Waterloo

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Titus Pullo
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Re: Waterloo

Beitragvon Titus Pullo » 31. August 2016 12:51

nordstern hat geschrieben: Wellington ist ein defensiver General, heißt aber nicht das er nie angegriffen hat. Wenn er nicht angegriffen hätte, hätte er nie Spanien befreien können (Eroberung Badajoz, Ciudad Rodrigez, etc). Er tat es eben nur ungern bzw nicht sogut wie Verteidigen.
Ich sehe Wellington trotz militärischer Fehler als stärksten defensiven General seiner Zeit und Napoleon als offensiven Gegenpart.


Wellington als defensiven General zu betiteln nur weil er bei Waterloo eine gut zu verteidigende Riegelstellung bezogen hat, verzerrt die Geschichte etwas, meinst Du nicht? Wellinton war mitnichten ein defensiver Oberkommandierender, ehr ein nüchternder Taktiker, der nicht nur in dieser Situation das richige Näschen für die Situation hatte. Die Stellung die er bezogen hat ist in viellerlei Hinsicht Lehrbuchhaft um einen artilleristisch und in Summe offensiv überlegenem Gegner zu parieren. Dazu kam, dass er von Anfang an Respekt vor Napoleon hatte. Hatte er es während Peninsular "nur" mit Generälen und Marschällen zu tun, gegen die er oft genug offensiv vor ging, stand er nun dem damals anerkannt größten Feldherren seiner Zeit gegenüber.

nordstern hat geschrieben: Andererseits war Grochy irgendwie benebelt. Er hat es nicht mitbekommen das die Preußen umschwenkten, bzw. informierte Napoleon nicht darüber. Er hat es nicht verhindert, obwohl er große Teile von Napoleons Kavallerie hatte. Eine Armee hinterlässt immense Spuren auf den Straßen. Grochy hätte also frühzeitig erkennen müssen was passiert und Napoleon Stunden vor eintreffen der preußen informieren müssen.

Hier darf man nicht vergessen, dass man auf franz. Seite davon ausging, dass der Preuße angezählt war. Grochy sollte ja nur nachsetzen um den Gegner völlig zu schlagen, bzw. weiter zu zerstreuen. Man hatte die Situation scheinbar völlig falsch eingeschätzt und sich somit bei der Suche nach Blücher auch
nur in Richtung der plausiblen Rückzugsroute orientiert. Man weiß ja heute nicht mehr, welchen Eindruck die Preußen bei Weichen in Ligny auf die Franzosen gemacht haben. Es wird schon seinen Grund gehabt haben, dass Napoleon "nur" das Corps Grochy detachierte. An einen unbeeindruckten rein taktischen Rückzug der Preußen glaube ich darum auch nicht. Sie werden schon einen anderen Eindruck erweckt haben. Das sie sich dann so schnell wieder reorganisieren konnten, nötigt einem auf jeden Fall Respekt ab.

nordstern hat geschrieben: Wenn die Briten und Blücher ihn jedoch ins leere hätten laufen lassen, hätte Napoleon ein Problem gehabt. Zwei Armeen im Norden die ihm ausweichen und das stetig steigende Risiko das österreichische Truppen über den Rhein kommen und später die Russen. Er hätte dann mit 120.000 Mann gegen 135.000 Preußen, 100.000 Briten im Norden und vermutlich weiteren 100.000 Österreichern und 200.000 Russen im Osten kämpfen müssen. Das dies nicht geschah lag wohl an Englands Politik.

Hier wird scheinbar vergessen, dass es seitens der Allianz galt die Nachschublinien und Häfen zu decken. Wäre man wie Nordstern vorgegangen, hätte man vielleicht kurzfristig ausweichen können, wenn das auch gegen einen offensichtlich noch immer schnell operierenden Napoleon auf Dauer nicht leicht gewesen wäre. Nein man hätte sich dann auch noch aus einem feindlichen Land versorgen müssen, da ja die Möglichkeit bestand, dass Napoleon gem. dieser Strategie die Nachschubwege abschneidet. Zudem ständig aufs neue versuchen, dass der Kontakt zwischen den Heeresgruppen nicht abreißt und es eben nicht passiert, dass der Kaiser sich jeden einzeln schnappt. Zudem hätte der Anmarsch der Russen und Österreicher noch Wochen gedauert.

Da das Thema Artillerie in Bezug auf die nominelle franz. Überlegenheit hier auch schon angerissen wurde, muss man sich die besonderen Gegebenheiten bei Waterloo vor Augen führen. Das Problem, dass Napoleon hatte, war zum einen der bis Mittags aufgeweichte Boden und zum anderen die Besonderheit der britischen Stellung. Darum habe ich ja auch oben bereits auf des Dukes klevere Auswahl verwiesen. Der vom Regen aufgeweichte Grund und dazu auch noch die Hanglage sorgten dafür, dass sich die Artilleregeschosse bei Einschlag sofort in den Boden bohrten und somit kaum Wirkung erzielten. Der Hügelkamm ermöglichte es Wellington aufgrund der höheren Stellung sowohl einen großen Teil seiner Truppen und Aufstellung den Blicken des Feindes zu entziehen, als auch eine mögliche Wirkung der französischen Artillerie extrem einzuschränken. Da die Feldgeschütze damals zumeist nicht wirksam ballistisch feuern konnten, war ein effektives Bekämpfen aller Ziele hinter dem Kamm kaum möglich.

Es ist nachvollziehbar, dass diese Situation für die Franzosen äußerst unbefriedigend gewesen sein muss. Vor allem der Umstand, dass die Franzosen nicht wirklich erkennen konnten, was sich hinter dem Kamm abspielt, wird wohl in Kombination mit einer eingetretenen Ungeduld und dem Druck eine Entscheidung erzwingen zu müssen zu Ney's verhängnisvoller Entscheidung geführt haben. Hinzu kommt noch das mit Pulverrauch überzogene Schlachtfeld, die schwierige Kommunikation mit anderen Einheiten und dabei der persönliche Eindruck, dass der Gegner bei entschiedenem Anritt ins Wanken gebracht werden könne. Dazu war die britischen Kavallerie insbesondere die Scotts greys zu diesem Zeitpunkt schwer angeschlagen und man der verbündeten Kavalerie zahlenmäßig überlegen. Die Summe dieser Details wird es gewesen sein, die Ney dazu bewogen haben alles auf eine Karte zu setzen und die Kavalerie-Massenattacke zu befehlen. Hinzu kommt ja auch die moralische Wirkung die ein geschlossener Angriff von 8000 - 10000 Reitern gemacht haben muß.

