Der Erste Weltkrieg

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stula » 26. Juli 2020 12:20

KirKanos hat geschrieben:Es war sicher kein Vertrag der wirklich dafür konzipiert war, in der Praxis umgesetzt zu werden. Bei allem Geschick Bismarcks, irgendwann hätte auch er zwischen Wien und Moskau wählen müssen.

St. Petersburg :strategie_zone_70: . Die Belastbarkeit des Rücksicherungsvertrages wusste sicherlich auch Bismarck realistisch einzuordnen. Politisch wäre - laut meiner Einschätzung - der Druck so groß geworden, dass sich Bismarck für die Wiener Seite entscheiden hätte müssen. Allerdings sollten wir uns nicht so sehr auf Bismarck versteifen, da wir sonst ein wenig von der Thematik des Threads abkommen.
Vielmehr müssen wir uns dem Name Holstein zuwenden, unter dessen maßgeblicher Mitwirkung die Demontage des Bismarck'schen Bündnissystems stattfand.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 2. September 2020 19:47

Stula hat geschrieben:
KirKanos hat geschrieben:Es war sicher kein Vertrag der wirklich dafür konzipiert war, in der Praxis umgesetzt zu werden. Bei allem Geschick Bismarcks, irgendwann hätte auch er zwischen Wien und Moskau wählen müssen.

St. Petersburg :strategie_zone_70: . Die Belastbarkeit des Rücksicherungsvertrages wusste sicherlich auch Bismarck realistisch einzuordnen. Politisch wäre - laut meiner Einschätzung - der Druck so groß geworden, dass sich Bismarck für die Wiener Seite entscheiden hätte müssen. Allerdings sollten wir uns nicht so sehr auf Bismarck versteifen, da wir sonst ein wenig von der Thematik des Threads abkommen.
Vielmehr müssen wir uns dem Name Holstein zuwenden, unter dessen maßgeblicher Mitwirkung die Demontage des Bismarck'schen Bündnissystems stattfand.


Den Rückversicherungsvertrag würde ich eher als ein sehr wirksames Mittel der Diplomatie im Frieden sehen, als für den Kriegsfall.
Dazu ein Gedankenspiel:
Man nehme an, Wien wäre mit St. Petersburg in Sachen Balkan ernstlich aneinander geraten und hätte versucht mit Verweis auf den Zweibundvertrag versucht politischen Druck auzuüben. Welche Reaktionen hätte es wohl hervorgerufen, hätte man von russischer Seite als Reaktion darauf den Rückversicherungsvertrag demonstrativ auf den Tisch geknallt.
Ich denke, dass hätte bei der gesammten außenpolitischen Sektion in Wien erstmal Schnappatmung und ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit des deutschen Vertragspartners ausgelöst.

Insofern würde ich den Rückversicherungsvertrag weniger als ein Mittel betrachten aktiv Kriege zu verhindern, als viel mehr ein diplomatisches Unterpfand Bismarcks an Petersburg, dass jederzeit zum Zweck der Schädigung deutsch-österreichisch-ungarischen Zusammenarbeit eingesetzt werden konnte, sollte man von russischer Seite zu dem Schluss kommen, dass diese sich allzu sehr gegen die eigenen Interessen richtete.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 5. September 2020 03:18

Es hätte aber auch dazu führen können, das Wien es sich zweimal überlegt ob sie einen Krieg gegen Russland beginnen wollen, wenn sie nicht zuverlässig wissen wie Berlin darauf reagiert. Hätte die Sitution sicherlich deeskaliert. Wien war ja nur auf Krieg aus, weil sie damit rechneten das berlin ihnen den A*** rettet. Alleine wären sie NIEMALS gegen Serbien gezogen in dem Wissen das Russland eingreifen wird. Wenn Russland angegriffen hätte, hätte sich nichts geändert. Aber dazu bestand damals kein Anlass... noch...

Umgekehrt stellt sich die Frage, wieso Berlin so dumm war hier auf Seiten Wiens blind einzugreifen. Berlin muss gewusst haben das Russland die damals größte Armee hatte die zudem gut Ausgerüstet und Versorgt war. Und Berlin musste wissen das Frankreich die Gunst der Stunde ausnutzen würde. Also ungeachtet Englands, wäre klar gewesen das Deutschland mindestens einen zweifrontenkrieg würde führen müssen. Und das ohne sich diplomatisch nach England und Italien abgesichert zu haben. Während man bei ersterem noch sagen kann, das ist Machbar, hätte man letzteres klar berücksichtigen müssen.

