Da ich mich grade mit Aufsätzen zu einem bestimmten Thema rumschlage, kam mir bei der Lektüre bestimmter Zahlen die Idee, daraus ein Rätsel zu machen:
Über das Mittelalter wissen wir - neben literarischen und archäologischen Quellen im weitesten Sinne - vor allem etwas durch Urkunden, also Schriftstücke, die einen Rechtsakt festhalten (grob vereinfacht). Urkunden stellen vor allem Herrscher aus, aber (zunehmend v.a. ab dem Hoch und Spätmittelalter) auch Fürsten, Bischöfe und auch "Privatpersonen"
Die "Kanzleien", die diese Urkunden bei den Herrschern produzieren und damit im eigensten Sinn Machtausübung in der Welt des Mittelalters betreiben, da sie den Willen den Herrschers (wieder grob verienfacht, an der Uni würde man mich vermutlich töten) widergeben, darf man sich keinesfalls als "Behörden" im heutigen Sinn vorstellen: sitzt ein Herrscher politisch schlecht im Sattel oder macht sein Reich grade sonstwelche Krisen durch, kann die "Kanzlei" schonmal eine One-man-show sein: ein einziger Mann, der Urkunden diktiert und abnickt, ggf. noch ein einfahcer Schreiber, der das ganze in m.o.w. lesbare Form bringt.
So, und nun ratet mal: die Kanzlei welches Herrschers produziert im hohen und späten Mittelalter mit weitem Abstand unangefochten die meisten Urkunden? Diese Kanzlei war allen anderen lateineuropäischen (und ab dem Hochmittelalter wohl auch der byzantinischen) Kanzlei in Sachen Organisation und "Modernität" (d.h. Innovation, Verwaltung, Verfahrensabläufen, Struktur etc.) haushoch überlegen.
[Rätselecke] Allgemeines historisches Rätsel
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Re: [Rätselecke] Allgemeines historisches Rätsel
Die Kanzlei Karls IV. ??
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Re: [Rätselecke] Allgemeines historisches Rätsel
Cyredd hat Recht.
Als Beispiel: In der ersten Hälfte des 12. Jh.s. (um 1130) betrug die jährliche (!) päpstliche Urkundenproduktion 288 Urkunden; unter Gregor VIII. sogar einen Spitzenwert von 115 Urkunden für knapp 2 Monate (Gregors Pontifikat dauerte nur 57 Tage). Zum Vergleich: für Barbarossa sind durchschnittlich 25 Urkunden pro Jahr überliefert, für Heinrich VI. gegen ENde des Jahrhunderts ca. 90. In Frankreich am Ende des 12. Jh.s. 58/Jahr und unter Heinrich. England sticht ewas heraus, dort ist die Schriftlichkeit stärker ausgeprägt; ich habe hier nur die Gesamtzahl für die Herrschaft Heinrichs II. (4000, pipe rolls nicht inkl.; Barbarossa: insges. ca. 1000).
Bei all dem ist hinzuzufügen, dass wir nur einen Bruchteil der tatsächlich ausgestellten Urkunden kennen. Der größte Teil ist verloren, Schätzungen reichen bishin zu 80-90% Verlust (was übertrieben sein dürfte, dennoch ist die Zahl mit Sicherheit eminent höher).
Als Beispiel: In der ersten Hälfte des 12. Jh.s. (um 1130) betrug die jährliche (!) päpstliche Urkundenproduktion 288 Urkunden; unter Gregor VIII. sogar einen Spitzenwert von 115 Urkunden für knapp 2 Monate (Gregors Pontifikat dauerte nur 57 Tage). Zum Vergleich: für Barbarossa sind durchschnittlich 25 Urkunden pro Jahr überliefert, für Heinrich VI. gegen ENde des Jahrhunderts ca. 90. In Frankreich am Ende des 12. Jh.s. 58/Jahr und unter Heinrich. England sticht ewas heraus, dort ist die Schriftlichkeit stärker ausgeprägt; ich habe hier nur die Gesamtzahl für die Herrschaft Heinrichs II. (4000, pipe rolls nicht inkl.; Barbarossa: insges. ca. 1000).
Bei all dem ist hinzuzufügen, dass wir nur einen Bruchteil der tatsächlich ausgestellten Urkunden kennen. Der größte Teil ist verloren, Schätzungen reichen bishin zu 80-90% Verlust (was übertrieben sein dürfte, dennoch ist die Zahl mit Sicherheit eminent höher).
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Re: [Rätselecke] Allgemeines historisches Rätsel
Ich halte die Zahl von 80-90% Verlust für gar nicht mal zu hoch. Brände waren ja z. B. gar nicht mal so selten, gerade in Deutschland dürfte im Dreißigjährigem Krieg so einiges untergegangen sein. Und natürlich besteht immer die Möglichkeit, daß nicht mehr aktuelle Urkunden "ersetzt" worden sind. Pergament ist teuer.
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Re: [Rätselecke] Allgemeines historisches Rätsel
Das stimmt schon. 50-60% halte ich für absoult realistisch, aber 90%...zumal die Zahlen praktisch unmöglich zu ermitteln sind, da die Registerführung damals anders funktioniete als heute.
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