Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

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Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Hexenkönig » 4. Dezember 2016 16:21

Bevor Wüsti auch gleich dieses mein Thema wieder schließt... diese Frage ist historischer/zeitgeschichtlicher und NICHT politischer Natur, also haltet auch eurer Antworten entsprechend so (stimmts Stratege oder Blücher? :P :strategie_zone_82: )

Durch Dokus auf ORF III bin ich dem Thema Österreichischer Staatsvertrag 1955 wieder näher gekommen, mit dem die Zweite Republik Österreich nach der Besatzung wieder in ihrer Souveränität vollständig wiederhergestellt wurde. Für Österreicher war das natürlich DAS Ereignis jener Zeit und der Staatsvertrag nimmt auch heute noch einen sehr hohen, auch emotionalen Stellenwert in der Bevölkerung ein. Da habe ich mich gefragt, ob es eigentlich auch ein vergleichbares deutsches Dokument bzw. Ereignis gibt. Was wäre das deutsche Gegenstück zum österreichischen Staatsvertrag in dessen Geschichte? Die Gründung der DDR und der BRD 1949? Die deutsche Wiedervereinigung? Der Zwei-plus-Vier-Vertrag? Oder etwas völlig anderes?

Ich erwarte mir eine völlig sachliche, einfache Beantwortung dieser Frage, keine politischen Behauptungen/Anschuldigungen, die gleich wieder Wüsti auf den Plan rufen, keine Reichsbürger-Reden oder sonstigen Verschwörungsblödsinn über die deutsche Souveränität, NICHTS in der Richtung, sondern völlige Konzentration auf die gestellte Frage, haben wir uns verstanden?! :strategie_zone_124:

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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Tacitus » 4. Dezember 2016 16:55

Von der Bevölkerung gesehen ist es definitiv die deutsche Wiedervereinigung. Ist ja auch immerhin der Nationalfeiertag in Deutschland und der Moment, womit die meisten eine emotionale Bindung haben. Danach kommt die Gründung der BRD und den 2+4-Vertrag kennt wohl nur jeder zweite (geraten ;) ).
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Werth » 4. Dezember 2016 18:30

Man sollte noch an die Ostverträge erinnern.
Einerseits wurde die Zweistaatlichkeit damit anerkannt, andererseits erhielt die BRD mehr politischen Spielraum und wurde dann UNO-Mitglied.
Also ein formaler Schritt zurück, um dann mehrere nach vorne machen zu können.
Ansonsten gehören meiner Meinung nach auch die EWG-Verträge zur politischen Souveränität dazu.

Völkerrechtlich entsprechen die 2+4-Verträge wohl am ehesten dem Staatsvertrag.

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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Way of Blücher » 4. Dezember 2016 19:44

Zusätzlich zum 2+4 Vertrag sollte aber auch nicht der deutsch-polnische Grenzvertrag vom 14. November 1990 vergessen werden.

Der 2+4 Vertrag ist ein Statusvertrag und kein Staatsvertrag.
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon nordstern » 4. Dezember 2016 20:02

@Hexenkönig:
Das ist etwas tricky. Rein formal gibt es bei der BRD sowas wie einen Staatsvertrag nicht. Das ganze ist ziemlich verworren. Der völkerrechtliche Folgestaat des Deutschen Reichs ist nämlich nicht die BRD sondern die DDR.
Im Rahmen der Widervereinigung ging die DDR in die BRD auf... und wenn man es jetzt idealistisch oder populistisch sieht, könnte man sagen, dass damit der deutsche Staat aufgehört hat zu existieren und ein neuer Staat entstand.

