Ist das Mittelalter bald Geschichte?

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Saito_Toshimasa
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Saito_Toshimasa » 19. April 2021 22:18

ja "check" ... gebe mir mehr Mühe in Zukunft...

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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Stratege » 25. April 2021 09:34

Saito_Toshimasa hat geschrieben:ich möchte hier ein wort über die osmanen verlieren, da "stratege" schrieb, das es "grundsätzlich keine waffentechnische überlegenheit" des westens gegenüber den osmanen gab... also "jain"...
die damalige militärische "high-tech-technologie" die kanonengießerei beherrschten die osmanen nicht im geringsten sondern mußten im gegenteil geschütze importieren... was aber auch nicht verwundert, da die geschützgießere europas auf der technologie der "glockengießerei" für kirchen fußte, die es ja bei den osmanen (oh wunder...) natürlich nicht gab.
und belagerungstechnisch waren die osmanen noch im mittelalter... da sie "frontal ihre belagerungsgräben" auf die mauern zuführten, statt im zick-zack wie alle europäischen renaissancemächte und daher bei belagerungen wie wien "wie die karnickel abgeknallt" wurden von den mauern aus. die osmanen waren vieleicht auch deshalb solche "innovationsmuffel" weil sie genug "kanonenfutter zum verheitzen" hatten, ähnlich später den russen wo generäle sagten "das bajonett ist ein braver kerl" will heißen der soldat wird nur zum feigling, wenn er aus distanz kämpft und kugeln kosten außerdem geld noch zu zeiten des krimkriegs waren die regiementsobersten für die ausrüstung ihrer regimenter zuständig und "wirtschafteten" logischerweise lieber in die eigene tasche als für gute ausrüstung der truppe zu sorgen. das sorgte unter anderem für sogenannte "papiertruppen" die nur in der theorie existierten, weil regimenter oft nur die halbe sollstärke erfüllten der rest wurde "aufgerundet" und "finanziell umgeleitet"


Schön, dann stellen wir uns doch mal die Frage, inwiefern sich die technische Unterlegenheit in diesen Teildiszuplinen für das Osmanische Reich tatsächlich nachhaltig negativ auf die Fähigkeit zur Kriegesführung insgesamt auswirkte.
Da werden wir zu dem Ergebnis kommen nicht allzu sehr, da

1.) die Herstellung von Geschützen eine Fähigkeit war, die man sich im osamanischen Reich einigermaßen schnell aneignete.
Wirf mal einen Blick hier rein:
https://www.grin.com/document/108995

2.) Vor dem 18. oder frühestens dem 17. Jahrhundert spielen Kanonen als Feldartillerie im Grunde keine so beherrschende Rolle, dass sie bei Feldschlachten ernstlich entscheidend ins Gewicht gefallen wären . Mit den Handfeuerwaffen war man im Osmanischen Reich auch etwas später drann, nur da beachte man auch, wie unzuverlässig die Dinger am Anfang waren.
Das war hübsches schmückendes Beiwerk, entschied aber im 14.-16. Jahrhundert keine Kriege.

3.) das osmanische Reich agierte militärisch mit dem Balkan in eiem weitgehend eher dünn besiedelten Raum mit vergleichsweise wenigen befestigten Städten (zumindest wenn man das jetzt beispielsweise mal mit den klassischen Schlachtfeldern Westeuropas in Norditalien oder Burgund vergleicht, wo ja im Prinzip häufig von einer Belagerung zur Nächsten übergegangen werden musste.
Gemessen an der Beschaffenheit dieses Raums fiel der Dückstand bei der Belagerungsartillerie auf osmanischer Seite überhaupt nicht dergestalt ins Gewicht.

Natürlich, so ausgerüstet hätten die osmanischen Heere ziemlich alt ausgesehen hätten die versucht, beispielsweise in die Lombardei einzufallen. Umgekehrt wären für die westeuropäischen Kriegsschauplätze ausgerüstete Heere im Balkan nicht weit gekommen. Da zu viel schwere Belagerungsausrüstung die es auf Grund des Mangels an Befestigungen in dieser Anzahl nicht gebracht hätte, dafür tendenziell zu wenig Kavallerie um den Raum zu beherrschen.


Ich bitte da nicht falsch verstanden zu werden.Natürlich war das osmanische Reich gegenüber diversen Westeuropäischen Herrschaften in militärischern Teilbereichen zeitweise rückständig. Aber das waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit immer nur Teilbereiche, die sich zum einen nicht entscheidend auf Gesamtverläufe auswirkten und außerdem waren das zu dieser Zeit Rückstände, die sich offenbar einigermaßen zeitnah aufholen ließen.

