Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Titus Pullo » 16. November 2016 16:19

Auch von dem letzten Beitrag sind inhaltlich 99 % bereits mehr oder weniger in diesem Thread durch Vorredner dargebracht worden. Ich zitiere mich als exemplarisches Bsp. an dieser Stelle jetzt mal nur hinsichtlich des Fazits selbst:

Titus Pullo hat geschrieben:Kommen wir also zu der Frage, war der Untergang Roms aufzuhalten? Philosophisch gesehen ein ganz klares NEIN, da alles was einen Anfang besitzt auch irgendwann ein Ende findet......
Meiner Meinung nach, wäre der Untergang nur durch eine radikale Rückkehr zur republikanischen Gesellschaftsordnung und einer damit verbundenen Abschaffung des Söldnertums zu verzögern gewesen. Ob und zu welchem Zeitpunkt das möglich gewesen wäre ist eine andere Geschichte.


Ständiges Wiederholen bereits Gesagten mit anderen Worten bringt keine neuen Erkenntnisse. Nochmal meine Bitte: Den Verlauf der Diskussion vor allem als Späteinsteiger erstmal lesen und wenn es dann noch etwas bislang unerwähntes gibt, oder man anderer Meinung zu bereits geschriebenem ist, gern den Rest dran teilhaben lassen.

An dieser Stelle zudem der Hinweis auf 3 Dinge die mir im letzten Beitrag sofort aufgefallen sind.:

1. Hat Rom Germanien nicht freiwillig wie selbst gern dargestellt "sich selbst und seinen inneren Streitigkeiten" (Tacitus) überlassen, sondern weil man aufgrund der damaligen Gegebenheiten einfach nicht dazu in der Lage war, dieses Gebiet dauerhaft zu befrieden. Denn es gab reiche Bodenschätze wie Hämatit, und andere ergiebige Eisenerzvorkommen, sowie ertragreiche Lössböden, an denen man sehr wohl sehr interessiert war.

2. Stammt der Ausspruch zur Toilettensteuer nicht vom Kaiser Gaius Caesar, denn dieser hatte zudem nicht einmal einen legitimen Sohn, sondern von Flavius Vespasianus an seinen Sohn Titus gerichtet, nach Einführung der besagten Toilettensteuer, als dieser angeblich seine Nase rümpfte. (Sueton)

3. Es haben sich zwar viele weise Zitate des Marcus Tulius Cicero erhalten, die des armen Mannes, der die reiche Provinz betrat und sie arm als reicher Mann verließ, war meine ich nicht darunter. Diese ist wohl ein allgemeinrömisches Sprichwort für Statthalter/Provinzialbeamte die sich bereicherten. Ich kenne diese Aussage vor allem in Bezug auf Publius Quinctilius Varus und sein Aufenthalt als Statthalter in Syrien. Cicero hatte zwar wirklich im Zuge einer Auseinandersetzung wegen Korruption und Amtsmissbrauch einen Strauß mit Gaius Verres auszfechten gehabt, allerdings nach meinem Kenntnisstand nicht explizit diese Redewendung in seinen überlieferten Büchern genutzt.
LG Titus Pullo

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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Way of Blücher » 16. November 2016 17:50

pastete hat geschrieben:Und weiterhin hatte das römische Reich schwerwiegende Auswirkungen auf die Natur und das Klima.
Dass der Mittelmeerraum weithin sehr entwaldet und oft wüstenähnlich aussieht, hängt nicht zuletzt mit dem Holzhunger Roms zusammen. Da die fruchtbaren Sedimente, die früher durch die Wurzeln an Ort und Stelle gehalten wurden, dann ins Meer absackten, war dieser Prozess irreversibel und die Folgen selbst heute noch für uns sichtbar.


Massive Rodungen sind vor allem aus der Gegend um Neapel, während der Zeit der punischen Kriege bekannt und. Besonders das dicht besiedelte Italien, welches in antiker Zeit eine der höchsten Bevölkerungsdichten der Welt hatte, dürften da ein gutes Beispiel für massive Rodungen wegen Landwirtschaft gewesen sein. Rodungen, mit einer Folge der Desertifikation, sind aber auch in Nordafrika belegt. Allerdings erst lange nach der Zeit des karthagischen Schiffbaus bisher wirklich nachweisbar...
Aber mal abgesehen davon: Kennt ihr noch andere, vllcht. archäologische Quellen, wo bereits zu antiker Zeit die Umweltzerstörung durch den Menschen eine starke negative Auswirkungen auf den Menschen selbst hatte, mal abgesehen vom Leben der armen und einfachen Menschen in den Gossen der Metropole Roms?

@ pastete welches Land, bzw. welcher Ort war denn damit gemeint, wo Rodung den Küstenstreifen so stark schädigte, dass dieser im Meer versank?


Nebenbei: Ich finde es irgendwie passend diesen Verein hier im Thread mal zu erwähnen:

Club of Rome

dessen Ziel es ist:

wikipedia hat geschrieben:Die Ziele des Club of Rome sind, die wichtigsten Zukunftsprobleme der Menschheit und des Planeten durch holistische, interdisziplinäre und langfristig ausgerichtete Forschung zu identifizieren; alternative Zukunftsszenarien und Risikoanalysen zu evaluieren; praktische Handlungsoptionen zu entwickeln und vorzuschlagen; neue Erkenntnisse und Trends gegenüber Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit zu kommunizieren und gesellschaftliche Debatten zur Verbesserung der Zukunft in Gang zu setzen.[4] Das aktuelle Arbeitsprogramm des Club of Rome konzentriert sich auf die Themenbereiche 1) Umformulierung der Ziele und Veränderung der Funktionsweise unserer Wirtschaftssysteme; 2) Entkopplung von Wohlstandsentwicklung und Ressourcenverbrauch; und 3) Sicherung von Lebensgrundlagen, Arbeitsplätzen und Einkommen. (...)

