Der Erste Weltkrieg

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 26. Juli 2017 17:29

Den Versailler Vertrag haben die Deutschen sich im Endeffekt selbst verbockt. Und waren mit dem Brest-Litowsker-Vertrag und dem an die Macht putschen der Sowjets auch nicht gerade gnädiger, eher im Gegenteil.
Der Satz "Ohne Versailler Vertrag kein Hitler" ist auch Quark. Mal abgesehen davon dass der Aufstieg der NSDAP mindestens ebenso sehr mit der Weltwirtschaftskrise zusammenhängt, und nationalchauvinistische Bewegungen in diesen Jahren in vielen Ländern en vogue waren (Polen, Ungarn und Italien sind da nur 3 weitere Beispiele für), gibt es immer noch das Konzept der Eigenverantwortung. Die ganze Schuld auf den Versailler Vertrag abzuwälzen ist imho schon etwas gewagt.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon John Doe » 26. Juli 2017 19:44

Ich würd mal kurz den Great War Youtubechannel empfehlen. Da wird Woche für Woche der ganze Kriegsverlauf des ersten Weltkriegs nachvollzogen, dazu gibt es specials zu einzelnen Kriegsteilnehmern, berühmten Persönlichkeiten, Waffen, und mehr. Finde ich persönlich gut gemacht.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Il Principe » 30. Juli 2017 10:36

Avarice1987 hat geschrieben:Irgendein Französischer General sagte doch damals schon , dass es kein Friedensvertrag sondern ein Waffenstillstand auf 20 jahre sei. Prophetisch, müsste man fast schon meinen.

Der General war Ferdinand Foch. Was man dabei allerdings betonen sollte, ist, dass Foch den Versailler Vertrag kritisiert hatte, weil er ihm nicht hart genug war. Foch war ein antideutscher Hardliner, der den alten frz. Traum der Rheingrenze verfolgte und außerdem das Deutsche Reich wieder auflösen und zurück in die Kleinstaaterei vor 1871 zwingen wollte.
Nichtsdestotrotz hat er natürlich mehr oder weniger Recht behalten.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 30. Juli 2017 11:51

Er wusste das der Friedensvertrag zu hart war um langfristig einen Frieden aufrecht zu erhalten und gleichzeitig zu lasch um Deutschland an "Rache" zu hindern. Ungeachtet seiner Absichten war er sich der Realitäten durchaus bewusst. Auch wenn dies vermutlich nur auf der eigenen erfahrung von 1871 basierte und der französischen "Rache" 1914.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 10. September 2017 15:27

Die Frage ob Großbritannien dem Krieg beitreten hätte sollen ist übrigens durchaus eine Debatte unter britischen Historikern:
z.B. hier eine Debatte etlicher bekannter britischer Geschichtswissenschaftler
Interessanterweise sagen auch die beiden die der Meinung sind der Eintritt in den Krieg war die richtige Entscheidung, dass er bis zum Angriff auf Belgien keine ausgemachte Sache war.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Col.Race » 14. September 2017 15:18

