jagellonen den Thron für sich. Innerhalb Ungarn gab es jene, die für die Hunyadi waren und jene, die Grund dazu hatten, ihre Macht zu fürchten. Das waren jene ungarischen Adeligen, die die Hunyadis als traditionslose Emporkömmlinge verachteten, denen sie ihre persönliche Bereicherung neideten, und die Ladislaus als Garanten ihrer eigenen Zukunft bevorzugt hätten. Truppen wurden zusammengezogen, während parallel diplomatische Beratungen liefen. Da sollen die Truppen, die auf dem Eis der Donau zu frieren begannen, dem Hin und Her der Verhandlungen mit dem plötzlichen Aufschrei „Es lebe König Matthias“ ein Ende gemacht haben.
Entgegen aller dynastischer Rechte und Gewohnheiten siegte ein urwüchsiges ungarisches Nationalgefühl, das unter dem Druck der Türken entstanden war. Man merkt an solchen Ereignissen wie denen des Jahres 1457 in Böhmen und Ungarn, wie das Mittelalter allmählich endet und eine neue Zeit anbricht. Am 24. Januar 1458 wurde Matthias zum König gewählt und bestieg den ungarischen Thron. Die mittelalterlichen Traditionalisten in Ungarn reagierten darauf, indem sie Friedrich III. die Krone anboten. Praktischerweise war der noch im Besitz der Stephanskrone, so dass er sie sich in Wiener Neustadt gleich aufs Haupt setzen lassen konnte. Da war wieder das alte Problem: Der eine saß mit der rechten Krone am falschen Ort, der andere mit der falschen Krone am rechten Ort.
Blieb als letzter Teil aus Ladislaus' Erbe noch das Herzogtum Österreich. Nach dem Habsburger Hausrecht musste Friedrich III. das Prinzip der Gesamtherrschaft beachten, also mit seinen Verwandten teilen, namentlich mit seinem Bruder Albrecht und seinem Cousin Siegmund. Die zähen Verhandlungen darüber zogen sich bis Mitte 1458 hin. Siegmund erhielt die Vorlande, Albrecht einen Anteil an den Einkünften aus Gesamtösterreich und einen Posten im Rat. Wen wundert es bei all diesen Angelegenheiten, dass Friedrich III. als Kaiser weiterhin leider keine Zeit dafür fand, die Reichsreform voranzubringen? Ohne Landfrieden keine Bereitschaft der Fürsten, Teil eines Reichsheeres zu werden, von der Finanzierung ganz zu schweigen.
Um es vorneweg zu nehmen: Die Unfähigkeit zur Reichsreform zog die Unfähigkeit zur äußeren Verteidigung nach sich. Das war der Nenner, unter dem man die Kreuzzugsberatungen auch der folgenden Reichstage in den 1460ern zusammenfassen konnte. Nur wurde die Türkennot in der Zwischenzeit immer drängender. Ungarn allein hielt die Osmanen nicht mehr auf, nachdem sich der Sultan 1463 Bosnien unterworfen hatte. Von dort aus war der Weg durch Kroatien nach Krain, Kärnten und in die Steiermark nicht mehr weit, die ungarische Tiefebene konnte umgangen werden. Im Jahre 1469 fielen leichte Überfall-Einheiten zum ersten Mal in die innerösterreichischen Gebiete ein. Sie drangen von Möttling an der Kulpa aus bis in die Gegend von Cilli vor, töteten viele Einwohner, verbrannten die Felder und Weinberge, schleppten 20.000 Menschen in die Sklaverei. In den 1470ern kamen die Mordbrenner jeden Frühling wieder. Sie waren auf ihren flinken Pferden viel zu beweglich, um von der schlecht organisierten Landwehr ernsthaft gehindert werden zu können. Auf eine Belagerung verstanden diese Banden sich nicht, da das Mitführen von Artillerie und Belagerungsgerät sie ihrer Schnelligkeit beraubt hätte. Aber was außerhalb der Befestigungen von Laibach, Klagenfurt etc. verblieb, war ihnen gnadenlos ausgeliefert. Selbst ein Phlegmatiker wie Friedrich III. konnte nicht tatenlos zusehen, wie die Türken bis an die Krain rückten und immer wieder seine Ländereien verwüsteten. Schutz dagegen konnte dem Kaiser nur ein großer, siegreicher Feldzug nach Bosnien und Serbien hinein geben. Es geschah etwas „Unerhörtes“, der Kaiser begab sich höchstpersönlich zu dem nächsten Reichstag im Frühjahr 1471 in Regensburg. Im Reich machte sich Erleichterung breit, endlich nahm der Habsburger sich der Sache an. Aber jetzt, da es konkreter wurde, ging der Streit um die Erhebung der Reichssteuer erst richtig los. Fürsten, Ritter und Städte zankten wochenlang um die Lastenverteilung. Und selbst als die Steuererhebung leidlich skizziert war, musste das Geld ja auch noch tatsächlich eingetrieben werden. Am Ende kam konkret die Zusage zustande, gerade einmal gut 10.000 Mann zur bedrohten Südostgrenze des Reiches zu schicken. Da hatten Kaiser und Reichsfürsten nach jahrelanger Beratung nicht sonderlich viel realisiert. Von einer Koalition mit Frankreich, Burgund und Italien ganz zu schweigen.
