Gettysburg - Tag 1

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Gettysburg - Tag 1

Beitragvon nordstern » 9. Oktober 2020 14:10

Hi,

ich beschäftige mich schon länger mit dem Sezzessionskrieg. Und wie bei allen Kriegen überlege ich auch: was wäre wenn. Und der größte Knackpunkt meines erachtens war Gettysburg. Es gab auch andere Chancen der Konföderierten zu gewinnen, aber meines erachtens war Gettysburg die Größte.

Am ersten Tag gelang es Bufords Kavallerie ja eine Division der Konföderierten aufzuhalten... zu verzögern. Diese sicherlich unbestrittene Glanzleistung seiner Karriere, führte dazu das die Union genug Zeit hatte die Höhenzüge zu besetzen und die Konföderierten dies nicht tun konnten. Damit war die Ausgangslage für die Konföderierten schlecht. Aber selbst wenn der Tag 1 historisch Verlaufen wäre, war die konföderierte Armee am 2.Tag am gewinnen. Erst eine Reihe unglücklicher "Zufälle" führte zur Niederlage. Wie z.b. die Verteidigung des Round Tops, was eigentlich nicht möglich gewesen sein sollte.

Welche Auswirkungen hätte es gehabt, wenn die Konföderierten Buford vertieben hätten und die Höhenzüge besetzt hätten? Wäre es überhaupt zur Schlacht gekommen? Und wenn ja, wie wäre sie verlaufen?
Und was wäre passiert, wenn die Konföderierten den Tag 2 gewonnen hätten?

Ich denke, das Meade einer Konfrontation aus dem Weg gegangen wäre. Genauso wie er auch am 4.Tag keinen Gegenangriff wagte. Genauso hätte er sich auch am Tag 2 zurückgezogen. Die Frage ist nur, was so ein Rückzug für Folgen im Krieg gehabt hätten. Viele sagen, dass dann die Konföderierten den Krieg gewonnen hätten. Ich bin mir da nicht so sicher. Ja, Meade war überfordert (was er selbst sogar sagte gegenüber Lincoln, weil er das Kommando eigentlich nicht haben wollte)... aber seine Armee war intakt und zahlenmäßig überlegen. Er oder sein Nachfolger, hätten sich also durchaus den Konföderierten vor Washington entgegenstellen können. Daher denke ich, das außer Zeit nicht viel passiert wäre. Bestenfalls hätte ein Sieg die Siegeschance der konföderierten leicht verbessert. Schlimmstenfalls wäre er bedeutungslos gewesen. Der Sieg wäre einfach zu spät gekommen. Ein Sieg früher.. z.b. in Antietam/Sharpsburg wäre für die Union viel schwerer wegzustecken gewesen, weil hier die Armeen wirklich kämpften. Während in Gettysburg Meade immer die Chance gehabt hätte seine Truppen rauszuziehen.

Daher sehe ich auf strategischer Ebene, war seine größte Chance den Krieg zu gewinnen in Antietam und nicht Gettysburg. In Gettysburg war er nur am nächsten dran, die Folgen wären aber nicht so gravierend gewesen. In Antietam war der Sieg nicht so nahe, aber er wäre vermutlich kriegsentscheidend gewesen.
Ich bin Legastheniker. Wer also Rechtschreibfehler oder unklare Formulierungen findet, soll bitte versuchen die Grundaussage zu verstehen oder darf sie gerne behalten :)

Danke für euer Verständnis.

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 10. Oktober 2020 10:59

nordstern hat geschrieben:Daher sehe ich auf strategischer Ebene, war seine größte Chance den Krieg zu gewinnen in Antietam und nicht Gettysburg. In Gettysburg war er nur am nächsten dran, die Folgen wären aber nicht so gravierend gewesen. In Antietam war der Sieg nicht so nahe, aber er wäre vermutlich kriegsentscheidend gewesen.


Du lässt die strategische Perspektive außer acht und da gab es nur eine für die Südstaaten, die Abwahl oder der Sturz Lincolns und die Wahl eines Kompromiss-Frieden Kandidaten (McClellan). Man konnte den Krieg nicht mit Gewehrläufen und Kanonen gewinnen, da war man hoffnungslos unterlegen. Man musste der nordstaatlichen Bevölkerung den Krieg verleiden durch verlustreiche Schlachten und zähem Kriegsverlauf. Gettysburg war, wie alle Schlachten, nicht nur militärisch bedeutend, sondern auch politisch. Hätte Lee bei Gettysburg gesiegt wäre das ein immenser Push für die ohnehin schon starke Antikriegsbewegung gewesen und ein Sargnagel für Lincoln für die kommende Präsidentschaftswahl. Die im übrigen lange hoffnungslos für Old Abe aussah.

Ähnlich wie später in Vietnam war der Krieg für Washington ein Rennen gegen die Zeit, man musste den Süden bezwingen bevor der Ruf der Bevölkerung nach Frieden die Regierung hinwegspülen würde. Und das war aufgrund des gigantischen Blutzolls beide Armeen und der starken Führung einiger Südstaaten Generäle ein knappes Rennen.

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Stratege » 10. Oktober 2020 16:02

KirKanos hat geschrieben:
nordstern hat geschrieben:Daher sehe ich auf strategischer Ebene, war seine größte Chance den Krieg zu gewinnen in Antietam und nicht Gettysburg. In Gettysburg war er nur am nächsten dran, die Folgen wären aber nicht so gravierend gewesen. In Antietam war der Sieg nicht so nahe, aber er wäre vermutlich kriegsentscheidend gewesen.


Du lässt die strategische Perspektive außer acht und da gab es nur eine für die Südstaaten, die Abwahl oder der Sturz Lincolns und die Wahl eines Kompromiss-Frieden Kandidaten (McClellan). Man konnte den Krieg nicht mit Gewehrläufen und Kanonen gewinnen, da war man hoffnungslos unterlegen. Man musste der nordstaatlichen Bevölkerung den Krieg verleiden durch verlustreiche Schlachten und zähem Kriegsverlauf. Gettysburg war, wie alle Schlachten, nicht nur militärisch bedeutend, sondern auch politisch. Hätte Lee bei Gettysburg gesiegt wäre das ein immenser Push für die ohnehin schon starke Antikriegsbewegung gewesen und ein Sargnagel für Lincoln für die kommende Präsidentschaftswahl. Die im übrigen lange hoffnungslos für Old Abe aussah.

Ähnlich wie später in Vietnam war der Krieg für Washington ein Rennen gegen die Zeit, man musste den Süden bezwingen bevor der Ruf der Bevölkerung nach Frieden die Regierung hinwegspülen würde. Und das war aufgrund des gigantischen Blutzolls beide Armeen und der starken Führung einiger Südstaaten Generäle ein knappes Rennen.


Mir wird da die politische Option des Südens immer recht optimistisch stark geredet.
Sicher McClellan trat als Kompromisskandidat auf, nur ist die Frage, ob er einen Friedensschluss mit der Konföderation denn auch tatsächlich bei der eigenen Bevölkerung hätte durchsetzen können, zumal nach den Vorstellungen des Südens.
Denn auch wenn sich im Osten ja bis zum endgültigen Vorstoß auf Atlanta ja nichts wirklich entscheidends tat, in Tennessee und am Mississippi machte die Union ja durchaus Fortschritte. So lange man die aber machte, im Hinblick auf auf den damit verbundenen internationalen Prestigeverlust und der Tatsache, dass eine unabhängige Konföderation den europäischen Mächten strategische Möglichkeiten in Nordamerika hätte verschaffen können, ganz zu schweigen davon die Verluste des Krieges irgendwie rechtfertigen zu müssen, halte ich es für relativ unwahrscheinlich, dass such ein Präsident McClellan mal ebenso Frieden hätte schließen können, selbst wenn er das gewollt hätte.
Zumal einen Frieden nach dem Geschmack der Konföderierten, denn warum genau hätte die Union die bereits eroberten Territorienin Missouri, Arkansas, Louisiana und Tennessee ohne weiteres wieder aufgeben sollen?
Die Frage der Sezession West-Virginias von Virginia und dessen gewünschter Verbleib in der Union, hätte diese Situation auch nicht eben vereinfacht.



Ob Gettysburg als Sieg der Konföderierten irgendwas gebracht hätte, in Sachen Kriegsmüdigkeit und Beendigung des Krieges einfach als singuläres Schlachtergebnis, wage ich zu bezweiflen.
Was ich da hingegen bei einem größeren Sieg der Konföderierten potentiell sehe, ist dass das den Norden, durch die daraus resultierende potentielle Bedrohung Washingons und Baltimores möglicherweise gezwungen haben würde, Teilstreitkräfte aus dem Westen abzuziehen und dort sauer erkämpfte Positionen wieder zu räumen.

Das Stagnation, lediglich im Osten den Norden dazu gebracht hätte sich zu konföderierten Bedingungen an den Verhandlungstisch zu setzen, auch wenn McClellan gewählt worden wäre, während im Westen aber die Erfolge anhielten, glaube ich nicht. Das ist mMn zu viel konföderiertes Wunschdenken.
Wären aber einige strategisch wichtige Positionen im Westen von der Union wieder geräumt worden, weil die Truppen im Osten benötigt worden wären, wäre man einem Kompromissfrieden möglicherweise wesentlich näher gekommen.
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 10. Oktober 2020 17:09

Stratege hat geschrieben:Mir wird da die politische Option des Südens immer recht optimistisch stark geredet.
Sicher McClellan trat als Kompromisskandidat auf, nur ist die Frage, ob er einen Friedensschluss mit der Konföderation denn auch tatsächlich bei der eigenen Bevölkerung hätte durchsetzen können, zumal nach den Vorstellungen des Südens.
Denn auch wenn sich im Osten ja bis zum endgültigen Vorstoß auf Atlanta ja nichts wirklich entscheidends tat, in Tennessee und am Mississippi machte die Union ja durchaus Fortschritte. So lange man die aber machte, im Hinblick auf auf den damit verbundenen internationalen Prestigeverlust und der Tatsache, dass eine unabhängige Konföderation den europäischen Mächten strategische Möglichkeiten in Nordamerika hätte verschaffen können, ganz zu schweigen davon die Verluste des Krieges irgendwie rechtfertigen zu müssen, halte ich es für relativ unwahrscheinlich, dass such ein Präsident McClellan mal ebenso Frieden hätte schließen können, selbst wenn er das gewollt hätte.
Zumal einen Frieden nach dem Geschmack der Konföderierten, denn warum genau hätte die Union die bereits eroberten Territorienin Missouri, Arkansas, Louisiana und Tennessee ohne weiteres wieder aufgeben sollen?
Die Frage der Sezession West-Virginias von Virginia und dessen gewünschter Verbleib in der Union, hätte diese Situation auch nicht eben vereinfacht.


