Der Erste Weltkrieg

Unsere Geschichtsecke

Moderator: Moderatoren

Benutzeravatar
IWST
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2525
Registriert: 5. Dezember 2010 20:32
Wohnort: EU, Österreich, Steiermark
:
Teilnahme an einem Contest Kleinspender

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 23. April 2017 13:45

1: Wir sind im ersten Weltkrieg, da gab es keine Achsenmächte.
2: Der Pakt zwischen Russland und Frankreich richtete sich auch gegen England, Großbritannien verband ja auch mit Frankreich nicht gerade eine historische Freundschaft.
Zudem ist England eben zu Kriegsbeginn nicht eingetreten (das Abkommen mit Russland sah keine Bündnispflicht vor, und das Marineabkommen mit Frankreich war weder vom Parlament noch der Regierung abgesegnet worden und war ebenfalls nicht verpflichtend), sondern erst nach der Verletzung der belgischen Neutralität.

Der britische Kriegsbeitritt wäre zwar auch ohne Verletzung von Belgiens Neutralität durchaus möglich gewesen, aber eben nicht fix, zumal wenn Frankreich in Belgien einmarschiert wäre (was der Plan der Oberkommandierenden Joseph Joffre war, Deutschland kam ihm halt zuvor).
Je länger die Briten jedenfalls gewartet hätten, desto deutlicher hätten sie die Kosten dieses Krieges gesehen, die Verluste an Menschenleben waren ja enorm, auch für damalige Verhältnisse, das hätte durchaus Überlegungen gefördert sich herauszuhalten, vor allem im Parlament, das ja bis zur Invasion Belgiens durchaus eine große Friedensfraktion hatte.


3: Die Kriegsteilnahme Englands hat eine Niederlage der Mittelmächte so oder so sehr wahrscheinlich gemacht.

Aber ein Verzicht auf den Schliefenplan hätte nicht nur einen durchaus relevanten Gegner mit seinen Forts vom Tisch genommen, sondern man hätte auch eine vergleichsweise kurze Front mit Frankreich gehabt.
Das Frankreich geographisch etwas besser dastand als Deutschland mag zwar sein, aber wir reden nicht vom zweiten, sondern dem ersten Weltkrieg, besonders defensives Terrain war da nicht nötig um einen Angreifer verbluten zu lassen, zumal Deutschland Artilleriestich überlegen war.

Und auch der Ausgang der Schlacht von Tannenberg nicht vorherbestimmt war, Russland wäre noch wesentlich schneller in ernsthafte Bedrängnis geraten wenn es das Primär-ziel von Deutschland und Österreich-Ungarn gewesen wäre, es fehlte einfach an essentiellen Dingen wie Artillerie und sogar Gewehren, dazu kamen noch die kürzliche Niederlage gegen Japan und die politische Instabilität.
Sicher, die Mittelmächte wären nicht bis 1915 nach Moskau vorgestoßen, wäre aber auch gar nicht nötig gewesen, Millionenverluste bei einer Serie militärischer Niederlage haben dem Zarenreich das Genick gebrochen, das war historisch so, und wäre bei einem stärkeren Gegner wohl noch früher passiert.


Edit:
Britischer Historiker der den Kriegsbeitritt als monumentale Fehlentscheidung sieht.
Reunion: Königreich Polen
10544

Benutzeravatar
Pastete
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2543
Registriert: 12. Mai 2015 22:15

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 23. April 2017 22:55

- Ich glaube nicht, dass England daneben stehen geblieben wäre, auf englische Neutralität bzw. gar ein Bündnis spekuliert hatten mehrere (glaub Bülow und Bethmann Hollweg?) und waren damit gescheitert. England mochte Frankreich nicht so recht aus historischen Gründen, aber realpolitisch war man denen schon längst überlegen und sah in ihnen keinen Rivalen mehr. Zu recht.
Die großen Schreckgespenster hießen Deutschland und Russland. Doch nur Deutschland konkurrierte mit ihnen um die gleichen Nischen.
- Ich glaube nicht, dass man Russland einfach mal so eben so verheerende Niederlagen hätte zufügen können, wie es sie bei Alleinstein erlitt, einfach schon deshalb, weil eine Konzentration der AchsenVERDAMMTMittelmächte an der Ostgrenze ein ganz anderes Auftreten ihrerseits verursacht hätte. Es wären Schläge ins Leere geworden. Auch von einem Zusammenbrechen des Zarenreiches unter diesen Umständen kann nicht zwangsläufig ausgegangen werden. Lenin, bzw. der ihm spendierte plombierte Zug waren ein Verzweiflungsakt der OHL.
- Ein Marsch auf Moskau bzw. auf das russische Kernland war sehr wohl nötig. So war Russland den ganzen Krieg hindurch in der Lage, das Versäumte nachzuholen und die Rüstungsindustrie aufzubauen.
Möglich wären die aber nicht gewesen. Die Russen haben nicht viel Gelände durch die Niederlagen selbst verloren, sondern durch den selbst eingeleiteten großen Rückzug. Damit einher gingen erleichterte und kürzere Versorgungswege für die Russen, sowie längere und schwierigere Versorgungswege für die Mittelmächte.
- Natürlich ist defensives Terrain immer nötig. Sieht man bsw. bei Verdun beim Kampf um die Höhen dort. In den Vogesen bin ich aufgewachsen. Das Gebiet kenne ich so gut wie kein anderes der Welt. Ich kann mir da nicht vorstellen, wie man da Grabenkrieg würde führen wollen. Auch im zweiten Weltkrieg wurden sämtliche Versuche unterlassen, dort noch eine Verteidigungslinie aufzubauen, wie man sie von andernorts sonst kennt, obwohl die Vogesen ja eine Frontverkürzung darstellen würden. Zumal wie du selbst sagst, die Franzosen selbst ebenfalls die Option offen gehabt hätten, durch Belgien zu marschieren, und die Deutschen deshalb dort ebenfalls deutlich mehr Kräfte hätten bereithalten müssen.
- Wie gesagt, das mit dem Rüstungsdefizit der Russen wurde mit der Zeit besser. Die Engländer und Franzosen konnten damals wegen der Westfront kaum was entbehren (oder wollten es nicht). Bei einer Konzentration der Deutschen auf die Ostfront hätten die Westmächte die Option gehabt, Russland mit Rüstungsgütern zu versorgen.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias

Benutzeravatar
nordstern
Aedilis
Aedilis
Beiträge: 12631
Registriert: 6. Dezember 2010 01:28
:
Teilnahme an einem Contest

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 24. April 2017 00:09

@Pastete:
1. Die unterschätzt die Vogesen. Ich sage nur Verdun. Du unterschützt die Wirkung von Artillerie. Ich meine mal gelesen zu haben, das 40% der Kriegsopfer im 1.Weltkrieg durch Artillerie erzeugt wurden. Und Deutschland war absolut führend was Artillerie betraf. Gerade der Rhein wäre ein starkes Hinderniss gewesen.

2. Das mag so stimmen, aber durch eine Konzentration im Osten, wäre die deutsche Armee dort massiv in der Überzahl gewesen und nicht in der Unterzahl. Russland hat ehe die deutsche Armee sich nach Westen wandte bereits Truppen zusammengezogen. Und 75% der russischen Armee standen an der österreichischen und osmanischen Grenze. Die deutsche Armee hätte also garnicht die russische Armee schlagen müssen. Es hätte gereicht die zwei gegen deutschland eingesetzten russischen Armeen zu zerschlagen. Was mit den Kräften ohne Probleme möglich gewesen wäre. Anschließend wäre Russland gezwungen gewesen die vorstoßende deutsche Armee aufzuhalten. Es hätte also Truppen von Österreich und Osmanien abziehen müssen, was es diesen Ländern erlaubt hätte anzugreifen. Russland hätte eine Lücke von mehreren hundert Kilometern in der Front gehabt. Das ist quasi schon ein Todesurteil. Deutschland hat historisch nie die russische Armee besiegt... sondern Russland in eine Situation gebracht wo ein Frieden besser war für Russland als eine Fortsetzung des Krieges.

3. Eisenbahnen und Artillerie. Diese beiden Faktoren hätten zur Niederlage Russland geführt. Russland hat durch den Rückzug große Teile ihrer stark erschlossenen Gebiete aufgegeben. Russlands Armee zählte zu den modernsten Europas damals ohne Frage. Aber dennoch verfügten sie über bei weitem nicht soviel Artillerie wie Deutschland. Die Artillerie hätte in Russland den Krieg gewonnen. 40% aller Verluste im 1.Weltkrieg waren der Artillerie zuzuschreiben.

4. Der Munitionsmangel 1915 wäre bei starken Gefechten gegen die deutsche Armee noch gravierender gewesen. Die russische Artillerie hätte wesentlich mehr verschießen müssen und dadurch wäre die Krise länger, gravierender und flächendeckender gewesen. Angesichts der immens starken Rolle der Artillerie, hätte dies zu einem Massaker der russischen Armee geführt. Der Krieg wäre angesichts dessen nicht bis 1918 gedauert. Meines erachtens hätte Russland 1916 oder früher das Handtuch geworfen.

5. Woher begründest du deine Annahme das Osmanien früher zerfallen wäre, wenn der russische Druck kleiner gewesen wäre?

6. Ich glaube nicht das die Entente Russland versorgt hätte. Das Risiko war zu groß. Im 2.Weltkrieg haben auch nicht die Briten Russland versorgt sondern das "sichere" Amerika. England und Frankreich wussten das sie an Material klar unterlegen waren und brauchten die Rüstungsgüter daher selbst.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

Benutzeravatar
IWST
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2525
Registriert: 5. Dezember 2010 20:32
Wohnort: EU, Österreich, Steiermark
:
Teilnahme an einem Contest Kleinspender

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 24. April 2017 00:34

2: Wie gesagt, England ist nicht sofort beigetreten und es gab im Parlament durchaus Fürsprecher für den Frieden, die wohl wichtige Argumente gewonnen hätten wenn das Gemetzel erst richtig los gegangen wäre, zudem bezeichnen selbst einige britische Historiker den Kriegseintritt selbst bei Überfall auf Belgien als einen Fehler (zwar im Rückblick, aber einige der Argumente gab es schon damals).
Ich sage nicht dass Großbritannien ohne Verletzung der belgischen Neutralität sicher neutral geblieben wäre, aber ich bin der Meinung es hätte eine realistische Chance gegeben.

