Der Erste Weltkrieg

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 4. Januar 2015 19:53

Also ich würde euch beiden in Teilen widersprechen.

Allgemein bezüglich Kriegsführung: Ich war nie Soldat, mir würden aber aus der Geschichte auch des 20ten Jahrhunderts, diverse Beispiele einfallen, bei denen die technisch wie zahlenmäßig überlegene Seite verloren hat.
Ein Beispiel wäre der chinesische Bürgerkrieg, die Armee der Nationalisten war zahlenmäßig stark überlegen und hatte im Krieg gegen Japan umfangreichen Hilfe in Form von Rüstungsgütern bekommen, dennoch wird Nanjing heute von den Rotchinesen kontrolliert. Ebenso Hainan die Verteidigenden Truppen der Nationalen Revolutionsarmee waren zahlenmäßig überlegen, und verteidigten sich mit modernem Material gegen eine Landungsoperation der Volksbefreiungsarmee die mit Dschunken auf die Insel übersetzte. Die Seeschlacht dort war noch deutlicher, auch wenn die Dschunken dort zahlenmäßig überlegen waren, waren sie aus Holz und die die bewaffnete waren verfügten über völlig veraltete Kanonen, die Kriegsschiffe der Nationalchinesen waren schneller, und hatten moderne Geschütze mit ausreichender Reichweite um ein Zielschießen zu veranstalten, aber aufgrund schwerwiegender taktischer Fehler endete die Seeschlacht nicht mit der eigentlich völlig logischen Vernichtung der Landungstruppen, sondern einem schmachvollen Rückzug der Verteidiger nach schweren Verlusten.

Ein anderes Beispiel wäre der Nahostkonflikt wo Israel seinen arabischen Nachbarn Bevölkerungstechnisch ca. 20:1, damit natürlich auch in fast jedem Krieg von der Wirtschaftsleistung und der Zahl der Soldaten her, in einigen Kriegen, namentlich dem ersten arabisch-israelischen Krieg/Unabhängigkeitskrieg/Katastrophe und dem Jom-Kipur-Krieg auch technisch (über Israel war ein europäisches Waffenembargo verhängt worden, weshalb man z.b. 1973 immer noch mit Panzern herumfuhr, die den Einsatz im zweiten Weltkrieg knapp verpassten, während die Ägypter und Syrer von den Sowjets Großzügig mit neuen Waffen versorgt wurden), dennoch haben sich die Araber jedes mal einen blutige Nase geholt, und die meisten mussten mittlerweile Frieden schließen.


Einen Sieg der Mittelmächte im ersten Weltkrieg würde ich daher nicht dezidiert ausschließen, auch wenn man beachten sollte, dass die Niederlage doch das wahrscheinlichere war, eben aufgrund der wirtschaftlichen und zahlenmäßigen Unterlegenheit (auch wenn diese nicht so groß war, zu mindestens vor dem Kriegseintritt der USA, Deutschland hatte 1913 eine größere Wirtschaftsleistung als Großbritannien oder Frankreich, wenn auch kleiner als beide zusammen. Auch war Deutschland im ersten Weltkrieg das Land dass die meisten Soldaten Mobil machen konnte, mehr als Russland).



Der Seekrieg sieht dann wieder anders aus, hier bin ich klar der Meinung dass die zahlenmäßige Unterlegenheit bei ähnlicher Technik einen Sieg im Sinne der Seeherrschaft unmöglich machte, zumal ja auch durch die geheimdienstliche Überlegenheit der Briten ein ausreichender taktischer Vorteil für begrenzte militärische Siege mit Auswirkungen auf die strategische Lage sehr schwer gewesen wäre.

Bei den Verlusten an Großkampfschiffen hatten die Briten und Franzosen höhere, das stimmt, nur konnten sie sich diese Leisten, den in Prozent der vorhandenen Kapazitäten waren die Verluste leicht zu Ungunsten Deutschlands.
Die Skagerakschlacht war damit von den Verlusten her und auch taktisch (wobei man bedenken musst, dass die Hochseeflotte es war, die sich zurückziehen musste) zwar ein Unentschieden, aber strategisch reichte ein Unentschieden nicht, die Seeherrschaft der Royal Navy blieb ungefährdet, womit es strategisch gesehen eine Niederlage war.

Apropos Seeherrschaft: Wie kommst du auf zu der Einschätzung dass eine dem Seekriegsrecht (Prisenrecht. XII Hager Abkommen, Londoner Seerechtsdeklaration von 1909) folgende Blockade gegen einen Kriegsgegner ein Kriegsverbrechen darstellt.
Was hingegen ganz klar dem Kriegsrecht widersprach war der uneingeschränkte U-Bootkrieg, der nicht wirklich den Regeln einer Seeblockade entsprach (wirksame Durchsetzung) und wo der Besatzungen der Handelsschiffe oft nicht die Möglichkeit gelassen wurde, sich in Sicherheit zu begeben.

Der uneingeschränkte U-Bootkrieg war es dann ja auch, der den Kriegseintritt der USA provozierte, und damit maßgeblich an der Niederlage beteiligt war.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 4. Januar 2015 20:59

Kurzer Einwurf, was den chinesischen Bürgerkrieg betrifft:

So weit ich mich erinnere ist den rotchinesischen Truppen mehr oder weniger ein beträchtlicher Teil des von den Japanern und ihren Mandshukuo-Vasallen in der Mandschurei zurrückgelassenen Kriegsmaterials in die Hände gefallen, was in dieser Form wohl durchaus ausgereicht haben mag um den Nationalchinesen im Punkto Waffentechnik Paroli zu bieten.
Dann spielen in einem solchen Konflikt ja auch noch ganz andere Dinge eine Rolle, z.b. in wie fern man es denn tatsächlich mit mit gut organisierten Armeen in diesem Sinne zu tun hat, die diesen Namen auch verdienen.
Ich bin für China zwar kein Experte, würde aber doch davon ausgehen, das im Krieg gegen die Japaner und auch im Bürgerkrieg das Gros der Streitkräfte eher aus Milizähnlichen Verbänden bestanden haben dürfte, denn ansonsten wäre mir bei den zahlenmäßigen Verhältnissen, trotz technologischer Differenzen völlig schleierhaft, warum sich die Japaner überhaupt so lange in China hätten halten können.
Hat man es aber mit Milizverbänden und mehr oder weniger paramilitärischem Klüngel zu tun, können schwächere Kommandostrukturen, mangelhafte Ausbildung von Offizieren, niedrigere Disziplin oder Kamfmoral etc. bereits den Ausschlag dahin geben, dass ein leichter zahlenmäßiger oder technologischer Vorsprung zu nichte Wird.