Ich habe ja nicht behauptet, dass das Osmanische Reich in militärischen Dingen oder sonstwie gegenüber Europa Lichtjahre im Vorsprung gewesen wäre, dass nicht. aber bis ins 17., vielleicht beginnenden 18. jahrhundert konnt es technologisch und im Rahmen der Gesamtauseinandersetzungen recht gut schritthalten und war in der eine oder anderen Disziplin den anderen europäischen Mächten mindestens mal episodisch voraus.
Dazu gehörten im 17. jahrhundert (ich hatte Candia angesprochen), etwa Teilbereiche des Belagerungswesens, dazu gehört auch der Umstand, dass das Osmanische Reich tatsächlich zu den ersten neuzeitlichen Mächten gehörte, die im größeren Stil stehende Truppen hielten.

Wirklich entscheidende technologische Rückstände im hinblick auf das Kriegswesen, kommen aber erst auf, als in Europa das Manufakturwesen die Herstellung wirklich zuverlässiger Feuerwaffen als Massenware und damit letztendlich auch die Linientaktik und den großflächigeren Einsat von (jetzt auch Feld-)Artillerie ermöglicht.


Was "Papiertruppen" angeht, dass und dergelichen war nun beileibe keine russische oder osmanische Spezialität.
Lies mal Clausewitz' Erinnerungen über den Feldzug von 1812 aus dem russischen Hauptquatier.

Er beschreibt da die Zustände im russischen Hauptquartier durchaus eindrücklich und auch den Umstand, dass die Sollstärke der russischen Truppen sich durchaus deutlich über der tatsächlichen Stärke der Truppe befand, sprich finanzielle Mittel versickerten.
Regte ihn aber gar nicht weiter auf, sondern scheint er mehr oder minder für normal gehalten zu haben.
Klar, wann bekamen die obersten Herren und Meister denn mal die versammelte Armee zu Gesicht? Natürlich gab es da Unterschlagungen, die sich mitunter abenteuerlich häuften.

Was die geschmähten "Innovationsmuffel" angeht, zäumst du da, meiner bescheidenen Meinung nach, das Pferd falsch herum auf.

Wenn ich ein paar Hunderttausend Mann mehr zur Verfügung habe als mein Gegenüber habe ich nicht vorrangig ein paar 100.000 Leben mehr, die ich in unverantwortlicher Weise fröhlich verheizen kann, sondern ich habe vorrangig dass Problem bei jeder Neuanschaffung gleich 100.000e Stückzahlen alter Waffen verschrotten und neue beschaffen zu müssen.

Das bedeutet nicht nur, dass ich bereit sein muss mir neue waffentechnische Ideen theoretisch anzueignen, das bedeutet auch, dass meine zivile Wirtschaft und "Industrie" in der Lage sein müssen, den neuen Produktionsbedürfnissen Rechnung zu tragen.
Das wiederrum hängt von Dingen ab, die teilweise beeinflussbar sind, wie dem Bildungsstand der Bevölkerung, der Tendenziellen Freiheit von Handwerk, Handel und Transportmöglichkeiten (mit Klamotten wir Zunftordnungen, Handelsprivilegien und Wegzöllen etc. kann man jeden Ansatz dazu wunderbar blockieren) und anderen Dingen, die weniger beeinflussbar sind, z.B. die Verteilung im rahmen der technischen Entwicklung sinnvoll nutzbarer Bodenschätze.

Wenn ich weiß, ich habe diese Kapazitäten nicht, weil die Entwicklung der zivilen Wirschaft nicht am Puls der Zeit ist, weil sie einfach länger braucht, oder ich bestimmte Dinge nicht erlauben kann, weil sie Prozesse freisetzen, die revolutionsartig die gesammte Sozialordnung wegfegen würden, oder aus anderen Gründen es nicht praktikabel ist, überlege ich mir bei einem derartig großen Heer mehrfahch, was in entsprechender Stückzahl angeschafft wird.
Möglichst vor allenm Zeug, dass sich schon bewährt hat und nicht allzu experimentell ist.
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon nordstern » 17. Mai 2021 23:51

Der Rückstand entstand nicht durch Innovationsmuffel. Das war schlichte Machtpolitik.

Die Frage ist, wer stellte im osmanischen Heer die soldaten und welchen gesellschaftlichen und politischen Stellenwert hatten diese? Ein osmanischer Herrscher hätte ohne weiteres z.b. nicht das klassische Kampfprinzip der janitscharen über den Haufen werfen können. Das wäre gleichbedeutend gewesen wie wenn die der Präsident der USA dem Gouverneuren den Krieg erklären würde. Er hat zwar ne Armee, aber der Großteil der Truppen sind sind ihm nicht direkt unterstellt (auch wenn ich noch nie erlebt habe das ein Gouverneur das jemands verweigert hätte) den der Witz in den USA ist, das die "Armee" ansich nur ein relativ kleines Grundgerüst ist. 75-80% der Armee besteht aus der Nationalgarde und die ist nicht dem Präsidenten unterstellt sondern den Gouverneuren. Lediglich im Kriegsfall wird die Nationalgarde dem Präsidenten unterstellt.