Es wird an dieser Stelle immer gern erwähnt welch Versäumnis es gewesen sei, nicht sofort Infanterie nachfolgen zu lassen. Man stelle sich auf dem begrenzten Areal dazu bitte mal die Attacke von 10.000 Reitern mit samt der sich daraus entwickelnden Unübersichtlichkeit vor. In wie weit in dieser Situation ein wirksames Nachfolgen von Infanterie möglich sein soll, ohne selbst überrannt zu werden ist für mich schwer vorstellbar. Zudem hätte soetwas vorher koordiniert werden müssen und vieles spricht dafür dass dieser Kavalerieangriff situativ und spontan erfolgte.
LG Titus Pullo

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Re: Waterloo

Beitragvon nordstern » 2. September 2016 01:51

Du hast jetzt einen Kommentar von mir der schon seit langem veraltet ist zitiert statt die neuesten Beiträge zu lesen?

Große Teile davon sind schon lange veraltet.

Zu deiner letzten These:
Nein, Die Koalition hätte nicht um den Nachschub fürchten müssen. Preußen zeigt das deren Nachschub "flexibel" war, bzw ausweichen konnte. Ansonsten hätte der Rückzug gegen die Nachschublinien nie funktioniert. Problematisch sieht es aber bei den Briten aus, da hast du Recht. Ursprung dieser Aussage meinerseits war aber: Beide Armeen kommunizierten. Napoleon hatte ein Zeitproblem. Er wusste das er den Rhein nicht halten konnte. Er wusste das aus Norditalien Truppen vorrückten und er wusste das die Russen kamen. Zum Zeitpunkt von Waterloo waren die Russen noch 2 Wochen entfernt und die Österreicher überquerten gerade den Rhein und die Alpen. Napoleon musste also die Nordflanke sichern und zwar schnell. Der Rede eines College Profs in England zufolge und von Strateges Buch verfügte Napoleon über ca. 1Mio Soldaten. Aber er musste sie eben aufsplitten. Rhein, Alpen, Pyränen, Paris und sogar im eigenen Land da es immer noch Kaisertreue Truppen gab. Die Folge war eben das er "nur" die 100.000 Mann gegen Briten und Preußen führen konnte. Er wusste wohl auch das wenn sich beide verbinden sie seine Nordflanke aufrollen würden. Dem Gegenüber standen 120.000 Briten, Holländer und Deutsche, 100.000 Preußen, 250.000 Russen, ka wieviele Österreicher, etc. Insgesamt nennt der Prof ca. 1,4Mio Soldaten. Was nicht heißt das alle an den kämpfen beteiligt waren. Die Übermacht der Koalition war aber groß. Zumal Napoleon auch Truppen im Innland und um Paris stationieren musste damit die Kaisertreuen Truppen Paris nicht einfach besetzten während er in Belgien kämpft.

Wenn die Preußen nun zurückgewichen währen, hätte aufgrund der Nähe zu Wellington Napoleon ein großes Problem gehabt. Er hätte zwei intakte, starke Armeen gegen sich gehabt. Historisch schlug er die Preußen und lies Grochy diese verfolgen. Er wusste um die Gefahr. Wenn die Preußen nun nicht geschlagen gewesen währen sondern sich während dem Rückzug gesammelt hätten (was sie auch taten) hätte Napoleon Grochy mehr als 30.000 geben müssen. Da er aber auf 100.000-120.000 Briten rechnen musste und eh schon "nur" 70.000 Mann hatte. Die gesamte Taktik Napoleon setzte darauf die Preußen aus dem Spiel zu nehmen ehe Wellington einschreiten konnte.
Daher hätte meines erachtens ein Rückzug Preußens gen Norden (wie er tatsächlich stattfand, nicht entlang der Nachschublinien) Napoleon zum Rückzug gezwungen. Wellington hätte seine Häfen schützen können. Er hätte sogar seine Truppen zusammen ziehen können, da er nicht übereilt zu den Preußen kommen musste. Napoleons Plan war ein Keil zwischen die Armeen treiben, sie einzeln Vernichten und das ganze möglichst schnell und überraschend. Mit dem Rückzug der Preußen währe der Überraschungsfaktor weg gewesen und er hätte fürchten müssen zwischen den beiden Teilarmeen, die jede Stärker war als seine Armee, aufgerieben zu werden. Genau das passierte ja letzlich am Ende von Waterloo.


Zu Wellington:
Les dir mal Wellingtons Schlachten durch, schau dir seine Schlachten z.b. auf der iberischen Halbinsel an. Oder schau dir mal historische Aussagen zu Wellington an ehe du sowas sagst. Es ist in Fachkreisen unbestritten so das Wellington als defensiver General gehandelt wird, Napoleon als offensiver. Das heißt nicht das Wellington nicht angriff, sondern lediglich das er verteidigte wenn er sich es aussuchen konnte welche Rolle er einnahm und das Wellington ein sehr gutes Gespür für gutes Verteidigungsterrain hatte. Beispiele sind die Schlachten von Talavera oder Bucaco an. Fast alle seine Schlachten auf der iberischen Halbinsel waren defensiv-Schlachten. Wenn du mir nicht glaubst schau dir mal Strateges Video an. Auch der Prof da sagt klar das Wellington defensiv war.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Waterloo

Beitragvon Titus Pullo » 2. September 2016 13:10

@ Nordstern

Auf das Meißte brauch ich nicht weiter eingehen, da es allgemein bekannt ist. Abgesehen davon, habe ich hinsichtlich eines Ausweichens der Allianz nach wie vor eine andere Einstellung zu den tatsächlichen Realitäten bei Operationen auf fremden Gebiet. Und das Ausweichen nicht die beste Option bedeutete und man sich zudem nicht so sicher war, jeweils auch allein Napoleon schlagen zu können, zeigt die Bemühungen sowohl der Briten als auch der Preußen, sich zu vereinigen und den Kaiser zu stellen.