Der Krieg im Westen, der ohne Zweifel sehr bedeutend war, wurde in der Öffentlich kaum wahrgenommen. Als Vicksburg fiel war das nahezu ein Todesurteil für Richmond, und trotzdem wurde jedes kleine Scharmützel im Osten höher geachtet, als die großen Entscheidungen im Westen. Die Detailfragen die Du auffährst sind m.E. nichts mehr als das, Detailfragen. Ziel der Konföderierten war ja der Waffenstillstand, der Verhandlungen vorgeschaltet ist. Der Ruf nach einen solchen Waffenstillstand und anschließenden Friedensverhandlungen war immer stark.

Unter den Historikern und auch unter den damaligen Akteuren in der hohen Politik war es nahezu Common Sense, dass wenn einmal die Waffen ruhten, der Krieg kaum mehr wieder aufzunehmen war. Ein Waffenstillstand wäre also ein klarer Sieg des Südens gewesen. Die Friedensfraktion war sehr stark und Lincoln in weiten Teilen der Bevölkerung über lange Strecken extremst unpopulär. McClellan war dagegen im Militär noch lange gut angesehen. Ich sehe da keine unüberwindbaren Hindernisse für Ihn einen Waffenstillstand herbeizuführen.

Stratege hat geschrieben:Ob Gettysburg als Sieg der Konföderierten irgendwas gebracht hätte, in Sachen Kriegsmüdigkeit und Beendigung des Krieges einfach als singuläres Schlachtergebnis, wage ich zu bezweiflen.
Was ich da hingegen bei einem größeren Sieg der Konföderierten potentiell sehe, ist dass das den Norden, durch die daraus resultierende potentielle Bedrohung Washingons und Baltimores möglicherweise gezwungen haben würde, Teilstreitkräfte aus dem Westen abzuziehen und dort sauer erkämpfte Positionen wieder zu räumen.


Es ist müßig darüber zu spekulieren, Fakt ist, militärisch war der Krieg für den Süden nie zu gewinnen. Zumindest sehr unwahrscheinlich, man soll ja niemals nie sagen. Nur die politische Karte hätte stechen können und da hätte eine krachende Niederlage Meads in Gettysburg und die darauf folgende Bedrohung Washingtons die demokratische Kriegsgegner-Fraktion massiven Aufwind beschert. Auch mit dem Sieg Lincolns kam es zu Aufständen im Norden, die nur mit dem Militär niedergeschlagen werden konnten.

Stratege hat geschrieben:Das Stagnation, lediglich im Osten den Norden dazu gebracht hätte sich zu konföderierten Bedingungen an den Verhandlungstisch zu setzen, auch wenn McClellan gewählt worden wäre, während im Westen aber die Erfolge anhielten, glaube ich nicht. Das ist mMn zu viel konföderiertes Wunschdenken.
Wären aber einige strategisch wichtige Positionen im Westen von der Union wieder geräumt worden, weil die Truppen im Osten benötigt worden wären, wäre man einem Kompromissfrieden möglicherweise wesentlich näher gekommen.


Wer spekuliert hier gerade? ;)

Der Westen war als Kriegsschauplatz für die Konföderation verloren, Vicksburg fiel fast zeitgleich mit Gettysburg. Und was soll da geräumt werden? Im Westen standen weit weniger Truppen als im Osten, auch die Rekrutierungsreserven lagen im Westen. Was wollte man da mit einer Rochade gewinnen? Und was hätte man verloren? Nie in Leben hätte man den Westen geräumt, maximal einige Divisionen hin und her geschoben. Zumal Meade mit 100.000 Soldaten gegenüber Lees unterversorgten 65.000 es schon drei Gettysburg gebraucht hätte, um überhaupt die Verhältnisse auszugleichen. Wenn Mead von etwas genug hatte, dann Soldaten. Was hätte da ein Korps für einen Unterschied gemacht?

Also das sind jetzt wirklich wilde Spekulationen und da sind meine bescheidenen Annahmen ja gerade zu stockkonservativ. ;)

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Stratege » 10. Oktober 2020 18:14

Na, ganz so fokussiert auf den Osten war die Bevölkerung dann doch nicht, immerhin kam der Meinungsumschwung mit der aus Tennessee geführten Offensive in Richtung Atlanta, was sich nicht so ohne weiteres den klassischen Operationen des östlichen Schauplatzes zurechnen lässt.
Das war eine in den Osten geführte Offensive von Positionen im Westen, die im Vorfeld gewonnen werden konnten.

Es interessierte weite Teile der Öffentlichkeit vielleicht nicht, was 1862-1863 in Tennessee und um den Missisippi herum passierte, nur da war es bis zur Wahl auch noch 1,5-2 Jahr hin und als Positionen um gegen den Osten vorzugehen, was dann, siehe Atlanta in der öffentlichen Meinung durchaus eine Rolle spielte, stellt sich das nochmal anders da.

Das es keine mit heute vergleichbare Demoskopie gab, wissen wir beide und damit auch, dass niemand seriös sagen kann, wie bereit die Bevölkerung zu einem Frieden um jeden Preis denn nun tatsächlich war, entsprechend der Raum für Fehleinschätzungen oder plötzliches Umschlagen der Meinung, dass möglicherweise gar kein solches ist.

Wenn Historiker, auch darin sind wir uns wohl einig, sich zu einem "was-wäre-wenn"-Szenario äußern, ist das kein zitationsfähiger Forschungsstand, der Tatsachen beschreibt, sondern deren artikulierte Privatmeinung.

Wo du unten meine gewagte Spekulation (und natürlich ist das seine solche, gar keine Frage) monierst, würde ich dengegenüber behaupten, dass die Abqualifizierung der Zugehörigkeit ganzer Bundesstaaten im Rahmen eines Friedensschlusses zu bloßen "Detailfragen" nicht weniger gewagt ist, als das meine Einlassungen sind.

Im Norden hatte man keinen Anlass auf Gebiete, die man bereits besetzt hatte zu verzichten, zumal strategisch und wirtschaftlich ja mitunter nicht unbedeutend, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir da mehr oder minder über das halbe Flussystem des Missisippi inklusive New Orleans reden über das für potentielle Innenlinien ziemlich wichtige Tennessee und immerhin über ein Drittel Virginias verbunden mit der damit verknüpften Zerschlagung dieses Staates.

Ob denn die Konföderation bereit gewesen wäre auf Basis der Abtretung dieser Territorien zu verhandeln oder aber, ob das am inneren Widerstand der Vertreter der betroffenen Staaten gescheitert wäre, die sicherlich nicht in die Union zurück wollten, ist dann ebenfalls reine Spekulation.

Was Hindernisse für Friedensverhandlungen angeht, sehe ich die sehr wohl, einmal bei der Frage nach der Zukunft der von der Union besetzten Territorien, als auch, vor allem bei der Generalität der Norstaaten. Mag sein, weite Teile der Bevölkerung begriffen nicht, was die Entwicklungen im Westen für den Krieg bedeuteten, aber die Militärs begriffen das in weiten Teilen durchaus.
Wo die Bevölkerung letztendlich ihrer Meinung nach am Ende genau stand, wissen wir nicht.
Auch wenn es hier tagespolitisch wird, vor vier Jahren hatten wir demoskopische Prognosen, die eine Wahl Trumps und den Brexit für nahezu ausgeschlossen hielten. Das mit weit präziseren Methoden, als jeder Form von Meinungsforschung damals zur Verfügung stand.

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Was den unteren Teil angeht:

Natürlich spekuliere ich da wild. Genau wie du, wenn du überspitzt gesagt die politische Lösung zu Gunsten des Südens für einen halben Selbstläufer erklärst.

Ja, Vicksburg fiel fast zeitgleich mit Gettysburg.
Wäre aber tatsächlich Meade bei Gettysburg vernichtend - und die Betonung liegt auf vernichtend - geschlagen worden, hätten Washington, Baltimore und Philadelphia in Rechweite der konföderierten Truppen gelegen und damit durchaus ein ansehnlicher Teil der Industrie der Nordstaaten.
In dem Fall hätte der Norden so schnell als möglich einiges an kampferfahrenen Truppen zurück gebraucht, um sich da behaupten zu können.
Woher hätten die dann kommen sollen, wenn nicht dadurch Teilkräfte aus dem Westen eilig auf die Eisenbahn zu setzen und in den Osten zu verbringen, um dort eine entstehende situative Überlegenheit des Südens auszugleichen?
Vom unteren Missisippi her, wäre das in der Geschwindigkeit sicherlich nicht gegangen, aber aus Tennessee vielleicht schon.
Nur fraglich ob man sich am unteren Missisippi hätte halten können, wenn man in der Folge gewungen gewesen wäre Tennessee weitgehend zu exponieren oder ob das dann eine Rückzugsbewegung auch am Missisippi Nordwärts vorausgesetzt hätte um nicht abgeschnitten werden zu können.

Natürlich, wie du ganz richtig sagst, reine Spekulation.
Für den Fall eines hypothetischen, tatsächlich vernichtenden Sieges der Konföderierten bei Gettysburg, aber, meine ich nicht so weit hergeholt.
Für den Fall eines handelsüblichen Frontalsieges, der den Norden vielleicht ein paar 10.000 Mann und der potomac-Armee ein blaues Auge so wie einige Materialeinbußen beschehrt hätte, sicherlich nicht, das wäre anders aufzufangen gewesen.

