[AAR] Der Sprung des Löwen (England)

AAR u.a. zu Spielen der Total War Reihe

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 9. Oktober 2012 15:44

Die Konsolidierung der englischen Vorherrschaft im Abendland, das große Sterben der Päpste und die Eroberung der iberischen Halbinsel

Am 29. Dezember 1367 verstarb nach kurzer und rätselhafter Krankheit der König des Heiligen Römischen Reiches, Karl IV., in Prag. Über einen langen Zeitraum hielten sich hartnäckige Gerüchte, dass die Anwesenheit seines Sohnes Ruprecht damit unmittelbar im Zusammenhang stehen könnte. Vater und Sohn hatten sich aufgrund ihrer völlig gegensätzlichen Meinung zum Friedensschluss mit England 1364 überworfen. Ruprecht hatte bis 1367 seine Zeit in einer der prächtigen böhmischen Burgen abgesessen und wie eine tückische Spinne im Netz auf eine günstige Gelegenheit gewartet, seinen Vater zu beseitigen. Und diese hatte sich scheinbar anlässlich des Weihnachtsfestes 1367 in Prag ergeben.

Glaubt man der neueren Forschung, so kann durchaus angenommen werden, dass Karl an einer Vergiftung starb. Ob ein zum Weihnachtsfest gereichtes Pilzgericht die Ursache war und sich in diesem aus Versehen oder absichtlich ein giftiges Exemplar befunden hatte, bleibt ungeklärt.
In jedem Fall lässt sich aber die Anwesenheit Ruprechts und der plötzlichen Tod Karls IV. nur mit einem bitteren Beigeschmack betrachten.

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Ruprecht, der schon 1363 durch Karl zum Mitregenten bestimmt wurde, riss das politische Ruder nach dem Tod seines Vaters herum und nahm den unversöhnlichen anti-englischen Kurs seiner Vorgänger wieder auf. Mit Weggefährten seines Vaters, die laut ihren Unmut über den Kurswechsel äußerten, machte Ruprecht kurzen Prozess. In den Chroniken Prag ist nachzulesen, dass allein im Februar 1368 mehr als 30 Köpfe rollten.
Umgehend ließ Ruprecht im Frühling 1368 ein neues Heer ausheben und unter Péter Trčka von Lípa im Juni nach Westen in Marsch setzen. Das Reichsheer sollte nach Bayern vorstoßen und Nürnberg nehmen. Zur gleichen Zeit marschierte das Italienheer unter Graf Ortwinus von Otterbach in Richtung Brenner, um sich später in Bayern mit dem Reichsheer Péters zu vereinigen.

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Zum Glück gelang es englischen Meldereitern von Venetien aus, die Strecke nach Bayern um ein Vielfaches schneller zurückzulegen als der langsame Heerwurm Otterbachs.
Und auch dem englischen Gesandten am Prager Hof, Charles Merret, gelang es kurz vor der Ausweisung noch, entsprechende Botschaften über den Marschbefehl Péters an den Grafen von Hereford in Nürnberg abzusenden.

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Sicherlich war Hauptmann Péter überrascht, als er im August entdecken musste, dass ein englisches Heer unter dem Befehl Herefords ihn übertölpelt hatte und kurz vor Prag stand.
Hereford war wohl bewusst darauf aus, den Heerführer Ruprechts vor dessen Augen zu demütigen. Leider entzogen sich Péter und sein Heer immer wieder der Umklammerung durch das englische Heer und setzten sich in die dichten böhmischen Wälder ab, um sich andernorts wieder zu vereinigen. Péters Strategie war durchaus schlau, baute er doch darauf, dass er irgendwann mit der Verstärkung aus Oberitalien rechnen konnte. Im Verhältnis zwei zu eins wollte er das Heer des Engländers vernichten und anschließend in Bayern einmarschieren.

Doch gab es weit im Süden so wichtige Entwicklungen, dass die Lambertazzis das Heer Otterbachs nach Bologna zurückriefen und Péter in Böhmen vergeblich auf die Hilfe aus Italien wartete.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 10. Oktober 2012 16:28

Während der Graf von Hereford durch das Katz- und Mausspiel Hauptmann Péters in Böhmen langsam die Geduld verlor, entwickelte der alternde Herzog von Portugal, Henry Fitzroy, einen ungeahnten Tatendrang bezüglich eines in den letzten Jahren immer größer gewordenen Problems.

Der ehemalige Hauptmann des besiegten kastilischen Königs Peter I., Don Alvarado Ferrand, hatte sich im Süden Portugals niedergelassen und Faro zu seiner Hauptstadt gemacht. Obwohl er in seiner Weigerung sein Heer aufzulösen gegenüber dem Herzog von Portugal standhaft geblieben war, konnte doch im August 1360 eine Einigung erzielt werden. Henry Fitzroy hatte Ferrand kurzerhand zum Grafen der Algarve und sich somit den plötzlich in den englischen Hochadel erhobenen Kastilier tributpflichtig gemacht.

Das Lehensverhältnis funktionierte ganze sechs Jahre recht gut. Bis Ferrand damit begann, intensiv Küstenpiraterie zu betreiben. Immer häufiger kam es vor Kap Sankt Vinzenz zu Überfällen auf unbewaffnete Kauffahrer, die durch die als Fischer verkleidete Soldaten Ferrands verübt wurden.
Als im Oktober 1367 jedoch eine der reich beladenen Handelsgaleeren unter englischer Flagge in die Hände Ferrands fiel, war der Herzog von Portugal zum Handeln gezwungen. Er sandte eine schriftliche Aufforderung an den Lehensträger, die erbeuteten Schätze umgehend herauszugeben und sich in Lissabon am herzoglichen Hof einzufinden.

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Ferrand dachte jedoch gar nicht daran, seine Beute – die sich auf einen reinen Warenwert von ca. 85.000 Dukaten belief – wieder abzugeben. Mit seinem Heer im Rücken war er sich ziemlich sicher, dass Henry Fitzroy keine militärischen Schritte gegen ihn unternehmen würde.
Mit dieser Sicherheit setzte er das Treiben fort und bis Ende des Jahres brachte er noch zwei weitere – diesmal schwer bewaffnete – Mittelmeerkoggen aus Marseille auf.

Der Herzog von Portugal sandte eine letzte Aufforderung an Ferrand, umgehend nach Lissabon zu kommen, um sich für die Überfälle zu verantworten. Als bis zum Osterfest 1368 keinerlei Reaktion auf die Vorladung erfolgte, stellte Henry Fitzroy ein Heer auf. Dieses bestand zu einem Teil aus Veteranen aber auch aus den neu aufgestellten portugiesischen Milizen. Über gut gebaute und fabelhaft instandgehaltene Straßen und Wege kam das Heer des Herzogs schnell voran und erreichte bereits vier Wochen nach dem Abmarsch das Gebiet der Algarve.

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Ferrand war durch das schnelle Erscheinen des Herzogs etwas überrascht und hatte Mühe, seine Armee zu sammeln. Um diese stand es auch nach den vielen Jahren des Müßiggangs nicht mehr zum Besten. Viele seiner Männer waren in der Region sesshaft geworden, hatten ihre Familien aus Kastilien hierhergeholt oder sich neu verheiratet. Die meisten gingen ihren alten Berufen nach und hatten wenig Lust, das einfache aber recht sichere Leben wieder aufzugeben. Nur unwillig reagierten sie auf den Ruf ihres alten Anführers. Lediglich der nach Blut und Beute gierende Abschaum, den man wohl in jedem Heer findet, eilte zu seiner Fahne. Die meisten der Hallunken waren auch weiterhin ihrem blutigen Handwerk treu geblieben, hatte Schiffe überfallen oder Plünderungszüge auf kastilisches Gebiet unternommen.

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Henry Fitzroy gelang es tatsächlich durch seinen beherzten und schnellen Vorstoß, Ferrands unwillige Truppen bis zur Küste hin abzudrängen. Da es keine Rückzugsmöglichkeit für den Kastilier mehr gab, stand er vor der Wahl, entweder zu kämpfen oder sich zu ergeben. Ferrand musste schnell handeln, liefen ihm doch nachts immer mehr seiner Soldaten davon. Die meisten der Flüchtigen aus seinem Heer schlugen sich zu ihren Angehörigen durch oder verstärkten das Heer des Herzogs in der Hoffnung, den Kampf so zu überleben.

