Fall RotStabsoberfeldwebel i.S. Graumann, persönlicher Leibwächter von Reichspräsident Ludwig Beck, schüttelte sein Uniformhemd kurz aus, um es dann wieder in die Hose zu stecken. Hier in Ostpreussen war es Ende Juli gerade zu unerträglich heiß. Aber wo das neue Ostkommando der Wehrmacht war, musste auch der Reichspräsident hin, um an der Lageplanung teilzunehmen. Es schmerzte Graumann mitanzusehen, wie zunehmend reserviert die Offiziere in letzter Zeit mit seinem Chef umgingen. Sie sahen in ihm zunehmend einen Politiker, statt einem erfahrenen Truppenkommandeur. Er sah sich um. Nirgends eine Menschenseele zusehen, außer den patrouillierenden Wachsoldaten des OB Ost. Vielleicht könnte er ja mal im Bunker nach dem Rechten sehen, da war es auf jeden Fall kühler. Er warf sich seine MP40 wieder um und ging hinein.
Im Bunker herrschte dämmriges Licht von den durch die schmalen Fensterschlitze hereinfallenden wenigen Lichtstrahlen und den Glühbirnen, die durch dichte Wolken von Zigarettenqualm in ihrer Leuchtkraft behindert wurden. Graumann nickte dem Wachsoldaten auf der anderen Seite des Raumes zu und positionierte sich hinter "seinem" Reichspräsidenten. Hier drin war es tatsächlich einige Grad kühler, stellte er glücklich fest, wenn auch ein wenig stickig wegen der über 20 rauchenden Korps-, Armee- und Heeresgruppenkommandeure rund um den Tisch mit der Landkarte. Rommel, Kommandeur der 2. Panzerarmee, warf ihm einen kurzen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf die Strategiedarlegung des OB Ost, Feldmarschall Ulex. Dieser dozierte:
"Meine Herren! Der Angriff auf Jugoslawien wird in wenigen Tagen beginnen und hoffentlich nur wenige Wochen andauern, so dass keine wichtigen Mittel aus den Depots in Polen und Ostpreussen abgezweigt werden müssen. Also können wir problemlos zur Planung wichtigerer Dinge übergehen. Der Angriffsplan,
Fall Rot genannt, ist folgender."
"Nach eröffnendem 30-minütigem Artillerieangriff und einleitenden Bombardements durch die Luftwaffe, werden die 1. Panzerarmee im Süden und die 2. Panzerarmee im Norden die Grenze übertreten und die sowjetische Front durchbrechen. Während die 1. Panzerarmee dabei gerade vorstoßen wird, um schlussendlich an der rumänischen Grenze den Kessel zu schließen, wird die 2. Panzerarmee nach dem kurzen östlichen Vormarsch nach Norden umschwenken und in einem konzentrierten Angriff Riga erobern, und somit die nördliche Flanke der Roten Armee an der Ostseeküste abschneiden. Sobald die Zerschlagung der eingekesselten Streitkräfte im Gange ist, stößt die 1. Panzerarmee weiter Richtung Odessa und Sewastopol auf der Krim vor. Die 2. Panzerarmee wird derweil sich von einem ihrer Korps trennen, dass ins ehemalige Estland vorstoßen und Tallinn erobern wird, während der Rest der 2. weiter am Peipussee südlich vorbeigehend auf Leningrad vorstößt.
Sobald sich abzeichnet, dass der Feind seine Truppenverbände aus dem Zentrum der Front abzieht, um seine zusammenbrechenden Flanken zu halten, stoßen die Infanteriedivisionen massiert vor und treiben den Gegner vor sich her.
Die 1. Gebirgsarmee wird, sobald die Kriegserklärung an die Sowjetunion bekannt gegeben wird, auf den Schiffen der 1. Transportflotte in die Ostsee auslaufen und unter Deckung durch die Schlachtflotte Raeder die sowjetische Enklave in Hanko von See aus angreifen. Zu diesem Zeitpunkt sollte Finnland sich im Krieg mit der Sowjetunion befinden und über die Unterstützung von 150.000 deutschen Elitetruppen höchst erfreut sein. Außerdem bietet sich so die Chance, Murmansk abzuschneiden sowie Leningrad auch vom Norden aus einzuschließen.
