Str4tege hat geschrieben:
Hallo Namensvetter,
ich habe mich entschieden, das Thema von soziologischer Ordnung ausgehend zu Behandlen. Also das Kriegswesen germanischer Kleinstämme, das Kriegswesen germanischer Großstämme und das Kriegswesen germanischer Königreiche. Dies entspricht etwa den Zeiträumen 100 v. Chr- 200 n. Chr. (das Kriegswesen germanischer Kleinstämme), 200 n. Chr. -400 n. Chr. (das Kriegswesen germanischer Großstämme) und 400. n. Chr. - 900 n. Chr (das Kriegswesen germanischer Königreiche). Der soziologische Ansatz führt meines Erachtens am Weitesten, auch wenn er das Problem der Einordnung der Stämme zu den Kategorien bringt. Bislang konnte ich aber alle gefunden egermanischen Gemeinwesen eindeutig zuordnen zu den 3 o.g. kategorien. Wenn man dies 3 Phasen mal als Ordnungbegriffe nutzt, sieht man auch, dass es Vorläufer und Nachzügler gibt. Marbod hat in der Phase germanischer Kleinstämme zu Augustus und Tiberius Zeit ein Königreich gegründet und war somit seiner zeit voraus. Da das Königtum nach seinem Tod aber nicht tradiert wurde, kann man den zeitraum von 100 v. Chr- 200 n. Chr. durchaus als das Kriegswesen germanischer Kleinstämme charakterisieren. Umgekehrt waren die Friesen und Sachsen (In Norddeutschland) Nachzügler. In der Zeit der germanischen Königreiche ab 400. N Chr haben sie noch als Kleinstamm (Friesen) bzw Großstamm (Sachsen) gelebt.
Grüße zurück
Die Einteilung klingt für mich auf den ersten Blick einmal schlüssig, bringt aber nach wie vor das Problem mit sich, dass der Begriff "germanisch" geographisch gesehen immer noch als sehr divers zu betrachten ist. Nehmen wir der Einfachheit halber einfach einmal als Großstammesverbände die Sachsen und die Franken zur heraus. Diese entsprechen zwar deutlich einem frühmittelalterlichen Kontext und gehen aus der antiken Welt deutlich heraus, man mag aber aus dem Beispiel der Sachsenkriege etwa durchaus sehr verschiedene Strategien und Taktiken ableiten, einfach aus den geographischen Gegebenheiten und der Machtverhältnisse heraus.
Wenn man von "germanischen Stämmen und Reichen" spricht, und den Zeitraum erweitert, drängt sich außerdem vor allem auch der Blick nach Norden hin auf, wo wir wieder deutlich andere Vorgehensweisen vorfinden dürften, über den Osten bin ich hier nicht unbedingt im Bilde.
Es geht mir hier nicht darum den Ansatz für sich in Frage zu stellen, der ist eigentlich sehr gut, nur fürchte ich, dass die Gruppe der germanischen Stämme/Reiche wenn man diese nicht zummindest geographisch noch etwas einschränkt zu divers erscheinen um darüber sinnvolle verallgemeinernde und verifizierbare Aussagen treffen zu können.
Der Ansatz einer zummindest großräumigen geographischen Einschränkung hätte außerdem den Vorteil, dass die entsprechenden Stämme nach außen hin als mit den selben Feinden konfrontiert sind, so dass man die taktischen Ansätze in betreffenden näher betrachten könnte, Konfrontationen mit anderen germanischen Stämmen, dem Römischen Reich oder den von Osten her vorstoßenden Reitervölkern und Slavenstämmen etwa, dürfte zwangsläufig zu völlig verschiedenen taktischen Entwicklungen geführt haben, insofern käme wieder die Diversität der Verbände zum Tragen.
Westlich gelegene Stämme Reiche und Elbgermanen dürfen daher eben andere Strtegien und Taktiken hervorgebracht haben, als etwa ostgermanische Stämme oder skandinavische Stämme/Reiche.
