26.02.1936, 07:15 Uhr
South Dakota, Standing Rock Reservation, Hunk papa Tribe; Lemon Village“Unki, tanna-so ketha (Großvater, die Sonne ruft)“ er stupste sanft seinen Großvater an, der sich grunzend umdrehte und seine Augen öffnete.
Mit Augenblinzeln erkundigte sich Großvater, was der Rest der Familie macht.
Er machte das Symbol für ruhen und deutete zur Hüttentür.
Nahezu lautlos kleideten sich die beiden Männer an. Als Black Moon seinen Jagdbogen von dem Wandgestell nahm, raschelte es unter dem riesigen Büffelfell;
Mutter richtete sich auf und schaute verschlafen durch eine Lücke.
Black Moon legte seinen Finger auf die Lippen. Mutter verstand, umarmte Nishi fest und legte sich wieder hin.
Schweigend traten die Männer vor die Hütte und gingen zum Stall.
Er schleppte die am Vorabend gepackte, uralte Reisetasche und hatte die unter den Farmern um diese Jahreszeit übliche Bekleidung an;
Liebestöter Unterwäsche, Arbeiter-Jeans, Winterstiefel mit Fell, grob kariertes, dickstoffiges Hemd darüber eine schwere, von Mutter selbstgenähte Arbeiterjacke aus Jeansstoff und Fellen.
Großvater hatte traditionelle Hunk papa - Winterkleidung an, die hauptsächlich aus Fellen und selbstgewebten Decken bestand.
Die Temperatur betrug weit unter -20 Grad und ein eisiger Wind aus dem Norden wehte den Oberflächenschnee zu einem Gestöber, welches kaum mehr als dreißig Meter Sicht erlaubte.
Die Augen mit den Händen vor dem Schneetreiben schützend, taumelten sie in den Stall.
Die beiden Pferde begrüßten sie leise schnaubend.
Naha, winselte freudig, doch ein kurzes Zeichen von ihm machte der Hündin klar, dass sie still sein sollte und hierbleiben musste.
Er flüsterte zu ihr gerichtet „Nishi“ mit dem Handzeichen für Schutz. Die Hündin verstand sofort und würde nun seine kleine Schwester bis zum Tode beschützen.
Mit ewig geübten Handgriffen legten sie den Pferden die zweifache Winterdecke auf, verzurrten diese mit Lederstreifen am Körper
und wuchteten auf sein Pferd das Traggestell in welchen wiederum der Reisekoffer und Sonstiges, nicht Erwähnenswertes verstaut wurde.
Großvater legte für sich ein kleines Päckchen, bestehend aus Satteldecke, etwas Trockenfleisch und Ausrüstung für ein Nachtlager in dieser widrigen Jahreszeit auf den Pferderücken.
Ebenso fand hinter dem Reiter die reich verzierte, traditionelle Coup-Lanze Platz, welche gewisse Ähnlichkeit von der Grundform her mit dem des christlichen Hirtenstabes aufwies.
Für jeden sichtbar wurde der Jagdbogen mit Köcher auf Höhe des späteren rechten Beines des Reiters mit Leder am Pferd befestigt.
Nicht erkennbar wurde eine gut gepflegte Winchester 1873, Munitionsbeutel und eine Kriegsaxt im Gewirr der Deckenverborgen, die als Sattel dienten.
Ihr Ziel war die ca. 100 km nördlich liegende Stadt Bismarck. Von Lemon an dem nördlichsten Rand von South Dakota bis ins dorthin
und bei diesem Wetter würden sie wohl gute vier Tage durch die schneeverwehten Plains benötigen.
Dort würden sie den Reverend treffen und von dort sollte für ihn die Reise weitergehen, während Großvater die Pferde alleine wieder nach Hause führen wollte.
So brachen sie nahezu lautlos auf und ritten durch die Ansammlung armseliger Hütten und Häuser von Lemon und schlugen einen Weg grob
zwischen der heutigen Country Road 49 und dem Missouri River mitten durch die Ebene ein.
Die beiden Reisenden
Drei Tage vergingen ereignislos, während sie ritten und für jede Nacht ihr Lager erneut aufschlugen.
Am kristallklaren und wolkenlosen Morgen des vierten Tages konnte man über die Weiten der Plains hinweg Mandan, ein Vorort Bismarcks durch die Rauchsäulen der Kamine am Horizont ausmachen.
Sie folgen südöstlich auf den verkarsteten, von trockenen Flussläufen gezeichneten Höhen dem mäandrierenden Heart River,
als sie aus dem Tal des Flusses mehrere Schüsse hörten.
Ein kurzer Blickwechsel genügte und die beiden glitten von den Pferden, wir die Vorfahren es seit hunderten von Jahren getan hatten,
scheuchten die Tiere aus jeglichem Blickwickel und hasteten gebückt zur unbewachsenen Abbruchkante des Tals.