Und so ähnlich war das in Osmanien. Die führende herrschende Schicht, der hohe, mittlere, kleine Adel und alle sonstigen Respektspersonen in irgendwelchen Ämtern, etc waren Janitscharen. Das ist wie bei den Samurai. Und denen nun aufgrund militärischer Entwicklungen einfach die existenz zu nehmen oder ihre traditionelle Rolle und Kampfesweise wäre einem Bürgerkrieg gleichgekommen.

Das eigentliche Problem war also nicht der fehlende Innovationswille sondern vielmehr die fehlende Innovationsfähigkeit. Dazu muss man aber auch sehen, das die osmanischen Armeen ganz andere Gegner hatten. Jede Armee entwickelt sich auf grundlage ihres Terrains und ihrer Gegner. Die Osmanische Armee war also entwickelt worden für den Kampf gegen Perser, Araber, Afrikaner, Nomaden und teilweise Russen oder auf dem Balkan. Also für den Kampf gegen leichte Kavallerie, leichte Infanterie und Skirmisher.

Das sieht man auch, wenn man sich die Schlachten zwischen den Österreichern und Osmanen anschaut. Ohne die Ungarn hätten die Österreicher keine Chance gehabt und slebst mit Ungarn war es alles andere als gut. das wurde später übrigens den Österreichern bei Napoleon zum verhängnis teilweis ezumindest. Durch ihre permanenten Kriege auf dem Balkan und gegen die Osmanen, begann die westliche Militärtaktik aufzuweichen. Die Österreicher waren es nicht mehr gewohnt gegen westliche Armeen zu kämpfen. soweit ich weis waren die Österreicher berühmt dafür die beste leichte Infanterie Europas zu besitzen und die besten Husaren. Die Polen später zu Flügelhusaren weiterentwickelte.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Sir Heinrich » 18. Mai 2021 00:15

nordstern hat geschrieben:
Und so ähnlich war das in Osmanien. Die führende herrschende Schicht, der hohe, mittlere, kleine Adel und alle sonstigen Respektspersonen in irgendwelchen Ämtern, etc waren Janitscharen. Das ist wie bei den Samurai. Und denen nun aufgrund militärischer Entwicklungen einfach die existenz zu nehmen oder ihre traditionelle Rolle und Kampfesweise wäre einem Bürgerkrieg gleichgekommen.


Nicht nur wäre frag Osman II. wie es im ergangen ist als er die Janitscharen Reorganisieren/Auflösen wollte. Und er war nur der erste...

Und auch Ihre endgültige Entmachtung war nicht grade unblutig.

Grundsätzlich musste jeder Sultan der die Janitscharen loswerden wollte damit rechnen das die Janitscharen stattdessen seine Wenigkeit losgeworden wären.
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Il Principe » 18. Mai 2021 17:06

nordstern hat geschrieben:Das sieht man auch, wenn man sich die Schlachten zwischen den Österreichern und Osmanen anschaut. Ohne die Ungarn hätten die Österreicher keine Chance gehabt und slebst mit Ungarn war es alles andere als gut. das wurde später übrigens den Österreichern bei Napoleon zum verhängnis teilweis ezumindest. Durch ihre permanenten Kriege auf dem Balkan und gegen die Osmanen, begann die westliche Militärtaktik aufzuweichen. Die Österreicher waren es nicht mehr gewohnt gegen westliche Armeen zu kämpfen. soweit ich weis waren die Österreicher berühmt dafür die beste leichte Infanterie Europas zu besitzen und die besten Husaren. Die Polen später zu Flügelhusaren weiterentwickelte.


Ich weiß ja nicht auf welchen Zeitraum du dich beziehst, aber ich bin der Überzeugung, dass es dir schwerfallen wird, auch nur einen Zeitraum von 10-20 Jahre zu finden, in dem Österreich in seiner Funktion als Kaiser des HRR nicht in irgendeinen Konflikt mit "westlichen Armeen" verstrickt war.