Einer, der es wissen musste, sah dieses magere Ergebnis schon 1458 voraus, als Friedrich III. noch mit dem Nachlass des Ladislaus beschäftigt war: Aeneas Sylvius, der Berater des Kaisers. Der Bischof hatte in diesem Jahr einen bedeutenden Karrieresprung gemacht, er wurde nach dem Tod von Calixt III. zu dessen Nachfolger gewählt und nannte sich fortan Pius II. (1458-1464). Als Papst berief er für 1459 sogleich einen Fürstenkongress nach Mantua ein, um neuen Schwung in die Türkenfrage zu bringen. Dass sein früherer Arbeitgeber Friedrich III. lediglich eine nicht standesgemäße Delegation schickte, bestätigte Pius II. in seiner langjährigen Kenntnis von dessen geizigem und phlegmatischem Charakter, und er gab sich keinen Illusionen hin, den Kaiser aufrütteln zu können. Mit England sah es nicht besser aus, hier saß der depressive Henry VI. auf dem Thron und das Land versank gerade im Bürgerkrieg. Wirklich enttäuschend war, dass selbst der Herzog von Burgund nicht persönlich erschien, obwohl Philippe doch so lauthals die Führung gegen die Türken für sich beansprucht hatte. Doch der Burgunder musste gerade vor Frankreich auf der Hut sein und konnte es sich nicht erlauben, in so einer Situation außer Landes zu gehen. Frankreich stellte für seine Teilnahme an dem Kongress die Vorbedingung, dass der Papst den französischen Anspruch auf Neapel voranbringt. Die französischen Ambitionen veranlassten wiederum den neuen König von Neapel, Ferdinand I. (1458-1494), dazu, lieber zu Hause zu bleiben. Weil die Großen alle absagten, zeigten sich auch Florenz und Mailand nicht bereit, im Alleingang zu handeln. Nur Venedig war zum Handeln bereit – was kein Wunder war, waren es doch ihre Handelsposten im östlichen Mittelmeer, die die Türken unter ihre Kontrolle brachten. Jahrelang strampelte sich Pius II. bis zu seinem Tod 1464 redlich ab, die christliche Koalition doch noch auf die Beine zu stellen. Vergeblich.
In Deutschland war man inzwischen ebenfalls unzufrieden mit der Untätigkeit des Kaisers in Sachen Reichsreform. Die Kurfürsten dachten darüber nach, Friedrich III. abzusetzen, grundsätzlich hatten sie ja die Befugnis dazu. Das Problem war, dass der Habsburger bereits vom Papst zum Kaiser gekrönt worden war, und deshalb hätte der einer Absetzung mit zustimmen müssen. Wenn sich Friedrich III. aber mit jemandem gut verstand, dann war das der Papst. Eine bloße Absetzung war rechtlich also nicht machbar. Es musste ein anderer Weg gefunden werden. Die Kurfürsten kamen auf die Idee, man könne doch unterhalb des Kaisers einen „geschäftsführenden“ König ernennen, der anstelle des faulen Friedrich III. die Sachen in die Hand nimmt. Die Position des Römischen Königs parallel zum Römischen Kaisers war nicht neu, das war in der Vergangenheit aber die Bezeichnung für den Sohn und designierten Nachfolger des amtierenden Kaisers gewesen. Es wurde also ein bewährter Name mit einem neuen Verständnis gefüllt. Okay, fragten sich die Kurfürsten, wer soll diesen Job machen? Philippe von Burgund – zu mächtig, zu heikel. Der Habsburger Albrecht – der war Brandenburg und Sachsen nicht recht. Wie wäre es dann mit dem Wittelsbacher Friedrich I. von der Pfalz?