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Die schließlich bei Quarteira geschlagene Schlacht dauerte nur eine knappe Stunde und endete mit einem Sieg Henry Fitzroys. Auch dieses Mal hatten sich die Milizen, die beide Flügel des Heeres bildeten, tapfer geschlagen. Der Herzog bedauerte nur die unzureichende Anzahl ihm zur Verfügung stehender schwergepanzerter Reiter, die den Sieg noch glanzvoller gemacht hätten. Fitzroy war sich aber bewusst, dass die begonnene Reorganisation des Heeres weitergeführt werden musste, da aus England auch in nächster Zeit keine Verstärkung zu erwarten war. Tatsächlich kamen die Mitglieder des Kronrates in England überein, dass Henry Fitzroy die Situation mit großem Bravour gemeistert hatte und vorerst keine Verstärkung für Portugal notwendig war.

Und die Zustände im Inneren der iberischen Halbinsel gaben nicht nur dem Kronrat recht, sie zerstreuten auch die Befürchtungen des Herzogs von Portugal: Zwar war es dem vereinigten Heer Heinrichs II. von Kastilien 1366 endlich gelungen, die muslimische Invasion vor Toledo zu stoppen, doch verlor der kastilische Herrscher in der gewaltigen Schlacht nicht nur seine gesamte Armee, sondern auch sein Leben. Die Überreste des feindlichen Heeres versuchten sich noch nach Afrika durchzuschlagen, wurde aber durch die Truppen kastilischer Baron und Grafen komplett aufgerieben.

Da Heinrich II. kinderlos gestorben war, begann sofort nach seinem Tod der Kampf um sein Erbe. Bis Ende 1367 bildeten sich nicht weniger als sechs Königreiche in Iberien, deren Herrscher kaum weniger prunkvoll residierten, als die Könige Kastiliens vorher. Während das Königreich Leon im Norden jedoch durch ständige blutige Fehden im Niedergang begriffen und bis auf die Hauptstadt nahezu überall Mord und Gewalt an der Tagesordnung war, führten die Herrscher von Toledo, Saragossa, Valencia, Cordoba und Granada ihre kleinen Reiche zu neuer Blüte.

Doch währte die friedliche Koexistenz auf der iberischen Halbinsel nur kurz. Bereits im Frühsommer 1368 gingen sich zuerst Cordoba und Granada, kurz darauf Saragossa und Valencia an die Kehlen. Die Entwicklungen in Kastilien wurden sowohl von Portugal als auch von Südfrankreich aus aufmerksam beobachtet. Besonders die Grafen der englischen Grenzmarken wurden angewiesen, ein Übergreifen der Kämpfe zwischen den rivalisierenden Reichen auf das eigene Reichsgebiet mit allen Mitteln zu verhindern.

Was schließlich beim englischen König John dazu führte, über ein Eingreifen auf der iberischen Halbinsel nachzudenken, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Ob er die inneren Zustände einfach als eine günstige Gelegenheit wahrnahm, die Macht seines Reiches zu mehren, ob er sich vor den Mitmonarchen des Abendlandes kriegerisch ermannen wollte oder ob es die unzumutbare Behandlung eines englischen Gesandten am königlichen Hof zu Toledo war – das bleibt alles spekulativ.

Doch hatte König John sein Hauptaugenmerk vorerst auf die Sicherung seiner Ostgrenzen zu richten. Aus diesem Grund überquerte er den Kanal im August 1368, reiste über Brügge, Gent, Aachen, Frankfurt und Nürnberg weiter nach Osten und erreichte das englische Heer des Grafen von Hereford in der Nähe von Prag, als der erste Schnee fiel.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 12. Oktober 2012 11:51

Am 29. November 1368 hatte König John die Führung des englischen Heeres in Böhmen übernommen und vor den versammelten Truppen verkündet, dass er unmittelbar auf Prag marschieren wolle, um entweder den Feldherren des Reichsheeres zur Schlacht zu zwingen, oder aber sich für alle erlittenen Beleidigungen an den Reichtümern der Stadt schadlos zu halten.

Warum Hauptmann Péter eigentlich alleine gegen die Engländer in Böhmen stand und vergeblich auf Verstärkung aus Italien wartete, sei noch schnell erklärt:
Papst Innozenz VI., mittlerweile ein Greis von 76 Jahren, hatte viele Jahre vergeblich bei den verbliebenen Regenten und Fürsten des Abendlandes um Unterstützung bei der Rückeroberung Roms nachgefragt. Vor allem von der englischen Königin – auch wenn diese in der Zwischenzeit um ihr Überleben gekämpft hatte – war er am meisten enttäuscht.
Nach beinahe 10 Jahren im Exil hatte Innozenz im Juli 1368 endlich zu einem allgemeinen Kreuzzug gegen das Königreich Sizilien und seinen mittlerweile zum König gekrönten Teofilatto aufgerufen.

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Innerhalb kürzester Zeit erreichten den Heiligen Vater in Avignon die Nachrichten über die Kreuznahme des Königreichs Ungarn, Polens und Dänemarks. Und auch die Lambertazzis in Bologna, wahrscheinlich um sich – wie alle anderen auch – ein großes Stück vom Kuchen abzuschneiden, erklärten dem Papst ihre nahezu uneingeschränkte Unterstützung. Mit der Zusage aus Bologna für das Kreuzzugsunternehmen aber erklärten die Lambertazzis gleichzeitig die Abkehr von Karls Sohn Ruprecht, der somit in Böhmen auf sich allein gestellt war. Welche Meinung der Heerführer des italienischen Reichsheeres, Graf Ortwinus von Otterbach, in der ganzen Sache vertrat, darüber lässt sich nur spekulieren. Als Anführer eines wohlgerüsteten Söldnerheeres folgte er wohl jedem Befehl, vorausgesetzt, der Sold für seine Männer traf pünktlich ein.

Dass beinahe zur gleichen Zeit, in der Innozenz VI. zum christlichen Kriegszug wider die Sizilianer aufgerufen hatte, auch das Kaiserreich Byzanz dem süditalienischen Reich den Krieg erklärte, ist nicht verwunderlich. Johannes V., Herrscher der Überreste des oströmischen Reiches, hielt es augenscheinlich für eine passende Gelegenheit, sich endlich wieder in den Besitz Süditalien und weite Teile Siziliens zu bringen. Seiner Ansicht nach musste der Kampf gegen die Kreuzzugsheere im Norden die sizilianischen Kräfte im Süden Italiens entscheidend schwächen. Eine tatsächliche byzantinische Invasion fand aber trotz der perfekten Gelegenheit nicht statt, das Reich litt einmal mehr an chronischer Geldknappheit…

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Und während sich im Norden und im Osten die zur Kreuznahme bereiten Könige langsam daran machten, Truppen für das gewaltige Unternehmen anzuwerben, forderte John, König von England, vor den Toren Prags den gewaltsamen Einlass.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 12. Oktober 2012 16:23

Während der Graf von Hereford bisher eher einer vorsichtigen Strategie den Vorzug gegeben hatte, ließ der englische König niemanden im Zweifel darüber, den Konflikt in Böhmen endgültig und vor allem gründlich zu beenden.

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Bereits drei Tage nach seinem Erscheinen vor Prag, lagerten die in Nürnberg geschmiedeten Bombarden in Ihnen Widerlagern gegenüber dem Wenzel-Tor. Es genügten insgesamt sechs Schuss, um die schweren Eichenflügel des Stadttores in Trümmer zu verwandeln.
Die Gewalt des daraufhin einsetzenden allgemeinen Sturmes auf das offene Tor spülte die wenigen zur Verteidigung eingesetzten und nur notdürftig bewaffneten Prager Handwerker und Kaufleute einfach hinweg.

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Lediglich die schwer bewaffneten Ritter Ruprechts lieferten den in die Stadt flutenden englischen Truppen blutige Gefechte. Die Hauptlast der heftigen Angriffe der schweren böhmischen Ritter Ruprechts trugen drei große Abteilungen schwerer oberdeutscher Söldner. Diese hatten sich, den Befehlen ihrer Hauptleute zum Trotz, zu weit von den nachrückenden englischen Fußtruppen und Bogenschützen entfernt, um bereits ihren Anteil an der Beute zu sichern. Unter hohem Blutzoll bei den Söldnern gelang es dennoch, die Reiterei Ruprechts ins Stadtzentrum hin abzudrängen, wo sie in den engen Gassen nicht mehr wirksam eingesetzt werden konnten.

