Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

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Str4tege
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Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Str4tege » 30. Januar 2016 23:03

Liebe Strategiefreunde,

inspiriert von der Total War Reihe, insbesondere Rome 1 TW, Rome 2 TW und Attila TW sowie nach obsessivem Lesen diverser Bücher zu dem Thema habe ich nun beschlossen eine systematische Abhandlung über das germanische Kriegswesen zu schreiben. Titel der Abhandlung ist: "Germanisches Kriegswesen. Variation und Entwicklung", womit das Thema auch schon grob umrissen ist. Mein Interesse ist festzustellen, wie und wie variabel Germanen gekämpft haben. Ein weiterer Untersuchungspunkt ist, wie sich das germanische Kriegswesen von der Zeit der germanischen Kleinstämme zu Augustus Zeiten, über die Völkerwanderungszeit mit den neuen Großstämmen der Franken, Sachsen und Goten bis zum Mittelalter verändert hat.

Mir fällt auf, dass in Literatur und Filmen zu dem Thema ein Klischeebild dominant geworden ist. Die Germanen als unorganisierter Pöbelhaufen, die brüllend aus den Wäldern stürmen. Ob dies so war ist zu überprüfen. Weiter fällt mir nach etwa 6 Wochen Arbeit an dem Thema auf, dass viele Autoren ihre Schlussfolgerungen geradezu entgegen ihrer Quellensichtung ziehen, als ob sie mit Gewalt eben dies Bild germanisch-unorganisierter Kriegsführung ziehen wollten. So schreibt etwa Günther Moosbauer in seinem Buch "Die Varusschlacht":

Über die literarischen Quellen ist zu erschließen, daß germanische Reiterei und Fußsoldaten im Verband kämpften. Die Lanzen dürften dabei sowohl als Wurf - wie auch als Stoßwaffen eingesetzt worden sein, bei deren Verlust der Einsatz der Schwerter im Nahkampf folgte. Die germanische Bewaffnung der augusteischen Epoche war somit nicht ausgelegt auf den Einsatz in der Schlachtreihe, sondern auf individuellen Zweikampf.


(Moosbauer. 2009. S 21)

Im selben Absatz trifft der Autor zwei sich wiedersprechende Aussagen. Wird zunächst ausgesagt, dass die Germanen als Verband kämpften, wird dies Am Ende bestritten mit der Aussage sie hätten den individuellen Zweikampf gesucht. Die erste Aussage entspricht den zeitgenössischen Quellen, etwa Caesar und Tacitus, die stets Berichten die Germanen hätten in Formation gekämpft. Die zweite Aussage wird mit der Bewaffnung mit Speer und Schwert begründet. Eigenartig, dass die römische Armee jener Zeit, die ebenfalls mit Speer und Schwert kämpfte, dies stets im Verband tat, was hinreichend belegt ist. An diesem Beispiel sieht man, wie die Autoren gegen ihnen bekannte Fakten bügeln, nur um das Klischee barbarisch-unorganiserten Kriegswesens aufrecht zu erhalten.

Freue mich über eure Anregungen und Literaturtipps und werden die Abhandlung sobald sie fertig ist dann hier als PDF anhängen.

viele Grüße

Stratege

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Str4tege » 31. Januar 2016 00:12

Aktuell verwendet Quellen:

Aktuelle Werke
1. Todd, Malcolm. Die Germanen.
2. Krause, Arnulf. Die Geschichte der Germanen.
3. Moosbauer, Günther. Die Varussschlacht.
4. Schneider-Ferber, Karin. Karl der Grosse.

Antike Autoren
1. Tacitus, Cornelius. Germania.
2. Iulius, Gaius (Caesar). Der gallische Krieg.

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon nordstern » 6. Februar 2016 19:34

Ich würde die erste These eher als war erachten. Wieso?

Die Römer kämpften ebenfalls mit Wurfspeeren und Gladius. Dabei wurden oft die Wurfspeere auch als Speere benutzt, gerade gegen Kavallerie, auf Mauern oder schlichtweg wenn sie nicht geworfen waren. Der Legionär kämpfte also mit dem Gladius wenn kein Wurfspeer verfügbar war oder es angeordnet war. Und damit entricht diese Kampfweise exakt dessen was in der Quelle steht. Nur: Wieso kann Rom in Formation kämpfen die Germanen aber nicht?

Ob die Germanen in Formation kämpften würde ich nicht einheitlich sehen. Ich habe keine literarischen Quellen, aber ich gehe davon aus das ursprünglich die Germanen nicht in Formationen kämpften. Aber durch Rom gehe ich davon aus, das zumindest die Berufssoldaten (idR Leibwachen, etc) durchaus Formationen einnehmen konnten. Vermutlich haben sie diese Kriegsart aber nicht favourisiert, da es nicht ihrer Traditions entprach. Aber z.b. bei Belagerungen, etc kann ich mir durchaus Schildwälle vorstellen, zumal der germanische sechseckige Schild oder ovale Schild durchaus dem römischen Schild sehr ähnlich war. Und das er effektiv ist zeigt das die Römer den Schild später für ihre Hilfstruppen und Kavallerie übernahmen und am Ende sogar komplett den Legionärsschild, das Scultum ablöste.

Rein von der Ausrüstung her war es durchaus möglich, das sie es Taten halte ich auch für wahrscheinlich aufgrund ihrer Erfahrungen im Ausland (Rom), das sie es präferierten hingegen glaube ich nicht. Wieso sollten nur die Römer abgekupfert haben? (Gladius = spanisches Schwert, Hilfstruppen, etc). Zudem gibt es z.b. bei dne Pontiern, Karthagern, etc mit der Zeit kopien der Legionäre. Wieso sollten also die Germanen situativ nicht ebenfalls römische Taktiken angewandt haben?

