Pastete hat geschrieben:Zum zweiten lag die Entscheidung, nach Ägypten vorzustoßen, nicht bei ihm. Er hat die Briten in Libyen total verdroschen, was seine Aufgabe war. Die Entscheidung, dass er weiter vorrücken sollte, lag beim OKH und Hitler.
Drittens ist die Behauptung, der Afrikafeldzug sei dadurch eskaliert, völliger Schmarrn. Die Alliierten hatten kaum einen Mangel an Mensch und Material. Jede weitere Front kam ihnen gelegen. Das war bei den Achsenmächten nicht der Fall. Für sie ging es darum, so viele Fronten wie nur möglich so schnell wie nur möglich zu beenden. Dafür gab es nur zwei Möglichkeiten: Den Maghreb entweder komplett zu erobern oder aber komplett aufzugeben.
Noch ein Grund warum die Entscheidung zur Offensive deshalb als totalen Schmarrn abzutun und das Rommel anzulasten, selbst totaler Müll ist.
So, nachdem man sich hierrum im "Untergang-des-dritten-Reichs threat hierrum gefetzt hat, wird es denn, denke ich Zeit der Frage was da nun "völliger Schmarrn" ist einmal näher nachzugehen und etwas Literatur darum zu bemühen, dazu möchte ich zunächst einmal mit der fogenden Passage ansetzen:
Der Erfolg bei den Schaukelkämpfen in der nordafrikanischen Wüste hing davon ab, wem es gelang, die Luftherrschaft über dem Kampfgebiet zu sichern und die größere Menge Treibstoff, Munition und Menschen an die Front zu bringen. Die Briten mit ihren sicheren Stützpunkten Gibraltar, Malta und Alexandria beherschten den Luftraum und vermochten den Schiffsverkehr der Achse auf den Seewegen zwischen Italien und Nordafrika derart zu dezimieren, daß einer ernsthaften Offensive gegen Ägypten von vornherein die Stoßkraft genommen war. Das italieniche Oberkommando beschloß daher, sich auf Malta zu konzentrieren, und begann Anfang 1942 mit den Planungen für Unternehmen "Herkules", eine kombinierte See-Luft-Operationgegen die Insel, die am 10. Juni beginnen sollte. Wenn sich dieses Unternehmen zeitgleich mit einem Vorstoß vom Kaukasus südwärts in Richtung Ägypren verbinden ließ, mußte es möglich sein, das Kräfteverhältnis im Mittelmeer entscheidend zugunsten der Achse zu verändern. [...]
Die deutschen Militärs hingegen betonten, wenn die Achsentruppen nicht zunächst Tobruk besetzten und wenigstens die ägyptische Grenze erreichten, würden die Engländer mit entscheidender Unterstützung, der auf Malta stationierten Royal Air Force die Initiative in der Wüste ergreifen. Wie üblich, musste Cavallero nachgeben und den deutschen Plan akzeptieren. [...]
In den folgenden Maiwochen gelang es durch den Einsatz deutscher Flugzeuge über dem Zentralmittelmeer, so viel Nachschub nach Nordafrika zu bringen, daß Rommel von seinen libyschen Stützpunkten nach Osten aufbrechen konnte. Er begann seine Offensive am 26. Mai. Zur gleichen Zeit verlor die Achse die Geleitzugschlacht im Zentralmittelmeer, und die Briten brachten unter schweren Opfern Verstärkungen nach Malta. Am 21. Juni schrieb der Duce an Hitler: "Im Mittelpunkt unseres strategischen Plans steht das Problem Malta... Soll das Unternehmen noh dieses Jahr ausgeführt werden, so ist der August der letzte Termin; nachher müßten wir bis zum Sommer 1943 warten, was Konsequenzen hätte, die sie genau kennen. [...]