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Die Attacke der Leibwache des englischen Königs mit ihm selbst an der Spitze setzte dem Kampf in Prag schließlich ein Ende. Als einer der letzten Kämpfer fiel Ruprecht, der Sohn Karls IV., den Schwertern und Lanzen des englischen Heeres zum Opfer.
König John bereute sicherlich den Tod seines Kontrahenten nicht, die Plünderung der schönen und reichen Stadt Prag bedauerte er jedoch zu tiefst. Doch war John Soldat genug, um das den Soldaten gegebene Plünderungsversprechen einzuhalten.
Drei Tage hausten die englischen Truppen in der „Goldenen Stadt“, bevor der König mit eiserner Faust wieder für Ruhe und Ordnung sorgte. Er setzte Herford als Statthalter in Böhmen ein und erhob ihn gleichzeitig in den Rang eines Herzogs von Böhmen.

König John verbrachte das Weihnachtsfest 1368 in der schwer gebeutelten Stadt und zog erst Mitte Januar mit seinem Heer von Prag aus los, um das Heer Péters zu stellen und zu vernichten.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 14. Oktober 2012 08:28

Das böhmische Reichsheer hatte in Rakovnik sein Winterlager bezogen, während der Hauptmann des Heeres, Péter Trčka von Lípa, standesgemäß auf Burg Křivoklát, etwa 16 Kilometer südöstlich Rakovniks, residierte. Wahrscheinlich ist hier auch die Ursache für den schnellen Sieg Johns über das böhmische Heer zu suchen. Augenscheinlich rechnete Péter zu dieser Jahreszeit nicht mit einem englischen Angriff. Mangelnde Aufmerksamkeit konnte man dem böhmischen Heerführer aber nicht vorwerfen - seine bewaffnete Spähtrupps zogen täglich aus, um das Heer abzusichern.

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Doch gerade auf diese hatte es der englische König abgesehen. Als seine Reiter am 21. Januar 1369 einen solchen Spähtrupp in den tiefverschneiten böhmischen Wäldern ausmachten, kesselten sie diesen ein und nahmen die Soldaten gefangen. Nur einem einzigen gelang die Flucht, der nun vor der Wahl stand, den Heerführer Péter zu warnen und vor der Gefangennahme zu retten oder beim Heer Alarm zu schlagen. Er entschied sich für den Weg nach Burg Křivoklát und besiegelte damit den Untergang des Reichsheeres.

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Am Vormittag des 22. Januar 1369 fielen die Engländer auf die völlig unvorbereiteten und führerlosen Truppen des böhmischen Reichsheeres her. Während die englischen Fußkämpfer des linken Flügels den in aller Eile formierten feindlichen rechten Flügel rasch zurückdrängten, wehrten sich vor allem die bayrischen Soldaten des böhmischen linken Flügels heftig gegen die deutschen Söldner Johns.

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Erst als dieser den massiven Einsatz seiner Bogenschützen befahl und noch genügend Pfeile durch die dichtstehenden Bäume ihre Ziele fanden, ließ der Widerstand langsam nach. Der Einsatz seiner schweren Reiterei sprengte die feindlichen Linien endgültig und die Truppen des Reichsheeres wandten sich zur Flucht.

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Trotz des schnellen Angriffs Johns gelang einer beträchtlichen Anzahl feindlicher Soldaten die Flucht in die böhmischen Wälder, wo sie in den nächsten Wochen von Péter erneut gesammelt wurden. Er zog sich auf das polnische Gebiet des Reiches zurück und sollte in den nächsten Jahren durch nadelstichartige Angriffe im Grenzgebiet immer wieder die neuaufgebaute Ordnung in Böhmen stören. Das Ziel Johns war jedoch erreicht. Böhmen war von allen feindlichen Truppen befreit und nun die östlichste Grenzmark.

Jedoch galt es nun, Böhmens lange Grenzen zu sichern. Im Norden stand mit dem mächtigen Königreich Polen der ehemalige Vasall König Karls IV. Ob die Vasallentreue gegenüber einem neu zu wählenden König des Heiligen Römischen Reiches erneuert werden würde, blieb abzuwarten. Im Süden lauerte Rudolf IV., Herzog von Österreich, der Steiermark und Kärnten und konnte mit den reichen Silbervorkommen Tirols auf nahezu unbegrenzte Mittel zur Anwerbung von Söldnern rechnen. Im Osten schließlich saßen die Mailänder, die aber zur Zeit noch immer mit der Befriedung der ungarischen Ebenen zu tun hatten. Zum Glück gab es noch immer bedeutende ungarische Kräfte weiter im Osten und Südosten, die die Viscontis beschäftigen würden. Eine Annäherung an das ungarische Herrschergeschlecht - man blickte ja auf eine gewisse verwandschaftliche Beziehung zurück - musste also eine hohe diplomatische Priorität einnehmen...

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 14. Oktober 2012 17:15

Nach dem grandiosen Feldzug Sir Nigel Nevilles, des Earls von Westmorland, war es in Norditalien lange Zeit ruhig geblieben. Die Wirtschaft in den eroberten Gebieten hatte sich erstaunlich schnell erholt und auch das Leben der niederen Bevölkerungsschichten spiegelte Normalität wider. Leider blieb der italienische Kleinadel ein ständiger Herd von Unzufriedenheit und eine Brutstätte von Intrigen. Nur der mangelnde Rückhalt in der örtlichen Bevölkerung und die chronisch leeren Kassen des verschwenderischen Adels galten als Garant für die Ruhe in den englischen Gebieten Norditaliens. Das sollte sich jedoch im Frühling 1368 ändern.

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Wahrscheinlich waren es Dukaten aus den wohlgefüllten Schatztruhen der Lambertazzis aus Bologna, die den Condottiere Piccardo de Gorgeto überzeugten, gemeinsam mit den Truppen unzähliger Kleinadliger einen Kriegszug in die Lombardei zu unternehmen. Gorgeto plünderte Mantua und Pavia und überschritt im Mai 1369 den Ticino und marschierte auf Mailand.
In aller Eile wurden Boten nach Genua gesandt, um den hier lagernden Sir Howard, Herzog von Norfolk, um Hilfe zu ersuchen. Obwohl es in Mailand genügend Miliztruppen gab, zog es der Statthalter der Lombardei lieber vor, eigene Truppen zur Unterstützung zu rufen. Zu unsicher erschien ihm die Loyalität der städtischen Bevölkerung angesichts des mit dem Söldnerführer marschierenden lokalen Kleinadels.

Norfolk verfügte nur über wenige englische Kerntruppen. Dafür war der Anteil kampferfahrener flämischer und südfranzösischer Söldner sehr hoch. Eine hohe Kampfkraft hatten vor allem die Pavesenarmbrustschützen aus Gent und Brügge. Die Schussfolge war zwar bei der Armbrust wesentlich geringer als beim Bogen, dafür war die Trefferwirkung bei gerüsteten Feinden verheerend. Die Truppen Norfolks waren hochmotiviert und vor allem die Söldner sehnten sich einen Kampf herbei, bei dem ordentlich Beute gemacht werden konnte.

Norfolk gelang es tatsächlich, die Truppen Gorgetos von Mailand nach Westen abzudrängen und am 12. Juli des Jahres 1369 das Heer des Condottiere zum Kampf zu stellen. Der Engländer stellte seine wenigen walisischen Bogenschützen auf seiner linken Flanke auf, nur geschützt durch eine leichte Feldbefestigung. Im Zentrum standen tiefgestaffelt seine Fußtruppen, unterstützt durch die Armbrustschützen. Seine französischen schweren Berittenen bildeten den gesamten rechten Flügel.

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Gorgeto hatte seine Truppen in einem fast karreeartig anmutendem Block aufgestellt, der keinerlei Lücken aufwies. Da beide Armeen sich mit ihren Fernwaffen bekämpften, Gorgeto aber diesen Zweikampf aufgrund seiner zahlenmäßigen Unterlegen auf Dauer nicht durchhalten konnte, ließ er um die Mittagszeit endlich angreifen. „Der langsam auf uns zumarschierende Block des italienischen Condottiere wirkte fast wie der zum Stoß gesenkte Kopf eines wildgewordenen Bullen.“, schrieb Norfolk später an seinen Sohn. Ob der ununterbrochene Pfeilhagel der Waliser, die totbringenden Bolzen der Armbrustschützen oder missverstandene Befehle schließlich dafür sorgten, dass der festgefügte Infanterieblock des Italieners sich auflöste, ist nicht geklärt.

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Als aber endlich die Italiener die festen Reihen der Engländer erreichten und den Kampf aufnahmen, machten sich die bereits erlittenen Verluste schon bemerkbar. Norfolk sah den Bullenkopf in seinen Reihen feststecken und befahl den Angriff seiner gesamten Reiterei auf die feindliche Flanke. Das zerbrach das Rückrat des italienischen Heerführers eben in dem Moment, als die Linien der flandrischen Söldner begannen langsam nachzugeben.