Lasse mich in dem Punkt auch gerne überzeugen, immerhin ist es ein fiktives Szenario, nur aus dem Blickwinkel zurück denke ich dass es klug gewesen sein könnte neutral zu bleiben, und es gab ja durchaus eine Fraktion in der britischen Politik die bis Belgien tatsächlich dieser Meinung war.


Russland:
Die damaligen russischen Generäle dachten nicht so wie die zu Zeiten Napoleons (selbst die sowjetischen hatten nicht unbedingt geplant die Deutschen bis Moskau kommen zu lassen, und haben dabei ganze Armeen verloren). Das Motto war Angriff und Sieg bis Weihnachten.
Tannenberg war auch nicht die einzige Schlacht bei der die Russen hohe Verluste hatten, bei Gorlice-Tarnów, eine Offensive der Mittelmächte 1915, verloren sie 350 000 Mann und verdammt viel Land, bei der Brusilov Offensive fügte man immerhin den ebenfalls nicht gerade kompetent geführten Österreichern horrende Verluste zu, der Preis waren aber 1 000 000 Mann.
Außerdem war die Hauptstadt nicht Moskau sondern Petrograd, und es gab keine große Rüstungsindustrie die man hätte hinter den Ural mitnehmen können, Russland war damals ein Land von Bauern (und da ist Land wichtig, auch für die Mittelmächte, denen ja neben der Aussichtslosigkeit mit Ankunft der Amerikaner vor allem die Nahrungsmittelknappheit 1918 das Genick gebrochen hatte, das selbe wäre bei noch größeren Landverlusten Russland früher passiert, 1917 gab es ja in Russland tatsächlich eine Nahrungsmittelknappheit).
Auch politisch war die Lage anders, der Zar wäre beinahe gestürzt worden als der russisch-japanische Krieg verloren ging, da hielten sich die Verluste an Land und Soldaten durchaus in Grenzen.
Sicher, 1914 wäre der Krieg nicht aus gewesen, aber nachdem mit 20% der deutschen Truppen Anfang 1917 die Auflösungserscheinungen einsetzten

Frankreich:
Ja defensives Terrain ist von Vorteil, aber im Zeitalter des Grabenkrieges kein Muss. Die französischen Offensiven verliefen ja in der Realität auch in die geographisch günstige Richtung, und endeten dennoch in Blutbädern, übrigens auch in den Vogesen wo sehr wohl Schützengräben gab, und die britischen Offensiven im flachen Flandern sahen auch hunderttausende Tote.
Ein Einmarsch der Franzosen nach Belgien hätte für die Franzosen eine Möglichkeit geöffnet, die Front zu verlängern, nur wäre ihnen da die belgische Armee und die belgischen Festungen (die dank der zahlreich vorhandenen deutschen Belagerungsartillerie in der Realität rasch fielen, für die Franzosen wäre das etwas schwerer gewesen) im Weg gewesen, und die Front wäre nicht so lang geworden wie sie es in der Realität wurde.
Auch wäre nicht die ganze deutsche Armee im Osten gewesen, hätte sie gar nicht können, da das Eisenbahnnetz dort zwar die doppelte Menge an Truppen verkraftet hätte als historisch hin geschickt wurden, aber nicht mehr als die Hälfte der deutschen Armee.


@ Nordstern:
Danke dass du die Bedeutung der Artillerie nochmal herausstreichst.
Die war allerdings auch nur ein Punkt in dem die russische Armee Probleme hatte, ein anderer war Gewehrmunition.

Und wie kommst du auf die Osmanen?
Die wären ohne britischen Kriegseintritt möglicherweise neutral geblieben.

Stichwort Versorgung:
Wenn Großbritannien nicht in den Krieg eingetreten wäre, hätte diese einmal um den Globus gemusst, die Hochseeflotte mochte logistisch nicht in der Lage sein, Frankreich zu blockieren, aber die Route über Norwegen wäre dicht gewesen, und im Mittelmeer hätte die Lage ohne Briten wohl auch anders ausgesehen.

Edit:
Stichwort Vogesen, ich kenne zwar die lokalen Gegebenheiten nicht, aber Grabenkrieg gab es dort. Das raue Terrain mag zwar diverse Probleme bereiten, aber unterschätze nie wie weit Menschen gehen um sich gegenseitig umzubringen. Der Isonzo war auch ein eher lebensfeindliches Terrain, rau, schlecht erschlossen, und vor allem mit Massivem Wassermangel da Karstgebirge, das hat die Italiener nicht daran gehindert dort 12 Schlachten mit gesamt 300 000 Toten zu verlieren.
Reunion: Königreich Polen
10544

Benutzeravatar
Hjalfnar
Tribunus Laticlavius
Tribunus Laticlavius
Beiträge: 6684
Registriert: 29. März 2012 08:11
Wohnort: Hannover
:
User des Monats AAR-Schreiber Gewinner Userwahl

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Hjalfnar » 24. April 2017 08:56

Die Front in den Vogesen hat sich doch den gesamten Krieg nicht großartig verschoben, unter Offensiven beider Seiten, wohlgemerkt. Man stelle sich einfach mal vor, die deutsche Armee hätte sich 1914, anstatt anzugreifen, in Elsass-Lothringen einfach eingegraben. Schützengräben, Maschinengewehre, Artillerie hinten, so wie es dann Ende des Jahres überall an der Westfront aussah. Und dann stelle man sich vor, die Franzosen wären dagegen mit der Infanterietaktik, die 1914 alle anwendeten (und viele auch noch viel länger), vorgegangen. Das wäre ein Blutbad gewesen...für die Franzosen! Artilleristisch unterlegen, zahlenmäßig nicht großartig überlegen wegen der schmalen Front (ich gehe erstmal von einem Ausschluss Belgiens aus) und dann in diesem Gelände?! Keine Chance! Im Notfall hätte die OHL einfach ein paar Armeekorps von Osten nach Westen verlegt. Wie sie es ja umgekehrt 1914 tatsächlich machte, was dann den Sieg im Westen kostete. Andersherum hätte es den Sieg im Osten höchstens verzögert.

Man darf auch nicht unterschätzen, wie z.B. die Niederlande auf einen Verzicht Deutschlands auf einen Einmarsch in Belgien reagiert hätten. So war die Stimmung und das Bedrohungsgefühl der niederländischen Bevölkerung immer eher gegen das Deutsche Reich, trotzdem wurden z.B. Lebensmittel und Kampfflugzeuge nach Deutschland geliefert (Fokker ist ein niederländisches Unternehmen). In welchem Maßstab hätte man erst das Deutsche Reich unterstützt, hätte es im Gegensatz zu Frankreich die belgische Neutralität gewahrt?

Bzgl. Vogesen nochmal, das war Gebirgskrieg. Scheusslichster Art, schaut euch mal die Schlacht um den Hartmannsweilerkopf an. Brutal! Und selbst als die Amis da waren, rührte sich bis zum Waffenstillstand kaum etwas dort. Tatsächlich gelang es den inzwischen im Gebirgskrieg sehr erfahrenen deutschen Truppen sogar, ein US-Battaillon zeitweilig abzuschneiden und fast zu überrennen. Das Gelände drot ist völlig ungeeignet für offensive Vorgehen und hätte den Deutschen einen enormen defensiven Vorteil verliehen.
"So sleep soundly in your beds tonight...for judgement is coming for you at first light! I'm the hand of god, I'm a dark messiah, I'm the vengeful one!" - Disturbed

Benutzeravatar
Pastete
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2543
Registriert: 12. Mai 2015 22:15

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 24. April 2017 09:59

@Nordstern & IWST:
1: Keine Ahnung was du (Nordstern) mir damit sagen willst. Ich unterschätze nicht das Terrain, habe auf die Höhen bei Verdun selber hingewiesen.
Verdun liegt meines Wissens nicht in den Vogesen, und die geographischen Gegebenheiten sind dort ganz andere. Die sind im Westen flacher als im Osten, im Osten ganz steil und ziemlich übergangslos folgt direkt dahinter das flache Rheinland. Viel Glück dort schwere Artillerie reinzubringen und erst recht Gegner anzuvisieren. Meine Einschätzung ist, dass die Franzosen dort Vorteile gehabt hätten, dass es unweigerlich viel mehr auf Nahkampf und weniger auf Niemandsland hinausgegangen wäre als es bei Flachland möglich war, und dass deshalb grundsätzlich der mit mehr Mann gewinnen würde. Was schon aufgrund der Prämisse deiner Frage für die Franzosen gegeben wäre.
Und ach ja, ich unterschätze nicht Artillerie, auch auf sie habe ich selber schon hingewiesen. Aber wie gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass man sie dort auch nur annähernd so effektiv einsetzen kann, wie man es andernorts getan hat. Und bei den Vogesen hast du auch viel schlechtere Sichtverhältnisse als in den Alpen. Ein Vergleich mit dem Isonzo bietet sich nicht an, denn dort hast du immerhin effektives Terrain mit sehr guter Sichtweite und dem eindeutigen Vorteil, von Oben nach Unten kämpfen zu können.
Vogesen geben dir den Vorteil nicht. Klar gab es dort Schützengräben, die lagen aber auch deutlich näher.

Real hat es in den Vogesen Kämpfe gegeben, wie IWST es richtig gesagt hat. Die Franzosen haben Mulhouse zweimal eingenommen und haben dabei auch über den Rhein gesetzt. Ihr Rückzug wurde erst durch die deutschen Siege weiter nördlich nötig. Aufgrund eurer Prämisse wäre das schon mal gar nicht möglich gewesen, es ist also schon mal anzunehmen, dass Elsass-Lothringen von Süden her aufgerollt wurde. Und selbst wo es dann später Grabenkämpfe gab, lagen die deutlich näher beieinander als sie es im Norden taten. Statisch wurde die Grenze vor allem deshalb, weil beide Seiten sich auf den Norden konzentrierten. Beispielhaft ist auch die Schlacht um den Hartmannsweilerkopf, um den beide Seiten heftige Kämpfe führten. Jedes Mal wenn die Franzosen ihn einnahmen, konnten sie die Rheinebene weit überblicken. Die Deutschen mussten ihn daher jedes Mal zurückerobern, und sahen dadurch... noch höhere Berge unmittelbar vor sich.