Friedrich I. „der Arrogator“ von der Pfalz
Der führte seit 1451 die Herrschaft über die Pfalz, nachdem sein Bruder Ludwig IV. gestorben und dessen Sohn mit einem Jahr Alter natürlich noch zu jung für die Nachfolge war. Um die Pfalz mit Zustimmung der Kurfürsten und des Papstes übernehmen zu können, adoptierte Friedrich seinen Neffen und verzichtete für sich auf den Abschluss einer Ehe und somit auf das Zeugen eigener legitimer Erben. Dieser Vorgang heißt Arrogation, Friedrich I. wurde deshalb auch als „der Arrogator“ bezeichnet. Der Arrogator war damals 27 Jahre alt, ein glänzender Ritter, tüchtiger Politiker und zupackender Administrator – die Pfalz war zu klein für seinen Ehrgeiz. Das war der Typ eines Fürsten, mit dem Friedrich III. am wenigsten zu tun haben wollte, die beiden unterschieden sich wie Feuer und Eis. Man kann sich also vorstellen, was Friedrich III. von dem Vorschlag hielt, den Arrogator zum geschäftsführenden König zu krönen. Der Habsburger erkannte richtig, dass er dann zu einem bloßen Zeremonienmeister degradiert worden wäre, zuständig nur noch für repräsentative Aufgaben. Verbündete gegen den Plan der Fürsten hatte Friedrich schnell gefunden: Albrecht Achilles von Ansbach war ebenfalls gegen den Arrogator, denn der Wittelsbacher wäre dann zum dominierenden Herrscher in Süddeutschland geworden. Und dem Papst schmeckte diese Abwertung des Kaisertums schon grundsätzlich nicht.
Friedrich III. musste mal wieder keinen Finger rühren, um im Reich präsent zu sein. Das erledigte Ansbachs Albrecht Achilles für ihn, der war ein exzellenter Politiker und Feldherr. Die Wittelsbacher reagierten, indem Bayern und Pfalz 1458 vorsorglich ein Bündnis schlossen. Da musste Albrecht Achilles natürlich nachziehen, Ansbach schloss sich mit Hessen, Sachsen, Württemberg, Baden und Mainz zusammen. Es roch mal wieder nach Krieg in Süddeutschland. Albrecht Achilles zögerte, das Schwert gegen Bayern zu ziehen. Sein Verbündeter Wilhelm von Sachsen mahnte, die Dinge wegen der ungeklärten Haltung Böhmens in seinem Rücken nicht zu übereilen. Albrecht Achilles schaltete sich ein und klärte die Sache: Die Wettiner in Sachsen verzichteten auf ihren Anspruch auf die böhmische Krone. Der Krieg gegen Bayern und die Pfalz konnte losgehen.
Podiebrad durfte zufrieden sein. Da er gerade so umworben wurde, fragte er gleich mal bei Friedrich III. nach, ob der ihn nicht endlich als böhmischen König anerkennen könne. Böhmen würde dann nicht nur die Reichsacht gegen Bayern unterstützen, sondern auch dem Kaiser dabei helfen, in Ungarn Matthias Hunyadi vom Thron zu stoßen. Zwischen Österreich und Ungarn lief bald der Waffenstillstand ab. Und da der Krieg in Süddeutschland für Albrecht Achilles sich gerade schlecht entwickelte, konnte Podiebrad dem Kaiser noch zu bedenken geben, dass die Kurfürsten sich auch ihn durchaus für die Position des Römischen Königs vorstellen konnten. Immerhin schrien die Verwüstungen des laufenden Krieges sowie die Missernte von 1460 dringend nach einer entschlossenen Führung des Reiches. Friedrich III. reagierte so wie gewohnt: Er reagierte nicht darauf – und kam damit durch. Podiebrad hatte sich mit dem Ausgreifen auf den Römischen Königstitel überschätzt, denn bei den Kurfürsten besann man sich darauf, dass Podiebrad nicht nur böhmischer König, sondern auch Anführer der ketzerischen Utraquisten war. Das machte ihn für die römische Krone unmöglich, sie konnte nur an lupenreine Katholiken gehen. Podiebrad wäre wohl bereit gewesen, sein Fähnlein nach dem Wind zu drehen. Doch zuhause stellten sich drohend die Utraquisten vor ihm auf und ermahnten ihn, in Glaubensfragen nicht umzukippen. Podiebrad musste klein beigeben, er hatte zu hoch gepokert.