Liebe Freunde,

der 1. WK war an dem Tag verloren, an dem das DR in Belgien einmarschiert war und GB dadurch in den Krieg hineingezogen wurde. Natürlich sind in den Jahren davor schlimme diplomatische Fehler passiert, durch die "geschickte" großspurige Politik von Willi zwo, ich denke nur an die grundlose Aufgebe des Rückversicherungsvertrages mit dem Zarenreich 1905. Das trieb Rußland in die Arme von Frankreich und brachte uns einen Zweifronten Krieg ein.
Das DR hätte im Westen sich mit 3-4 Armeen in Elsaß- Lothringen eingraben sollen, um so die Angriffe aus Frankreich abwehren zu können. Wenn Frankreich dann angegriffen hätte, hätten die "ihr" Elsaß-Lothringen verwüsten müssen. Das hätte sich verheerend auf die Meinung der Bevölkerung zu Frankreich in Elsaß-Lothringen ausgewirkt. Immer wieder betonen, daß das Reich keinen Krieg will und Frankreich immer Frieden anbieten und das dumme Geschwätz von einem Siegfrieden lassen sollen. Dadurch wäre die öffentliche Meinung in der Welt dem Reich gegen über wesentlich besser geworden.
Sich mit GB verständigen sollen, daß die Wege zu unseren Kolonien frei bleiben. Im den Jahren m. M. 1900 zuvor schon mit GB ein Flottenabkommen schließen und auf eine Stärke der Marine bestehen sollen, die so stark wie die von Frankreich bzw. den USA ist. Ich bin mir sicher, daß GB das akzeptiert hätte.
Sicher wäre es hilfreich gewesen, auch mit dem Verbündeten ÖU klarzumachen, daß die ihren Staat reformieren müssen und das DR nicht bedingungslos an deren Seite jeden Blödsinn von ÖU mitmachen würde.
So, das ist meine Meinung zu dem 1.Weltkrieg.
Nichts verletzt tiefer, als die Wahrheit.. de Sade.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 19. September 2017 13:26

IWST hat geschrieben:Die Frage ob Großbritannien dem Krieg beitreten hätte sollen ist übrigens durchaus eine Debatte unter britischen Historikern:
z.B. hier eine Debatte etlicher bekannter britischer Geschichtswissenschaftler
Interessanterweise sagen auch die beiden die der Meinung sind der Eintritt in den Krieg war die richtige Entscheidung, dass er bis zum Angriff auf Belgien keine ausgemachte Sache war.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht die Muße hatte das Video zu gucken. Ich vertraue mal auf deine Kurzbeschreibung.

Das "auch" in deinem letzten Satz hat es mir aber angetan. Gerade und vor allem diejenigen, die einen Krieg befürworten, insbesondere einen Fleischwolf wie den 1 WK mit allen seinen gravierenden Konsequenzen und im Rückblick, müssen dafür mit vertretbaren Gründen kommen. Der "causa iusta", wie Thomas Aquin das für einen "gerechten Krieg" definiert hat.
De facto ist aber jede (gute) (Außen-)Politik gnadenlos und machiavellistisch.

Die Schutzerklärung zu Belgien ist auf Edward Grey zurückzuführen und wird soweit mir bekannt von allen als eine Halbmaßnahme gesehen. Man konnte sich zu keiner absoluten Entscheidung belassen, man hat sich zur Ziehung einer arbiträren (heißt: ziemlich willkürlichen) roten Linie entschieden.

Dass diese sich keineswegs auf Frankreich bezogen haben kann, sollte aufgrund der Beziehungen damals zwischen Großbritannien und Frankreich sowie Belgien und Frankreich klar sein. Selbst wenn das deutsche Reich sich zu einem Verzicht auf den Schlieffenplan entschieden hätte und Frankreich gemäß Plan XVII den südlichsten Zipfel Belgiens gestreift hätte, wäre die Reaktion insbesondere in London, aber sehr wahrscheinlich auch in Bruxelles anders ausgefallen. Dass Frankreich den Osten viel stärker befestigt hatte als den Westen, und Deutschland viel mehr als Frankreich die Notwendigkeit hatte, durch Belgien zu marschieren, muss den Briten bekannt gewesen sein. Zumindest von der Möglichkeit, dass Belgien in diesen Krieg reingezogen werden würde, wussten sie ja.

Dass es den Briten nicht um das Wohlergehen Belgiens selber gehen konnte, zeigt sich schon daran, dass Grey der selbe Mann war, der den Deutschen früher die Aufteilung des belgischen und portugiesischen Kolonialbesitzes angeboten hatte.