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Als Norfolks Bogenschützen mit Schwertern und Piken bewaffnet in die rechte Flanke des Feindes einbrachen, war der Kampf entschieden. Wer nicht durch die Hufe der schweren Rösser niedergetrampelt, von Lanzen und Piken aufgespießt oder wem nicht der Schädel durch Keulen und Hämmer zertrümmert worden war, suchte sein Heil in der Flucht.

Nur wenige Italiener entkamen an diesem Tag, obwohl sich die im englischen Sold stehenden Krieger sofort johlend über das Lager der Italiener hermachten und ihre Beute sicherten. Die englischen Fußtruppen und die Berittenen Norfolks besorgten den Rest. Selbst unter den über 500 Gefangenen, zu denen eine große Anzahl italienischer Adliger gehörte, ließ Howard am Abend blutig abrechnen.
„Wenn Milde und Nachsicht keine Treue verdient, so muss letztlich das Schwert Abhilfe schaffen. Die hinterhältige Hand, welche immer wieder zum Streich ausholt, muss abgeschlagen werden.“, so begründete der Herzog von Norfolk vor der Vollstreckung an den 62 (!) italienischen Rittern sein Urteil.

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Den restlichen Gefangenen wurde die rechte Hand abgeschlagen und das linke Ohr abgeschnitten. Das, so Norfolk, sollte aufsässige Gemüter daran erinnern, welche Preis man zu zahlen bereit sein sollte, gegen die englische Herrschaft zu opponieren.

König John war zu dieser Zeit längst in England zurück und hatte für Anfang September 1369 zu einem Parlament geladen. Der Bericht des englischen Gesandten über die am Hof von Toledo erfahrene Behandlung sollte im Mittelpunkt stehen…

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 15. Oktober 2012 12:22

Das Auftreten des englischen Gesandten Morris von West Derby vor dem englischen Parlament war - wie einige Mitglieder des Kronrates später widergaben - eine fast bühnenreife Inszenierung. Morris von West Derby, jüngster Sohn des Grafen von Derbyshire, war eigentlich von der englischen Krone auf die iberische Halbinsel gesandt worden, um mit den dort regierenden Königen umfangreiche Handelsverträge abzuschließen. Zumindest im Königreich Leon hatte er großen Erfolg, wenn sich auch Prinz Giacomo, der für seinen schwachsinnigen Vater die Regierungsgewalt ausübte, nur für umfangreiche Waffenlieferungen interessierte und nicht für feine flandrische Tuche oder französischen Wein.

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Bernardo, der König von Toledo, hielt West Derby jedoch lange Zeit hin und verschob eine bereits zugesagte Audienz immer und immer wieder. Der englische Diplomat, der gewiss kein Kind von Traurigkeit war und dem ein großer Erfolg bei der Damenwelt vorauseilte, begann einige Affären. Ob sich West Derby seine Eroberungen bewusst auswählte oder aber es dem Zufall überließ, ist ungewiss. Ob also zufällig oder geplant, er verirrte sich auch ins Bett der bildschönen Anabel, Tochter des kastilischen Granden José Antonio Nieves und leider auch die Geliebte des Königs von Toledo. Es folgte was folgen musste, wenn ein beleidigter König seine Macht ausspielt – das Ganze hatte ein unschönes Nachspiel.

West Derby wurde durch einen schnell herbeigezauberten Verlobten der schönen Anabel gefordert und vor dem gesamten Hof gedemütigt. Ob der Engländer tatsächlich im Zweikampf besiegt wurde oder aber bewusst die Rolle eines im Kampf recht ungeübten Diplomaten spielte, lässt sich ebenfalls nicht nachvollziehen. (Es wird allgemein Letzteres vermutet, was West Derby aber als äußerst leidensfähigen und treuen Untertan der englischen Krone auszeichnen würde.)
In jedem Fall urinierte der angebliche gehörnte Verlobte auf den am Boden liegenden West Derby und beschimpfte diesen auf das Allerschlimmste. Ob er in seiner Tirade auch den englischen König beleidigte, ist nicht bewiesen. West Derby bestätigte dies jedoch später vor dem Parlament sehr glaubwürdig und gab auch diverse kastilische Schimpfworte wider.

Der Engländer war nach der ihm widerfahrenen Schande Diplomat genug, um sofort bei König Bernardo Beschwerde über diese ungeheuerliche Behandlung eines englischen Gesandten einzulegen. Doch erwartungsgemäß interessierte sich der König Toledos nicht für diese Beschwerde und ließ West Derby mitteilen, dass man „solche Gesandten am Hofe keine weitere Gastfreundschaft angedeihen lassen wolle.“ Das kam einer regelrechten Ausweisung gleich.

Morris von West Derby reiste umgehend mit einem Kauffahrer nach London, wo er dem alten Buckingham sofort berichtete. Dieser sandte Nachricht an den König und informierte über den Zwischenfall. Es ist also kein Wunder, dass König John in Böhmen so schnell handelte.

Nach der bloßen Darstellung der Fakten seines Aufenthaltes am Hof von Toledo brach ein Sturm der Entrüstung unter den anwesenden Lords des Parlaments aus. Lauthals wurde nach Rache für diese ungeheure Freveltat gerufen und – zumindest das schien echt zu sein – vom Königspaar unterstützt. Dennoch hatte König John noch in das Protestgeschrei zur Besonnenheit aufgerufen und wollte (vielleicht auch nur zum Schein) der Diplomatie ein Chance geben.

Am 12. September 1369 verließen diverse englische Gesandte Westminster, um nach Iberien zu reisen. Während einer, der Bischof von Ely, sich direkt nach Toledo begab um vor dem König die Bestrafung des Übeltäters zu fordern, baten die übrigen Diplomaten um Audienzen bei den anderen Königen des geteilten Kastiliens. Aufgabe dieser fünf sorgfältig ausgewählten Gesandten war es, Bündnisse gegen Toledo im Falle eines Krieges zu schließen oder aber um den Preis einer gewahrten Neutralität zu feilschen.

In der Zwischenzeit startete in England das gewaltigste Heeresunternehmen der bisherigen Geschichte. Die östliche Grenze gut gesichert, der Norden Italiens für längere Zeit ruhiggestellt und Feinde, die derzeit mit anderen Nachbarn als dem Königreich England zu tun hatten, gaben ihm Gelegenheit, sich ganz dem „Projekt Iberien“ zu widmen…

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 16. Oktober 2012 12:00

Für die diplomatischen Missionen in Iberien hatten die 6 Gesandten von König John ein Jahr Zeit erhalten. Diese Zeit nutzte er selbst, um den Kriegszug in seiner Heimat militärisch vorzubereiten. Außerdem lagen ihm aber auch eine geordnete Übergabe der Herrschaft in vertrauensvolle Hände am Herzen sowie – es wurde an anderer Stelle schon erwähnt – die Absicherung seiner Grenzen durch eine kluge Bündnispolitik. So gelang es zum Beispiel durch die hartnäckige Vermittlung des englischen Königs endlich, die beiden langjährigen Feinde Ungarn und Nowgorod miteinander auszusöhnen.

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Die Republik Nowgorod verzichtete auf die Fortführung der 1367 vereinbarten ungarischen Tributleistungen und erhielt im Gegenzug kompetente Waffenhilfe gegen die immer weiter vorrückenden Truppen der Goldenen Horde. Hintergedanke Johns war selbstverständlich ein starkes Ungarn, welches auch weiterhin die Mailänder von Angriffen auf englische Besitzungen abhalten sollte.

Eine weitere tragende Säule der von König John forcierten diplomatischen Bemühungen war die Verbesserung seiner Beziehungen zum Stuhl Petri, den noch immer Papst Innozenz VI. innehatte (auch wenn er sich nach seiner Vertreibung durch die Sizilianer nicht in Rom aufhalten konnte). Und genau das war das große Problem - wie einige andere wichtige Punkte der päpstlichen Antwort auch. Papst Innozenz fragte natürlich berechtigt danach, wieso John einen Kriegszug noch nie dagewesenen Ausmaßes nach Iberien unternahm, um dort – so wörtlich – „seine christlichen Brüder zu unterwerfen“. Stattdessen „wäre er doch verpflichtet, seinem Vater gegen das gottlose Treiben der Sizilianer beizustehen“.

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Innozenz VI. ermahnte John in einem päpstlichen Schreiben vom April 1370 zur Besonnenheit und Umkehr vom eingeschlagenen Weg. Nach dem Erhalt einer englischen Antwort drohte der Papst sogar mit der Exkommunikation. John hatte spitzfindig in seinem Brief darauf hingewiesen, dass ja Innozenz selbst die gesamte Christenheit zum Kampf gegen ebenfalls „christliche Brüder“ aufgerufen hatte, mit denen er, John, sich aber nicht im Krieg befand. Innozenz schäumte und war seinem „Landsmann“ bitterböse.