Die Deutsche Gesellschaft Club of Rome ist ein Think & Do Tank. Sie unterstützt, initiiert und befördert Projekte wie DESERTEC, die Global Marshall Plan Initiative und die Club of Rome-Schulen oder die weltweite Schülerinitiative Plant-for-the-Planet. Neben dem Ziel, Diskussionen über Zukunftsfragen anzustoßen und zu befördern, arbeiten die Mitglieder an den beiden Schwerpunktthemen „Wachstum“[8] und „Climate Engineering“.


Die wollen wohl auf Nummer sicher gehen, dass Rom nicht nochmal untergehen muss und auch weiterhin die "ewige Stadt" bleibt!? lol
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Re: Ist der Untergang der Geschichtszone vermeidbar?

Beitragvon Pastete » 16. November 2016 18:44

@Way of Blücher: Kein Ort, Sedimente.

@Titus Pullo:
Erstmal danke für die Korrekturen.
Der Spruch "Pecunia non olet" ist von Vespasian (ich habe nie behauptet, dass das Gaius Julius gewesen sein soll).
Was die Ciceros Reden gegen Verres angeht, habe ich sie damals auf Latein gelesen und mir kam es so vor, dass das Zitat von dort war. Ist aber Jahre her und da vermischt man Sachen.
Die stellen aber keinen relevanten Widerspruch zu meiner Pointe dar.

Zweitens stellst du das als ein entweder/oder dar. Rom wäre sehr wohl in der Lage gewesen, Germanien nach und nach zu kolonisieren (und zwar genauso, wie sie es in anderen Reichsteilen quer durch Europa einschließlich früherer germanischer Gebiete vorgemacht hatten), es wäre einzig vom Kräfteaufwand abhängig gewesen, und der Aufwand rechnet sich im Vergleich zum maximal möglichen Gewinn auf keinen Fall. Zumal Rom auch so schon reichlich Land zum Kolonisieren hatte und dieser Prozess selbst zum Zeitpunkt des Zusammenbruches nicht abgeschlossen war. Die Niederlage nach dem Teutoburger Wald war zwar ein erheblicher Rückschlag, aber nicht das Ende der römischen Ambitionen, und deren Ende hatte dann einen sehr bewussten Charakter und der Limes war bei einer Kosten/Nutzenrechnung ganz klar die bessere Option, zumal Germanien im Vergleich zu anderen Gebieten wie bsw. Britannien und Dakien in keinster Weise mithalten konnte und diese Gebiete daher klar Vorrang hatten. Dies war jedoch nicht die eigentliche Pointe meines Posts und es ist witzig, dass du die nicht beantwortest, kleinere Nebenbemerkungen hingegen angreifst.

Und schlussendlich:
Du erwartest ernsthaft, dass man sich 11 Seiten Text durchlesen soll, ehe man die Befugnis hat, hier etwas zu posten?! Offenbar ja, dein Zitat stammt von der ersten Seite, die mit dem Gesprächsstand auf Seite 11 fast rein gar nichts mehr gemein hat.
Das ist bestenfalls eine unrealistische Erwartungshaltung, eher aber Ausdruck dessen, was diesen Bereich der SZ schlichtweg in eine Wüste verwandelt hat, wo sich die gleichen 3-4 Leute dreschen und alle anderen rausekeln.
Aber hey, lasst euch von mir nicht dabei stören. :strategie_zone_20:
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Way of Blücher » 16. November 2016 22:31

pastete hat geschrieben:@Way of Blücher: Kein Ort, Sedimente.


Ja, aber wo noch, bzw. kannst du dich noch erinnern woher diese Information kommt? :strategie_zone_17:


pastete hat geschrieben:Re: Ist der Untergang der Geschichtszone vermeidbar? Das ist bestenfalls eine unrealistische Erwartungshaltung, eher aber Ausdruck dessen, was diesen Bereich der SZ schlichtweg in eine Wüste verwandelt hat, wo sich die gleichen 3-4 Leute dreschen und alle anderen rausekeln.


Na, mal den Teufel mal nicht an die Wand.
Pullo hat wohl hier im Forum das größte akademische Wissen, wenn es um diese historsiche Zeitepoche geht und im Laufe der Zeit wiederholen sich bestimmte Teilfakten und Argumente immer mal wieder. Da können die Hauptschreiberlinge schnell mal genervt sein, wenn Sie sich immer wiederholen. Und Titus Pullo war in seiner Wortwahl zwar kritisch, aber (meiner Meinung nach) i.O.
[Eigenwerbung]In meinem Post 7 auf Seite 7 :strategie_zone_264:
habe ich mal grob alles zusammengefasst, vllcht. schauste da nochmal vorbei, habs auch interessanter gestaltet. :) [/Eigenwerbung]


Allerdings habe ich in meinen 10 Punkten bisher das Finanz- und Geldwesen außen vor gelassen, obwohl eventuelle, negative Entwickelungen in dieser Richtung auch unter Punkt 3.) und 8.) zu verordnen wären.
Bleibt aber immer noch der Umweltfaktor, auf den man vllcht. auch genauer schauen könnte.

pastete hat geschrieben:Die Niederlage nach dem Teutoburger Wald war zwar ein erheblicher Rückschlag, aber nicht das Ende der römischen Ambitionen, und deren Ende hatte dann einen sehr bewussten Charakter und der Limes war bei einer Kosten/Nutzenrechnung ganz klar die bessere Option.