Die Alliierten haben sich dabei durchaus was gedacht. Durch diese Rechtsnachfolge des Staates Deutschland wurde nämlich in der Nachkriegszeit jegliche Möglichkeit der Reparationen verhindert. Reparationen richten sich an einen Staat, der Staat existierte nicht mehr, es gab (bei den Alliierten) keinen Rechtsnachfolger des Staates und damit gab es keine Möglichkeit Reparationen zu fordern. Reparationen sind jedoch nicht Entschädigungen. Moralisch gibt es bis heute Entschädigungen an Opfer der NS-Zeit. Diese sind jedoch nur moralisch verpflichtend nicht rechtlich. Dadurch wurde übrigens auch die Schuldenlast aus dem Versailler Vertrag hinfällig.
So etwas gab es auf Seiten der DDR nie. Im Gegenteil es wurde sowohl von Seiten der DDR, Russlands die DDR als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches behandelt (es gab u.a. Reparationen an Russland, Souverenitätsfragen bei den Grenzverläufen mit Polen, etc) und der Westen erkannte dies an. Ich weis nicht wie der Vertrag bei der DDR heißt, hatte da mal ne gute Quelle, find sie aber nicht mehr.

Bei der Widervereinigung wurde die DDR staatsrechtlich in die BRD integriert und damit hat rein rechtlich der deutsche Staat aufgehört zu existieren zugunsten eines "neuen" Staats ohne Rechtsvorgänger. Einen Staatsvertrag in dem Sinne gibt es bis heute nicht (was u.a. in der rechten Szene die Aussage forciert das wir immer noch in der Weimarer Republik leben würden bzw. kein Souveräner Staat sind), dafür aber eben etliche Verträge in denen uns immer mehr Rechte, Souverenität und Eigenbestimmung zugesprochen wurde. Dazu gehörten Grundgesetz, Verfassung, etc. Die Widervereinigung war da nur der letzte Schritt. Im Grunde hat Deutschland damit keinen Staatsvertrag und je nach Auslegung gab es die Soverenität 1990, 1949 oder irgendwo dazwischen.

Meine Meinung dazu ist: Es gibt völkerrechtlich das Gewohnheitsrecht. Und das ist immens stark. Im Grunde sagt dies: Wenn ein Land souverän behandelt wird, ist es ein Souveränes Land, egal was die Verträge, Rechtslage, etc sagen. Und da die BRD spätestens seit 1990 auf der politischen Bühne selbstständig auftritt und von allen anderen Ländern akzeptiert wird ist die BRD ein souveränes Land.

Übrigens gibt es deswegen auch bis heute keinen Waffenstillstand mit etlichen Ländern. Das deutsche Reich kapitulierte zwar, aber es gab nur Verhandlungen mit den großen Siegermächten. So befindet sich z.b. Deutschland (angeblich lt. populistischer Aussagen) immer noch im Krieg mit z.b. Malta. Das ist angesichts der Rechtsnachfolge (siehe oben) aber absoluter blödsinn. Formal befand sich Malta im Krieg mit der DDR. Mit dem Ende der DDR gibt es aber keinen Nachfolger des DR mehr.

Deswegen gab es z.b. auch 1990 einen Grenzvertrag mit Polen obwohl bereits 1952 ein Grenzabkommen zwischen Polen und der DDR geschlossen worden war.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Way of Blücher » 4. Dezember 2016 20:06

nordstern hat geschrieben:Das ist etwas tricky. Rein formal gibt es bei der BRD sowas wie einen Staatsvertrag nicht. Das ganze ist ziemlich verworren. Der völkerrechtliche Folgestaat des Deutschen Reichs ist nämlich nicht die BRD sondern die DDR.
Im Rahmen der Widervereinigung ging die DDR in die BRD auf... und wenn man es jetzt idealistisch oder populistisch sieht, könnte man sagen, dass damit der deutsche Staat aufgehört hat zu existieren und ein neuer Staat entstand.

Die Alliierten haben sich dabei durchaus was gedacht. Durch diese Rechtsnachfolge des Staates Deutschland wurde nämlich in der Nachkriegszeit jegliche Möglichkeit der Reparationen verhindert. Reparationen richten sich an einen Staat, der Staat existierte nicht mehr, es gab (bei den Alliierten) keinen Rechtsnachfolger des Staates und damit gab es keine Möglichkeit Reparationen zu fordern. Reparationen sind jedoch nicht Entschädigungen. Moralisch gibt es bis heute Entschädigungen an Opfer der NS-Zeit. Diese sind jedoch nur moralisch verpflichtend nicht rechtlich. Dadurch wurde übrigens auch die Schuldenlast aus dem Versailler Vertrag hinfällig.