Erst als sich John im Juli 1370 bereiterklärte, die märchenhafte Summe von 50.000 Pfund Silber zur Unterstützung der Kreuzzugsbemühungen beizusteuern, ließ sich Innozenz etwas besänftigen. Doch sollten sich die Beziehungen zwischen dem englischen Kriegerkönig und dem Heiligen Vater nie wieder auf einem ähnlichen Niveau bewegen, wie noch vor und während der Zeit des Thronfolgekrieges.

Vielleicht ist mancher Leser überrascht über die oben genannte Summe zur Unterstützung des christlichen Kriegszuges wider die „christlichen Barbaren“ in Italien. Tatsächlich stammte das Geld für den fragwürdigen Kreuzzug nicht aus der königlichen Schatzkammer, sondern aus den gutgefüllten Truhen des unter englischer Herrschaft stehenden Klerus.
John schickte bereits im November 1369 eine gewaltige Anzahl von Steuerbeamten durch das riesige Reich, um die Kosten für den Feldzug nach Iberien zu finanzieren. Diese machten auch vor den Türen der Kirchen, Klöster und Abteien nicht halt und John war im Juni 1370 wohl selbst vom Reichtum seiner Kirchenfürsten überrascht.
Es gab natürlich lautes Murren unter den geschröpften Bauern, Handwerkern und Kaufleuten. Als diese aber sahen, dass auch der Adel ordentlich zur Kasse gebeten wurde und der königliche Klingelbeutel selbst vor dem Klerus nicht haltmachte, verrauchte der Unmut des einfachen Volkes und machte einer gewissen Schadenfreude Platz.

Um sich auch in der Heimat genügend abzusichern und sich auf eine stabile Regierung verlassen zu können, ernannte John seine Frau und Königin, die immer noch sehr schöne Joan, zur Statthalterin des Reiches. Ihr zur Seite standen zuverlässige Ratgeber wie der alte Herzog von Buckingham und der alte Somerset sowie der sehr fähige Lordkanzler und Erzbischof von Winchester, William von Wykeham. (Eine der größten Verdienste Wykehams war übrigens die Gründung des New College in Oxford und des Winchester College in Winchester. Beide selbstverwalteten Institute wurden Vorbild für das englische Erziehungswesen des 15. Jahrhunderts.)

Bei all den diplomatischen und militärischen Vorbereitungen wäre es naiv zu denken, dass diese von den iberischen Königen nicht bemerkt worden wären. John hatte wahrscheinlich gehofft, dass seine Vorbereitungen zusammen mit den diplomatischen Verhandlungen vor Ort einen gewissen Druck ausüben könnten. Doch war das Gegenteil der Fall. Der Bischof von Ely wurde in Toledo von Bernardo überhaupt erst gar nicht empfangen, die durch die anderen englischen Gesandten übermittelten Anfragen von den übrigen iberischen Königen brüsk zurückgewiesen.

Damit waren die Fronten geklärt und es überraschte in England niemanden, als bekannt wurde, dass sich im September 1370 in Toledo fünf der sechs iberischen Könige trafen und für den bevorstehenden Krieg gegen die Engländer König Bernardo I. von Toledo zum Anführer machten.

Lediglich das Königreich Leon nahm an diesem Treffen nicht teil. Prinz Giacomo nahm stattdessen Kontakt zum Statthalter des englischen Navarra auf und bat um Unterstützung im Kampf zur Erlangung der ihm zustehenden Krone. Diese Unterstützung wurde ihm aus zugesichert.

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Im Frühling 1371 glich fast ganz Südengland einem einzigen großen Heerlager. Die Truppen der hier versammelten drei englischen Heeressäulen verteilten sich über vier Grafschaften und sorgten unter der Bevölkerung für große Unruhe. Immer wieder kam es zu kleineren und größeren Delikten, die jedoch unnachgiebig durch die eingesetzten Patrouillen geahndet wurden.

Die erste Heeressäule stand unter dem unmittelbaren Befehl des Königs und bestand ausschließlich aus Engländern und Walisern. Das zweite Heer wurde von Sir John, dem ältesten Sohn des Herzogs von Buckingham, angeführt. Das dritte englische Heer schließlich hatte Lord Toby Baker und Lord Aelfgar Stuart als seine Hauptleute, welche in Irland, Schottland, Wales und in Nordfrankreich eine große Anzahl Söldner aus eigener Tasche angeworben hatten. Diese Truppen erhielten keinen Sold und gaben sich ausschließlich mit der Beute eroberter Städte zufrieden.
All diese Truppen warteten ungeduldig auf ihre Einschiffung im Frühling 1371 und sicherlich wünschte sich die gesamte Bevölkerung der betroffenen Gebiete diese Tage noch schneller herbei.

Doch auch auf dem Festland zog ein Heer nach Kastilien. Von der Grafschaft Main aus hatte sich bereits im Herbst 1370 der dortige Statthalter Lord Laurence Gaveston aus aufgemacht und den Weg nach Süden eingeschlagen. Gaveston hatte Befehl erhalten, sich mit weiteren französischen Kontingenten aus dem südfranzösischen Raum zu vereinigen und – sobald es die Pyrenäenpässe 1371 zuließen – in Nordiberien einzufallen und auf Saragossa zu marschieren. Zusammen mit den in Navarra befindlichen Truppen sollte der Norden Iberiens gesichert werden und die Truppen der iberischen Königreiche von den eigentlichen Landungspunkten in Kantabrien, Galizien und Asturien abzulenken.

Dass mit der Einschiffung der englischen Truppen am 19. April 1371 beginnende Unternehmen war eines der größten der im Mittelalter Durchgeführten und gleichzeitig auch einer der am besten geplanten und vorbereiteten Feldzüge in der Militärgeschichte.

In ganz England läuteten an diesem bedeutenden Tag die Kirchenglocken und unzählige Gebete der daheimgebliebenen Familienangehörigen begleiteten die Truppen des Königs auf ihrem Weg in den ungewissen Ausgang eines weiteren blutigen Krieges…

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 16. Oktober 2012 19:14

Vielleicht ist es bezeichnend für das mittlerweile etwas festgefahrene Machtgefüge auf dem abendländischen Kontinent, dass das Königreich Dänemark mehr und mehr versuchte, sich in Nord- und Ostsee als Flottenmacht zu etablieren. Im Herbst 1370 besiegte ein dänisches Geschwader aus etwa 20 Schiffen eine etwa gleichstarke Flotte schwer bewaffneter Kauffahrer der Republik Nowgorod und setzte sich somit zumindest im Baltikum als Seemacht durch. Dieser Sieg ermutigte Waldemar IV., auch die Vorherrschaft in den Gewässern der Nordsee zu erringen und den mehr als unliebsamen englischen Konkurrenten auszuschalten. Da der Däne um die volle Aufmerksamkeit Englands auf den iberischen Feldzug wusste, schien ihm die Gelegenheit günstig. Waldemar befahl also einen Großteil seiner in der Ostsee operierenden Schiffe nach Westen. Das entsandte dänische Geschwader sollte englische Kauffahrteischiffe aufbringen und – wenn möglich – die Häfen der Kanalküste heimsuchen.

Ende April 1371, die englischen Flotten mit den drei Invasionsarmeen waren etwa auf der Höhe von Ouessant und drehten gerade auf Südkurs, sichteten die Engländer die dänische Flotte vor Brügge. Dank des in den letzten Jahren perfektionierten Warnsystems aus Meldereitern, erreichte schon drei Tage später die Meldung London.
In größter Eile wurden aus den Häfen der Cinque Ports alle verfügbaren Schiffe nach Dover beordert, entsprechend bemannt und – ein Glücksfall für die Londoner Kanonenschmiede – mit einer großen Anzahl schmiedeeiserner Kanonen unterschiedlichster Kaliber bestückt.

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Zum Kommandanten der englischen Flotte wurde Sir Auncell Hastings ernannt, der jüngere Bruder eben jenes unglückseligen William Hastings, Heerführers des besiegten Thronräubers Auncell von York.
Am 02. Mai 1371 kam es zum Treffen der beiden etwa gleichstarken Flotten im Kanal vor Hythe, welches wegen der größeren Anzahl eingesetzter Kanonen die Engländer für sich entscheiden konnten. Vier große dänische Koggen wurden bereits in den ersten beiden Stunden von den englischen Holks „St. Edmund“, St. Thomas“ und „Maud“ versenkt. Die englische Kogge „St. Mary“, die bereits von den Dänen im Enterkampf erobert worden war, konnte durch den Einsatz von einem Dutzend walisischer Bogenschützen sogar wieder zurückgewonnen werden.