Jupp. Du kennst also "die Schlacht vom Harzhorn" bereits? Wenn nicht: Eine späte militärische Auseinandersetzung, die eine Legion bis in den Harz führte, dort vermutlich die Germanen besiegte und danach allerdings nie in römisches Gebiet zurück gekehrt ist. Sehr mysteriös.
:strategie_zone_251:
Da gibts auch ne gute TV-Doku zu.
Zuletzt geändert von Way of Blücher am 16. November 2016 23:14, insgesamt 11-mal geändert.
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Titus Pullo » 16. November 2016 22:41

Ach Pastete! Jetzt mal nicht so verbissen! Kritisieren wird doch wohl in einer angemessenen Form noch möglich sein, vor allem da wir uns hier im Geschichtsbereich befinden. Zu erst einmal habe ich nicht Gaius JULIUS Caesar gemeint, sondern Gaius Caesar, den offiziellen Namen des Kaiseres, welchem Du o.g. Zitat zu zuschieben gedachtest und der den meisten unter seinem inoffiziellen Beinamen Caligula bekannt ist.
Was die Möglichkeiten in Germanien angeht, so reden wir hier wohl etwas an einander vorbei. Ich habe nicht gemeint, dass die Eroberung Germaniens für Rom unmöglich war, sondern dass man realistisch betrachtet, nicht dazu in der Lage war. Auch hierzu wurde sich in diesem Thread schon ausgetauscht. Was Britannien und Dakien von Germanien vor allem unterschied, waren die klimatischen Bedingungen und die sich mitunter daraus ergebenden Schwierigkeiten eine dauerhafte Besatzung in diesen Gebieten zu versorgen. Siehe hierzu z.B. die Schilderungen bereits genannter Historiker.

Und natürlich sollte man davon ausgehen können, dass man sich erst einmal einen Überblick über ein Thema verschafft, bevor man sich zu etwas äußert. Was für einen Sinn hat denn ständiges Wiedergekäue bereits gesagten Inhalts?!?
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Pastete » 17. November 2016 09:00

Du meinst vermutlich weniger die klimatischen als die geographischen Bedingungen. Karpathen bei Dakien, viel Meer und Flüsse bei Britannien.
Der Rhein, obschon direkt Grenzgebiet, wurde auch von den Römern schon dicht besiedelt. Wo die geographischen Gegebenheiten auch gute Grenzlinien östlich des Rheines erlaubten, wurden die ebenfalls genutzt. Selbst heute noch ist der Rhein zentrales Glied der blauen Banane, des am dichtesten besiedelten Gebietes Europas und auch eben entsprechend damals besonders von den Römern kolonisiert.
Dahinter war das Land zwar nicht nutzlos, aber bei einer Kosten/Nutzenrechnung eben nicht die Befriedung wert.

Die Geschichte kennt mindestens 3 Gaius Caesar.

Wurde die Theorie schon behandelt, dass die Römer immer mehr das Land auslaugten (bsw. Wälder immer weiter entfernt waren) und dementsprechend immer mehr Arbeit für immer weniger Gewinn vonnöten war, und dies die immer schlechtere Wirtschaftsleistung und somit auch den römischen Untergang mitverschuldete?
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Way of Blücher » 17. November 2016 11:20

pastete hat geschrieben:Wurde die Theorie schon behandelt, dass die Römer immer mehr das Land auslaugten (bsw. Wälder immer weiter entfernt waren) und dementsprechend immer mehr Arbeit für immer weniger Gewinn vonnöten war, und dies die immer schlechtere Wirtschaftsleistung und somit auch den römischen Untergang mitverschuldete?


Nope, da haben wir ja gerade angefangen an der Oberfläche zu kratzen.
Wobei meiner Meinung die Ursachen der Ereigniskette für die These "immer mehr Arbeit für immer weniger Gewinn" weit weniger in der Landwirtschaft zu suchen ist, sondern viel mehr in der Entwertung des Geldes, dh. in der Inflation.
Die Gründe dafür sind nicht so leicht nachzuvollziehen, wie andere. Es könnte an der Schweres dieses Themas liegen. So scheint das Wesen der Inflation und die Gründe für ihre Ursachen, heute, wie damals einer ähnlichen Kausalität zu folgen.

Das ist jeden Falls mein erster Eindruck, nachdem ich erste, nicht primäre Literatur zu diesem Thema gelesen habe und nein, damit meine ich nicht nur das hier umstrittene Buch von G. Edward Griffin und seiner Sekundärquelle "Money and Man", sondern auch die wissenschaftl. bestätigen Untersuchungen der Münzfunde aus der mittleren Kaiser- und Soldatenkaiserzeit.
Ihr beide habt da ja schon einiges hier zu geschrieben.
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon motaboy » 17. November 2016 12:39

Finde es immer super wenn man in so einem Forum über Geschichte diskutieren kann, auch wenn der Ton manchmal etwas ruppig wird: Hier findet man mehr Informationen als in einigen Büchern :)


Für mich lässt sich der Untergang Roms mit einem Wort erklären: Klimaveränderungen!