Hinzu kommt im Falle Chinas sicherlich auch noch die territoriale Zerstrittenheit des landes. Chiang und Konsorten mag es zwar gelungen sein einen Großteil des Landes unter Kontrolle zu bringen, aber wie sieht es mit den Verwaltungsstrukturen in diesem Fall denn aus? In wie fern ist eine wild aus allen zentral- südchinesichen Provinzen zusammengewürfelter Militärhaufen denn überhaupt zu einer sauber funktionierenden Truppe zu Formen gewesen.

Weiterhin, wie sieht es mit Politik und Propaganda aus? Meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass streckenweise ganze Landstriche den Nationalisten wegdesertiert sind, als die Roten vor marschierten, wegen zu reaktionärer Gesetzgebung im weiß beherrschten Raum.

Glaube fast China an sich würde mal ein eigenes Thema lohnen, falls es dazu noch keins gibt.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 4. Januar 2015 21:29

Klar, China ist natürlich kompliziert, das die Rotchinesen durchaus auch Waffen ist zutreffend, habe ich auch nicht bestritten, und auch der von dir vorgebrachte Faktor Politik und Propaganda spielte eine bedeutende Rolle.

Ebenso ist dein Einwurf mit der Struktur eine berechtigte Frage, tatsächlich hatten einzelne Warlords recht großen Einfluss, ich (auch kein China-Experte mein Wissen diesbezüglich habe ich primär aus der Recheerch zu einer Seminararbeit über das politische System der Republik China nach der Niederlage im Bürgerkrieg) und es kam zu militärischen Fehlleistungen und Desertation, wobei das Dinge sind, die auch regulären Armeen passieren können, als solche würde ich die Armee der Republik China zu Zeiten des Krieges gegen die Japaner und der zweiten Episode des Bürgerkrieges definitiv bezeichnen. Das die Japaner sich "so lange in China halten konnte" dürfte denke ich da durchaus mit einer Kombination von technischer Überlegenheit, besserer Ausbildung, und kompetenteren Kommandeuren erklärbar sein, kombiniert damit, dass die Zahlenmäßige Unterlegenheit sich in Grenzen hielt (5,6 mio. gegen 4,1mio.)


Edit: Eigenes Thema wäre wohl eine Idee, momentan sind wir doch etwas sehr off-topic
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Khamûl » 4. Januar 2015 21:43

Ich sehe wir müssen bald einen neuen Thread eröffnen.

Zu China kann man noch sagen, dass die Rote Armee (also die von Mao) es mit Guerilla Taktiken versuchte, die sogar funktionierten. Die Kuomitang hingegen kämpfte im offenen Feld, was gegen die Japaner fast nie erfolgreich war.
Dafür stand die Rote Armee kurz vor der Vernichtung durch die Kuomitang im chinesischen Bürgerkrieg. Erst der Angriff der Japaner zwang die Republik China ihre Truppen zu verlegen. Für Maos Truppen endete der "Lange Marsch" und sie sammelten erstmal Kräfte, bis halt ihre Guerilla-Krieg begann. Die Hilfe der Komintern/der Sowjetunion schien eher mäßig zu sein.

Die Republik China hat sich nach dem Abzug der Japaner mit dem Ignorieren der wirtschaftlichen Problemen, einer korrupten Machtelite und hoher Inflation selber zerstört.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Avarice1987 » 4. Januar 2015 22:51

IWST hat geschrieben:Also ich würde euch beiden in Teilen widersprechen.

Allgemein bezüglich Kriegsführung: Ich war nie Soldat, mir würden aber aus der Geschichte auch des 20ten Jahrhunderts, diverse Beispiele einfallen, bei denen die technisch wie zahlenmäßig überlegene Seite verloren hat.
Ein Beispiel wäre der chinesische Bürgerkrieg, die Armee der Nationalisten war zahlenmäßig stark überlegen und hatte im Krieg gegen Japan umfangreichen Hilfe in Form von Rüstungsgütern bekommen, dennoch wird Nanjing heute von den Rotchinesen kontrolliert. Ebenso Hainan die Verteidigenden Truppen der Nationalen Revolutionsarmee waren zahlenmäßig überlegen, und verteidigten sich mit modernem Material gegen eine Landungsoperation der Volksbefreiungsarmee die mit Dschunken auf die Insel übersetzte. Die Seeschlacht dort war noch deutlicher, auch wenn die Dschunken dort zahlenmäßig überlegen waren, waren sie aus Holz und die die bewaffnete waren verfügten über völlig veraltete Kanonen, die Kriegsschiffe der Nationalchinesen waren schneller, und hatten moderne Geschütze mit ausreichender Reichweite um ein Zielschießen zu veranstalten, aber aufgrund schwerwiegender taktischer Fehler endete die Seeschlacht nicht mit der eigentlich völlig logischen Vernichtung der Landungstruppen, sondern einem schmachvollen Rückzug der Verteidiger nach schweren Verlusten.