Was Deine Typisierung des Duke angeht, so bin ich da nach wie vor anderer Meinung. Zum einen machst Du ihn zu einem defensiven General, weil er in den beiden von Dir genannten Schlachten defensiv agierte. Von den Schlachten die Du nennst ließ ihm erste aufgrund der perfekten Topographie und der örtlichen Gegebenheiten kaum eine andere Wahl. Auch hatten die Briten sich vorher gegen stark agierende Franzosen zurück ziehen müssen und die Moral war angeschlagen. Wollte man die Schlacht erfolgreich schlagen, mußte man sich so verhalten. Ich nenne das nach wie vor Gespür für das Schlachtfeld. Bei Bucaco war er zahlenmäßig deutlich unterlegen und anfäglich auch noch mit teilweise unerfahrenen frischen Truppen unterwegs, die eben nicht die Erfahrung der franz. Divisonen vorweisen konnten. Er hat seinen Möglichkeiten entsprechend realistisch agiert, darum ist er nicht gleich ein defensiver Akteur. Was hätte ihm denn in der Situation ein Angriff gebracht?

Dann möchte ich die Gelegenheit nutzen und folgende i.d.R. offensiv geführte Waffengänge seitens Wellingtons zu erwähnen. Einfach dazu die Verläufe folgender Schlachten mal in Ruhe studieren, ich meine auch bei Wiki steht dort zumindest im groben das Wichtigste.:
Vimeiro 1808, Oporto 1809 (lehrbuchhaftes Offensiv - Mannöver) Ciudad Rodrigo 1812, Salamanca 1812, Badajouz 1812, San Sebastian 1812, Garcia Hernandez 1812, Vitoria 1813, Bidassoa 1813. Alles offensive Operationen seitens des Dukes!

Was heißt das jetzt nach Deiner Regel? Dass er darum ein stürmischer Haudrauf ist, weil ich mehr offensive Schlachten aufzählen konnte? Nein, sondern dass er immer seine Taktik der Situation anpasste und dadurch vor allem in Spanien so erfolgreich war. Mir ist egal welcher Professor das jetzt angeblich behauptet haben will. Ich kenne das Video nicht, bezweifle aber dass der Mann sofern ausreichend kompetent, das wirklich so platt behauptet haben soll.
Werde mir das Video heute Abend aber gern mal anschauen und mich bei Bedarf dann nochmal dazu melden.

Zur Sicherheit nochmal mein Verweis, auf das was ich im ersten Beitrag hierzu geschrieben habe. Ich sagte nicht, dass Wellesley ein offensiver General war! Er war ein kühler Stratege mit dem zumeißt richtigen Gespür für Terrain, Taktik und Gegner und damit einer der wenigen Feldherren seiner Zeit, die in der gleichen Liga wie Napoleon spielten. Ich wehre mich lediglich dagegen ihn in die Defensive Schublade zu stecken, denn das wird weder den Schlachten in Summe, noch seinen tatsächlichen Fähigkeiten gerecht. Erstaunlich, wie Napoleons geringschätzige Sicht auf Wellesley bis heute abfärbt!

Literaturquellen speziell zum Thema Spanischer Feldzug: Geschichte der Kriegskunst Bd.2 - Hans Dellbrück, Leben und Leistungen Arthur Wellesley - Aldington, Napoleon Biographie - Franz Herre,
LG Titus Pullo

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Re: Waterloo

Beitragvon Stratege » 2. September 2016 13:20

nordstern hat geschrieben:Napoleon hatte ein Zeitproblem. Er wusste das er den Rhein nicht halten konnte. Er wusste das aus Norditalien Truppen vorrückten und er wusste das die Russen kamen. Zum Zeitpunkt von Waterloo waren die Russen noch 2 Wochen entfernt und die Österreicher überquerten gerade den Rhein und die Alpen. Napoleon musste also die Nordflanke sichern und zwar schnell. Der Rede eines College Profs in England zufolge und von Strateges Buch verfügte Napoleon über ca. 1Mio Soldaten. Aber er musste sie eben aufsplitten. Rhein, Alpen, Pyränen, Paris und sogar im eigenen Land da es immer noch Kaisertreue Truppen gab. Die Folge war eben das er "nur" die 100.000 Mann gegen Briten und Preußen führen konnte. Er wusste wohl auch das wenn sich beide verbinden sie seine Nordflanke aufrollen würden. Dem Gegenüber standen 120.000 Briten, Holländer und Deutsche, 100.000 Preußen, 250.000 Russen, ka wieviele Österreicher, etc. Insgesamt nennt der Prof ca. 1,4Mio Soldaten. Was nicht heißt das alle an den kämpfen beteiligt waren. Die Übermacht der Koalition war aber groß. Zumal Napoleon auch Truppen im Innland und um Paris stationieren musste damit die Kaisertreuen Truppen Paris nicht einfach besetzten während er in Belgien kämpft.


Muss dem insofern widersprechen, als das ich mich selbst nicht zu Zahlen potentiell verfügbarer Truppen ausgelassen hatte, ob Infomationen dahingehend ad hoc herauszubekommen wären, kann ich so nicht sagen und ob ich die Million Mann, die zur Debatte stehen als Zahl ernstnehmen soll, weiß ich nicht, aber im Grunde spielt es, meine ich auch keine Rolle, denn mit den Ressourcen dieser Allian hätten es die Franzosen ohnehin nicht aufnehmen können.
Hierzu ließe sich wiederrum auch der Erklrungsanstz heranziehen, wie er bei Thierry Lentz ("1815: Der Wiener Kongress und die Neugründung Europas") dazu nahegelegt wird, könnte man vermutlich einfach argumentieren, dass der Zeitpunkt seiner Rückkehr seitens Napoleon ungünstig gewählt war, schlicht aus dem Grund, dass in Wien der Kongress noch tagte, was zweierei negative Konsequenzen zur Folge hatte:

1. Dadurch, dass die Verhandlungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren, es also immer noch den Spielraum gab diese und jene Grenze etwas zu verschieben und die einzelnen Interessen weiter gegeneinander abzuwägen, war es noch zu früh, für die beteiligten Mächte, sich gegenseitig an den Hals zu gehen weil man sich bei der Neuverteilung vo Territorien übergangen fühlte, denn Sprengstoff, boten die Fragen, was nun aus Polen,Sachsen,den Rheinlanden, Italien etc. werden sollte, lag genug herum, als dass der sich nach Abschluss der Verhandlungen dazu hätten nutzen lassen eine Koalition zu verhindern oder zu hintertreiben.