Bevor wir uns mit dem Untergang beschäftigen (und ob dieser vermeidbar gewesen wäre), sollten wir uns mit dem Aufstieg Roms beschäftigen:
- Um 300 v. Chr. setzte ein für Italien positives Klimahoch ein: Gerade Italien wurde noch fruchtbarer als es ohnehin schon war, andere Regionen wie der Nahe Osten versandeten zunehmend. Kurz gesagt, der optimale Siedlungsraum verschob sich leicht nach Norden.
- Um 50 v. Chr. war das Klima am Höhepunkt angelangt. Selbst die Gletscher in den Alpen schmolzen teilweise und ermöglichten so Roms Expansion nach Gallien. Die Kimbern & Teutonen waren im Bereich Dänemarks allerdings vom steigendem Meeresspiegel negativ betroffen und brachen deshalb auf um eine neue Heimat zu finden. Dies führte übrigens nach einigen Niederlagen der Römer zur Marius-Reform der Legionen.
- Danach verschlechterte sich das Klima wieder. Zwar nur langsam, aber stetig, bis wohl ca. 400 n. Chr. das Klimatief erreicht wurde und es erst dann wieder aufwärts ging. Als Belege kann man hier exemplarisch den Germaneneinfall über den zugefrorenen Rhein nehmen: Ein fließender Fluss ist natürlich einfacher zu verteidigen als ein zugefrorener. Im 19., bzw. 20. Jahrhundert verstanden viele Historiker nicht die Tragweite eines zugefrorenen Rheins: Er war ja immerhin andauernd gefroren, in vielen Rheinstädten war im Winter auf dem Rhein ein Jahrmarkt. Allerdings lebten die Menschen damals in der kleinen Eiszeit, die sich vom 12. bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts erstreckte. Die Folgen der kleinen Eiszeit reichten von der Pest bis zur Massenauswanderung der Iren im 20. Jahrhundert nach Amerika. Man muss sich jetzt mal vorstellen was für Veränderungen statt gefunden hätten, wenn durch Überbevölkerung und Mangelernährung die Menschen nicht nach Amerika ausgewandert wären, sondern nur innerhalb Europas eine neue Heimat gesucht hätten. Das Gesicht Europas (und Amerikas) wäre wohl ein komplett anderes.
Es lässt sich also feststellen, dass die klimatischen Bedingungen zur Zeit der Völkerwanderung der Antike und der Moderne ähnlich waren.


Es sind hier schon einige wichtige Argumente aufgezählt worden, für mich sind diese aber größtenteils die Auswirkungen und Folgen des Klimawandels. Bevölkerungsrückgang und Inflation sind logische Folgen der Rückgängigen Erträge der Agrarwirtschaft. Denn wie alle antiken Zivilisationen war die Hauptstütze der Wirtschaft die Landwirtschaft. Religiöse Spannungen sind unausweichlich wenn sich das Klima verändert und man nicht weiß warum - muss wohl an den Göttern liegen, nur an welchen?
(Auf alle Argumente der letzten 11 Seiten einzugehen, würde wohl den Rahmen sprengen)

Andere Argumente beziehen sich allerdings auf Faktoren, die das Römische Reich schon viel früher in die Knie hätte zwingen müssen:
- Dekadenz: Gab es schon immer und wird immer von Geschichtsschreibern heran gezogen wenn etwas schief läuft.
- Bürgerkriege: Zogen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Roms: Angefangen bei Sulla 100 v. Chr. bis zu den Spätantiken Bürgerkriegen.
- Germanisierung der Armee: Diese setzte schon im 1. Jahrhundert n. Chr. ein und ergab eine sehr schlagkräftige Armee: Die Kampfeslust der Germanen, kombiniert mit Römischer Disziplin. Probleme traten erst auf, als der Sold ausblieb. Und ob unbezahlte Soldaten nun Römisch oder Germanisch waren machte kaum einen Unterschied.

Es bleiben für mich genau 2 Argumente die keinen direkten Zusammenhang zum Klima haben:
- Pazifizierung der Bevölkerung: Das große Problem jeder Zivilisation! Einmal an Wohlstand und Frieden gewöhnt, wollen diese nicht mehr in den Krieg ziehen.
- Fortschritt der Kriegstechnik: Durch Anpassung der Kriegstaktik und neue Waffen wie Armbrüste ging der materielle Vorteil der römischen Soldaten verloren. Allerdings schaffte das spätrömische Heer durch ihre eiserne Disziplin noch einige Erfolge gegen ihre Feinde.
Diese 2 Punkte kombiniert führt allerdings zu einem militärischen Gleichgewicht zu den Germanen: Diese waren zwar nicht all zu diszipliniert, brachten aber viel mehr Krieger aus ihrer Gesellschaft hervor. Diese Zahlenmäßige Überlegenheit brachte schließlich das römische Heer langsam zu Fall. Richtig problematisch wurde es aber erst als sich große germanische Verbände zusammen schlossen um gemeinsam eine neue Heimat in ertragreicheren Gebieten suchten.

Fazit: Jedes Großreich der Geschichte (ausgenommen China, to big to fail?) ist mit einem Klimaoptimum in ihrem Gebiet entstanden und nach dem Optimum wieder vom Gesicht der Erde verschwunden. Rückschlüsse auf unsere Zeit und Zivilisation überlasse ich jedem selbst :)

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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Way of Blücher » 17. November 2016 13:37

Dein gutes Feedback für alle hier freut mich! :strategie_zone_5:

Wegen der Klimathese: Weißt du noch woher du dies hast und um was für Quellen es sich dabei handelt?

motaboy hat geschrieben:Denn wie alle antiken Zivilisationen war die Hauptstütze der Wirtschaft die Landwirtschaft