Wenn wir uns hier aber schon über ungelegte Eier, wie die Auswirkungen eines potentiellen konföderierten Sieges auslassen, wird man genau so auf einen konventionellen, wie auf eine großen Sieg spekulieren dürfen um das Spektrum an potentiellen Konsequenzen denn wirklich auch erschöpfend zu erörtern?

Das wäre sicher kein für den Bürgerkrieg besonders typischer Ausgang einer Schlacht gewesen, aber bei hinreichenden Fehlern einer der beiden Parteien auch nicht letztendlich ausgeschlossen.
Was die Zahlenverhältnisse angeht, den Zahlen nach, hätten weder die Franzosen 1706 bei Turin vernichtend geschlagen werden dürfen, noch die österreichisch-russische Allianz bei Austerlitz, noch die Russen 1914 bei Tannenberg.

Hat schon Konfrontationen mit ähnlich einseigigen Ausgangslagen gegeben, die für die nummerisch überlegene Seite ziemlich böse ausgingen. Sicherlich nicht die Regel, aber am Ende, wenn genügend schief läuft, durchaus möglich.
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 10. Oktober 2020 19:03

Was Atlanta anbelangt, sicher war das ein Sieg der stark mobilisierte. Nur bestätigen Ausnahmen bekanntermaßen die Regel und zweitens war zu dieser Zeit der Westen schon längst für die Union gewonnen. Es galt nur noch die Früchte des Sieges einzusammeln, wie sonst konnte man sich im Westen erlauben eine ganze Armee auf eine Plünderreise durch den Süden zu schicken? Stärker kann man seine Überlegenheit gar nicht zeigen.

Detailfragen: Der Charme eines Waffenstillstands ist es ja gerade solche Sachen ausklammern zu können und das den Diplomaten zu überlassen. Natürlich hätte der Süden mit dem Status Quo ganze Bundesstaaten wie West Virginia abschreiben können. Aber de facto waren diese verloren und kein Militär konnte noch träumen dieser zurückzuerobern. Die Kongressmitglieder der von der Union besetzten Staaten waren by the way auch die eifrigsten Befürworter schärferer Kriegsmaßnahmen und Kriegssteueren im konföderierten Kongress, da ihre Bevölkerung diese Entbehrungen ja dann gar nicht leisten mussten. Da wäre der eine oder andere Kollege im Kongress sogar ganz froh gewesen, diese Gebiete abzuschreiben. ;)

Was keine weichen Erhebungen und Schätzungen sind, sind die Ströme von Blut die durch New York fluteten, nachdem Regimenter in die aufgebrachte Menge feuerten. Und ich bin jetzt kein Demoskop, aber ich schätze mal deren Sympathie mit Lincoln und seiner Emanzipationserklärung hielt sich bei den Draft Riots in "Grenzen".

Zu Deiner Spekulation eines Cannae-Sieges kann ich nicht viel sagen, weil der so gewagt ist, dass ich finde das wir spätestens hier den Boden der noch halbwegs vertretbaren Spekulation verlassen. Einen solchen Cannae oder Umfassungs-Sieg hat es nie im Bürgerkrieg gegeben. Ich könnte Dir ja noch den Punkt geben, dass die eine oder andere Seite etwas mehr verloren hätte. Aber Meade war viel zu vorsichtig um in so ein Cannae zu laufen, bei allen Schwächen Meads, aber seine Vorsicht hatte hier etwas gutes.

Wie dem auch sei, ich kann Deine Punkte verstehen, aber ich bleibe dabei, die politische Karte war die einzige Karte im Deck von Davis, die hätte stechen können. Und dafür gibt es viele stützende Argumente, Draft Riots, große Kriegsmüdigkeit, eine starke Opposition und das große Bedürfnis, den Konflikt diplomatisch beizulegen. Es ist eben auch Lincolns Führungsstärke zuzuschreiben, dass er den Laden zusammengehalten hat.

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Stratege » 10. Oktober 2020 19:35

Wo war denn die Atlanta-Kampagne lediglich eine Plünderreise?
Die Plündereien schlossen sich an, aber bis Atlanta war das eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen um die Position bei Chattanooga und damit für die letztendliche Absicherung Tennessees nicht so ganz unbedeutend. Ist ja nicht so, dass sie da in völlig leeren Raum vorgestoßen wären, die den Unionstruppen da gegenüberstehenden konföderierten Kräfte unter Johnston beliefen sich ja immerhin noch auf bis zu 65.000 Mann.
Natürlich nicht adäquat gegenüber der Unionsarmee zu Beginn der Kampagne, nur wenn man die Verkürzung der Konföderierten Nachschublinien beim Rückzug auf Atlanta bedenkt und die Verlängerung der Linien der Union, so wie die üblichen Garnisonen etc. war die Einnahme Atlantas am Ende auch kein Selbstläufer.



In Sachen Detailfragen widersprichst du dir mMn etwas selbst.
Auf der einen Seite hälst du es für nicht möglich, dass nach einem potentiellen Waffenstillstand die Waffen wieder aufgenommen worden wären um den Kampf wieder aufzunehmen. Andererseits stellst du dich aber hin und erklärst, dass man die Inhalte ja während des Waffenstillstands hätte ausbaldowern können.
Wie passt das zusammen?

Ich würde meinen, wenn man davon ausgeht, dass die Waffen nicht wieder aufgenommen werden, weil die Bevölkerung zu kriegsmüde ist und das nicht mitspielt, gibt man, wenn man einen Waffenstillstand schließt sämtlichen Verhandlungsspielraum auf, weil man damit von der eigenen Seite her weitere Kampfhandlungen ausschließt.
Wenn man auf dieser Prämisse aber einen Waffenstillstand abzuschließen bereit ist, jedoch auch Vorstellungen für eine Nachkriegsordnung hat, kommt man nicht umhin diese zur Grundbedingung für einen Waffenstillstand zu erheben.
Denn was macht man, wenn die Gegenseite sich in Verhandlungen nicht geneigt Zeigt auf die eigene Position einzugehen und einseitig die Verhandlungen abbricht?
Sofern man die Wideraufnahme der Kampfhandlungen ausschließt, bleibt einem dann nur noch eine andere Möglichkeit, nämlich sich von der Gegenseite den Frieden diktiren zu lassen. Das wäre taktisch wohl unklug.
Deswegen kann es Verhandlungen nach einem Waffenstillstand, wenn man entsprechende Forderungen hat, nur dann geben, wenn man im Zweifel denn auch bereit ist die Waffen wieder aufzunehmen und nur dann kann man in einen Waffenstillstand ohne entsprechende Prämissen eintreten.

Beides zusammen funktioniert nicht.



Was den spekulativen Teil angeht, da kommen wir mMn nicht zusammen.
Natürlich hat es den gesamten Bürgerkrieg über keinen Vernichtungssieg gegeben, aber es hat auch den ganzen Bürgerkrieg über keinen Konföderierten Sieg bei Gettysburg gegeben. Wenn es legitim ist, das eine herbei zu phantasieren, warum gilt das dann nicht auch für das andere? Ist ja nicht so, dass es nicht hin und wieder auch für die Epoche und die Art der Auseinandersetzung untypische Vernichtungssiege gegeben hätte und dass es dazu nun notwendig wäre irgendwelche Ork-Armeen oder Todessterne herbei zu phantasieren, um die möglich erscheinen zu lassen.

Ich würde meinen, wenn man sich Spekulation erlaubt, sollte man das auch erschöpfend tun.

Dann kann man sich die Frage stellen: "Konnte ein Sieg der Konföderierten die strategische Lage grundsätzlich verändern oder nicht." und darauf sehe ich im Grunde 2 zulässige Antworten.


1. "Es gab keinen Konföderierten Sieg bei Gettysburg, darum ist die Spekulation müßig"
2. "Wenn wir mal annehmen, es hätte einen konföderierten Sieg gegeben, wird es auf die Umstände dieses Sieges ankommen, was die weiteren Entwicklungen betrifft ....."

Sofern wir von einen konventionellen Frontalsieg reden, wie er für den Bürgerkrieg nicht untypisch war, gebe ich dir recht, da hätte Gettysburg gar nichts an der Gesamtlage geändert, wenn wir die Stimmung der Bevölkerung als spekulativ mal außen vor lassen.
Sofern ein solcher hypothetischer Sie gein militärisches Ausnahmeereignis geworden wäre, hätte das gegebenenfalls anders ausgesehen.
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 10. Oktober 2020 19:56

Stratege hat geschrieben:Wo war denn die Atlanta-Kampagne lediglich eine Plünderreise?
Die Plündereien schlossen sich an, aber bis Atlanta war das eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen um die Position bei Chattanooga und damit für die letztendliche Absicherung Tennessees nicht so ganz unbedeutend. Ist ja nicht so, dass sie da in völlig leeren Raum vorgestoßen wären, die den Unionstruppen da gegenüberstehenden konföderierten Kräfte unter Johnston beliefen sich ja immerhin noch auf bis zu 65.000 Mann.
Natürlich nicht adäquat gegenüber der Unionsarmee zu Beginn der Kampagne, nur wenn man die Verkürzung der Konföderierten Nachschublinien beim Rückzug auf Atlanta bedenkt und die Verlängerung der Linien der Union, so wie die üblichen Garnisonen etc. war die Einnahme Atlantas am Ende auch kein Selbstläufer.


65.000 Soldaten? Die größten Schätzungen geben den Konföderierten 50.000. Außerdem hast Du mich missverstanden, mit dem Zug meinte ich Shermans Raid durch die Südstaaten nach dem Sieg in Atlanta.


Stratege hat geschrieben:In Sachen Detailfragen widersprichst du dir mMn etwas selbst.
Auf der einen Seite hälst du es für nicht möglich, dass nach einem potentiellen Waffenstillstand die Waffen wieder aufgenommen worden wären um den Kampf wieder aufzunehmen. Andererseits stellst du dich aber hin und erklärst, dass man die Inhalte ja während des Waffenstillstands hätte ausbaldowern können.
Wie passt das zusammen?