Denn sein wir Ehrlich... England musste in den Krieg eingreifen. Es hatte keine andere Wahl. England wusste der Gewinner des Krieges Europa dominieren würde. England war ein Handelsimperium das ohne Europas Absatzmarkt nicht existieren kann. England wusste auch das wenn sie neutral bleiben, der Sieger nicht so gut auf England zu sprechen sein wird. Und auch zur Frage auf welcher Seite England eintritt hätte sich Berlin keine Illusionen machen brauchen. Freundschaftliche Beziehungen hin oder her. England hat seit seinem Aufstieg noch NIE einen Krieg im großen Stil geführt das ihnen keinen wirtschaftlichen Erfolg bei minimalem Risiko garantiert. Napoleon wurde nicht bekämpft weil er ein Kaiser war oder wegen seiner Werte. Sondern weil England fürchtete Festlandeuropa als Handelsabnehmer zu verlieren, was ja durch die Blockade auch passierte. Zudem hat England mehrmals Dänemark angegriffen um zu verhindern das deren Flotte in feindliche Hände fällt und damit ihr Handelsimperium bedroht werden kann. Kurzum: England hat alle politischen Entscheidungen mindestens seit 1800 vom Handelsnutzen abhängig gemacht, außer sie waren durch Bündnisse gezwungen.

Damit stand England vor der Wahl:
1. Sie schließen sich Russland an und riskieren im Falle einer Niederlage keine Auswirkungen auf ihr Handelsimperium, da die Flotte und die Kolonien halbwegs sicher sind selbst wenn der Pakt gewinnt. Was unwahrscheinlich ist, da England sicher wusste das Deutschland ohne Importe nicht Krieg führen kann. Die Blockade also mittelfristig Deutschland brechen wird. Sie wussten also egal was passiert im Bodenkrieg, Deutschland wird aushungern. Wenn Deutschland dennoch gewinnt, sind die Folgen vergleichsweise hamlos bzw. vergleichbar mit einer neutralen Position. Zudem war nicht absehbar das Deutschland sich gegen Frankreich und Russland würde behaupten können.

2. Sie schließen sich Deutschland an aufgrund freundlicher Beziehungen das einen Zweifrontenkrieg führen muss. Dann müssten sie ihre Truppen in Frankreich amphibisch landen, haben die russische und französische Flotte gegen sich die zusammen stärker war als die englische und deutsche. Und sie würden gegen Frankreich in den Kolonien Krieg führen müssen und eine Invasion Indiens durch Russland fürchten. Bei einer Niederlage würde hier England gefahr laufen Indien und/oder viele Kolonien in Afrika zu verlieren und damit ihr Handelsimperium.

3. Sie bleiben neutral und riskieren Handelseinbußen mit dem Sieger und Verlierer des Krieges und ggf. eine neutral oder feindlich gesinnte Koalition der Siegermächte.

Fazit: Es war klar das England eingreifen wird und es war auch absehbar das dies zulasten des Paktes gehen wird. Das hat sich in Berlin nur niemand überlegt gehabt. Die Überlegung hätte aber denke ich viel Verändern können am Verhalten Deutschlands.
Nur als Beispiel:
Nichtangriffspakt mit Frankreich, dafür bekommt Frankreich in x Jahren schrittweise die 1871 verlorenen Gebiete zurück. Im Gegenzug lässt Frankreich Deutschland im Osten freie Hand. Eventuell auch mit weiteren Verträgen beim Handel oder Belgien, die italienischen Kolonien, etc. Damit wäre der Streitpunkt aus dem Weg und die Beziehungen könnten sich normalisieren. Aber auf jeden Fall wäre Frankreich neutral. Ohne Frankreich wäre auch England neutral geblieben oder gar auf deutscher Seite eingetreten. Und Frankreich hätte gewusst, wenn sie den Vertrag brechen, würde England angreifen bzw. sie würden gegen England stehen und Italien wäre auch nicht begeistert gewesen. Auf jeden Fall wäre der Krieg anders verlaufen.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Sir Heinrich » 5. September 2020 10:39

nordstern hat geschrieben:Dann müssten sie ihre Truppen in Frankreich amphibisch landen, haben die russische und französische Flotte gegen sich die zusammen stärker war als die englische und deutsche.


Du scheinst entweder die Russische und Französische flotte Massiv zu überschätzen oder die Deutsche und die Britische Flotte massiv zu unterschschätzen. Die Britische flotte war alleine viel Stärker als die Französische und Russische flotte hier war der Two-Power-Standard erreicht. Sogar die Deutsche Flotte hätte wohl im Alleingang die Franzosen und die Russen besiegen können (Vorallem weil die Russen nicht aus der Ostsee Rauskommen). Die Deutsche Flotte war nach dem Wettrüsten die 2. Größte der Welt. Zusammen hätte GB und das Deutsche Reich die Weltmeere Beherrscht. Doch gelang es ihnen ja nicht Ihre Differenzen beizulegen.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Cingan » 5. September 2020 13:58

Sir Heinrich hat geschrieben:Die Deutsche Flotte war nach dem Wettrüsten die 2. Größte der Welt. Zusammen hätte GB und das Deutsche Reich die Weltmeere Beherrscht. Doch gelang es ihnen ja nicht Ihre Differenzen beizulegen.


Die Skagerrakschlacht war dann auch der Anfang vom Ende für die Deutsche Marine.
Eine Materialschlacht auf dem Wasser. Taktischer Sieg ja, Strategisch nein. Die Seeblockade konnte GB weiter durchsetzen.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon KirKanos » 6. September 2020 18:00

Sir Heinrich hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:Dann müssten sie ihre Truppen in Frankreich amphibisch landen, haben die russische und französische Flotte gegen sich die zusammen stärker war als die englische und deutsche.