Letzten Endes ging es wie gesagt aus meiner Sicht den Briten um den Erhalt und den Ausbau ihrer Vormachtstellung. Allen war klar, wie krass die Deutschen durch die vorherigen Kriege, in denen man sie hat gewähren lassen, an Stärke gewonnen hatten. Insbesondere 1871. Allen war klar, dass das deutsche Reich im Falle eines Sieges so stark geworden wäre, dass die Briten dadurch über kurz oder lang machtlos geworden wären, dass selbst bei einem kriegslosen weiteren Wettrüsten die Briten schneller an ihre Grenzen kämen als die Deutschen.
Auch wenn Frankreich, USA und Russland ebenfalls durchaus ernst zu nehmen waren, so war Deutschland aufgrund seines industriellen und kolonialen Expansionismus, der dem der Briten stark entsprach, der eindeutige Hauptgegner.

Somit bin ich weiterhin der Ansicht, dass das Kaiserreich in seiner Einschätzung richtig lag, dass man auf die Briten kaum Rücksicht zu nehmen brauchte. Da über kurz oder lang ihre Reaktion klar sein würde.

Was die Folgen des Schlieffenplans angeht, bin ich weiterhin der Ansicht, dass das im Kriegsfall eine deutsche Niederlage sogar beschleunigt hätte.
Die einzige positive für das Kaiserreich an einem solchen Verzicht wäre gewesen, dass es nicht mehr den Zeitdruck bei sich gesehen hätte, die es zur Kriegserklärung gegen die Russen nach deren Mobilmachung trieb. Eine diplomatische Lösung wäre dann eher möglich gewesen, aber immer noch unwahrscheinlich.
Deutschland hatte sich selber vor Jahren schon in eine diplomatische Sackgasse getrieben, vor Wochen schon den Österreichern einen Freifahrtsschein für deren Dummheiten ausgestellt, Österreich längst schon den Serben den Krieg erklärt und 2 Tage vor der russischen Generalmobilmachung den Beschuss Belgrads begonnen. Wie Russland darauf reagieren würde, war allen Beteiligten klar.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 19. September 2017 14:14

Pastete hat geschrieben:Das "auch" in deinem letzten Satz hat es mir aber angetan. Gerade und vor allem diejenigen, die einen Krieg befürworten, insbesondere einen Fleischwolf wie den 1 WK mit allen seinen gravierenden Konsequenzen und im Rückblick, müssen dafür mit vertretbaren Gründen kommen. Der "causa iusta", wie Thomas Aquin das für einen "gerechten Krieg" definiert hat.
De facto ist aber jede (gute) (Außen-)Politik gnadenlos und machiavellistisch.

Wie gesagt, sie sagen, dass es im damaligen britischen Kabinett starke Bedenken gegen einen Kriegsbeitritt gab, und etliche Schlüsselfiguren bis Belgien gegen den Kriegseintritt waren, dieser also vermutlich nicht stattgefunden hätte.

Die beiden Historiker die gegen den Kriegseintritt argumentiert haben, haben auch relativ klar argumentiert dass es auch gar nicht im Interesse der Großbritanniens war in den Krieg einzutreten (während die anderen beiden eher deiner Linie folgen, dass es nötig war die eigene Vormachtstellung zu erhalten, neben diversen Argumenten wie böse doch Deutschland war).

Sicher, das deutsche Reich wäre durch einen Sieg gestärkt worden, aber über Nacht zur Supermacht geworden wäre es auch nicht, die Bevölkerung der eroberten Gebiete waren ja keine Deutschen, was durchaus einen gewissen Aufwand bedeutet hätte, die Probleme von Vielvölkerstaaten konnte man ja hervorragend in Österreich-Ungarn, bei den Osmanen und im eigenen Kolonialreich beobachten.
Bei Neutralität wäre die Kolonialexpansion zudem nicht auf Kosten Großbritanniens gegangen sondern auf Kosten der Franzosen, auch wären die Forderungen nach einem relativ kurzen Krieg wohl nicht so heftig gewesen wie dann nach 4 Jahren und mehreren Millionen Toten, nach dem Krieg gegen Frankreich war Frankreich ja durchaus noch existent.
Auch was die Konkurrenz angeht, hätte man sich mit Deutschland durchaus verständigen können, eher sogar als mit Russland, und auch mit Frankreich gab es Konfliktpotential. Und was die aufstrebende Industrie angeht, war Deutschland zwar durchaus Grund zur Sorge, noch viel besorgniserregender waren allerdings die USA, im Gegensatz zu Deutschland war deren Industrie bereits stärker als die britische.
Auch historische Feindschaft gab es keine, die Herrscher waren Cousins, und das letzte Mal das man gegen Deutschland Krieg geführt hatte war im zweiten Schlesienkreig 1745, mit Russland, Frankreich oder den USA waren die letzten Kriege deutlich kürzer her.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 19. September 2017 14:33