2. Dadurch, dass sich eben ein Großteil der Monarchen direkt in Wien aufhielt, als die Nachricht von Napoleons Flucht von Elba einging, konnte man anfangen über die Modalitäten einer neuen Koalition beraten, noch bevor der Selbe überhaupt Paris erreicht hatte, was eben zur Folge hatte, das Truppen sehr schnell mobilisiert werden konnten und man auch schnell darüber überein kam keine seperaten Verhandlungen mit dem Korsen zu führen, was einen grundsätzlichen Unterschied zu den anderen Koalitionskriegen darstellt.

Hätte es dagegen einfach erstmal Wochen gebraucht die Nachricht über ein zerstrittenes Europa, bis hin nach Sankt Petersburg zu bringe, also in einem Raum mit, möglicherweise geringerer Kooperationsbereitschaft, als während des Kongresses, die Kommunikationswege verlängert und die Handlungsabläufe dahingehend anders vertaktet, dass mindestens die Russen durch die langen kommunikationsverbindungen Wochen, wenn nicht Monate im Rückstand gewesen wären, hätte die Situation womöglich ganz anders ausgesehen.
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Re: Waterloo

Beitragvon Titus Pullo » 2. September 2016 14:24

nordstern hat geschrieben:Zu Wellington:
Les dir mal Wellingtons Schlachten durch, schau dir seine Schlachten z.b. auf der iberischen Halbinsel an. Oder schau dir mal historische Aussagen zu Wellington an ehe du sowas sagst. Es ist in Fachkreisen unbestritten so das Wellington als defensiver General gehandelt wird, Napoleon als offensiver. Das heißt nicht das Wellington nicht angriff, sondern lediglich das er verteidigte wenn er sich es aussuchen konnte welche Rolle er einnahm und das Wellington ein sehr gutes Gespür für gutes Verteidigungsterrain hatte. Beispiele sind die Schlachten von Talavera oder Bucaco an. Fast alle seine Schlachten auf der iberischen Halbinsel waren defensiv-Schlachten. Wenn du mir nicht glaubst schau dir mal Strateges Video an. Auch der Prof da sagt klar das Wellington defensiv war.


Um mir jetzt auf Verdacht ein über einstündiges Video anzusehen, fehlt mir die Zeit. Bitte teile mir darum den ungefähren Zeitpunkt mit, an dem der Professor die von Dir geltend gemachte Aussage mit Anspruch auf allgemeine Gültigkeit in Bezug auf Wellesley tätigt." Und damit meine ich keine Aussagen im direkten Bezug auf Waterloo, denn dass seine Stellung dort aus festgestellten Gründen defeniv war, steht hier nicht zur Disposition.

Da Du das so allgemeingültig erklärst, interessiert mich im übrigen zudem mal von welchen Fachkreisen Du sprichst. Welche ausgewiesene Fachleute teilen Deine Meinung? Irgendwelche Fachliteratur genutzt und wenn ja, welche? Oder bezieht sich Deine Aussage auf die Kreise in denen Du Dich so bewegst?
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Re: Waterloo

Beitragvon Stratege » 2. September 2016 15:24

@ Titus

Die Bezeichnung Wellingtons als defensiver Generalstypus kommt, wenn ich das richtig im Kopf habe im verlinken Video in dieser Form durchaus auch wörtlich vor, wobei man und dass wäre dann jetzt eher an nordstern gerichtet dabei im Blick behalten sollte, dass in dem Video, das auf Gemeinverständlichkeit zugeschnitten ist und nicht wirklich mehr darauf eingegangen wird, wie genau man denn zu dieser Darsteung zu gelangen gedachte.

An dieser Stelle, wäre man vermutlich mit einer Auswahl vernünftiger Wellington-Biographien besser beraten, um zu argumentieren, wie man sich im Allgemeinen argumentativ nicht auf Videos stützen sollte, die im Rahmen einer Vorlesung gemeinverständlich angelegt sind, für die Klärung der groben Rahmenbedingungen, der Geschehnisse vor und um Waterloo herum und auch als Wink mit dem Zaunpfahl für eine stärkere Auseinandersetung mit der Gesammtsituation, in der Waterloo zu sehen ist (ganz allgemein Europa 1814-1815) so wie der grundlegenden Zusammenstellungen der Armeen ist es hingegen sicherlich nützlich. An und für sich auch ein guter appetizer, sich mal aus der deutsschsprachigen Historiographie heraus zu bewegen und auch die angelsächsischen Deutungsmuster da mit einzubeziehen (die französischen wären sicher auch interessant, kann ich nur einer nichts zu sagen, weil das bei mir an der Sprachbarriere scheitert).
Der Wert liegt für sich genommen mehr darin, die durch Schulunterricht und populäre Darstellung verankerten Deutungsmuster zu relativieren und ihnen zummindest andere Hypotesen entgegen zu stellen, im Sinne einer effektiven Beweisführung ist das, auch wenn es zu anderen bekannten Aussagen passt, nicht zu verstehen.


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Edit zu den vorherigen Aussagen, deren Literaturverweis noch nachzureichen war: (Öffnen)
Sinngemäßes zitat:
Bis zum Beginn der Kampagne in Belgien blieben zwei Monate Zeit die Rüstung in Stand zu setzen. 300.000 Gewehre* wurden in Auftrag gegeben, von denen bis zum Beginn des Feldzuges allerdings erst etwa 1/4 fertiggestellt war, bei Kanonen, Munition, Pferden etc. verhielt sich der Stand ähnlich. S. 641


* Werden vermutlich eher Musketen gemeint gewesen sein

Sinngemäßes Zitat: Im Zuge des Zusammenbruchs Frankreichs wurden die außerhalb französischen Territorien in Europa verstreuten Streitkräfte Repatriiert, die Anzahl der Repatriierten Soldaten wird dabei auf ca. 180.000 Mann geschätzt.
Die Wehrpflicht war unter den Bourbonen abgeschafft worden und ihre Widereinführung von Napoleon aus politischen Überlegungen heraus bis zum 30. Mai hinausgezögert worden, die Belgien-Kampagne begann am 12. Juni S.642


Demnach kann es sich in Waterloo um keine aus Wehrpflichtigen bestehende Truppe gehandelt haben, zummindest nicht im Kern, denn ein halber Monat Ausbildungszeit reicht wohl kaum aus die Soldaten ins Feld zu werfen und angesichts des hinterherhinkenden Rüstungsstandes (siehe obiges Zitat) wäre es auch unsinnig gewesen, dass wenige, vorhandene Material unerfahrenen, zum Teil halbwüchsigen in die Hand zu drücken, denen man kürzlich eine Uniform übergestülpt hat, sondern, das wird man dann den erfahreneren Leuten gegeben haben.
Demgemäß bestand der Stamm des napoleonischen Heeres bei Waterloo mit hochgradiger Wahrscheinlichkeit aus 1814-1815 repatriierten Veteranen, aus den früheren Feldzügen.