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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon nordstern » 18. Mai 2021 20:46

Es macht aber einen Unterschied ob man z.b. gegen kleine Staaten kämpft oder gegen Frankreich, etc. Das ergibt sich aus der Ausbildung. Linieninfanterie hat gegen balkanarmeen und türkische Armeen ein Problem. Also muss die Linieninfanterie anders kämpfen als gegen westliche Mächte. Was automatisch in der Ausbildung bedeutet, bei identischen Ausbildungszeiten, das die österreichischen Armeen weniger Zeit mit westlicher Kampftaktik verbringen um dafür etwas Zeit für balkantaktiken zu bekommen. Eine Armee die sich auf einen kampftyp spezialisieren kann ist immer besser als eine die mehrere Praktiziert, sofern die spezialisierte die Taktik aufzwingen kann. Was in dem Fall ja der Fall war.

Gegen Polen war das nicht der Fall, da die Polen sich in erster Linie auf "Balkantaktiken" beschränkten und nur die Infanterie am Rande ausbildeten anfangs zumindest. Mit der Verwestlichung Polens änderte sich das dann wieder.
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Stratege » 21. Mai 2021 01:50

Sir Heinrich hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:
Und so ähnlich war das in Osmanien. Die führende herrschende Schicht, der hohe, mittlere, kleine Adel und alle sonstigen Respektspersonen in irgendwelchen Ämtern, etc waren Janitscharen. Das ist wie bei den Samurai. Und denen nun aufgrund militärischer Entwicklungen einfach die existenz zu nehmen oder ihre traditionelle Rolle und Kampfesweise wäre einem Bürgerkrieg gleichgekommen.


Nicht nur wäre frag Osman II. wie es im ergangen ist als er die Janitscharen Reorganisieren/Auflösen wollte. Und er war nur der erste...

Und auch Ihre endgültige Entmachtung war nicht grade unblutig.

Grundsätzlich musste jeder Sultan der die Janitscharen loswerden wollte damit rechnen das die Janitscharen stattdessen seine Wenigkeit losgeworden wären.


Das war aber in Russland mit den Strelizen nicht anders.

Und deren Machtstellung dürfte nachdem sich Land und Reich nach der Zeit der Wirren und der formalen Doppelherrschaft von Ivan V. und dem jungen Peter, vertreten durch die Regentin Sofja, noch mal ein stück stärker, würde ich meinen.

Jetzt könnte man sich die Frage stellen, warum es im russischen Reich gelang die Strelizen verhältnismäßig früh als politischen Faktor auszuschalten, vergleichbares aber im osmanischen Reich mit den Janitscharen nicht gelang, obwohl die Herrschende Dynastie im osmanischen Reich deutlich gefestigter war, als die Romanows er zu diesem Zeitpunkt in Russland waren.
Auch war der außenpolitische Zustand des osmanischen Reiches die meiste Zeit über deutlich stabiler, als derjenige Russlands zwischen dem Frieden von Stolbowo und demjenigen von Nystad.


Ich kann das an der Stelle nicht belegen.
Aber wenn ich eine Vermutung äußern sollte, würde ich darauf tippen, dass man sich im osmanischen Reich einfach zu sehr auf die Janitscharen als bewaffnete Truppe stützte, während in Russland Zar Peter bereits relativ schnell dazu überging, im größeren Stil neue Linieneinheiten nach westeuropäischen Zuschnitt aufzustellen, so dass es neben den Strelizen zunehmend eine alternative stehende Truppe gab, auf die sich die Macht stützen konnte.
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Stratege » 21. Mai 2021 01:53

nordstern hat geschrieben:Es macht aber einen Unterschied ob man z.b. gegen kleine Staaten kämpft oder gegen Frankreich, etc. Das ergibt sich aus der Ausbildung. Linieninfanterie hat gegen balkanarmeen und türkische Armeen ein Problem. Also muss die Linieninfanterie anders kämpfen als gegen westliche Mächte. Was automatisch in der Ausbildung bedeutet, bei identischen Ausbildungszeiten, das die österreichischen Armeen weniger Zeit mit westlicher Kampftaktik verbringen um dafür etwas Zeit für balkantaktiken zu bekommen. Eine Armee die sich auf einen kampftyp spezialisieren kann ist immer besser als eine die mehrere Praktiziert, sofern die spezialisierte die Taktik aufzwingen kann. Was in dem Fall ja der Fall war.

Gegen Polen war das nicht der Fall, da die Polen sich in erster Linie auf "Balkantaktiken" beschränkten und nur die Infanterie am Rande ausbildeten anfangs zumindest. Mit der Verwestlichung Polens änderte sich das dann wieder.