Zurücklehnen konnte sich der Kaiser eigentlich nicht. Ungarn war weiter in der Hand von König Matthias Hunyadi. Der wird übrigens auch Matthias Corvinus genannt, wegen des Raben in seinem Wappen.
Die Kurfürsten waren immer noch sauer wegen der Untätigkeit des Kaisers, der Krieg in Süddeutschland tobte, und in Österreich hatte man auch die Faxen dicke, weil die Türken und marodierende Raubritterbanden das Land unsicher machten, ohne das Friedrich III. etwas dagegen unternahm. Der Kaiser beschäftigte sich zu dieser Zeit lieber mit der Prägung einer neuen Münze, was seiner Neigung zur Betrachtung von Edelmetallen zweifellos entgegenkam. Die Probleme allerorts ignorierte er. Jetzt reicht es, beschlossen die Österreicher, und fragten 1461 Erzherzog Albrecht, ob der nicht mit Waffengewalt für Ordnung im Land sorgen könne. Notfalls auch gegen den Willen und gegen die Truppen seines Bruders.
Albrecht zögerte zunächst, aber als Matthias von Ungarn ihm Unterstützung zusagte, fasste er Mut und erklärte seinem Bruder Friedrich III. den Krieg. Bald darauf wurde Wien von Truppen aus Österreich, Ungarn und Bayern belagert. Weil Ansbach im Krieg gegen Bayern einen klar negativen Warscore hatte, musste der Kaiser jemand anders um Vermittlung bitten. Das konnte nach Lage der Dinge ausgerechnet nur der Böhme Podiebrad sein, den Friedrich III. kurz zuvor noch düpiert hatte. Podiebrad verpflichtete den Kaiser, sich wegen dieser Utraquisten-Geschichte für ihn positiv beim Papst zu verwenden. Anschließend reichte die Drohung Böhmens, in Österreich einzumarschieren: Albrecht musste mit seinem Bruder einen Waffenstillstand schließen und die Belagerung von Wien abbrechen. Der Erzherzog verzieh dem Böhmen den erzwungenen Frieden nicht mehr. Podiebrad setzte noch einen drauf und erklärte Böhmens Kriegseintritt auf Seiten Bayerns und der Pfalz gegen Ansbach. Der Kaiser versuchte noch, das Ruder zu wenden und forderte die ihm unterstehenden Reichsstädte (Nürnberg, Ulm, Frankfurt etc.) zum Eingreifen auf. Die verhielten sich wie sonst der Kaiser: Gemach, wir müssen mal gucken. Da blieb dem bereits angeschlagenen Albrecht Achilles nur noch übrig, 1462 einem Frieden mit den Wittelsbachern zuzustimmen.
Der Krieg war aus, jetzt konnte es endlich weitergehen mit der Reichsreform und der Türkenfrage? Nein, konnte es nicht. Der Reichsmarschall musste im Oktober 1462 vor die versammelten Fürsten in Regensburg treten und sie auffordern, seinem Herrn Hilfe zu bringen: der Kaiser werde von seinen eigenen Untertanen, den Bürgern von Wien, in Wien selbst belagert, sein Schloss werde beschossen, sogar sein Leben sei in Gefahr. Bald war die Lage wie zuvor: Erzherzog Albrecht verbündete sich mit den Bürgern und schickte Verstärkung für die Belagerung. Wieder war der Kaiser in solcher Not, dass er jetzt befahl, die Wiener Stadtteile um seiner Burg in Brand zu schießen. Und wieder sollte Böhmen ihn raushauen. Podiebrad schickte seinen Sohn mit einem Entsatzheer, das sich im November 1462 mit Albrechts Truppen vor Wien eine Schlacht lieferte, die unentschieden ausging. Trotzdem musste der Erzherzog wieder Frieden schließen: Böhmen hatte Reserven im Rekrutenpool, er nicht. Ohne Beteiligung des Kaisers bestimmte Podiebrad im Friedensvertrag, dass Albrecht für die Dauer von acht Jahren Niederösterreich vom Kaiser übernimmt und diesem aus den Einkünften jährlich 4.000 Gulden abgibt. Also eine Art Frieden mit „Kriegsreparationen 10% der Einnahmen“, die Friedrich III. akzeptieren sollte. Der Kaiser nahm den Vertrag widerspruchslos an, die Wiener Bürger stimmten aus Kriegsmüdigkeit zu.