:strategie_zone_73:

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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Basileus Romanos V. » 4. Dezember 2016 23:26

Ich denke, man könnte da die Pariser Verträge von 1954 (Ratifizierung 1955) nennen, die das Besatzungsstatut ablösten und der Bundesrepublik "die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten" (Deutschlandvertrag, Art. 1 (2), Fassung vom 23.10.1954) mit Ausnahme einiger alliierter Vorbehaltsrechte (insbesondere derer bzgl. Berlins bzw. "Deutschland als ganzes betreffend"). Die Pariser Verträge bestehen aus a.) dem genannten Deutschlandvertrag, b.) dem Beitritt in die NATO, c.) dem Beitritt in die WEU und d.) dem Saarstatut (das in einer Volksabstimmung im Saarland jedoch abgelehnt wurde).

nordstern hat geschrieben:Das ist etwas tricky. Rein formal gibt es bei der BRD sowas wie einen Staatsvertrag nicht. Das ganze ist ziemlich verworren. Der völkerrechtliche Folgestaat des Deutschen Reichs ist nämlich nicht die BRD sondern die DDR.
Im Rahmen der Widervereinigung ging die DDR in die BRD auf... und wenn man es jetzt idealistisch oder populistisch sieht, könnte man sagen, dass damit der deutsche Staat aufgehört hat zu existieren und ein neuer Staat entstand.

Meines Wissens ist die gängige Rechtsauffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nur Rechtsnachfolger, sondern (spätestens) seit der Wiedervereinigung sogar rechtsidentisch mit dem Deutschen Reich ist... Das hieße, dass mit der Kombination aus Deutschlandvertrag und 2+4-Verträgen die Souveränität Deutschlands vollständig und endgültig wiederhergestellt wurde bzw. damit in das von Dir genannte Völkergewohnheitsrecht übergegangen ist (wie man es jetzt sehen will, gibt da viele Meinungen aus unterschiedlichen Richtungen).

nordstern hat geschrieben:So befindet sich z.b. Deutschland (angeblich lt. populistischer Aussagen) immer noch im Krieg mit z.b. Malta. Das ist angesichts der Rechtsnachfolge (siehe oben) aber absoluter blödsinn. Formal befand sich Malta im Krieg mit der DDR. Mit dem Ende der DDR gibt es aber keinen Nachfolger des DR mehr.

Das hakt sowieso an einer ganz anderen Stelle: Malta ist erst am 21. September 1964 von Großbritannien unabhängig geworden, befand sich somit sowieso niemals mit irgendeinem Deutschland im Krieg. :)
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Hexenkönig » 4. Dezember 2016 23:43

Achtung, nicht, dass der Thread hier zu sehr in die Frage um deutsche Rechtsnachfolge abdriftet, das ist nicht Gegenstand des Themas!

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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Basileus Romanos V. » 4. Dezember 2016 23:50

Sorry, das war nicht meine Intention!
Wollte damit nur auf den Punkt der Wiedereinsetzung in die Souveränität abzielen, in dem Sinne, dass eben nix neues aus der Taufe gehoben wurde, sondern nur was altes seine Souveränität zurückbekam - nach der allgemein anerkannten Deutung. Dass einige anders denken, ist ja für die Beantwortung der Frage ja völlig egal, weil es in der Realität keine Auswirkung hatte und hat.
In Österreich ist ja doch auch im Prinzip die Erste Republik wiedereingesetzt worden, oder habe ich da was falsch verstanden?
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon nordstern » 5. Dezember 2016 00:56

Ich suche mal meine Quelle... da stand das recht übersichtlich welche Verträge in der DDR und BRD abgeschlossen wurden und welche Wechselwirkungen es gab.