Da muss ich aber klar widersprechen. Eine gute und ertragreiche Landwirtschaft war ein fundamentales Muss für jede Zivilisation, aber es war halt "nur" fundamental, also grundlegend, aber die entscheidenden Stärken der aufkommenden Zivilisationen waren dann aber später andere.
Karthago war eine Handelsmacht und bezog seinen Reichtum und seinen Einfluss, sowie die Möglichkeit größere Söldnerheere zu bezahlen aus dem Handel und der Kontrolle der Schifffahrtswege im Mittelmeer der frühen Jahrhunderte v.Chr. Dh. die Karthager habe billig eingekauft, bzw. abgebaut und geernetet und dann zu wesentlich höheren Preisen weiterverkauft. Je größer das Handelsnetz war, welches Sie kontrollierten und je weiter die Entfernung zw. Produktionsland und Käuferort war, desto größer war in der Regel der Profit.
Nahrungsmittel verkaufte man sehr gut in unterentwickelte Gebiete der Sahara, oder nach Gallien. Dort konnte man billig Pelze und bestimmte Metalle, wie Bronze, kaufen und diese Bronze usw. wieder sehr teuer in Nordafrika, oder auf dem Balkan verkaufen.
Die Römer sind durch ihr Organisationstalent und ihr Militär groß geworden, die Ägypter wegen ihrer architektonischen Leistungen, die Griechen sind heute noch als erste, große Hochkultur der Naturwissenschaftler bekannt.
Jedes dieser Völker hat sich durch eine Spezialisierung in einem Bereich besonders hervor getan.


Also: momentan die Frage nach klimatischen Einflüssen. Das Problem der kleinen Eiszeit im 5-7 Jahrhundert wurde bereits auch in Attila Total War aufgegriffen und gilt heute als wissenschaftl. bestätigt.
Bleibt aber die Frage wann diese genau anfing und ob Sie wirklich einen so starken Einfluss auf die Landwirtschaft des Mittelmeerraumes dargestellt hat.
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon motaboy » 17. November 2016 14:52

Nun ja, "Hauptstütze" und "fundamentales Muss" beschreibt für mich so ziemlich das Gleiche. Wenn das Grundlegende wegbricht, bringt dir eben das darauf Aufbauende auch nichts mehr. Beispiel Karthago: Wenn die Produktionsländer weniger produzieren gibt es auch weniger zu handeln. Natürlich waren die Römer Organisationstalente, wenn aber im ganzen Reich die Getreideerträge sinken (bis auf Ägypten vllt.) sind Hungersnöte vorprogrammiert. Und zu diesen kam es ja dann auch, mit Spätfolgen wie Schwächung des Immunsystems und der darauf folgenden Justinianischen Pest (550 n. Chr.). Da hilft dir kein Handelsnetz, Architekturkünste oder Naturwissenschaften mehr etwas - diese ganzen Errungenschaften konnten nur durch eine sichere Nahrungsversorgung realisiert werden.

Zu der Eiszeit: Das Klima verändert sich ja meist über Jahrhunderte hinweg, sprunghafte An- oder Abstiege (wie heute) sind relativ selten. Will sagen: Schon vor dieser Eiszeit die wie du richtig sagst (da lag ich falsch) vom 5. bis 7. Jahrhundert, kühlte sich das Klima langsam ab. Das spiegelt sich mMn in der Geschichte der Römer wieder: Schon unter Mark Aurel (150 n. Chr.) sprach man davon, dass sich das Reich von einem durch "Marmor und Gold" hin zu einem von "Eisen und Rost" geprägten Reich wandelte. Ein Indiz unter vielen, dass sich das römische Reich auf einem langem, nicht all zu steilen Weg nach unten befand.

Zu den Quellen: Die sind leider etwas dürftig, ich hoffe da wird noch weiter geforscht da es auch für unsere Zukunft helfen könnte. Hier eine gute Doku: https://www.youtube.com/watch?v=ASvd1cJpaZw
Bei Wikipedia sind die Beiträge leider auch etwas spärlich, wenn auch aufschlussreich: https://de.wikipedia.org/wiki/Optimum_d ... %B6merzeit https://de.wikipedia.org/wiki/Pessimum_ ... erungszeit

Edit: Doch glatt die Antoninische Pest vergessen die (wie der Name schon sagt) unter Mark Aurel wütete: https://de.wikipedia.org/wiki/Antoninische_Pest
Für mich sind Krankheitsepidemien immer eine Folge von Mangelernährung und der daraus folgenden Schwächung des Immunsystems. Dass diese Pest schon ca. 150 n. Chr.auftauchte ist für mich ein Indiz für klimatische Veränderungen und rückgängige Agrarerträge.

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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Fairas » 17. November 2016 15:16

An eine Klimaveränderung als Hauptursache für den Untergang Roms glaube ich nicht.

Das Römische Reich existierte über 1.000 Jahre, rund die Hälfte davon als Großmacht. In dieser langen Zeit, wird es einige Extremen gegeben haben, wahrscheinlich hin und wieder auch mal Hungersnöte etc. Von sowas lässt sich ein Reich nicht aus der Fassung werfen.

Allerdings könnte es wie viele andere der genannten Faktoren ein Teil des Ganzen sein. Sprich verlorene Kriege, schlechte Wirtschaft und dann noch paar Jahre eine schlechte Ernte wegen Klimaveränderungen oben drauf etc. etc.

Aber Rom in der Blütezeit, bisschen Klimaveränderung, BÄM Rom weg, wirkt auf mich SEHR unglaubwürdig.
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Titus Pullo » 17. November 2016 18:31

Hm,.... ich denke auch dass die Indizienkette etwas zu dünn ist um aus den zwar datierbaren klimatischen Veränderungen gleich den großen Auslöser zur Krise Roms zu konstruieren. Dagegen halten kann man sofort, dass durch Zeitzeugen der betreffenden Periode wie z. B. Cassius Dio, Herodian oder Appian keinerlei Erwähnung irgendwelcher Versorgungsprobleme/Nahrungsknappheit in den erhaltenen Überlieferungen zu finden ist. Auch lässt der Versuch eine direkte Verbindung zwischen klimatisch bedingter (nicht belegter) Hungerkatastrophe und der Pest herzustellen völlig außer acht, dass solche Epedemien schon lange vor den Zeiten eines Marcus Aurelius auftraten. Siehe z.B. Perikleische Pest während des Peleponnesischen Krieges. Auch werden in den Jahrbüchern der Stadt Rom seit den frühesten Zeiten der noch jungen Republik immer wieder einschneidende Epedemien dokumentiert. Klimatische Veränderungen haben ganz sicher statt gefunden, aber um sie zum Schlüsselelement des Untergangs zu erheben fehlen schlicht die notwendigen Belege oder wenigstens wissenschaftliche belastbare Indizien.
LG Titus Pullo