Kurzum, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Franzosen den Deutschen das Elsass vom Süden her aufgerollt hätten, hätten die Deutschen denen die Gelegenheit dazu gegeben. Und bei eurer Prämisse ist das so.
Der Rhein dahinter wäre absolut kein sonderlich größeres Hindernis gewesen als es andere Flüsse auch sind. So breit ist er nämlich nicht, und dafür gibt es Pontons und Ingenieure.

2: Ich sage das aus rein strategischer Sicht, und ohne all zu viel zu spekulieren. Die Annahme, dass man dort einfach so russische Armeen würde zerschlagen können, erschließt sich mir nicht, denn das ergibt sich aus der Prämisse nicht.
Es ist ein Mythos, dass der Rückzug der Russen im napoleonischen Krieg strategisch geplant war. Er war vielmehr improvisiert. Die Russen haben wann möglich die Schlachten gesucht, bei den Kräfteverhältnissen ging dies jedoch nicht. Die Deutschen haben meines Wissens auch keine Armee zerschlagen.
Dass die Russen, wie jede andere Nation auch, offensiv und mit viel Enthusiasmus in den Krieg reingegangen sind, ändert nicht, dass ihr Verhalten bei einem deutlich überlegenen Feind ein ganz anderes gewesen wäre. Nämlich deutlich vorsichtiger. Den großen Rückzug hätte man vielleicht früher eingeleitet, aber weder am Frontverlauf noch sonst hätte sich dabei viel verändert.
Die Russen haben dort eben nicht sonderlich wichtige (Rüstungs-)industrie verloren.
IWST, wie du darauf kommst ich würde nicht wissen, dass Piter damals Hauptstadt war... :strategie_zone_400:
Ändert nichts daran, dass Moskau immer das strategisch deutlich interessantere Ziel war. Auch für Napoleon vorher.
Die Kommunisten haben nachher vorgemacht wie man das machen muss mit ihrer Oktoberrevolution. Putschartig das wichtigste Kernland eingenommen, und die Weißen hatten keine Chance mehr.
Ich sehe auch bei den AchsenVERDAMMTMittelmächten nicht die Chance, dass sie das Gebiet hätten einnehmen können.
Die Nachschubprobleme gab es damals schon für sie und dieser Effekt wäre umso härter gewesen, hätten die Deutschen dort noch mehr Kräfte investiert.

Ich glaube wirklich, dass den Russen einiges (an Erniedrigung) erspart geblieben wäre, wenn die AchsenVERDAMMTMittelmächte sich auf die Ostfront konzentriert hätten.

Was die Osmanen angeht, wären die nie durch den Kaukasus gekommen, selbst wenn sich die Engländer nicht eingemischt hätten. Die vorigen Kriege haben ja gezeigt, wie bedeppert die sich selbst in Überzahl anstellten. Weil ich wie gesagt vermute, dass sich England so oder so eingemischt hätte (ohne es beweisen zu können, IWSTs Meinung ist da genauso valide), dann hätte das Ausbleiben deutscher Offensiven an der Westfront dazu geführt, dass sie umso mehr Kräfte für die Türken frei gehabt hätten. Was darauf gefolgt wäre, ist aber auch wieder Spekulation.

Fun fact: Die Russen haben sogar Militäreinheiten an die Westfront entsendet. Eben weil dort so viel Druck war. Es hätte auch anders herum laufen können und Franzosen und Engländer Nachschub (nicht unbedingt Soldaten) an die Russen liefern können, was auch vermutlich bei deutscher Konzentration auf die Ostfront erfolgt wäre.

Und wie gesagt: Die Franzosen hätten selbst den Raum gehabt, ihre Offensiven zu entwickeln wie sie wollten, und wenn sie es nicht so machen würden wie den Sitzkrieg im 2ten hätten sie zumindest das linksrheinische Gebiet schnell überrannt. Dass der Rhein aber kein sonderliches Hindernis darstellte, wusste das OHL selber. Deshalb haben sie nach dem Zusammenbruch der Siegfriedlinie sofort auf Friedensverhandlungen bestanden.

@Hjalfnar:
War gerade am Abschicken, dann deine Antwort gesehen.
Doch, die Front in den Vogesen hat sich 1914 sehr wohl viel verschoben. Die Franzosen haben Mulhouse zweimal einnehmen können, das erste Mal wurden sie zurückgeschlagen, das zweite Mal mussten sie sich zurückziehen, wegen der deutschen Erfolge an nördlicheren Frontabschnitten. Danach stagnierte die Front, weil beide Seiten sich auf andere Frontabschnitte konzentrierten.
Hartmannsweilerkopf ist ein gutes Beispiel für das deutsche Dilemma. Nahmen sie den Berg ein, hatten sie dadurch kaum Vorteile errungen. Die Franzosen hatten dahinter gleich den nächsten Berg. Eroberten die Franzosen ihn, gab es dahinter keinen Berg mehr, nur flaches Land, welches man weit überblicken kann. Für die Deutschen ein Disaster.
Wie oben schon geschrieben, das ist kein Gebirge wie du es dir vorstellst. Aus westlicher Richtung bei weitem harmloser als aus der östlichen. Südlich davon die burgundische Pforte, die Lücke zwischen Jura und Vogesen. Französischerseits sehr gut befestigt (Belfort, Besancon, etc.), so dass die Deutschen das gleich haben bleiben lassen. Auf deutscher Seite... Naja, fast nix.
Und weil das Terrain so unübersichtlich war, lagen beim Hartmannsweilerkopf die Schützengräben nur Meter auseinander. Allgemein war das Niemandsland in den Vogesen deutlich kleiner als im Norden. D.h. Massenanstürme hätten in den Vogesen viel mehr Aussicht auf Erfolg. Und weil das nicht die Alpen sind, kannst du das dort nicht mit denen gleichsetzen.

Wie gesagt, ich bin aus der Gegend und ich habe mich in den Vogesen sogar noch deutlich mehr aufgehalten als sonstwo.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias

Benutzeravatar
IWST
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2525
Registriert: 5. Dezember 2010 20:32
Wohnort: EU, Österreich, Steiermark
:
Teilnahme an einem Contest Kleinspender

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 24. April 2017 11:58

1: War jetzt nie in den Vogessen, aber auch am Isonzo hatten die Italiener einen relativ flachen Aufstieg mit Straßen auf ihrer Seite während Österreich Ungarn östlich des Isonzo etwas niedrigere Berge hatte die aufgrund des steileren Anstiegs auf ihrer Seite oft mittels Seilbahn versorgt werden mussten, meist waren die Italiener zudem artilleristisch überlegen.
Starken Bewuchs der die Sicht einschränkte gab es auch dort (war mal eine Woche dort), zu mindestens bis die Artillerie diesen entfernt hat.
Stellungen die fast in Wurfweite voneinander waren gab es an einigen Stellen ebenfalls.

Im Übrigen sollte man Hinterhangstellungen nicht unterschätzen, vor ziemlich genau 100 Jahren hat so eine für die Franzosen am Chemin des Dammes in einem Blutbad geendet.

Auch hätten die Deutschen ja durchaus Truppen im Westen gehabt, alleine schon wegen der Begrenzten Eisenbahnkapazität im Osten, und davon wären wohl einige (mehr als in der Realität dort waren), inklusive Artillerie, auch in den Vogesen gewesen.

Sicher, Verdun mag eine bessere Verteidigungsstellung gewesen sein, aber im ersten Weltkrieg, gerade vor der Erfindung des Panzers war das kein muss um ein de facto unüberwindliche Stellungsystem aufzubauen.

Und das die OHL um Frieden bat lag nicht daran dass der Rhein unverteidigbar war (sicher besser als Flandern), sondern vor allem daran dass es aufgrund USA keine Aussicht auf Sieg mehr gab, die deutsche Armee fertiggefahren war, und die Verbündeten gerade zusammenbrachen.
Ein Fluss ist prinzipiell ein Hindernis, nicht prinzipiell unüberwindbar, aber ein Hindernis, wenn man aber den Gegner und Seine Artillerie nicht irgendwie niederhalten kann sogar ein nicht zu bewältigendes.

2:
Die russische Armee war der deutschen in der tatsächlichen Geschichte schon unterlegen und Russland ist 1917 zusammengebrochen, wieso das bei doppelt so vielen deutschen Truppen und Artillerien anders aussehen hätte sollten erschließt sich mir nicht.
Russland hat es in der Realität nicht geschafft seine Industrie und Armee weit genug zu stärken, wieso hätten sie es unter deutlich höherem feindlichen Druck und mit mehr Landverlusten plötzlich schaffen sollen?
Und wie gesagt, Landverluste waren für eine Agrarnation ein ziemliche Problem, und haben zu Hungersnöten geführt die dann in Russland wie Österreich-Ungarn zum Sturz der Regierung führten.
Abgesehen davon dass der Verlust der Hauptstadt ein schwerer Schlag gewesen wäre.