Harald Ostevelden, der Graf von Rendsburg und Befehlshaber der dänisches Schiffe, hatte einen empfindlichen Schlag auf die Finger bekommen und musste unverrichteter Dinge wieder nach Osten segeln. Er lief mit seinen Schiffen ins Skagerrak ein und überholte seine beschädigten Schiffe im kleinen Hafen Kristiansand. Er beschloss, den kleinen Hafen und den Ort auszubauen und so als Basis für zukünftige Fahrten nach Westen zu nutzen. Zudem erschien ihm die Lage als perfekt, um die wichtige Meerenge zwischen Nord- und Ostsee zu kontrollieren und den englischen Händlern das Leben schwerzumachen.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 16. Oktober 2012 20:32

Bevor weiter über das zu erwartende Spektakel auf der iberischen Halbinsel berichtet wird, sei noch ein kurzer Exkurs in die Rubrik „Was sonst in diesem Jahr noch im Abendland geschah“ gestattet.

Durch den Rückruf des Reichsheeres durch die Lambertazzis in Bologna, waren diese tatsächlich die Ersten, die dem Heiligen Vater militärische Hilfe antrugen. Doch vermutete man wahrscheinlich zu Unrecht in Graf Ortwinus von Otterbach einen fähigen Heerführer des Heiligen Römischen Reiches. Beweis dafür scheint aus heutiger Sicht alleine schon die Tatsache, dass das gutgerüstete und schlagkräftige Reichsheer am nur schwach durch die Sizilianer besetzten Florenz vorbeimarschierten, anstatt es zu stürmen und für das Reich zu sichern. Von Otterbach zog mit seinem Heer langsam durch die Toskana, versuchte sich vergeblich am gut befestigten Volterra (wo eine Erstürmung durch die örtliche Bevölkerung, nicht durch die Sizilianer verhindert wurde!) und musste auch Sienna passieren.

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Im April 1371 erfuhr Ortwinus vom Anmarsch eines großen sizilianischen Heeres unter Führung seines Königs, des bereits des Öfteren erwähnten Teofilattos, welcher nicht gerade für seine Milde und Nächstenliebe bekannt war. Und sicherlich war es nur taktisches Geschick nicht etwa Furcht, dass Ortwinus von Otterbach bewog, sich schleunigst wieder nach Norden abzusetzen.

Allein der glänzenden Rhetorik des alten Lambertazzi ist es wohl zu verdanken, dass Innozenz VI. dieses Unternehmen weiterhin unterstützte und Ortwinus eine Summe von 20.000 Pfund Silber zur Unterhaltung seines Heeres zur Verfügung stellte. Dass dies ein Teil der Summe war, die der englische König John dem Papst als versöhnliches Zeichen übermittelt hatte, musste John zum Glück nicht erfahren. Obwohl das Verhältnis zwischen dem Papst und dem englischen Thron sich merklich abgekühlt hatte, war Innozenz zu intelligent, um gänzlich mit dem mächtigsten Herrscher der Christenheit zu brechen.

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Ernst mit ihrem geleisteten Kreuzzugsgelübde machten auch die Herrscher Polens und Ungarn. Im September 1371, Iberien hatte bereits blutige Kämpfe erlebt, marschierten getrennt voneinander die zwei riesigen Kreuzheere durch Niederösterreich. An der Spitze zog der polnische König Niebor I. mit Kontingenten aus Kurland, Litauen und Galizien. Dahinter folgte das ungarisch-serbische Heer unter seinem Anführer Lazar Hrebeljanović. Da es unmöglich war, die Alpenübergänge noch vor dem ersten Schnee zu überqueren, beschlossen die beiden Heerführer in der Nähe von Wien ihr Winterlager zu beziehen und im Frühjahr über den Brenner Richtung Süden zu marschieren. Es ist zumindest erstaunlich, dass sich beide Anführer absprachen, gehörte doch jeder einem anderen Lager an. Niebor I. war bis zum Tod Karls IV. dessen Vasall gewesen und erklärte sich noch immer als Feind des Königreiches England. Lazar Hrebeljanović als momentaner Führer der Ungarn hielt es aber mit den Engländern, fest darauf bauend, dass diese ihm und seinem Volk nach erfolgreicher Beendigung des Kreuzzuges und des Feldzuges in Iberien gegen die Viscontis beistehen würden.

Die Situation unter den Kreuzfahrern sollte sich bald zuspitzen, vor allem, als aus den iberischen Königreichen die ersten Nachrichten über englische Siege und Eroberungen den Osten erreichten…

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 17. Oktober 2012 12:13

Lord Laurence Gaveston, der Hauptmann der französischen Kontingente, hatte den von ihm gewählten Pyrenäenpass Port de Larrau Mitte April 1371 überschritten und stand so als erster englischer Heerführer auf feindlichem Gebiet. Er schwenkte jedoch, obwohl er nur etwa 10 Tagesmärsche von Saragossa entfernt war, nach Navarra ab, um sich hier nach dem Gebirgsübergang neu zu formieren und die Männer und Tiere rasten zu lassen. Zudem hatte er vor, auf die versprochenen schweren Belagerungsgeschütze zu warten, die ihm aus Marseille versprochen worden waren.

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Das Erscheinen des riesigen Heeres Gavestons löste jedoch unter den verbündeten iberischen Königen keine Panik aus. Der König von Saragossa, Sancho Iohan I., prahlte sogar damit, mit dem englischen Invasoren allein fertigzuwerden. Er beorderte umgehend seinen fähigsten Feldherren, Raul Ruyz, aus Kantabrien zurück nach Saragossa, um das königliche Heer gegen Gaveston zu führen. Wie verhängnisvoll die Entscheidung gewesen war, das Heer Saragossas aus der Region abzuziehend, in der man die Landung der Engländer eigentlich erwartet hatte, wurde erst drei Wochen später klar, als der englische König mit voller Heeresmacht in der Hafenstadt Santander landete.

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Eine umgehend in diese Region entsandte Galeerenflotte der iberischen Königreiche kam zu spät, um die Landung in irgendeiner Weise verhindern zu können. Sie wurde wenig später auf der Höhe von Noja durch die Bombarden der englischen Flotte zusammengeschossen und versank mit Mann und Maus.

Obwohl noch nicht alle Flotten ihre Ziele erreicht hatten – die Flotte mit den Söldnern unter den Toby Baker und Aelfgar Stuart hatte den längsten Weg durch den Golf von Biscaya und die Transportschiffe Sir Johns hatten in La Rochelle überholt werden müssen – marschierte König John umgehend ins Landesinnere auf Toledo zu. Er hatte seinen Heerführern immer wieder zu verstehen gegeben, dass der Geschwindigkeit bei den eigenen Truppenbewegungen eine existenzielle Bedeutung in diesem Feldzug zukomme, von der Sieg oder Niederlage abhängen würden.

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Während die Flotte mit dem englischen Söldnerheer noch etwa 200 Meilen von der asturischen Küste entfernt war und zumindest hier bei der Landung vor Überraschungen sicher sein konnte (schließlich hatte sie ja der Thronfolger Prinz Giacomo selbst um Hilfe ersucht), schlug die Verzögerung der Truppen Sir Johns schwerer zu Buche. Buckinghams Sohn hatte der König eine besonders wichtige Rolle in diesem Feldzug zugedacht - die Sicherung der Nachschubwege ins Landesinnere. Ohne eine entsprechende Rückendeckung würde sonst die Gefahr bestehen, in dem riesigen Land abgeschnitten von der Versorgung zu scheitern und zu Grunde zu gehen.

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Doch erreichte Sir John mit seiner Armee, vier Abteilungen schwer gepanzerter Ritter sowie Bogenschützen und Fußvolk, schließlich doch und eben in dem Augenblick den Kriegsschauplatz, als der Anführer des königlichen Heeres Saragossas den Ebro überschritten hatte und die ersten Kampfhandlungen unmittelbar bevorstanden…

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 17. Oktober 2012 20:16

Am 14. Mai 1371 kam es bei Cadreita, nahe des Ebroübergangs im englischen Navarra, zur ersten großen Feldschlacht des Iberien-Feldzuges. Raul Ruyz, der Befehlshaber der Truppen Saragossas hatte einer offensiven Strategie den Vorzug gegeben und damit genau das getan, womit sein Gegenüber, der junge Graf von Main Laurence Gaveston, gerechnet hatte.