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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Pastete » 17. November 2016 19:23

Ich glaube/hoffe nicht, dass sich das jemand so einfach vorstellt (Zack! Boom!), aber eine schlechte Wirtschaft kommt nicht von selbst, sondern wird beim alten Rom wohl vor allem durch eine Ressourcenverknappung ausgelöst worden sein. Ressourcenwandel weniger durch Klimawandel per se, sondern eher durch Abnutzung der Natur, welche nachweisbar und heute noch sichtbar ist.
Wälder die zu schnell gerodet wurden, sinkende Fruchtbarkeit und somit wörtliche Verwüstung von weiten Teilen des Mittelmeeres, welches heute bekanntlich an vielen Stellen sehr karg aussieht und in vorrömischer Zeit eigentlich sehr dicht bewachsen und fruchtbar war, und bei immer weiter entfernten Wäldern und immer tieferen Minen ein immer höherer Arbeitsaufwand für den gleichen Ertrag, während gleichzeitig mit Ende der Eroberungszüge auch die Zahl der "frischen" freigeborenen Sklaven immer mehr abnahm, die ja ein wichtiger Faktor in der römischen Wirtschaft waren, während gleichzeitig immer mehr Sklaven freigelassen wurden.
Aus diesem Grunde sinkende Einnahmen bei vermutlich ähnlich bleibenden Ausgaben, Bürgerkriege, welche wiederum zu einer Regionalisierung des Handels führen und die großen Warenströme stark einschränken und somit auch eine der stärksten und wichtigsten Kohäsionskräfte, die das Reich zusammenhält, zerbrechen lässt, all das hat nicht Rom einfach "Zack! BÄM!" ausgelöscht, sondern die Blütezeit war dadurch vorbei und das hat das Reich ausreichend geschwächt, dass andere Faktoren mit ins Spiel kamen.
So waren ja bsw. die Foederati der Spätantike, also die kompletten Barbarenstämme, die die Römer dann im Austausch für Militärdienst mit Land versorgte wohl die Notlösung, weil Westrom kaum mehr eine hinreichend starke Armee selbst finanzieren konnte. Dies wiederum sorgte für ein schleichendes Auseinanderbrechen und eine immer weiter steigende Abhängigkeit.
Man vergleiche mit Byzanz, welches in der ersten Hälfte des Mittelalters über eine hinreichend starke eigene Flotte verfügte, schließlich dann immer mehr von den Italienern abhängig wurde, denen es hierfür Privilegien gewähren musste, was wiederum die Einnahmen verringerte und somit die Abhängigkeit von den Italienern vergrößerte.

Kommt hinzu, dass wir hier ja nur vom Untergang Westroms reden. Ostrom hatte mit Ägypten und Syrien die zwei wohl reichsten Provinzen. Westrom musste zunehmend ohne die auskommen bzw. wurde von Ostrom abhängig, bis schlussendlich Julius Nepos das Land verließ. Romulus Augustulus wiederum wurde von den Oströmern gar nicht erst anerkannt.
Ostrom hingegen war danach noch durchaus zu Expansionszügen fähig, musste mehrfach Rückschläge einstecken, von denen es sich anfangs noch gut, später hingegen kaum mehr erholen konnte.
Der Aufstieg des Islam, was gleichzeitig den Untergang Ostroms langsam einleitete, war ja auch vor allem dem Zufall (oder der göttlichen Fügung :D ) geschuldet, dass Sassaniden und Ostrom gerade den heftigsten Krieg überhaupt ausgefochten hatten, und zur Abwehr der neuen Gefahr kaum in der Lage waren. Byzanz war dann zwar bis Manzikert noch zu einigem fähig und auch danach noch zu einigen Rebounds fähig, aber mit dem Verlust von Syrien und Ägypten war's das mit dem Großmachtstatus gewesen.


NACHTRAG: Ich habe mich zur Justinianischen Pest und zum Klimawandel nochmal eingelesen (nur Wikipedia), und da wird angemerkt, dass:
1: Die Kälteperiode der Spätantike/des Frühmittelalters erst nach Beginn der Völkerwanderung einsetzte und wohl eher auf die germanischen Gebiete besonderen Einfluss hatte, die vorher aufgrund des Optimums wohl eine erheblich größere Bevölkerung hatte versorgen können als später, was zu den Wanderungen beigetragen haben kann. Aber so ist das nicht korrekt.
2: Die Hungersnot vor der Justinianischen Pest ist wohl nicht einem allgemeinen Klimawandel geschuldet, sondern einem plötzlichen Kälteeinbruch in Folge von Staub und Asche in der Athmosphäre, wofür als Ursache entweder a) ein Meteoriteneinschlag, oder b) ein Vulkanausbruch vermutet wird. Wobei Vulkanausbruch wegen Sulfatrückstände in der entsprechenden Eisschicht als wahrscheinlicher gelten.