Ich kann nur nochmal wiederholen, das zaristische Russland war nicht Stalins Sowjetunion, es gab kaum Industrie, und das politische System stand auf deutlich wackeligeren Beinen, weshalb Russland in der Realität auch den Krieg verloren hat. Der Winter war auch nicht so hart.
Zudem hat der deutsche Gegner nicht auf einen undurchführbaren Blitzkrieg gesetzt und damit bis vor Moskau einen großen Teil seiner Truppen verloren, die er nicht ersetzen konnte, Deutschland hat im ersten Weltkrieg mehr Soldaten mobilgemacht als Russland.
Zuletzt geändert von IWST am 24. April 2017 13:41, insgesamt 1-mal geändert.
Reunion: Königreich Polen
10544

Benutzeravatar
Pastete
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2543
Registriert: 12. Mai 2015 22:15

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 24. April 2017 13:16

1: Die Forderungen der OHL nach Frieden erfolgten unmittelbar auf und mit direktem Bezug auf die Durchbrechung der Siegfriedstellungen. Östlich davon gab es keine Verteidigungsstellungen mehr.
"Unüberwindbar" waren so gut wie keine Stellungen, aber wenn es welche waren, dann solche mit flachen Niemandsland vor den Stellungen und Höhen hinter den Stellungen. Höhen allein schon deshalb, weil man sie für Artillerieortung brauchte. Vogesen gaben keine für Frankreich unüberwindbare Stellungen her, erst recht nicht die Burgundische Pforte südlich davon. Sorry, aber Alpen und Vogesen sind nicht vergleichbar.

2: Weil wie gesagt eure Denke darauf abzielt, dass Deutschland im Krieg alles ganz anders gemacht hätte, aber die Alliierten (bis auf das eventuelle Fernbleiben einiger) aus unerfindlichen Gründen gleich gehandelt hätten. Was nicht nur unlogisch ist sondern auch fast unmöglich.

Das politische System im Zarenreich stand anfangs noch durchaus auf festen Füßen. Es musste erst erodieren. 1905 lag recht weit zurück, es gab wie in allen Ländern eine Wagenburgmentalität, weite Teile der russischen Bevölkerung hielten über den Krieg und den Revolutionen hinaus dem Zaren die Treue. Dissidente Eliten (abgesehen von Bolschewisten & Menschewisten) mussten sich erst organisieren, und die Regierung Kerenski hatte handfeste innenpolitische Gründe dafür, dass sie auf einer Weiterführung des Krieges bestand. Ohne die wäre sie vermutlich noch schneller zusammengebrochen, und das war ihr auch klar.
Es war nicht so dass: Niederlage -> ZACK! Alle Kommunisten.
Der Widerstand gegen den Zaren kam nicht schlagartig, sondern musste sich erst aufstauen und aufbauen, dafür brauchte es Zeit und die wäre nicht sonderlich beschleunigbar gewesen (übrigens zu einem guten Teil durch die Deutschen angefacht, die überhaupt einen enormen Fokus auf subversive Maßnahmen legten).

Weiterhin mussten Seitens der Deutschen Eisenbahnen umgenagelt werden (in beiden Kriegen, übrigens), da Normalspur =/= russische Breitspur, was ebenfalls durch eine höhere Mannzahlen nicht schneller vonstatten gegangen wäre, das deutsche Nachrücken beim großen Rückzug wäre nicht schneller geworden. Das Problem gab es an der Westfront wohlgemerkt nicht. Die ohnehin schon überreizten und beschwerlichen Nachschubwege für die deutsche Ostfront wären durch weitere Kräfte dort noch mehr überlastet worden. Bahnstationen mussten weitaus größere Frontabschnitte decken als sie es im Westen taten.
Meinerseits gibt es da schon mal Skepsis, dass eine Versorgung größerer Gruppenteile ohne den Aufbau entsprechender Infrastruktur möglich gewesen wäre.
Mir fehlen also jegliche Anhaltspunkte, dass die Deutschen nur aufgrund von mehr Mann auf einmal schneller mehr Boden hätten gutmachen können.

Schlachten wie die besonders erniedrigende bei Tannenberg hätten gar nicht stattfinden können, weil die Voraussetzungen gar nicht gegeben gewesen wären. Das absurd dumme Vorgehen Samsonows und Rennenkampfs fußte auf der Annahme, dass in der Gegend praktisch gar keine gegnerischen Kräfte vorhanden seien.
Kessel gab es nach meinem Kenntnisstand im gesamten 1. Weltkrieg (ausgenommen jetzt sämtliche osmanischen Fronten) nur 1: Tannenberg. Die gelang aus der Defensive heraus, da der Gegner blind reintrabste. Offensiv gab es keine einzige, weil solche Manöver in dieser Größenordnung kaum möglich waren.

Meinerseits ebenfalls nur wiederholen, dass Zarenreich nicht die Sowjetunion war, den Unterschied habe ich klar herausgestrichen. Die Denke, dass Russland ein reiner Bauernstaat ohne jegliche Industrie war, wäre aber reichlich naiv. Sie hatte sehr wohl Industrie und sehr wohl Eisenbahnen, und die Deutschen kamen nur an einen geringen Teil von ihnen ran.
Oder wo wurden deiner Ansicht nach die russischen Artilleriegranaten hergestellt? Auf Bauernhöfen? Ne, die Russen haben auch währenddessen ihre Rüstungsproduktion fleißig aufgebaut wie andere Länder auch. Sie war im Rückstand, keine Frage, aber um die russischen Kanonen zum Schweigen zu bringen, hätte man wie gesagt die russischen Produktionszentren erreichen und ausschalten müssen.
Nochmals der Hinweis daher darauf, dass die Roten genau das gemacht haben, und den Weißen dadurch frühzeitig das Genick gebrochen.

Die Russischen Ernährungskrise ergab sich nicht aus Nahrungsmangel, sondern aus Verteilungsproblemen. Gleiches gilt auch für spätere Hungersnöte des roten Terrors (teilweise bewusst herbeigeführt).
Die russische Hungersnot des 1. Weltkrieges kam aber nicht annähernd an die des Kaiserreiches heran. Und bezeichnend ist eben auch, dass auch die Eroberung der Ukraine nach dem Waffenstillstand an der Ostfront daran nichts änderte, was deine These von wichtigem Ackerland schon mal widerlegt und auch aufzeigt, wie schwer es in der Gegend war, Güter von A nach B zu schaffen.

Und all diese Probleme halt, während niemand die Engländer und Franzosen daran gehindert hätte, ihrerseits die Russen über Murmansk und Arkhangelsk zu versorgen oder gar Truppen zu schicken, wie im zweiten der Fall und wofür es im ersten durchaus Ansätze gegeben hat. Allerdings primär in umgekehrte Richtung, aus Russland nach Westen. Komischerweise spielt das bei euren Überlegungen keine Rolle. Warum?

Aktionen bewirken immer Reaktionen. Ein Was-wäre-Wenn-Szenario, welches ein anderes deutsches Vorgehen bewirkt und dabei die unweigerlich erfolgenden Probleme und Gegenmaßnahmen ignoriert, ist schlicht unrealistisch. Und die Vorstellung von "unüberwindbaren Stellungen" in den Vogesen ebenfalls. Zumal, wie du selbst gesagt hast, die Franzosen selbst die Option hatten, selbst über Belgien einzurücken, man dort ebenfalls hätte Reserven zurückhalten müssen, die Franzosen in Elsass-Lothringen ebenfalls um ein Vielfaches mehr hätten aufbieten können. Um das zu halten, hätte das OHL dort eine vergleichbare Anzahl an Ressourcen bereithalten müssen, wie es das beim Schlieffenplan in Flandern ohnehin tun musste, was jeglichen Wechsel des Fokus hinfällig macht, zumal Flandern Vorteile bot, auf die die Deutschen in den Vogesen nicht zu rechnen brauchten.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias

Benutzeravatar
IWST
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2525
Registriert: 5. Dezember 2010 20:32
Wohnort: EU, Österreich, Steiermark
:
Teilnahme an einem Contest Kleinspender

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 24. April 2017 14:36

1:
Wie schon gesagt den Gedanke dass man sich nur in Frankreich verteidigen kann und überall sonst sofort überrannt wird halte ich für unrealistisch. Sicher, es gab hier und da gutes Terrain, aber im großen und ganzen war es auch in Frankreich so, dass man von Westen besser Verteidigen und Angreifen konnte als von Osten, und Flandern war Flachland wo es oft verdammt schwer war einen Schützengraben zu graben weil die Dinger schnell man unter Wasser standen.
Und ein Angriff auf Belgien hätte auch den Franzosen neben einer Verlängerung der Front auch Nachteile gebracht, zusätzliche Feinde, und Forts im Weg die ihnen noch größere Probleme bereitete hätten als den Deutschen.

Dass historisch beide Seiten bei der Verteidigung so große Vorteile hatten lag nicht am Terrain, sondern am technischen und taktischen Entwicklungsland der damaligen Zeit, die Verteidiger waren überall im Vorteil, an geographisch günstigen Orten wie Verdun Galipoli und den Alpen ebenso wie an weniger günstigen wie Flandern, den Phasen des Stellungskrieges an der Ostfront, im Irak und den Schlachten bei Gaza, in Serbien und an der Piave usw.

Und die Isonzofront und die Alpenfront waren zwei verschiedene Dinge. Ich wollte nur aufzeigen dass es die von dir genannten Probleme bei der Verteidigung der Vogessen auch an anderen Orten gab.

Die Sigfriedstellung war eine Art letzte Hoffnung, dass die OHL danach um Frieden ansucht lag daran dass die deutsche Armee zu diesem Zeitpunkt nicht mehr fähig war weiter effektiv Wiederstand zu leisten wie es in den Jahren davor der Fall war, und die Verbündeten gerade zusammenbrachen, militärisch und wirtschaftlich (wir reden hier von einer ausgewachsenen Hungersnot, der durchschnittliche KuK Soldat wog noch 53 Kilo, in Deutschland war es weniger schlimm aber immer noch katastrophal).

2:
Ja, die Entente hätte anders gehandelt, vielleicht hätte die russische Generalität weniger Fehler gemacht, vielleicht unter Druck mehr, das ist Spekulativ, nur waren russische Generäle nicht die einzigen die Fehler gemacht haben, gerade 1914 gab es auf allen Seiten massive Fehlentscheidungen, teils weil man diese Art des Krieges nicht erwartet hatte, teils weil sich die im Frieden vielgerühmten Generäle unter Stress als Blender herausstellten. In Österreich-Ungarn und Italien hat sich diese Spezies an absoluten Fehlbesetzungen bis 1917 im Generalstab gehalten. Und du hast ja auch erwähnt dass auch Hindenburg und Ludendorf durchaus Mist gebaut haben.
Dass die russischen Generäle vorsichtiger gewesen wären mag also sein, aber das hätte wohl kaum einen doppelt so starken Gegner (40% statt 20% der deutschen Truppen) ausgeglichen, der eben auch entsprechend gehandelt hätte.