Wann hatten denn die Linieneinheiten auf dem Balkan oder mit dem Osmanischen Reich und der Kampfweise seiner Truppen größere Probleme?
Ich würde meinen, dass die Zeit um 1700 jedenfalls ungefähr einen Wendepunkt darstellt, nachdem das osmanische Reich zunehmend nicht mehr in der Lage war militärisch mit den andern europäischen Mächten mitzuhalten.
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Sir Heinrich » 21. Mai 2021 10:44

Stratege hat geschrieben:
Sir Heinrich hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:
Und so ähnlich war das in Osmanien. Die führende herrschende Schicht, der hohe, mittlere, kleine Adel und alle sonstigen Respektspersonen in irgendwelchen Ämtern, etc waren Janitscharen. Das ist wie bei den Samurai. Und denen nun aufgrund militärischer Entwicklungen einfach die existenz zu nehmen oder ihre traditionelle Rolle und Kampfesweise wäre einem Bürgerkrieg gleichgekommen.


Nicht nur wäre frag Osman II. wie es im ergangen ist als er die Janitscharen Reorganisieren/Auflösen wollte. Und er war nur der erste...

Und auch Ihre endgültige Entmachtung war nicht grade unblutig.

Grundsätzlich musste jeder Sultan der die Janitscharen loswerden wollte damit rechnen das die Janitscharen stattdessen seine Wenigkeit losgeworden wären.


Das war aber in Russland mit den Strelizen nicht anders.

Und deren Machtstellung dürfte nachdem sich Land und Reich nach der Zeit der Wirren und der formalen Doppelherrschaft von Ivan V. und dem jungen Peter, vertreten durch die Regentin Sofja, noch mal ein stück stärker, würde ich meinen.

Jetzt könnte man sich die Frage stellen, warum es im russischen Reich gelang die Strelizen verhältnismäßig früh als politischen Faktor auszuschalten, vergleichbares aber im osmanischen Reich mit den Janitscharen nicht gelang, obwohl die Herrschende Dynastie im osmanischen Reich deutlich gefestigter war, als die Romanows er zu diesem Zeitpunkt in Russland waren.
Auch war der außenpolitische Zustand des osmanischen Reiches die meiste Zeit über deutlich stabiler, als derjenige Russlands zwischen dem Frieden von Stolbowo und demjenigen von Nystad.


Ich kann das an der Stelle nicht belegen.
Aber wenn ich eine Vermutung äußern sollte, würde ich darauf tippen, dass man sich im osmanischen Reich einfach zu sehr auf die Janitscharen als bewaffnete Truppe stützte, während in Russland Zar Peter bereits relativ schnell dazu überging, im größeren Stil neue Linieneinheiten nach westeuropäischen Zuschnitt aufzustellen, so dass es neben den Strelizen zunehmend eine alternative stehende Truppe gab, auf die sich die Macht stützen konnte.


Das war wahrscheinlich Hilfreich. Wichtig war auch das Zar Peter wärend des 2. Strelizen aufstandes Grade im Ausland war. Das Problem mit einer Palastrevolution ist das sie sofort erfolgreich sein muss. Wenn der Herscher grade woanders ist und auch Legitim bleibt kann er eine Reine Palastrevolution leicht niederschlagen. Und Rebellierende Gardetruppen die verlieren können leicht aufgelöst werden. So übermächtige Truppen wurden und konnten meist nur aufgelöst werden wenn sie im Kampf auf der verliererseite standen. Und absichtlich einen Aufstand auszulösen ist sehr gefährlich und kann leicht nach Hinten losgehen weswegen es sehr schwierig ist Sie loszuwerden
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Stratege » 27. Mai 2021 00:05

Sir Heinrich hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:
Sir Heinrich hat geschrieben:
Nicht nur wäre frag Osman II. wie es im ergangen ist als er die Janitscharen Reorganisieren/Auflösen wollte. Und er war nur der erste...

Und auch Ihre endgültige Entmachtung war nicht grade unblutig.

Grundsätzlich musste jeder Sultan der die Janitscharen loswerden wollte damit rechnen das die Janitscharen stattdessen seine Wenigkeit losgeworden wären.


Das war aber in Russland mit den Strelizen nicht anders.

Und deren Machtstellung dürfte nachdem sich Land und Reich nach der Zeit der Wirren und der formalen Doppelherrschaft von Ivan V. und dem jungen Peter, vertreten durch die Regentin Sofja, noch mal ein stück stärker, würde ich meinen.

Jetzt könnte man sich die Frage stellen, warum es im russischen Reich gelang die Strelizen verhältnismäßig früh als politischen Faktor auszuschalten, vergleichbares aber im osmanischen Reich mit den Janitscharen nicht gelang, obwohl die Herrschende Dynastie im osmanischen Reich deutlich gefestigter war, als die Romanows er zu diesem Zeitpunkt in Russland waren.
Auch war der außenpolitische Zustand des osmanischen Reiches die meiste Zeit über deutlich stabiler, als derjenige Russlands zwischen dem Frieden von Stolbowo und demjenigen von Nystad.