Ggf hilft es dir wenn du dich mit vergleichbaren Feldzügen beschäftigst. Es gab keine größeren, längeren Schlachten und Feldzüge in Germanien. Allerdings in Britannien. Und die Britannier dürften ähnlich Stolz, Wild und gekämpft haben als die Germanen. Schau dir mal ggf den Kampf gegen Caratacus an. Dieser änderte seine Taktik nach mehreren Niederlagen. Ich vermute die Germanen hätten ähnlich gekämpft.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Galien » 6. Februar 2016 21:34

Das pilum soll auch als Speer benutzt worden zu sein? Diese These halte ich für sehr gewagt und hätte gerne eine seriöse Quelle dazu. Die Konstruktion des Pilum war gerade darauf ausgelegt, nur einmal benutzt werden zu können, nach dem Auftreffen verbog es sich so sehr, dass es nicht mehr ohne weiteres benutzt werden konnte - also äußerst ungeeignet zum Nahkampf.
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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Titus Pullo » 6. Februar 2016 23:56

Als wenn es nur das wäre, einmal mehr entbehren fast alle seitens Nordstern vorgetragenen Schlussfolgerungen und Behauptungen wieder einmal einer fachlichen Grundlage.

Allgemein zum Thema Germanen und fehlende Belege für taktische Formationen sei der seit den Römern immer mal wieder zitierte Eberkopf zu nennen, auch wenn bis heute niemand plausible erläutern konnte wie er denn genau funktionierte.

Nach allem was ich bisher dazu gelesen habe, ist es naheliegend dass es keine handfesten Belege für den Einsatz wirklich geschlossenen Formationen gibt, weil er wohl aufgrund der sozialen und militärischen Krieger und Sippen-Gesellschaft nur schwer umzusetzen gewesen wäre. War das Kriegswesennder Germanen am Beginn der Konfrontation mit Rom im Groben nach Sippen, bzw. Hundert- und Tausendschaften gegliedert. Wie lange diese Grundeinteilung Bestand hatte, kann wohl niemand sagen, es ist aber anzunehmen, dass in solch einem aus mehreren Familienverbänden zusammengesetzten Heereshaufen, schwerlich zentraler Drill als Ganzes zu erzeugen ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass sich die Heere der Germanen aus diesem Grunde aus mehreren autarken Gefiertshaufen zusammen setzten und ihre wahre Loyalität bei Ihrem lokalen Anführer lag. Da die Römer nach immer größer werdenden Übernahme germanischer Legionäre auch ihre geschlossenen Formationen aufgaben, ist für mich bereits eine entscheidende Antwort auf die hier eröffnete Diskussion. Man passte sich der vorherrschenden Kampfesweise der neuen Reichskombatanten an. Das geordnete Formationen im folgenden für sehr lange Zeit in der Geschichte Europas nicht mehr greifbar sind ist auch nicht unbedingt ein Beleg dafür, dass sie von den Germanen angewandt wurden.

Eines darf man bei bei dieser Frage vor allem nicht außer Acht lassen, eine taktische Groß-Formation bedarf jeder Menge Drill und allein das entsprach schon nicht unbedingt dem germanischen Naturell!
LG Titus Pullo

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Horgan » 7. Februar 2016 01:19

Galien hat geschrieben:Das pilum soll auch als Speer benutzt worden zu sein? Diese These halte ich für sehr gewagt und hätte gerne eine seriöse Quelle dazu. Die Konstruktion des Pilum war gerade darauf ausgelegt, nur einmal benutzt werden zu können, nach dem Auftreffen verbog es sich so sehr, dass es nicht mehr ohne weiteres benutzt werden konnte - also äußerst ungeeignet zum Nahkampf.

Titus Pullo hat geschrieben:Als wenn es nur das wäre, einmal mehr entbehren fast alle seitens Nordstern vorgetragenen Schlussfolgerungen und Behauptungen wieder einmal einer fachlichen Grundlage. ...

Bevor das in neuerliches - und peinlich unbegründetes - nordstern-Bashing ausartet, halten wir uns doch einfach ein besagte "seriöse Quelle" bzw. "fachliche Grundlage":
http://www.leg-xiii-gem.de/FAGUA/Pilum.html (die Abhandlung der Uni Augsburg halte ich für ausreichend seriös und fachlich befähigt)

Fazit:
Von einer Konstruktion zum einmaligen Gebrauch kann per se keine Rede sein, folgt man dieser fachlichen Grundlage.

Ansonsten:
Gegen Kavallerie war das Pilum mit knapp 2 m Länge mMn - wenn nicht als Wurfspeer genutzt - ziemlich ungeeignet. Im Nahkampf konnte ein Pilum zwar durchaus leidlich verwendet werden, Spiculum oder Gaesum dürften diesbezüglich aber geeigneter gewesen sein, wenn man sich auf Speerwaffen einschießt.
Pilum - mehr Wurfspeer
Spiculum - mehr Nahkampfspeer
Gaesum - mehr der Beideskönner

Mit dem germanischen Kriegswesen hat das allerdings jetzt nicht SOVIEL zu tun.

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Fairas » 7. Februar 2016 10:48

Der verlinkte Text der Uni Augsburg bezweifelt nur dass das Pilum absichtlich so konstruiert ist zu verbiegen. Er bezweifelt jedoch nicht dass es des öfteren verbogen ist. Weiter sieht er bei Plutarch eine Verwechslung von Details, unterstellt ihm aber gleichzeitig keine Absicht dabei.

Wenn man noch auf andere Quellen zurückgreift, erfährt man, dass Cäsar ebenfalls von durch Pila unbrauchbar gemachten Schilden berichtet.