Und 1905 lag 1914 9 Jahre zurück, die Auflösung der Duma 1907 sogar nur 7 Jahre. Und es war immer noch der selbe Zar der die der Revolution zugrunde liegenden Probleme nicht beseitigt hatte.
Ich sage auch nicht dass es 1914 zur Revolution gekommen wäre, aber mit größeren territorialen Verlusten, damit einhergehend eine frühere Hungersnot, und einer deutlichen militärischen Unterlegenheit, ohne England im Krieg und mit Verlust der Hauptstadt zudem massive Zweifel an der Gewinnbarkeit des Krieges, wäre sie wohl früher als 1917 gekommen, vielleicht, 1916, eventuell schon Ende 1915 (wie es internationale Sozialisten tatsächlich dachten damals), aber ich kann mir nicht vorstellen dass größere militärische Probleme die real existierenden Gründe für die Revolution beseitigt hätten.

Und auch wenn die neue Regierung nach der Februarrevolution den Krieg formal fortführte, de-facto war Russland raus, Desertationen, Befehlsverweigerung, Hungersnot und generell Chaos führten dazu dass den deutschen ab da kein wirksamer Wiederstand mehr entgegengesetzt wurde, werden konnte.

Die Infrastruktur war natürlich ein limitierender Faktor für den deutschen Vormarsch, dass sich die nicht binnen 4 Monaten bauen lässt mussten sie 1941 erfahren, aber nochmal: ich rede nicht von einer Entscheidung 1914, und von Ostpreußen bis ins Baltikum lässt sich so eine Bahnlinie in 2 Jahren durchaus adaptieren, und Polen, das Baltikum und die Westukraine waren die primären Kriegsschauplätze.
Und da war im ersten Weltkrieg eben nicht die Infrastruktur das Problem, sondern die russische Armee, und die Unfähigkeit des österreichischen Oberkommandos.


Und nochmal, auch wenn es in Russland Industrie gab, mit der der Sowjetunion, die noch dazu massiv lend-lease bekam, war sie nicht vergleichbar, und Industrie damals war aufgrund der Infrastruktur durchaus darauf angewiesen dass es die entsprechenden Kohle- und Eisenvorkommen in der Gegend gab.
Das müssen nicht die Granaten sein, ich möchte hier nochmals erwähnen dass eben selbst historisch Russland Deutschland industriell massiv unterlegen war, und die russischen Kanonen so viel schossen wie sie konnten, und es war immer noch zu wenig, bei doppelt so vielen Feinden wäre nicht auf magische Weise die russische Rüstungsindustrie doppelt so groß geworden.
Es geht auch um Traktoren die damals noch nicht wirklich vorhanden waren, mit den historischen Landverlusten ist Russland Ende 1916, und dann verstärkt 1917 genau dass passiert was auch Österreich Ungarn passiert ist --> Hungersnot, die wäre mit einem früherem Verlust der Ukraine früher gekommen, während die Mittelmächte ihrerseits diese Problem nicht gehabt hätten (mangels Verlust von Galizien das ja österreichisch war und von den Russen erobert wurde), ohne britische Blockade wären sie zudem industriell noch stärker gewesen.
Ja Verteilung spiele eine Rolle aber wenn es weniger zu verteilen gibt kommt nicht auf wundersame Art mehr bei der Bevölkerung an.


Allgemein haben wir hier aber das Problem dass du davon ausgehst dass die Briten dennoch beigetreten wären, während das Szenario auf dem ich und andere argumentieren eben genau diese nicht beinhaltet.
Reunion: Königreich Polen
10544

Benutzeravatar
nordstern
Aedilis
Aedilis
Beiträge: 12631
Registriert: 6. Dezember 2010 01:28
:
Teilnahme an einem Contest

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 24. April 2017 18:55

Ich glaube das Problem liegt darin, wieviele Truppen nach Osten geschickt werden.

Ihr geht davon aus das der Westen entblößt würde und die Vogesen wie 1914 historisch verteidigt werden. So meinte ich das nicht. Historisch waren etwa 70-80% der deutschen Armee im Westen. Wenn man diese Zahl auf 40-50% reduziert hätte, hätte das schon ausgereicht um Russland zu zwingen sich zurückzuziehen. Die Annahme dahinter ist ja, dass Russland die Mobilisierung der Truppen abgeschlossen hatte vor Deutschland und durch das Eisenbahnnetz wesentich langsamer reagieren konnte als Deutschland. Russland hätte Wochen/Monate gebraucht um Truppen vom Süden abzuziehen und sie nach Norden zu schicken. Während dieser Zeit wären in Polen deutlich mehr deutsche Soldaten wie russische gewesen.

Der Frieden von 1917 hat zudem gezeigt wie "konzentriert" die russische Wirtschaft war. Russland war nur im Westen entwickelt. Die Gebiete die Russland abtreten musste historisch umfassten fast alle Kohlevorkommen, große Teile der erschlossenen Agrargebiete und 70-80% der gesamten Industriellen Struktur Russlands. Nicht umsonst starben als Folge dieses Friedens mehrere Millionen Russen an Hunger und Kälte. Russland hätte also auf diese Gebiete nicht so leicht verzichten können wie du das darstellst. Es handelte sich vielmehr um vitale, existenzielle Regionen für Russland die Deutschland bedrohte.

Die deutsche Armee bestand zu Kriegsbeginn aus 18 Armeekorps sowie drei bayrischen Armee-Korps. Also 21 Korps. Davon standen zwei im Osten. Hätte man statt zwei einfach 6-9 Armeekorps dorthin verlegt, sähe die Lage dort ganz anders aus. Die verbliebenen 12-15 Korps hätten die Vogesen problemlos sperren können.

Der Angriff auf Mulhouse gelang nur, weil Mulhouse in einer Ebene liegt, ein Tal quasi. Selbst wenn die Franzosen die deutsche Armee aus den Vogesen getrieben hätte, stünde als nächstes Hinderniss der Rhein auf dem Plan. Deutsche Artillerieüberlegenheit, flaches Anfahrtsgebiet der französischen Armee sowie der Schwarzwald als Barriere hinter dem Rhein. Das wäre ein französisches Blutbad geworden. Vielleicht hätte Frankreich die Vogesen erobert, vielleicht auch den Rhein.. aber zu einem Blutzoll er Frankreich schwer getroffen hätte. Und spätestens am Schwarzwald wären sie stecken geblieben. Dazu noch kleinere "Festungsberge" wie der Kaiserstuhl um das Rheintal zu überblicken. Ich kann mir einfach nicht vorstellen das die Franzosen selbst mit britischer Hilfe in der Lage gewesen sein sollten eine Brücke über den Rhein zu schlagen angesichts deutscher Artilleriehoheit. Vorallem die schweren deutschen Belagerungsgeschütze hätten die stationären Brückenkopfversuche zerschlagen. Aller spätestens der Schwarzwald hätte sie gebrochen. Gebirgeskette, Artilleriehoheit, eingegrabene deutsche Soldaten und eine flache Ebene auf der anderen Seite. Ich glaube das beste, was dem deutschen Kaiserreich damals hätte passieren können, wäre ein massiver französischer Angriff auf die Vogesen gewesen.

Ich mein es hatte ja seinen Grund weshalb die deutsche Armee nicht das selbe probieren wollte über die Vogesen sondern über Belgien angreifen wollte. Ich glaube die französischen Generale waren da etwas naiv als sie Plan XVI ins Leben riefen.. auch wenn er nie stattfand.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

Benutzeravatar
IWST
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2525
Registriert: 5. Dezember 2010 20:32
Wohnort: EU, Österreich, Steiermark
:
Teilnahme an einem Contest Kleinspender

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 24. April 2017 20:04

Danke Nordstern fürs heraussuchen der Zahlen der russischen Industrie und der Geographie auf der anderen Rheinseite.

Was die Truppenverteilung angeht war es so das Deutschland zu Kriegsbeginn historisch 20% der Truppen im Osten, 80% im Westen hatte, die ostpreußische Infrastruktur war für 40% ausgelegt, man hätte also die Truppen im Osten verdoppeln können und hätte immer noch 60% im Westen gehabt.
Reunion: Königreich Polen
10544

Benutzeravatar
Pastete
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2543
Registriert: 12. Mai 2015 22:15

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 24. April 2017 21:58

Ostfront:
Die "herausgesuchten Zahlen" sind (sorry!) typisches Halbwissen. Die Kohlevorkommen und der Industrieschwerpunkt, von dem du sprichst, ist das Donez-Becken. Vom Frontverlauf bis Waffenstillstand war es immer 800+ km weit entfernt. Selbst Kiev war stattliche 300km entfernt. Als Vergleich: Die infolge des großen Rückzuges maximal aufgegebene Distanz, von Plock westlich von Warschau bis Pinsk betrug 400km. Deutsche Truppen waren dabei nie mehr als 250km von ihrer Grenze entfernt.