Ich kann das an der Stelle nicht belegen.
Aber wenn ich eine Vermutung äußern sollte, würde ich darauf tippen, dass man sich im osmanischen Reich einfach zu sehr auf die Janitscharen als bewaffnete Truppe stützte, während in Russland Zar Peter bereits relativ schnell dazu überging, im größeren Stil neue Linieneinheiten nach westeuropäischen Zuschnitt aufzustellen, so dass es neben den Strelizen zunehmend eine alternative stehende Truppe gab, auf die sich die Macht stützen konnte.


Das war wahrscheinlich Hilfreich. Wichtig war auch das Zar Peter wärend des 2. Strelizen aufstandes Grade im Ausland war. Das Problem mit einer Palastrevolution ist das sie sofort erfolgreich sein muss. Wenn der Herscher grade woanders ist und auch Legitim bleibt kann er eine Reine Palastrevolution leicht niederschlagen. Und Rebellierende Gardetruppen die verlieren können leicht aufgelöst werden. So übermächtige Truppen wurden und konnten meist nur aufgelöst werden wenn sie im Kampf auf der verliererseite standen. Und absichtlich einen Aufstand auszulösen ist sehr gefährlich und kann leicht nach Hinten losgehen weswegen es sehr schwierig ist Sie loszuwerden


Ich würde im Gegenteil behaupten, gerade wenn der Herrscher gerade im Ausland ist, kann eine Palast-Revolution sehr schnell mal erfolgreich sein, weil man es der Bevölkerung so verkaufen konnte, dass der Herrscher seine Pflichten vernachlässigt und sein Volk damit im Stich gelassen habe und somit der Krone und des Rechts zu herrschen verlustig wäre.
Im besondere dann, wenn sich noch ein entsprechend enger Verwandter nämlichen Herrschers findet, der die Sache mitspielt und den man als legitimen Nachfolger präsentieren kann.

Ich würde mir hier viel mehr die Frage stellen, warum war es im russischen Reich möglich gegen die Garde-Truppen eine entsprechende Gegenmacht, in Form loyaler Regimenter moderneeren Zuschnitts aufzustellten, die selbst in Abwesenheit des Monarchen noch zu diesem hielten, während es im osmanischen Reich, selbst in Anwesenheit des Herrschers nicht möglich war, alleine in Konstantinopel eine entsprechende Gegenmacht aufzubauen um die Janitscharen als politischem Machtfaktor in Schach zu halten.

Das umso mehr, als dass es zwischen Janitscharen und Strelizen ja noch den nicht ganz unbedeutsamen Unterschied gab, dass sich die Janitscharen, zum Großteil aus Individuen rekrutierten, die ursprünglich aus den Balkan-Provinzen stammten und ursprünglich man einen christlich geprägten Hintergund hatten.
In Konstantinopel waren diese ja eigentlich Fremde und darüber hinaus Konvertiten. Man sollte also eigentlich meinen, dass es diesen recht schwer hätte fallen müssen, sich als akzeptierter und legitimer Machtfaktor zu etablieren und dass es relativ leicht hätte möglich sein müssen, auf Grund entsprechender Ressentiments eine einigermaßen breit aufestellte Gegenmacht zu etablieren um sie bei Bedarf in Schach zu halten.
Dem war aber offensichtlich nicht so.
Und ich denke hier lohnt sich die Frage nach dem "warum".
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Osman I. » 27. Mai 2021 16:49

Da gibt es mehrere Gründe:

1. Im osmanischen Reich gab es keine geregelte Erbfolge. Und somit war es einfacher irgendein Mitglied der Sultansfamilie als Nachfolger dazustellen.
2. Dekadenz.
3. Die Armee der Osmanen basierte auf den Janitscharen und den Sipahis (berittene Krieger mit Lehen). Der Rest waren Aufgebote und Milizen. Und somit hatten die Janitscharen sehr viel mehr Macht. Die Strelizen waren soweit ich weiß nur Palastgarde und keine richtige Armee.
4. Pech.

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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Stratege » 3. Juli 2021 19:05

Osman I. hat geschrieben:Da gibt es mehrere Gründe:

1. Im osmanischen Reich gab es keine geregelte Erbfolge. Und somit war es einfacher irgendein Mitglied der Sultansfamilie als Nachfolger dazustellen.