Für seinen Einsatz ließ sich Podiebrad jetzt wahrhaftig „fürstlich“ vom Kaiser entlohnen: Die Söhne Podiebrads wurden in den Reichsfürstenstand erhoben, falls Friedrich III. vor der Volljährigkeit seines Sohnes Maximilian stürbe, sollte der Böhme dessen Vormund mit einer jährlichen Zahlung von 100.000 Dukaten werden, und falls sowohl Friedrich III. als auch Maximilian ohne Erben stürben, sollte Podiebrad ihre Hauslande erben!
So dankbar, wie der Kaiser dem Böhmen für seine Rettung war, so sehr war das Verhältnis zu seinem Bruder Albrecht nun zerrüttet. Das sollte nicht lange andauern, Friedrich wurde von seinem Bruder durch dessen Tod am 2. Dezember 1463 befreit. Wahrscheinlich starb der Erzherzog an den Spätfolgen einer Seuche. Das Verhältnis zwischen Friedrich III. und seinem Cousin Siegmund dagegen war vielleicht, beim Aufteilen von Albrechts Besitz wurden sie sich durchaus einig. Wenn es ums Geld ging, griffen beide gerne zu – der eine aus Raffsucht, der andere aus Verschwendungssucht. Die Verhältnisse in Österreich waren wieder geklärt, Friedrich III. war nun selber der Erzherzog und rechnete genüsslich mit den Anführern des Bürgeraufstands ab. Sie wurden vom Scharfrichter geköpft, mit Ausnahme des Bürgermeisters – für den war das zu milde. Er wurde erst gefoltert und dann gevierteilt.
Es ging wieder aufwärts für den Habsburger. In Ungarn stand Matthias Corvinus so unter dem Druck der Türken, dass er den Kaiser als Fürsprecher einer christlichen Koalition benötigte. Der Deal war, dass Friedrich III. ihn als König anerkannte, der kinderlose Matthias auf das Gründen einer Dynastie verzichtete und Friedrich III. bzw. dessen Sohn Maximilian als seine Nachfolger akzeptierte. Über Ungarns Zukunft würde also weiterhin der kaiserlich-habsburgische Doppeladler schweben. Weil also gerade Ausgleichspolitik angesagt war, kam Friedrich III. auch mit den Wittelsbachern zu einem Weißen Frieden überein: Bayern verzichtete auf seine Eroberungen aus dem Krieg gegen Ansbach, dafür nahm der Kaiser Bayern und die Pfalz aus der Reichsacht. Schwamm drüber über den Krieg, der Süddeutschland verwüstet hatte.
Also dann, ein neuerlicher Anlauf, genügend Reichsautorität für die Reichsreform zu sammeln. Aber den torpedierte der Kaiser versehentlich selbst, es ging in diesem Fall um den Norden des Reiches. Dazu muss ich kurz ausholen: Nach dem Tod des Grafen von Holstein und Herzog von Schleswig Adolf VIII. im Jahre 1459 war seine Linie ausgestorben. Holstein war ein Lehen des Reichs, Schleswig ein Lehen vom Königreich Dänemark. Als Lehensmann des dänischen Königs war Adolf Mitglied des Kopenhagener Reichsrats gewesen. 1444 hatten ihm die dänischen Stände sogar die freigewordene Königskrone angeboten, aber er hatte abgelehnt und auf seinen Neffen verwiesen: Christian, Graf von Oldenburg und Delmenhorst, ein Halbdäne. Der bestieg als Christian VI. den Thron und erfreute sich des besten Einvernehmens mit seinem Onkel, zum Beispiel beim Niederschlagen der freiheitsbewussten Bauern in Dithmarschen, aber auch wegen seiner Bereitschaft, die Trennung Schleswigs vom Königreich Dänemark anzuerkennen. Das dänische Reichsgesetz sah nämlich vor, dass eine Personalunion als König von Dänemark und Herzog von Schleswig nicht gestattet war. Christian VI. wäre in Schleswig aber der Erbe seines Onkels gewesen, also sollte das Herzogtum beim Reich bleiben und durch einen der Brüder von Christian geerbt werden.