Es kann sein, das die Rechtsauffassung ist, das die BRD mit Widervereinigung die Rechte und Pflichten der DDR übernehmen musste/übernommen hat und dadurch Rechtsnachfolger des deutschen Reichs wurde. Die BRD vor 1990 war es jedoch definitiv nicht, das war die DDR. Hier muss aber auch unterschieden werden: NS-Verbrechen fallen nicht unter den Bereich der Raparationen und werden dadurch rechtlich anders gehandhabt. Den während Reparationen an den Staat gebunden sind, sind das Entschädigungen scheinbar nicht. So leistet Deutschland zwar Entschädigungen an Menschen, aber nicht an Staaten.

Das Problem ist hier, das es in Österreich einen klaren Staatsvertrag gab. In BRD war das ein schleichender Prozess. Je nachdem wie man also die Souverenität des Staates interpretiert liegen andere Jahreszahlen zugrunde. Das war in Österreich nicht so. Da der TE jedoch ausdürcklich die vollständige Souverenität meinte:
Durch Dokus auf ORF III bin ich dem Thema Österreichischer Staatsvertrag 1955 wieder näher gekommen, mit dem die Zweite Republik Österreich nach der Besatzung wieder in ihrer Souveränität vollständig wiederhergestellt wurde.


Ist die Antwort dadurch klar der 2+4-Vertrag von 1990 zur Widervereinigung Deutschlands. Entscheidend ist dabei nicht die Widervereinigung, sondern das in diesem Vertrag die Alliierten auch die letzten Besatzungsrechte aufgaben. Vom Volk gefeiert wird jedoch das Datum der Widervereinigung, der 3.Oktober, ein Feiertag: Tag der deutschen Einheit.

Das ganze hat jedoch einen faden Beigeschmack. Den bis heute stehen in vielen, teils großen, deutschen Medienverlagen noch Gründungsrichtlinien aus der Nachkriegszeit drin. U.a. das nicht negativ über die Alliierten bzw. USA geschrieben werden darf. Damals noch begründet in Folge des Faschismus, der Gleichschaltung und weil man Westdeutschland an den Westen binden wollte, ist das heute total veraltet und wird auch nicht mehr komplett beherzigt. Dennoch steht es noch so drin in vielen Medienhäusern weil es nie geändert wurde.


Ich will damit keine Diskussion lostreten, sondern lediglich offenlegen, dass diese Frage in Deutschland nicht ganz klar ist. Die überwiegende Mehrheit geht davon aus das Deutschland direkt nach dem Krieg entstand. Die geschichtlich etwas versierteren wissen, dass es Besatzungszonen gab und die Gründung erst 1948/9 war. Die historischen Fachleute wissen das die Grenze eher schwammig war und erst 1990 endete, Populisten und Rechte hingegen verweisen auf einen fehlenden Gründungsvertrag und glauben das die BRD nicht legitim ist und wir noch im Kaiserreich leben. Ihr Hauptargument ist dafür das die Wehrmacht zwar kapituliert hat, aber nie das deutsche Reich selbst (es gab ja keinen politischen Apparat mehr, haben ja alle Suizid begangen). Zu diesen Leuten gehören z.b. auch die Reichsbürger die aktuell ja wieder in den Medien präsenter sind wg dem Tod eines Polizisten. Sie zweifeln zudem die Rechtmäßigkeit der Weimarer Republik an, ich weis grad nur nicht mehr aus welchem Grund. Hat was damit zutun, das nach Staatsrecht die Staatsregierungsform nicht extern aufgezwungen werden darf ohne Zustimmung des Volkes soweit ich das noch weis.
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Stratege » 5. Dezember 2016 01:23