Du scheinst entweder die Russische und Französische flotte Massiv zu überschätzen oder die Deutsche und die Britische Flotte massiv zu unterschschätzen. Die Britische flotte war alleine viel Stärker als die Französische und Russische flotte hier war der Two-Power-Standard erreicht. Sogar die Deutsche Flotte hätte wohl im Alleingang die Franzosen und die Russen besiegen können (Vorallem weil die Russen nicht aus der Ostsee Rauskommen). Die Deutsche Flotte war nach dem Wettrüsten die 2. Größte der Welt. Zusammen hätte GB und das Deutsche Reich die Weltmeere Beherrscht. Doch gelang es ihnen ja nicht Ihre Differenzen beizulegen.


Es ist schwer ein Ranking aufzumachen. Selbst die britisch Marine, die damals wie heute am Vorarbend des 1. WK. als die Nummer 1 angesehen wurde, konnte sich im offenen Seegefecht nicht gegen die weitaus kleinere deutsche Marine durchsetzen. Im Gegenteil, man musste große Verluste hinnehmen, dass sich der Status quo nicht änderte, lag an der Position der Allierten und dem Vorsprung an Schiffen. Nüchtern betrachtet, war die Skagerrakschlacht ein Beispiel dafür, dass es immer noch auf die Führung, Technik und Ausbildung der Marine ankam.

Es stellt sich die Frage: Nach was rankt man? Nach den Brutto Register Tonnen der Seestreitkräfte? Nach der Lage und Verfügbarkeit von Marinestützpunkten? Nach der Technik? Nach dem Vorhandensein modernster Schiffe?

Die französische Marine war nicht zu unterschätzen, zumal sie die bessere Lage hatte. Ich würde mich schwer tun, hier so ein klares Ranking zu vertreten. Genausogut könnte man Japan auf Platz zwei sehen, denn Ihre Flotte hat in der Praxis ihre Schlagkraft bewiesen. Schwer zu sagen.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 7. September 2020 01:11

nordstern hat geschrieben:Es hätte aber auch dazu führen können, das Wien es sich zweimal überlegt ob sie einen Krieg gegen Russland beginnen wollen, wenn sie nicht zuverlässig wissen wie Berlin darauf reagiert. Hätte die Sitution sicherlich deeskaliert. Wien war ja nur auf Krieg aus, weil sie damit rechneten das berlin ihnen den A*** rettet. Alleine wären sie NIEMALS gegen Serbien gezogen in dem Wissen das Russland eingreifen wird. Wenn Russland angegriffen hätte, hätte sich nichts geändert. Aber dazu bestand damals kein Anlass... noch...


Nicht nur den Fall eines konkreten Angriffs. Wenn, in Bismarckscher Zeit durch die Offenlegung des Rückversicherungsvertrages Wien mit der Tatsache konfrontiert worden wäre, dass man Deutschland nicht als verlässlichen Partner in Sachen einer offensiven Balkanpolitik betrachten und auch nicht den Zweibundvertrag als Bluff gegen Petersburg ausspielen konnte, hätte das durchaus dazu führen können
dass man sich von österreichischer Seite die Bindung an Deutschland mit Fokus auf den Balkan noch einemal überlegt hätte.
So lange Russland noch nicht an Frankreich gebunden und außenpolitisch ohnehin auch noch mit seiner Machtausweitung in Asien zu gange war, hätte es aus österrischischer Sicht sicherlich auch einer gewissen logik nicht wiedersprochen sich mit Frankreich zu verbünden und zu versuchen die eigene verlorene Position in Norditalien und Süddeutschland wieder herzustellen.

Eine drückende industrielle und demographische Überlegenheit des Kaiserreiches gegenüber Frankreich gab es in den 1880er Jahren noch nicht in der Form, wie das im ersten Weltkrieg vorlag und sowohl Frankreich, als auch Österreich hatten sowohl gegenüber Italien, territoriale Streitigkeiten, als sicherlich auch unterschwellige Interessen daran die bismarcksche Reichseinigung rückgängig zu machen, um die eigene Position wieder herzustellen.
Bismarck konnte seinerzeit mit der Allianz und der augenscheinlichen Unterstützung einer österreichischen Balkanpolitik (so wirkte Berlin ja auch anno 1878, als es gegen die Machtausweitung Russland auf osten des osmanischen Reiches intervenierte) demgegenüber eine Alternative aufbieten. Wie man sich in Wien allerdings entschieden hätte, hätte man gewust, dass Bismarck dieser Perspektive durch den Rückversicherungsvertrag weitgehend die Perspektive entzogen hätte, ist eine andere Frage.