Auch sonst stehen eure Spekulationen auf dünnem Eis:
  1. Woraus leitet ihr ab, dass die Russen 1914 die gleichen Niederlagen wie bei Tannenberg erlitten hätte, obwohl die Grundvoraussetzung nicht gegeben wäre, da sie unter dem Eindruck zustande kamen, die Deutschen hätten östlich der Weichsel keine nennenswerten Kräfte mehr?
  2. Wie kommt ihr darauf, dass die Russen genau bei den Dingen, wo die Grundvoraussetzungen nicht nur bestehen geblieben wären, sondern sogar noch stärker gegeben wären, trotzdem Fehler gemacht hätten? Wieso hätten sich die Russen eurer Meinung nach, obwohl sie real genau das getan haben, sich nicht zurückgezogen sondern sich von überlegenen Kräften einfach zerreiben lassen?
  3. Falls wir uns wenigstens da einig sind, dass die Russen unter dem Eindruck der überlegenen feindlichen Kräfte den Rückzug auf den Frontverlauf von 1915 bis 1917 zurückgezogen hätten, wie kommt ihr darauf, dass die doppelte Anzahl deutscher Soldaten aus irgendeinem Grund schneller vorangekommen wären als die vorhandene? Wenn überhaupt, dann marschieren größere Heere langsamer.
  4. Wenn schon bei den real existierenden Heeren bei der Distanz enorme Versorgungsschwierigkeiten aufgetreten sind, wie wollt ihr das Problem bei doppelt so hohen Kräften gelöst sehen?
  5. Wenn wir mal großzügig sind und entgegen aller Logik davon ausgehen, sie hätten 100, 200, oder gar 300km mehr geschafft (sie stünden immer noch vor Kiew), wie würdet ihr die nochmal exponenziell angestiegenen Versorgungsprobleme gelöst sehen? Während bei den Russen, die 1914 genau die gleichen Versorgungsprobleme hatten, diese umso weniger hatten, je näher man dem russischen Heimatland war?
  6. Wie kommt ihr darauf, dass die Alliierten dabei nur zugucken würden und nicht zumindest Waffen und Munition, wenn nicht sogar Truppen liefern würden?

Ich würde es schon mal als gesetzt annehmen, dass mit mehr Kräften zu Beginn keine Zeit gewonnen wäre. Das bis Winter 1915 maximal mögliche wurde auch tatsächlich erreicht, da Gehgeschwindigkeit die größte Beschränkung darstellte.

Und wie sieht es also danach aus?
Real hat es einen Grund, warum von der deutschen materiellen Überlegenheit immer weniger zu spüren war, je weiter man nach Osten kam. Es hat seine Gründe, dass die Mittelmächte auch nach 1915 keinen Durchbruch nach Osten versuchte und auch weiterhin auf die westliche Karte setzten. Real hätte der Vormarsch auf den Frontverlauf von 1915 allenfalls minimal beschleunigt werden können.
Der innere Zusammenbruch des Zarenreiches war ebenfalls ein Prozess, der kaum zu beschleunigen war, genauso wie auch die Kommunisten kaum früher hätten putschen können.
Und für die AchsenVERDAMMTMittelmächte nahmen mit jedem Kilometer die Versorgungsprobleme exponentiell zu. Genauso wie mir völlig schleierhaft ist, wie bei ohnehin schon überforderter Logistik die doppelte Zahl an zu Versorgenden auf einmal eine gute Idee sein sollten. IWST spricht selber davon, dass 1918 der durchschnittliche Soldat noch 53 kg wog, während gleichzeitig Nordstern daran erinnert, dass nach Brest-Litowsk die Deutschen einen guten Teil der fruchtbarsten Erde der Welt kontrollierten. Wenn es den Deutschen nicht mal gelang, ein paar Tonnen Weizen aus der Ukraine zu importieren, wie zur Hölle kommt ihr darauf, dass das mit allerlei Militärgütern, und zwar doppelt so viel, und in kürzerer Zeit, gelingen soll?!

Aber hey, wir nehmen das jetzt einfach mal an, dass diese Probleme durch ein Wunder gelöst wurden oder gar nicht existiert wurden.
Wie kommt ihr darauf, dass Frankreich (und England) dem tatenlos zusehen würden? Zumindest mit Waffen und Munitionslieferungen müsstet ihr rechnen. Sehr wahrscheinlich auch mit Truppen, zumal Russland historisch an die Westfront Expeditionsstreitkräfte geschickt hat und als Reaktion auf die Oktoberrevolution die Alliierten selbst Expeditionsstreitkräfte in Russland anlandeten.
Wenn also die Ostfront der Schwerpunkt der Kampfhandlungen geworden wären, dann hätten die Achsenmächte schon mal damit rechnen können, dort auch französischen und englischen Soldaten zu begegnen.

Überspitzt zusammengefasst sind eure militärischen Überlegungen für die Ostfront: Wie wäre der Krieg ausgegangen, wenn wir mit überlegenen Kräften alles richtig gemacht hätten, der Feind alles falsch gemacht hätte, selbst das, was er historisch nicht falsch gemacht hat? ^^

Westfront:
nordstern hat geschrieben:Die deutsche Armee bestand zu Kriegsbeginn aus 18 Armeekorps sowie drei bayrischen Armee-Korps. Also 21 Korps. Davon standen zwei im Osten. Hätte man statt zwei einfach 6-9 Armeekorps dorthin verlegt, sähe die Lage dort ganz anders aus. Die verbliebenen 12-15 Korps hätten die Vogesen problemlos sperren können.

Der Angriff auf Mulhouse gelang nur, weil Mulhouse in einer Ebene liegt, ein Tal quasi. Selbst wenn die Franzosen die deutsche Armee aus den Vogesen getrieben hätte, stünde als nächstes Hinderniss der Rhein auf dem Plan. Deutsche Artillerieüberlegenheit, flaches Anfahrtsgebiet der französischen Armee sowie der Schwarzwald als Barriere hinter dem Rhein. Das wäre ein französisches Blutbad geworden. Vielleicht hätte Frankreich die Vogesen erobert, vielleicht auch den Rhein.. aber zu einem Blutzoll er Frankreich schwer getroffen hätte. Und spätestens am Schwarzwald wären sie stecken geblieben. Dazu noch kleinere "Festungsberge" wie der Kaiserstuhl um das Rheintal zu überblicken. Ich kann mir einfach nicht vorstellen das die Franzosen selbst mit britischer Hilfe in der Lage gewesen sein sollten eine Brücke über den Rhein zu schlagen angesichts deutscher Artilleriehoheit. Vorallem die schweren deutschen Belagerungsgeschütze hätten die stationären Brückenkopfversuche zerschlagen. Aller spätestens der Schwarzwald hätte sie gebrochen. Gebirgeskette, Artilleriehoheit, eingegrabene deutsche Soldaten und eine flache Ebene auf der anderen Seite. Ich glaube das beste, was dem deutschen Kaiserreich damals hätte passieren können, wäre ein massiver französischer Angriff auf die Vogesen gewesen.


Also die Kräfte in Elsass-Lothringen von 9 Korps auf 15 steigern. Dem gegenüber hätten die Franzosen statt 10 Korps für diese Front 21 gehabt. Was statt einem Verhältnis von 10:9 ein Verhältnis von 7:5 ergibt, allein zu Beginn des Krieges, und mit Mobilisierungen, der Ankunft der britischen Kräfte, etc. wäre alles nochmals deutlich schlimmer geworden.

Das "Tal", von dem du sprichst, ist die Rheinebene, die von Basel bis Rheinland-Pfalz reicht und im Elsass flach wie ein Spiegelei ist. Von der burgundischen Pforte wäre das recht einfach aufzurollen.
Die Franzosen hätten übrigens keinen Grund, in den Schwarzwald zu ziehen, außer vielleicht um Druck zu üben und weitere Fronten zu eröffnen.
Nehmen wir mal an sie würden links des Rheins bleiben und sämtliche linksrheinischen Gebiete kontrollieren:
  • Binnenschifffahrt auf dem Rhein wäre schonmal nicht mehr möglich gewesen.
    Wir erinnern uns: Der Rhein war schon damals mit Abstand die wichtigste Verkehrsader, die meisten wichtigen deutschen Wirtschaftsräume liegen nicht ohne Grund dort.
  • Bahnlinien entlang des Rheins (und es gibt im Südwesten Deutschlands praktisch nur die eine) wären in Schussreichweite. Der Südwesten Deutschlands wäre wirtschaftlich praktisch gelähmt, die einzige alternative Zugroute führt heute wie auch damals durch schweizer Gebiet, die strategische Bahn wiederum war unvollständig und mühselig.
  • Das Saarland mit seinen Kohleminen wäre unter französischer Kontrolle
  • Das Ruhrgebiet in unmittelbarer Reichweite und dazu noch ohnehin praktisch gelähmt, denn wie gesagt, Binnenschifffahrt aufm Rhein gäbs dann nicht.
  • Gleiches gilt für andere ungemein wichtige deutsche Wirtschaftsräume, beispielsweise das ungemein wichtige BASF-Werk in Ludwigshafen.
Und all das allein, und noch ohne den Rhein zu überschreiten, hätte gereicht um Deutschland an den Rand einer Niederlage zu bringen. Die Franzosen wiederum hätten ein Fest gehabt.
Die burgundische Pforte ist in ihre Richtung durch Festungen wie Belfort und Besancon gesichert, den Deutschen war schon 1871 dort kaum ein Durchkommen möglich und der Krieg beschränkte sich daher weitgehend auf den Norden Frankreichs. Die Vogesen wiederum sind im Südosten am steilsten und gleich darauf folgt übergangslos Flachland, daher nach Osten hin am besten verteidigbar (nach Westen hin eben nicht) und gäbe gute Sicht für den Einsatz von Artillerie, sollten die Deutschen versuchen, in der Rheinebene Widerstand leisten zu wollen. In Lothringen wiederum gibt es die Vogesen gar nicht, Frankreich könnte auch hier sicher im Wissen um den Festungsgürtel von Verdun sich sicher fühlen. Auf Deutscher Seite zwischen Saarland und Rhein nur die eine Festung von Bitsch.

Kurzum, die Franzosen könnten in dem Wissen agieren, dass sie selbst im Falle eines deutschen Gegenangriffes sehr sicher wären. Was sie historisch auch waren. In Richtung burgundische Pforte versuchten die Deutschen es gar nicht erst, bei Verdun sind sie gescheitert, und in der Schlacht von Lothringen gelang ihnen zwar die erste Abwehr einer gleich starken französischen Armee, aber sämtliche Gegenangriffe scheiterten. Bei deutlicher französischer Überzahl wäre aber eiskalt Lanchesters Gesetz zum Tragen gekommen.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias

Benutzeravatar
Hjalfnar
Tribunus Laticlavius
Tribunus Laticlavius
Beiträge: 6684
Registriert: 29. März 2012 08:11
Wohnort: Hannover
:
User des Monats AAR-Schreiber Gewinner Userwahl

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Hjalfnar » 24. April 2017 22:52

Also, halten wir mal fest, dass du offenbar denkst, dass französische Soldaten auf magische Art und Weise gegen die Kriegsführung des 1.WK gefeit sind. Erklär mir mal bitte, wie 1. die Franzosen über die mutmaßlich völlig verwüsteten Vogesen 21 Armeekorps versorgen wollten, auf der winzigen Fläche und bei dem Gelände inklusive des für eine Offensive im großen Maßstab zumindest 1914 absolut nicht geeignete französische Versorgungssystem (und ich war da auch einige Male, ist zwar einige Zeit her, aber ich kann mich an die Straßen durch die Berge erinnern...), das Ganze gegen von mir aus auch hinter den Vogesen im flachen Land liegende deutsche Truppen, die 2. über bessere und mehr Artillerie verfügen die sich dort mutmaßlich seit Kriegsbeginn fröhlich eingebuddelt haben?