Ohne dass jemand aus dem Tal etwas bemerken, konnten spähten beide liegend hinunter.
Der Blick ins Tal
Dort sahen sie, wie sechs Männer, offensichtlich Weiße, einen alten Native und seine Frau,
die auf dem Dreck vor deren kleinen Hütte lagen, mit Fußtritten und einer schweren Reitpeitsche quälten.
Deren Hütte brannte bereits, zwei Männer schleppten einen Muli und zwei Schweine aus dem Stallverschlag nebenan.
Die Schüsse galten offensichtlich den wenigen Hühnern des kleinen Hofes, die wohl aus Vergnügen alle erschossen auf dem Geländer herumlagen.
Die dreißiger Jahre waren für Natives immer noch keine einfachen. Unter den Weißen galten sie als minderwertig, oftmals auch als Freiwild,
insbesondere bei solchen Gestalten, die sich dort untern herumtrieben.
Taugenichtse der Gesellschaft, für die ein „Spass“ mit einem Indianer willkommene Abwechslung in deren alkoholvernebelten Gehirnen war.
Black Moon verachtete dieses Ungeziefer und jeder Hunk papa wusste, dass er genau solche Untaten erbarmungslos rächte.
Das winzige Native-Kaff Lemon wurde von zwielichtigen Gestalten seit Jahrzehnten gemieden
– Gerüchte rankten in der betreffenden Gesellschaftsschicht um einen unbesiegbaren Gegner –
selbst die offiziellen Behörden wollten nichts davon wissen, weil die, die gefunden wurden ob deren Zustand nicht der Mühe wert war, weiter nachzuforschen.
Dort in Lemon wurden Probleme auf eigenartiger Weise gelöst.
Er wusste was nun geschah. Black Moon hatte Freunde, mächtige Freunde und zugleich Schattengestalten.
Es war eine Andeutung einer Bewegung mit seiner rechten Hand, als nahezu gleichzeitig alle dieser Straßenräuber zugleich auf einen Schlag inne hielten,
keinen Blick mehr für die alten, blutig geschlagenen Leute auf dem Boden hatten und wie panisch sich vor dem brennenden Haus im Kreis gruppierten,
ihre Flinten und sonstige Waffen drohend und igelgleich nach außen gerichtet.
„Habt ihr das gesehen, Wölfe! Hunderte!“ schallte es ihnen aus dem Tal entgegen. „Ja, da hinten und am Fluss! Woher kommen die alle?!?“
Sie begannen, auf imaginäre Ziele wie wild um sich zu feuern.
Black Moon ruft die Wölfe
Er schaute Black Moon fragend an.
Dieser lächelte zurück und sagte leise:
„Sie sehen nur, was sie sehen wollen, nicht dass was sie sehen können. Ihr Geist ist verwirrt.“
Er richtete sich halb auf, gab ihm seine Winchester, deutete auf einen Punkt am Flussbett und beide schlichen schnell die zweihundert Meter zum Schauplatz des Geschehens hinunter.
„Ich schieße und schieße und die Viecher wollen einfach nicht verrecken!!!“ hörten sie panisch.
„Sind die echt oder habe ich zu viel gesoffen!!?“ rief ein anderer, der Wahrheit mit seinem beschränkten Geist recht nahekommend.
Es war zu spät für sie alle.
Black Moon stürmte schattengleich auf sie zu, die Visionen verschwanden und sie sahen mit weit aufgerissenen Augen einen mächtigen Krieger mit zornblitzenden Augen.
Plain-Krieger waren in ihrer besten Zeit in der Lage, zwei bis drei Pfeile innerhalb von drei Sekunden zielgenau zu schießen. So auch jetzt.
Der erste Pfeil traf den Größten unter dem Lumpenpack in den Genitalien, mit einem Schrei, nicht von dieser Welt, sank er zu Boden
und seine Kumpanen wussten instinktiv was geschehen war und erahnten schreckenserfüllt den Schmerz.
Der zweite Pfeil traf einen weiteren, der nahe an der brennenden Hütte stand mit solcher Wucht genau im linken Auge,
dass der Pfeil durch den Schädel nach hinten austrat und ihn an der brennenden Hauswand festnagelte.
Black Moon warf den Bogen zur Seite und war nun im Nahkampf.
Mit einem mächtigen Hieb seiner Kriegsaxt trennte er dem Dritten den Unterkiefer vom Kopf, blutend, gurgelnd und schreiend fiel auch dieser um.
Zwei der Marodeure wollten nun fliehen, während sich der offensichtliche Anführer Black Moon entgegenstellte.
Es war erkennbar, das er verzweifelt versuchte, seinen leergeschossenen Colt auf zu munitionieren.
Die Fliehenden hatten gegen die in den Rücken mit hoher Kadenz schießende Winchester von ihm keine Chance.
Beide bekamen innerhalb von wenigen Sekunden jeweils tödliche zwei bis drei Treffer.