Quelle (Öffnen)
Gallischer Krieg I,25

Übersetzung von Wikipedia hat geschrieben:„Von großem Nachteil war es den Galliern im Kampf, dass mehrere ihrer Schilde oft durch einen Pilumwurf durchschlagen und so zusammengeheftet worden waren, dass sie, da das Eisen sich verbogen hatte, die Geschosse weder herausziehen noch mit einer derart behinderten Linken vernünftig fechten konnten; viele zogen es daher, nachdem sie den Arm eine Zeit lang geschüttelt hatten, vor, den Schild fallen zu lassen und ungeschützt zu kämpfen.“


Der Standard Kampfspeer der römische Armee ist hingegen die Hasta. Auch wenn sie unter Marius für die Legionäre abgeschafft wurde ist es unwahrscheinlich dass alle Triarier (die Truppengattung die vor Marius noch eine Hasta verwendet hat) an einem bestimmten Tag X alle ihr Hasta abgelegt haben. Viel eher wird die Umstrukturierung je nach Bedeutung einer Legion eine Weile gedauert haben.
Zumal die römische Kavallerie durchgehen den Hasta weiter verwendet hat und die Hasta auch teilweise von Hilfstruppen verwendet wurde.

Einen Spieß zur Kavallerieabwehr wie man sich das aus mittelalterlichen Filmen oder Computerspielen vorstellt brauchten die Legionäre in Westeuropa nicht, da ihre dortigen Feinde so gut wie keine Kavallerieverbände einsetzten. Die einzige Schlacht (Späte Republik und Kaiserzeit) gegen "westliche Barbaren" wo ausdrücklich beim Gegner eine größere Menge Kavallerie erwähnt wird, ist die Schlacht von Vercellae. Die Schlacht gewonnen haben allerdings die Römer.
"Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite."

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Galien » 7. Februar 2016 11:24

Es lassen sich durchaus die ein oder andere Ableitung von Quelltexten zum Einsatz des pilums zur groben Schlachtformation der germanen finden, wie anhand einiger meiner folgenden Textbeispiele gezeigt sein wird. "Peinlich unbegründet" sind unsere Aussagen sicherlich nicht Horgan, auch wenn ich erst jetzt handfeste Quellen vorhalte.

So schreibt Caesar in "Der gallische Krieg":
Den Galliern war im Kampf sehr hinderlich, dass ein Wurfspießmehrere ihrer Schilde auf einmal durchschlug und zusammenheftete, die Eisenspitze sich verbog und sie den Speer weder herausreißen noch, weil ihr linker Arm behindert war, frei kämpfen konnten so dass viele erst lange ihren Arm schüttelten, es dann aber vorzogen, den Schild fallen zu lassen und ungeschützt zu fechten"
Julius Caesar. Der Gallische Krieg, Buch 1, 25

An diesem Auszug zur Schlacht bei Bibracte (58 v.Chr.) lässt sich zum einen festhalten, das es auch nach Marius noch pila gab, welche sich nach dem Auftreffen verbogen. Darüber hinaus lässt sich daraus entnehmen, dass die Gallier (nicht weit ab von den Germanen) zumindest im Angriff in einer Art Formation anrückten, indem sie ihre Schilde überlappten, um einen besseren Schutz zu erhalten.

Um die Eigenschaften des pilum noch näher zu charakterisieren zitiere ich einmal Francois Gilbert in dem Buch "Roms HIlfstruppen und Legionäre", S. 15 (Legionär des Jahres 13 v.Chr.):
Unser Legionär ist zudem noch mit einem Wurfspeer bewaffnet, dem berührtem pilum. Auch wenn es davon zahlreiche Ausführungen gab, so lassen se sich doch in zwei Grundmuster einteilen: Zungen-pila, bei denen der lange Eisenschaft in einer Zuge ausläuft, die mit Nieten in einer Verdickung des Holzschaftes befestigt wird (vgl. etwa die Funde im augusteischen Lager in Oberaden), und Tüllen-pila, bei denen das Eisen mittels einer über den Holzschaft geschobenen Tülle befestigt wird, wie hier bei unserer Rekonstruktion; der Metallschaft endet hier in einer langen pyramidenförmigen Spitze. [...] Das pilum hatte eine hohe Durchschlagskraft und konnte einen Panzer oder einen Helm glatt durchschlagen und mehrere feindliche Schilde aneinander nageln. Wohl unter Caesar ist man zu übergegangen den Eisenschaft nicht mehr zu härten, damit sich dieser beim Auifprall auf dem gegnerischen Schild verbog, wodurch die Waffe nicht mehr gegen die eigenen Truppen verwendet werden konnte.

Daneben gibt es noch die Quelle Graham Sumner und sein Buch "Die Römische Armee - Bewaffnung und Ausrüstung", S.101:
Bevor die römischen Fußsoldaten mit ihren kurzen Stoßschwertern in den Nahkampf übergingen, schleuderten sie das pilum, schwere oder leichte Speere, in mörderischen Salven auf den Feind. Berühmt wurde diese Waffe nicht zuletzt durch die Eigenschaft, dass sich die Spitze im Schild des Gegners verhakte und ihre lange Tülle sich beim Aufprall verbog; so war es kaum möglich, sie heraus zu ziehen und zurück zu werfen. [...] Caesar zeichnete einen weiteren Vorteil dieses Durchdringungs- und Verbiegungseffektes auf: rückte der Feind in dichten Reihen vor, so dass sich die Schilde der Soldaten überlappten, durchbohrte das pilum beide und nagelte sie förmlich zusammen. So wurden gleich zwei Schilde auf einmal unbrauchbar. Weitaus bekannter ist jedoch der Umstand, dass der Schaft aus weichem Eisen beim Aufprall verbog udn die Waffe durchaus für den Gegner unbrauchbar wurde. Nach den Aufzeichnungenen des Historikers Plutarch verstärkte ein hölzerner Niet an der Verbindungsstelle von Eisentülle und Holzschaft diesen Effekt. Reenactoren haben das -Verbiegen der Spitze beim Aufprall erfolgreich nachgewiesen.