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Gaveston hatte vergeblich bis Ende April in Pamplona auf die Belagerungskanonen aus Marseille gewartet und war schließlich langsam nach Süden gezogen. Seine Späher zogen bald einen immer größer werdenden Radius um das eigene Heer und informierten den englischen Heerführer ständig über etwaige Truppenbewegungen des Feindes. So war Gaveston auch über den Übergang des feindlichen Heeres über den Ebro informiert und bezog am Abend des 13. Mai Stellung auf einer mit kleinen Baumgruppen durchsetzten Ebene.

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Das Heer des Engländers war etwas größer als die Armee Saragossas, dafür waren in dieser viele Veteranen aus dem Kampf gegen das muslimische Invasionsheer vertreten.
Es erscheint also nicht verwunderlich, dass Ruyz der Schlacht entgegenfieberte und sich die Ungeduld auch auf seine Männer übertrug.

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So eröffneten die Soldaten Saragossas am Morgen des 14. Mai den Kampf recht siegesgewiss. Anders als gewohnt, verzichtete Ruyz darauf, seine Fernkämpfer zuerst vorrücken zu lassen und das Konzert der Schlacht durch eine Ouvertüre der Plänkler eröffnen zu lassen. Er ließ sein gesamtes Heer, Fußvolk und Reiterei geschlossen gegen den Feind vorgehen.
Die französischen Bogenschützen, zumeist Gascogner, ließen Pfeilsalve auf Pfeilsalve auf die Feinde niedergehen und fügten den Linien Ruyz‘ die ersten Verluste zu. Dann endlich trafen die beiden Heere aufeinander und es begann ein wütendes Hauen und Stechen. Immer wieder stürmten die Soldaten Saragossas in das Zentrum der Engländer, verbissen sich regelrecht in ihren Feind und brachten den gepanzerten englischen Fußkämpfern teilweise herbe Verluste bei. Erst als Gaveston seine beiden Flügel aus Fußtruppen ausdünnte, um das Zentrum zu stärken und schließlich seine Reserve, die gepanzerten Reiter, auf beide Flanken des Feindes warf, neigte sich das Schlachtenglück langsam zu Gunsten des Engländers.

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In diesem Moment unternahm Raul Ruyz einen letzten verzweifelten Angriff auf das Zentrum und fand den Tod. Einmal mehr hatte ein englischer Gemeiner einem adligen Feldherrn mit einem Haken vom Pferd gezerrt und anschließend mit einer einfachen Kriegswaffe - in diesem Fall einem Streithammer - den Schädel eingeschlagen.

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Der Tod ihres Anführers verbreitete sich in Windeseile. Zuerst gaben die Flanken des iberischen Heeres nach, dann wich das Zentrum zurück. Wenig später, wandte sich das immer noch starke und unbesiegte Heer Saragossas zur Flucht. Die daraufhin einsetzende Verfolgung durch die Engländer währte nicht lange, denn sie fand beim wenige Kilometer entfernten Ebro ihr Ende. Die wenigen Brücken waren durch die iberischen Soldaten im Nu verstopft oder hatten aufgrund der zu hohen Belastung einfach nachgegeben und waren zusammengefallen. Die Iberer saßen in der Falle und baten um Schonung. Gaveston, der zwar ein Heißsporn war aber fast alle ritterlichen Tugenden sein Eigen nannte, gewährte Pardon und ließ die Gefangenen durch Truppen aus Navarra Richtung Pamplona eskortieren, wo später über etwaige Lösegelder verhandelt werden sollte.

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Fast drei Viertel (!) des gesamten Heeres Saragossas wurden an diesem Tag gefangen genommen. (Man stelle sich die Schlagzeilen einschlägiger Boulevardblätter in der englischen Heimat vor, hätte es sie damals schon gegeben…)

Gaveston ließ seine Armee drei Tage rasten, überquerte den Ebro und marschierte auf Saragossa zu, welches nur etwa 10 Tagesmärsche entfernt lag…

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 17. Oktober 2012 20:20

Die Invasion in Iberien bekam Ende Mai 1371 Unterstützung von einem der mittlerweile mächtigsten Herzöge des Königreiches England. Es handelte sich um keinen Geringeren als um den greisen Herzog von Portugal, Henry Fitzroy. Selbstverständlich war der Herzog mit seinen mittlerweilen 82 Jahren nicht mehr in der Lage, das riesige Unternehmen selbst anzuführen oder auch nur zu begleiten. Für diese Aufgabe hatte er Sir Garret, den Sohn eines verdienten Veteranen der Eroberungszeit und inzwischen Grafen von Portalegre, bestimmt. Garret nahm diese Aufgabe mit dem größten Vergnügen an, hatte doch seine Grafschaft am Schlimmsten unter den marodierenden Truppen des Bürgerkrieg zwischen Peter und Heinrich zu leiden gehabt.

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Durch seine Kundschafter hatte der Herzog von Portugal und sein Heerführer erfahren, dass sämtliche zu mobilisierenden iberische Truppen vom Süden nach Norden marschierten und die beiden Königreiche Cordoba und Granada praktisch gänzlich von Soldaten entblößt zurückgelassen worden waren. Diese Gelegenheit wollte der alte Regent des jahrelang heimgesuchte Herzogtums nicht ungenutzt lassen. Ende Mai überschritt Sir Garret den Guadiana. Und nur noch zirka 30 Tagesmärsche trennten ihn von seinem Ziel – Cordoba!

Fast nur eine Randnotiz wert in den englischen Chroniken war dagegen der Sieg einer kleinen englischen Flotte bewaffneter Kauffahrer über vier der gefürchteten Mittelmeergaleeren aus Granada auf der Höhe von Cadiz. Die hochbordigen großen Koggen hatten sich wie eine Festung eng zusammengeschlossen und alle Enterversuche der tiefergelegenen Galeeren blutig abgewehrt. Die Schiffe des Königs von Granada, die aus dem ebenfalls zu diesem Königreich gehörenden afrikanischen Hafen Tanger stammten, mussten schließlich ihr Vorhaben aufgeben und sich zurückziehen.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 22. August 2013 13:36

Der Kriegszugs auf der iberischen Halbinsel schien alles in allem durchaus unter einem guten Stern zu stehen. Und auch auf dem Schlachtfeld der Diplomatie konnte das gewaltige englische Reich einen weiteren Triumph für sich verbuchen.

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Bereits im Januar 1371 hatte der englische Gesandte Charles Merret in Prag eine ungarische Abordnung empfangen, deren wichtigste Persönlichkeit zweifelsohne die Witwe des 1366 von den Mailändern erschlagenen ungarischen Königs Karl I. Robert, Elisabeth, war. Elisabeth war gleichzeitig zufällig die Tochter des 1333 verstorbenen polnischen Königs Władysław I. Ellenlang und konnte somit einen berechtigten Erbanspruch an die polnische Krone anmelden.

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Das Treffen hiefte die ohnehin sehr guten Beziehungen zwischen dem mächtigen England und dem schwachen Ungarn auf eine noch bessere Ebene. Gesprächsinhalte waren unter anderem die mögliche Entsendung englischer Büchsenmachermeister nach dem ungarischen Debrecen sowie die erneute Bitte um militärische Unterstützung gegen die Mailänder.
Am wichtigsten jedoch waren die Gespräche über eine mögliche Hochzeit zwischen ihrer letzten verbliebenen Urenkelin Jelena - Tochter ihrer Enkelin Elisabeth aus der Heirat mit dem serbischen Zaren Stefan Uroš IV. Dušan - und dem englischen Thronfolger Prinz John.

Die Möglichkeiten, die eine solche Ehe boten, verschlugen dem gewieften Merret kurzzeitig den Atem. Er erkannte sofort, dass das Königreich England nach Recht und Gesetz Ansprüche auf die polnische Krone ebenso erheben konnte, wie dem Reich auch durch die Hochzeit automatisch alle Gebiete der Ungarn zufallen würden. Zwar befanden sich die Ungarn derzeit durch die Mailänder in einer prekären Lage, doch erstreckten sich die Stammlande ursprünglich vom östlichen Österreich über den gesamten Balkan bis zum Schwarzen Meer.

Es verwundert also nicht, dass im Frühherbst des Jahres 1371 aus Iberien die Zustimmung König Johns in Prag eintraf und die Hochzeit der beiden jungen Leute für den Sommer 1372 festgesetzt wurde.

Der polnische König Niebor I., der sich mit seinem Kreuzheer gerade in Niederösterreich befand, war außer sich vor Zorn, als er die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit erhielt. Leider band ihn das Papst Innozenz VI. gegebene Kreuzzugsversprechen, um auf der Stelle kehrtzumachen und sein Reich gegen einen möglichen Angriff der Engländer zu sichern.
So blieb ihm nur, ein Bündnis mit dem dänischen Nachbarn einzugehen und zu hoffen, dass dieser ihm im Falle eines Angriffs unterstützen würde.