Black Moon trennte mit einer überkreuzenden und beidhändigen Bewegung mit Streitaxt und seinem Kampfmesser dem Anführer den Kopf vom Leib.
Der Körper sackte in die Knie und fiel letztendlich um, der abgetrennte Kopf rollte den leichten Abhang zum Flussbett hinunter.
Er selbst kam näher und gab den beiden schwerverletzten Überlebenden je einen Gnadenschuss.
Die beiden Alten, die Letzten eines ehemals großen Kiowa-Clans waren tot.
Black Moon war über und über mit Blut bespritzt. Er wandte sich zum Fluss und begann, Hände und Gesicht zu reinigen.
Er selbst stand etwas ratlos zwischen all den Leichen und begann irgendwann, diese nach Beute zu durchsuchen.
Das Ergebnis war eher dürftig, vier alte, unbrauchbare Flinten, eine sehr gute Jagdflinte und eine brauchbare Schrotflinte sowie drei gängige Colts waren bei den Waffen zu finden.
Daneben konnte er insgesamt 46 Dollar zusammensammeln, damals recht viel Geld.
Der beiden 1936er Ford Pickup, mit dem die Angreifer offensichtlich unterwegs waren, stellten sich als kurzgeschlossen heraus, somit gestohlen und als Beute unbrauchbar.
Mutmaßlich stammten diese vom Hof des Ford Händlers aus Bismarck, entsprechende Verkaufsschilder waren sogar noch im Innern der Autos.
Die brennende Hütte
„Wir müssen aufräumen“ sagte er zu Black Moon.
Dieser nickte und sie schleppten alle Leichen und Leichenteile in den Schweinestall, übergossen diesen mit dem reichlich vorhandenen Whiskey von den Ladeflächen der Pickups und zündeten letztlich den Stall an.
Das Feuer würde irgendwann Aufmerksamkeit bei den wenigen Nachbarn in dieser einsamen Gegend erregen.
So riefen sie ihre Pferde herbei und ritten, um keine Spuren zu hinterlassen, einige Meilen im Fluss wieder in Richtung Süden,
ehe sie auf felsigem, spurenarmen Grund sich wieder gegen Nordosten wandten.
Fern jeglicher Zivilisation schlugen sie ihr Nachtlager auf, es war zu spät, um noch Bismarck bei Tageslicht zu erreichen.
„Ich konnte auch die Wölfe sehen, was hast Du getan, Unki?“ er schaute am Lagerfeuer sitzend seinen Großvater an.
„Nichts, ich sorgte nur dafür, dass jeder seine Angst sieht. Mein Großvater hat mir dies vor langer Zeit gezeigt.
Ich weiß, dass Du dies auch kannst und will Dir heute Nacht das Symbol der Angst lehren.“
Ein für die weiße Gesellschaft unbegreifliche Zeremonie fand nun statt, in dem Black Moon mit Hilfe einer kleinen Trommel ihn in Trance versetzte,
die Geister und Ahnen anrief und ihm die Macht über das Zeichen der Angst übertrug.
Die Visionen überwältigten ihn, er legte vor den ahnen seinen jetzigen Namen ab, den er beim Sun-Dance als junger Krieger erhielt und führte von nun an seine Vision als Namen.
Er war von nun an SNAKE in the SHADDOW.
ANMERKUNG:
Je tiefer ich mich in der Vorbereitung für diesen AAR in die Materie und Wesensart der nordamerikanischen Natives eingelesen hatte, umso erstaunter musste ich verschiedene Dinge zu Kenntnis nehmen, die sich unserem Verstand gänzlich entzieht. In der Tat waren offensichtlich einige Medizinmänner und/oder Häuptlinge bei verschiedenen Stämmen in der Lage, Ängste bei Gegnern sichtbar zu manifestieren und somit einen taktischen Vorteil im Kampf zu erzielen. Oftmals ist von der Erscheinung eines Bären oder eines Wolfes die Rede, meine hunderte von Wölfen geht aber in Richtung literarischer Freiheit und dürfte übertrieben sein.
Fakt ist, dass diese Fähigkeit in der englischsprachigen Literatur auch Black Moon zugeschrieben wurde, den es tatsächlich gab und der unter Crazy Horse und Sitting Bull bei Little Big Horn kämpfte.
Siehe auch:
http://www.indianerwww.de/indian/haeuptlinge_dakota.htmund
http://books.google.de/books?id=Huu-ZJ7 ... on&f=falseDer echte Black Moon starb allerdings schon 1888.
In der englischen Literatur wird des Öfteren von einer „Verwandschaft“ der Trance-Zustände der Natives zu den Vodoo-Ritualen der Karibik beschrieben. Beide Zustände können scheinbar unmittelbare Auswirkungen auf deren Umgebung auswirken. Als eher naturwissenschaftlich orientierter Mensch sehe ich mich aber außer Stande, hierfür irgendwelche sinnvolle Erklärungen oder Kommentare abzugeben.