Ich würde das gar nicht so sehr kurzfristig, auf den ersten Weltkrieg fixiert betrachten wollen, sondern den Rückversicherungsvertrag eher als einen diplomatischen Schlüssel zur Sprengung der Zentralmächte als Machtblock betrachten und der wiederrum, hätte, perspektivisch, wie ich das sehe, eine hochinteressante Option für andere Abläufe darstellen können, denn wäre nicht Österreich, das mindestens im Hinblick auf Italien sehr ähnliche Interessen hatte, wie Frankreich, was den Schutz des eigenen Territorialbestands angeht, durch die Bindung an Deutschland für ein französisches Gegenbündnis blockiert gewesen, hätte man sich seitens Frankreich nicht an Petersburg wenden müssen, was für beide zukünftigen Partner, im Hinblick auf die jeweiligen eigenen politischen Traditionen (3. Republik, vs. zaristische Autokratie) einiges an weltanschaulichen Zugeständnissen abverlangte.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 7. September 2020 01:25

Sir Heinrich hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:Dann müssten sie ihre Truppen in Frankreich amphibisch landen, haben die russische und französische Flotte gegen sich die zusammen stärker war als die englische und deutsche.


Du scheinst entweder die Russische und Französische flotte Massiv zu überschätzen oder die Deutsche und die Britische Flotte massiv zu unterschschätzen. Die Britische flotte war alleine viel Stärker als die Französische und Russische flotte hier war der Two-Power-Standard erreicht. Sogar die Deutsche Flotte hätte wohl im Alleingang die Franzosen und die Russen besiegen können (Vorallem weil die Russen nicht aus der Ostsee Rauskommen). Die Deutsche Flotte war nach dem Wettrüsten die 2. Größte der Welt. Zusammen hätte GB und das Deutsche Reich die Weltmeere Beherrscht. Doch gelang es ihnen ja nicht Ihre Differenzen beizulegen.

Die französische Flotte ist im hinblick auf den ersten Weltkrieg nicht zu unterschätzen. Russland ist sicherlich allein durch die erst langsam wieder anrollende Aufrüstugn nach den Verlusten von 1904/1905 eher zu vernachlässigen.
Frankreich hatte nicht viele Schlachtschiffe, aber die schnellen Kreuzer auf die Paris setzte waren für einen modernen Handelskrieg wesentlich geeigneter als die Flottenkonzeption im besonderen des DR mit dem Schwerpunkt auf schwerfällige Schlachtschiffe.
Im Hinblick auf die Stützpunkte und die Brennsoffversorgung war die deutsche Flotte im wesentlichen auf Nord- und Ostsee eingeschränkt, was neben dem Mangel an kolonialen Stützpunkten auch dem großen Verbauch der schweren Pötte und ihrer geringen Geschwindigkeit zuzuschreiben ist.

Kommt noch die Torpedowaffe oden drauf, die spätestes mit der Schlacht in der Straße von Tsuschima während der russisch-japanischen Auseinandersetzung die Anfälligkeit, gerade von schweren, langsamen, unter der Wasserlinie nicht hinreichend gepanzerten Schlachtschiffen gegenüber Tauch- und Schnellbooten, so wie leichten, wendigen Kreuzern, offenbar werden ließ.
Die Deutsche Flotte war ihrer Konzeption nach, genau für ein Szenario zu gebrauchen, für eine großangelegte Entscheidungsschlacht in der Nord- oder Ostsee, außerhalb der direkten Küstengewässer und damit außerhalb der unmittelbaren Reichweite der Torpedowaffe im größeren Stil.
Für alles andere, war sie völlig fehlkonzipiert.
Frankreichs Flotte hatte nicht so viel Feuerkraft, brauchte sie aber auch nicht um die eigenen Gewässer zu verteidigen, denn die zu bedrohen hätte vorrausgesetzt, dass die Deutschen ihre schwerfälligen dicken Pötte in die Reichweite französischer Torpedoboote begeben hätte, jedenfalls bei längerem Operieren.
Demgegenüber konnte die französische Flotte im Rahmen eines Handelskrieges und einer Fernblockade wesentlich effektiver und flexibler aggieren.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Il Principe » 7. September 2020 18:52

nordstern hat geschrieben:Fazit: Es war klar das England eingreifen wird und es war auch absehbar das dies zulasten des Paktes gehen wird. Das hat sich in Berlin nur niemand überlegt gehabt. Die Überlegung hätte aber denke ich viel Verändern können am Verhalten Deutschlands.
Nur als Beispiel:
Nichtangriffspakt mit Frankreich, dafür bekommt Frankreich in x Jahren schrittweise die 1871 verlorenen Gebiete zurück. Im Gegenzug lässt Frankreich Deutschland im Osten freie Hand. Eventuell auch mit weiteren Verträgen beim Handel oder Belgien, die italienischen Kolonien, etc. Damit wäre der Streitpunkt aus dem Weg und die Beziehungen könnten sich normalisieren. Aber auf jeden Fall wäre Frankreich neutral. Ohne Frankreich wäre auch England neutral geblieben oder gar auf deutscher Seite eingetreten. Und Frankreich hätte gewusst, wenn sie den Vertrag brechen, würde England angreifen bzw. sie würden gegen England stehen und Italien wäre auch nicht begeistert gewesen. Auf jeden Fall wäre der Krieg anders verlaufen.