Naja, ist nicht so, dass in Russland nach dem Ableben Ivans des Schrecklichen die Regentschaft der ersten Romanows besonders gesichert gewesen wäre. Stichwort "Zeit der Wirren". Dann waren da die beiden Pseudo Dmitris, Boris und Fjodor Godunow, Wassili Schuijski, zwischenzeitlich Wladyslaw IV. Wasa als Prätendent.

Dann mit den ersten beiden Romanow Michael und Alexeij eine einigermaßen stabile Phase, dann Fjodor III. als 5-Jähriges Intermezzo, dann die Doppelherrschaft, von Ivan V. und Peter I., der eine geistig und körperlich beeinreächtigt, der andere noch ein Kind, während sich Sofia Alexejewna und Natalija Naryschkina um die Stellung und Kompetenzen der Rentschaft für die Beiden designierten Zaren balgten.

Ich möchte das als ziemlich instabile Verhältnisse bezeichnen. Ist nicht so dass vor Peters Erwachsenenalter und faktischem Regierungsantritt es bseonsonders ungewöhnlich gewesen wäre, wenn in Russland irgender versuchte sich zum Zaren oder Regenten zu machen. Das war im vorangegangenen Jahrhundert im Grunde alle paar Jahre mal vorgekommen und die Romanow-Dynastie war auch noch nicht besonders gefestigt und hatte mit Michail und Alexei gerade einmal 2 Herrscher hervorgebracht, die den Thron länger als 5 Jahre inne hatten, wobei ein großer Teil der Herrschaft Michails noch eine komplizierte faktische Doppelherrschaft war.während Michail selbst sich in der ausgehenden Zeit der Wirren in Teilen als Flüchtling verstecken musste und in seinen ersten Jahren noch völlig von der Gnade der Bojaren abhing, die ihn als Kompromisslösung favorisierten und auch weil sie ihn für relativ einfach zu kontrollieren hielten.

Im Osmanischen Reich mag es keine geregelte Erbfolge im Rahmen einer Primogenitur gegeben haben. In Russland schafften es zwischenzeitlich verschiedene Bojaren, die mit der Rurikiden-Dynastie relativ wenig zu schaffen hatten, jedenfalls im VErgleich zu den Romanows, die immeerhin noch eine abgezweigte Seitenlinie darstellten, Scharlatane (2 Pseudo Dmitirs) sich zu Zaren ausrufen zu lassen und teilweise faktisch die Macht inne zu haben, ein ausländischer Monarch (Wladyslaw IV. Wasa) war zwischenzeitlich in sehr aussichtsreicher Position für die Krone und ein sehr ernsthafter Kandidat.

Insofern ist was die Strelizen angeht Stabilität kein sinnvollees Argument.
Bis Peter war Russland seit Ivan dem Schrecklichen allenfalls periodisch stabil gewesen, von einer Konstante kann man hier nicht reden.


Osman I. hat geschrieben:2. Dekadenz.

...ist ehrlich gesagt ein beliebiges Pseudoargument. Oder lässt sich diese Dekadenz auch in irgendwas präsentier- und vergleichbarem messen?

Osman I. hat geschrieben:3. Die Armee der Osmanen basierte auf den Janitscharen und den Sipahis (berittene Krieger mit Lehen). Der Rest waren Aufgebote und Milizen. Und somit hatten die Janitscharen sehr viel mehr Macht. Die Strelizen waren soweit ich weiß nur Palastgarde und keine richtige Armee.


Da verlinke ich dir zur Lektüre einfach mal das Wiki zum Thema Strelizen: https://de.wikipedia.org/wiki/Strelizen

EIn paar 10.000 Mann waren dann schon etwas mehr, als ein Bisschen Palastgarde, auch wenn sie ursprünglich mal als eine Art Palastgarde angefangen hatten. Letztendlich waren sich die Strelizen zur Zeit Peters vor der Einfühung der Truppen neuer Ordnung nach Maßgabe der europäischen Linieartaktik und die Janitscharen aber durchaus ziemlich ähnlich, in ihrer Disposition und Rolle. SIe sind auch in der Geschichtsschreibung nicht selten und auch nicht unsinniger weise miteinander vergleichen worden (typischer Weise die Strelizen als "russische Janitscharen").

Als Peter zur Regenschaft kam, stellten die Strelizen den Kern der russischen Truppen, ergänzt um Aufgebote und die ersten zarten Ansätze zu einer moderneren Linieninfanterie.

Osman I. hat geschrieben:4. Pech.


Ist ein ähnlich beliebiges Pseudoargument wie "Dekadenz", wenn man nichts konkretes vorweisen kann, woran man es aufhängen möchte.
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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Osman I. » 5. Juli 2021 14:42

1. Das mag stimmen, aber trotzdem gab es in Russland offiziell eine Primogenitur, währen bei den Osmanen die ganze Macht an einen, aber nicht den ältesten Sohn fiel.

