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[Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Fridericus Secundus » 7. Januar 2015 14:21

...als Geisteswissenschaftler.

Servus Forum,
aus aktuellem Anlass wollte ich hier ein Thema zur Sprache bringen, von dem ich mir vorstellen könnte, dass es mal mehrere Leute hier aus dem Forum betreffen wird.
Viele, die ein geisteswissenschaftliches Fach studieren, werden sich später fachfremd nach einem Job umsehen müssen: aus eigener Erfahrung weiß ich leider, dass die Perspektiven z.B. für Historiker an der Uni, den Akademien und Archiven nicht gerade rosig waren und dank zunehmender Knauserigkeit des Staates noch rapide schlechter werden. Was aus unserem kulturellen Erbe werden soll, wenn der Staat schon in Zeiten üppig gefüllter Kassen keine Kohle mehr für Wissenschaft und Kultur locker macht, ist eine hochbrisante Frage. Gehört hier aber nicht hin. Ich z.B. hatte mit dem Ziel, die staatliche Archivschule in München zu besuchen, vor 2,5 Jahren eine Promotion begonnen. Aus diversen Gründen ist dieses Ziel schon länger hinfällig - aber unabhängig davon bin ich mir schon vor einiger Zeit bewusst geworden, dass der Wissenschaftsbetrieb langfristig ohnehin nicht mein Ding ist und es mich eher in die Wirtschaft zieht. Langer Rede kurzer Sinn: in einem halben Jahr läuft mein Diss- und Forschungsprojekt aus, und ich beginne schon jetzt mit dem Schreiben von Bewerbungen.

Dabei bin ich über das Phänomen gestolpert, dass die angeblichen Vorteile von Geisteswissenschaftlern immer wieder gepriesen werden und die Arbeitgeber dem angeblich zunehmend offen gegenüberstehen. Gräbt man aber tiefer, bzw. versucht man diese Vorteile konkret im Bewerbungsschreiben anzubringen, stellt man schnell fest, dass alle (von der Zeitung über die diversen Blogs im Netz bis zu den Freunden, die einem einen Rat geben wollen) die immergleichen Gemeinplätze von sich geben: angeblich kann man analytisch denken, geht anders an Probleme ran, besitzt "interkulturelle Kompetenz" (Anwärter auf die Hohlphrase des Jahrzehnts), arbeitet strukturiert, logisch, ist flexibel und kommt schnell in neue Themenbereich rein usw. usw.
Toll.
Und was heißt das in der Praxis? In der Bewerbung soll man eben keine Floskeln auskotzen, sondern konkrete Beispiele nennen. Natürlich denke ich analytisch und arbeite ich strukturiert - wie soll man denn sonst ne historische Promotion schaffen??? Dass ich nicht nach Schema F denke zeigt allein schon, dass ich mich für meine Diss XML und XSLT selbstverständlich nutze, in meiner Freizeit versuche (wenn ich die Zeit hätte), mich in Java einzuarbeiten oder mir freiwillig ne BWL-Fortbildung gebe, weils mich halt interessiert. Nur wie bringe ich das in nem Bewerbungsschreiben rüber, ohne komplett tödliche Allgemeinaussagen am Fließband zu produzieren?
Mit anderen Worten: wie verkauft man seinen Wert als Historiker, wenn allgemein nur Fachkompetenzen zählen?

Bin gespannt auf eure Meinung!
Ich bin Historiker. Da geht man immer mit ganz niedrigen Erwartungen an die Menschen ran.
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Re: [Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Gaius Bonus » 7. Januar 2015 15:00

Hast Du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, deine Fähigkeiten für irgendeine Selbstständigkeit zu nutzen? Große Zahlen von Universitätsabsolventen werden selbst Firmengründer und da sind auch oft Geisteswissenschaftler fachfremd dabei.

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Re: [Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Fridericus Secundus » 7. Januar 2015 15:52

Nach mind. 5 Bier schon, ja ;)
Ne, im Ernst: ausschließen würde ich es nicht, aber man braucht schon ne sehr solide Geschäftsidee, um als selbständiger Quereinsteiger überleben zu können. Bisher beschränkte sich das auf ne Gulaschkanone bei der Uni, da man das ganze fozen-Joghurt-Zeugs dort nicht ernsthaft essen kann. Bei den Münchner Ladenmieten ist das aber eher ne schlechte Idee...
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Re: [Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Stula » 7. Januar 2015 19:06

Tja: die Frage ist, was stellst Du Dir vor und was ist für Dich zumutbar?

Eine Empfehlung wären z.B. Zeitarbeitsbuden, bei denen Du gleich persönlich hingehen kannst. Für die zählt der erste persönliche Eindruck und ein aussagefähiger Lebenslauf, den sie an Unternehmen weiterreichen können. Ok, ist nun mal leider Zeitarbeit. Aber so kommst Du zumindest in Unternehmen rein. Dann zeigen, dass Du was kannst bzw. lernfähig bist. Bei meinem Brötchengeber (Sachbearbeitung Banken) kommt Neupersonal 90% über Zeitarbeit.
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Re: [Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Werth » 8. Januar 2015 18:06

Zu den Grundkompetenzen gehören Fremdsprachen, Computerkenntnisse, (hoffentlich) freies Reden, mittlere bis lange Texte mit sinnvollen Aussagen.
Klingt ertsmal selbstverständlich - isses aber nich.
Dazu sollte die Fähigkeit kommen, Problemlösungen in kurzer Zeit zu entwickeln.
Viel Glück für die Zukunft.

Grüße von einem M.A. in Geschichte und Politikwissenschaft. :strategie_zone_4:

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Re: [Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Fridericus Secundus » 10. Januar 2015 17:21

@Stula: naja, Zeitarbeit wäre schon ultima ratio. Zum Glück ist die Lage noch nicht so schlimm, denn im Vergleich zu nicht-Zeitarbeit ist das wohl immer die schlechtere Option.
@Werth: stimmt, so selbstverständlich ist das gar nicht. Mir hat gestern ein befreundeter Personaler erzählt, dass er haufenweise Bewerbungsschreiben kriegt, die jedweder sinnvollen Zeichensetzung entbehren...wenn es darum geht, jemandem ein Produkt zu verkaufen oder jemanden in einem Fachthema zu beraten, könnte ich mir vorstellen, dass ein Geisteswissenschaftler das etwas präziser und unmissverständlicher hinkriegt als jemand, der keinen geraden deutschen Satz schreiben kann.
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Re: [Spamtopia] A historian's worth, oder bewerben...

Beitragvon Jaegerfeld » 10. Januar 2015 21:36

Nicht unbedingt Historiker, aber einer der besten (sowohl fachlich als auch gehaltstechnisch) IT-Projektleiter in Europa hat Soziologie studiert.
Viel Arbeit in der Industrie erfordert analytisches und sauberes Arbeiten. Sowas sollte man auf einer Uni lernen.
Ab einem bestimmten Level (Gesamtprojektleitung und mehr) geht es eh nicht mehr um Technik sondern viel mehr um zwischenmenschliche Kommunikation und Durchsetzungsvermögen.
„Ich schätze mal, das kann jeder Online-Community passieren. Irgendwann stellen die höflichen und vernünftigen Leute fest, dass sie sich in dieser Gruppe nicht mehr aufhalten wollen. Also verschwinden die. Und diejenigen die übrig bleiben, erfahren nur noch die Leute die genau so wie sie drauf sind.“

=== David Gaider, Bioware ===