Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 13. September 2020 12:12

Il Principe hat geschrieben:
Maniak hat geschrieben:Übrigens schweifen wir immer mehr vom Thema ab, hier geht es nur darum wie sich die heutige politische Landkarte Europas verändern würde wenn die Völker wieder Krieg führen würden wie in der Antike / Mittelalter.


Ich behaupte, sie würde sich absolut gar nicht ändern! Allein die Art und Weise wie man Krieg führt, ändert nichts an der Bereitschaft, überhaupt Krieg führen zu wollen.

Doch, tut sie.

Wir haben dank der modernen Technik ein Kriegswesen, in dem die Verluste gemessen an der Gesamtzahl der eingesetzten Truppen, ziemlich gering sind. Würde man wieder dazu übergehen sich gegenseitig im Handbetrieb aufzuspießen etc. würde sich das ziemlich schnell äündern.
Das wiederrum korrespondiert allerdings im für diese Art von Krieg ungünstigen demographischen Verlauf.

Will man solche Kriege führen ohne die Bevölkerung allzu sehr zu strapazieren, braucht es eine demographische Struktur mit ner durschnittleichen Lebenserwartung die irgendwo um die 30-35 Jahre liegt und eine entsprechend hohe Reproduktionsquote um derlei Verluste auffangen zu können.
Das ist mit einer Gesellschaft mit einer Lebenserwartung von about 80-80 Jahren, mit entsprechenden Altersstrukturen, bei gleichzeitig niedrigen Geburtenraten und stagnierendem, bis negativem Bevölkerungswachstum nicht mehr drinn.
Und solche Strukturen weisen weisen einmal so ziemlich alle europäischen Gesellschaften auf.

Zurück ins Mittelalter, in welchem Lebensbereich auch immer, funktioniert damit nicht.

Die Amerikaner haben im Irak von 2003-2020 weniger als 5.000 Mann an Toten zu beklagen gehabt:
https://de.statista.com/statistik/daten ... n-im-irak/

Das wird durch die Verluste, die etwa Frankreich bei Azincourt hatte, deutlich übertroffen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Azincourt

Ein gewisses Maß an Kriegsbereitschaft haben auch die heutigen modernen Gesellschaften sicherlich, jedenfalls so lange sich die eigenen Verluste in Grenzen halten, was bei Auseinandersetzungen gegen Gegner, denen man technisch so weit überlegen ist, dass die eigene Verlustquote irgendwo bei einem Prozent der eingesetzten Kräfte herumkrebst.
Die jüngeren Auseinandersetzungen belegen das.
In Deutschland sieht es da vielleicht etwas anderes aus, aber in den USA, GB oder auch Frankreich hatten die Waffengänge mit dem Irak, das Eingreifen in Lybien und Syrien, so wie die Missionen in Nord-West-Afrika ja durchaus einiges an Unterstützung aus der Gesellschaft.

An der Stelle wäre bei deutlich höheren Verlustquoten, wenn es denn tatsächlich mal zur Schlacht kommt, aber sehr schnell Schluss mit lustig.

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


Mal davon abgesehen:

Kriegsführung nach mittelalterlichen Maßstäben, wäre in einer modernen Gesellschaft ja schon deswegen nicht mehr machbar, weil die Feudalstrukturen fehlen würden, die für das Ausheben von Aufgeboten unerlässlich waren, wie auch für die Hierarschie (sofern man davon sprechen kann), während einer Unternehmung.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 13. September 2020 12:17

Maniak hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:
Das Ursprungsgebiet der slawischen Sprachen scheint sich in Richtung Weißrussland lokalisieren zu lassen. Das bedeutet aber bei weitem nicht, dass sämmtlich heutigen Sprecher dieser Sprachen irgendwelche direkten Vorfahren aus diesen Gebieten haben. Sprachen kann man mehr oder minder übernehmen, das zeigt ja die tatsache, dass auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich und Rumänien noch heute Abarten des Lateinischen gesprochen werden, obwohl dort niemals mehrheitlich irgendwas siedelte, was man vom "ethnischen" Standpunkt her als "Römer" im engeren Sinne bezeichnen könnte.



Der Unterschied zwischen den Römischen und Slawischen Eroberungen war darin, die Römer haben ihre eroberten Gebiete nicht Massenhaft mit eigenen Leuten besiedelt, die Slawen dagegen schon.


Das haben auch die Slawen nicht getan deren Bevölkerungsstamm in den eroberten Landen, die assimilierten vorherigen Einwohner inbegriffen, war schließlich dermaßen gering, dass es gute Tradition hatte Bevölkerungen aus anderen Gebieten anzuwerben um die Urbarmachung vorranzutreiben.
Das findet sich sowohl im Bezug auf die Sudetengebiete, als auch die westlichen Teile des heutigen Polens und die ehemaligen elbslawischen Gebiete, später dann in ähnlicher form nochmal in Teilen Russland zu finden.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Il Principe » 13. September 2020 12:52

Stratege hat geschrieben:
Il Principe hat geschrieben:
Maniak hat geschrieben:Übrigens schweifen wir immer mehr vom Thema ab, hier geht es nur darum wie sich die heutige politische Landkarte Europas verändern würde wenn die Völker wieder Krieg führen würden wie in der Antike / Mittelalter.


Ich behaupte, sie würde sich absolut gar nicht ändern! Allein die Art und Weise wie man Krieg führt, ändert nichts an der Bereitschaft, überhaupt Krieg führen zu wollen.

Doch, tut sie.

Wir haben dank der modernen Technik ein Kriegswesen, in dem die Verluste gemessen an der Gesamtzahl der eingesetzten Truppen, ziemlich gering sind. Würde man wieder dazu übergehen sich gegenseitig im Handbetrieb aufzuspießen etc. würde sich das ziemlich schnell äündern.
Das wiederrum korrespondiert allerdings im für diese Art von Krieg ungünstigen demographischen Verlauf.


Du hast natürlich Recht mit deinen Anmerkungen, aber die Frage ist, ob sich das auch auf Kriege innerhalb Europa übertragen lässt (und dies ist nun einmal die Grundthese/Frage dieses Threads gewesen). Die moderne Technik sorgt nur für geringere Verluste, weil es sich um asymetrische Kriege handelt, die ohnehin weit von der Heimat ausgefochten werden (Naher Osten und Afrika). Wenn es allerdings zu einem Konflikt zwischen Italien-Frankreich, Deutschland-Frankreich und ähnlichem kommt (und noch einmal dies ist nun einmal das unsinnige Szenario), spielt es meiner Meinung nach weniger eine Rolle, da eh beide Seiten extrem unter dem Krieg zu leiden hätten; egal ob moderne oder mittelalterliche Waffentechnik.

Man könnte deine Annahme übrigens auch umdrehen. Mittelalterliche Waffen würden die Verluste eines potentiellen Krieges sogar überschaubar machen (und damit die Bereitschaft Krieg zu führen erhöhen), da man nicht befürchten müsste, dass ganze Städte binnen kürzester Zeit ausgelöscht würden. Mit Pfeil und Bogen dauert es nun einmal länger eine Großstadt den Erdboden gleichzumachen als mit Bomben.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 13. September 2020 13:05

Il Principe hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:
Il Principe hat geschrieben:
Ich behaupte, sie würde sich absolut gar nicht ändern! Allein die Art und Weise wie man Krieg führt, ändert nichts an der Bereitschaft, überhaupt Krieg führen zu wollen.

Doch, tut sie.

Wir haben dank der modernen Technik ein Kriegswesen, in dem die Verluste gemessen an der Gesamtzahl der eingesetzten Truppen, ziemlich gering sind. Würde man wieder dazu übergehen sich gegenseitig im Handbetrieb aufzuspießen etc. würde sich das ziemlich schnell äündern.
Das wiederrum korrespondiert allerdings im für diese Art von Krieg ungünstigen demographischen Verlauf.


Du hast natürlich Recht mit deinen Anmerkungen, aber die Frage ist, ob sich das auch auf Kriege innerhalb Europa übertragen lässt (und dies ist nun einmal die Grundthese/Frage dieses Threads gewesen). Die moderne Technik sorgt nur für geringere Verluste, weil es sich um asymetrische Kriege handelt, die ohnehin weit von der Heimat ausgefochten werden (Naher Osten und Afrika). Wenn es allerdings zu einem Konflikt zwischen Italien-Frankreich, Deutschland-Frankreich und ähnlichem kommt (und noch einmal dies ist nun einmal das unsinnige Szenario), spielt es meiner Meinung nach weniger eine Rolle, da eh beide Seiten extrem unter dem Krieg zu leiden hätten; egal ob moderne oder mittelalterliche Waffentechnik.

Man könnte deine Annahme übrigens auch umdrehen. Mittelalterliche Waffen würden die Verluste eines potentiellen Krieges sogar überschaubar machen (und damit die Bereitschaft Krieg zu führen erhöhen), da man nicht befürchten müsste, dass ganze Städte binnen kürzester Zeit ausgelöscht würden. Mit Pfeil und Bogen dauert es nun einmal länger eine Großstadt den Erdboden gleichzumachen als mit Bomben.


Mit dem umdrehen der Annahme bin ich nicht so ganz einverstanden.

Ganz einfach weil so eine Belagerung für eine moderne Stadt, mit wesentlich empfindlicherer Versorgungs- und Infrastruktur wesentlich gravierendere Folgen hätte, als bei einer überschaubaren, mittelalterlichen Siedlung.

Aber gut, worüber reden wir?
Das ganze Szenario ist ohnehin Unfug.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Il Principe » 13. September 2020 13:18

Aber gut, worüber reden wir?
Das ganze Szenario ist ohnehin Unfug.


Da stimme ich mit dir völlig überein :strategie_zone_8:

Ach ja unabhängig vom Szenario meintest du ja, dass Kriegsführung nach mittelalterlichen Maßstäben aufgrund der fehlenden Feudalstrukturen nicht gehen würde. Doch ist hier die Frage, ob das stimmt bzw. diese Struktur überhaupt eine Voraussetzung dafür ist. Feudalstrukturen sind ja eigentlich nur nötig, weil es an einem zentralistischen Staat mit der nötigen Verwaltungsstruktur mangelt. Der ist jedoch in einer modernen Gesellschaft gegeben, sodass zumindest an dieser Stelle nichts dagegen spricht, dass die Bundeswehr theoretisch wieder mit Bogen und Schwert agiert bzw. über die Wehrpflicht in die Kasernen gerufen wird??

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Hexenkönig » 13. September 2020 16:01

Maniak hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:Übrigens schweifen wir immer mehr vom Thema ab, hier geht es nur darum wie sich die heutige politische Landkarte Europas verändern würde wenn die Völker wieder Krieg führen würden wie in der Antike / Mittelalter.


Wenn du das wissen willst lies einfach nochmal meinen Post von letzter Seite. Es muss ja einen plausiblen Grund geben wieso man plötzlich auf Schild und Speer wieder zurückgreifen sollte, was ich versucht habe zu erklären und nur weil man mittelalterliche Waffen wieder benutzen müsste heißt das ja auch nicht, dass man vom Denken und vom Wissen her plötzlich auch wieder im Mittelalter wäre, so ist das nämlich nicht.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 14. September 2020 10:55

Il Principe hat geschrieben:
Aber gut, worüber reden wir?
Das ganze Szenario ist ohnehin Unfug.


Da stimme ich mit dir völlig überein :strategie_zone_8:

Ach ja unabhängig vom Szenario meintest du ja, dass Kriegsführung nach mittelalterlichen Maßstäben aufgrund der fehlenden Feudalstrukturen nicht gehen würde. Doch ist hier die Frage, ob das stimmt bzw. diese Struktur überhaupt eine Voraussetzung dafür ist. Feudalstrukturen sind ja eigentlich nur nötig, weil es an einem zentralistischen Staat mit der nötigen Verwaltungsstruktur mangelt. Der ist jedoch in einer modernen Gesellschaft gegeben, sodass zumindest an dieser Stelle nichts dagegen spricht, dass die Bundeswehr theoretisch wieder mit Bogen und Schwert agiert bzw. über die Wehrpflicht in die Kasernen gerufen wird??


Dazu nur kurz:
Der Begriff "Kriegsführung" beschränkt sich ja nicht auf die konkreten Kampfhandlungen, sondern fängt bei der Aufstellung einer kämpfenden Truppe inklosive ihrer Kommandostrukturen an. Dementsprechend, bedeutet für mich, dass sich Aushebung und Kommandogewalt nach den Kriterien der mittelalterlichen Feudalgesellschaft richtet.
Moderne kommandostrukturen und Rekrutierungsprozesse sind sicherlich effizienter, entsprechen aber eben auch so gar nicht meinder Definition von "mittelalterlich". Um ein Heer aufzustellen, dass nach mittelalterlichen Kriterien insgesamt funktionierte, müsste also erstmal die Feudalgesellschaft wiederbelebt werden.
Oder aber, man hätte eben ein modernes Heer mit mittelalterlichen Waffen.
Abgesehen davon, dass die Vorstellung absurd ist, wäre das in meinen Augen wie gesagt eben keine "mittelalterliche Kriegsführung" mehr.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Homerclon » 14. September 2020 13:18

Die Feudalgesellschaft hatte auf das Militär doch nur eine Auswirkung:
Die Ärmsten stellten das Kanonenfutter, und waren mit aus Werkzeugen entwickelten Waffen ausgestattet - falls sie nicht einfach ihre eigenen Mistgabeln oder anderes geeignete mitzubringen hatten.
Umso reicher und mächtiger die Person war, umso besser war die Ausrüstung - inkl. Pferd. Und nur die reichsten konnten es sich leisten mit ihren Waffen regelmäßig zu üben, da diese nicht von frühmorgens bis Spätabends schuften mussten um über die Runden zu kommen.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Mr XEM » 25. September 2020 14:43

Hexenkönig hat geschrieben:Auch hätten wir heute keine Feudalgesellschaft mehr, einfach, weil es sich nicht so entwickeln würde. Das Feudalsystem war über die Jahrhunderte ungeplant und organisch im Geiste seiner Zeit gewachsen, bis sich die westliche Gesellschaft verändert und es abgeschafft hatte. Würden sich heute wieder Abhängigkeitsverhältnisse herausbilden, so denke ich würden sie viel eher wie in den 30er und 40er Jahren aussehen, bzw. in der Sowjetunion bis 1990/91 und Nordkorea bis heute, wo eine mächtige Gruppierung wie eine Partei den Ton angibt, einfach, weil so etwas für unsere Gesellschaft viel "natürlicher" wäre, anstatt spontan in überholte Gesellschaftsmuster zurückzufallen von denen die meisten Leute heute sowieso keinen Plan mehr haben, wenn sie nicht gerade Historiker bzw. Geschichtsinteressierte sind. Das ist auch der Grund wieso ein aktiv gelebter politischer Adel, bzw. die Wiedereinführung der Monarchie Schwachsinn ist. Die Monarchie ist für westliche US-europäische Verhältnisse ein anachronistisches Kontrukt, das keinerlei Daseinsberechtigung und (bei näherem Nachdenken) auch keinen Existenzgrund mehr besitzt. Selbst monarchistisch regierte moderne westliche Länder wie Spanien, Großbritannien, oder die Niederlande sind alles bereits Demokratien in denen die Monarchie nur noch aus Gründen der Tradition und der Folklore existiert, eben, weil das schon immer so war. Doch nimmt man Länder her wie Deutschland, oder Österreich, so passt es einfach nicht mehr mit einer erneuten Monarchie. Wir alle sind seit 100 Jahren (mit einer, bzw. zwei Unterbrechungen) in einem demokratischen und gleichberechtigten Sinne erzogen und aufgewachsen, welche Gründe könnte man solchen Leuten also anführen, die genügend rechtfertigen könnten, dass es plötzlich wieder eine von Geburt an unterschiedliche Klassengesellschaft (Adel) einfach so geben und ein völlig willkürlich gewähltes Herrscherhaus installiert werden sollte, das sich dann auf Kosten der Steuerzahler auch noch finanzieren sollte?
...

Daher glaube ich nicht, dass je wieder in einem westlichen Land die Monarchie bzw. der Adel wiedereingeführt wird, wo sie schon seit längerem abgeschafft sind, eben, weil dies einfach nicht mehr unserem Selbstverständnis entspricht. Eher tendieren demokratische Systeme totalitärer zu werden unter Vorherrschaft eines Führers und einer Partei wie z.B. die Sowjetunion, oder Italien unter Mussolini, oder Österreich zur Zeit des Ständestaats unter Dollfuß, oder Spanien unter Franco. Diese Systeme sind sowas wie die "modernen Monarchien", da sie genauso wie früher die alten Vorbilder einen Herrscher an der Spitze haben, während das was früher der Adel war in diesen Systemen die Parteimitgliedschaft ist. Und was die herrschaftliche Legitimation durch Gottes Gnaden war, wäre die durch das Volk (ob real, oder nur vorgeblich). Was früher die christliche Religion für die Monarchie war, wäre heute die politische Ideologie für den betreffenden Führerstaat, wie auch immer diese dann auch aussehen mag. Sollte also unsere Gesellschaft heute einen zivilisatorischen Rückschlag erleben sage ich voraus, dass die Leute eher solche "Führerstaaten" bilden würden, anstatt Monarchien mit Zepter und Krone und von Gottes Gnaden.

Ich würde dir größten Teils zustimmen, allerdings würde ich eine Entwicklung eines Feudalsystems nicht ausschließen.
Wie du selbst sagst ist das Adelssystem ja etwas, was sich entwickelt hat. Vereinfacht kann man sagen, dass Gruppen oder Stämme Anführer ausgewählt haben und irgendwann wurde statt einem neuen zu wählen, das Amt an einen Erben weitergereicht. Später wurden, dann so weitere Posten vergeben und es hat sich eine Elite gebildet. Dass das ganze auch mit hoch entwickelten Gesellschaften funktioniert, hat man ja daran gesehen, dass das System bis in die Anfänge des 20 Jahrhunderts verbreitet war.
Wie du auch schreibst, ist es möglich, dass sich freie Gesellschaften in totalitäre Regime entwickeln. Und genau da ist dann der Punkt wo sich unsere Meinungen unterscheiden.
Denn ich würde behaupten, dass sich die von dir aufgeführten Systeme in ein Feudalsystem hätten entwickeln können. Es gibt oder gab sie nur noch nicht lange genug. Es gab eine Elitenbildung und wenn die Systeme lange genug existiert hätten, dann bin ich mir sicher dass irgendwann auch wieder eine Erbnachfolge eingeführt worden wäre.

Die Frage im Bezug auf das Thema hier ist dann, wie weit die Gesellschaft zerfällt und wie kriegerisch die Phase wird. Wenn die hiesige Gesellschaft soweit zerfällt, dass die Staaten zusammenbrechen wird es zumindest in einigen Gebieten zum Aufkommen von Warlords kommen. Und wenn die sich lange genug etablieren können halte ich das Entstehen eines Adelssystems für gut möglich.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon nordstern » 27. September 2020 03:03

Wir würden wieder in die selbe Gesellschafts- und Regierungsform rutschen. Also Demokratie -> Autokratie. Wieso? Weil wie der Vorposter sagte, sich das damals entwickelt hat. Es war einfach effizient. Das die Wahl der Anführer abgeschafft wurde lag z.b. darin, das dadurch viele Kriege entstanden weil man sich nicht einigen konnte. Das ist ideal zu sehen in Schottland mit seinen Clans bis ins 19.Jhd hinein, Ehe England es entgültig eroberte und eine Feudalgesellschaft etablierte.
Demokratie würde schon aus einem Grund scheitern: kommunikation. Tausche dich mal demokratisch in Deutschland aus, wenn du nur das Pferd als Fortbewegungsmittel hast.