Festzustellen ist dabei wohl, dass sich sowohl Graham Sumner und Francois Gilbert bei ihrer Beschreibung auf den zitierten Auszug von Caesar stützen.


Edit: Fairas war etwas schneller mit seinem Beitrag.
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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Stratege » 7. Februar 2016 18:00

Hallo Str4tege"

Um das Thema vielleicht mal von einem anderen Standpunkt her anzugehen und auch, wenn ich von der Antike nicht unbedingt die große Ahnung habe, aber könntest du uns mal eine konkretere Eingrenzung verschaffen, um welche germanischen Gruppierungen es sich explizit handeln soll, wenn es das Kriegswesen betrifft? Das würde das Recherchieren zum Thema deutlich erleichtern.
Die Frage nach den Formationen ist, denke ich mehr oder weniger zufriedenstellend behandelt worden, was aber allgemeinere Fragen der Taktiken und der Bewaffnung betrifft, dürften Zeit und Ort eine nicht unwesentliche Rolle spielen, wie auch räumlich bedeingt Kontakt zu umliegenden Völkern und potentiellen Gegnern, die Bewaffnung beispielsweise dürfte am Rhein mutmaßlich andere Prioritäten gekannt haben als in Skandinavien oder den Ostgermanischen Gebieten, Die Zeit ist im Hinblik auf Rohstoffverarbeitung und Verarbeitungstechniken sicherlich auch alles andere als unwichtig.


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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Titus Pullo » 8. Februar 2016 10:02

Ich sehe es aufgrund gewisser bereits durch Galien & Fairas benannter Quellen, wie der aus Caesars Erinnerungen an den Gallischen Krieg aus der Feder eines erwiesenen Fachmannes ebenso als erwiesen an, dass genau dieser Effekt des Verbiegens eintrat. Warum sollte Caesar soetwas zu Unrecht behaupten und sich in der Öffentlichkeit lächerlich machen?

Den in Horgans Verlinkung beschriebenen (bekannten) Effekt des marianischen Pilums sehe ich vielmehr als zweite Sicherung für den Fall, dass das Verbiegen aufgrund von Verfehlungen des Ziels nicht eintrat. Nicht jeder Wurf führte ja zu einem Treffer. Hier bin ich um ehrlich zu sein verblüfft, dass diese Möglichkeit von vermeindlichen Fachleuten der Universität nicht einmal ins Kalkül gezogen wurde. Denn wie seitens Plutarch und von Caesar richtig beschrieben, erfüllte diese bemerkenswerte Waffe gleich zwei Aufgaben. Zum einen durch das wahrscheinliche und durch Caesar erwähnte Verbiegen, wurde es der Zielperson erschwert den Lanzenschaft wieder aus dem Schild zu ziehen, vor allem wenn wie geschildert gleich mehrere Schilde von einem Geschoss durchschlagen wurden. Den getroffenen wurde durch das Verbiegen ein Entfernen des Pilums erschwert und man mußte sich des Schildes entledigen. Wäre die Waffe auch nach dem Aufprall kerzengerade geblieben, was hätten den getroffenen daran hindern sollen, diese Waffe wieder herauszuziehen? Die zweite Sicherung bestand meiner Meinung nach in der beschriebenen "Knick-Option" welche es unmöglich machen sollte, bereits geschleuderte aber Ihr Ziel verfehlte Pila zurück zu werfen. Da es sich sowohl bei den sich grundlegend widersprechenden Auslegungen eines Mc Donnel und der Uni auch nur um Thesen/Meinungen von zeitlich weit entrückten Publizisten handelt, halte ich mich lieber an Autoren die diese Studienobjekte selbst in der Hand hielten. Auch vermisse ich an dieser Stelle einen vergleichenden Test mit einem "Leicht" biegsameren Eisenschaft und verweise darauf, dass es gerade auf diesem Gebiet auch andere Studien gibt. Zudem sind vor allem in barbarischen Gräbern oft schneckenhaft zusammengerollte Pila-Schäfte gefunden worden, welche den Toten wohl als Beigaben mitgegeben wurden. Es läßt sich schwer sagen, wie dies bei nicht flexiblen Speerspitzen so ohne weiteres möglich gewesen sein soll. Lediglich in der Fomulierung "einmaliger Gebrauch" stimme ich da Horgans Ansatz zu. Warum sollen die Speere auch nicht wieder verwendet worden sein?!? Denn es ist wohl anhand nur geringer Anzahlen gefundener Pila auf nachgewiesenen Schlachtfeldern davon auszugehen, dass der Sieger sie anschließend wieder einsammelte. Da davon auszugehen ist, dass die Römer im Troß auch immer mobile Essen dabei hatten, sprach also nichts dagegen die verbogenen Pila anschließend wieder zu richten und neu zu verbauen.

Was mit "neuerlichem peinlich unbegründeten Gebashe" gemeint sein soll weiß ich allerdings nicht. Und frage mich was unbegründet sein soll? Etwa der Einwand an der merkwürdigsten Behauptung:....."Es gab keine größeren, längeren Schlachten und Feldzüge in Germanien. Allerdings in Britannien....." Allein an dieser Stelle übergeht der Verfasser jener Äußerung mitunter viele Jahre andauernde Feldzüge unter Aufbietung unvorstellbaren Resouren durch Rom. Man nehme um nur einige zu nennen die Feldzüge des Tiberius, Drusus, Germanicus oder die späterer Kaiser wie z.B. Marcus Aurelius. Dagegen waren die Operationen in Britannien zumeist geringeren Ausmaßes was man beim reinen Zahlenvergleich der dokumentierten teilnehmenden Einheiten ersehen kann. Vorausgesetzt man weiß wirklich wovon man schreibt! Ohne auch noch auf die ebenfalls grenzwertige "Schildverbreitungs-Theorie einzugehen oder länger das "OT-Thema" Pilum zu bemühen, kann man aber wohl zustimmen, dass eine Abwehr von Kavallerie in Formation mit Pila wohl wahrscheinlich möglich und auch angewandt wurde.