Als Adolf VIII. dann 1459 starb, hatte Christian VI. das dänische Recht inzwischen ändern lassen und ließ sich doch zum Herzog von Schleswig und Graf von Holstein wählen. Seine Brüder schob er zur Seite, wohl gegen Geld erklärten sie artig ihren Verzicht. Nach deutschem Reichsrecht war es zulässig, dass ein außerhalb des Reiches stehender Herrscher auch Lehensträger innerhalb des Reiches sein konnte (ein solches Verbot kommt in EU4 erst mit einer der späteren Reichsreformen). Es war nicht einmal verboten, dass sich ein solcher Herrscher gar die Kaiserkrone aufsetzte, wenn ihn die Kurfürsten nur wählten. Christian VI. unterließ es lediglich, sich ordnungsgemäß vom Kaiser belehnen zu lassen, und das konnte man ihm formal ankreiden.
Kurfürst Friedrich von Brandenburg machte es dem Kaiser gegenüber geltend, weil er gerne selber Graf von Holstein werden wollte. Aber die Situation im Reich war damals nicht danach, Dänemark zu etwas zwingen zu können, es lief gerade der Streit um die Position des neuartigen Römischen Königs. Friedrich III. entschloss sich auch hier wieder dazu, gar nichts zu unternehmen. Christian VI. hatte ihn nicht um Belehnung gebeten, also erkannte er ihn stillschweigend auch nicht an. Im Norden hatte er als Kaiser eh nichts zu melden, hier war stattdessen die Hanse der Konkurrent Dänemarks. Aber selbst für die Hanse interessierte sich Friedrich III. nicht, obwohl er sie vielleicht hätte nutzen können, denn der Bund der Kaufleute roch ihm zu sehr nach Republik. Das war nichts für den erklärten Aristokraten Friedrich.
Noch so eine republikanische Veranstaltung war das erwähnte Dithmarschen. Schlimmer noch als die Hanse, denn hier hatten sich Bauern 75% Autonomie von ihrem Lehnsherrn, dem Erzbischof von Bremen, erstritten. Nach guter feudaler Art sah Friedrich III. die renitente Bauernrepublik als „herrenlos“ an. Die Lehnspyramide hatte lückenlos zu sein – kein Land ohne einen Herren, war das entsprechende Prinzip. Widerborstige Landbewohner mochten derzeit die tatsächliche Macht ausüben, das zählte nach seiner Rechtsauffassung aber nicht als feudale Herrschaft. Der Nutznießer von Friedrichs Haltung war Dänemark: Christian VI. erhielt die Erlaubnis, sich Dithmarschen zu unterwerfen und es mit Holstein zu einem neuen Herzogtum des Reiches zu verbinden. Sicher freute sich der dänische König darüber. Nur: Die Dithmarscher und die Hansestädte sorgten bald dafür, dass der Kaiser seinen Rechtsirrtum bemerkte, und Christian VI. sah sich bei schlechtem Wetter in einem unangenehmen Unterwerfungsfeldzug gegen kampfbereite Friesenbauern.
Der Kaiser musste sich vom Bremer Erzbischof belehren lassen, dass die Argumente der Bauern in Dithmarschen rechtlich in Ordnung waren, und nahm 1481 die Belehnung Christians mit diesem Land zurück. Der aber war gestorben, kurz bevor die Nachricht Kopenhagen erreichte, und seine Nachfolger scherten sich nicht um das kaiserliche Machtwort. Friedrich III. zuckte mit den Schultern und suchte nach dem nächsten Fettnäpfchen. Damit wären wir bei dem Rundblick beim Deutschen Orden.