Den Waffenstillstand verhandelt man groß nicht aus, der wird ausgerufen sofern beide Seiten bereit dazu sind und sich auf einige grundsätzliche Regeln einigen können. Es werden maximal grobe Regeln aufgestellt, damit die Kämpfe nicht wieder aufflammen. Den meisten Zeitzeugen schwebte ein gemeinsamer Friedens-Kongress aller Staaten (USA u. CSR) vor, um die Probleme am Verhandlungstisch zu lösen. Das war die Haltung vieler Demokraten, es gab zwar auch einige War Democrats, aber deren Zahl schwand schnell. Zum einen weil der Krieg unpopulärer wurde oder weil diese dann nach und nach zu den Republikanern gingen. Die Friedensdemokraten schwebte dagegen diese Verhandlungslösung vor. Natürlich war sie illusorisch, da die Südstaaten auf ihre Unabhängigkeit als Vorbedingung bestanden, aber die Konföderierten ließen die Friedensdemokraten darüber im Unklaren und versuchten mit Lippenbekenntnissen die Friedenspartei im Norden zu stützen. Es floss nicht wenig Geld vom Süden in den Norden, um diese Friedensdemokraten zu unterstützen. Ein weiteres Indiz das Davis und sein Kabinett eben auf diese Friedenspartei setzten.

Natürlich hätte der Krieg wieder aufgenommen werden können, wenn eine Partei in den Verhandlungen den Bogen überspannte, nur gingen die meisten Zeitgenossen und auch die meisten Historiker davon aus, dass ein erstmal beendeter Krieg nur schwer wieder aufzunehmen wäre.

Stratege hat geschrieben:Ich würde meinen, wenn man davon ausgeht, dass die Waffen nicht wieder aufgenommen werden, weil die Bevölkerung zu kriegsmüde ist und das nicht mitspielt, gibt man, wenn man einen Waffenstillstand schließt sämtlichen Verhandlungsspielraum auf, weil man damit von der eigenen Seite her weitere Kampfhandlungen ausschließt.
Wenn man auf dieser Prämisse aber einen Waffenstillstand abzuschließen bereit ist, jedoch auch Vorstellungen für eine Nachkriegsordnung hat, kommt man nicht umhin diese zur Grundbedingung für einen Waffenstillstand zu erheben.
Denn was macht man, wenn die Gegenseite sich in Verhandlungen nicht geneigt Zeigt auf die eigene Position einzugehen und einseitig die Verhandlungen abbricht?
Sofern man die Wideraufnahme der Kampfhandlungen ausschließt, bleibt einem dann nur noch eine andere Möglichkeit, nämlich sich von der Gegenseite den Frieden diktiren zu lassen. Das wäre taktisch wohl unklug.
Deswegen kann es Verhandlungen nach einem Waffenstillstand, wenn man entsprechende Forderungen hat, nur dann geben, wenn man im Zweifel denn auch bereit ist die Waffen wieder aufzunehmen und nur dann kann man in einen Waffenstillstand ohne entsprechende Prämissen eintreten.

Beides zusammen funktioniert nicht.


Das hat doch auch niemand bestritten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht was Du genau von mir willst. Nur weil die meisten Meinungen dahin gehen, dass ein Waffenstillstand den Süden begünstigen würde und eine Wiederaufnahme unwahrscheinlich ist, schließt das eine Wideraufnahme nicht aus. Das war ja auch die Argumentation der Friedenspartei, es war aber auch jeden Klar, dass es logistisch, politisch und auch wirtschaftlich für beide Seiten sehr hart gewesen wäre, wieder das Schwert in die Hand zu nehmen.

Stratege hat geschrieben:Was den spekulativen Teil angeht, da kommen wir mMn nicht zusammen.
Natürlich hat es den gesamten Bürgerkrieg über keinen Vernichtungssieg gegeben, aber es hat auch den ganzen Bürgerkrieg über keinen Konföderierten Sieg bei Gettysburg gegeben. Wenn es legitim ist, das eine herbei zu phantasieren, warum gilt das dann nicht auch für das andere? Ist ja nicht so, dass es nicht hin und wieder auch für die Epoche und die Art der Auseinandersetzung untypische Vernichtungssiege gegeben hätte und dass es dazu nun notwendig wäre irgendwelche Ork-Armeen oder Todessterne herbei zu phantasieren, um die möglich erscheinen zu lassen.

Ich würde meinen, wenn man sich Spekulation erlaubt, sollte man das auch erschöpfend tun.

Dann kann man sich die Frage stellen: "Konnte ein Sieg der Konföderierten die strategische Lage grundsätzlich verändern oder nicht." und darauf sehe ich im Grunde 2 zulässige Antworten.


1. "Es gab keinen Konföderierten Sieg bei Gettysburg, darum ist die Spekulation müßig"
2. "Wenn wir mal annehmen, es hätte einen konföderierten Sieg gegeben, wird es auf die Umstände dieses Sieges ankommen, was die weiteren Entwicklungen betrifft ....."

Sofern wir von einen konventionellen Frontalsieg reden, wie er für den Bürgerkrieg nicht untypisch war, gebe ich dir recht, da hätte Gettysburg gar nichts an der Gesamtlage geändert, wenn wir die Stimmung der Bevölkerung als spekulativ mal außen vor lassen.
Sofern ein solcher hypothetischer Sie gein militärisches Ausnahmeereignis geworden wäre, hätte das gegebenenfalls anders ausgesehen.


Es hätten auch Marsianer zwischen den beiden Parteien landen können und beide Parteien zu einer Partie Backgammon herausfordern können. Das ist Fantasieren. Daneben gibt es aber auch auf Argumente gestützte Spekulationen. Da gibt es schon noch Unterschiede. Ein Umfassungssieg gehört eher in die Kategorie Fantasie, wenn man die Armeegrößen sieht, den vorsichtigen Mead, und die Vorgeschichte.

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Stratege » 10. Oktober 2020 22:54

KirKanos hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:Wo war denn die Atlanta-Kampagne lediglich eine Plünderreise?
Die Plündereien schlossen sich an, aber bis Atlanta war das eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen um die Position bei Chattanooga und damit für die letztendliche Absicherung Tennessees nicht so ganz unbedeutend. Ist ja nicht so, dass sie da in völlig leeren Raum vorgestoßen wären, die den Unionstruppen da gegenüberstehenden konföderierten Kräfte unter Johnston beliefen sich ja immerhin noch auf bis zu 65.000 Mann.
Natürlich nicht adäquat gegenüber der Unionsarmee zu Beginn der Kampagne, nur wenn man die Verkürzung der Konföderierten Nachschublinien beim Rückzug auf Atlanta bedenkt und die Verlängerung der Linien der Union, so wie die üblichen Garnisonen etc. war die Einnahme Atlantas am Ende auch kein Selbstläufer.


65.000 Soldaten? Die größten Schätzungen geben den Konföderierten 50.000. Außerdem hast Du mich missverstanden, mit dem Zug meinte ich Shermans Raid durch die Südstaaten nach dem Sieg in Atlanta.


50.000 unter Johnston und dann nochmal 15.000 unter Polk, die da auch noch als Verdtärkung hinzu kamen.







Stratege hat geschrieben:
Den Waffenstillstand verhandelt man groß nicht aus, der wird ausgerufen sofern beide Seiten bereit dazu sind und sich auf einige grundsätzliche Regeln einigen können. Es werden maximal grobe Regeln aufgestellt, damit die Kämpfe nicht wieder aufflammen. Den meisten Zeitzeugen schwebte ein gemeinsamer Friedens-Kongress aller Staaten (USA u. CSR) vor, um die Probleme am Verhandlungstisch zu lösen. Das war die Haltung vieler Demokraten, es gab zwar auch einige War Democrats, aber deren Zahl schwand schnell. Zum einen weil der Krieg unpopulärer wurde oder weil diese dann nach und nach zu den Republikanern gingen. Die Friedensdemokraten schwebte dagegen diese Verhandlungslösung vor. Natürlich war sie illusorisch, da die Südstaaten auf ihre Unabhängigkeit als Vorbedingung bestanden, aber die Konföderierten ließen die Friedensdemokraten darüber im Unklaren und versuchten mit Lippenbekenntnissen die Friedenspartei im Norden zu stützen. Es floss nicht wenig Geld vom Süden in den Norden, um diese Friedensdemokraten zu unterstützen. Ein weiteres Indiz das Davis und sein Kabinett eben auf diese Friedenspartei setzten.

Natürlich hätte der Krieg wieder aufgenommen werden können, wenn eine Partei in den Verhandlungen den Bogen überspannte, nur gingen die meisten Zeitgenossen und auch die meisten Historiker davon aus, dass ein erstmal beendeter Krieg nur schwer wieder aufzunehmen wäre.


Wie gesagt, du gingst davon aus, dass nach einem Waffenstillstand die Kämpfe nicht wieder aufgenommen worden wären.
Kann man machen.
Aber wenn die Regierung der Nordstaaten genau so gedacht hätte, nämlich dass sie die Konforntation nicht wieder hätte aufnehmen können, wegen öffentlichen Drucks, welchen Anlass hätte sie dann gehabt in Waffenstillstandsverhandlungen mit der Konföderation einzutreten, so lange dies keine Handhabe zur Durchsetzung eigener Vorstellungen beeinhaltete?

Wenn ich davon ausgehe, dass wenn die Waffen einmal niederglelgt sind, man sie wegen des öffentlichen Drucks nicht mehr ergreifen kann, aber Begehrlichkeiten im raum stehen gibt es zwei Möglichkeiten mit dem Thema Friedensverhandlungen zu verfahren.

1. Verhandlungen kategorisch ausschließen.
2. Kernpunkte des Friedens direkt zur Bedingung für die Aufnahme von Friedesgesprächen zu machen und vor deren Umsetzung die Aufnahme von gesprächen kategorisch zu verweigern.



Die andere Möglichkeit ist, man geht davon aus, dass eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen jederzeit möglich gewesen wäre, weil der öffentliche Druck so groß nun auch nicht war. Wenn man nun aber davon ausgeht, fehlt südstaatlichen Heilserwartungen in die Abwahl Lincolns doch von vorn herein jede Basis, denn wenn der öffentliche Druck den Nachfolger politisch nicht zu fall bringen konnte, sofern der nicht sofort Frieden schloss, verbesserten sich die Möglichkeiten des Südens damit nicht signifikant, sondern lediglich um Nuancen.
Ist ja nun nicht so, dass jeder, der 1864 gegen Lincoln war ein Beführworter des Friedens um jeden Preis gewesen wäre und es ganz grundsätzlich an einer Kriegspartei gemangelt hätte.