Ein anderes Beispiel wäre der Nahostkonflikt wo Israel seinen arabischen Nachbarn Bevölkerungstechnisch ca. 20:1, damit natürlich auch in fast jedem Krieg von der Wirtschaftsleistung und der Zahl der Soldaten her, in einigen Kriegen, namentlich dem ersten arabisch-israelischen Krieg/Unabhängigkeitskrieg/Katastrophe und dem Jom-Kipur-Krieg auch technisch (über Israel war ein europäisches Waffenembargo verhängt worden, weshalb man z.b. 1973 immer noch mit Panzern herumfuhr, die den Einsatz im zweiten Weltkrieg knapp verpassten, während die Ägypter und Syrer von den Sowjets Großzügig mit neuen Waffen versorgt wurden), dennoch haben sich die Araber jedes mal einen blutige Nase geholt, und die meisten mussten mittlerweile Frieden schließen.


Einen Sieg der Mittelmächte im ersten Weltkrieg würde ich daher nicht dezidiert ausschließen, auch wenn man beachten sollte, dass die Niederlage doch das wahrscheinlichere war, eben aufgrund der wirtschaftlichen und zahlenmäßigen Unterlegenheit (auch wenn diese nicht so groß war, zu mindestens vor dem Kriegseintritt der USA, Deutschland hatte 1913 eine größere Wirtschaftsleistung als Großbritannien oder Frankreich, wenn auch kleiner als beide zusammen. Auch war Deutschland im ersten Weltkrieg das Land dass die meisten Soldaten Mobil machen konnte, mehr als Russland).



Der Seekrieg sieht dann wieder anders aus, hier bin ich klar der Meinung dass die zahlenmäßige Unterlegenheit bei ähnlicher Technik einen Sieg im Sinne der Seeherrschaft unmöglich machte, zumal ja auch durch die geheimdienstliche Überlegenheit der Briten ein ausreichender taktischer Vorteil für begrenzte militärische Siege mit Auswirkungen auf die strategische Lage sehr schwer gewesen wäre.

Bei den Verlusten an Großkampfschiffen hatten die Briten und Franzosen höhere, das stimmt, nur konnten sie sich diese Leisten, den in Prozent der vorhandenen Kapazitäten waren die Verluste leicht zu Ungunsten Deutschlands.
Die Skagerakschlacht war damit von den Verlusten her und auch taktisch (wobei man bedenken musst, dass die Hochseeflotte es war, die sich zurückziehen musste) zwar ein Unentschieden, aber strategisch reichte ein Unentschieden nicht, die Seeherrschaft der Royal Navy blieb ungefährdet, womit es strategisch gesehen eine Niederlage war.

Apropos Seeherrschaft: Wie kommst du auf zu der Einschätzung dass eine dem Seekriegsrecht (Prisenrecht. XII Hager Abkommen, Londoner Seerechtsdeklaration von 1909) folgende Blockade gegen einen Kriegsgegner ein Kriegsverbrechen darstellt.
Was hingegen ganz klar dem Kriegsrecht widersprach war der uneingeschränkte U-Bootkrieg, der nicht wirklich den Regeln einer Seeblockade entsprach (wirksame Durchsetzung) und wo der Besatzungen der Handelsschiffe oft nicht die Möglichkeit gelassen wurde, sich in Sicherheit zu begeben.

Der uneingeschränkte U-Bootkrieg war es dann ja auch, der den Kriegseintritt der USA provozierte, und damit maßgeblich an der Niederlage beteiligt war.


Ich dachte mal, dass die Blockade Völkerkriegsrechtlich nicht gedeckt war.

Ja, leider provozierte der dann den Amerikanischen Kriegseintritt. Mittlerweile weis man ja, dass kein geringerer als Winston Churchill sehr wohl den verlust der Lusitania einkalkulierte, dass Schiff auch nicht auf die Anwesenheit eines U-Bootes im Seegebiet Südlich Island hingewiesen wurde.

Naja, hätte, hätte Fahradkette. Im bezug auf die Folgen des 1 Wk muss ich ehrlich sagen, dass wir den am Ende leider verloren haben. Wobei hier auch wieder Raum für Spekulation im Hinblick auf das Ausscheiden Russlands und Offensive Michael wäre. Wobei der Uneingeschränkte U-Bootkieg 1917 die Briten beinahe an den Verhandlungstisch getrieben hätte ( Quelle: Geheimakte 2 Weltkrieg, Geheimnisse des U-Bootkrieges ).

Ja, die Hochseeflotte trat den Rückzug an, trotzdem wagte keine der Beiden Seiten mehr eine Schlacht danach. Meiner Meinung nach Unentschieden.

Aber da könnte man ewig diskutieren!

Schade übrigens, dass sich die Hochseeflotte nicht auf Offener See selbst versenkt hat. Wäre ein Hübsches Taucherparadis geworden, an die 70 Kriegsschiffe unter Wasser.
( Würde gerne mal ein Schlachtschiff oder Kreuzer betauchen) Aber fast alle liegen ja leider kieloben :-(!

P.S. Für Marineinteressierte verweise ich mal auf das Jutland Marinekriegsspiel. Sehr gut umgesetzt mit der Epoche, wo es leider meiner Meinung nach viel zu wenig Spiele davon gibt.
Aber die zeiten, wo man ein Schiff steuern konnte wie in Destroyer Command sind wohl endgültig vorbei.
Wer möchte mal eine Runde gegen mich spielen?

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Schreibt mich an auf Steam.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Jaegerfeld » 5. Januar 2015 14:44

IWST hat geschrieben:Ein anderes Beispiel wäre der Nahostkonflikt wo Israel seinen arabischen Nachbarn Bevölkerungstechnisch ca. 20:1, damit natürlich auch in fast jedem Krieg von der Wirtschaftsleistung und der Zahl der Soldaten her, in einigen Kriegen, namentlich dem ersten arabisch-israelischen Krieg/Unabhängigkeitskrieg/Katastrophe und dem Jom-Kipur-Krieg auch technisch (über Israel war ein europäisches Waffenembargo verhängt worden, weshalb man z.b. 1973 immer noch mit Panzern herumfuhr, die den Einsatz im zweiten Weltkrieg knapp verpassten, während die Ägypter und Syrer von den Sowjets Großzügig mit neuen Waffen versorgt wurden), dennoch haben sich die Araber jedes mal einen blutige Nase geholt, und die meisten mussten mittlerweile Frieden schließen.