Du musst aber weiter denken als den einen Krieg dann. Und genau das haben die meisten britischen, deutschen, französischen, etc. Entscheidungsträger auch garantiert gemacht.
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Großbritannien hätte seinen Status an die Deutschen verloren. Wilhelm der II. wäre der neue Napoleon gewesen und Probleme eines Vielvölkerstaats haben in dieser Betrachtung keinen Platz, denn der Großteil dessen wäre über Vasallenstaaten gegangen. Eben genauso wie bei Napoleon auch und bei den Deutschen vor/nach Brest-Litowsk durch die Gründung zahlreicher Staaten im Osten auch schon passiert.
Deutschland hätte bei einem durchaus anzunehmenden Worst case Szenario später wohl die Macht gehabt, wie Napoleon früher auch bsw. die Briten vom kontinentaleuropäischen Markt abzuschnüren (ein absolutes Embargo wäre nicht mal nötig gewesen, vorteilhafte Handelskriterien hätten schon gereicht), aber anders als bei Napoleon der Fall hätten auch wegen der veränderten Natur der industrialisierten Seekriegsführung die Deutschen sehr wohl das Potenzial gehabt, die britische Herrschaft der Wellen über kurz eher als lang nicht nur in Frage zu stellen sondern unumkehrlich zu zerschlagen.
Die sekundäre Rolle von k.u.k. Österreich war hingegen eindeutig und dauerhaft.

Umgekehrt wäre selbst bei einem Sieg Russland-Frankreichs es unmöglich gewesen, dass einer von ihnen sich zu einer solchen Rolle würde aufschwingen können, weil die sich danach weiterhin in Schach halten würden.

Weiterhin sprichst du mit dem "bis Belgien dagegen" das Paradoxon überhaupt nicht an. Woher diese plötzliche britische Fürsorge um das Wohl Belgiens?
Kannst du das rational erklären? Und meinst du wirklich echte Kriegsgegner hätten wegen so einer Minination umgeschwenkt? Welche reale Konsequenzen hatte das überhaupt für die Briten, dass die Belgier als nach meiner Zählung 7. und drittkleinstes Land in den Krieg gezogen wurde?
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 19. September 2017 15:23

Pastete hat geschrieben:Weiterhin sprichst du mit dem "bis Belgien dagegen" das Paradoxon überhaupt nicht an. Woher diese plötzliche britische Fürsorge um das Wohl Belgiens?
Kannst du das rational erklären? Und meinst du wirklich echte Kriegsgegner hätten wegen so einer Minination umgeschwenkt? Welche reale Konsequenzen hatte das überhaupt für die Briten, dass die Belgier als nach meiner Zählung 7. und drittkleinstes Land in den Krieg gezogen wurde?
Neben dem Erhalt der eigenen Glaubwürdigkeit: Menschliche Gründe. Prestige, Ehre, Idealismus. Solche Dinge spielen eine Rolle wenn nicht Maschinen und Politikwissenschaftler die die realistischen Theorie anhängen, sondern Menschen die Entscheidungen treffen, das passiert es schon mal das bei einer Abwägung zwischen zwei ähnlichen Optionen irrationale Dinge wie Ehrverstäntniss und Idealismus den Ausschlag geben.
Es mag dir unverständlich erscheinen, aber das waren die tatsächlichen Gründe dass mehrere Mitglieder des britischen Kabinetts die vor Belgien gegen einen Kriegseintritt waren danach dafür waren.