Glaubst du wirklich, weder die Reichsregierung noch die Herresleitung hat nicht mit solch einem wortst-case Szenario gerechnet bzw. Überlegungen dazu angestellt?? Bei aller berechtigten Kritik an der damaligen Diplomatie finde ich es ein starkes Stück, den Akteuren und Entscheidungsträgern eine solche Naivität zu unterstellen. Für wahrscheinlicher halte ich, dass man den Eintritt Englands billigend in Kauf genommen hat, eben aus dem Grund, da man von einem relativ kurzen Krieg (max. 1-2 Jahre) ausging. In einem solchen Fall hätte die Industriemacht und die Seehoheit England bzw. die Blockade nicht die Auswirkungen gehabt, die sie letztendlich hatte.

Dein Beispiel halte ich für vollkommen unrealistisch. Deine Überlegungen für England stützt du auf militärische/wirtschaftliche Überlegungen und potenzielle Nachkriegsszenarien (ob man denen zustimmen will oder nicht, sei an dieser Stelle mal dahingestellt), aber für Frankreich stellst du sie nicht an?? Wieso soll Frankreich ohne jegliche Notwendigkeit und für einen zweifelhaften Nutzen das Bündnis mit Russland lösen und Deutschland im Osten freie Hand lassen? Frankreich war doch in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Nicht von ungefähr fühlte sich das Deutsche Reich (und nicht Frankreich) eingekreist bzw. von Feinden umgehen. Wieso für Elsass-Lothringen und ein paar zusätzliche Kolonien eine kontinentale Hegemonie Deutschlands und Stärkung Ö-U riskieren? Selbst ohne großartige territoriale Veränderungen wäre man ohne das Bündnis mit Russland zukünftig in einer militärisch deutlich schlechteren Ausgangslage.
Außerdem vernachlässigt dein Beispiel vollkommen die innenpolitischen Konsequenzen/Voraussetzungen. Eine Rückgabe Elsass-Lothringens wäre in der national aufgeheizten Stimmung innerhalb der deutschen Presse/Bevölkerung sicherlich für jede Reichsregierung politischer Selbstmord gewesen.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 8. September 2020 01:47

Il Principe hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:Fazit: Es war klar das England eingreifen wird und es war auch absehbar das dies zulasten des Paktes gehen wird. Das hat sich in Berlin nur niemand überlegt gehabt. Die Überlegung hätte aber denke ich viel Verändern können am Verhalten Deutschlands.
Nur als Beispiel:
Nichtangriffspakt mit Frankreich, dafür bekommt Frankreich in x Jahren schrittweise die 1871 verlorenen Gebiete zurück. Im Gegenzug lässt Frankreich Deutschland im Osten freie Hand. Eventuell auch mit weiteren Verträgen beim Handel oder Belgien, die italienischen Kolonien, etc. Damit wäre der Streitpunkt aus dem Weg und die Beziehungen könnten sich normalisieren. Aber auf jeden Fall wäre Frankreich neutral. Ohne Frankreich wäre auch England neutral geblieben oder gar auf deutscher Seite eingetreten. Und Frankreich hätte gewusst, wenn sie den Vertrag brechen, würde England angreifen bzw. sie würden gegen England stehen und Italien wäre auch nicht begeistert gewesen. Auf jeden Fall wäre der Krieg anders verlaufen.


Außerdem vernachlässigt dein Beispiel vollkommen die innenpolitischen Konsequenzen/Voraussetzungen. Eine Rückgabe Elsass-Lothringens wäre in der national aufgeheizten Stimmung innerhalb der deutschen Presse/Bevölkerung sicherlich für jede Reichsregierung politischer Selbstmord gewesen.

Nicht nur das. Es vernachlässigt auch die wirtschaftliche Bedeutung Elsass-Lothringens für das Reich und die Gründe, warum das Gebiet 1871 überhaupt annektiert wurde.
Die Minette-Erze in Lothringen machten immerhin an die 80% der deutschen Eisenerzproduktion aus. Deren Abtretung hätte Deutschlands Montanindustrie schlagartig in die Abhängigkeit wesentlich größerer Importmengen gebracht und auch künftige, eventuelle rüstungstechnische Anstrengungen nicht eben erleichtert.
Ließt man sich in Bismarcks Korrespondenzen aus der Zeit des Krieges von 1870-1871 ein, wird dabei auch klar, dass man seinerzeit die Annexion von Elsass und Lothringen weniger aus nationalistischen Motiven forcierte, als viel mehr vor dem Hintergrund Wehrtechnischer Überlegungen.
Die Annexion brachte in dieser Hinsicht die Festungen Metz und Straßburg, als größere Stützpunkte auf dem anderen Rheinufer, so wie die Vogesen als logistisch nicht einfach zu bewältigende, dem Rhein vorgelagerte zweite Abwehr- Verzögerungslinie.