Ziel der Infanterieverbände ist es, bis Ende des Jahres in oder kurz vor Moskau zu stehen, während die 1. Panzerarmee Rostow und die 2. Leningrad genommen haben müssen. Im Frühling '42 wird die 1. Panzerarmee von Rostow aus Richtung Wolga und Kaukasus vorstoßen, um Stalingrad und Baku einzunehmen. Die 2. Panzerarmee wird von ihren Winterstellungen bei Leningrad aus Richtung Arkhangel'sk vorstoßen und so, wenn es der Gebirgsarmee und den Finnen bis dato nicht schon gelungen sein sollte, Murmansk abschneiden.
Im Zentrum werden die dann hoffentlich teilweise einsatzbereite 3. Panzerarmee und die Infanterieverbände Moskau einnehmen und weiter nach Osten drängen, um eine möglichst geradlinige Front zu bilden. Nach unseren Berechnungen sollten wir allerdings, wenn tatsächlich eine relativ geradlinige Front von Arkhangel'sk bis Astrachan erreicht werden sollte, etwa 90% der wichtigsten russischen Regionen kontrollieren und damit die sowjetische Regierung zur Kapitulation gezwungen haben. Soweit zur groben Planung. Fragen?"
Sprachlos starrten mehr als 20 Generale auf den Lageplan. Dann regte sich als erstes General Rommel, Oberbefehlshaber der 2. Panzerarmee, den "Gespenstern".
"Wie ist es denn um die operative Freiheit der Panzerarmeen bestellt?"
"Auf taktischer Ebene haben die Panzerarmeen und ihre Untereinheiten jegliche Freiheit, die sie benötigen. Sobald die Entscheidungen die strategische Ebene erreichen, ist vorher die Erlaubnis des Armeekommandeurs einzuholen. Dieser entscheidet dann, ob es selber die notwendigen Kompetenzen besitzt, eine Entscheidung zu fällen, oder ob weitere Kommandoebenen eingeschaltet werden müssen. Wohlgemerkt, meine Herren, den Kommandeuren der Panzerarmeen alleine ist dieses Entscheidungsrecht vorbehalten. Die Infanteriekommandeure müssen weiterhin bei strategischen Entscheidungen die Beurteilung der Heeresguppenkommandos und des OB abwarten. Weitere Fragen?"
Von Hanneken, kommandierender General der Gebirsarmee, merkte an:
"Die Gebirgsjäger sind zwar für den Kampf im Gebirge hervorragend geeignet, aber gerade die aus kroatischen Verbänden der ZZ übernommenen Soldaten sind Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt nicht ausreichend gewöhnt. Hinzu kommen die immer noch als "Waffen-ZZ-Divisionen" betitelten Verbände. Ein großer Teil der ursprünglichen Offiziere ist im Zuge der Machtübernahme hingerichtet oder inhaftiert worden, der Rest vertritt teilweise ideologisch fragwürdige Ansichten, und ähnlich verhält es sich mit Teilen der Mannschaften."
Zum ersten Mal ergriff nun Generel d.A. Reichspräsident Ludwig Beck das Wort:
"Dann würde ich vorschlagen, wir verlegen die gesamte Gebirgsarmee zwecks Winterkampfausbildung und Abhärtung nach Nordnorwegen. Zusätzlich wäre das auch eine Möglichkeit, sich der unliebsamen Offiziere und Mannschaften zu entledigen. In den nördlichen Gebirgsregionen regen sich immer noch schlagkräftige Partisanenverbände, schicken sie einfach die "richtigen" Leute an die Front, verstanden? Bezüglich der Namen...die Waffen-ZZ ist ja nunmehr der Wehrmacht eingegliedert worden, die Männer fühlen sich aber nach wie vor als Elitetruppe. Benennen wir die Divisionen einfach dementsprechend um."
Nach allgemeiner Zustimmung für die vorgeschlagenen Maßnahmen und Doktrinen löste sich die Versammlung auf.
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