Was Das Szenario eines deutschen Sieges angeht:
Kolonien: Auch mit der Eroberung vieler französischer Kolonien hätte Großbritannien nach wie vor das größte Kolonialreich, vor allem aber mächtigste gehabt, so einträglich waren die afrikanischen Kolonien dann auch nicht, eher hat es einem schon gedämmert dass die mitunter recht teuer waren.
Europa: Nein, neuer Napoleon wäre Wilhelm II keiner geworden, so viel Land stand nicht einmal auf der berüchtigten "Einkaufsliste"/dem Septemberprogramm. Vorgesehen waren da ein paar Landstriche von Frankreich, durchaus strategisch bedeutend aber eine Vervielfachung des deutschen Industriepotentials sieht anders aus. Annexion Luxemburgs, Belgien und Niederlande als Vasallenstaaten, dazu im Westen Polen und die baltischen Staaten, die Ukraine wäre wohl als Vasall an Österreich gegangen.
Napoleon war da ein wenig mächtiger der hatte ganz Frankreich, inklusive der BENELUX Staaten und Teile Italiens und Deutschlands, dazu noch Spanien unter seinem Bruder, Italien, und Schweiz als Vasall, und Preußen und Österreich als abhängige Mächte. Nicht zu vergessen damals auch ein klitzekleines Kolonialreich von der Größe Lateinamerikas.
Frankreich hätte sich eventuell nicht mehr so gut erholt wie nach dem letzten Krieg, Russland wäre aber definitiv eine Großmacht geblieben, und ganz so ausgeprägt war die österreichische Nibelungentreue gegenüber den "Saupreißn" damals auch noch nicht. Auch Vasallen und Kolonien sind nicht immer 100%ig loyal, das hat man ja auch am eigenen Leib erfahren, auch Napoleon ist über diesen Fakt gestolpert.

Was das Flottenwestrüsten angeht, war dieses 1914 bereits vorbei, Deutschland hatte es aufgegeben. Große neue Werften wären bei den neu erworbenen Gebieten nicht dabei gewesen.
Wer nach dem ersten Weltkrieg dann tatsächlich die Royal Navy in Bedrängnis brachte, war die US-Navy, die hatte nämlich tatsächlich die Möglichkeit Großbritannien die Seeherrschaft streitig zu machen, was dann auch tatsächlich passiert ist.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 19. September 2017 21:12

Ich sehe das ähnlich wie IWST.

Die Forderungen Deutschlands im 1.Weltkrieg waren relativ human. Allerdings hätten sie unbestritten Deutschland zur mächtigsten Nation Europas gemacht und Frankreich und Russland in arge Bedrängnis. Da wiederspreche ich der Auffassung IWSTs. Wieso? Weil Frankreichs Industrie und Bevölkerung großteils im Norden lagen. Und dort wären die Gebiete gewesen die Deutschland gefordert hätte. Viel gravierender wäre es jedoch Russland ergangen. Um dies zu verdeutlichen: Die Gebiete die Russland durch den Waffenstillstand abgeben mussten umfassten große Teile der Infrastrukturell erschlossenen Gebiete Russlands, 90% der Torfproduktion und große Teile der Schwerindustrie und Nahrungsproduktion Russlands. Es gibt Schätzungen die besagen das aufgrund der Folgen des Waffenstillstands mehr Menschen starben als durch den Krieg selbst an Krankheit, Kälte und Hunger. Schätzungen besagen das 14-34Mio. Russen in den folgenden Jahren durch die Gebietsabtretungen starben. Der Verlust West-Russlands hätte damals Russland in der industriellen Revolution um mindestens 100 Jahre zurückgeworfen.

Dies änderte sich erst in den 1920-1930ern, wo Russland begann Ressourcen, Nahrung und Industrie auch weiter im Osten anzusiedeln und massiv während dem 2.Weltkrieg wo die Industrie an den Ural umgelagert wurde.