Das McClellan, einfach so aus persönlichen Sentenzen heraus, nachdem der Norden immerhin Missouri, Arkansas, Louisiana, Tennessee und den abgetrennten Westen Virginias in der Hand hatte, nebst kleineren Teilen von Texas und Missisippi de facto unter Kontrolle hatte, mal eben einen Frieden hätte schließen können, der die Konföderation im Vorkriegszustand anerkannt, am Besten noch die Abtrennung West Virginias rückgängig gemacht und den Grenzstaaten die Wahl gelassen oder diese geteilt hätte um die offenen Fragen im Sinne des Südens zu regeln wird man für sehr unwahrscheinlich halten dürfen.
Und wo man bei Regierungen ist, die fürchten von der eigenen Bevölkerung weggejagt zu werden, kann man sich ja auch Gedanken darüber machen zum Gegenstand welcher Dolchstoßlegenden McClellan wohl geworden wäre, wenn er derlei versucht hätte?

Hätte man aber auf Bedingungen bestanden, die die territorialen Fragen, die sich hier stellen mussten im Sinne der Union geregelt hätten, will heißen unter der Bedingung des Verbleibs der inzwischen wieder eroberten Territorien bei der Union, der Berücksichtigung der Interessen der Union am Missisippi und auf der Basis des Sezessionsrechtes West Virginias von der Konföderation, ist klar, dass dass im konföderierten Lager Virginia, Tennessee, Arkansas und Lousiana von anfang an und kategorisch dagegen Sturm gelaufen wären.
Das ist ja bereits mehr oder weniger die halbe Konföderation gewesen.

Der Rest hätte, selbst wenn er sich aus eigennützigen Motiven geschlossen dazu bereit gezeigt hätte, damit die ideologischen Grundlagen der eigenen Staatlichkeit direkt untergraben, denn wenn er am Anspruch des uneingeschränkten, dezidierten Sezessionsrechts festhalten wollte, konnte er natürlich in keinem Fall die Rechte der Union an Territorien bestätigen, die die Sezession erklärt hatten.
Damit hätte man sich also zum Verräter machen und ideologische Insolvenz anmelden müssen.

Da sind dann kleinere Themenfelder, wie potentielle Reparationen noch gar nicht angesprochen, die natürlich keine Rolle spielten, so lange es sich um die Niederschlagung einer Rebellion handelte, was sich aber möglicherweise geändert hätten, wären die CSA zu einem anerkannten, staatlichen Akteur erhoben worden.





Ich sehe da, selbst wenn Dialogbereitschaft von beiden Seiten da gewesen wäre, keinen wirklichen gemeinsamen Nenner, jedenfalls, wenn man in de Kalkulation mit einbezieht, dass der Norden nach den Erfolgen, die er erreicht hatte, mit Rücksicht auf die Bevölkerung, die eigenen Verlusten, die strategischen Interessen und auch die Kriegskosten, nicht mal eben einen weißen Friefen zu den Wunschbedingungen des Südens schließen konnte, während der Süden wiederrum jedenfalls keine Zugeständnisse territorialer Art machen konnte.
Einmal weil die betroffenen Staaten einen solchen Frieden von Beginn an torpediert hätten und aus dem einfachen ideologischen Motiv heraus, dass Freiheit unteilbar und nicht verhandelbar ist und man somit, sofern man den Krieg nicht als Rebellion gegen eine legale Regierung, sondern als Freiheitskampf auffassen möchte, wie der Süden es ja betrieb, dann nicht die Rechte Rechte seiner Kampfgenossen veräußern kann.


Vielleicht hast du ja eine Idee, wie das Dilemma zu lösen gewesen wäre? Denn mir sieht das, nicht nach einer allzu realen Möglichkeit, eines für beide Seiten akzeptablen Friedens aus.

Das wäre unter Umständen etwas anderes gewesen, wäre die Union im Westen weniger erfolgreich gewesen, womit sich dann ggf. weniger Fragen aufgetan hätten.
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 11. Oktober 2020 09:46

Stratege hat geschrieben:Wie gesagt, du gingst davon aus, dass nach einem Waffenstillstand die Kämpfe nicht wieder aufgenommen worden wären.
Kann man machen.
Aber wenn die Regierung der Nordstaaten genau so gedacht hätte, nämlich dass sie die Konforntation nicht wieder hätte aufnehmen können, wegen öffentlichen Drucks, welchen Anlass hätte sie dann gehabt in Waffenstillstandsverhandlungen mit der Konföderation einzutreten, so lange dies keine Handhabe zur Durchsetzung eigener Vorstellungen beeinhaltete?


Du willst Dich wohl nicht wirklich in die Situation reindenken glaube ich. Nach Dir hätten wohl die Amerikaner keinen Frieden in Vietnam machen müssen. Warum sollte Nixon aufgrund für die USA geringe und leicht zu ersetzende Verluste ganz Südvietnam preisgeben? Vielleicht sogar ganz Indochina den Kommunisten überlassen? Mit so einem riesigen Arsenal an Waffen im Rücken? Bei so horrenden Verlusten auf Seiten des Gegners - siehe Tet Offensive. Man hatte praktische alle Trümpfe in der Hand und das bei vergleichsweise geringen Verlusten und einem endlosen Nachschubreservoir. Du kommst mir wie General Westmoreland vor, der in Saigon vor Journalisten sitzt und partout nicht verstehen will, warum man nicht noch mehr Truppen schickt um den Vietcong den Rest zu geben. Militärisch hatte er vielleicht sogar recht, aber politisch und moralisch hatte jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren.

Es war damals jeden klar, jeder Waffenstillstand zwischen den USA und den Vietcong war praktisch der Todesstoß für Südvietnam. Aus Sicht der Militärs wäre ein solche Waffenstillstand einseitig unvorteilhaft und gerade zu hirnrissig, trotzdem wurde er geschlossen. Wie kommts? War vielleicht was in der Heimat los?

Stratege hat geschrieben:Wenn ich davon ausgehe, dass wenn die Waffen einmal niederglelgt sind, man sie wegen des öffentlichen Drucks nicht mehr ergreifen kann, aber Begehrlichkeiten im raum stehen gibt es zwei Möglichkeiten mit dem Thema Friedensverhandlungen zu verfahren.

1. Verhandlungen kategorisch ausschließen.
2. Kernpunkte des Friedens direkt zur Bedingung für die Aufnahme von Friedesgesprächen zu machen und vor deren Umsetzung die Aufnahme von gesprächen kategorisch zu verweigern.


Verhandlungen kategorisch auszuschließen konnten sich nicht mal die Republikaner leisten. Niemand wollte wirklich den Bruderkrieg, bis auf vielleicht die härtesten Eisenfresser im Süden. Was Du im Punkt 2 thematisierst ist halt eben die Hürde, die unüberwindbar schien. Der Waffenstillstand sollte genau diesen Punkt umgehen, um diese Streitfragen soweit es ging auf später zu verschieben. Das mag uns heute alles fragwürdig erscheinen, aber das war in etwa der Way to go wenn man aus diesen Krieg rauswollte.

Stratege hat geschrieben:Die andere Möglichkeit ist, man geht davon aus, dass eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen jederzeit möglich gewesen wäre, weil der öffentliche Druck so groß nun auch nicht war. Wenn man nun aber davon ausgeht, fehlt südstaatlichen Heilserwartungen in die Abwahl Lincolns doch von vorn herein jede Basis, denn wenn der öffentliche Druck den Nachfolger politisch nicht zu fall bringen konnte, sofern der nicht sofort Frieden schloss, verbesserten sich die Möglichkeiten des Südens damit nicht signifikant, sondern lediglich um Nuancen.
Ist ja nun nicht so, dass jeder, der 1864 gegen Lincoln war ein Beführworter des Friedens um jeden Preis gewesen wäre und es ganz grundsätzlich an einer Kriegspartei gemangelt hätte.

Das McClellan, einfach so aus persönlichen Sentenzen heraus, nachdem der Norden immerhin Missouri, Arkansas, Louisiana, Tennessee und den abgetrennten Westen Virginias in der Hand hatte, nebst kleineren Teilen von Texas und Missisippi de facto unter Kontrolle hatte, mal eben einen Frieden hätte schließen können, der die Konföderation im Vorkriegszustand anerkannt, am Besten noch die Abtrennung West Virginias rückgängig gemacht und den Grenzstaaten die Wahl gelassen oder diese geteilt hätte um die offenen Fragen im Sinne des Südens zu regeln wird man für sehr unwahrscheinlich halten dürfen.
Und wo man bei Regierungen ist, die fürchten von der eigenen Bevölkerung weggejagt zu werden, kann man sich ja auch Gedanken darüber machen zum Gegenstand welcher Dolchstoßlegenden McClellan wohl geworden wäre, wenn er derlei versucht hätte?


Natürlich bestand diese Gefahr, McClellan wurde von einer großen Welle der Friedenssehnsucht getragen. Wie es dann mit der Umsetzung hapern kann, sehen wir gerade in der Ukraine. Wo ein Friedenskandidat gewählt wurde und jetzt massiven Druck erhält, weil er natürlich Zugeständnisse für diesen Machen muss und sofort unter Feuer gerät, nachdem Motto "Das haben wir jetzt aber auch nicht gewollt". Solche Stimmungen sind nicht immer unbedingt rational. Und vielleicht hätte McClellan dieses große Fund "Missouri, Arkansas, Louisiana, Tennessee und den abgetrennten Westen Virginias" und genauso wichtig, viele Häfen an der Ostküste der Südstaaten und die bestehende, langsame undurchlässiger werdende Blockade, eben als Aktivposten in Verhandlungen mitnehmen können. Das spricht ja nicht partout gegen Verhandlungen, wenn man aus der Position der Stärke heraus verhandelt.