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Die Fortführung des Kampfes gegen das englische Reich - nun mit einem starken Verbündeten - deckte sich mit den Interessen des dänischen Königs Waldemar IV. So war es nur eine logische Konsequenz, seinen besten Seemann Harald Ostevelden, den Grafen von Rendsburg, erneut mit einem Geschwader in den englischen Kanals zu hetzen, um dort die Versorgung der in Iberien stehenden Heere zu behindern und den Handel zu stören.

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Das dänische Geschwader verzeichnete durchaus größere Erfolge gegen englische Handelsfahrer und machte reiche Beute. Pech nur, dass es schließlich einer der aus dem Golf von Biskaya zurückkehrenden Transportflotten des englischen Heeres in die Arme lief und sich erneut geschlagen ins Skagerrak nach Kristiansand zurückziehen musste. Waldemar IV. verstärkte daraufhin den Ausbau einer starken Flotte aus hochbordigen Schiffen und hielt seinen "Seewolf" Ostevelden vorerst an der kurzen Leine und somit in der Ostsee.

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Re: [AAR] Der Sprung des Löwen (England)

Beitragvon Condottiere » 23. August 2013 10:54

Während die Truppen des Herzogs von Portugal ins Herz Andalusiens marschierten, rückte der am Ebro siegreiche Laurence Gaveston weiter auf Saragossa vor. Obwohl das Heer Saragossas vernichtet worden war, blieb der Heerwurm Englands jedoch keineswegs vom Feinde unbehelligt. Aus dem Nordwesten verfolgte Gaveston ein Unterstützungsheer des Königs von Toledo unter dem Kommando des Grafen Ferrands von Salamanca. Dessen leichte Reiter griffen immer wieder die Nachhut Gavestons an. Schließlich gelang es den immer wieder blitzschnell auftauchenden kastilischen Reitern sogar, den schwerfälligen Tross zu plündern und beträchtliche Teile der mitgeführten Belagerungswaffen zu erbeuten oder zu vernichten. Die Angriffe hörten erst auf, als Ferrand Kunde von der Landung des englischen Königs in Santander erhielt und schleunigst kehrt machte, um König John den Weg nach Toledo zu verlegen.

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Ferrand entsandte zur Unterstützung Saragossas nur ein kleines Kontingent kastilischer Freischärler, die unter dem Kommando von Pero Descriua bereits erfolgreich gegen die muslimischen Invasoren gekämpft hatten. Dass jedoch ein großer Unterschied zwischen dem Guerillakampf in spanischen Berglanden und der Feldschlacht auf offenem Gelände bestand, sollte Descriua bald erfahren.

Anfang Juli 1371, das genaue Datum ist unbekannt, erschien Gaveston mit seinem Heer vor den gewaltigen Mauern Saragossas. Obwohl er um die schwachen Kräfte innerhalb der Stadtmauern wusste und möglichweise ein sofortiger Sturm Erfolg gebracht hätte, war er durch die kastilischen Freischärler in seinem Rücken vorsichtig. Auch war ihm nicht bekannt, wie es um den Verteidigungswillen der Einwohner stand oder um die Moral der Besatzungstruppen. Also ließ Gaveston zuerst die Verluste an Belagerungsmaterial ersetzen, in dem er die Häuser mehrerer Dörfer kurzum abreißen ließ und die so gewonnen Balken und Bretter zum Bau von Belagerungstürmen und Rammböcken verwendete.

Die Sperrung sämtlicher Versorgungswege Saragossas durch angelegte Schanzen und die Sicherung des riesigen Feldlagers nahm so viel Zeit in Anspruch, dass sich Gaveston erst Mitte August in der Lage sah, einen Angriff auf die Stadt zu wagen. Das war jedoch in der Zwischenzeit gar nicht mehr nötig, sah sich doch der König von Saragossa, Sancho Iohan I., von nahezu allen Getreuen verlassen, allein der aufgebrachten Bürgerschaft Saragossas gegenüber. Unter der Führung des einflussreichen aragonischen Kaufmanns Baltasar Gracián, so weist die Stadtchronik von Saragossa die Ereignisse nach, wurde eine Abordnung der Bürgerschaft zum englischen Befehlshaber entsandt, um die Bedingungen der Übergabe der Stadt zu verhandelt. Gaveston zeigte sich ritterlich und sicherte den Stadtvätern gegen die Zahlung einer "Schutzsumme" in Höhe von 10.000 Pfund Silber die Sicherheit sämtlichen Privateigentums zu. Lediglich der Palast sowie alle sosntigen Besitztümer Sancho Iohans sollten davon ausgenommen sein. Die Bedingungen waren äußerst milde und wurden umgehend von der Abordnung Saragossas angenommen. König Sancho Iohan, der noch vor kurzem mit der schnellen Vernichtung Gavestons geprahlt hatte, verschanzte sich mit den letzten ihm treuen Rittern in seiner Burg.

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Allein der Angriff Pero Descriuas machte die friedliche Übergabe der Stadt zunichte. Und der Angriff des kastilischen Granden war gut gewählt. Während sich Gaveston mit seinen Rittern und einer größeren Abteilung Schwerbewaffneter eben auf dem Weg zum Stadttor befand, wo eine feierliche Übergabe der Schlüssen stattfinden sollte, griffen die Freischärler unter Descriua an. Doch wie andernorts schon erwähnt, waren die Truppen des Kastiliers nicht für die offene Feldschlacht geeignet.

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Mit anderen Truppen hätte der Angriff vielleicht Erfolg gebracht, so aber brachten schon die Bogenschützen Gavestons dem Gegner empfindliche Verluste bei. Der Abwehrkampf des in den französischen Gebieten rekrutierten schweren Fußvolkes tat ein Übriges. Als sich schließlich langsam die schiere Masse der englischen Truppen um die beiden Flanken des feindlichen Heeres schloss, war das Ende für Descriua gekommen. Verzweifelt befahl er einen letzten Angriff, der zumindest ihm ein Entkommen ermöglichen sollte. Doch blieb die Reiterattacke in den Speeren, Lanzen und Streitäxten des englischen Zentrums stecken, Descriua selbst gelang die Flucht tatsächlich. Er und Gaveston sollten sich jedoch noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Schlachtfeld begegnen.

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Gaveston, der zu Beginn des Angriffs zu seinen Truppen zurückgeeilt war, hatte zu dieser Zeit die Schlüssel Saragossas schon in Empfang genommen und die kaum verteidigte Burg der Stadt eingenommen. Obwohl als Prahlhans demaskiert, hatte König Sancho Iohan I. erbitterten Widerstand geleistet, was ihn jedoch nicht vor seiner völligen Niederlage rettete. Um zukünftige Konflikte und Widerstände jeglicher Art in Aragon und Katalonien von vornherein zu vermeiden, wurde der besiegte König noch an Ort und Stelle enthauptet.
Mit dem Ende der Kämpfe und dem Tod des bisherigen Königs setzte umgehend auch die Eingliederung der eroberten Regionen in den englischen Herrschaftsbereich ein. Gaveston bestätigte den von der Bürgerschaft gewählten Alcalden zum Bürgermeister bzw. Ortsvorsteher, der nur dem regierenden Fürsten des Herrschaftsgebietes verpflichtet war. Auch der lokale Adel war durch die Siege des Engländers vor Schreck so gelähmt, dass ein eventueller Widerstand gar nicht erst zustande kam.

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Der Engländer verzichtet von Beginn an auf grundlegende Änderungen oder sogar Abschaffungen von althergebrachten Rechten und Gebräuchen und machte sich daher bei weiten Teilen der besitzenden Bevölkerung beliebt. Das Los der Armen veränderte sich - wie so oft - nicht wirklich, wenn auch die zum Ende der aragonesischen Herrschaft hin unzumutbare Steuerlast nun etwas nachließ. Eine klare Ermahnung ging jedoch an die spanischen Kleinadligen, die zum im Oktober 1371 einberufen Hoftag in Saragossa ihren Lehenseid auf die englische Krone leisten mussten. „Widerstand gegen die milde englische Herrschaft“, so der Graf von Main an diesem Tag in Saragossa, „werde ohne Gnade bestraft!“ Der siegreiche Feldherr muss wohl mit seinen Worten entsprechend Eindruck gemacht haben, es blieb tatsächlich lange Zeit ruhig im Norden der iberischen Halbinsel...
Zuletzt geändert von Condottiere am 23. August 2013 12:55, insgesamt 1-mal geändert.