Wer sich auch nur rudimentär mit diesem Thema auseinander gesetzt hat weiß, dass allein das Vorzeigen eines spitzen stacheligen Hindernisses, Pferde mitunter abschreckt und warum sollte eine Römische Schildwand mit rausgestellten Pila nicht die gleiche Wirkung erzielen wie die "nur" mit Bajonetten bewehrten Karrees der Briten bei Waterloo? Im Nahkampf als Stoßwaffe gegen einen Infanteriefeind machte das Pila dagegen bestensfalls bedingt Sinn.

Um noch mal das eigentliche Thema zu tangieren, kann ich mir bei barbarischen Formationen gut vorstellen, dass Germanen beim Anflug römischer Distanzwaffen wie Pfeilen, Schleuderblei oder Pila in Ihrem Ansturm kurz innehielten oder verlangsamten um sich gegenseitig durch überlappende Schilddeckung zu schützen. Wie das ausgesehen haben könnte kann man ganz gut bei Kampfzsenen aus der History-Serie Vikings sehen. Ob ich soetwas allerdings einen geschlossenen Formationskampf nennen möchte oder ehr spontanen instinktiven Schutz unabhängig vom gerade eben vorhandenen Nebenmann, sei dahin gestellt.

Es wird wohl ehr eine temporäre Ansammlung einzelner Schildwall-Haufen in der LOCKEREN germanischen Formation gewesen sein, mit dem Ziel die feindlichen Geschossen abzuwehren, um danach wieder in den weiteren Ansturm zu verfallen. Oft genug berichten zeitgenössische Quellen ja vom wildem Ansturm in punktueller Schwerpunktsetzung und mit dem Ziel eine geordnete Formation an einer bestimmten Stelle zu durchbrechen. Solche, durch keilförmige Konzentration von Angreifern auf bestimmte Frontbereiche gerichteten Ansammlungen, werden dann wohl auch zu Beschreibungen wie "Eberkopf" geführt haben. Man versuchte wohl mit purer Masse und in Kombination mit Anlauf einen punktuellen Druck zu erzeugen.

Das Problem ist nur, dass es allein durch bei diesem oft beschriebenen "wilden Ansturm" sehr schwierig ist, irgend eine geschlossene Formation zu halten. Jeder der mal selbst als Rekrut oder Ausbilder auf einem Exerzierplatz stand weiß, wie lange es mitunter dauert einen Zug oder eine Kompanie auf einfache Marchformation zu drillen. Und nun stelle man sich das mal in Divisions- oder Brigadestärke vor. Hinzu kommt, dass Drill und Disziplin regelmäßig geübt und aufgefrischt werden mußten, was voraussetzt dass betreffende Kämpfer zumindest in regelmäßigen Abständen zusammen finden. Dafür dass dies überregional in Heeresstärke von Germanen praktiziert wurde, gibt es bisher jedenfalls keinerlei Hinweise.

Und auch wenn Autoren der damaligen Zeit das Wort Formation in Zusammenhang mit Barbaren gebrauchten, ist das noch lange kein Anhaltspunkt dafür, dass damit nicht auch eine lockere Formation gemeint sein konnte. Ist ja auch eine Formation!
LG Titus Pullo

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Str4tege » 12. Februar 2016 17:50

Hallo TW-Freunde,

danke erstmal für eure Feedbacks und Recherchen! Ich habe zwischendrin nicht geantwortet, weil ich zunächst dachte es antwortet keiner mehr. Das ich mit dem Text keine kommerziellen Zwecke verfolge, mache ich das Projekt auch gerne als Open Source, daher Texte werden eingestellt und könnten von euch ergänzt oder kommentiert werden.

Ob die Germanen in geschlossenen Formationen kämpften ist vom Grundansatz her eigentlich ein Nebenthema, bei den Recherchen fand ich dazu aber soviel, dass ich es wohl auch behandeln werde. Nach Sichtung von 6 Quellen kann ich sagen, dass (bisher) alle antiken Autoren der Meinung sind die Germanen kämpfen geschlossen und alle modernen Autoren der Meinung sind sie tuen das nicht. Wo die mod. Autoren Quellen zitieren berichten sie auch von geschlossener Kampfweise, biegen diese Schilderungen aber wieder auf das Klischeebild der ungeordneten Barbarnehaufen hin.

Zu diesem Unterthema besonders ergiebig war Caesars Buch "Vom gallischen Krieg". Bekannt ist, dass Caesar gegen Ariovist kämpfte, weniger bekannt ist, dass Caesar in seinem gallischen Krieg gegen zahlreiche Germanen focht und zuletzt Germanen in seiner Armee einsetzte. Caesar kämpfte unter anderem gegen folgende Germanenstämme:

- Haruden
- Markomannen
- Triboker
- Vangionen
- Nemeten
- Sedusier
- Sueben
- Sugamber
- Usipeter
- Tenkterer
- Atuatuker (gallisierte Germanen)
- Nervier (gallisierte Germanen)

Caesar konnte, nachdem er gegen diverse Germanen in Gallien, Belgien und auch der Germania selbst gekämpft hatte deren Kriegsführung wohl gut beurteilen. Der Clou ist, dass Caesar als authentischer Augenzeuge die Germanen als stets in Formation kämpfen beschreibt:

"Doch bildeten die Germanen nach ihrer Gewohnheit rasch eine feste Linie und begegneten so dem Schwertangriff"

(Der gallische Krieg. Seite 73. 2009. Artemis & Winkler-Ausgabe ) (geschildert sit die Schlacht gegen Ariovist)

Der Teilsatz "nach ihrer Gewohnheit" signalisiert für mich, dass Caesar ausdrücken will, das alle Germanen gegen die er kämpfte so taten, also nicht nur die unter Ariovist kämpfende Koalition die er hier beschreibt.