Aber das wäre ja eben der Punkt, selbst unter diesen schwierigen Verhandlungsbedingungen war diese Weg ein Lottogewinn für Richmond. Lieber ein Platz an einem heißen Tisch, als das kalte Grab der Geschichte. Und auch deshalb war der Waffenstillstand keine undenkbare Option für den Norden und den Süden, der eine hatte viele Trümpfe in der Hand und der andere hatte die sich am Horizont abzeichne Niederlage vor Augen. McClellan wollte zudem die bei vielen Weißen extremst unpopuläre Emanzipationserklärung kassieren und so verband sich der Friedenswunsch mit einem beißenden Rassismus.

Für Lincoln war es klar den Krieg zu gewinnen, nur gab er schon zeitweise die Hoffnungen auf, wiedergewählt zu werden, da Lee lange Zeit furiose Siege im Osten einfuhr und die meisten nicht sahen, dass der Konföderation im Westen das Rückgrat gebrochen wurde.

Stratege hat geschrieben:Der Rest hätte, selbst wenn er sich aus eigennützigen Motiven geschlossen dazu bereit gezeigt hätte, damit die ideologischen Grundlagen der eigenen Staatlichkeit direkt untergraben, denn wenn er am Anspruch des uneingeschränkten, dezidierten Sezessionsrechts festhalten wollte, konnte er natürlich in keinem Fall die Rechte der Union an Territorien bestätigen, die die Sezession erklärt hatten.
Damit hätte man sich also zum Verräter machen und ideologische Insolvenz anmelden müssen.


Du blickst da, glaube ich, zu sehr nach heutigen Maßstäben drauf. Viele Zeitgenossen sahen die Union weiter als losen Staatenbund, mit dem klaren Recht auf Sezession. Selbst im Norden sahen das nicht wenige so, es gab zusätzlich eine starke Fraktion, welche die Sezession ablehnten, aber genauso einen Krieg zu Wiederherstellung dieser ablehnten, siehe Lincolns Amtsvorgänger. Oder auch Stimmen die forderten, lasst den Süden ziehen, dann sind wir sie endlich los. Es war eben ein sehr diffuses Bild, dass nach einem Sieg auf nach Richmond schrie und nach einer Niederlage nach Frieden gierte.

Stratege hat geschrieben:Ich sehe da, selbst wenn Dialogbereitschaft von beiden Seiten da gewesen wäre, keinen wirklichen gemeinsamen Nenner, jedenfalls, wenn man in de Kalkulation mit einbezieht, dass der Norden nach den Erfolgen, die er erreicht hatte, mit Rücksicht auf die Bevölkerung, die eigenen Verlusten, die strategischen Interessen und auch die Kriegskosten, nicht mal eben einen weißen Friefen zu den Wunschbedingungen des Südens schließen konnte, während der Süden wiederrum jedenfalls keine Zugeständnisse territorialer Art machen konnte.
Einmal weil die betroffenen Staaten einen solchen Frieden von Beginn an torpediert hätten und aus dem einfachen ideologischen Motiv heraus, dass Freiheit unteilbar und nicht verhandelbar ist und man somit, sofern man den Krieg nicht als Rebellion gegen eine legale Regierung, sondern als Freiheitskampf auffassen möchte, wie der Süden es ja betrieb, dann nicht die Rechte Rechte seiner Kampfgenossen veräußern kann.


Vielleicht hast du ja eine Idee, wie das Dilemma zu lösen gewesen wäre? Denn mir sieht das, nicht nach einer allzu realen Möglichkeit, eines für beide Seiten akzeptablen Friedens aus.

Das wäre unter Umständen etwas anderes gewesen, wäre die Union im Westen weniger erfolgreich gewesen, womit sich dann ggf. weniger Fragen aufgetan hätten.


Warum hätte der Süden keine Zugeständnisse machen können? Diese Haltung gab es 61, vielleicht noch 62, aber 65 hat man farbige Regimenter aufgestellt, soweit war der Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gediehen. Was 61 unmöglich erschien, kann schon 62 zum Konsens werden. Was möglich ist entscheidet in der Politik die Umstände und 64 wäre viele dankbar für einen Platz an den Verhandlungstisch gewesen, auch unter der Preisgabe von weiten teilen des von der Union besetzten Territoriums, dessen Wiedereroberung zu dieser Zeit eh unmöglich erschien.

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Stratege » 12. Oktober 2020 00:46

Zunächst mal, ich habe keine Ahnung, wie du auf den Vergleich mit Vietnam kommst.
Vietnam war ein weitgehend asymetrisch geführter Krieg und der Norden bekam mehr oder weniger offen Unterstützung aus der VR-China, seine Kämpfer operierten auf beiden Seiten der Grenze.
Von dem her musste klar sein, dass um diesen Krieg siegreich zu beenden, die Amerikaner als Grundvorraussetzung den frontalen Zusammenstoß mit der VR China auf militärischer Basis inkauf hätten nehmen müssen.
Das wiederrum war Südvietnam schlicht nicht wert und ob man dann mit der asymetrischen Kreigsführung fertig geworden wäre, ist nochmal ein ganz anderes Thema.
Völlig andere Problemlage als der armerikanische Bürgerkrieg.

KirKanos hat geschrieben:Verhandlungen kategorisch auszuschließen konnten sich nicht mal die Republikaner leisten. Niemand wollte wirklich den Bruderkrieg, bis auf vielleicht die härtesten Eisenfresser im Süden. Was Du im Punkt 2 thematisierst ist halt eben die Hürde, die unüberwindbar schien. Der Waffenstillstand sollte genau diesen Punkt umgehen, um diese Streitfragen soweit es ging auf später zu verschieben. Das mag uns heute alles fragwürdig erscheinen, aber das war in etwa der Way to go wenn man aus diesen Krieg rauswollte.


Jeder kann es sich leisten Verhandlungen kategorisch auszuschließen, wenn es ihm nur gelingt die andere Seite als den Schuldigen dafür hinzustellen. Folglich wo wäre das Problem gewesen ein Verhandlungsangebot gen Süden zu schicken mit einem inhalt, der dort sowiso als unannehmbar eingestuft werden musste, die Ablehnung abwarten und dann als Engstirnigkeit der Gegenseite veröffentlichen?
Davon einmal abgesehen, es ist trotz allen öffentlichen Unmuts 3 Jahre hindurch nicht ernsthaft verhandelt worden.
Warum genau sollte sich auf einmal die Notwendigkeit dazu einstellen?

KirKanos hat geschrieben:Aber das wäre ja eben der Punkt, selbst unter diesen schwierigen Verhandlungsbedingungen war diese Weg ein Lottogewinn für Richmond. Lieber ein Platz an einem heißen Tisch, als das kalte Grab der Geschichte.

Ja, das ist die eine Sichtweise, die man dazu haben kann.
Ich würde aber meinen, aus unserer eigenen Geschichte heraus, sollten uns da auch gewisse alternative Sichtweisen geläufig sein, die dann Vokabular wie "Schand- und Knechtfrieden" und ähnliches Zeug enthalten und davon schwadronieren, dass der Untergang ehrenhafter wäre, als so etwas.

Insofern gehst du hier davon aus, dass man im Süden schon vernünftig gewesen wäre. Aber wäre man dort vernünftig gewesen, hätte man die Sezession niemals erklärt und Lincoln Positionen angedichtet, die er in der Konsequenz niemals vertreten hat, sondern abgewartet, wie sich die Sache entwickelt hätte.
Die Sezession und auch die Regierung der Südstaaten sind doch Produkt der Tatsache gewesen, dass dort in weiten Teilen bereits vor dem Krieg ein Fatalismus regierte, der sich von Fakten nicht beirren ließ.
Auf dieser Basis davon ausgehend, dass es da auch im Kongress der Südstaaten reichlich Hardliner gab und dann noch die Vertreter der Territorien miteinbezogen, die bei einem Kompromiss hätten draufzahlen müssen, gleich ob vernünftig oder hardliner wären eine Mischung gewesen, die einer Einigung reichlich Steine in den Weg gelegt hätten.

KirKanos hat geschrieben:Du blickst da, glaube ich, zu sehr nach heutigen Maßstäben drauf. Viele Zeitgenossen sahen die Union weiter als losen Staatenbund, mit dem klaren Recht auf Sezession. Selbst im Norden sahen das nicht wenige so, es gab zusätzlich eine starke Fraktion, welche die Sezession ablehnten, aber genauso einen Krieg zu Wiederherstellung dieser ablehnten, siehe Lincolns Amtsvorgänger. Oder auch Stimmen die forderten, lasst den Süden ziehen, dann sind wir sie endlich los. Es war eben ein sehr diffuses Bild, dass nach einem Sieg auf nach Richmond schrie und nach einer Niederlage nach Frieden gierte.

Wie der Norden in diese Richtung tickte, interessierte mich bei dem Statement eigentlich so überhaupt nicht.
Ich frage mich nur, wie der Süden es ideologisch hätte ertragen können, wenn Teile des Sezessionsraumes bei der Union geblieben wären. Denn diese bei der Union zu belassen hätte ja bedeutet der dortigen Bevölkerung das Recht auf Sezession, dass man für sich selbst in Anspruch nahm und auf das man seinen Staat gründen wollte, absprechen zu wollen.
Zumal er damit dem Norden, indem mit solchem Firedensschluss die Rechtmäßigkeit der Sezession per se in Frage gestanden hätte, auch gleich Argumente an die Hand gegeben hätte, sich diese Territorien irgendwann zurück zu holen.
Was den Norden angeht, wie gesagt, warum sollte der ganze Staaten oder strategisch wichtige Punkte, die er inzwischen unter die eigene Kontrolle gebracht hatte, herschenken?

KirKanos hat geschrieben:Warum hätte der Süden keine Zugeständnisse machen können? Diese Haltung gab es 61, vielleicht noch 62, aber 65 hat man farbige Regimenter aufgestellt, soweit war der Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gediehen. Was 61 unmöglich erschien, kann schon 62 zum Konsens werden. Was möglich ist entscheidet in der Politik die Umstände und 64 wäre viele dankbar für einen Platz an den Verhandlungstisch gewesen, auch unter der Preisgabe von weiten teilen des von der Union besetzten Territoriums, dessen Wiedereroberung zu dieser Zeit eh unmöglich erschien.