Damit wäre Frankreich für mindestens 10-15 Jahre aus dem Spiel gewesen. Durch den Verlust an Bevölkerung und Industrie wäre fraglich gewesen ob sie ihr Kolonialreich aufrecht erhalten hätten. Die Russen wären für mindestens 25-30 Jahre aus dem Spiel gewesen, während gleichzeitig durch die Ukraine Deutschland sich hätte fast autark bei Ressourcen verhalten könnte und das mit einer Bevölkerungsmasse von ca. 150Mio.
ÖU wäre sicherlich dennoch zerfallen. Und vermutlich wären im Rahmen dieses Prozesses Gebiete an Deutschland gefallen. Dadurch wäre ÖU zwar weggefallen, aber die Macht des Deutschen Reiches zugenommen.
Inwieweit und wie lange das Baltikum, etc befriedet werden sollte, etc liegt auf einer anderen Seite. Aber selbst mit Wegfall der russischen Gebiete hätte das Deutsche Kaiserreich immer noch Polen, Tschechien, Böhmen, Elsass-Lothringen, Luxemburg und vermutlich die Champagne kontrolliert. Und wäre damit Industriell und Bevölkerungstechnisch DIE Führende Macht Europas gewesen... unangefochten.


Was das Flottenwettrüsten betrifft hat IWST recht. Wobei ich den begriff nicht mag. Er suggeriert ein Wettrüsten, bzw die Möglichkeit Deutschlands die britische Flotte zu übertreffen. Die Tatsächlichen Zahlen sahen jedoch ganz anders aus. Gemessen am damaligen Flottenbau und der AUsgangsflotten hätte das deutsche Kaiserreich fast 50 Jahre gebraucht um die Royal Navy an Zahlen gleichzuziehen und das unter der Annahme das die Briten keine Schiffe bauen (Britische Schiffsstärke, deutsche Schiffsstärke zu Kriegsbeginn und die in den Jahren vor dem Krieg gebauten deutschen Schiffe linear weitergerechnet). Wettrüsten kann man das daher nicht nennen. Das war eher ein Wettrüsten um die Nordseeflotte der Briten und der gesamten deutschen Flotte. Die Briten konnten ja nicht alle Schiffe in die Nordsee schicken. Ihre Kolonialreiche und Handelswege banden große Teile der Flotte.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 19. September 2017 21:59

Anzumerken sei dass die allerersten Forderungen deutlich weniger weit gingen als dann später Brest-Litovsk, bei Frankreich ging es zwar um wichtige Erzfördergebiete, so gigantisch war die Region um Longwy-Briey dann aber auch nicht, da wog die Zerstörung die dann der lange Krieg mit sich brachte deutlich schwerer, hätte Frankreich 1914 kapituliert wäre es danach wohmöglich stärker gewesen als dann in der Realität 1918.
Mittlerweile habe ich auch ein wenig nachgelesen, bzw mir wurde ein bisschen was zugetragen: Neue Kolonien waren wohl erstmal sekundär, teils waren es Gebiete über die es bereits geheime Vereinbarungen mit den Briten gab.
Auch was Vasallenstaaten anging war dies nur für Belgien geplant (+Annexion Luxemburgs) wobei der Rest mit Handelsverträgen an Deutschland gebunden hätte werden sollen, sowas kann man aber auch ohne Krieg erreichen.

Im Osten war zwar geplant das Zarenreich abzudrängen, das erste Jahr über ging es dabei aber vor allem um Polen, Kurland und Litauen. Dort war ein wichtiger Teil der Industrie, wie ich in der vorangegangenen Diskussion auch selbst erläutert haben (gute 20%), aber nicht der Großteil. Und die Millionen Hungertoten war auf die Politik von Stalins Sowjetunion zurückzuführen, da hatte man die Ukraine bereits wieder unter Kontrolle.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon KirKanos » 24. Juli 2020 21:10

Mal wieder etwas leben in den historischen Bereich bringen...

Col.Race hat geschrieben:Liebe Freunde,
der 1. WK war an dem Tag verloren, an dem das DR in Belgien einmarschiert war und GB dadurch in den Krieg hineingezogen wurde.


Ich finde es unseriös solche deterministischen Punkten so früh auszumachen. Ich weiß das es beliebt ist, auch unter Historikern, z.B. wird kerne der Kriegseintritt der USA im 2. WK auf ähnlicher Weise angeführt.