Doch der schnelle Vormarsch Rommels brachte die Strategie des gleichzeitigen Vorgehens gegen Malta und Ägypten aus dem Geleise. Am 21. Juni nahmen die Achsentruppen Tobruk. Am Tag darauf erreichte Cavallero, daß Mussolini Befehl gab, den Vormarsch an der ägyptischen Grenze zu stoppen und einen Teil der Luftstreitkräfte für das bevorstehende Malta-Unternehmen abzuziehen. Als Rommel am 23. Juni Mussolinis Weisung erhielt, sagte erdem italienischen Verbindungsoffizier bei seinem Stab, er gedenke seinen Vormarsch nach Ägypten hinein fortzusetzen, und bis zum persischen Golf durchzustoßen. Am gleichen Tag informierte Rintelen in Rom Cavallero, daß er Instruktionen im gleichen Sinne vom deutschen Oberkommando habe. Kesselring shrieb später darüber: "Rommel übte zu jener Zeit einen fast hypnotischen Einfluss auf Hitler aus, der eine eigene objektive Lagebeurteilung nahezu ausschloß".
Am 23. Juni bestätigte Hitler in einem Brief an Mussolini, daß er persönlich den verhängnissvollen Befehl erteilt hatte, die operation gegen Malta aufzugeben:
"Das Schicksal hat uns eine Chance geboten, die auf dem gleichen Kriegsschauplatz nie wiederkehren wird. Das militärische Hauptziel muß meiner Ansicht sein, sie so restlos und schnell wie möglich auszunutzen. Bisher habe ich stets jeden geschlagenen Feind so weit und vollständig verfolgen lassen, wie unsere Kräfte es zuließen. Die britische 8. Armee ist praktisch vernichtet. In Tobruk, dessen Hafenanlagen fast unversehrt sind, bwsitzen sie einen Stützpunkt, Duce, der umso wichtiger ist, als die Engländer selbst eine Eisenbahn von dort bis beinahe nach Ägypten gebaut haben. Wenn die Überreste dieser britischen Amee nicht von jedem Soldaten verfolgt werden, so lange sein Atem reicht, wird das Gleiche geschehen, was die Engländer um den Sieg brachte, als sie ganz kurz vor Tripolis plötzich stehenblieben und Truppen nach Griechenland schickten. Nur diesem kapitalen Fehler des britischen Oberkommandos ist es zu verdanken, daß unser Einsatz mit der Rückeroberung der Cyrenaika gekrönt wurde.
Wenn unsere Truppen jetzt nicht in das Herz Ägyptens vorstoßen, soweit es menschenmöglich ist, werden wir zunächst eine Zufuhr von amerikanischen Langstreckenbombern erleben, die mit Leichtigkeit Italien erreichen können. Weiterhin wird eine Konzentration aller britischen und amerikanischen Streitkräfte folgen, wo immer sie zusammengezogen werden können. Die Lage wird sich sehr bald gegen uns kehren. Aber wenn wir den Feins schonungslos verfolgen, wird er erledigt sein. Diesmal kann Ägypten unter Umständen England entrissen werden. Die Konsequenzen eines solchen Schlages wären von Weltbedeutung. Unsere Offensive, der wir durch dei Einnahme von Sewastopol die Bahn bereiten, wird zum Fall der gesamten östlichen Struktur des britischen Weltreichs beitragen. Wenn ich ihnen, Duce, in dieser historischen Stunde, die sich nciht wiederholen wird, on ganzem Herzen einen Rat geben darf, so lautet er: Befehlen sie, die Operationen bis zur völligen Vernichtung der britischen Streitkräfte fortzusetzen, soweit es ihr Oberkommando und Feldmarschall Rommel mit ihren Kräften für militärisch vertretbar halten.
Die Göttin des Glücks streift den Krieger in der Schlacht nur einmal. Wer sie in diesem Augeblick nicht ergreift, bekommt sie sehr oft nie wieder zu fassen"
(Anmerkung bezüglich der letzten Textstelle, sie zitiert nach: Italienische Sammlungen, Hitler an Mussoini, 23. Juni 1942 [rückübersetzt]; gekürzt in Cavallero S. 277/278 (bezieht sich auf: Cavallero, U., Commando Supremo, Diario 1940-42, Capelli 1948.)