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Hier muss ich ein paar Dinge klarstellen:
1. Die USA haben im Jom Kippur Krieg Israel massiv unterstützt. Damit verschiebt sich das potentielle Kräfteverhältnis doch erheblich.
2. Auf israelischer Seite wurden Centurions eingesetzt, auf arabischer mit Masse T-54 / T55.
BEIDE Panzer basieren auf Entwürfen des Zweiten Weltkrieges (was auch ein Grund ist, warum T-55 gegen M1 oder Leopard2 mal gar kein Land sehen).
Einziger, relativ neuer Panzer war der T-62 auf ägyptischer Seite. Der war aber nur in geringen Zahlen verfügbar.
( Der Merkava ist übrigens auch nicht der Wahnsinnspanzer. Allerdings ist er in entscheidenden Details seinen russisch stämmigen Gegnern überlegen)

Die russischen Panzer waren den westlichen (und sind es immer noch) aber in einem entscheidenden Punkt unterlegen. Der Richtbereich ihrer Kanonen war(und ist) deutlich kleiner als der in westlichen Pendants. Die Israelis haben daher konsequent Gefechtssituationen geschaffen, in denen die Angreifer von oben kamen (Hinterhangstellung, war damals auch Einsatzdoktrin der Bundeswehr). ==> Die Angreifer konnten NICHT oder nur sehr schwer zurückschießen und waren somit massiv unterlegen.

Die israelischer Luftwaffe hat übrigens empfindliche Verluste einstecken müssen. Was mich wieder zu der Behauptung führt, dass die Bedeutung von Luftwaffen deutlich überschätzt wird.


----> vielleicht ist es echt Zeit für ein neues Thema, nur weiß ich nicht genau welches
„Ich schätze mal, das kann jeder Online-Community passieren. Irgendwann stellen die höflichen und vernünftigen Leute fest, dass sie sich in dieser Gruppe nicht mehr aufhalten wollen. Also verschwinden die. Und diejenigen die übrig bleiben, erfahren nur noch die Leute die genau so wie sie drauf sind.“

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 15. Februar 2015 22:14

@ Averice

Was das Unternehmen Michael anbetrifft, sehe ich ganz ähnliche Probleme, wie bei der Ausführung des Schlieffenplans zu Kriegsbeginn, um wirklich etwas zu erreichen, hätte es ja ein Durchbruch alleine nicht getan, sondern man hätte eine der beiden aliierten Teilstreitkräfte einkesseln und aufreiben müssen, ansonsten hätten sich die Ententetruppen einfach auf für sie günstigeres Gelände zurückfallen und das ganze wieder Auffangen können, angesichts des Nachschubs aus den Vereinigten Staaten hätten sie hier einfach den längeren Atem gehabt.
Die Herausbildung eines Kessels, einzig mit Infanterie und ohne die Unterstützung durch schwere Artillerie, die in dieser Zeit schlicht und einfach nicht hinterher gekommen wäre halte ich für schwierig bis unmöglich.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Yeniceri » 24. März 2015 10:48



Der Kanal "Der Erste Weltkrieg" hat ein Video über Hitler im 1. Weltkrieg veröffentlicht. Da ich noch nie eine Biografie über ihn gelesen habe, fand ich das Video sehr interessant. Bis 1914 hatte er ein trauriges Leben, das viele von uns treffen könnte und sogar trifft. Zeigt aber, dass besonders solche Leute wie er, also Leute ohne große Ziele und ohne eine sichere Zukunft ein leichteres Ziel für den Fanatismus ist, das einen Menschen schnell gefangen nehmen kann.

Ansonste habe ich schon seit fünf Wochen nichts mehr in diesen Kanal gesehen, da ich immer 1-2 Monate warte, bis ich mehrere Folgen hintereinander anschauen kann.
Galien hat geschrieben:Am Ende des Geldes ist noch immer so viel Monat übrig...


Ja, der Typ bin ich ----> http://steamcommunity.com/profiles/76561198098117624 <---- Finger weg, wenn ihr nichts mit Eu4 zu tun habt.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 26. März 2015 18:01

Yeniceri hat geschrieben:

Der Kanal "Der Erste Weltkrieg" hat ein Video über Hitler im 1. Weltkrieg veröffentlicht. Da ich noch nie eine Biografie über ihn gelesen habe, fand ich das Video sehr interessant. Bis 1914 hatte er ein trauriges Leben, das viele von uns treffen könnte und sogar trifft. Zeigt aber, dass besonders solche Leute wie er, also Leute ohne große Ziele und ohne eine sichere Zukunft ein leichteres Ziel für den Fanatismus ist, das einen Menschen schnell gefangen nehmen kann.

Ansonste habe ich schon seit fünf Wochen nichts mehr in diesen Kanal gesehen, da ich immer 1-2 Monate warte, bis ich mehrere Folgen hintereinander anschauen kann.


Habe mir die Folge eben angesehen, Fazit aus der Sache:

Didaktisch meiner Meinung nach ein Griff ins Klo, an sonsten im Großen und ganzen Eine Aufwärmung dessen, was man in diversen Dokumentarfilmen oder andarweitigen Verfilmungen zum Thema aufgetischt bekommt, folglich wenig innovativ.