Geteilt wird in diesem Werk im übrigen die Einschätzung Wellingtons als defensivem Generalstypus:
Wellington operierte zwar stehts vorsichtig und defensiv [...] S. 645
allerdings,
wird hier ausdrücklich die spanische Kampagne als Beleg heran gezogen, so dass auch hier geklärt werden müsste, ob man dies nun einer defensiven Mentalität oder den Verhältnisse auf der iberischen Halbinsel zuschreiben mag.

Weiterhin ist hier auch davon die Rede, das
Blücher ein geordneter Rückzug gelang
belegt wird diese Aussage allerdings nicht, so dass hier weiterhin verschiedene Deutungshypothesen mit eigenen Problemfeldern stehen bleiben müssen:

1. Man zog sich geordnet zurück, Was dann allerdings die Verfolgung der Preußen durch Grouchy mit seinen 30.000? Mann etwas irrational erscheinen lässt.
2. Es geschah eher ein ungeordneter, chaotischer Rükzug, dafür allerdings, gelang es den Preußen verdammt schnell sich wieder zu sammeln.

Bei dem Werk, dem ich diese Passagen entnommen habe, handelt es sich um: Willms, Johannes: Napoleon, Eine Biographie, 5. Auflage, München 2007, erste Auflage 2005. Es ist also keine dezidierte Schlachtbeschreibung, um die materiellen Vorraussetzungen Frankreichs zu charakterieren, ist es, meine ich ganz brauchbar.
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Re: Waterloo

Beitragvon Titus Pullo » 2. September 2016 23:42

So, habe mir eben mal die ersten 10 min dieses Vortrages angeschaut und anschließend zudem auch noch den offensichtlichen Gastredner dieser Veranstaltung mal genauer überprüft. Zum einen stimme ich Strateges Einschätzung dahingehend zu, dass sowohl in Bezug auf Art und Weise dieses Vortrages, als auch inhaltlich davon auszugehen ist, dass er sich an ein Allgemeinpublikum richtet und es sich keinesfalls um einen militärhistoriachen Fachvortrag handelt. Dem Titel nach zu urteilen, denn ich habe mir jetzt nicht die Mühe gemacht, auch noch die restlichen ca. 60 min anzuschauen, scheint dieser Vortrag thematisch eh ehr eine Einleitung zu dem eigentlichen, wohl folgendem Thema zu sein. Höchstwahrscheinlich die Folgen auf die darauffolgenden Epoche der Industrialisierung in Europa und somit die eigentliche fachliche Kernkompetenz dieses Professors. Wer sich ebenfalls die Mühe gemacht hat, sich die Vita dieses Herren einmal anzuschauen, wird schnell feststellen, dass sämtliche seiner Arbeiten fachlich in die jüngere Geschichte (spätes 19. und 20. Jhd.) fallen und scheinbar auch noch spezialisiert auf die jüngere deutsche Geschichte mit sozial gesellschaftlichem Schwerpunkt.

Ich konnte absolut keine Hinweise ermitteln, dass sich dieser Professor auch nur im mindesten fachlich nachgewiesen mit der Epoche Revolutionskriege in irgend einer Form auseinander gesetzt hätte. Dies wird meiner Meinung nach zudem noch durch die Art und Weise des Vortrags unterstrichen, da er diverse teilweise selbst für nur interessierte Laien bestens bekannte Eckdaten aus z.B. der Karriere von Napoleon mitunter ausschließlich ablesen muß und nicht in der Lage ist diese frei vorzutragen. Dies führt mich zu der Diagnose, dass er sich sehr kurzfristig u.o. ohne wirkliche Vorbereitung zu diesem Vortrag entschlossen hat und es sich thematisch zudem nicht um eines seiner Fachgebiete handeln kann.

Auf mich macht dieser Vortrag wie gesagt den Eindruck, dass er in Sachen Folgen evtl. der Einleitung für einen möglichen weiterführenden Vortragsschwerpunkt dient. Vielleicht um das anschließende etwas drögere Thema aufzupeppen. Wie dem auch sei, halte ich diesen Professor zumindest anhand recherchierbarer Faktenlage nach zu urteilen, in Bezug auf militärhistorische Aussagen nur bedingt für befähigt.
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Re: Waterloo

Beitragvon Gaius Bonus » 12. September 2016 16:19

Ich habe das Thema jetzt nachgelesen und möchte zu den beiden Punkten Wehrpflicht und Verluste des Russlandfeldzuges noch etwas schreiben. Die Zitate sind jeweils von Stratege.
- Wehrpflichtige hatten keinen, bis kaum einen Einfluss auf die Schlacht bei Waterloo auf französischer Seite.

Die Begründung hierfür bestand, wie ich mich zu erinnern meine, in diesem Werk darin, dass nach der Widereinführung der Monarchie auch das System, der revolutionären/naopleonischen Conscriptionsheere zu Gunsten einer Berufsarmee abgeschafft wurde und Napoleons Rückkehr auf den französischen Thron eben nicht unbedingt, wie in der populären (insbesondere filmischen) Darstellung verbreitet sehnsüchtig erwartet, sondern, dass in der Bevölkerung vor allem auch neue Kriege gefürchtet wurden und Bonaparte nach seiner Rückkehr von Elba somit alles andere als fest im Sattel saß, was ihn dazu veranlasste von der Aufstellung neuer Conscriptionsheere zumindest für den Moment abzusehen, was dazu führte, dass, da sich die Ereignisse nun überschlugen eine neuerliche Rekrutierung im großen Stil überhaupt nicht mehr zu machen war.


