Die Heiligen StädteAus einer ägyptischen Chronik(…) und es kam der Tag, an dem die Sonne wiederkehrte, nicht um den Mond zu vertreiben, aber um die Lichter zu vereinen, altes zu neuem zu führen und das Reich des Nils erneut zu regieren. (…)
Der Krieg um die heiligen Städte begann als Krieg zwischen Tag und Nacht. Im Morgengrauen zogen die Soldaten des Pharaos auf, gross an der Zahl. Sie zogen durch die Wüste, über Sand und Stein. Am Mittag, dem Zenit des Lichts, erreichten sie Medina, wo die Feinde der Sonne die Entscheidung suchten.
Die Schlacht von Medina, Auszug aus dem Tagebuch eines ägyptischen SoldatenAn jenem Tag lernte ich den Tod zu fürchten. Ich stand in der dritten Reihe. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte gnadenlos auf uns nieder. Schweiss lief über meine Haut, doch ich war zu beschäftigt, um mich um ihn zu kümmern. Wir hatten uns vor der Stadt in Stellung gebracht, gut positioniert auf einer Erhebung nahe der Mauer. Unser General, eine strahlende Persönlichkeit, rief uns Worte des Mutes zu, forderte uns auf standhaft zu bleiben und für den Pharao zu sterben wenn nötig. Leider lenkte die Rede nur schwach von der Wirklichkeit ab. Wir standen einer Armee von ausgebildeten arabischen Soldaten gegenüber. Eine Reiterschar von über 4000 Mann stand uns gegenüber, während wir uns mir mickrigen 1000 zu wehren versuchten.
So standen wir also vor den steinernen Mauern Medinas, Auge in Auge mit den tödlichen Reitern der Araber. In der Ferne erschallte ein lautes Geräusch, das ich kaum zuordnen konnte, die Zeit war gekommen. Ich konnte spüren, wie meine Kameraden zitterten. Vor uns baute sich eine schwarze Wand aus Feinden auf. Der Lärm ihrer Pferde war ohrenbetäubend und das Klirren ihrer Säbel schien bereits jetzt unsere Herzen zu zerreissen. Unsere Augen weiteten sich, betäubt von den nahenden Feinden, standen wir regungslos da, jeglichen Willen verlierend.
Es war Nazhir, ein Veteran aus Lybien, der Erste auf den Mauern von Tunis, der mehr einem Bären glich als einem Mann, welches schliesslich die Stille unserer Truppen beendete. Er stand kaum zwei Meter vor mir in der ersten Reihe, ehe er nach vorne lief und sich neben unseren ebenso sprachlosen General stellte. Trotzig hielt er sein Kinn in die Höhe. Er spuckte auf den Boden, hielt seinen Speer hoch in die Luft und Schrie den nahenden Feinden entgegen. Bald begann das Trommeln der Speere auf den Schilden, bald lagen Schreie in der Luft, die Zeit war gekommen, der Kampf begann und der Tod hatte viel zu tun an jenem Tag.
Die erste Reihe traf es am härtesten, nur wenige überlebten den tödlichen Ansturm. Auch die zweite Reihe hatte einiges einzustecken, doch die Wucht des Angriffs war verloren und das Gemetzel konnte beginnen. Unsere Speere erwiesen sich als effiziente Waffe gegen die Reiter der Araber, doch die Wunden, die sie in unsere Front geschlagen hatten, verheilten nicht rasch genug. Denn als die Reiter den Rückzug angetreten haben, stürmten bereits die Infanteristen des Feindes in der Bresche.
Einer der Araber rannte direkt auf mich zu, den Säbel hoch über dem Kopf und das Maul geweitet. Ich vermochte gerade noch den Schild zu erheben, ehe er mich erreichte. Meinen Speer warf ich zu Boden und zog meine Klinge. Doch meine Schläge gingen ins Leere, zu flink war mein Gegenüber und zu geschickt mit seiner Waffe. Wieder und wieder musste ich zurückfallen und Hiebe parieren. Nach kurzer Zeit stiess auch noch ein weiterer Araber hinzu und zu zweit bedrängten sie mich immer intensiver. Immer häufiger drangen sie an meinem Schild vorbei und schnitten mir in die Arme. Einer von ihnen schien genug von dem Scharmützel zu haben, plötzlich stürmte er vor und vergass dabei seine Verteidigung. Ein schneller Schlag schlitzte seinen Brustkorb auf und beendete sein Leben.
Noch während meinem Angriff bemerkte ich jedoch, wie sich in meinem Augenwinkel der zweite Araber bewegte. Rasend schnell kehrte ich mich zu ihm, doch seine Klinge hatte sich bereits in meinen Oberschenkel gefressen. Ein stechender Schmerz ging durch meinen Körper, ich ging zu Boden. Gerade wollte mein Gegenüber sein Werk vollenden, als plötzlich eine Speerspitze aus seiner Brust ragte. Er wurde von hinten in den Sand getreten. Hinter ihm tauchte Nazhir der Bär auf, nahm den Speer wieder an sich und rannte zurück ins Getümmel. Als der Schlachtenlärm endete, gingen wir siegreich hervor, doch wir bezahlten den eisernen Preis für diesen Sieg. Die Mauern der Stadt waren so rot wie das Wasser in der Heimat, Medina war gefallen.