@ Hexenkönig

Um mal wieder zum Thema zurück zu kehren, ich glaube ehrlich gesagt nicht so ganz daran, dass es zummindest im emotionalen sinne ein entsprechendes Gegenstück dazu gibt, weil, wie du hier an den obigen Ausführungen schon sehen kannst es für den Normalbürger hier nicht so ganz leicht ist zu durchblicken, welcher Vertrag in welcher Form mit welchem korrespondiert und ab welchem Zeitpunkt das überhaupt relevant ist, respektive, was davon überhaupt noch relevant ist und was mittlerweile der Vergangenheit angehört.
Hinzu kommt noch, dass ich, wenn ich das mal auf die persönliche Ebene und Umgebung (schulisch usw.) herunterbrechen darf, denke ich auch sagen kann, dass man hier sehr viel dafür getan hat, nationale Ereignisse (in Anbetracht der jüngeren Vergangenheit dieses Landes) nicht zu hoch zu hängen, bei einigen Personen lösen diese Dinge einmal eher anti- als prodeutsche Emotionen aus, wobei es auch einfacch sein kann, dass ich in überproportionalem Maße mit solchen Leuten konfrontiert worden bin, es erhebt also keinen Anspruch auf einen repräsentativen Charakter.
Was mich selbst betrifft, ich muss ehrlich gestehen mich mit diesem Thema eigentlich relativ wenig zu befassen, abgesehen davon, dass ich ich mich seit gut einem Jahr gegen Reichsbürgerphantasien engagiere, aber die sind eher grotesktes Beiwerk und tun hier nichts zur Sache um wiede auf das Thema zu kommen, vom emotionalen Standpunkt her tangiert mich diese Thematik und meine bisherige Umgebung tangiert sie, wenn überhaupt eher zurückhaltend mit negativen Implikationen.
Demnach würde ich vom Standpunkt meiner persönlichen Erfahrungen her sagen, dass diese Dinge hierzulande vermutlich im allgemeinen emotional etwas weniger ausgeprägt sein mögen, dass die Vertragswerke nicht so ganz einfach sind, das siehst du ja.
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Basileus Romanos V. » 5. Dezember 2016 02:00

Was das emotionale angeht, stimme ich Stratege voll zu. Weder der Deutschlandvertrag noch der 2+4-Vertrag sind so emotional aufgeladen. Von den Pariser Verträgen vielleicht im Saarland noch das Saarstatut, dessen Ablehnung ja dann mit zur "kleinen Wiedervereinigung" geführt hat. Das emotionalste, was so an "Schriftlichem" in Deutschland zu finden ist, ist wohl das Grundgesetz.
Die größten Emotionen allgemein würde ich hierzulande wahrscheinlich dem 9. November 1989 zugestehen; da kommen weder der 3. Oktober 1990 geschweige denn der 8./23. Mai 1949 ran. Souveränität hingegen war einfach nie so das wirklich Thema, die war dann irgendwann da und gut wars. Dafür hatte man mit der Teilung noch genug zu tun, was Österreich ja erspart blieb.
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Hjalfnar » 5. Dezember 2016 05:41

nordstern hat geschrieben:Es kann sein, das die Rechtsauffassung ist, das die BRD mit Widervereinigung die Rechte und Pflichten der DDR übernehmen musste/übernommen hat und dadurch Rechtsnachfolger des deutschen Reichs wurde. Die BRD vor 1990 war es jedoch definitiv nicht, das war die DDR.
*Meep* Falsch, der BGH hat schon 1973 entschieden, dass die BRD identisch mit dem Deutschen Reich ist, und damit auch allen Pflichten selbigen Staates nachkommen muss, z.B. Rentenzahlung an ehemalige Kolonialsoldaten in Afrika und ähnliches. Lustigerweise wird genau dieses Urteil von Rechten und Reichsbürgern gerne angeführt, um die anhaltende Existanz des Deutschen Reiches zu beweisen, obwohl das Urteil eindeutig besagt, dass die BRD das Deutsche Reich ist, unter anderem Namen, in anderen Grenzen und mit anderer Regierungsform. Aber völkerrechtlich identisch.