Die Versuchung war unwiderstehlich; es winkte ein Umsturz im Kräfteverhältnis des Krieges überhaupt. Die Reserven wurden rücksichtsos bis zum letzten eingesetze. Cavallero und Kesselring warnten vergebens: Wenn Rommel seinen Nachschubbasen davonliefe, sei die Katastrophe nciht aufzuhalten; die Briten brauchten sich nur auf ihre Stützpunkte Alexandria und Suez zurrückziehen, während die Achsentruppen ihre Versorgungs- und Luftsicherungslinien bis zum Zerreißen ausdehnen müßten.
Deakin, Frederic William: Die brutale Freundschaft, Hitler, Mussolini und der Untergang des italienischen Faschismus (englischer Orriginaltitel: "The Brutal Friendship"), Übersetzung: Karl Römer, London, Berlin, Köln, 1962 S. 36-39.
So, was sagt uns das nun?
Zunächst einmal, dass der ursprüngliche Plan darin bestand sich bis zur Einnahme von Malta defensiv zu halten, dieser dann aber zugunsten einer früheren Offensive gegen Ägypten aufgegeben wurde.
Insofern hatte Rommel ab einem gewissen Zeitpunkt Order gegen Ägpten vorzugehen und zwar möglichst weit hinein. Die vorletzte, (und mMn für diese Diskussion wichtigste Passage) stellt aber auch ausdrücklich heraus, dass dies kein Befehl zum Angriff um jeden Preis war und Hitler Rommel, durchaus die Kompetenz zugestanden sehen wollte, das Manöver zu stoppen, wenn dieser keine Möglichkeit zum weiteren Vorgehen sah.
Die Warnungen bezüglich materieller Situation und deren zunehmender Schwierigkeit, je weiter es gen Osten ging, wie auch die Bedeutung des Abbruchs der Malta-Unternehmung zu diskutieren, sind, meine ich überflüssig. Die Andeutung Rommels, auf die oben Bezug genommen wird, nach der er "gedachte bis zum persischen Golf vorzugehen" ist nun mehr ein Indiz als ein Beweis, lässt aber wohl auch eher darauf schließen, dass dies nicht eine Weiseung von oben war, die nicht mit seinen persönlichen Vorstellungen im Einklang stand.
Von diesem Standpunkt aus, könnte man also durchaus sagen, dass Rommel die Eskalation des Feldzuges und sein Fiasko zu verantworten hatte, aus dem einfachen Grund heraus, dass er hiernach Vollmacht seitens Hitler gehabt hätte, das Unternehmen abzubrechen, wenn es über die eigenen Kräfte hinaus gegengen war, was er aber nicht tat. Der Textstelle nach, hätte er jederzeit mit Verweis auf den mangelnden Nachschub zummindest stehenbleiben, wenn nicht kehrtmachen können, mindestens den ursprünglichen Instruktionen nach, die er erhalten haben müsste, weil alles andere dieser Korrespondenz widersprechen würde, nur warum sollte er Mussoini seinen eigenen Vorstellungen diametral entgegengesetzte Ideen in den Kopf verpflanzen?
Als Standartkritikpunkt an dem zitierten Werk, könnte man sicherlich sein alter angeben und dass es den aktuellen Vorschungsstand nicht mehr rezipieren dürfte, allerdings zitiert die entscheidende Passage lediglich ein Schreiben Hitlers an Mussolini und dessen Inhalt ändert sich nicht, sofern ist die Stützung darauf auch nicht die Stützung auf eine überkommene Interpretation, sondern auf eine edierte, in Teilen in einem sekundärliterarischen Werk abgedruckte Primärquelle.
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So, nun bin ich sehr gespannt, was derjenige, der im Bezug hierrauf "völligen Schmarrn" unterstellt hat, dem entgegen halten kann (ich vermute mal nichts, da die Argumentationsweise nicht unbedingt auf irgendeine tiefergehende Beschäfftigung mit der Thematik schließen lässt).
Im Übrigen sei ihm noch Geographieunterricht dahingehend erteilt, das man Ägypten eigentlich nicht als Teil des Maghreb versteht, sondern diese Bezeichnung betrifft Lybien und die Gebiete westlich davon, vor allem also Nordwest-Afrika.