Warum griff niemand das "Wikingerreich" an?

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Warum griff niemand das "Wikingerreich" an?

Beitragvon Maniak » 12. Februar 2020 22:23

Die Wikinger haben in ganz Europa geplündert, wieso ist nie jemand in ihre Gebiete dann eingefallen um sie zu stoppen? Die Britischen Inseln wurden sehr oft von den Wikingern angegriffen, wieso haben die Angelsachsen in England kein einziges mal Norwegen oder Dänemark angegriffen?

Selbst das mächtige Fränkische Reich versuchte mit Tributzahlungen die Wikinger zu bändigen aber erfolglos. Das Fränkische Reich grenzte sogar an Dänemark ist aber nie dort eingefallen obwohl von dort die Wikinger zahlreiche Angriffe gegen das Frankenreich durchführten.

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KirKanos
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Re: Warum griff niemand das "Wikingerreich" an?

Beitragvon KirKanos » 12. Februar 2020 22:51

Maniak hat geschrieben:Die Wikinger haben in ganz Europa geplündert, wieso ist nie jemand in ihre Gebiete dann eingefallen um sie zu stoppen? Die Britischen Inseln wurden sehr oft von den Wikingern angegriffen, wieso haben die Angelsachsen in England kein einziges mal Norwegen oder Dänemark angegriffen?

Selbst das mächtige Fränkische Reich versuchte mit Tributzahlungen die Wikinger zu bändigen aber erfolglos. Das Fränkische Reich grenzte sogar an Dänemark ist aber nie dort eingefallen obwohl von dort die Wikinger zahlreiche Angriffe gegen das Frankenreich durchführten.


Ich nenne mal 4 Gründe die mir auf die Schnelle einfallen.

1. Logistische Probleme

Es ist nicht wie in CK 2, wo Du Truppen um die Welt schicken kannst solange Du die Versorgungslimits beachtest. Truppenbewegungen außerhalb der Reichsgrenzen waren aufwendig und teuer. Vasallen waren auch nicht gerade motiviert soweit vom Reich abgelegen zu operieren. Städte als Versorgungs-, Handels- und Transportzentren, waren auch im Mittelalter die wichtigen Operationsbasen in deren Nähe man sich tunlichst aufhalten sollte. Diese gab es im Norden nicht, von einigen wenige Ausnahmen abgesehen.

2. Infrastruktur und Gelände

Während man im Frankenreich noch auf römische Straßen und Flusshandelsrouten zurückgreifen konnte, standen im Norden riesige Wälder jeder Operation entgegen. Selbst rudimentäre Wege gab es kaum. Kartenkenntnisse waren auch gleich Null.

Auch das alte Know How der Römer fehlte. Während die Legionen es noch gewohnt waren fernab der eigenen Versorgungslinien zu operieren, war das für eine feudale Armee eine ganz andere Sache. Ein gut ausgebildetes Pionier- und Architekten-Korps fehlte genauso wie das Wissen um eine größere militärische Logistik. Wo die Pioniere Cäsars mal schnell eine Brücke über den Fluss bauten, konnten sich die feudalen Herren nur an der Glatze kratzen und ne Furt suchen. Das Anlegen von Versorgungsdepots und die normierte Versorgung von Berufssoldaten, all das fehlte der frühen, feudalen Kriegsführung.

3. Saisonale Kriegsführung

Eine größere Klasse von Berufssoldaten gab es nicht im feudalen Heer. Vom kleinen Adelsgefolge mal abgesehen. Der Bauer musste aber die Saat aus und die Ernten ein bringen. Ein langen Feldzug in dem unwegsamen Norden war so schwierig bis unmöglich. Auch der Adel war auf diese Ernten angewiesen und konnte nicht einfach ewig Krieg führen.