Kurze Begründung dazu:

Herkunft der Familie etc. da gibt es Dokumentationen drüber, die weitaus ausführlicher und informativer sind, sowohl in Bild, als, selbstverständlich auch in Schrift, lohnt daher meiner Ansicht nach nicht, das ganze auf einer derartig dünnen Basis noch einmal aufzuwärmen, auch wenn da vieles andere einfach Sensationsjournalismus á la "hatte der Führer selbst jüdische Vorfahren" oder ähnliches ist, lässt ich doch hieraus für eine allgemeine Charakterisierung wenig entnehmen.

Linzer und Wiener Zeit, das ist sicherlich ein Aspekt, hat aber genau wie das Vorherige auf im Grunde genommen nicht viel mit dem ersten Weltkrieg zu tun, passt auch daher nicht wirklich in die Reihe, zumal auch hier die Information eher spärlich und allgemein gehalten ist, wobei ich an dieser Stelle dem genzen Abriss einmal zu gute halten muss, das Linz überhaupt thematisiert und nicht, wie in diversen anderen Abrissen unterschlagen wird.

Was ich persönlich nicht ganz uninteressant finde und ggf. auch einige interessante Blickwinkel eröffnet, ist die Auszeichnungshistorie im Allgemeinen, wobei auch hier anzumerken ist, dass wieder alles verkürzt dargestellt und ohne Hintergrüdliche Betrachtung stattfindet, insbesondere, was auh die Bewertung des Charakters Hitler als solchem anbelangt.
Letztendlich werden hier die Platitüden "Der Führer war ein tapferer Kriegsheld" und "Der Reichspostkartenmahler war ein Drückeberger und Deserteur" einander gegenübergestellt, die Kontroverse dann jedoch mit dem Vereis darauf, dass die genauen Gründe für die Auszeichnungen teiweise nicht bekannt sind etc. sofort fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel.
Wenn man es mit der Fragestellung ernst meint, wäre es vielleicht ziehlführend gewesen sich z.b. (da man sich ohnehin bereits auf das Gebiet der Spekulation begeben hat) mal näher mit der Frage auseinander zu setzen, für welche Handlungen solche Ehrungen typischerweise vergeben wurden, wie viele Auszeichnungen dieser Art es im Krieg es insgesammt gab, sprich wie inflationär man damit umgegangen ist etc. wie auch das Aufgabenfeld und das Gefahrenpotential, dem die Meldegänger damals ausgesetzt waren etwas näher auszuführen, damit würde man ggf. noch etwas zur Dekonstruktion historischer Mythen beitragen, so ist mir das jedoch zu oberflächlich.

Eine Weitere Kritik zu dieser Folge als solcher:

Ich halte eine Folge "Hitler im ersten Weltkrieg" im Kontext dieser Serie, welche ich nebenbei bemerkt insgesamt für recht gelungen halte, zwar oberflächlich, was jedoch insgesammt eine Frage des Frmates ist, für nicht wirklich Sinnvoll sondern eher für Effekthascherei.
Dies ganz einfach aus dem Grunde, das der erste Weltkrieg für die Person Adolf Hitlers ein prägendes Element gewesen sein mag oder auch nicht, auch das wiederrum ist in der einzelnen Diskussion und Bewertung recht interessant, die Person Hitlers selbst für den verlauf des Krieges jedoch vollkommen irrellevant war.
Einzelne Folgen zur Generalität, Hindenburg, Ludendorf, Foch etc. oder zur sich ändernden politischen Lage in Europa, etwa Italien oder Polen betreffend äußernd oder auch hinsichtlich der Kriegszielpolitik der einzelnen Mächte ist Sinnvoll, da relevant für den Gesamtkontext des Krieges, aber was zum Geier hat die Kindheitsgeschichte des "böhmischen Gefreiten" da verloren?

Würde man es, weil es natürich an diesem Thema auch ein logisches, gerechtfertigtes Interesse gibt, am Schluss der Serie als Zusatz raushauen, gute Sache, aber in diesem Zusammenhang hat es eigentlich wenig verloren, es sei denn, man wollte der Person Hitlers als exemplatisch für den Frontalltag im Westen verwenden, aber dafür ist das ganze viel zu sehr auf die Person zugeschnitten.

Weiterhin halte ich es nicht unbedingt für besonders intelligent gemacht, in Folgen, die sich auf 1915 beziehen im Kontext der Biographie gleich auch in den weiteren Verlauf des Krieges zu springen und damit einfach ins Kraut zu schießen ohne vorher durch ausreihend Information für den Laien um das überhaupt einordnen zu können den Boden bereitet zu haben, sicher wenn man auf einzelne Personen der Generalität eingeht, lässt sich das mitunter nicht vermeiden, aber hier hätte es wirklich nicht sein müssen.
Was das angeht, wäre es, um es Laien verständlicher zu machen, ggf. auch sinnvoll, wenn man über Truppenverschiebungen des entsprechenden Regimentes spricht, zummindest mal einen Landkarte daneben zu stellen, denn wer sich vorher weder groß mit dem Verlauf des Krieges (in der Schule wird an dieser Stelle heute ja nur noch unterrichtet: Schlieffenplan schlägt fehl, Fronten erstarren, Flotte bringt nichts, 1917 bricht aus heiterem Himmel Russland zusammen, 1918 das deutsche Reich) oder mit den Kriegsverbrechen beschäfftigt oder etwas mehr ahnung von Geographie hat (wird in der Schule ja heute auch nicht mehr vermittelt) der wird mit Begrifflichkeiten wie "Flandern" oder gar "Ypern" überhaupt nichts anfangen können, mit Lothringen vielleicht gerade noch.