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Str4tege » 12. Februar 2016 18:24

Stratege hat geschrieben:Hallo Str4tege"

Um das Thema vielleicht mal von einem anderen Standpunkt her anzugehen und auch, wenn ich von der Antike nicht unbedingt die große Ahnung habe, aber könntest du uns mal eine konkretere Eingrenzung verschaffen, um welche germanischen Gruppierungen es sich explizit handeln soll, wenn es das Kriegswesen betrifft? Das würde das Recherchieren zum Thema deutlich erleichtern.
Die Frage nach den Formationen ist, denke ich mehr oder weniger zufriedenstellend behandelt worden, was aber allgemeinere Fragen der Taktiken und der Bewaffnung betrifft, dürften Zeit und Ort eine nicht unwesentliche Rolle spielen, wie auch räumlich bedeingt Kontakt zu umliegenden Völkern und potentiellen Gegnern, die Bewaffnung beispielsweise dürfte am Rhein mutmaßlich andere Prioritäten gekannt haben als in Skandinavien oder den Ostgermanischen Gebieten, Die Zeit ist im Hinblik auf Rohstoffverarbeitung und Verarbeitungstechniken sicherlich auch alles andere als unwichtig.




Hallo Namensvetter,

ich habe mich entschieden, das Thema von soziologischer Ordnung ausgehend zu Behandlen. Also das Kriegswesen germanischer Kleinstämme, das Kriegswesen germanischer Großstämme und das Kriegswesen germanischer Königreiche. Dies entspricht etwa den Zeiträumen 100 v. Chr- 200 n. Chr. (das Kriegswesen germanischer Kleinstämme), 200 n. Chr. -400 n. Chr. (das Kriegswesen germanischer Großstämme) und 400. n. Chr. - 900 n. Chr (das Kriegswesen germanischer Königreiche). Der soziologische Ansatz führt meines Erachtens am Weitesten, auch wenn er das Problem der Einordnung der Stämme zu den Kategorien bringt. Bislang konnte ich aber alle gefunden egermanischen Gemeinwesen eindeutig zuordnen zu den 3 o.g. kategorien. Wenn man dies 3 Phasen mal als Ordnungbegriffe nutzt, sieht man auch, dass es Vorläufer und Nachzügler gibt. Marbod hat in der Phase germanischer Kleinstämme zu Augustus und Tiberius Zeit ein Königreich gegründet und war somit seiner zeit voraus. Da das Königtum nach seinem Tod aber nicht tradiert wurde, kann man den zeitraum von 100 v. Chr- 200 n. Chr. durchaus als das Kriegswesen germanischer Kleinstämme charakterisieren. Umgekehrt waren die Friesen und Sachsen (In Norddeutschland) Nachzügler. In der Zeit der germanischen Königreiche ab 400. N Chr haben sie noch als Kleinstamm (Friesen) bzw Großstamm (Sachsen) gelebt.

In diesem Ansatz stellt sich dann auch die Frage, warum man nicht das Frankreich des 15 Jahrhunderts als germanisches Königreich fassen sollte. Wenn man Frankreich bzw das Frankenreich um 500, 600, 700 n Chr als das Reich der Franken aufgefasst hat, warum nicht um 800, 900, 1000, 1100 usw.. Hier ist die Abgrenzung wiederum soziologisch zu sehen. Ein germanisches Königreich verstehe ich als Reich, das von einer oder wenigen Ethnien gegründet wurde, die auch namensgebend blieb (en). In dem Moment, wo die Staatsidentität die Identität eines Einzelvolkes überlagert hat, war es eben kein germanisches Königreich mehr. Beispielsweise war Wessex ein Königreich der Sachsen. Als Wessex schließlich Mercia, Anglia und damit ganz England eroberte, war es rein von der faktischen ethnischen Lage kein sächsisches Königreich mehr, sondern ein multiethnischer Staat (vielleicht mit einer sächsischen Militärelite). Analoges gilt auch für den Übergang des Frankenreiches in Frankreich und Deutschland im Mittelalter. Unter Pippin und Karl konnte man vielleicht noch von einem Königreich der Franken reden. Als das Ostfrankenreich sich abspaltete waren in dem neuen Staat die Franken nur eine Gruppe neben Sachsen, Thüringern, Allemannen und Bayern. Dementsprechend nannte es sich bald auch nicht mehr ostfrankenreich sondern Deutschland, bzw heiliges römisches Reich deutscher Nation, was der geänderten ethnischen Zusammensetzung rechnung trägt.
Zuletzt geändert von Str4tege am 12. Februar 2016 19:28, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Str4tege » 12. Februar 2016 19:10

Zur Methodik bzw. dem aktuellen Stand der Abhandlung. Aktuell betreibe ich die Arbeit in einer Art Materialsammlung bevor ich Schlussfolgerungen in einem Text ziehen werde.

Was ich Sammle:

1. Waffen
2. Einheitentypen
3. Armeetypen
4. Taktiken

wiederum differnziert nach

1. germanische Kleinstämme
2. germanische Großstämme
3. germanische Königreiche
Zuletzt geändert von Str4tege am 12. Februar 2016 19:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Horgan » 12. Februar 2016 19:14

@Pilum

"Horgan" (Öffnen)
Galien hat geschrieben:Das pilum soll auch als Speer benutzt worden zu sein? Diese These halte ich für sehr gewagt und hätte gerne eine seriöse Quelle dazu. Die Konstruktion des Pilum war gerade darauf ausgelegt, nur einmal benutzt werden zu können, nach dem Auftreffen verbog es sich so sehr, dass es nicht mehr ohne weiteres benutzt werden konnte - also äußerst ungeeignet zum Nahkampf.