Aber man missachtet hier die Lektionen, die z.B. der Frankreich Feldzug 1940 eigentlich in aller Deutlichkeit gelehrt hat. Durch große operative Erfolge konnte auch die strategische Lage beeinflusst werden. Deutschland war 1940 den Alliierten in allen Belangen unterlegen, ob man nun die Luftstreitkräfte, die Infanterie oder die Panzerwaffe betrachtet, von der Marine brauchen wir gar nicht erst zu reden. Durch eine gewagte, moderne operative Panzer-Kriegsführung konnte die an sich aussichtslose strategische Lage gewendet werden.

Nun muss man nicht immer mit Wunder rechnen, in der Regel gewinnt die Partei mit den größeren Heer oder neuerdings den größeren Fabrik-Werften-Output. Aber gleichzeitig kennt die Geschichte genug Beispiele in denen diese Regel nicht stach, bzw fast nicht stach. Ich erinnere hier auch an den amerikanischen Bürgerkrieg, trotz erdrückender Überlegenheit an Bajonetten, Kanonen und Butter lieferten die Südstaaten jahrelang dem Norden einen harten Kampf. 1864 galt Lincoln vor der Präsidentschaftswahl als politisch tot, sogar er selbst gab fast jede Hoffnung auf, als ein großer Sieg in letzter Minute ihm die Wiederwahl sicherte. Der Norden war schon derart Kriegsmüde, dass ein Sieg der Südstaaten zum Greifen Nahe war.

Col.Race hat geschrieben:Natürlich sind in den Jahren davor schlimme diplomatische Fehler passiert, durch die "geschickte" großspurige Politik von Willi zwo, ich denke nur an die grundlose Aufgebe des Rückversicherungsvertrages mit dem Zarenreich 1905. Das trieb Rußland in die Arme von Frankreich und brachte uns einen Zweifronten Krieg ein.


Nunja, so grundlos war das nun auch wieder nicht. Wie neuere Forschungsarbeiten nochmal mehr als ältere Werke unterstreichen, hatte schon Bismarck seine liebe Mühe Russland und Österreich gleichzeitig bei der Stange zu halten. Auf Dauer war dieser Widerspruch kaum zu bewältigen ohne einen Partner zu verprellen, sodass Bismarcks Nachfolger Leo von Caprivi ein undankbares Erbe antrat. Der Rückversicherungsvertrag war von Anfang ein Bluff, wenn Wien und Moskau das deutsche Blatt hätten sehen wollen, hätte Bismarck eine 7 2 offsuited zeigen müssen.

Col.Race hat geschrieben:Das DR hätte im Westen sich mit 3-4 Armeen in Elsaß- Lothringen eingraben sollen, um so die Angriffe aus Frankreich abwehren zu können. Wenn Frankreich dann angegriffen hätte, hätten die "ihr" Elsaß-Lothringen verwüsten müssen. Das hätte sich verheerend auf die Meinung der Bevölkerung zu Frankreich in Elsaß-Lothringen ausgewirkt. Immer wieder betonen, daß das Reich keinen Krieg will und Frankreich immer Frieden anbieten und das dumme Geschwätz von einem Siegfrieden lassen sollen. Dadurch wäre die öffentliche Meinung in der Welt dem Reich gegen über wesentlich besser geworden.


Das hätte die Aufgabe des ganzen Kriegsplanes bedeutet. Im Nachhinein würden Dir wohl viele Recht geben, aber wie sagt man so schön hinterher ist man in der Regel klüger.

Col.Race hat geschrieben:Sich mit GB verständigen sollen, daß die Wege zu unseren Kolonien frei bleiben. Im den Jahren m. M. 1900 zuvor schon mit GB ein Flottenabkommen schließen und auf eine Stärke der Marine bestehen sollen, die so stark wie die von Frankreich bzw. den USA ist. Ich bin mir sicher, daß GB das akzeptiert hätte.
Sicher wäre es hilfreich gewesen, auch mit dem Verbündeten ÖU klarzumachen, daß die ihren Staat reformieren müssen und das DR nicht bedingungslos an deren Seite jeden Blödsinn von ÖU mitmachen würde.
So, das ist meine Meinung zu dem 1.Weltkrieg.