2. Dann führe ich dir mal genaueres an:

Die Osmanen waren lange Zeit die Macht im nahen Osten und in Osteuropa. Und sie hatten es (anfangs) nicht nötig technologische Fortschritte mitzumachen, weil sie mehr Ressourcen hatten. Später hatten die Europäer halt Ressourcen aus der neuen Welt, aus vielen kleinen wurden zunehmend wenige große Staaten und sie hatten den technologischen Vorteil. Russland hingegen hatte in dieser Zeit noch viele außenpolitische Probleme und konnte es sich nicht leisten, den Anschluss zu verlieren.

3. Das wusste ich nicht, in diesem Punkt hast du wohl recht.

4. Genau wie überall sonst im Leben spielt auch hier der Zufall mit rein. Vielleicht gab es (mehr) inkompetente Staatsmänner oder Herrscher, oder es gab eine Dürre. So Sachen wie die sogenannte ,,Weiberherrschaft" oder systematische Korruption konnten sich z.b. nur etablieren, weil einige Herrscher zu inkompetent oder zu jung waren um zu regieren/sich leicht beeinflussen ließen.

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Re: Ist das Mittelalter bald Geschichte?

Beitragvon Stratege » 5. Juli 2021 17:20

Osman I. hat geschrieben:1. Das mag stimmen, aber trotzdem gab es in Russland offiziell eine Primogenitur, währen bei den Osmanen die ganze Macht an einen, aber nicht den ältesten Sohn fiel.


Praktisch sah es so aus, dass in Russland die Rurikidendynastie als angestammte Dynastie ausgestorben war und man zwischenzeitlich auch bereit war Bojaren, die nicht aus dieser oder der Romanow-Dynastie stammten den Thron zu überlassen, wie geschehen in den Fällen Boris Godunow und Wassili Schuiski.
Ich würde meinen demgegenüber wäre die Vergabe des Thrones an eine Person die nicht dem Haus Osman angehörte, etwas unerhörtes gewesen.
Von dem her würde ich behaupten, dass es es Russland sogar einfacher war einen potentielle Prätendenten zu finden


Osman I. hat geschrieben:2. Dann führe ich dir mal genaueres an:

Die Osmanen waren lange Zeit die Macht im nahen Osten und in Osteuropa. Und sie hatten es (anfangs) nicht nötig technologische Fortschritte mitzumachen, weil sie mehr Ressourcen hatten. Später hatten die Europäer halt Ressourcen aus der neuen Welt, aus vielen kleinen wurden zunehmend wenige große Staaten und sie hatten den technologischen Vorteil. Russland hingegen hatte in dieser Zeit noch viele außenpolitische Probleme und konnte es sich nicht leisten, den Anschluss zu verlieren.


Verzeihung, aber zum einen führst du das mit dem Verweis auf die eruopäischen Kolonialreiche ja selbst ad Absurdum, zum anderen, wenn man einen Vergleich zwischen dem Osmanischen Reich und Russland bemühen möchte, ist das ein ziemlich schlechtes Argument. Denn wann in seiner Geschichte, möglicherweise auch geschuldet seinem Ressourcenreichtum und der Möglichkeit extensiv immer weiter nach Osten zu wachsen, war denn Russland jemals für übergroße Innovationsfreudigkeit bekannt?

Osman I. hat geschrieben:4. Genau wie überall sonst im Leben spielt auch hier der Zufall mit rein. Vielleicht gab es (mehr) inkompetente Staatsmänner oder Herrscher, oder es gab eine Dürre. So Sachen wie die sogenannte ,Weiberherrschaft" oder systematische Korruption konnten sich z.b. nur etablieren, weil einige Herrscher zu inkompetent oder zu jung waren um zu regieren/sich leicht beeinflussen ließen.


Weiberherrschaft wie die Regentschaften von Sofija Alekseievna und Natalja Naryshkina, für den schwachsinnigen Ivan und den minderjährigen Peter?
Gab es in Russland auch, ist insoern kein besonderes Aleinstellungsmerkmal. Junge beinflussbare Herrscher, wie Michail Romanow, der zunächst vollständig von der Gnade der Bojaren abhing? Auch das hat es anderswo geblieben.
Inkompetente Herrscher und Korruption sind jetzt auch durchaus nicht typisch osmanische Phänomene.

Nimm es mir nicht übel, aber das taugt in dieser Form nicht als Erklärungsansatz, weil es sich im Vergleich nicht als Alleinstellungsmerkmal ergibt.
Die Grundwerte der prämodernen Gesellschaftsordnung:

Artillerie, Kavallerie, Infanterie