Die Überlebenden wurden gejagt und schliesslich südlich der Stadt erneut gestellt. Nazhirs Speer tauchte noch in viele Araber an jenem Tag.
Chronik ÄgyptensDie rote Sonne sank nun im Westen. Die Krieger Ägyptens zogen gen Süden, zogen durch die heiligen Lande des Mondes. Sie entzündeten Feuer in jedem Ort, und erschlugen die Sklavenherrscher von Hedjaz. Als die Sonne schliesslich am Horizont lag, da geschah, was keiner erwartete. Das Licht blieb noch lange hell an jenem Tag. Der Mond ging auf im Osten, als die Ägypter vor Mekka standen und das Licht blieb und blieb, liess den Mond den Himmel passieren.
Und als der Mond die Sonne erreichte, verschmolzen sie, zu einem leuchtenden Symbol. Einem Symbol der Stärke und der Grösse. Die heilige Stadt wurde Zeuge der Verbindung zwischen den alten Göttern und Allah, wurde Zeuge, wie der grösste aller Pharaonen, Ramses II. der Grosse, sein Knie beugte und den Mond des Islams in seine Krone aufnahm. Die Zeit der Kalifen war vorbei, und die Zeit des grossen Pharaos des Islams brach an.
Bericht eines ZeitgenossenTausende waren gekommen, um das Spektakel zu sehen. Die Soldaten der Ägypter waren bereits früh am Morgen in die Stadt eingedrungen und hatten die Herrscher der Stadt entwaffnet. Wir befürchteten bereits das Schlimmste, als sie durch die Stadt zogen, doch die Plünderungen blieben aus. Nicht ein einziges Feuer wurde gelegt und nicht ein einziger Schatz geraubt. Stattdessen bildeten die Ägypter einen langen Gang, standen rechts und links der Strasse und verharrten still mit eindrucksvoller Disziplin. Es dauerte eine Weile, bis die ersten mutigen Zivilisten ihre Köpfe aus den Fenstern streckten und noch einige Zeit länger, bis sie neugierig ihre Häuser verliessen und sich ebenfalls an die Strasse stellten, stets das Tor der Stadt beobachtend. Stundenlang standen sie also da, in der prallen Sonne und schwitzend vor Hitze, doch wie von einer seltsamen Kraft getrieben, wagte es niemand seinen Platz zu verlassen, alle standen sie da und warteten geduldig. Als die Abendröte einsetzte kam Bewegung in das Tor der Stadt. Es öffnete sich langsam und eine Schar prächtiger Reiter betrat die Strassen Mekkas. An ihrer Spitze, der Pharao Ramses persönlich. Seine Rüstung war schlicht, kaum prunkvoller als die seiner Soldaten, doch nicht nur seine Krone verriet seine Stellung. Es war sein Blick, seine Haltung, diese unglaubliche Ausstrahlung, die er hatte. Er wirkte, wie eine Figur aus einer längst vergangenen Zeit, die er ja auch war. Seine Präsenz liess uns aufleben, liess uns Bewunderung und Freude verspüren. Etwas tat sich in der Menge, man konnte es spüren, konnte es fühlen. Das Pferd des Pharaos trabte langsam an uns vorbei und er erhob seine Hand. Ein Jubeln ging durch die Menge. Sie schienen zu vergessen, dass ihr Eroberer gerade durch die Stadt zog, dass sie den Krieg verloren hatten und eben dieser Mann ihre Stadt einnehmen liess.
Mit dem Jubel des arabischen Volkes in den Ohren betrat der Pharao die heilige Moschee, kniete vor der Kaaba und konvertierte in einem feierlichen Ritual zum Islam. Der Mann, der die heiligste Stadt der Muslime nehmen liess, der die Wächter des Halbmondes erschlagen liess und Furcht in die Herzen der Muslime säte, wurde zu einem von uns. Nicht nur das, er läutete ein neues Kapitel ein, liess die tyrannischen neuen Aspekte des Islams verbrennen und rief den alten Islam, den Islam des Fortschritts, der Liebe und des Wissens aus. In diesem Moment geschah es, dass der Mond die Sonne verdunkelte. Etwas geschah in der Welt, etwas wurde ins Rollen gebracht, das nicht mehr aufzuhalten war. Es fühlte sich seltsam an, und erst später offenbarte sich uns die wahre Bedeutung dieses Tages.
Was ist Kunst anderes als Leidenschaft? Sei es Malerei, Literatur, Musik oder etwas völlig anderes. Natürlich bedarf es langer Übung, Kreativität und einem Hauch von Talent, ein Künstler zu sein, doch wie der Schliff des Diamanten erst seine wahre Schönheit offenbart, so ist es die Leidenschaft, die der Kunst erst ihre Seele und ihr Leben einhaucht.