4. Das Fehlen von Zentren

Und selbst wenn man halbwegs schnell in den Norden kam, wie wollte man schnell eine Entscheidung herbeiführen ehe man sich im Winter wiederfand und einem die Truppen nur so weg starben? Da es kaum nennenswerte Städte gab, gab es auch keine Ansatzpunkte den Gegner schnell in die Knie zwingen zu können oder sich für eine gewisse Zeit dort einzuquartieren. Der Gegner lebte in kleinen, abgelegen Dörfern oder Höfen. Er kannte sich bestens in seinem Land aus und konnte lange jeder Konfrontation ausweichen. Aber jederzeit im Sinne der asymmetrischen Kriegsführung Nadelstiche setzen.

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nordstern
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Re: Warum griff niemand das "Wikingerreich" an?

Beitragvon nordstern » 13. Februar 2020 00:28

Ich denke deine Gründe sind schon ganz gut.

Dazu kommt, das man fürchten musste wenn man einen Clan angreift alle Clans gegen sich aufzubringen. Es gab zwar nicht DAS Wikingerreich, aber es kam immer wieder vor, das sich hunderte Stämme hinter einem Herrscher für einen Feldzug zusammen schlossen. Später entstand daraus das Königreich der Dänen. Und so ein Herrscher konnte hunderte Schiffe aufbieten. Das wollte keiner riskieren.
Zudem hätte ein Feldzug in Norwegen von den Kosten her in keinerlei Verhältnis zum Erfolg gestanden. Hunderte Schiffe mieten/kaufen/bauen, mit Soldaten bestücken einen Feldzug planen mit zehntausenden Soldaten ohne Terrainkentnisse, ohne Infrastruktur zur See wo man die Wikinger fürchtete ohne aufgrund fehlender Ballungsgebiete ohne Aussicht auf Erfolg oder Schätze. Da ist es billiger die Angriffe auszusitzen oder sie zu bezahlen andere zu überfallen.

Aufwand zu Nutzen stand einfach in keinem Verhältnis. Und wenn man das Risiko noch dazu nimmt, das ein Nachbar die Abwesenheit der Flotte und Armee ausnutzt...

Das "stehende" feudale Heer war so "stark" das ja die Wikinger Paris plünderten. Frankreich war nicht in der Lage ihre Hauptstadt zu schützen. Auch die große Handelsstadt York wurde oft heimgesucht und andere große Städte. Es gab schlichtweg außerhalb der Ritterklasse kaum nennenswerte bewaffnete Soldaten. Wachen ja.. Soldaten eher weniger. Das damalige feudale Heer bestand im Kern aus Rittern und Bauern. Eine klassische Soldatenklasse fehlte. Soldaten waren Kampferfahrene Bauern die durch das Plündern der Schlachtfelder bessere Ausrüstung hatten. Die Wachen waren zwar leichtgepanzert und bewaffnet, dienten aber nicht dem führen von Schlachten sondern dem bewachen von Burgen, Städten, etc und waren an Mannstärke kaum in der Lage diese alleine zu verteidigen.

Es gab, im Gegensatz zu den Wikingern wo jeder Bauern im Grunde Soldat war, keine Soldatenklasse im feudalen Heer. Das was einem Soldat damals am nächsten kam, waren Söldner. Es war einfach "billiger" so und weil Bauern keine eigene Meinung hatten und "wertlos" waren war diese Art der Kriegsführung sogar effizient. Erst mit dem erstarken der Waffen, so das Bauern ohne Ausbildung gefährlich werden konnten (Armbrüste, Arkebuse) ging der Trend weg vom Bauernheer zum Söldnerheer und dann zum Berufsheer mit der Muskete und gleichzeitig verschwanden auch die Ritterklassen. Was nicht daran lag, das ein Bauer sie nicht hätte bedienen können, sondern das man Bauern keine Waffe geben wollte, die einen Adligen töten kann.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

Saito_Toshimasa
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Re: Warum griff niemand das "Wikingerreich" an?

Beitragvon Saito_Toshimasa » 19. April 2021 02:23

ich möchte hier mal gaaanz kurz was einwerfen... griff wirklich niemand die wikinger an? doch ein volk, die westslawen oder liutizen... die griffen die dänen sehr wohl an und waren auch gefürchtet bei ihren nachbarn...