Str4tege hat geschrieben:In diesem Ansatz stellt sich dann auch die Frage, warum man nicht das Frankreich des 15 Jahrhunderts als germanisches Königreich fassen sollte. Wenn man Frankreich bzw das Frankenreich um 500, 600, 700 n Chr als das Reich der Franken aufgefasst hat, warum nicht um 800, 900, 1000, 1100 usw.. Hier ist die Abgrenzung wiederum soziologisch zu sehen. Ein germanisches Königreich verstehe ich als Reich, das von einer oder wenigen Ethnien gegründet wurde, die auch namensgebend blieb (en). In dem Moment, wo die Staatsidentität die Identität eines Einzelvolkes überlagert hat, war es eben kein germanisches Königreich mehr. Beispielsweise war Wessex ein Königreich der Sachsen. Als Wessex schließlich Mercia, Anglia und damit ganz England eroberte, war es rein von der faktischen ethnischen Lage kein sächsisches Königreich mehr, sondern ein multiethnischer Staat (vielleicht mit einer sächsischen Militärelite). Analoges gilt auch für den Übergang des Frankenreiches in Frankreich und Deutschland im Mittelalter. Unter Pippin und Karl konnte man vielleicht noch von einem Königreich der Franken reden. Als das Ostfrankenreich sich abspaltete waren in dem neuen Staat die Franken nur eine Gruppe neben Sachsen, Thüringern, Allemannen und Bayern. Dementsprechend nannte es sich bald auch nicht mehr ostfrankenreich sondern Deutschland, bzw heiliges römisches Reich deutscher Nation, was der geänderten ethnischen Zusammensetzung rechnung trägt.
An der Stelle, auch wenn ich es für sich nicht mit Begriffsklauberei habe halte ich es im Allgemeinen vom historischen Standpunkt her für problematisch den Begriff einer "Staatsidentität" als Grundlage zu nutzen. Ich kenne mich auf dem gebiet soziologischer Arbeitstechniken nicht besonders gut aus und weiß daher nicht in wie weit der Standpunkt von dieser Seite her soziologischer Weise legitim erscheint. Wenn ich den Beitrag richtig verstanden habe geht die Abgrenzungskategorie in Richtung eines, an nationalstaatliche Kategorien agelehnte Kriterien. Solche wären jedoch, was das 18.-19. Jahrhundert angeht deutlich angebrachter, als zu diesem Zeitpunkt.
"Deutschland im Mittelalter" mag ein schwammiger Begriff sein, aber auch wenn man auf eine tiefere Ebene geht, sind auch Begriffe wie "Sachsen" oder auch "Bayern" bereits Konstrukte, die in sich ethnisch kaum als homogen oder einigermaßen homogen zu betrachten sind.
Nehmen wir einmal Sachsen, dann sehen wir beispielsweise eine räumliche Verschiebung, die das altsächsische Gebiet mehr oder minder völlig aus dem späteren Komplex "Sachsen" ausscheidet, wie geht man mit so etwas um?
Die Staatsidentität, woran genau machst du die fest? Das würde wieder das Problem der Nichtexistenz eines modernen Staatswesens/einer Staatsidentität im Sinne der Moderne oder mindestens des 18.-19. Jahrhunderts vorraussetzen. Du führst "Deutschland im Mittelalter" als Raum als ein Beispiel an, das Probblem dabei ist nur, dass es dafür eine gesammtdeutsche Identität hätte geben müssen.
Nehmen wir mal an es hätte eine Solche gegeben und sie hätte die Fränkische Identität überlagert und lassen Burgund und Italien, als nur indirekt zum Reich gehörendes Gebiet mal außen vor, dann wäre der deutschsprachige Teil des Reiches immernoch ein kulturell eindeutig germanisch dominierter Block gewesen, der dann aber nicht mehr als ein germanisches Reich durchgehen würde?
Ich bitte an dieser Stelle die ketzerische Frage zu entschuldigen, aber was, als ein germanisches Reich, so man es als Einheit betrachten mag, sollte dieses denn sonst gewesen sein?
Um von dieser historisch alles andere als Einwandfreien Interprätation eines gesammtdeutschen Reiches im Mittelalter weg zu kommen, möchte ich die Frage vielleicht einfach mal auf die Einzelstaaten Sachsen und Bayern herunterbrechen und nebenher auch auf Skandinavien verweisen, wo sich mMn eine ähnliche Problematik abzeichnet.
Der Ansatz, den du hier lieferst, krankt wie gesagt mMn an der Vorstellung eines in der Form nicht existenten Staatswesens zum einen, zum anderen Mag er auf von germanischen Völkern okkupierten Gebiete (Frankreich/England als geographische Räume) noch ein ansprechendes Theorem liefern, für mehr oder minder homogene germanisch dominierte Räume sehe ich es problematisch, weil sich hier denn bestenfalls der Name eines konstruktes ändert, die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung des Raumes jedoch jede andere Bezeichnung als "germanisch" ad absurdum führen, so dass ich dazu raten würde diesen Ansatz vom historischen Standpunkt her zu überenken.
MfG Stratege