BTT: Ich würde sagen, für die Leute, die nach 1989 geboren sind bzw. die damals davon nicht viel mitgekriegt haben (bin 1988 geboren xD) ist der 3. Oktober das entscheidende Datum. Für ältere Semester wird mit Sicherheit der Tag des Mauerfalls einen besonderen emotionalen Schwerpunkt bilden, für mich zählt aber die Wiedervereinigung mehr, könnte man sagen. Ein wirkliches Equivalent hat Deutschland dementsprechend nicht.
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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon nordstern » 6. Dezember 2016 14:37

Jup... weis ich.
Ich muss mich da mal wieder einlesen. Ich habe das Urteil auch gelesen.

Wie kommst du drauf das da entschieden wurde das die BRD identisch mit dem DR ist? Das steht so nicht da. Vielmehr steht da, dass das DR weiterbesteht aber handlungsunfähig ist und die BRD ein Teil des DR ist und deswegen die Rechte und Pflichten übernehmen muss.

Ich finde das Urteil fragwürdig. Es werden zwar durchaus die Tatsachen angesprochen, aber es fehlt die Konsequenz, oder besser die Argumente weshalb das Gericht bei dieser Argumentation nicht dem Völkerrecht folgt. Die Argumentation des Gerichts basiert auf der Aussage: die BRD ist teilidentisch und damit nicht Rechtsnachfolger des DR sondern Teil des DR. Das Problem das ich da sehe ist jedoch: Nach dem Völkerrecht hat ein Staat eine stabile Regierung, ein Volk und ein Gebiet. Mit dem Ende des 2.Weltkriegs wurde das deutsche Reich zerschlagen. Damit gibt es weder ein Staatsvolk, noch ein Staatsgebiet oder eine handlungsfähige Regierung und damit existiert nach dem Völkerrecht kein deutsches Reich mehr.

Angesichts des Urteils des Gerichts und der vertraglichen Besatzungsrichtlinien mit Russland, wäre es rechtlich möglich das deutsche Reich wiederzubeleben und damit hätte dieses Anspruch auf alle Gebiete von 1933. Den rein rechtlich gesehen könnte das deutsche Volk die Teilorganisation des deutschen Reiches aufgeben und damit würde automatisch das dritte Reich wieder entstehen. Und das wiederum hätte vollen völkerrechtlichen Anspruch auf alle ehemaligen Gebiete. Ich kann dadurch die Rechten durchaus in ihrer Argumentation verstehen, was nicht heißt das ich es gut finde. Schuld an dem Debakel ist in meinen Augen die unklaren, verworrenen vertragliche Situation der BRD und der Souverenität sowie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das gegen das Völkerrecht urteilte als es entschied, dass das die BRD eine Teilorganisation des DR ist und damit das DR weiter existiert. Aufgrund des völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht, tat es das nämlich nicht.

Das Bundesverfassungsgericht sieht das scheinbar anders. Ein Grund dafür kann sein, dass wenn Deutschland nicht mehr Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, es auch nicht Rechtsnachfolger der Weimarer Republik und des Kaiserreichs wäre und damit sämtliche Verträge, Handlungen, etc nachträglich nichtig würden.
Als Beispiel: Nach dem 1.Weltkrieg hat die USA große Teile der deutschen Goldreserven als Pfand gelagert, ebenso wie Frankreich und England. Wäre Deutschland nicht Rechtsnachfolger, wäre das Gold damit staatenlos und würde nicht mehr Deutschland gehören.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Deutsches Pendant zum Staatsvertrag 1955?

Beitragvon Way of Blücher » 6. Dezember 2016 15:18

nordstern hat geschrieben:die BRD ist teilidentisch und damit nicht Rechtsnachfolger des DR sondern Teil des DR.


Die Nachrichtensprecherin sagte aber, dass der Internationale Gerichtshof urteilte, dass die BRD = Rechtsnachfolger des dritten Reiches sei. Also nicht Teil, sondern definitiv Rechtsnachfolger.
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