Das abzutreten, hätte bedeutet, dass am Oberrhein im Kriegfall kaum Möglichkeiten eines offensiven Aggierens gehabt hätte, denn selbst wenn man es über den Rhein geschafft hätte, hätte man noch über die Vogesen gemusst und Straßburg im Rücken gehabt, oder sich eben an der Festung erstmal festgebissen und mit dem Rhein im Rücken und den Vogesen vor sich, sprich im manöver eingeschränkt und mit schlechten Versorgungslinien (gemessen am Eisenbahnzeitalter), wie auf dem Präsentierteller gesessen.
im Norden wiederrum hätte man auf dem linken Rheinufer, blockiert durch Metz auch erst einmal nicht viel machen können.
Da hätte man zum einen die gesammte Wehrwirtschaft umkrempeln müssen, zum anderen, warum sollte das zwangsläufig dazu führen Frankreich zu mäßigen, wie @nordstern sich das vorstellt? Man könnte genau so argumentieren, dass Frankreich durch die damit verbundene deutliche militärische Stärkung geradezu dazu eingeladen worden wäre die Anstrengungen zur Wiederherstellung der vorbismarckschen Hegemonie in Europa noch stärker zu betreiben.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon KirKanos » 8. September 2020 06:20

Il Principe hat geschrieben:Glaubst du wirklich, weder die Reichsregierung noch die Herresleitung hat nicht mit solch einem wortst-case Szenario gerechnet bzw. Überlegungen dazu angestellt?? Bei aller berechtigten Kritik an der damaligen Diplomatie finde ich es ein starkes Stück, den Akteuren und Entscheidungsträgern eine solche Naivität zu unterstellen. Für wahrscheinlicher halte ich, dass man den Eintritt Englands billigend in Kauf genommen hat, eben aus dem Grund, da man von einem relativ kurzen Krieg (max. 1-2 Jahre) ausging.


Es gab eine zaghafte diplomatische Initiative aus Berlin, die in London auslootete ob England neutral bliebe, wenn Berlin Belgiens Neutralität respektieren würde (Sprich den Schliefenplan fallen ließe). Aber Britannien wollte sich nicht festlegen und die Militärs und nicht die Diplomaten diktierten in Berlin den Fortgang der Dinge.In der Nachschau muss man sagen, leider. Die Militärs übernahmen ein Land, fuhren es gegen die Wand und kurz vorm Zusammenbruch gaben Sie die Verantwortung ab. Um sich dann zu echauffieren das die Politik zu einem unvorteilhaften Frieden genötigt wurde.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon nordstern » 28. September 2020 13:58

Jo, die Diplomaten hatten damals nicht soviel zu sagen. Weder in Frankreich das von dem Gedanken an Rache für 1870/71 getrieben wurde und die Chance witterte, noch in Russland das einen Krieg gegen das deutsche Kaiserreich UND Österreich-Ungarn riskierte. Noch Österreich-Ungarn, das wusste das sie ohne das Kaiserreich niemals gegen Russland bestehen könnte und das Kaiserreich natürlich selbst, in dem damals die Kriegsgeilen Offiziere das Sagen hatten. Selbst in England reagierte nicht die Diplomatie sondern die Zweckmäßigkeit des gringsten Risikos für die Kolonien und die Flotte. Wenn England nach Diplomatie entschieden hätte und nach Beziehungen, wäre es auf deutscher Seite eingetreten. Aber England entschied zugunsten des Geldes.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 28. September 2020 15:09

nordstern hat geschrieben:Jo, die Diplomaten hatten damals nicht soviel zu sagen. Weder in Frankreich das von dem Gedanken an Rache für 1870/71 getrieben wurde und die Chance witterte, noch in Russland das einen Krieg gegen das deutsche Kaiserreich UND Österreich-Ungarn riskierte.


Das ist in dieser Form Quatsch. Ist ja nicht so, dass das die erste Krise gewesen wäre, die dann direkt zum Krieg führte, sondern die Bosnische Annexionskrise, diverse Streitigkeiten hinsichtlich Kolonien und der Balkankriege 1 und 2 bekam man ja mit diplomatischen Mitteln auch in den Griff.

Frankreich ist in seinem außenpolitischen Aggieren nicht auf 1870/1871 monocausal zu reduzieren, sondern da spielt dann auch Bismarcks Auskreisungspolitik und das Festhalten der Wilhelminischen Diplomatie an den Bündnissen mit Österreich-Ungarn und Italien eine Rolle.
Wenn St. Petersburg sich für Krieg entschied, konnte Paris dem eine Absage erteilen, aber nur zu dem Preis damit sein eigenes Bündnissystem abzuwracken und sich gegenüber einem zentraleuropäischen Machtblock bestehend aus dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und dem Kgr. Italien erneut zu isolieren und zwar länger, denn das hätte einerseits in Russland verständlicher Weise Verstimmung ausgelöst, zweitens wäre Russland, selbst wenn es gewollt hätte dann längerfristig überhaupt nicht in der Lage gewesen Frankreich beizustehen, denn einen Krieg allein gegen die Zentralmächte hätte es ziemlich schnell krachend verloren, noch wäre man in Russland anschließend besonders begesitert davon gewesen, sich für französische Interessen verwenden zu sollen, während Frankreich aber die eigene Balkanpolitik nicht stützt.
Das hätte kein französischer Politiker jemals geatn, weil sich Frankreich damit außenpolitisch möglicherweise auf Jahrzehnte einer Dominanz durch die Zentralmächte ausgeliedert hätte.

nordstern hat geschrieben:Noch Österreich-Ungarn, das wusste das sie ohne das Kaiserreich niemals gegen Russland bestehen könnte und das Kaiserreich natürlich selbst, in dem damals die Kriegsgeilen Offiziere das Sagen hatten.