Seinen Verbündeten klar machen, mit London mal eben ein Bündnis schließen. Ich glaube auch hier würden Dir die meisten Recht geben, ich fürchte nur, in Wirklichkeit war es nicht so einfach. :strategie_zone_25:

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stula » 25. Juli 2020 19:50

Col.Race hat geschrieben:Natürlich sind in den Jahren davor schlimme diplomatische Fehler passiert, durch die "geschickte" großspurige Politik von Willi zwo, ich denke nur an die grundlose Aufgebe des Rückversicherungsvertrages mit dem Zarenreich 1905. Das trieb Rußland in die Arme von Frankreich und brachte uns einen Zweifronten Krieg ein.

Willi zwo mal eben wieder vorzuschieben, ist zu vereinfachend und wird im Hinblick auf 1905 der Sache nicht gerecht, da Wilhelm - zumindest zu dieser Zeit - eine gewisse Art Verständigung mit Russland suchte. Dass er auf (außen)politischer Bühne keine gute Figur abgab, mag ich nicht bestreiten, aber das Scheitern des Vertrages von 1905 ist vielmehr politischen Kreisen auf deutscher, aber auch auf russischer Seite zuzuordnen, die kein Interesse an dieser Verständigung hatten. Auch inhaltlich ist der Vertrag in Bezug auf Frankreich als sehr fragwürdig einzustufen, was seine Erfolgsaussichten betreffen.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon KirKanos » 26. Juli 2020 10:38

Stula hat geschrieben:Willi zwo mal eben wieder vorzuschieben, ist zu vereinfachend und wird im Hinblick auf 1905 der Sache nicht gerecht, da Wilhelm - zumindest zu dieser Zeit - eine gewisse Art Verständigung mit Russland suchte. Dass er auf (außen)politischer Bühne keine gute Figur abgab, mag ich nicht bestreiten, aber das Scheitern des Vertrages von 1905 ist vielmehr politischen Kreisen auf deutscher, aber auch auf russischer Seite zuzuordnen, die kein Interesse an dieser Verständigung hatten.


Das gleiche könnte man auch über England schreiben. Auch mit London suchte Wilhelm den Ausgleich - was natürlich etwas ironisch ist, war es doch seine Flottenpolitik die erst White Hall und Berlin wirklich in Konflikt brachte. Dort scheiterte die Verständigung ebenfalls denkbar knapp. Selbst als sich abzeichnete, dass Deutschland das Flottenwettrüsten klar verlieren würde, könnte keine schnelle Verständigung erzielt werden.

Das ist ein interessante Facette der Geschichte, das Wilhelm 2 durchaus sich mit Russland, England und sogar in Ansätzen mit Frankreich verständigen wollte, dass er aber nie bereit war die Konzessionen zu machen, die ein solchen Bündniswechsel wirklich erfordert hätten. Beispielweise der Verzicht oder zumindest die harte Begrenzung der Hochseeflotte. Dabei gab es genug Konfliktfelder zwischen Moskau, London und Paris die man hätte ausnutzen können. Siehe nur den zweiten Burenkrieg, Frankreich und Russland neigten den Buren zu, nur Deutschlands Passivität verhinderte harte Schritte gegen England.

Trotzdem konnte Berlin nie den letzten Schritt machen, weil es nicht bereit war den Preis zu bezahlen.

Stula hat geschrieben: Auch inhaltlich ist der Vertrag in Bezug auf Frankreich als sehr fragwürdig einzustufen, was seine Erfolgsaussichten betreffen.


Es war sicher kein Vertrag der wirklich dafür konzipiert war, in der Praxis umgesetzt zu werden. Bei allem Geschick Bismarcks, irgendwann hätte auch er zwischen Wien und Moskau wählen müssen.