Diesen Punkt finde ich persönlich äußerst interessant und das ist mittlerweile auch bei Wikipedia eingetragen. In dem Artikel "Grande Armee" unter dem Abschnitt "1815". Unter der Fußnote 294 wird auch eine Quelle genannt, allerdings von 1865. Auch unter den Veteranen haben sich viel weniger Freiwillige gemeldet als Napoleon es eigentlich einkalkuliert hatte.

Im Rahmen des Threats ist als Gegenargument ja insbesondere das Ausbluten der Grand Armee in Russland genannt worden. Das Problem dabei ist nur, es ist immer von Verlustzahlen die Rede, selten aber davon, wie viele getötet/verwundet/gefangen wurden, dieser Schlüssel fehlt zumeist, hinzu kommen eben die Garnisionen, die in halb Europa zurrückgelassen worden waren, diese Soldaten wuden nach der Reinstalation der Monarchie in Frankreich und dem vorläufigen Ende der Kampfhandlungen allerdings zu großen Teilen "repatriiert", womit sie Napoleon nach seiner Rückkehr wieder zur Verfügung standen.


Die Verlustzahlen des Russlandfeldzuges empfand ich bisher immer als sehr vage und für mich erscheinen diese nicht zweifelsfrei geklärt. Die Meinungen gehen da ja enorm weit auseinander. Es gibt da auf der einen Seite diese Horrorzahlen von lediglich 60 Männern einer ganzen Einheit, welche den Weg zurück gefunden haben, auf der anderen Seite war Napoleon bereits schnell wieder Handlungsfähig und es wird häufig erwähnt, dass er den harten Kern seiner Armee über die Beresina retten konnte.

Ich habe vor drei Jahren verschiedene Ortschroniken wirklich kleiner Gemeinden aus den heutigen Regionen Lippe und Ostwestfalen nach den Verlustzahlen dieser Zeit durchforstet, welche zum damaligen Königreich Westphalen zuzuordnen sind. Bei Ortsheimatpflegern bekommt man solche Chroniken. Zu meiner Überraschung waren die militärischen Verluste des Russlandfeldzuges für die Größe solcher Ortschaften von 1000-2000 Einwohnern sehr hoch, höher taxiert als in den beiden Weltkriegen. Dort sind Zahlen von 10-20 Männern angegeben, von denen fast niemand aus Russland zurück gekommen zu sein scheint. Ich fand das sehr interessant und es ist wohl so, dass in Russland zum größten Teil zuerst die ausländischen Truppenteile geopfert worden sind. Das wird in den Rheinbundstaaten die Runde gemacht und sehr an der Moral genagt haben.

Es kann jedoch durchaus möglich sein, dass 60000-70000 Männer, eben hauptsächlich Franzosen (an den damaligen Reichsgrenzen gemessen), den Rückzug geschafft haben. Damit wäre zumindest ein großer Teil der imperialen Garde weiterhin verfügbar gewesen.

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Re: Waterloo

Beitragvon Stratege » 13. September 2016 15:44

@ Gaius Bonus

Zu 1

Wenn man davon ausgeht, dass das mit mit den rund 180.000 repatriierten Veteranen ungefähr hinkommt, dazu nimmt, was sich an Truppen noch in Frankreich befunden haben mag (es war ja bislang nur von repatriierten die Rede, da müssen aber 1814 noch zwischen 100.000 und 300.000 (weiß sehr unpräzise, aber ad hoc hab ich die Zahlen dazu nicht) noch in die Abwehrkämpfe in Frankreich selbst verwichelt gewesen sein, immerhin leistete man ja doch recht hartnäckigen Widerstand, diese wären also dann theoretisch auch noch zu haben gewesen, wie ich das verstehe). und dann sieht, was Napoleon in Waterloo de facto hatte, wäre dazu wohl über den Daumen hinweg zu bemerken, dass sich daraus resultierend vermutlich 1/3-2/3 der de facto verfügbaren Manpower nicht wieder zu den Waffen meldete, insofern deckt sich das vermutlich.

Zu 2
Da bin ich ehrlich gesagt überfragt, weil ich nciht weiß, wie die Zusammensetzung der einzenen Einheiten in der napoleonischen Armee ausgesehen hat. Ein Versuch ins Blaue in diese Richtung: Falls es in der französischen Armee gängige Praxis war Rekruten aus einem Ort in der selben Einheit zusammen zu fassen, würde das die stark divergierenden Zahlen erklären, weil dann nämlich die Verlustzahlen eng mit dem Schicksal einziger Regimenter und Brigaden verbunden gewesen wären.

Russland selber kann der französischen Armee einfach nicht das Genick gebrochen haben zummindest nich so weit, dass man nicht immernoch einige 100.000 zusammen bekommen hätte, sonst wären die Völkerschlacht bei Leipzig und die folgenden Kämpfe in Mitteldeutschland und Frankreich von französischer seite her gar nciht zu bestreiten gewesen.

Bei den Weltkriegen spielt sicher auch noch anderes eine Rolle, einmal, wohin die Truppen überhaupt gingen, ob in die Sowjetunion oder anderswo hin und dann vermutlich auch, ob es am Ort noch irgendwelche kriegswichtige Industrie gab, die es unabdingbar machte die Einwohner in den Fabriken zu lassen, anstatt sie zu den Waffen zu rufen.

Zum Thema ausländischer Trupenteile, erinnere ich mich wage daran, das Napoleon angeblich Metternich gegenüber erklärt haben soll, dass er in Russland mehr Deutsche und Polen als Franzosen geopfert habe, wobei das genau so gut auch einfach Legende sein kann, ich kann mich nämlich an keinerlei ernsthafte Literatur erinnern, in der ich es jemals gelesen hätte.
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Re: Waterloo

Beitragvon nordstern » 13. September 2016 16:09

Das mit den ausländischen Truppenteilen habe ich aber auch schon mal wo gehört. Nur Quelle habe ich dazu auch keine. Sinn würde es machen, da Napoleon französische Truppen brauchte um die Verbündeten an ihre "Treue" zu "erinnern".