Titus Pullo hat geschrieben:Als wenn es nur das wäre, einmal mehr entbehren fast alle seitens Nordstern vorgetragenen Schlussfolgerungen und Behauptungen wieder einmal einer fachlichen Grundlage. ...

Bevor das in neuerliches - und peinlich unbegründetes - nordstern-Bashing ausartet, halten wir uns doch einfach ein besagte "seriöse Quelle" bzw. "fachliche Grundlage":
http://www.leg-xiii-gem.de/FAGUA/Pilum.html (die Abhandlung der Uni Augsburg halte ich für ausreichend seriös und fachlich befähigt)

Fazit:
Von einer Konstruktion zum einmaligen Gebrauch kann per se keine Rede sein, folgt man dieser fachlichen Grundlage.

Ansonsten:
Gegen Kavallerie war das Pilum mit knapp 2 m Länge mMn - wenn nicht als Wurfspeer genutzt - ziemlich ungeeignet. Im Nahkampf konnte ein Pilum zwar durchaus leidlich verwendet werden, Spiculum oder Gaesum dürften diesbezüglich aber geeigneter gewesen sein, wenn man sich auf Speerwaffen einschießt.
Pilum - mehr Wurfspeer
Spiculum - mehr Nahkampfspeer
Gaesum - mehr der Beideskönner

Mit dem germanischen Kriegswesen hat das allerdings jetzt nicht SOVIEL zu tun.

"Fairas" (Öffnen)
Der verlinkte Text der Uni Augsburg bezweifelt nur dass das Pilum absichtlich so konstruiert ist zu verbiegen. Er bezweifelt jedoch nicht dass es des öfteren verbogen ist. Weiter sieht er bei Plutarch eine Verwechslung von Details, unterstellt ihm aber gleichzeitig keine Absicht dabei.

Wenn man noch auf andere Quellen zurückgreift, erfährt man, dass Cäsar ebenfalls von durch Pila unbrauchbar gemachten Schilden berichtet.

Quelle hat geschrieben:Gallischer Krieg I,25

Übersetzung von Wikipedia hat geschrieben:„Von großem Nachteil war es den Galliern im Kampf, dass mehrere ihrer Schilde oft durch einen Pilumwurf durchschlagen und so zusammengeheftet worden waren, dass sie, da das Eisen sich verbogen hatte, die Geschosse weder herausziehen noch mit einer derart behinderten Linken vernünftig fechten konnten; viele zogen es daher, nachdem sie den Arm eine Zeit lang geschüttelt hatten, vor, den Schild fallen zu lassen und ungeschützt zu kämpfen.“


Der Standard Kampfspeer der römische Armee ist hingegen die Hasta. Auch wenn sie unter Marius für die Legionäre abgeschafft wurde ist es unwahrscheinlich dass alle Triarier (die Truppengattung die vor Marius noch eine Hasta verwendet hat) an einem bestimmten Tag X alle ihr Hasta abgelegt haben. Viel eher wird die Umstrukturierung je nach Bedeutung einer Legion eine Weile gedauert haben.
Zumal die römische Kavallerie durchgehen den Hasta weiter verwendet hat und die Hasta auch teilweise von Hilfstruppen verwendet wurde.

Einen Spieß zur Kavallerieabwehr wie man sich das aus mittelalterlichen Filmen oder Computerspielen vorstellt brauchten die Legionäre in Westeuropa nicht, da ihre dortigen Feinde so gut wie keine Kavallerieverbände einsetzten. Die einzige Schlacht (Späte Republik und Kaiserzeit) gegen "westliche Barbaren" wo ausdrücklich beim Gegner eine größere Menge Kavallerie erwähnt wird, ist die Schlacht von Vercellae. Die Schlacht gewonnen haben allerdings die Römer.

"Galien" (Öffnen)
Es lassen sich durchaus die ein oder andere Ableitung von Quelltexten zum Einsatz des pilums zur groben Schlachtformation der germanen finden, wie anhand einiger meiner folgenden Textbeispiele gezeigt sein wird. "Peinlich unbegründet" sind unsere Aussagen sicherlich nicht Horgan, auch wenn ich erst jetzt handfeste Quellen vorhalte.

So schreibt Caesar in "Der gallische Krieg":
Den Galliern war im Kampf sehr hinderlich, dass ein Wurfspießmehrere ihrer Schilde auf einmal durchschlug und zusammenheftete, die Eisenspitze sich verbog und sie den Speer weder herausreißen noch, weil ihr linker Arm behindert war, frei kämpfen konnten so dass viele erst lange ihren Arm schüttelten, es dann aber vorzogen, den Schild fallen zu lassen und ungeschützt zu fechten"
Julius Caesar. Der Gallische Krieg, Buch 1, 25

An diesem Auszug zur Schlacht bei Bibracte (58 v.Chr.) lässt sich zum einen festhalten, das es auch nach Marius noch pila gab, welche sich nach dem Auftreffen verbogen. Darüber hinaus lässt sich daraus entnehmen, dass die Gallier (nicht weit ab von den Germanen) zumindest im Angriff in einer Art Formation anrückten, indem sie ihre Schilde überlappten, um einen besseren Schutz zu erhalten.