Der 1.WK ist doch das Paradebeispiel dafür, dass, egal welche Seite, im Westen die Offensiven sich an den Gräben totliefen. Egal welches Gelände. Ich könnte mir vorstellen, dass es die Franzosen über die Vogesen schaffen, unter brutalen Verlusten, denn die deutschen Truppen wären eingegraben, während die Franzosen direkt angreifen. Bis die sich durch die Vogesen gewühlt haben und Truppen in ausreichendem Maße nachgeführt haben, ist die nächste Linie längst bereit. Dann Herbst und Winter...in den Vogesen. Der hat selbst im 2.WK noch beiden Seiten zugesetzt. Und auch im 1.WK, weil keine Seite auf die moderne Gebirgskriegsführung vorbereitet war.

Zur Ostfront, bei 50% mehr deutschen Truppen an der Ostfront wäre es deutlich früher zu Versorgungsproblemen gekommen, sobald man über Polen hinaus vorgerückt wäre, ja. Zu Tannenberg wäre es nicht gekommen, ebenfalls ja. Aber! Die Unfähgikeit der Kommandeure wäre die Gleiche gewesen. Als die Russen schließlich zur Defensive übergingen, schlugen sie sich gegen ungefähr gleich starke deutsche Kräfte ja auch nicht besser! Sie waren artilleristisch völlig unterlegen, sie hatten weniger und schlechtere Geschütze sowie Munition (die deutschen Standardgeschütze feuerten glaube ich ein Drittel weiter), sie hatten weniger Maschinengewehre und ein beschissenes Unteroffizierssystem. Ihre Gräben waren die reinste Katastrophe, wenn man sich die Frontberichte so durchliest. Ich gehe davon aus, dass vielleicht kein Kessel in Polen entstanden wäre, aber alleine die Verluste im direkten Gefecht hätten zumindest bis Ende 1914 wahrscheinlich ähnliche Ausmaße angenommen wie die durch Tannenberg etc. Dazu wäre Österreich-Ungarn der Verlust Galiziens erspart geblieben, mutmaßlich.

Dazu kommt noch, dass sich die deutsche Marine zumindest anfangs keine großen Gedanken darum hätte machen müssen, was die Royal Navy treibt. Was hätte die daran gehindert, in der Ostsee die russische Flotte zu Kleinholz zu verarbeiten und dann gemütlich nach Riga, Helsinki oder gar Petrograd hochzuschippern? Ich erinnere nur an den Aufruhr, den der Beschuss einiger britischer Küstenstädtchen durch ein paar deutsche Kriegsschiffe in Großbritannien auslöste. Man stelle sich vor, die Hochseeflotte hätte Petrograd angegriffen, was hätte sie davon abhalten sollen? Ein Geschwader der deutschen Flotte war fast so stark wie die gesamte französische. Umgekehrt hätte die Hochseeflotte die französischen Häfen sperren können...obwohl das mit absoluter Sicherheit die Briten in den Krieg geholt hätte, die sehen ja den Kanal als ihr Eigentum an.

Im Endeffekt gehe ich davon aus, dass die Franzosen den Rhein nicht hätten erreichen können. Dafür fehlten ihnen die Versorgungslinien durch die Vogesen, die artilleristische Überlegenheit und auch die Taktik. Genau so wie die deutschen Truppen im französischen und britischen MG-Feuer liegen blieben, wäre es umgekehrt gelaufen. Erst recht bei einem verzögerten Eintritt der Briten in den Krieg. Auch durch Belgien wären die Franzosen genau so wenig durchgekommen wie es den deutschen Truppen am Ende gelang. Im Gegensatz dazu hätten die Mittelmächte mit ziemlicher Sicherheit auf Dauer die Russen geschlagen. Deren materiellen, personellen und industriellen Mängel hätten sich durch einen noch stärkeren Feind nicht magisch verringert. Und genau wie sie es in der Realität gemacht haben, hätten die deutschen Pionieren weitere Bahnstrecken angelegt...nur halt noch einige mehr.
"So sleep soundly in your beds tonight...for judgement is coming for you at first light! I'm the hand of god, I'm a dark messiah, I'm the vengeful one!" - Disturbed

Benutzeravatar
Pastete
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2543
Registriert: 12. Mai 2015 22:15

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Pastete » 25. April 2017 00:41

Hjalfnar, die Franzosen haben gezeigt wie man gut vorrücken konnte. Wohlgemerkt war auch nach dem Schlieffenplan geplant, bei den Vogesen einfach nur zu halten. Das hat so recht nicht geklappt, und französische Offensiven wurden nur durch das viel heftigere deutsche Vorrücken aufgehalten.

Bild

Wie gesagt hätte ein Verzicht auf den Schlieffenplan erstens bedeutet, die Franzosen in ihrem Plan XVII gewähren zu lassen. Es hätte keine Entlastung durch eine Offensive weiter nördlich gegeben.
Zweitens hat Nordstern hat uns Zahlen gegeben, mit denen wir arbeiten können. Wir nehmen dabei an, dass Luxemburg und Belgien ganz außen vor bleiben. Statt einem beinahe gleichen Verhältnis von 10:9 hätte das einen Vorteil für die Franzosen von immerhin 40% Überlegenheit bedeutet.
Das heißt, das hier:
Bild
...wäre kaum noch praktikabel gewesen. Das Vorrücken der grauen Pfeile wäre unbeantwortet geblieben.
Wie gesagt war das einzige, was die Franzosen aus Mulhouse vertrieb, die weiter nördlich stattfindende Schlacht in Lothringen. Und das einzige, was sie von weiteren Offensiven hier abhielt, waren die Ereignisse im Norden, durch die jene Front unwichtiger wurde. 1914 war anfangs noch ein Bewegungskrieg im Gange. Frankreich ging offensiv vor und Deutschland wehrte offensiv ab.
Deine Vorstellung, dass sich die deutschen Truppen in den Vogesen eingraben sollten, ist vor allem von der Geographie her unrealistisch. Die Vogesen hätten den französischen Truppen viel Deckung geboten, sie boten auch keine optimalen Bedingungen für den Einsatz von Technik. Es hätte sich klar der mit der Mehrzahl nach Lanchesters Gesetz durchgesetzt. Das waren wie gesagt die Franzosen. Sie waren auch historisch auf bestem Wege, die Vogesen komplett zu besetzen. Und auf eine Gegenoffensive wie historisch in Lothringen wollt ihr ja verzichten.
Die Vogesen hätten aber nicht als Hauptdurchmarschrichtung für die französischen Truppen gedient, es hätte einfach gereicht, sie zu besetzen, um, wie beim Hartmannswillerkopf, sie zur Dominierung des Rheintals einzusetzen. Der effektive Einsatz von Artillerie, auch deutscherseits, setzt voraus, dass man gegnerische Stellungen überblicken kann. Der Vorteil läge dann klar bei den Franzosen.
Aufgerollt hätte man es von Süden her. Und so wurde es versucht.

Nochmal, ich male hier keine Luftgespenster aus. Ich verweise auf den Plan XVII, auf die Tatsache, dass die Franzosen durch eure Prioritierung der Ostfront klar auf ein Überzahlverhältnis gekommen wären, und dass alle Aktionen, die das Reich unternommen hat und dadurch den französischen Plan vereitelt, offensiver Natur waren, aber bei euren Prämissen daher gar nicht möglich.

Deutscherseits gab es an effektiven Festungen nur Metz und Straßburg. Mehr oder weniger dazwischen, und mit großem Abstand, nur Bitsch und Rastatt, südlich davon noch Istein und das sehr veraltete Neu-Breisach. Metz hätte man umzingeln können. Straßburg belagern und einnehmen war wiederum gar nicht nötig. Bitsch hätte nur mit vorgelagerten Festungsanlagen ausgehalten, wenn sich die Deutschen dort also zusätzlich eingebuddelt hätten, aber auch die Festung hätten die Franzosen leicht umgehen können.
Französischerseits war Verdun nicht das einzige aus zahlreichen ineinander übergehenden und verzahnten Festungsanlagen bestehende Bollwerk, sondern von Epinal bis Belfort hatten sie eine Art Vorläufer der Maginotlinie, außerdem noch u.a. Toul.
Sie konnten also stets in der Sicherheit operieren, dass dort eine Umzingelung nicht möglich war und immer ein Rückzug auf diese Stellungen eine Option.

Westlich, nördlich und südlich gab es bis zum Rhein für die Franzosen keine größeren geographischen Hindernisse. Die Ardennen wären sogar als Flankenschutz nützlich gewesen.
Heißt, wenn Deutschland sich eingebuddelt hätte, und wir gehen hier einfach mal vom Optimum aus, dann wäre es nicht umhin gekommen, über kurz oder lang enorme Kräfte dorthin zu investieren.
Jeder französische Durchbruch, und egal wo, hätte hingegen fatal werden können.