Die Winterverluste könnten sogar stimmen (wobei ich von 80% Verlusten weis, also 95.000 der 600.000 Mann überlebten). Die Russen lieferten einige verlustreiche Schlachten ab und letzlich stoppten sie sogar Napoleon bei Bardolino oder so. Diese Schlacht war extrem blutig.
Zudem hatte Napoleon keinen Tross. Seine Armee lebte vom Land. Dass das in Russland im Winter sehr schwer ist und es damals keine Winterkleidung für Soldaten gab kann es durchaus sein das so viele starben. Meinen Informationen zufolge starben 120.000-150.000 in den Kämpfen und der Rest durch Wetter und Hunger.

Allerdings hat die Statistik einen Fehler: Sie berücksichtigt Truppen die zum Nachschubsicherung (Munition, etc) eingeteilt waren oder als Garnison eingesetzt wurden und daher schneller Russland verlassen konnten nicht. Bei den Verlusten ist immer noch von der Armee zu lesen aber nicht wie viele Truppen abgezweigt wurden. Immerhin konnte Preußen kurz nach Russland eine neue Armee aufstellen mit halbwegs erfahrenen Soldaten. Wenn tatsächlich soviele Deutsche umgekommen währen, währe das nicht möglich gewesen. Auch Bayern, Baden, Württemberg, etc kämpften ja weiter gegen Napoleon ebenso wie die Länder auf seiten Napoleons. Auch Gefangene werden nicht berücksichtigt. Es muss aber sehr viele gegeben haben, da Napoleons "neue" Armee zu großen Teilen auch aus Kriegsrückkehrern also entlassenen Gefangenen basierte.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Waterloo

Beitragvon Stratege » 13. September 2016 19:07

nordstern hat geschrieben:Die Winterverluste könnten sogar stimmen (wobei ich von 80% Verlusten weis, also 95.000 der 600.000 Mann überlebten). Die Russen lieferten einige verlustreiche Schlachten ab und letzlich stoppten sie sogar Napoleon bei Bardolino oder so.


https://de.wikipedia.org/wiki/Bardolino_(Venetien)

Nicht böse gemeint, aber der Beitrag gehört ins best of. ^^
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Re: Waterloo

Beitragvon Stratege » 23. September 2016 18:02

Kleines Update Armeevergleich:

Armeevergleich (Öffnen)
Die Armée du Nord
Als Napoleon 1815 nach Frankreich zurückkehrte, befand sich die Armee in einem desaströsen Zustand. Sie hatte nominell die Stärke von 200.000 Mann, von denen jedoch weniger als die Hälfte verfügbar war. 32.800 Soldaten waren gerade entlassen worden, weitere 82.000 desertiert. Angesichte der Kriegserklärung der Alliierten musste Napoleon aus diesem Resten in wenigen Monaten eine Armee formen. Mangel herrschte an allem, von Rekruten über Waffen und Munition bis zu Uniformen und Schuhen. Es gelang innerhalb von drei Monaten ca 500.000 Slodaten zu versammeln, wobei allerdings nur eine Minderheit für den Dienst in Feldarmeen geeignet war und ausgerüstet werden konnte. Insbesondere gelang es auch 56.000 Pferde bereit zu stellen, womit Napoleon zum ersten mal seit 1812 wieder über einen nennenswerte Kavallerie verfgügte. Während ein Großteil der neuen Soldaten auf Festungen und Garnisonen an den Grenzen und in unruhigen Regionen eingesetzt wurde, wurde aus den fähigsten Soldaten die 123.000 Mann starke Armée du Nord gebildet. Diee Armee war zweifellos die beste, die Napoleon seit langem ins Feld geführt hatte: die unerfahrensten Soldaten waren die der levée des Jahres 1814 und hatten immerhin schon im Frankreichfeldzug gekämpft. Der Großteil der Soldaten hatte aber deutlich mehr Erfahrung. Außerdem besaß die Armee ein ausgewogenes Verhältnis der einzelnen Waffengattungen zueinander. 85.250 Infanteristen standen 20.586 Mann bei der Kavallerie und 350 Geschütze bei der Artillerie gegenüber. Probleme gab es allerdings mit den höheren Offizieren: Viele hatten 1814 die Seite gewechselt, und die einfachen Soldaten misstrauten ihnen vielfach. Gesteigert wurde dieses Misstrauen noch durch Überläufer wie den General Bourmont, der kurz vor der Schlacht bei Ligny mit allen Befehlen und Schlachtplänen zum Feind überwechselte.
Am Morgen des 18. Juni, nach den Schlachten von Ligny und Quatre Bras und abzüglich Grouchys Korp, blieben Napoleon noch 77.500 einsatzfähige Soldaten in folgender Verteilung:
Infanterie 103 Bataillone verteilt auf zwölf Divisionen, umfasste 53.400 Mann. Davon gehörten 32.189 Soldaten in 66 Bataillonen zur regulären Linieninfanterie und 8.511 in 15 Bataillonen zur infanterie legére. Die junge Garde bildeten 4283, die mittlere 3587 und die vielle garde 4840 Soldaten in ursprünglich je acht Bataillonen (die mittlere Garde konnte nach den Verlusten von Ligny nur sechs aufstellen).
Napoleon konnte bei Waterloo über 113,5 Schwadronen Kavallerie gebieten, insgesamt 15.600 Mann. Diese bestanden zur einen Hälfte (7798 Reiter in 57,5 Schwadronen) aus schwerer Kavallerie, also Cuirassiers, Carabiniers, Dragons, Grenadiers à Cheval und Gendarmes d'Elite, zur anderen Hälfte (7787 Reiter in 56 Schwadronen) aus Chausseurs à Cheval, Lanciers und Hussards.
Die französische Armee verfügte über 246 Geschütze (142 Sechspfünder, 36 Zwölfpfünder und 68 Haubitzen) bei 22 Fuß- und 12 berittenen Kompanien, die insgesamt etwa 6.55 Mann umfassten. Die Kompanien zu Fuß verfügten über sechs Kanonen eines Kalibers und zwei Haubitzen, die berittenen über vier Schspfünder und zwei Haubitzen.