Österriech-Ungarn hätte ohne Deutschland keine Politik gegen das Zarenreich machen können, das ist richtig. Es hätte aber durchaus die Möglichkeit gehabt, sich vom DR zu lösen und zusammen mit Frankreich Politik gegen Deutschland und Italien zu machen, da gab es durchaus Interessenüberschneidungen. Beide hatten einen stellenweise umstrittenen Grenzverlauf gegen Italien und ein gewisses Misstrauen gegenüber der zunehmenden wirtschaftliche Dominanz des DR auf dem Kontinent.
Bei Frankreich ist das offensichtlich, bei Österreich-Ungarn wird es offensichtlich, wenn man sich den Austausch um die angedachten territorialen Veränderungen während des ersten Weltkrieges anschaut, aus denen ziemlich klar hervor geht, wie besorgt man seitens Wien über ein drohnendes massives Übergewicht Deutschlands war, weswegen man nachdrücklich auf einem an Österreich, nicht an Deutschland angelehntem Polen bestand.

Welche Kriegsgeilen Offiziere hatten denn im Kaiserreich so das Sagen?

Oder fragen wir mal anders:

Wenn im deutschen Reich kriegsgeile Offiziere das Sagen gehabt hätten, warum ließen sie sich dann bis 1914 Zeit mit dem Krieg? 1905 und in den Folgejahren, wäre die Gelegenheit viel günstiger gewesen.

Russland hatte gerade den Krieg von 1904/1905 gegen Japan verloren, seine halbe Flotte lag auf dem Grund der Straße von Tsushima die Truppen waren angeschlagen, die Munition zu großen Teilen verschossen, die Finanzen waren zunächst mal, auf Deutsch gesagt im Eimer, in Petersburg und im halben Land, tobte 1905 Revolutuion, deren Niederschlagung und Stabilisierung des Reiches ihre Zeit dauerten und die Tripple Entente gab es in dieser Form zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht.
Wenn man von deutscher Seite also auf einen Krieg gebrannt hätte, warum nicht an dieser Stelle? eine effektive militärische Zusammenarbeit Frankreichs mit Russland wäre zu dieser Zeit und in den Folgejahren anders als ab 1914 schlicht nicht möglich gewesen.

An der Stelle nochmal die Frage:
Wenn im Reich irgendwelche Kriegsgeilen Militärs die Möglichkeit gehabt hätten, die Politik zu lenken, warum verzichteten sie dann 1905 auf den Krieg und einen ziemlich sicheren Sieg, um dann 9 Jahre später unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen einen vom Zaun zu brechen?
Das ergibt überhaupt keinen Sinn.

nordstern hat geschrieben:Selbst in England reagierte nicht die Diplomatie sondern die Zweckmäßigkeit des gringsten Risikos für die Kolonien und die Flotte. Wenn England nach Diplomatie entschieden hätte und nach Beziehungen, wäre es auf deutscher Seite eingetreten.

Und zwar warum?
Welche diplomatischen Beziwhungen und Verträge hatte GB denn mit Deutschland, auf Grund dessen es sich für die deutsche Seite hätte entscheiden müssen?
Mit Frankreich und Russland gab es Marinekonventionen und Kolonialabkommen in Afrika und Asien, die den Umfang der Abkommen, die man mit Deutschland hatte, wesentlich überstiegen. Mit Deutschland hatte GB nach zähem Ringen eine Übereinkunft in Sachen Baghdad-Bahn, ein Eventualabkommen, hinsichtlich der portugiesischen Kolonien in Afrika, falls Portugal in Folge eines Staatsbankrotts gezwungen wäre seinen kolonialen Besitz in Mocambique und Angola zu verkaufen und eben die Grenzkonventionen in Ostafrika und im Hinblick auf den "Caprivi-Zipfel", so wie gelegentliche handelspolitische Kooperation mit Deutschland in Fernost.

Mit frankreich hatte GB eine Marinekonvention, die die französische Flotte faktisch aus dem Kanal heraus hielt und den Schutz der Seeroute durch das Mittelmeer gewährleistete, Absprachen über die Einflussphären in Nordafrika Absprachen Über die Grenzziehung und den Kolonialbesitz auf der indochinesischen Halbinsel, inklusive der faktischen Neutralisierung Siams.
Mit den Russen wurde an einer Marinekonvention gearbeitet, außerdem bestanden vergleichbare Interessein im Hinblick auf eine zukünftige Aufteilung des Osmanischen Reiches, nachdem Britannien seine Position im Hinblick aus die Meerengen aus dem 19. Jahrhundert inzwischen revidiert hatte, so wie die Neutralisierung Afghanistans, Persiens und Tibets, um das britische Kolonialreich in Indien zu sichern.