Was das Format an sich betrifft, muss ich sagen, dass es mir eigentlich recht gut gefällt. Es werden sehr oft interessante unterkategorien des Krieges angeschnitten, die sonst kaum Beachtung finden, etwa die polnische Frae, die Querelen der italienischen Politik etc. so, dass eigentlich für jeden was dabei ist. Für den jenigen, der einfach nur mal rein sehen will ein mit einfachen Mitteln sehr gut gemachtes Entertaiment, für den, den es näher interessiert, viele Ansätze und Anregungen, denen man nachgehen kann und vor allen Dingen auch relativ neutral gehalten, an sich, für dieses Format ein großes Lob, einzig diese Folge ist Mist.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 15. Mai 2015 13:25

IWST hat geschrieben:Apropos Seeherrschaft: Wie kommst du auf zu der Einschätzung dass eine dem Seekriegsrecht (Prisenrecht. XII Hager Abkommen, Londoner Seerechtsdeklaration von 1909) folgende Blockade gegen einen Kriegsgegner ein Kriegsverbrechen darstellt.
Was hingegen ganz klar dem Kriegsrecht widersprach war der uneingeschränkte U-Bootkrieg, der nicht wirklich den Regeln einer Seeblockade entsprach (wirksame Durchsetzung) und wo der Besatzungen der Handelsschiffe oft nicht die Möglichkeit gelassen wurde, sich in Sicherheit zu begeben.

Der uneingeschränkte U-Bootkrieg war es dann ja auch, der den Kriegseintritt der USA provozierte, und damit maßgeblich an der Niederlage beteiligt war.



Auch wenn das jetzt schon etwas länger her ist, würde ich das Thema gerne einmal wieder aufwärmen, weil ich kürzich im Rahmen eines Seminars wieder darüber gestolpert bin, mich mit Seekriegsrech leider aber überhaupt nicht auskenne. Die Argumentation mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg ist soweit nachvollziehbar, da unmittelbare Tötungsabsicht gegenüger unbeteiligten Zivilisten.
Auf der anderen Seite wäre da dann aber auch wieder das leidige Thema mit dem Transport von Kriegsgütern an Bord ziviler Schiffe, was ggf. auch im Bezug auf den zweiten Weltkrieg von Interesse sein könnte, so wie das Bewaffnen von Handelsschiffen an und für sich, so wie das einsetzen dieser Bewaffnung gegen feindliche U-Boote.

So wie ich das jetzt herauslese (korrigiert mich, wenn ich falsch liegen sollte) geht es beim Priesenrecht um den Schutz von Zivilisten, weswegen nicht geschossen werden darf, im Falle eines bewaffneten Handelschiffes, oder eines mit Kriegsgütern teilbeladenen Passagierschiffes, das sich aktiv gegen ein Priesenkommando zur Wehr setzt, wie es im ersten Weltkrieg durchaus des öffteren der Fall gewesen ist, müsste dieses dann jedoch ebenfalls gegen das Seekriegsrech verstoßen, odr irre ich mich da?
Letztendlich ist das ja nichts anderes als die Benutzung menschlicher Schutzschilde, bzw. Partisanentum.

Ohne jetzt die Verletzungen der Konvention durch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg relativieren zu wollen, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, das das in irgendeiner Weise gedeckt ist.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 21. April 2017 23:41

Ich belebe das Thema mal wieder, da ich vermute es wurde schonmal angeshcnitten... ich finde es aber nicht mehr:

Wäre ein Ausbleiben des Schlieffenplans und eine rein defensive Rolle im Westen für den Ausgang enscheidend gewesen?

Wenn man diverse Quellen anschaut, wird der Kriegseintritt Englands mit dem Angriff auf Belgien begründet. Scheinbar gab es dazu auch vorherige Konversationen, das England klarstellte das sie einen Angriff auf Belgien nicht dulden würde. Deutschland hat darauf nie reagiert, weshalb England 4 Tage nach dem Angriff auf Belgien in den Krieg eintrat. Ohne diese Entscheidung auf ihre Sinnhaftigkeit zu analysieren (das ist ein gewaltiges Thema, wieso England wirklich beitrat und wieso bei der Entente), geht es mir darum wie der Krieg dann verlaufen wäre.

Rein militärisch gesehen, hätte aufgrund des Rheins und der Vogesen die deutsche Armee jeden Angriff Frankreichs abwehren können. Da eine defensive Rolle weniger Soldaten benötigt als eine offensive Rolle zur Zeit des 2.Weltkrieges, hätte dies Männer und Material für den Osten freigemacht. Dadurch hätte Russland schneller besiegt werden können. Nach einem Frieden mit Russland wie 1917 nur früher (also ggf. 1915/1916), hätte Frankreich ein Problem gehabt.

Frankreich wäre in dem Fall alleine dagestanden. Es hätte gewusst, das die deutsche Flotte zwar nicht stark genug war um die französische zu schlagen, aber stark genug um die Seewege stark zu bedrängen. Ohne die brische Blockade hätte die deutsche Flotte aktiv die französischen Kolonien und Handelswege Frankreichs bedroht. Gleichzeitig hätte sich Frankreich in Europa einem Demographisch stark überlegenen Feind gegenübergesehen, der über größere Produktionskapazitäten verfügt hätte (ohne Blockade Englands, keine Ressourcenknappheit). Wie hätte Frankreich reagiert?

- Hätte Frankreich versucht die Briten dennoch ins Boot zu holen, durch das Abkommen mit ihnen? Hätte England darauf reagiert, angesichts dessen, das ein starkes Deutschland zwar im Interesse Englands war, aber ein feindliches Frankreich die britischen Seewege bedrohen konnte. Hätte England wie bei Napoleon reagiert oder aufgrund der Eliminierung Russlands als Gefahr für die eigenen Kolonien (Flotte und Südexpansion nach Persien/Indien) zu Frankreich gehalten um die Handelswege zu schützen?
- Hätte Frankreich angesichts der drohenden Niederlage Russlands die Initiative ergriffen und seinerseits Belgien angegriffen um das Ruhrgebiet zu bedrohen?
- Hätte Frankreich angesichts der drohenden Folgen eines weiteren Krieges und in Errinnerung an 1870/71 den Frieden gesucht?
- Oder hätte Frankreich versucht den Krieg zu gewinnen, den Rhein zu überqueren und einen frontalen Offensivkrieg begonnen?

