nordstern hat geschrieben: Wellington ist ein defensiver General, heißt aber nicht das er nie angegriffen hat. Wenn er nicht angegriffen hätte, hätte er nie Spanien befreien können (Eroberung Badajoz, Ciudad Rodrigez, etc). Er tat es eben nur ungern bzw nicht sogut wie Verteidigen.
Ich sehe Wellington trotz militärischer Fehler als stärksten defensiven General seiner Zeit und Napoleon als offensiven Gegenpart.
Wellington als defensiven General zu betiteln nur weil er bei Waterloo eine gut zu verteidigende Riegelstellung bezogen hat, verzerrt die Geschichte etwas, meinst Du nicht? Wellinton war mitnichten ein defensiver Oberkommandierender, ehr ein nüchternder Taktiker, der nicht nur in dieser Situation das richige Näschen für die Situation hatte. Die Stellung die er bezogen hat ist in viellerlei Hinsicht Lehrbuchhaft um einen artilleristisch und in Summe offensiv überlegenem Gegner zu parieren. Dazu kam, dass er von Anfang an Respekt vor Napoleon hatte. Hatte er es während Peninsular "nur" mit Generälen und Marschällen zu tun, gegen die er oft genug offensiv vor ging, stand er nun dem damals anerkannt größten Feldherren seiner Zeit gegenüber.
nordstern hat geschrieben: Andererseits war Grochy irgendwie benebelt. Er hat es nicht mitbekommen das die Preußen umschwenkten, bzw. informierte Napoleon nicht darüber. Er hat es nicht verhindert, obwohl er große Teile von Napoleons Kavallerie hatte. Eine Armee hinterlässt immense Spuren auf den Straßen. Grochy hätte also frühzeitig erkennen müssen was passiert und Napoleon Stunden vor eintreffen der preußen informieren müssen.
Hier darf man nicht vergessen, dass man auf franz. Seite davon ausging, dass der Preuße angezählt war. Grochy sollte ja nur nachsetzen um den Gegner völlig zu schlagen, bzw. weiter zu zerstreuen. Man hatte die Situation scheinbar völlig falsch eingeschätzt und sich somit bei der Suche nach Blücher auch
nur in Richtung der plausiblen Rückzugsroute orientiert. Man weiß ja heute nicht mehr, welchen Eindruck die Preußen bei Weichen in Ligny auf die Franzosen gemacht haben. Es wird schon seinen Grund gehabt haben, dass Napoleon "nur" das Corps Grochy detachierte. An einen unbeeindruckten rein taktischen Rückzug der Preußen glaube ich darum auch nicht. Sie werden schon einen anderen Eindruck erweckt haben. Das sie sich dann so schnell wieder reorganisieren konnten, nötigt einem auf jeden Fall Respekt ab.
nordstern hat geschrieben: Wenn die Briten und Blücher ihn jedoch ins leere hätten laufen lassen, hätte Napoleon ein Problem gehabt. Zwei Armeen im Norden die ihm ausweichen und das stetig steigende Risiko das österreichische Truppen über den Rhein kommen und später die Russen. Er hätte dann mit 120.000 Mann gegen 135.000 Preußen, 100.000 Briten im Norden und vermutlich weiteren 100.000 Österreichern und 200.000 Russen im Osten kämpfen müssen. Das dies nicht geschah lag wohl an Englands Politik.
Hier wird scheinbar vergessen, dass es seitens der Allianz galt die Nachschublinien und Häfen zu decken. Wäre man wie Nordstern vorgegangen, hätte man vielleicht kurzfristig ausweichen können, wenn das auch gegen einen offensichtlich noch immer schnell operierenden Napoleon auf Dauer nicht leicht gewesen wäre. Nein man hätte sich dann auch noch aus einem feindlichen Land versorgen müssen, da ja die Möglichkeit bestand, dass Napoleon gem. dieser Strategie die Nachschubwege abschneidet. Zudem ständig aufs neue versuchen, dass der Kontakt zwischen den Heeresgruppen nicht abreißt und es eben nicht passiert, dass der Kaiser sich jeden einzeln schnappt. Zudem hätte der Anmarsch der Russen und Österreicher noch Wochen gedauert.
Da das Thema Artillerie in Bezug auf die nominelle franz. Überlegenheit hier auch schon angerissen wurde, muss man sich die besonderen Gegebenheiten bei Waterloo vor Augen führen. Das Problem, dass Napoleon hatte, war zum einen der bis Mittags aufgeweichte Boden und zum anderen die Besonderheit der britischen Stellung. Darum habe ich ja auch oben bereits auf des Dukes klevere Auswahl verwiesen. Der vom Regen aufgeweichte Grund und dazu auch noch die Hanglage sorgten dafür, dass sich die Artilleregeschosse bei Einschlag sofort in den Boden bohrten und somit kaum Wirkung erzielten. Der Hügelkamm ermöglichte es Wellington aufgrund der höheren Stellung sowohl einen großen Teil seiner Truppen und Aufstellung den Blicken des Feindes zu entziehen, als auch eine mögliche Wirkung der französischen Artillerie extrem einzuschränken. Da die Feldgeschütze damals zumeist nicht wirksam ballistisch feuern konnten, war ein effektives Bekämpfen aller Ziele hinter dem Kamm kaum möglich.
Es ist nachvollziehbar, dass diese Situation für die Franzosen äußerst unbefriedigend gewesen sein muss. Vor allem der Umstand, dass die Franzosen nicht wirklich erkennen konnten, was sich hinter dem Kamm abspielt, wird wohl in Kombination mit einer eingetretenen Ungeduld und dem Druck eine Entscheidung erzwingen zu müssen zu Ney's verhängnisvoller Entscheidung geführt haben. Hinzu kommt noch das mit Pulverrauch überzogene Schlachtfeld, die schwierige Kommunikation mit anderen Einheiten und dabei der persönliche Eindruck, dass der Gegner bei entschiedenem Anritt ins Wanken gebracht werden könne. Dazu war die britischen Kavallerie insbesondere die Scotts greys zu diesem Zeitpunkt schwer angeschlagen und man der verbündeten Kavalerie zahlenmäßig überlegen. Die Summe dieser Details wird es gewesen sein, die Ney dazu bewogen haben alles auf eine Karte zu setzen und die Kavalerie-Massenattacke zu befehlen. Hinzu kommt ja auch die moralische Wirkung die ein geschlossener Angriff von 8000 - 10000 Reitern gemacht haben muß.
Es wird an dieser Stelle immer gern erwähnt welch Versäumnis es gewesen sei, nicht sofort Infanterie nachfolgen zu lassen. Man stelle sich auf dem begrenzten Areal dazu bitte mal die Attacke von 10.000 Reitern mit samt der sich daraus entwickelnden Unübersichtlichkeit vor. In wie weit in dieser Situation ein wirksames Nachfolgen von Infanterie möglich sein soll, ohne selbst überrannt zu werden ist für mich schwer vorstellbar. Zudem hätte soetwas vorher koordiniert werden müssen und vieles spricht dafür dass dieser Kavalerieangriff situativ und spontan erfolgte.