Wie gesagt, weil man dadurch die eigene staatliche Existenzberechtigung ruiniert hätte.
Denn wenn man dem Norden Zugeständnisse gemacht hätte, hätte man ja damit zugegeben, dass man sich eben nicht mehr im Besitz eines uneingeschränkten Sezessionsrechts sieht, denn wenn dieses vorhanden wäre, wäre dies in keiner Weise verhandelbar.
Damit hätte man dem Norden dann gleich die Rechtfertigung zu einem eventuellen späteren Revanchekrieg und der potentiellen Wiedereingliederung an die Hand gegeben, von den inneren Problemen mit den Staaten, die die Last der Kompromisse zu tragen gehabt hätten, nicht zu reden.

Ich weiß nicht, was das Aufstellen farbiger Regimenter nun für ein Ausweis an Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gewesen sein soll.
Ich würde aber meinen, dass man deine Argumentation auch dahingehend umdrehen kann, dass 1865 die Konföderierten dazu bereit waren selbst ihre innere Sozialordnung umzuwerfen, um den Kampf noch fortsetzen zu können.
Warum genau kommst du auf die Idee, dass jemand, der zu solch radikalen Schritten bereit ist, nur darauf wartet, sich am runden Tisch durch Kompromisslertum als gemäßigt gerieren zu können?
Ich würde mal meinen, dass jemand, der bereit ist, die gesammte bestehende Wirtschafts- und Sozialordnung umzuwerfen um nur ja den Krieg fortsetzen zu können, eher nicht dazu geneigt ist Kompromisse einzugehen, sondern eher im "what-ever-it-takes"-Modus seinen Vorstellungen nachhängt.
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Sir Heinrich » 12. Oktober 2020 10:33

Stratege hat geschrieben:
KirKanos hat geschrieben:Warum hätte der Süden keine Zugeständnisse machen können? Diese Haltung gab es 61, vielleicht noch 62, aber 65 hat man farbige Regimenter aufgestellt, soweit war der Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gediehen. Was 61 unmöglich erschien, kann schon 62 zum Konsens werden. Was möglich ist entscheidet in der Politik die Umstände und 64 wäre viele dankbar für einen Platz an den Verhandlungstisch gewesen, auch unter der Preisgabe von weiten teilen des von der Union besetzten Territoriums, dessen Wiedereroberung zu dieser Zeit eh unmöglich erschien.


Wie gesagt, weil man dadurch die eigene staatliche Existenzberechtigung ruiniert hätte.
Denn wenn man dem Norden Zugeständnisse gemacht hätte, hätte man ja damit zugegeben, dass man sich eben nicht mehr im Besitz eines uneingeschränkten Sezessionsrechts sieht, denn wenn dieses vorhanden wäre, wäre dies in keiner Weise verhandelbar.
Damit hätte man dem Norden dann gleich die Rechtfertigung zu einem eventuellen späteren Revanchekrieg und der potentiellen Wiedereingliederung an die Hand gegeben, von den inneren Problemen mit den Staaten, die die Last der Kompromisse zu tragen gehabt hätten, nicht zu reden.

Ich weiß nicht, was das Aufstellen farbiger Regimenter nun für ein Ausweis an Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gewesen sein soll.
Ich würde aber meinen, dass man deine Argumentation auch dahingehend umdrehen kann, dass 1865 die Konföderierten dazu bereit waren selbst ihre innere Sozialordnung umzuwerfen, um den Kampf noch fortsetzen zu können.
Warum genau kommst du auf die Idee, dass jemand, der zu solch radikalen Schritten bereit ist, nur darauf wartet, sich am runden Tisch durch Kompromisslertum als gemäßigt gerieren zu können?
Ich würde mal meinen, dass jemand, der bereit ist, die gesammte bestehende Wirtschafts- und Sozialordnung umzuwerfen um nur ja den Krieg fortsetzen zu können, eher nicht dazu geneigt ist Kompromisse einzugehen, sondern eher im "what-ever-it-takes"-Modus seinen Vorstellungen nachhängt.


Ich denke du missverstehst das Ziel die Unabhängigkeit. der Krieg war nur mittel zum zweck und kein Selbstzweck. Die von der Union besetzten staaten aufzugeben wäre durchaus machbar gewesen. Selbst wenn es ein Sessionsrecht gegeben hätte wäre ALLES verhandelbar wenn es den umständen nach nötig ist und etwas aufzugeben das man verloren hat und was man auch garantiert nicht zurück gewinnt kann man relativ leicht aufgeben.

Was das "what-ever-it-takes" angeht gebe ich dir in der Sache recht aber nicht im Ziel. Der Kampf war nicht das ziel sondern die Session und dafür war man bereit alles aufzugeben sogar die innere Sozial Ordnung oder bestimmt auch die von der Union besetzten gebiete (Die man sowieso verloren hatte)
Mann muss nicht immer am meisten schreiben,
es reicht, wenn man das meiste liest.

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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon Stratege » 12. Oktober 2020 19:18

Sir Heinrich hat geschrieben:
Stratege hat geschrieben:
KirKanos hat geschrieben:Warum hätte der Süden keine Zugeständnisse machen können? Diese Haltung gab es 61, vielleicht noch 62, aber 65 hat man farbige Regimenter aufgestellt, soweit war der Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gediehen. Was 61 unmöglich erschien, kann schon 62 zum Konsens werden. Was möglich ist entscheidet in der Politik die Umstände und 64 wäre viele dankbar für einen Platz an den Verhandlungstisch gewesen, auch unter der Preisgabe von weiten teilen des von der Union besetzten Territoriums, dessen Wiedereroberung zu dieser Zeit eh unmöglich erschien.


Wie gesagt, weil man dadurch die eigene staatliche Existenzberechtigung ruiniert hätte.
Denn wenn man dem Norden Zugeständnisse gemacht hätte, hätte man ja damit zugegeben, dass man sich eben nicht mehr im Besitz eines uneingeschränkten Sezessionsrechts sieht, denn wenn dieses vorhanden wäre, wäre dies in keiner Weise verhandelbar.
Damit hätte man dem Norden dann gleich die Rechtfertigung zu einem eventuellen späteren Revanchekrieg und der potentiellen Wiedereingliederung an die Hand gegeben, von den inneren Problemen mit den Staaten, die die Last der Kompromisse zu tragen gehabt hätten, nicht zu reden.

Ich weiß nicht, was das Aufstellen farbiger Regimenter nun für ein Ausweis an Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gewesen sein soll.
Ich würde aber meinen, dass man deine Argumentation auch dahingehend umdrehen kann, dass 1865 die Konföderierten dazu bereit waren selbst ihre innere Sozialordnung umzuwerfen, um den Kampf noch fortsetzen zu können.
Warum genau kommst du auf die Idee, dass jemand, der zu solch radikalen Schritten bereit ist, nur darauf wartet, sich am runden Tisch durch Kompromisslertum als gemäßigt gerieren zu können?
Ich würde mal meinen, dass jemand, der bereit ist, die gesammte bestehende Wirtschafts- und Sozialordnung umzuwerfen um nur ja den Krieg fortsetzen zu können, eher nicht dazu geneigt ist Kompromisse einzugehen, sondern eher im "what-ever-it-takes"-Modus seinen Vorstellungen nachhängt.


Ich denke du missverstehst das Ziel die Unabhängigkeit. der Krieg war nur mittel zum zweck und kein Selbstzweck. Die von der Union besetzten staaten aufzugeben wäre durchaus machbar gewesen. Selbst wenn es ein Sessionsrecht gegeben hätte wäre ALLES verhandelbar wenn es den umständen nach nötig ist und etwas aufzugeben das man verloren hat und was man auch garantiert nicht zurück gewinnt kann man relativ leicht aufgeben.

Was das "what-ever-it-takes" angeht gebe ich dir in der Sache recht aber nicht im Ziel. Der Kampf war nicht das ziel sondern die Session und dafür war man bereit alles aufzugeben sogar die innere Sozial Ordnung oder bestimmt auch die von der Union besetzten gebiete (Die man sowieso verloren hatte)


Wie gesagt.
In dem Moment in dem sie die vollständige Unebhängigkeit aller der Sezession beigetretenen Gebiete verhandelt hätten, hätten die Konföderierten selbst das Recht auf Sezession bestritten. Das hätte ihnen vielleicht für den Moment nicht geschadet, langfristig aber sehr wohl, weil man jeder künftigen Nordstaatenregierung damit das argumentative Rüstzeug an die Hand gegeben hätte, die Sezession rückgängig zu machen.

Darüber hinaus, der Süden war auf die Anti-Kriegspartei im Norden angewiesen, wenn es um Verhandlungen ging, die sich ja in Teilen auch die Argumentationslogik des Südens in Sachen Befugnisse der Zentralregierung und Recht zum Austritt aus dem Staatenbund zu eigen gemacht hatte.
Hätte man nun versucht nach Art eines europäischen Kabinettskrieges Länderschacher zu treiben um als Rumpfstaat überleben zu können, hätte man auf diese Weise auch gleich weite Teile der Anti-Kriegs-Partei als wichtigster Pressure-Group im Norden, auf die man sich stützte, argumentativ den Boden entzogen und sie ins Unrecht gesetzt.

Das wären zum einen ganz massive Hypotheken gewesen, die einer dauerhaften Überlebensfähigkeit der Konföderation sicherlich nicht zuträglich gewesen wären, zum anderen, ich hatte bereits darauf hingewiesen, der Konföderierte Kongress, bestand ja nicht nur aus Leuten aus Florida, Georgia, den Carolinas, Alabama und Missisippi, denen das alles herzlich egal sein konnte, sondern wenn man hier auf rechtlich lagelem Weg, nach dem Verständnis des Südens, zu einem Frieden kommen wollte, mussten der ganzen Klamotte natürlich auch die Vertreter aus den betroffenen Staaten, die dann das Bauernopfer hätten spielen sollen zustimmen oder wenigstens überstimmt werden müssen.
Ist ja eben gerade nicht so, dass Jeff Davis per Dekret mal eben die Abtretung dieses oder jenes Gebietes hätte anordnen können.