Wellingtons Armee bei Waterloo:

Die Rückkerh Napoleons traf Großbritannien zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Einerseits hatte an nach dem Frieden von Paris die Armee massiv reduziert, andererseits befand sich ein Großteil der verfügbaren Regimenter noch in Kanada. Als Wellington das Kommando über die Armee in Belgien übernahm, zählte diese 15.000 Mann, davon viele aus eigentlich als Reserve gedachten zweiten und dritten Battailonen. Die Regierung in London hatte große Schwierigkeiten ihn mit mehr Soldaten zu versorgen. Die Situation in Irland und die Aufstände in ondon nach den Corn Laws von 1815 ließen den Abzug von Garnisonstruppen nicht zu. Dazu hätte die Miliz einberufen werden müssen. Doch da man sich nur mit Napoleon und nicht mit Frankreich im Krieg befand, war das nicht möglich. Im Juni 1815 wa Wellingtons Armee, verstärkt durch niederländische, nassauische und hannoversche Truppen, auf 112.000 Soldaten angewachsen, eine an Ausbildungsstand, Motivation und Kampfesweise sehr inhomogene Streitmacht. Sie bestand zu 36% aus Briten, zu 17% aus hannoverschen Truppen und zu 10% aus der King's German Legion. Weiterhin kamen 13% aus Holland, 10% aus Nassau, 8% aus Braunschweig und 6% aus Belgien. Welington suchte die Unterschiede auszugleichen, indem er in seinen Divisionen Einheiten verschiedener Erfahrung und Nationalität mischte.
Am Morgen des 18. Juni stand ihm eine etwa 73.200 Mann starke Streitmacht zur Verfügung. Die Differenz zu den oben genannten 112.000 Soldaten resultiert aus den Verlusten bei Quatre Bras und der Notwendigkeit, in Belgien Garnisonen zu besetzen.
Die Infanterie, 53.850 Soldaten in 84 Bataillonen, bestand nur zu 30% aus Briten. Dieses Kontingent setzte sich zusammen aus vier Bataillonen Foot Guards, 16 inienbataillonen und drei Bataillonen leichter Infanterie. Hinzu kamen noch die ersten drei Bataillone des 95th Rifle, wobei das 3/95 gerade mal zwei Kompanien ins Feld führen konnte. Die King's German Legion stellte 6 Bataillone Linieninfanterie, und ihre beiden leichten Bataillone mit insgesamt 4200 Mann etwa 9,5% der gesamten Infanterie.
Wellingtons Kavallerie bestand aus 29 Regimentern mit insgesamt 13.350 Reitern. Davon waren 49% britische Truppen und weitere 17% Kavallerie der King's German Legion, die sich zu diesem Zeitpunkt in Ausbildung und Erscheinungsbild schon stark an britische Einheiten angeglichen hatte. Somit wurde nur ein Drittel der Kavallerie (vier holländische, drei belgische und je ein hannoversches und Braunschweiger Regiment) von Verbündeten gestellt, während deren Anteil bei der Infanterie bei über 60% lag. 29% der Kavallerie waren als "schwer" klassifiziert, neben den vier Regimentern Household Cavalry drei Regimenter schwerer Dragoner und drei Regimenter niederländischer Carabiniers. Die leichte Kavallerie bildeten neun Regimenter leichter Dragoner und 10 Regimenter Husaren.
Die Artillerie, 5000 Mann mit 157 Geschützen, wurde ebenfalls mehrheitlich von britischen Streitkräften gestellt; 49% waren britische Geschütze und weitere 11,5% solche der King's German Legion. Insgesamt hatte Wellington 67 Sechs- und 60 Neunpfünder für seine Armee, außerdem 30 Haubitzen. 74 Geschütze gehörten zu Kompanien zu Fuß, 83 waren bei der berittenen Artillerie; allerdings wurden letztere bei Waterloo zum Teil auf festen Positionen entlang der Verteidigungslinie gebraucht; ihre höhere Mobilität konnte daher nur wenig genutzt werden.

Meiborg, Manuel: Die Armeen bei Waterloo - ein Vergleich, in: Waterloo - 18. Juni 1815, Vorgeschichte, Verlauf und Folgen einer europäischen Schlacht, Schmid, Josef Johannes [hrsg.], Bonn 2008, S.229-S.232.


sollte zur groben Orientierung bezüglcih tatsächlicher Truppenstärken bei Waterloo ganz nützlich sein.
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Re: Waterloo

Beitragvon Titus Pullo » 26. September 2016 14:22

Stratege hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:Die Winterverluste könnten sogar stimmen (wobei ich von 80% Verlusten weis, also 95.000 der 600.000 Mann überlebten). Die Russen lieferten einige verlustreiche Schlachten ab und letzlich stoppten sie sogar Napoleon bei Bardolino oder so.


https://de.wikipedia.org/wiki/Bardolino_(Venetien)

Nicht böse gemeint, aber der Beitrag gehört ins best of. ^^


Ich nehme mal schwer an, er meinte Borodino, auch wenn die Russen es auch dort nicht schafften Napoleon zu stoppen. Diese Schlacht war wenn man die beiderseitigen Verluste betrachtet ehr ein Unentschieden mit Vorteil für Bonapart. Die dabei entstandenen hohen Verluste auf russischer Seite führten dazu, dass man eben nicht mehr in der Lage war die Franzosen noch vor Moskau aufzuhalten.
LG Titus Pullo

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Re: Waterloo

Beitragvon Stratege » 26. September 2016 20:37

Titus Pullo hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:Die Winterverluste könnten sogar stimmen (wobei ich von 80% Verlusten weis, also 95.000 der 600.000 Mann überlebten). Die Russen lieferten einige verlustreiche Schlachten ab und letzlich stoppten sie sogar Napoleon bei Bardolino oder so.


https://de.wikipedia.org/wiki/Bardolino_(Venetien)

Nicht böse gemeint, aber der Beitrag gehört ins best of. ^^


Ich nehme mal schwer an, er meinte Borodino, auch wenn die Russen es auch dort nicht schafften Napoleon zu stoppen. Diese Schlacht war wenn man die beiderseitigen Verluste betrachtet ehr ein Unentschieden mit Vorteil für Bonapart. Die dabei entstandenen hohen Verluste auf russischer Seite führten dazu, dass man eben nicht mehr in der Lage war die Franzosen noch vor Moskau aufzuhalten.

Mir ist durchaus klar, dass das unbeabsichtigt war und was er meinte, trotzdem fand ich die daraus unabsichtlich entstandene Aussage "Napoleons Russlandfeldzug wurde am Gardasee gestoppt" irgendwie ulkig.
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