Ich vertrete die Ansicht, dass England still gehalten hätte und Frankreich den Frieden gesucht hätte. Zum einen weil es eine Niederlage fürchten musste und zum anderen weil es bei den Angriffen bis zur RUssischen Niederlage gemerkt hätte wie der moderne Krieg aussieht. Aufgrund dessen glaube ich auch das England nicht bereit gewesen wäre einzusteigen. Es hätte ja erlebt wie der moderne Krieg ablief und gewusst was ein eingreifen bedeutet. Britische Historiker vertreten heute die Ansicht, das der Eintritt Englands in den Krieg dem Land die Zukunft als Weltmacht geraubt hat, weil dieser Krieg die Substanz... die Facharbeiter, Ingenieure, jungen Männer... also die Blüte des Landes vernichtet habe.

Aber wie seht ihr das?
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Horgan
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Horgan » 22. April 2017 00:42

Es ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass GB ohne den Angriff auf Belgien durch das DR neutral geblieben wäre. England und Frankreich hatten ein militärisches Geheimabkommen.. ..die franz. Flotte schützte das Mittelmeer, die brit. Flotte sollte den atlant. Bereich schützen. Insofern war GB faktisch mit der Kriegserklärung an Frankreich durch das DR bereits Kriegspartei. Und auch so war GB im Vorfeld des WW1 dermaßen geschäftig, was Bündnisse gg. DR und Rüstungsanstrengungen betraf, dass "Neutralität" hier eher als leere Worthülse erscheint. DR und GB waren wirtschaftl., militärisch, machtpolitisch und geopolitisch Konkurrenten - mir erscheint es unwahrschlich, dass GB das DR einfach hätte im WW1 gewähren lassen.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Hjalfnar » 22. April 2017 07:39

Eventuell hätte sich der Kriegseintritt verzögert. Die Wahrung der belgischen Neutralität war schlussendlich nur das Zünglein an der Waage. Ein Verzicht auf den Schlieffen-Plan hätte den Kriegseintritt GBs nicht auf Dauer verhindert. Da es zu keiner deutschen Offensivbedrohung gegen Frankreich gekommen wäre, könnte es sein, dass GB erst 1915 in den Krieg eingetreten wäre, wenn Russland unter den heftigen Schlägen einer konzentriert antretenden deutschen Armee langsam zusammengebrochen wäre. Da dürften wir uns einig sein, schätze ich, dass die Armee des Zaren dem Gros der deutschen Armee nicht viel entgegenzusetzen hatte. Tatsächlich halte ich den Verzicht auf den Schlieffenplan für den entscheidenden Faktor, der dem Kaiserreich vielleicht soetwas wie einen Sieg hätte bringen können. Defensiv an der Westfront, dann Russland niederwerfen, mit den Nahrungsmitteln aus der nun unter deutscher Herrschaft stehenden Ukraine die Versorgung des Kaiserreiches sicherstellen und dann nacheinander Serbien, Rumänien und Italien schlagen. Wobei ein Kriegseintritt Rumäniens durchaus fraglich erscheint. Im Prinzip auch genau der Gedanke, auf dem mein Kaiserreich-Mod für HoI3 fußt.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 22. April 2017 13:57

Der Kriegseintritt Großbritanniens wäre ohne den Überfall auf Belgien tatsächlich keine ausgemachte Sache gewesen, diese Ansicht wird auch in Großbritannien vertreten.
Sicher, Großbritannien war nicht daran interessiert dass Deutschland ihm den Rang abläuft, aber abgesehen von der Marinerüstung hielten sich die tatsächlichen Konflikte in Grenzen, während es umgekehrt durchaus gemeinsame Interessen gab, und wenn die Deutsche Diplomatie klug gewesen wäre, hätte man den Briten da einen Vertrag über die Beschränkung der Marinerüstung anbieten können, wie es später einen zwischen Briten, Amerikanern und Japanern gab.

Der britische Kriegseintritt hätte sich wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit um Monate bis Jahre verzögert, wenn er bei vernünftigen deutschen Friedenskonditionen nicht ganz ausgeblieben wäre.

Und damit, den damit einhergehenden besseren wirtschaftlichen Bedingungen (z.B. hätte bei einem Fokus auf den Osten Österreich-Ungarn nicht viel wichtiges Ackerland in Galizien eingebüßt) und dem aufgrund eines defensiven Taktik im Westen geringeren Blutzolls hätten die Voraussetzungen für den Krieg völlig anders ausgesehen.

Ob Italien in diesem Fall seinen Verbündeten in den Rücken gefallen wäre ist dann ebenfalls die Frage.
Frankreich wäre in dem Fall alleine dagestanden. Es hätte gewusst, das die deutsche Flotte zwar nicht stark genug war um die französische zu schlagen, aber stark genug um die Seewege stark zu bedrängen.

Du überschätzt die französische Flotte.

Zu Kriegsbeginn (ohne Ostasiengeschwader und Küstenverteidigungsschiffe)
Dreadnoughts: F: 4 R: 0 D: 14 Ö-U: 3
Semi- und Pre-Dreadnoughts: F: 21 R: 14 D: 22 Ö-U: 9
Schlachtkreuzer: F: 0 R: 0 D: 4 Ö-U: 0
Panzerkreuzer: F: 22 R: 6 D: 7 Ö-U: 3
Leichte Kreuzer: F: 9 R: 13 D: 12 Ö-U: 9
Zerstörer: F: 83 R: 103 D: 0-143 (keine echten Zerstörer aber große Torpedoboote) Ö-U: 27
U-Boote: F: 55 R: 35 D: 19 Ö-U: 0
Reunion: Königreich Polen
10544