Fast unnötig zu erwähnen ist da noch, dass euer Plan eine Art Vorwissen voraussetzt. Jede Seite ging erstmal von einem Bewegungskrieg aus. Keiner rechnete mit den Grabenkämpfen, die folgten.
Und die hatten immer eine Art Anker. Ob es Flüsse waren oder Festungslinien.
Ihr wollt von vornherein eine Art umgekehrte Maginotlinie implementiert sehen. Aber wie gesagt, im Gegensatz zu Frankreich hat Deutschland da praktisch nichts an Vorbereitung gemacht. Von Metz bis Straßburg eine einzige riesige Lücke. Bitsch hätte keiner Belagerung aushalten können, wie sie es 1870/71 tat, Festungen konnten sich nur mit Flankenschutz bewähren.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias

Benutzeravatar
IWST
Princeps Praetorius
Princeps Praetorius
Beiträge: 2525
Registriert: 5. Dezember 2010 20:32
Wohnort: EU, Österreich, Steiermark
:
Teilnahme an einem Contest Kleinspender

Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon IWST » 25. April 2017 01:09

Ostfront:
Ich kenne die Quellen von Nordstern nicht, aber das Donez-Becken gehörte nicht zu den Gebieten das Russland im Frieden von Brest-Litovsk abtreten musste.

Nichtsdestotrotz: Land zu verlieren macht die Industrie und Landwirtschaft eines Staates nicht stärker, sondern schwächer, wie viel schwächer kann man debattieren, aber Fakt ist dass russisch-Polen wirtschaftlich nicht unbedeutend war dort wurden 22,3% der russischen Kohle gefördert, 10% des Eisens, und 74% des Zinks, dazu war die Region Warschau eines der Zentren von Russlands chemischer Industrie. Insgesamt war Polen für 8% der russischen Wirtschaftsleistung verantwortlich Quelle dazu.
Andere wirtschaftlich starke Regionen waren Moskau (vor allem die dortige Textilindustrie....), Sankt Petersburg (1917 in Reichweite deutscher Truppen, vor allem Textil und Metallindustrie) und Cherson (Westukraine), daneben gab es noch das Baltikum (deutsch besetzt), den Rest der Ukraine mit Kiev und dem Donezbecken, Tomsk (Sibirien) und den Ural.
Industriell bedeutend waren vor allem die Region um Moskau, der Donbass und Polen. Kleinere Industriezentren waren Amur, Baku, Chernomorsk (quasi an der Grenze zu Ö-U) und Fergana.

Abgesehen davon kann ich nur nochmals wiederholen, Russland war agrarisch geprägt, und ich weiß nicht wieso die Effektivität der Landwirtschaft und der Verteilung stärker hätte steigen sollen als der Landverlust.

1: Ja, Tannenberg hätte nicht stattgefunden, aber die überlegene deutsche Artillerie hätte und hat auch außerhalb dieser Schlacht für enorme Verluste gesorgt, zum Vergleich: bei Tannenberg verlor Russland zwischen 125 000 Mann, bei Gorlice-Tarnów, als die Mittelmächte Mitte 1915 angriffen 550 000. Zudem wurde dabei ein völliger Durchbruch erzielt, und Russland musste sich weit zurückziehen (das war keine strategische Entscheidung sondern Zwang, vorher brachte man die Deutschen einfach nicht zum Stehen, die Versuche es zu tun kosteten nochmals mehrere hunderttausend Soldaten).
Wenn man sich das mit einem doppelt so starken Deutschland ansieht ist der Zusammenbruch der Armee nur eine Frage der Zeit.

2: Wie gesagt, es wurde selbst nach Gorlice-Tarnów noch versucht, die Deutschen zum Stehen zu bringen, die Russen haben es also sehr wohl versucht, abgesehen davon hatte der Angriff zu Beginn des ersten Weltkrieges in den Generalstäben aller Nationen hohe Priorität, der Österreichische Generalstabschef von Hötzendorf hat sogar einmal mitten im Winter eine Offensive in die Karpaten angeordnet, damals sind mehr Soldaten erfroren oder von Wölfen gefressen worden als im Kampf gefallen.
Und Land im großen Stil aufzugeben funktioniert nur eine gewisse Zeit lang, ein halbes Jahr kann man das machen wenn man so groß ist wie Russland, ein Jahr auch noch, aber irgendwann steht der Feind eben in Polen, Chermnomorsk, dem Baltikum, dem Donbass, und Petrograd und die Hauptstadt zu verlieren ist dann neben dem wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Chaos auch eine Katastrophe für die Legitimität der Regierung und die Siegesgewissheit der Bevölkerung.

3 4 5: Deutschland hatte seine Eisenbahnkapazitäten im Osten nur zur Hälfte genutzt, Österreich zu Kriegsbeginn auch nicht voll, und darüber hinaus hätte man genauso gut die doppelte Anzahl Eisenbahningenieure einsetzten können.

Allgemein habe ich das Gefühl du unterschätzt hier den Anteil den die russische Armee im ersten wie im zweiten Weltkrieg daran hatte dass Deutschland nicht gewonnen hat.
Ja Logistik schränkt ein wie weit man innerhalb einer einzelnen Offensive kommen kann, aber vor der nächsten kann man das eroberte Gebiet ausbauen, was auch gemacht wurde, und dann könnte es weiter gehen wenn kein nennenswerter Feind da ist.
Real war aber bis 1917 ein nennenswerter Feind da, der z.b. als Deutschland nach dem großen Vormarsch 1915 weiter angreifen wollte, die deutschen Truppen aufgehalten hat, das war nicht General Winter, sondern die russische Armee.

Auch im zweiten Weltkrieg waren zwar Logistik und Wintern wichtige Faktoren, aber der Grund dass die Wehrmacht vor Moskau geschlagen wurde, waren weder die Bahngleise noch der Winter, sondern die Tatsache, dass die rote Armee ihr massive Verluste (740 000 Mann, mehr als die Hälfte der Panzer waren Totalverluste oder in der Werksstadt) zugefügt hatte, und dieser Verluste dazu führten dass es kaum noch Divisionen gab die vom Stand der Ausrüstung und Soldaten zu einer Offensive fähig gewesen waren (die Kampfeffektivität der Infatnriedivisionen war auf 65% gesunken, die der Panzer auf 35%). Dieser Truppen begegneten dann den frischen sowjetischen Divisionen aus Sibirien die sie im Kampf schlugen.

6: Von Frankreich einmal durch den Panamakanal und dann noch durch Sibirien ist ein ganz schön weiter Weg. Zudem gab es solche großangelegten Lieferungen wie im zweiten Weltkrieg im ersten allgemein nicht, obwohl es der Entente nicht egal war das Russland 1917 kollabiert ist.

Und du scheinst bei dem Argument mit der Nahrung zu vergessen, dass Getreide ein Jahr braucht um zu wachsen, der Grund für die Unterernährung war NICHT die Logistik, sondern dass im Jahr davor nicht genug geerntet wurde weil man eben Galizien und eine ganze Menge Bauernsöhne verloren hatte.


Westfront:
Ich glaube wir kommen da auf keinen grünen Zweig mehr.
Ich mag zwar nicht in den Vogesen aufgewachsen sein, aber als Geschichtsstudent der einen Schwerpunkt auf Militärgeschichte gelegt hat bin ich der festen Überzeugung dass im ersten Weltkrieg der Verteidiger einen enormen Vorteil genoss, ohne artilleriestische Überlegenheit oder Panzer war ein Grabensystem kaum zu überwinden, und zwar an jeder Front auf jedem Terrain.


Ich gehe aber noch kurz auf einige Punkte ein:

Lanchesters Gesetz ist da schlicht nicht anwendbar, sein lineares ist wunderbar für die Phalanxgefechte der griechischen Antike, kaum entwarfen die Römer ein "Anti-Phalanx-System" warfen sie es über den Haufen, sein quadratisches ist halbwegs brauchbar für die Liniengefechte des 18ten und 19ten Jahrhunderts, und kann manchmal einen Näherungswert geben wenn zwei Armeen direkt aufeinander zu marschieren, für die meisten Computerspiele ist es (abgesehen vom Schere-Stein-Papier Prinzip bei vielen) hervorragend anwendbar.
Aber auf einen Grabenkrieg bei dem eine Seite verteidigt und die andere angreift ist es mit Erfindung des MG und vor Erfindung des Panzers nicht anwendbar.
Auch ganz allgemein wurde Lanchesters Gesetz in zahlreichen empirischen Studien als extrem vereinfachend klassifiziert, reale Ergebnisse weichen oft meilenweit davon ab.


Ein Verhältnis von 7:5 war im ersten Weltkrieg viel zu wenig für eine erfolgreiche Offensive wenn man nicht gerade gegen Italiener kämpfte. Mindestens 5:1 wurde als die nötige Zahl angesehen. An einer langen Front konnte man so eine lokale Überlegenheit auch durchaus erreichen, nur irgendwann trafen die Reserven ein und man blieb liegen, und bei einer kurzen Front wäre das entsprechend schneller passiert.

Ach ja, bei der realen Schlacht in Lothringen waren die Franzosen 8,5:5 überlegen und haben dennoch verloren (das war kein Rückzug wegen der anderen Flanke sondern eine Niederlage)....


Kurz noch zu Hjalfnar und dem Seekrieg:
Wenn die Gefahr bestanden hätte dadurch die Briten in den Krieg zu holen hätte die Hochseeflotte die französischen Häfen eher nicht blockiert, die Blockade wäre dann nämlich von der Royal Navy zerschlagen worden.
Damit war aufgrund logistischer und geographischer Gegebenheiten eine Totalblockade Frankreichs wie Großbritannien sie in der Realität gegen Deutschland durchführte nicht möglich gewesen.
Probleme hätte man dem französischen Überseehandel und der Heranführung von Truppen aus den Kolonien aber allemal gemacht.

Im Baltikum gab es russische Küstenforts, Mienen und Torpedoboote, ganz so schnell wäre es mit dem Beschuss Petrograds nichts geworden. Mangels britischer Bedrohung hätten sich da aber die eigenen Küsteneinheiten vorarbeiten können, hätte halt eine Zeit gedauert.


Edit:
Allgemein muss ich mal kurz zur Klarstellung sagen: Auch wenn ich mit dir nicht übereinstimme Pastete, die Diskussion hier hat mich dazu gebracht mich mit einigen interessanten Dingen zu beschäftigen, danke dafür.
Reunion: Königreich Polen
10544