Off-Topic (Öffnen)
und zu dem beliebten "klischee" wer hat im mittelalter den "ritter erschossen" ... keine waffe an sich ist die korrekte antwort, sondern vor allem das sich ändernde ökonomische system!
zum einen konnte man für den gegenwert eines "vollharnisches" 30!!! söldner anheuern... (die mailänder bei legnano gegen barbarossa zb...) zum anderen wurde die kleinteilige feudale landwirtschaft so unprofitabel, das sie zum leben der kleinen lehnsherren nicht mehr ausreichte und die "ritterlehensleute" zwischen aufblühenden städten und mächtiger werdenden fürsten am oberen ende der "feudalkette" aufgerieben wurden. es machte für einen verarmten ritter durchaus sinn, seine unabhängigkeit aufzugeben und bezahlter soldknecht zu werden bei einem reicheren größeren feudalherren. es wurden unzählige ritter zu soldknechten, allein der stadtstaat mailand unterhielt zu seiner blütezeit 20.000!!! ehemalige deutsche ritter als soldknechte ... das machte dann sogar "größen" wie einem deutschen kaiser probleme--- diese geballte finanzmacht umgemünzt in militär...
ich hatte noch das "vergnügen" 5 jahre ddr geschichtsunterricht genießen zu dürfen bevor wir "annektiert" und kolonialisiert äh ich meine "wiedervereinigt" wurden...
und da hat man in der ddr geschichtsschreibung "gerätselt" warum die deutschen kaiser sich in italien "verzettelten" statt sich in deutschland eine starke "hausmacht" aufzubauen...
der schlichte grund... "money money, must be funny..." allein der stadtstaat genua hatte ein größeres handelvolumen als das ganze königreich frankreich steuereinnahmen (so mal zum vergleich dieser "zwerg" gegen den "giganten", wobei frankreich noch um etliches wohlhabender war als das heilige römische reich zu der zeit) also die waren für die damalige zeit "irrsinnig reich" und die kaiser dagegen bettler , die auf feudalaufgebote angewiesen waren, ohne jede hausmacht... da heißt wenn da ein hochadliger wie zb. "heinrich der löwe" "nein" sagt... dann fehlt dem kaiser schonmal ein großteil "seines" heeres ...
also "hätte" barbarossa norditalien unterwerfen können, hätte er "ausgesorgt gehabt"... und hätte den rest "en passant" bekommen, wenn er denn überhaupt auf diese "tundra" wert gelegt hätte...
sein enkel friedrich II. von hohenstaufen hatte viel bessere möglichkeiten als könig von sizilien... das kgr sizilien blühte und war dank normannischem erbe das am besten verwaltete reich seiner zeit... also üppige steuereinnahmen... nur auch friedrich II. war zeitlebens um italien bemüht, das reich "nördlich der alpen" war uninteressant... diese variante der geschichte "schmeckte" natürlich den bürgerlich nationalistischen geschichtsschreibern des preussischen königreichs nicht, nämlich das deutsche reich nördlich der alpen gewissermaßen "der pickel am arsch des reiches" war und man fabulierte von "teutscher treue" und "welscher tücke"... aber mittelalterliche feudalherren kannten einen so "hehren begriff" wie "treue" nicht, sondern die jacke war näher als die hose... sprich im besten sinne machiavellis "geld stinkt nicht"... wer mehr zahlt, hat recht...


Eigentlich müsste ich ja den ganzen Beitrag löschen, da dieser mehr Off-Topic enthält als aufs Thema einzugehen. Aber ich lasse mal Gnade walten, und "verstecke" es nur in einem Spoiler. Der Off-Topic-Teil Ist immerhin ein Geschichtsthema.
- Homerclon
Zuletzt geändert von Homerclon am 19. April 2021 13:39, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Off-Topic gekennzeichnet.