Um die Eigenschaften des pilum noch näher zu charakterisieren zitiere ich einmal Francois Gilbert in dem Buch "Roms HIlfstruppen und Legionäre", S. 15 (Legionär des Jahres 13 v.Chr.):
Unser Legionär ist zudem noch mit einem Wurfspeer bewaffnet, dem berührtem pilum. Auch wenn es davon zahlreiche Ausführungen gab, so lassen se sich doch in zwei Grundmuster einteilen: Zungen-pila, bei denen der lange Eisenschaft in einer Zuge ausläuft, die mit Nieten in einer Verdickung des Holzschaftes befestigt wird (vgl. etwa die Funde im augusteischen Lager in Oberaden), und Tüllen-pila, bei denen das Eisen mittels einer über den Holzschaft geschobenen Tülle befestigt wird, wie hier bei unserer Rekonstruktion; der Metallschaft endet hier in einer langen pyramidenförmigen Spitze. [...] Das pilum hatte eine hohe Durchschlagskraft und konnte einen Panzer oder einen Helm glatt durchschlagen und mehrere feindliche Schilde aneinander nageln. Wohl unter Caesar ist man zu übergegangen den Eisenschaft nicht mehr zu härten, damit sich dieser beim Auifprall auf dem gegnerischen Schild verbog, wodurch die Waffe nicht mehr gegen die eigenen Truppen verwendet werden konnte.

Daneben gibt es noch die Quelle Graham Sumner und sein Buch "Die Römische Armee - Bewaffnung und Ausrüstung", S.101:
Bevor die römischen Fußsoldaten mit ihren kurzen Stoßschwertern in den Nahkampf übergingen, schleuderten sie das pilum, schwere oder leichte Speere, in mörderischen Salven auf den Feind. Berühmt wurde diese Waffe nicht zuletzt durch die Eigenschaft, dass sich die Spitze im Schild des Gegners verhakte und ihre lange Tülle sich beim Aufprall verbog; so war es kaum möglich, sie heraus zu ziehen und zurück zu werfen. [...] Caesar zeichnete einen weiteren Vorteil dieses Durchdringungs- und Verbiegungseffektes auf: rückte der Feind in dichten Reihen vor, so dass sich die Schilde der Soldaten überlappten, durchbohrte das pilum beide und nagelte sie förmlich zusammen. So wurden gleich zwei Schilde auf einmal unbrauchbar. Weitaus bekannter ist jedoch der Umstand, dass der Schaft aus weichem Eisen beim Aufprall verbog udn die Waffe durchaus für den Gegner unbrauchbar wurde. Nach den Aufzeichnungenen des Historikers Plutarch verstärkte ein hölzerner Niet an der Verbindungsstelle von Eisentülle und Holzschaft diesen Effekt. Reenactoren haben das -Verbiegen der Spitze beim Aufprall erfolgreich nachgewiesen.

Festzustellen ist dabei wohl, dass sich sowohl Graham Sumner und Francois Gilbert bei ihrer Beschreibung auf den zitierten Auszug von Caesar stützen.


Edit: Fairas war etwas schneller mit seinem Beitrag.

Das geht sowohl am Thema, als auch an meinem Beitrag vorbei.

Abschließend
Es bringt nichts, sich in Quellen (die ich natürlich durchaus kenne, die zum Inhalt meines Beitrages aber nichts beitragen) und Details zu ergehen, wer was wann hinsichtlich des Verbiegens des Pilums und der Unbrauchbarmachung von Schilden niedergeschrieben hat.

Inhalt meines Posts waren 2 Fehlleistungen:
1. Die Behauptung, dass die Konstruktion des Pilums "gerade darauf ausgelegt [war], nur einmal benutzt werden zu können, ...". Da der Umstand - siehe mein Beleg von der Uni - wissenschaftlich mindestens umstritten ist - kann man sowas als Meinung, aber nicht als Fakt kredenzen, um die Thesen eines anderen zu widerlegen. Und ich habe nicht die einzige oder beste Quelle kredenzt, sondern die erste, die mir unterkam - es gibt freilich viel mehr.
2. Die Behauptung, "einmal mehr entbehren fast alle seitens Nordstern vorgetragenen Schlussfolgerungen und Behauptungen wieder einmal einer fachlichen Grundlage. ... ". Da - siehe mein Beleg von der Uni - die Wissenschaft durchaus auch zu nordstern konforme Thesen aufstellt, ist eben doch eine wissenschaftliche Grundlage gegeben.

Und Galien... ...lies noch mal, zu was ich "peinlich unbegründet" schrieb.
Mit keinem Wort rede ich davon,
dass Eure Aussagen peinlich unbegründet SIND, sondern
dass ich es mit einer wissenschaftlichen Quelle untermauere, - Zitat - "Bevor das in neuerliches - und peinlich unbegründetes - nordstern-Bashing ausartet". Und natürlich wäre das peinlich ausgeartet, wenn das in der Tonlage und dem inhaltlichen Stil so weitergegangen wäre.


Moderation hat geschrieben:Das mit dem Pilum ist jetzt doch reichlich OT - wenn der Threadersteller es wünscht, kann ich das Pilumthema in einen eigenen Thread auslagern - dazu bitte eine Meldung des Beitrags einstellen oder eine PN an mich senden.

Str4tege
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Re: Abhandlung zum germanischen Kriegswesen

Beitragvon Str4tege » 12. Februar 2016 19:32

"Das mit dem Pilum ist jetzt doch reichlich OT - wenn der Threadersteller es wünscht, kann ich das Pilumthema in einen eigenen Thread auslagern - dazu bitte eine Meldung des Beitrags einstellen oder eine PN an mich senden."

Danke sehe ich auch so. Die Verwendung oder Haltbarkeit von Pila (richtiger Plural von Pilum?) ist zu diesem Thema kein Nebenthema sondern im Grunde völlig unpassend. Das Thema ist durchaus auch interessant, sollte aber in einem eigenen Thread behandelt werden.