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 23. April 2017 11:27

1: Hätte England nicht teilgenommen, hätten die Achsenmächte vermutlich gewonnen. Egal welche Taktik die gefahren hätten. Und selbst wenn Italien doch noch wie gehabt teilgenommen hätten.
2: Ich glaube, dass Englands Teilnahme gesetzt war. Traditionelle Feindschaft zu Russland kann sie etwas zurückgehalten haben, aber was Deutschland von Russland unterschied, war die Tatsache, dass sie die genau gleiche Nische zu füllen versuchten wie die Engländer, und ihnen zudem wirtschaftlich überlegen waren. Und insbesondere weil die Kriegsforderungen von Anfang an inflationierten, war ihre Teilnahme gesetzt.
3: Unter Annahme einer Kriegsteilnahme Englands bin ich mir sehr sicher, dass ein Verzicht auf den Schlieffenplan nicht nur den deutschen Sieg nicht ermöglicht hätte, sondern vielmehr sogar die Niederlage des deutschen Reiches beschleunigt. Allerdings hätte das Kaiserreich als solches vermutlich weiterbestehen können.
Hjalfnar hat geschrieben:Da es zu keiner deutschen Offensivbedrohung gegen Frankreich gekommen wäre, könnte es sein, dass GB erst 1915 in den Krieg eingetreten wäre, wenn Russland unter den heftigen Schlägen einer konzentriert antretenden deutschen Armee langsam zusammengebrochen wäre. Da dürften wir uns einig sein, schätze ich, dass die Armee des Zaren dem Gros der deutschen Armee nicht viel entgegenzusetzen hatte. Tatsächlich halte ich den Verzicht auf den Schlieffenplan für den entscheidenden Faktor, der dem Kaiserreich vielleicht soetwas wie einen Sieg hätte bringen können. Defensiv an der Westfront, dann Russland niederwerfen, mit den Nahrungsmitteln aus der nun unter deutscher Herrschaft stehenden Ukraine die Versorgung des Kaiserreiches sicherstellen und dann nacheinander Serbien, Rumänien und Italien schlagen. Wobei ein Kriegseintritt Rumäniens durchaus fraglich erscheint.

Wir sind uns völlig uneinig.
Erstens hätte das Ausbleiben der deutschen Offensive der Entente den Raum gegeben, selber ihre eigenen zu entwickeln, und geographisch hat Deutschland den Franzosen gegenüber nicht viel als Hindernis aufzubieten. Die burgundische Pforte haben die so schon benutzt und kontrollierten Teile des Elsass von Anfang bis Ende, die Vogesen sind überwindbar, da genauso beschwerlich zu verteidigen wie zu erobern, und direkt dahinter (aus französischer Sicht), tut sich die Rheinebene auf, flach wie ein Pflunder, wo man das linke Ufer noch ohne größere Probleme einnehmen kann. Der Rhein ist wieder auch kein sonderliches Hindernis, so breit ist er auch wieder nicht, er fließt nur schnell. Kurzum, Deutschland wäre nicht umhin gekommen, große Kräfte dort zu konzentrieren, selbst wenn ein Krieg durch Belgien ausgeblieben wäre.

Zweitens brauchst du dir die Schlachten von Tannenberg und an den Masurischen Seen nur anzuschauen. Wird gerne dem Hindenburg und dem Ludendorff zugeschrieben, tatsächlich ergab sich das aus drei Faktoren: Der Feindschaft Rennenkampfs und Samsonovs (deutscher General: "Die Schlacht von Tannenberg wurde in Mukden gewonnen."), die überhaupt nicht miteinander kooperierten; die Annahme dass es keine erheblichen deutschen Kräfte gebe, da diese sich bisher schon auf den Rückzug verlegt hatten, und drittens das sehr mutige Einschreiten des Generals Hermann von François, der Hindenburg und Ludendorffs Befehle wiederholt verweigerte und dadurch diesen entscheidenden Sieg überhaupt erst möglich machte. Hindenburg und Ludendorff haben sich aber propagandistisch zu großen Helden stilisiert, auch wenn der Untergang des Kaiserreiches ganz allein ihnen zuzuschreiben ist.

Eine große Konzentrierung deutscher Truppen an der Ostfront hätte schon von Anfang an dafür gesorgt, dass die Russen vorsichtiger vorgegangen wären. Die Schlacht von Tannenberg hätte es garantiert nicht gegeben. Das darauf folgende hätte sich auch nicht besser entwickeln können, wären noch mehr deutsche Kräfte an der Front involviert gewesen. Die russische Armee hätte sich, was sie auch so schon tat, auf eine Linie zurückgezogen, die Deutschen konnten gar nicht schnell genug nachrücken und gleichzeitig zu weiteren Offensiven fähig sein, man hatte damals noch weniger Motorisierung als später im zweiten Weltkrieg und ein Blitzkrieg war damals erst recht nicht möglich. Versorgungsschwierigkeiten und so.

Die russische Armee war nicht so unmodern wie viele behaupten. Galizien und Kaukasus zeigen, dass sie durchaus zu einigem imstande war. Sie hatte halt viele schlechte Generäle und vor allem einen Mangel an Industrialisierung, zumal sich das Zarenreich am Wettrüsten vor dem Krieg nicht teilgenommen hatte. Insbesondere der Mangel an Artilleriemunition machte ihnen zu schaffen. Sie konnte einen solch industriellen Krieg noch nicht führen (sie rüsteten aber fleißig nach und hätten um 1918 sie eingeholt), und die Sowjetunion würde später daraus ihre Lehren ziehen.
Der Nebeneffekt einer deutschen Konzentrierung auf die Ostfront wäre aber auch gewesen, dass die Briten und Franzosen sehr wahrscheinlich die Russen schon früher mit militärischen Gütern versorgt hätten. Ebenso wäre das Osmanische Reich noch früher zusammengebrochen.
Kurzum: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen dadurch besser weggekommen wären. Sieht man mal davon ab, dass das Kaiserreich sehr wahrscheinlich eines geblieben wäre.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias