Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

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Maniak
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Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Maniak » 30. August 2020 21:12

Wenn heute aus welchen Gründen auch immer man mit Schwert und Bogen wieder Krieg führen müsste was glaubt ihr wie sich die politische Karte Europas verändern würde?

Zum Beispiel wären die Italiener in der Lage wieder das antike Römische Reich zu erschaffen? Könnten sich die Schotten von den Engländern befreien? Könnten die Österreicher und Ungarn den Slawen standhalten von beiden seiten? Würden die Türken es schaffen wieder das Osmanische Reich zu errichten? Wie würden sich die Deutschen verhalten? usw.

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Way of Blücher
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Way of Blücher » 30. August 2020 22:35

... Würden 3/4 der Bevölkerung sofort in die Abhängigkeit der Großbauern geraten und die Großbauern selber wären schnell die neuen Feudalherren, weil die Mehrheit der urbanen Bevölkerung heute kaum noch eine Ahnung hat, oder ausreichend dazu fähig wäre, sich selbst zu versorgen. Des Weiteren: Die heutige Populationsgröße kann man mit mittelalterlichen Methoden nicht ernähren, es würde schnell zu einem riesigen Krieg kommen, der wieder herum Seuchen mit sich brächte, die weitere Teile der Menschen dahin raffen lässt. Insgesamt würde langfristig die Fraktion mit den besten und reichhaltigsten Nahrungsmittelquellen gewinnen, oder die Fraktion, die nach Beginn dieser Zeitumstellung am aggressivsten und schnellsten erobert.
Kurz um: die heute entwickelten Region Europas würden komplett in Chaos und Genocid versinken. Neue Hochkulturen wären dann erstmal nur in sehr abgelegenen, aber ausgeglichenen Regionen möglich. Ausgeglichen im Sinne von vorhandener Population und der natürlichen Umwelt, die diese Menschenpopulation auch mit mittelalterlichen Methoden noch ernähren kann. Z.B. in Oasenstädten der Sahara, tropischen Inseln im Pazifik, oder in Karelien, Sibirien, oder im Himalaya.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon John Doe » 31. August 2020 00:34

Way of Blücher hat geschrieben:... Würden 3/4 der Bevölkerung sofort in die Abhängigkeit der Großbauern geraten und die Großbauern selber wären schnell die neuen Feudalherren, weil die Mehrheit der urbanen Bevölkerung heute kaum noch eine Ahnung hat, oder ausreichend dazu fähig wäre, sich selbst zu versorgen.


Feudalherren hatten auch keine Ahnung, wie man sich selbst versorgt. Dazu hatten sie ja ihre Bauern. Ich denke das wäre heute nicht anders, historisch war selten die Bauernschaft die beherrschende Klasse, nur weil sie sich mit der Nahrungsmittelproduktion auskennen.

Davon ab ein sinnloses Thema, das kann ja keiner in irgendeiner Form auch nur annähernd beantworten.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Homerclon » 31. August 2020 02:49

Überschrift und Inhalt sind etwas widersprüchlich.
Lautet die Frage nun: "Waffentechnik zurück ins Mittelalter" (Beitrag), oder, "jegliche Technik zurück ins Mittelalter" (Überschrift)?

Das ist ein bedeutender Unterschied. Wenn jegliche Technik zurück ins Mittelalter geschleudert wird, gibts ein riesiges Chaos, und es würden definitiv viele Menschen sterben. Allein schon weil die Logistik neu aufgebaut werden müsste.

Nur Waffentechnik: Die Waffentechnik baut zu einem Großteil auf der alltäglichen Technik auf. Man könnte bspw. noch immer schwer gepanzerte motorisierte Fahrzeuge bauen, nur müsste man die Bewaffnung ändern - bspw. eine Repetier-Balliste, die gabs schon in der Antike, einbauen. Nur kommt man damit nicht durch die Panzerung ...
Das Ausheben einer Armee würde recht lange dauern. Da man erst mal die Waffen beschaffen muss - um das zu beschleunigen, müssten weitere Waffenschmiede ausgebildet werden. Man müsste die Soldaten im Fechten (nicht Sportfechten) ausbilden, wie schnell da ginge hängt auch von der Anzahl der verfügbaren Ausbilder an.
Bogen- und Armbrustschützen sollten schneller auszubilden sein, da es sicherlich mehr Bogen- und Armbrustschützen gibt die dies als Hobby betreiben, als Leute die sich mit dem mittelalterlichen Fechten beschäftigen.

Spätestens der Belagerungskampf würde den Mittelalterlichen Waffen aber das Genick brechen. Lebensmittel für Jahrzehnte bunkern können, macht jede Belagerung wirkungslos. Und die mittelalterliche Waffentechnik wäre ungeeignet um eine mit moderner Technik aufgebaute Wehranlage zu durchbrechen. Spätens wenn es sich um einen Bunker handelt, kommt man auch mit einem Trebuchet nicht mehr weiter.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 31. August 2020 20:45

Maniak hat geschrieben:Wenn heute aus welchen Gründen auch immer man mit Schwert und Bogen wieder Krieg führen müsste was glaubt ihr wie sich die politische Karte Europas verändern würde?


Die Gründe dafür müssten schon näher erleutert werden, immerhin setzt es ja die schlagartige "Löschung" sämmtlicher materiellen Errungenschaften und sämmtlichen Wissens der vergangenen about 600 Jahre vorraus.
Das ist ehrlich gesagt eine komplett widersinnige Annahme in sich.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Fairas » 1. September 2020 08:37

Wenn die Gesellschaft durch irgendein Ereignis zurück ins Mittelalter katapultiert würde, bleibt die Frage ob das Wissen in den Köpfen (ggf. sogar das in den Büchern) erhalten bleibt. Damit wäre nämlich ein deutlich schnellerer technologischer Wiederaufstieg wahrscheinlich.

Die Frage die sich mir hier stellen würde, wäre ob wir als Menschheit aus der "Vergangenheit" gelernt hätten und beim zweiten Versuch auf Dinge wie Holocaust und Klimakatastrophe verzichten können.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Hexenkönig » 2. September 2020 01:58

Also ich halte den Startpost für ziehmlichen Unsinn. Sagen wir es wäre wirklich so, dass ein zivilisationszerstörendes Ereignis eintritt, wie ein Mega-Sonnensturm, der auf einen Schlag das Internet wie überhaupt alle elektrischen Geräte unbrauchbar machen würde, dann würde das Chaos und Anarchie in allen hoch entwickelten Gesellschaften auslösen und computergestützte Waffen bzw. Raketensysteme wären unbrauchbar, jedoch heißt das noch lange nicht, dass wir wieder auf Schwert und Schild zurückgreifen müssten. Es gab auch vor der modernen Gesellschaft schon Schusswaffen von der kleinen Feuerhandpistole bis hin zu 42-cm-Mörsern wie der Dicken Berta des 1. Weltkriegs.

Die Elektrizität und mit ihr das Internet halten unsere moderne Lebensweise heute am Laufen, viele kritische Systeme eines jeden hoch entwickelten Staates sind von beiden Komponenten abhängig, weshalb wir über diesen Weg heutzutage um vieles mehr abhängig und verwundbar sind. Würde die Erde heute ein zu starker Sonnensturm treffen wäre das eine Katastrophe, während wir vor 200 Jahren (1820) keinerlei Notiz davon genommen hätten, außer vielleicht in Form von neugierigen wissenschaftlich motivierten Fach- und Zeitungsartikeln über das Ereignis. Die Elektrifizierung der Welt begann erst ab den 1880er Jahren und jeder wird wohl zugeben, dass die Leute des bis dahin währenden 19. und des 18. Jahrhunderts ebenfalls schon zivilisiert waren, wozu also zurück ins Mittelalter?
Ich gehe davon aus sollte es zu einer solchen Katastrophe kommen würde zuerst einmal eine Phase der Anarchie andauern, die danach einer ähnlichen Gesellschaft (aus technischer, NICHT politischer Sicht) wie der vor 1880 Platz machen würde, dabei vielleicht mit neuen verstärkten Bestrebungen durch die ganze Gesellschaft hindurch wieder Dinge mit Elektrizität betreiben zu können (wenn ich mich richtig erinnere soll das ja nach einem Sonnensturm aus irgendeinem Grund längere Zeit nicht möglich sein). Auch unser Wissen kann unmöglich von einem Schlag auf den anderen zerstört werden, das geht einfach nicht. Bei all dem hochgepriesenen Wissen des Internets gibt es trotzdem immer noch genug aktuelle Druckwerke für alle Themenbereiche und selbst falls während der Anarchiephase von mir aus alle verdammten Nationalbibliotheken dieser Welt in Flammen aufgehen sollten, so wären trotzdem immer noch genug Bücher aus Privatbesitz vorhanden die man zu Rate ziehen kann. Es gibt heute millionenfach mehr Bücher, als damals während der Antike und des Mittelalters, außerdem war jenes Wissen von dem wir hier reden einzig auf Europa beschränkt. Ein paar 100 Schriftrollen pro Einzelwerk, das darüber hinaus auch nur auf einem einzigen sehr kriegerischen Kontinent wie das antike Europa existiert, kann von mir aus bald einmal unwiderbringlich verloren gehen, jedoch unsere Bücher werden (bei großen und wichtigen Publikationen) heute zu 100.000en in der ganzen Welt veröffentlicht in zig Sprachen! Also mir kann daher unmöglich jemand erzählen, dass wir plötzlich auf einmal auf dem Stand des Mittelalters wieder sein könnten. Auch die Frage nach einem wiedererrichteten Imperium Romanums, oder dass die Slawen plötzlich alle etwas gegen Österreich und Ungarn hätten ist unlogisch und bedient Themen der Vergangenheit, die heute nicht mehr in dieser Form, bzw. gar nicht mehr relevant sind. Ungarn und Österreich sind beides heute kleine Staaten von nachrangiger Wichtigkeit auf dem Kontinent, verglichen mit Ländern wie Deutschland, oder Frankreich, wieso sollten slawische Staaten plötzlich etwas gegen sie haben, nur weil man jetzt wieder mit Schwertern kämpfen müsste, so wie dies vom Threadersteller postuliert wird?
In der Vergangenheit hatte diese feindliche bzw. ablehnende Komponente noch ihre Berechtigung, wo slawische Völker wie Tschechen, Slowenen, Slowaken usw. von den Deutschen und Ungarn unter Habsburgs Krone beherrscht worden waren, doch heute haben all diese Völker ihre eigenen Staaten und sind Österreich und Ungarn gegenüber damit gleichberechtigt (und ungefähr auch gleich groß und gleich stark), also kein Problem.

Und dass das Römische Reich unwiderbringlich verloren ist versteht sich ja wohl von selbst. Selbst wenn das alle paar hundert Jahre mal so ein Schwachkopf wie Mussolini als Ziel für Italien festlegen sollte, so haben wir ja schon gesehen wie erfolgreich der Duce damit war. Außerdem denke ich nicht, dass Italien heute noch eine Chance gegen gewisse Länder wie Frankreich hätte, also noch ein Grund mehr. Und der trifftigste Grund ist dann Italien selbst. Die modernen Italiener sind nicht mehr die antiken Römer. Ihre Wertevorstellungen, ihr Selbstbild, einfach alles ist bei den heutigen Italienern fundamental anders als bei den alten Römern, selbst ihre Sprache. Ich meine Italien kommt ja auch nicht plötzlich auf die Idee sich militärisch an Deutschland rächen zu wollen, bloß weil vor 2011 Jahren der Cheruskerfürst Arminius den Römer Varus im Teutoburger Wald während der Varusschlacht vernichtend geschlagen hatte, denn das wäre ungefähr genauso weit hergeholt wie diese Italien-Neurom-Idee.
Auch hätten wir heute keine Feudalgesellschaft mehr, einfach, weil es sich nicht so entwickeln würde. Das Feudalsystem war über die Jahrhunderte ungeplant und organisch im Geiste seiner Zeit gewachsen, bis sich die westliche Gesellschaft verändert und es abgeschafft hatte. Würden sich heute wieder Abhängigkeitsverhältnisse herausbilden, so denke ich würden sie viel eher wie in den 30er und 40er Jahren aussehen, bzw. in der Sowjetunion bis 1990/91 und Nordkorea bis heute, wo eine mächtige Gruppierung wie eine Partei den Ton angibt, einfach, weil so etwas für unsere Gesellschaft viel "natürlicher" wäre, anstatt spontan in überholte Gesellschaftsmuster zurückzufallen von denen die meisten Leute heute sowieso keinen Plan mehr haben, wenn sie nicht gerade Historiker bzw. Geschichtsinteressierte sind. Das ist auch der Grund wieso ein aktiv gelebter politischer Adel, bzw. die Wiedereinführung der Monarchie Schwachsinn ist. Die Monarchie ist für westliche US-europäische Verhältnisse ein anachronistisches Kontrukt, das keinerlei Daseinsberechtigung und (bei näherem Nachdenken) auch keinen Existenzgrund mehr besitzt. Selbst monarchistisch regierte moderne westliche Länder wie Spanien, Großbritannien, oder die Niederlande sind alles bereits Demokratien in denen die Monarchie nur noch aus Gründen der Tradition und der Folklore existiert, eben, weil das schon immer so war. Doch nimmt man Länder her wie Deutschland, oder Österreich, so passt es einfach nicht mehr mit einer erneuten Monarchie. Wir alle sind seit 100 Jahren (mit einer, bzw. zwei Unterbrechungen) in einem demokratischen und gleichberechtigten Sinne erzogen und aufgewachsen, welche Gründe könnte man solchen Leuten also anführen, die genügend rechtfertigen könnten, dass es plötzlich wieder eine von Geburt an unterschiedliche Klassengesellschaft (Adel) einfach so geben und ein völlig willkürlich gewähltes Herrscherhaus installiert werden sollte, das sich dann auf Kosten der Steuerzahler auch noch finanzieren sollte? Selbst wenn man die Hohenzoller bzw. die Habsburger nehmen wollte, so wäre dies vollkommen willkürlich, denn man würde sie nehmen, eben, "weil es früher auch so war". Jedoch liegt dieses "Früher" 100 Jahre her und seitdem hat sich die Welt gewandelt. Die Kontinuität ihrer Herrschaft ist seit 100 Jahren abgerissen jeglicher Anspruch daher erloschen. Otto von Habsburg hätte man in nachmonarchischer Zeit vielleicht noch einmal einräumen können erneut zu einem Kaiser bzw. König erhoben zu werden, da er 1) als Kind noch tatsächlich aktiver Thronfolger der Donaumonarchie gewesen war und er 2) sich als Erwachsener politisch mit ganzem Einsatz für den Kampf gegen den Nationalsozialismus, für die Wiedererrichtung und Stärkung Österreichs und überhaupt für Europa (Paneuropa-Bewegung) verwendet hatte. Doch Otto von Habsburg ist ebenfalls schon verstorben und seine (bereits in republikanischen Zeiten geborenen) Nachkommen haben nichts vergleichbares geleistet, was ihre Kronerhebung rechtfertigen würde, außer der Sache mit der Verwandtschaft zu den alten Herrschern von vor Vorgestern. Wenn, dann würde diese Ehre Personen, bzw. Familien gebühren, die jetzt im Hier und Heute etwas geleistet haben was diesen Schritt rechtfertigen könnte, immerhin war das beim alten Adel auch nicht anders. Auch der hatte vor Ewigkeiten einmal irgendwas leisten müssen, um als Herrschergeschlecht aufzusteigen, bzw. eingesetzt zu werden, wieso sollte es heute anders als damals sein?

Daher glaube ich nicht, dass je wieder in einem westlichen Land die Monarchie bzw. der Adel wiedereingeführt wird, wo sie schon seit längerem abgeschafft sind, eben, weil dies einfach nicht mehr unserem Selbstverständnis entspricht. Eher tendieren demokratische Systeme totalitärer zu werden unter Vorherrschaft eines Führers und einer Partei wie z.B. die Sowjetunion, oder Italien unter Mussolini, oder Österreich zur Zeit des Ständestaats unter Dollfuß, oder Spanien unter Franco. Diese Systeme sind sowas wie die "modernen Monarchien", da sie genauso wie früher die alten Vorbilder einen Herrscher an der Spitze haben, während das was früher der Adel war in diesen Systemen die Parteimitgliedschaft ist. Und was die herrschaftliche Legitimation durch Gottes Gnaden war, wäre die durch das Volk (ob real, oder nur vorgeblich). Was früher die christliche Religion für die Monarchie war, wäre heute die politische Ideologie für den betreffenden Führerstaat, wie auch immer diese dann auch aussehen mag. Sollte also unsere Gesellschaft heute einen zivilisatorischen Rückschlag erleben sage ich voraus, dass die Leute eher solche "Führerstaaten" bilden würden, anstatt Monarchien mit Zepter und Krone und von Gottes Gnaden.

Dies sind Annahmen von Dingen wie Sonnenstürmen, oder anderen Dingen, die unsere Gesellschaft nur um gut 100-200 Jahre zurückwirft (weil zurück ins Mittelalter ist eben unmöglich), etwas ganz anderes wäre natürlich so etwas wie ein nuklearer Supergau, oder eine weltweite tödliche Seuche wo die Zivilisationen und politischen Konstrukte überall auf dem Planeten größenteils ausgelöscht werden. In so einem Szenario denke ich würde dann eher so etwas wie die Fallout-Reihe, oder jedes sonstige beliebige Postapokalypse-Szenario Anwendung finden, wo sich kleine Menschengruppen zusammenrotten und um Ressourcen wie Benzin, Nahrung, oder Stromgeneratoren kämpfen, doch natürlich gibt es auch hierbei Schusswaffen und Eisenstangen zum Kämpfen und eher weniger Schwerter, egal wie ruiniert das Weltwissen wäre. Und dass in so einer postapokalyptischen Welt die Fragen nach einem neuerlichen Römischen Reich, oder "Slawen gegen Österreicher und Ungarn" mehr als obsolet dann sind versteht sich ja wohl von selbst, denn dann zählt nur noch das Überleben der eigenen Gruppe.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 2. September 2020 07:08

Hexenkönig hat geschrieben:Also ich halte den Startpost für ziehmlichen Unsinn. Sagen wir es wäre wirklich so, dass ein zivilisationszerstörendes Ereignis eintritt, wie ein Mega-Sonnensturm, der auf einen Schlag das Internet wie überhaupt alle elektrischen Geräte unbrauchbar machen würde, dann würde das Chaos und Anarchie in allen hoch entwickelten Gesellschaften auslösen und computergestützte Waffen bzw. Raketensysteme wären unbrauchbar, jedoch heißt das noch lange nicht, dass wir wieder auf Schwert und Schild zurückgreifen müssten. Es gab auch vor der modernen Gesellschaft schon Schusswaffen von der kleinen Feuerhandpistole bis hin zu 42-cm-Mörsern wie der Dicken Berta des 1. Weltkriegs.


Inwiefern würde das Chaos und Anarchie auslösen?
Es wäre doch vollkommen klar, dass es sich dabei um eine temporäre Angelegenheit handelt, die binnen einer zu überbrückenden Übergangszeit wieder in den Griff zu bekommen ist. Sicherlich wäre es kompliziert das Leben von jetzt auf gleich ohne Elektronik und vollständig analog zu organisieren, aber eine nachhaltige Beeinträchtigung sehe ich darin nicht, da die Grundlagen alldessen ja weiterhin intakt blieben.
Schauen wir uns den letzten Weltkrieg an, sind auch dabei, vor allem in den schwer durch Bomben und Artillerie malträtierten Großstädten elementare Dinge, wie Energie- und Wasserversorgung in Teilen vollständig zusammen gebrochen, genau so wie das Abwassersystem, die Abfallentsorgung etc.
Nebenbei lag in Teilen der Löwenanteil der Baumasse in Trümmern, die Bewohner hatten keine intakten Behausungen und die Trümmer behinderten den Verkehrsfluss und Wiederaufbau.

Das waren viel schwerwiegendere punktuelle Eingriffe, als ihn jeder denkbare, überlebbare Sonnensturm auslösen könnte.
Trotzdem ist die Geselslchaft damals nicht zusammen gebrochen und binnen 10 Jahren waren die Schäden jedenfalls notdürftig so weit beseitigt, dass man mehr oder minder wieder zum normalen Vorkriegsalltag übergehen konnte.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Il Principe » 2. September 2020 12:00

Maniak hat geschrieben:Wenn heute aus welchen Gründen auch immer man mit Schwert und Bogen wieder Krieg führen müsste was glaubt ihr wie sich die politische Karte Europas verändern würde?

Zum Beispiel wären die Italiener in der Lage wieder das antike Römische Reich zu erschaffen? Könnten sich die Schotten von den Engländern befreien? Könnten die Österreicher und Ungarn den Slawen standhalten von beiden seiten? Würden die Türken es schaffen wieder das Osmanische Reich zu errichten? Wie würden sich die Deutschen verhalten? usw.


Wenn sich nur die Verfügbarkeit der Waffen verändert, wieso soll sich dann überhaupt auf der politischen Landkarte Europas etwas ändern? Nicht ohne Grund haben wir in Europa durch ein enges Beziehungsgeflecht von EU und Nato seit ca. 75 Jahren weitgehend Frieden. Ok, während des Kalten Krieges hätte ein solches Szenario vielleicht Auswirkungen gehabt, aber heute sehe ich keinen ersichtlichen Grund, warum Europa direkt wieder in ein Zeitalter des kriegerischen und feindlichen Nationalismus zurückfallen sollte?? Höchstens könnte ich mir vorstellen, dass einzelne Regionen destabilisiert bzw. ihre Eigenständigkeit durchsetzen würden, da radikale Kräfte sich mangels moderner Waffen möglicherweise eher gegen die Zentralgewalt durchsetzen könnten. Ich denke da an Regionen wie Nordirland, Baskenland, Katalonien, Ostukraine usw.

PS: Dein Szenario halte ich für Europa relativ sinnfrei; anders sieht es allerdings aus, wenn man es auf den Nahen Osten überträgt. Ohne moderne Waffen würden Machtblöcke/Länder wie der Westen und Russland (und China) sicherlich nicht so großen Einfluss auf die dortigen Machtverhältnisse nehmen können und die politische Landkarte würde sich mit Sicherheit extrem verändern (Israel, Syrien, Irak, Kurdengebiet etc.).

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Maniak » 8. September 2020 22:31

Hexenkönig hat geschrieben: Auch die Frage nach einem wiedererrichteten Imperium Romanums, oder dass die Slawen plötzlich alle etwas gegen Österreich und Ungarn hätten ist unlogisch und bedient Themen der Vergangenheit, die heute nicht mehr in dieser Form, bzw. gar nicht mehr relevant sind.



Wenn sich die Kriegskunst heute verändern würde wie im Mittelalter oder in der Antike und sich die Italiener wieder auf das Römische Erbe konzentrieren würden hätten sie schon eine Chance den Großteil des Mittelmeeres zu erobern, nur bei Frankreich, Großbritannien und der Türkei hätten sie probleme finde ich wegen der hohen Bevölkerungszahl dieser Länder.


Viele Slawische Nationalisten träumen davon sich wieder zu "vereinen" wie damals als sie nicht getrennt waren zwischen Ungarn und Österreich. Immerhin waren die Ex-Jugoslawischen Völker einmal Nachbarn mit den Tschehen und Slowaken bis sich die Ungarn und Österreicher zwischen ihnen angesiedelt haben. Ungarn und der Großteil Österreichs waren nunmal Slawisch besiedelt bevor sich die Ungarn und Österreicher dort niedergelassen haben.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 9. September 2020 06:15

Maniak hat geschrieben:
Hexenkönig hat geschrieben: Auch die Frage nach einem wiedererrichteten Imperium Romanums, oder dass die Slawen plötzlich alle etwas gegen Österreich und Ungarn hätten ist unlogisch und bedient Themen der Vergangenheit, die heute nicht mehr in dieser Form, bzw. gar nicht mehr relevant sind.



Wenn sich die Kriegskunst heute verändern würde wie im Mittelalter oder in der Antike und sich die Italiener wieder auf das Römische Erbe konzentrieren würden hätten sie schon eine Chance den Großteil des Mittelmeeres zu erobern, nur bei Frankreich, Großbritannien und der Türkei hätten sie probleme finde ich wegen der hohen Bevölkerungszahl dieser Länder.

Und zwar weil?

Analog betrachtet, fehlt mir da irgendwie das Verlangen ins NS-Reich zurück zu wollen, dass ich der selben Logik nach ja haben müsste, weil grundsätzlich die Kriegstechnik dem doch noch sehr ähnlich ist, wenn wir uns hier über die Bandbreite von ganzen Zeitaltern auslassen.

Maniak hat geschrieben:Viele Slawische Nationalisten träumen davon sich wieder zu "vereinen"

Und zwar genau wo?
Mit Hinblick auf den Westbalkan, ist wohl eher die gegenläufige Tendenz in den letzten 30 Jahren virulent gewesen, ditto im Hinblick auf die Abwicklung der Sowjetunion und der CSSR. Der träumer in dieser Hinsicht scheint da gerade eher jemand anderes zu sein.

Maniak hat geschrieben:Ungarn und der Großteil Österreichs waren nunmal Slawisch besiedelt bevor sich die Ungarn und Österreicher dort niedergelassen haben.

Zum einen widerspricht die Begrifflichkeit von "Slawen", die du da hast ganz offenkundig sowohl linguistischen, als auch archäologischen Kategorien, zum anderen war der Raum nicht "slawisch besidelt", sondern dort siedelten Gruppen, die sich an Hand ihrer materiellen Kultur als slawisch auffassen und definieren lassen (was allerdings keine scharfen, eindeutigen Abgrenzungen zulässt), neben solchen, auf die das nicht zutrifft.
Da auf Grund nicht vorhandener Infrastruktur, die Reichweite des "slawischen" Normalbauern um diese Zeit. i.d.R. 2-3 Tagesreisen um den eigenen Acker herum ausgemacht haben dürften, ist auch nicht anzunehmen, dass es da irgendein gruppenspezifisches Bewusstsein, des gesammten materiellen Kulturraums gegeben habe, denn dazu hätte man ja zunächst mal flächendeckend von einander wissen müssen.
Insofern kann man auch das in dieser Auffassung getrost dem Reich blühender Phantasie zuschreiben.
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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Maniak » 10. September 2020 22:33

Stratege hat geschrieben:


Analog betrachtet, fehlt mir da irgendwie das Verlangen ins NS-Reich zurück zu wollen, dass ich der selben Logik nach ja haben müsste, weil grundsätzlich die Kriegstechnik dem doch noch sehr ähnlich ist, wenn wir uns hier über die Bandbreite von ganzen Zeitaltern auslassen.


Zum einen widerspricht die Begrifflichkeit von "Slawen", die du da hast ganz offenkundig sowohl linguistischen, als auch archäologischen Kategorien, zum anderen war der Raum nicht "slawisch besidelt", sondern dort siedelten Gruppen, die sich an Hand ihrer materiellen Kultur als slawisch auffassen und definieren lassen (was allerdings keine scharfen, eindeutigen Abgrenzungen zulässt), neben solchen, auf die das nicht zutrifft.
Da auf Grund nicht vorhandener Infrastruktur, die Reichweite des "slawischen" Normalbauern um diese Zeit. i.d.R. 2-3 Tagesreisen um den eigenen Acker herum ausgemacht haben dürften, ist auch nicht anzunehmen, dass es da irgendein gruppenspezifisches Bewusstsein, des gesammten materiellen Kulturraums gegeben habe, denn dazu hätte man ja zunächst mal flächendeckend von einander wissen müssen.
Insofern kann man auch das in dieser Auffassung getrost dem Reich blühender Phantasie zuschreiben.



Warum ins NS-Reich? Eher ins antike "Germanien" welches von Germanischen Stämmen besiedelt wurde.

Nach deiner Logik gab es etwa keine Völker damals? Diese sogenannten "Slawischen Normalbauern" wie du sie nennst, haben zuerst in einem Sumpfgebiet in Weißrussland gelebt bevor sie ganz Osteuropa eroberten und schließlich ganz Russland bis zum Pazifik.

Natürlich war der Raum Slawisch besiedelt, als die Langobarden Österreich und Ungarn verliessen richtung Norditalien liessen sich eben die Slawen dort nieder und ein kleiner teil von Awaren bis die Awaren eben von den Slawen vernichtet wurden. Später ließen sich die Ungarn im heutigen Ungarn nieder und vermischten sich mit den dortigen Slawen, das selbe die Bajuwaren (heutige Österreicher) wanderten aus Bayern ins heutige Österreich und ließen sich dort nieder und es kam auch zu Kämpfen zwischen ihnen und den Slawen. Das ist auch der Grund warum die Slowenen keine Nachbarn mehr sind mit den Tschehen und Slowaken. Die Slowenische Minderheit in Südösterreich stammt noch aus dieser Zeit.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Stratege » 11. September 2020 00:24

Maniak hat geschrieben:
Warum ins NS-Reich? Eher ins antike "Germanien" welches von Germanischen Stämmen besiedelt wurde.

Ins NS-Reich weil weil du mit deinem Postulat eine direkte Verbindung zwischen verwendeter Waffentechnik und historischer Staatsbildung herbestellt hast. Daher die Frage.
Der Unterschied zwischen der im zweiten Weltkrieg angewandten Technik und der heutigen, dürfte nicht viel weiter auseinander liegen, als Technik und Taktik Roms zu Königszeiten, zu hoher, republikanischer Zeit und zu spätkaiserlicher Zeit.
Entsprechend, wenn es einen solchen Zusammenhang zwischen Waffentechnik und Staatsbildung gäbe, müsste ich ja das Verlangen verspühren die Welt mit Hakenkreuzen vollzuschmieren. Das ist aber irgendwie so gar nicht der Fall. Warum nicht?
dann wäre weiterhin die Frage zu stellen, warum ein Bewohner Italiens, wenn er sich da an vergangenen Staatswesen orientieren sollte unbedingt das römische Reich anstreben müsste und nicht etwa das Etruskische oder Samnitische Herrschaftsgebiet?

Ich würde mal behaupten, dieses Postulat ist vollkommener Unsinn und in mehrfacher Hinsicht völlig unausgegohren.


Maniak hat geschrieben:Nach deiner Logik gab es etwa keine Völker damals?

Jedenfalls nicht in der Form, wie da das hier postulierst.

Maniak hat geschrieben:Diese sogenannten "Slawischen Normalbauern" wie du sie nennst, haben zuerst in einem Sumpfgebiet in Weißrussland gelebt bevor sie ganz Osteuropa eroberten und schließlich ganz Russland bis zum Pazifik.

Lupenreine Fehlwiedergabe.
Das Ursprungsgebiet der slawischen Sprachen scheint sich in Richtung Weißrussland lokalisieren zu lassen. Das bedeutet aber bei weitem nicht, dass sämmtlich heutigen Sprecher dieser Sprachen irgendwelche direkten Vorfahren aus diesen Gebieten haben. Sprachen kann man mehr oder minder übernehmen, das zeigt ja die tatsache, dass auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich und Rumänien noch heute Abarten des Lateinischen gesprochen werden, obwohl dort niemals mehrheitlich irgendwas siedelte, was man vom "ethnischen" Standpunkt her als "Römer" im engeren Sinne bezeichnen könnte.
Die heutigen slawischen Sprachgebiete bildeten sich nach Vermischung eingewanderter Elemente mit ortsansässigen Bevölkerungen heraus, die die Sprache, ggf. in abgewandelter Form, so wie Teile der materiellen Kultur übernahmen, andere beibehielten.

Maniak hat geschrieben:Natürlich war der Raum Slawisch besiedelt,

Nein, er war eben nicht homogen slawisch besiedelt. Er war besiedelt von Slawen, so wie von vor dem Eintreffen slawischer Stämme ansässigen Bevölkerungen, die letztendlich die slawischen Mundarten übernahmen, nichtsdesto weniger regional aber auch Elemente ihrer materiellen und geistigen Kultur einbrachten, und somit regional für die Entstehung von Kulturen sorgten, die mit denen, was ursprünglich mal "slawisch", im Sinne der Region, aus der die Sprachfamilie sich herleitet, allenfalls noch Teilübereinstimmungen zustande brachten.



Maniak hat geschrieben: als die Langobarden Österreich und Ungarn verliessen richtung Norditalien liessen sich eben die Slawen dort nieder und ein kleiner teil von Awaren bis die Awaren eben von den Slawen vernichtet wurden. Später ließen sich die Ungarn im heutigen Ungarn nieder und vermischten sich mit den dortigen Slawen, das selbe die Bajuwaren (heutige Österreicher) wanderten aus Bayern ins heutige Österreich und ließen sich dort nieder und es kam auch zu Kämpfen zwischen ihnen und den Slawen. Das ist auch der Grund warum die Slowenen keine Nachbarn mehr sind mit den Tschehen und Slowaken. Die Slowenische Minderheit in Südösterreich stammt noch aus dieser Zeit.

Das Wanderungsbewegungen und militärische Auseinandersetzungen zur geographischen Formierung von Sprachgebieten beigetragen haben, bestreitet ja niemand.
Inwiefern sollte sich aber durch bloße Nachbarschaft und Ähnlichkeit in der Sprache irgendein Bewusstsein für Zusammengehörigkeit entwickeln? Ich würde mal meinen in Österreich und dem Löwenanteil der Schweiz werden lupenreine oberdeutsche Dialekte gesprochen, und die, sich aus dem Niederfränkischen herleitende, in den Niederlanden und und in Flandern gesprochene Niederländisch, ist Teilen der mittel- und niederdeutschen Mundarten ähnlicher, als es die oberdeutschen Dialekte sind.
Trotzdem sehe ich da so gar keine Anschlussbestrebungen an Deutschland und ich bezweifle, dass sich das dadurch änderte, wenn man einem Schweizer oder Niederländer einen Speer in die Hand drückte.
Ich würde mal meinen, dass der Spieß als solcher gerade für die Schweizer immer effektives Werkzeug war um sich vom Reichszusammenahng abzugrenzen.

Um nun wieder auf das zurück zu kommen, was du hier, in Ablehnung aller archäologischen Kategorien ohne Einbeziehung der materiellen Kultur als "Slawen" bezeichnest:

1. Wäre da die Frage weiterhin ungeklärt, wie diese in grauer Vorzeit en gros ohne moderner Verkehrs und Kommunikationsmittel denn etwas von einander hätten wissen, geschweige denn sich verständigen sollen? Die Unterschiede zwischen Ost-, West- und Südslawischen Mundarten sind mitunter ja doch recht deutlich und woher sollte jemand, der im 8. oder 9. Jahhundert in einem, heute zu Kroatien gehördenen Provinzdorf saß irgendeine Vorstellung davon haben, wie das Leben in der Ostukraine, im Bereich Nowgorod, Masowien, der Lausitz oder an der bulgarischen Schwarzmeerküste gewesen ist, oder wer da überhaupt gelegt hat?
2. Wie denn Bevölkerungen, die sich durch Assimilation diverser anderer regionaler Elemente, deutlich von einander unterschieden, auf die Idee kommen könnten sich "wiederzuvereinigen", denn vereinigt waren sie in der Form ja nie.
3. Warum zeigen sich auf der europäischen Landkarte, wenn solche Bestrebungen angeblich virulent sind, nur die gegenläufigen Bestrebungen? Jugoslawien und die Tschechoslowakei sind als gescheiterte Staaten auseinander geflogen, seit spätestens der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben Ukrainer und Weißrussen sukzessive ihre Loslösung von Russland betrieben. Die Kroaten wiederrum waren davon in einem südslawischen Staat leben zu dürfen im letzten jahrhundert so begeistert, dass sich sich den italienischen und Deutschen usurpatoren zur Verfügung stellten und bei der Unterdrückung der Serben fleißig mithalfen und sich dann später zusammen mit den Slowenen aus dem Staatsgebilde herauskämpften.
Die entsprechenden Bindungen zwischen Serbin und Bulgarien waren im vergangenen Jahrhundert dermaßen stark, dass sich beide Staatswesen in ziemlich blutigen und hasserfüllten Auseinandersetzungen im Rahmen von Balkankrieg 2 und Weltkrieg 1, wegen Territorien in Nordmazedonien gegenseitig die Schädel einschlugen und die Polen und Tschechen standen standen zwischen den Weltkriegen wegen der causa Teschen kurz davor das zu tun, wie sie sich auch historisch schon wegen der Zugehörigkeit Schlesiens zum jeweiligen Lehensverbund in den Haaren hatten.
Irgendwas über das Verhältnis von Polen und Russland in diesem Zusammenhang zu äußern, erübrigt sich, meine ich von vorn herein, ebenso im Hinblick auf das Verhältnis Polens und Russalnds zur Ukraine.
Das Bedürfnis der Ukrainer sich mit den Russen zu irgendwas zu vereinigen, ist offenscihtlich gerade groß genug uns an den Rand eines veritablen europäischen Flächenbrandes geführt zu haben und als Vereinigungsmittel scheinen derzeit Kanonen und Raketen sehr im Trend zu liegen.

Wo also sollen diese Vereinigungstendenzen sein, von denen du da sprichst? Ich sehe im rekurs auf die vergangenen 200 Jahre da eigentlich nur Spaltung.
Die Grundwerte der prämodernen Gesellschaftsordnung:

Artillerie, Kavallerie, Infanterie

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Maniak » 12. September 2020 21:35

Stratege hat geschrieben:
Das Ursprungsgebiet der slawischen Sprachen scheint sich in Richtung Weißrussland lokalisieren zu lassen. Das bedeutet aber bei weitem nicht, dass sämmtlich heutigen Sprecher dieser Sprachen irgendwelche direkten Vorfahren aus diesen Gebieten haben. Sprachen kann man mehr oder minder übernehmen, das zeigt ja die tatsache, dass auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich und Rumänien noch heute Abarten des Lateinischen gesprochen werden, obwohl dort niemals mehrheitlich irgendwas siedelte, was man vom "ethnischen" Standpunkt her als "Römer" im engeren Sinne bezeichnen könnte.



Der Unterschied zwischen den Römischen und Slawischen Eroberungen war darin, die Römer haben ihre eroberten Gebiete nicht Massenhaft mit eigenen Leuten besiedelt, die Slawen dagegen schon.

Übrigens schweifen wir immer mehr vom Thema ab, hier geht es nur darum wie sich die heutige politische Landkarte Europas verändern würde wenn die Völker wieder Krieg führen würden wie in der Antike / Mittelalter.

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Re: Wenn heute wieder das Mittelalter wäre

Beitragvon Il Principe » 13. September 2020 10:52

Maniak hat geschrieben:Übrigens schweifen wir immer mehr vom Thema ab, hier geht es nur darum wie sich die heutige politische Landkarte Europas verändern würde wenn die Völker wieder Krieg führen würden wie in der Antike / Mittelalter.


Ich behaupte, sie würde sich absolut gar nicht ändern! Allein die Art und Weise wie man Krieg führt, ändert nichts an der Bereitschaft, überhaupt Krieg führen zu wollen. Und die ist in Europa (zum Glück) nicht mehr besonders ausgeprägt. Wieso sollte sie auch? Wirtschaftliche Durchdringung und Einflussnahme ist um einiges effizienter und lukrativer als mit einer Armee in Land X einzumarschieren.
Darüberhinaus wäre jeder Angriffskrieg in Europa mehr oder weniger Selbstmord. Nehmen wir einmal das abstruse Szenario an, Italien würde Frankreich angreifen, um sein Römisches Reich wiederaufleben zu lassen. Was wären die wahrscheinlichsten Folgen? Italien würde als Aggressor europa- und weltweit geächtet und mit Sanktionen und Handelsembargos zugeschüttet, was die Wirtschaft kollabieren lassen würde. Möglicherweise würde Frankreich auch militärisch unterstützt (schwierig zu sagen, wie viel die Beistandsklauseln des EU-Vertrags (Art. 42.7) und der Nato im Ernstfall wert sind, vor allem da beides Mitglieder sind). Welches Land ginge denn freiwillig solch ein Risiko für einen fragwürdigen Nutzen ein?