Somit kann Klimawandel nicht als Auslöser für den Untergang Westroms herhalten, und vermutlich auch nicht als nennenswerten Faktor hierfür.
Die von mir oben genannten Faktoren hingegen schon.
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Thinghunter » 26. November 2016 16:53

Hi,
da ich mich ebenfalls für Geschichte Interessiere möchte ich auch meine Meinung zu diesem Thema äußern. (Ich habe nicht alle 12 Seiten des Threads gelesen, daher kann es gut sein, dass ich etwas doppelt beschreibe, sry dafür. Vielleicht wäre es sinnvoll, alle besonders wichtigen/guten Posts im ersten Post zu verlinken, damit die Übersicht erhalten bleibt)

Es wurden ja schon viele, viele wichtige Punkte geäußert, unter anderem Innere Faktoren wie 1) abnehmende Wehrfähigkeit der Bevölkerung, 2) abnehmendes Zusammengehörigkeitsgefühl, 3) Korruption, 4) Geldverschwendung (Dekadenz), 5) Nachfolgerkonflikte (wer wird Nachfolger/Erbe eines Kaisers ?)... sowie externe Faktoren 6) Klimaveränderungen ?, 7) Völkerwanderung, 8) andauernder Kampf gegen Perser, 9) Geldabfluss durch Luxuswarenkauf aus insbesondere China... . Diese Faktoren haben sich alle multipliziert und gegenseitig verstärkt; die erfolgreiche "Völkerwanderung" der Germanen war nur möglich, da es dem Römischen Reich an einer für eine erfolgreichen Kriegsführung notwendigen wirtschaftlichen Basis mangelte- das Geld war zwar da, wurde aber nicht für das Notwendige ausgegeben, sondern für Luxuswaren aus China; die Manpower war ebenfalls vorhanden, aber es gab keine reichsweite Wehrpflicht.

Meiner Meinung nach wäre es durchaus möglich gewesen, sämtliche dieser Probleme zu beseitigen, wenn es eine Kontinuität von "guten", starken, durchsetzungsfähigen Kaisern gegeben hätte. In der Spätphase folgten nämlich im Westreich auf einen starken Kaiser 3-4 schwache Kaiser, was eine Konsolidierung der Staatsfinanzen erschwerte sowie verhinderte, das die Politik das Primat über das Militär zurückgewinnt.
1) Eine abnehmende Wehrfähigkeit hätte durch eine reichsweite Wehrpflicht gestärkt werden können,
2) abnehmendes Zusammengehörigkeitsgefühl ebenfalls.
3) Korruption war und ist immer ein Problem und es war damals wie auch heute bekannt, was dagegen zu tun ist.
4) Dekadenz/Geldverschwendung wurde ebenfalls in der Antike als großes Problem angesehen und auch Lösungen dafür waren bekannt.
6) gegen Klimaveränderungen kann man nichts machen, allerdings war das Römische Reich so groß, dass sich Klimaverschlechterungen in einzelnen Reichsteilen mit Klimaverbesserungen in anderen Reichsteilen durchaus die Waage gehalten haben. (Kleine Eiszeit in Europe -> Mehr Regen im Mittelmeerraum usw.)
7) Die Völkerwanderung: Was ist die Völkerwanderung überhaupt? Mehrere Germanische Stämme schlossen sich zusammen und begannen, nach Westen zu ziehen (von den Hunnen ausgelöst); dadurch vertrieben sie die Stämme, die schon da waren. Gab es so etwas vorher schon? Ja, beispielsweise "Zug der Kimbern und Teutonen" ~100 v. Chr. Wurden diese Stämme aufgehalten? Ja. Wie stark waren diese einzelnen Stämme? Schwer zu beantworten, vielleicht 200.000-300.000 Mann, inklusive Frauen + Kinder. Die Stämme marschierten jedoch nicht gleichzeitig, die Völkerwanderung dauerte über 50 Jahre- genug Zeit also, alle Stämme einer nach dem anderen zu besiegen, zu unterwerfen, zu versklaven... . Selbst kombiniert, waren alle diese Stämme schwächer als die Römische Armee in ihrer Gesamtheit (schlechtere Ausrüstung, Ausbildung...), d.h. Rom hätte alle Germanen aufhalten können, wenn dies gewollt worden wäre.
8) Die meisten der 500.000 römischen Soldaten (50 Legionen a 10.000 Mann) standen jedoch lange Zeit an der Ostgrenze gegen die Perser, da die Perser die mit Abstand größte Bedrohung waren- das hat sicherlich sehr, sehr viel Geld gekostet, da immer mit einem neuen Krieg gegen die Perser zu rechnen war. Die Rhein/Donaugrenze war im Vergleich dazu nur schwach bewacht- brachen die Barbaren einmal durch, mussten sofort alle Legionen in Marsch gesetzt werden, die an der Grenze lagen- die Grenze war dadurch unbewacht. Es war nicht genug Geld da, um die Armee auf eine Mannstärke zu bringen, die es erlaubt hätte, die Grenzen wirklich "dicht zu machen"- es hätte sicherlich 10 zusätzliche Legionen benötigt, besser 20.
9) Darüber habe ich wenig Ahnung, ich weis nur, dass Ostrom es geschafft hat, Seidenraupen durch Schmuggel zu erwerben und Seide selbst herzustellen- damit war das Chinesische Seidenmonopol gebrochen.

Doch warum waren diese Ansätze nicht erfolgreich? War es die große Entfernung der Reichsteile? Nein, da es auch im Römischen Reich verschiedene Phasen gab, in denen die Zentrale durchsetzungsfähig war (Diokletian, Justinian, Theodosius, ...), sowie Phasen, in denen dies nicht möglich war.
Der Hauptgrund ist also eine mangelnde Kontinuität von "guten" Herrschern; Rom hätte nicht nur einen Augustus, sondern besser noch 2-3 Kaiser von gleichem Format benötigt, damit für lange Zeit innerer Frieden herrschen hätte herrschen können. Im Gegensatz dazu gab es nach fast jedem starken Kaiser einen Bürgerkrieg, der viel mehr Soldaten gebunden hat, als die Grenzbewachung. Dadurch waren die Grenzen offen- mit bekanntem Ergebnis.