Mit Deutschland bestanden also territorial gesehen lediglich Abkommen, zur Sicherung von ein par fitzeln wirtschaftlich relativ unbedeutenden Afrikas und über die Aufteilung der Portugiesischen kolonien im Eventualfall auf friedliche Weise.

Mit Frankreich und Russland bestanden Marinekonventionen und koloniale Regelungen, die den Briten die Seewege, so wie Ägypten mit Sudan, Indien und Birma, so wie dann auch die Seewege weiter nach Ostasien hinein sicherten.

Das sind schon etwas weitergehende Konventionen.
Darauf kommt dann noch die deutsche Flottenpolitik und der belgische Garantievertrag.

Schlussendlich, wer hätte denn den Briten garantiert, dass wenn Deutschland einen Krieg gegen Frankreich gewinnt, sich nicht Gebiete in Frankreich und vielleicht Belgien unter den Nagel reißt, Frankreich als Großmacht ersten Ranges de facto ausschaltet, und ihm einen Großteil seiner Kolonien abnimmt, womit GB sich seine diesbezügliche Abkommen mit Frankreich an den Hut hätte stecken können?

Neutralität GBs hätte sich das DR wahrscheinlich allenfalls durch eine Präzise Erklärung, im Westen und in Übersee keine Territorialgewinne anzustreben und durch Verpfändung der eigenen Kolonien als Sicherheiten dafür, sichern können.
Zu so weiten Zusagen war man denn aber auch von deutscher Seite her nicht bereit.

nordstern hat geschrieben:Aber England entschied zugunsten des Geldes.


Wenn es GB um Geld gegangen wäre, hätte es sich raus geahlten, beide Seiten hübsch mit Waffen beliefert und sich von beiden Seiten für seine Neutralität und das Offenhalten der Seewege bezahlen lassen. Da hätte ein Kriegeseintritt anno 1914 so überhaupt keinen Sinn ergeben.

Sry, aber das ist, wie du das vorbringst, alles andere als durchdacht.
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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Mr XEM » 28. September 2020 15:37

Stratege hat geschrieben:Wenn es GB um Geld gegangen wäre, hätte es sich raus geahlten, beide Seiten hübsch mit Waffen beliefert und sich von beiden Seiten für seine Neutralität und das Offenhalten der Seewege bezahlen lassen. Da hätte ein Kriegeseintritt anno 1914 so überhaupt keinen Sinn ergeben.

Das klingt irgendwie nach einem falschen Kapitalimusverständnis. Kurzfristig macht man so zwar (große) Gewinne. Langfristig sind eigene Macht und Stabilität aber profitabler. Und wenn Deutschland Russland und Frankreich besiegt hätte, dann wäre es zu einer Machtverschiebung in Europa gekommen. Und egal wie sie sich genau ausgewirkt hätte, sie wäre zu Nachteil von GB gewesen.

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Re: Der Erste Weltkrieg

Beitragvon Stratege » 28. September 2020 15:56

Mr XEM hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:Wenn es GB um Geld gegangen wäre, hätte es sich raus geahlten, beide Seiten hübsch mit Waffen beliefert und sich von beiden Seiten für seine Neutralität und das Offenhalten der Seewege bezahlen lassen. Da hätte ein Kriegeseintritt anno 1914 so überhaupt keinen Sinn ergeben.

Das klingt irgendwie nach einem falschen Kapitalimusverständnis. Kurzfristig macht man so zwar (große) Gewinne. Langfristig sind eigene Macht und Stabilität aber profitabler. Und wenn Deutschland Russland und Frankreich besiegt hätte, dann wäre es zu einer Machtverschiebung in Europa gekommen. Und egal wie sie sich genau ausgewirkt hätte, sie wäre zu Nachteil von GB gewesen.


Du verstehst da etwas falsch.
@nordstern hat explizit darauf abgestellt, es wäre um Geld gegangen. Wenn es explizit um Geld gegangen wäre, wäre es logisch gewesen sich heraus zu halten und von den Kriegsbedingten Notwendigkeiten beider Seiten maximal finanziell zu profitieren, staat erstmal massiv Geld für einen Krieg (und da mit Beteiligung von Bodentruppen) und dann entsprechend auch für die anschließende Versorgung der Invaliden auszugeben, bei dem der Ausgang völlig ungewiss ist.

Letzteres ist eben mein Punkt.
Bei der Angelgenheit ging es um strategische Erwägungen und Machtkonstellationen nicht, wie @nordstern da unterstellt um den kurzfristigen ökonomischen/pekuniären Nutzen. Dann hätte das Handlungsmuster nämlich anders aussehen müssen.
Insofern ging es nicht um kurzfristigen Erwerb, sondern um langfristige Sicherung des bisher Erreichten.
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