Aber auch die Gesellschaft würde sich zurück entwickeln. Viele Frauen schreien jetzt auf. Aber die Rolle der Frau in der Geschichte war IMMER den Lebensumständen unterworfen. Frauen haben weniger Muskeln im Oberkörper, so das Frauen immer weniger Effizient im Kampf oder dem Ackerbau sein werden wie Männer bei gleicher Fitness. Das liegt am Körperbau. Und im Mittelalter geht es ums Überleben. Die Gesellschaft kann es sich nicht Leisten 2-3 Frauen aufs Feld zu schicken für eine Arbeit die ein Mann erledigen kann. Zeitgleich würde die Kindersterblichkeit massiv ansteigen. Es wäre also erforderlich das Frauen mindestens 5 Kinder zur Welt bringen, eher mehr. Durch diese Schwangerschaften wären sie noch weniger körperlich belastbar. Und die wichtigen Arbeiten der Gesellschaft, die das Überleben sichern leisten damit Männer (Kindererziehung ist auch wertvoll, aber für eine Gesellschaft nicht akut Überlebenswichtig). Und daraus würde folgen, dass die Stellung der Frau sinken würde. Ob sie wieder den selben Stand wie im 12.Jhd erreichen wird, ist die Frage. Ich denke aus Überlebensaspekten und aufgrund der Entwicklung ja, es ist nur eine Frage der Zeit. Und wer das skandalös findet: Seht es mal von der Seite: Es wurden auch Männer in dem Bergbau verheizt oder im Krieg... weil da Frauen zu Wertvoll waren. Also egal wie niedrig die Stellung der Frau war, im Krieg war sie wertvoller als das der Männer. Der Grund ist simpel: Es braucht bei Frauen immer noch 1:1 zu Babys im Verhältnis. Aber es braucht garnicht soviele Männer um ein Volk am Leben zu halten. Theoretisch würde einer sogar ausreichen... Demographisch gesehen. Das natürlich bei einem die Versorgung zusammenbrechen würde, ist ne andere Sache. Und deswegen waren Frauen auch gerne Kriegsbeute. Man nimmt damit langfristig dem Gegner die Möglichkeit sich zu rächen und zu erstarken.

Die Emazipation der Frau begann erst als es Tätigkeiten gab welche die Frauen erledigen konnten. Also mit der Industrialisierung, als die Maschinen die körperliche Arbeit übernahmen und zeitgleich Bürojobs entstanden.

Persönliche Anmerkung:
Ich vertrete die Ansicht, das sollte wirklich eine neue Feudalgesellschaft sich etablieren, die Anführer Frauen sein sollten. Sie treffen idR einfach die besseren Entscheidungen wie die von Ehre, Ego, Testosteron getriebenen Männer. Das war oft so. Ausnahmen wird es immer geben. Leider wird das nicht passieren, weil im Zweifel die Menschen einem Anführer folgen würden der eine wesentliche Rolle innerhalb der Gesellschaft einnimmt. Und damit wäre die Frau weg vom Fenster.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Homerclon » 27. September 2020 03:36

Interessanterweise hat sich die Stellung der Frauen erst verschlechtert, als der Mensch sesshaft wurde. Während die Menschen als Nomaden lebten gingen auch die Frauen mit auf die Jagd. Nicht bei jeder, aber dann wenn für den Jagderfolg wirklich alle gebraucht wurden.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Mr XEM » 27. September 2020 09:38

Als Info: Wenn ich im folgenden von Frauen und Männern schreibe, dann ist immer der jeweilige Durchschnitt gemeint und mir ist bewusst, dass es immer Ausreißer, Ausnahmen und Überschneidungen gibt.

nordstern hat geschrieben:Sie treffen idR einfach die besseren Entscheidungen wie die von Ehre, Ego, Testosteron getriebenen Männer. Das war oft so. Ausnahmen wird es immer geben.