Das römische Reich ging dennoch nicht sofort unter; selbst nach dem Untergang des Weströmischen Reiches operierten (Ost-)römische Soldaten zwischen Rhein und Elbe. Man kann daher nicht von einem sofortigen Untergang sprechen, sondern von einem langen Prozess. Man darf nicht vergessen, dass Ostrom sehr lange Zeit (wenn ich mich recht erinnere auch 1000 n. Chr.), die Oberherrschaft im gesamten Weströmischen Reich beanspruchte (es gab in Konstantinopel 2 Kaiserhöfe für je Ostrom und Westrom). Das Frankenreich unter Karl dem Großen sowie das HRR sahen sich ebenfalls als direkte Nachfolger des Weströmischen Reiches.

Thinghunter

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Pastete
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Re: Wäre Roms Untergang vermeidbar gewesen?

Beitragvon Pastete » 27. November 2016 15:01

Thinghunter,
Viele der DInge die du sagst sind direkt falsch.
1: Eine vermeintliche Dekadenz/abnehmende Wehrhaftigkeit ist subjektiv. Rom war schon sehr früh auf eine professionelle Armee umgeschwungen, mit guten Gründen. Eine Wehrpflicht war bei der Größe längst schon weder sinnvoll noch nötig. Es fehlten nicht an Soldaten, sondern an Finanzierung und Ausrüstung.
2: Das Zusammenhörigkeitsgefühl ging, wenn überhaupt, erst mit dem Verfall einher. Dafür war beispielsweise der einbrechende Handel mit verantwortlich. Hatte es früher Warenströme quer durch das Reich gegeben und jede Region sich auf einige Ware spezialisiert, brachen diese Warenströme mit den Bürgerkriegen ein und es folgte eine Regionalisierung.
3: Korruption war schon seit der Republik ein Problem, dafür gibt es nie eine Lösung. Je größer ein Land/eine Organisation/ein Kollektiv, desto größer die zentrifugalen Kräfte, desto schwerer ist es das zusammenzuhalten und die Effizienz nimmt immer mehr ab.
4: Dekadenz hat man schon in der Republik angeprangert und es ist selbst heute ein bekanntes Phänomen, dass man Nostalgie und die Gegenwart als dekadent empfindet. Aber das ist weitgehend subjektiv.
Klar hatten die Strukturen Zeit, über die Jahrhunderte immer weiter zu verkrusten.
6: Die Kälteperiode setzte erst nach Beginn der Völkerwanderung ein, und es wird eher fördernd auf die wandernden Völker gewirkt haben, die damit ein Problem bekamen, sich ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, als dass das römische Reich sonderlich darunter gelitten hätte. Weite Teile des Niederganges hindurch hatte man hingegen ein Wärmehoch.
7: Es ist nicht so, dass der Wille nicht da war, sondern das Geld war, anders als von dir beschrieben, eben nicht da. Deshalb hat man schrittweise Legionen von der germanischen Grenze abgezogen. Der wirtschaftliche Niedergang und die heftige Inflation sind ja durch Ausgrabungen gut belegt. Ebenso wie abnehmender Wohlstand.
8: Jede Legion hatte meines Wissens mindestens 4000, maximal 6000 Mann, im Durchschnitt eher 4500, ab Diokletian hatte jede Legion sogar nur noch 1040. Mit den 10000 liegst du also weit daneben.
Von Augustus bis ins späte dritte Jahrhundert gab es 28 Legionen, später wurde ihre Anzahl zwar auf ungefähr 60 erhöht, aber das ging mit einer Verringerung ihrer Sollstärke einher.
Somit halbierte sich die ungefähre Stärke der römischen Armee von ungefähr 126000 auf ungefähr 60000. Die Perser und Byzanz haben sich erst im 7ten Jahrhundert am Vorabend der islamischen Expansion gegenseitig zugrunde gerichtet. Vorher, würde ich sagen, waren sie zwar lästig, aber auch eine Konstante. An den anderen Fronten war es auch nicht wirklich friedlich.
9: Ob es einen Kapitalabfluss von Rom nach Osten gegeben hat, weiß ich nicht. Aber er wird wohl kaum bedeutend gewesen sein. Die Seidenstraße war jedenfalls für alle Beteiligten profitabel, gerade für beispielsweise Antiochia. Jedenfalls ging der Handel in beide Richtungen. Rom hat sehr viele Luxusgüter gerade nach Indien und China exportiert. Importiert wurden vor allem Rohmaterialien.

Und noch grundsätzlich: Je größer eine Organisation ist, desto geringer ihre Effizienz, womit die Handlungsfähigkeit des Herrschers paradoxalerweise mit steigender Größe sinkt. Ein kleiner Staat und Stämme konnten sich daher sehr gut von schlechten Anführern erholen und gute Anführer konnten mehr leisten. In Rom eben aus diesem Grund nicht, weswegen Diokletian ja die Tetrachie einführte.
Gerade auch weil der Kaiserthron sehr häufig nicht geerbt wurde, sondern verdient/erkämpft, gab es sehr viele fähige Herrscher. Genauso wie Rom von einem gut funktionierenden Beamtenwesen profitierte. Problem war da wieder eher, dass es häufig Putsche und Bürgerkriege gab.
αἰεν ἀριστευειν και ὑπειροχον ἐμμεναι ἀλλων

Homer - Ilias