Da würde ich dir nicht zustimmen. Gibt ja nicht umsonst den Spruch: Streiten sich Männer um eine Nichtigkeit, prügeln die sich und trinken danach zusammen Bier. Streiten sich Frauen um eine Nichtigkeit, entsteht eine lebenslange Feindschaft.
Bei Frauen fällt eigentlich nur das Testosteron weg. Ego und ein Ehrgefühl haben sie auch. Sie gehen Dinge nur anders und oft indirekter an. Und Frauen sind auch nur dann diplomatischer so lange sie sich unterlegen fühlen. Aus einer Position der Stärke heraus können sie genauso rücksichtslos und undiplomatisch ihre Interessen durchsetzen wie Männer.

Klar, Frauen sind im Schnitt sozialer als Männer. Aber auch nur zu denen, die sie als Mitglied ihrer Gruppe oder nicht als Gefahr für diese ansehen. Wobei Gruppe hier nicht als als klar umrissen zu sehen ist, sondern als etwas unscharfes, fließendes. Mir fällt nur gerade kein besseres Wort ein.

Homerclon hat geschrieben:Interessanterweise hat sich die Stellung der Frauen erst verschlechtert, als der Mensch sesshaft wurde. Während die Menschen als Nomaden lebten gingen auch die Frauen mit auf die Jagd. Nicht bei jeder, aber dann wenn für den Jagderfolg wirklich alle gebraucht wurden.

Die Stellung der Frau hängt wohl mit der Arbeitsteilung ab. Ich habe vor kurzem einen interessanten Artikel über die Stellung der Frauen bei den Wikinger gelesen. Da hazten Wissenschaftler anhand der Zähne die Stellung der Frauen in der jeweiligen Gesellschaft untersucht, da der Zustand der Zähne einen Rückschluss auf die Nahrungsversorgung zulässt. In den meisten Gesellschaften hatten Frauen schlechtere Zähne. In Skandinavien eher nicht. Wobei es da auch einen Unterschied zwischen Land und Stadt gab. Auf dem Land waren sie besser. Das wurde damit erklärt, dass Frauen zwar aufgrund fehlender körperlicher Voraussetzungen beim Ackerbau nicht viel helfen konnten, dafür aber in der Viehwirtschaft.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Il Principe » 27. September 2020 14:54

nordstern hat geschrieben:Demokratie würde schon aus einem Grund scheitern: kommunikation. Tausche dich mal demokratisch in Deutschland aus, wenn du nur das Pferd als Fortbewegungsmittel hast.


Bleibt nur die Frage, wie die USA es in den ersten 50 Jahren ihrer Geschichte geschafft haben?? Gerade in stark föderal geprägten Demokratien/Republiken wäre dies sicherlich kein absolutes Ausschlusskriterium.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Homerclon » 27. September 2020 15:41

Weitgehend autonom agierende regionale Regierungen.
Überregionale Regierungen kümmern sich nur um Dinge, die auch eine Überregionale Bedeutung haben. Allen voran die Außenpolitik.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Mr XEM » 27. September 2020 16:32

Und dass auch ohne Strom und Eisenbahn eine ordentliche Kommunikation möglich ist, haben ja unter anderem die Mongolen bewiesen.
Eine langsamere Nachrichtenübermittlung könnte vielleicht sogar von Vorteil für eine Demokratie sein. Wenn Nachrichten nicht mehr in Sekunden oder Minuten sondern in Tagen übermittelt werden, kann man sich für viele Entscheidungen auch mehr Zeit lassen. Heute wird doch schon fast erwartet, dass eine Entscheidung zu einem Ereignis getroffen wird, bevor das Ereignis überhaupt passiert ist.
Und für den Journalismus wäre es wohl auch qualitätsfördernd, wenn nicht sofort berichtet werden müsste.