Wie wahrscheinlich ist, dass die Vertreter der besetzten Territorien der Abtretung derselben und dem Wiederanschluss an die Union gegen ihren Willen zugestimmt hätten, nur damit der tiefe Süden weiter sein eigenes Ding machen konnte?
Ich behaupte mal mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 weil das für sie die größtmögliche Katastrophe gewesen wäre, denn dann wären sie wieder in der Union gewesen, ohne den restlichen Süden dort völlig isoliert und marginalisiert, während die im Tiefen Süden sich ins Fäustchen gelacht hätten und ihre Unabhängigkeit genossen hätten.
In der Konsequenz vor diese Wahl gestellt, wäre aus der Perspektive der dadurch betroffenen der Untergang der Konföderation und die Wiedereingliederung des gesammten Sezessionsgebietes die bessere Wahl gewesen, denn dann hätten sie sich genau so der Washingtoner Zentralregierung unterstellen müssen, mit den anderen, ebenfalls nur wiederwillig wiedereingegliederten Territorien im Rücken, hätten sie dadurch aber eine ganz andere Basis gehabt, missliebige Gesetze und Entwicklungen blockieren zu können, die sie bei einer Teilwiederherstellung der Union unter Aussparung des tiefen Südens so nicht gehabt hätten.

Wenn wir also mal davon ausgehen, dass 1/3 der südlichen Staaten ganz oder teilweise in die Union rückgegliedert worden wären, mit allen wirtschaftlichen Flurschäden durch neue Grenzziehungen, Bedeutungsverlust der Staaten durch Aufteilungen etc, kann man mal getrost davon ausgehen, das mindestens 1/3 des Südstaaten-Kongreesses auf dem Standpunkt gestanden hätte, entweder ungeteilte vollständige Sezession oder aber Untergang, auf keinen Fall aber Teiluntergang der eigenen Territorien um innerhalb der Union politisch in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, da für einen potntiellen Veto-Player nicht stark genug, während die südlicheren Staaten frein raus sind.
Stellt man dann noch die "what-ever-it-takes"-Betonköpfe im tiefen Süden in Rechnung, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man im Süden einen Vermittlungsvorschlag, der auf einen Verlustfrieden hinausgelaufen wäre, mit einger gewissen Wahrscheinlichkeit nicht durch die eigenen Entscheidungsgremien bekommen hätte, so unwahrscheinlich nicht.
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 12. Oktober 2020 20:37

Stratege hat geschrieben:Völlig andere Problemlage als der armerikanische Bürgerkrieg.


Wenn Du da die Parallelen nicht sehen willst, dann kann ich Dir auch nicht helfen.
Und die Zeilen darunter sind so wirr, entschuldige bitte, aber die versteh ich beim besten Willen nicht. Willst Du damit sagen, dass die USA hätten China angreifen müssen, um den Krieg in Vietnam zu gewinnen? Ist diese These Dein ernst? Also Nixon und seine Berater waren schon auf ihre weise verrückt, aber niemand wäre auf die Idee gekommen China anzugreifen. Und es wäre auch überhaupt nicht nötig gewesen, weil Vietnam ausgeblutet wurde. Systematisch und nach der Tet Offensive war der Vietcong im Süden eigentlich am Ende. Nur weil der Norden mehr Truppen entstandte ging es überhaupt weiter und auch der Norden kam langsam an seine Grenzen. Chinas und Moskaus Hilfe waren was die Ausrüstung anbelangte sicher unverzichtbar, aber weder China noch Moskau waren bereit den Krieg endgültig eskalieren zu lassen.

Am Ende waren bei den Verhandlungen in Paris auch die Nordvietnamesen an einen Frieden interessiert. Aber ich weiß nicht mal ob Du das Argument so meintest, keine Ahnung.

Stratege hat geschrieben:Jeder kann es sich leisten Verhandlungen kategorisch auszuschließen, wenn es ihm nur gelingt die andere Seite als den Schuldigen dafür hinzustellen. Folglich wo wäre das Problem gewesen ein Verhandlungsangebot gen Süden zu schicken mit einem inhalt, der dort sowiso als unannehmbar eingestuft werden musste, die Ablehnung abwarten und dann als Engstirnigkeit der Gegenseite veröffentlichen?
Davon einmal abgesehen, es ist trotz allen öffentlichen Unmuts 3 Jahre hindurch nicht ernsthaft verhandelt worden.
Warum genau sollte sich auf einmal die Notwendigkeit dazu einstellen?


Lincoln hat nie ernsthaft verhandelt, McClellan ganzes Kapital war ja hingegen das er sich konzilianter gab. Frieden um jeden Preis war im Norden lange Zeit durchaus populär. Man muss sich einfach in die Zeit reinversetzen, es gab brutalste Verluste auf beide Seiten und viele sahen schlicht keine Ende am Horizont. Nicht wenige meinten das Schlachten können noch viele Jahre so gehen, wir müssen uns freimachen von unserem heutigen Wissen, dass der Süden schon 63, spätestens 64, erste Auflösungserscheinungen zeigte. Diese Stimmung verband sich mit der Gegnerschaft mit Lincolns Emanzipationserklärung, die in weiten teilen sehr unpopulär war. Selbst Wardemocrats ging es ausschließlich um die Union wie sie war.

Das war eine machtvolle politische Strömung und 64 sah es lange Zeit so aus, als ob McClellan der Sieg nicht mehr zu nehmen sei. Die Fragen die Du hier stellst wurden fast alle McClellan schon damals gestellt. Kein Frieden ohne Anerkennung des Südens, und deshalb sei McClellan ein Verräter, so viele Republikaner. McClellan lavierte, vielleicht pokerte er darauf mit den Süden einen Deal schließen zu können, formal die Union zu wahren und den Süden ansonsten entgegen zu kommen. Vielleicht war so naiv zu glauben, dass ein Kongress aller Staaten nochmal die Risse kitten könnte. Vielleicht waren ihm diese Widersprüche auch egal, solange er den ihm verhassten Lincoln und seine Sklavenbefreiung aus dem Weißen Haus jagen konnte. Führende Vertreter des Südens hüllten sich vor der Wahl in schweigen und einige betonten man könne auch über die Wiederherstellung der Union verhandeln. Das sie das nicht ernst meinten und nur McClellan Rückenwind verschaffen wollten, wissen wir heute und wussten auch damals einige. Aber kriegsmüde Wähler übersehen gerne mal Details.

Stratege hat geschrieben:Ja, das ist die eine Sichtweise, die man dazu haben kann.


Das ist keine einfache Sichtweise, sondern eine auf Quellen aus dieser Zeit gestützte These. Alexander Hamilton Stephens, Vizepräsident der Konföderation, war Kopf einer solchen Gruppe einflussreicher Südstaatler. Diese Fraktion der ehemaligen bedingten Sezessionisten wie sie der U.S. Bürgerkriegs-Historiker McPherson nennt, traten für eine Verhandlungslösung ein und waren zu großen Konzessionen bereit.

Stratege hat geschrieben:Insofern gehst du hier davon aus, dass man im Süden schon vernünftig gewesen wäre. Aber wäre man dort vernünftig gewesen, hätte man die Sezession niemals erklärt und Lincoln Positionen angedichtet, die er in der Konsequenz niemals vertreten hat, sondern abgewartet, wie sich die Sache entwickelt hätte.


Das ist doch eine sehr einseitige Betrachtungsweise aus der heutigen Zeit. Aus heutiger Sicht ist es einfach zu sagen, wie blöd wart ihr. Abwarten wie sich die Sache entwickelt war eben für viele keine Alternative, der Norden wurde eher stärker als schwächer und hatte jetzt eine Partei, die klar nordstaatliche Interessen artikulierte. Ich bin sicher kein Befürworter der Eisenfresser, aber sie hatten natürlich Motive warum sie das taten, was sie taten.

Stratege hat geschrieben:Wie der Norden in diese Richtung tickte, interessierte mich bei dem Statement eigentlich so überhaupt nicht.
Ich frage mich nur, wie der Süden es ideologisch hätte ertragen können, wenn Teile des Sezessionsraumes bei der Union geblieben wären. Denn diese bei der Union zu belassen hätte ja bedeutet der dortigen Bevölkerung das Recht auf Sezession, dass man für sich selbst in Anspruch nahm und auf das man seinen Staat gründen wollte, absprechen zu wollen.
Zumal er damit dem Norden, indem mit solchem Firedensschluss die Rechtmäßigkeit der Sezession per se in Frage gestanden hätte, auch gleich Argumente an die Hand gegeben hätte, sich diese Territorien irgendwann zurück zu holen.
Was den Norden angeht, wie gesagt, warum sollte der ganze Staaten oder strategisch wichtige Punkte, die er inzwischen unter die eigene Kontrolle gebracht hatte, herschenken?


Warum sollte überhaupt jemand irgendwann verhandeln? Ich frage mich bei Deinen Ausführungen warum Kriege so selten bis zum letzten Tropfen Blut ausgefochten werden. Denn die jeweils andere Seite muss ja festhalten können, wir haben doch Recht, warum sollten wir verhandeln? Oder wir stehen im Krieg gerade gut da oder ich habe doch einen wahren Anspruch auf die Krone?

Weil zehntausende Söhne von Müttern, Vätern, Brüder von Schwestern, pro Schlachttag von Minié Geschossen zersiebt werden und nie wieder kommen? Oder als Krüppel? Weil der Brotpreis explodiert und gerade im Süden der Hunger um sich greift? Weil Dinge des alltäglichen Bedarfs teurer und teurer werden? Weil für viele kein Ende am Licht des Tunnels ist und man wenig Lust hat sich weitere 7 Jahre blutig zu bekriegen?

Weil gerade in Demokratien die Politiker nicht ruhig vorm Kamin sitzen können und mit der Pfeife paffend sachlich nüchtern darüber schwadronieren können, dass Sie im Recht sind und den Krieg eigentlich schon gewonnen haben?

Stratege hat geschrieben:Wie gesagt, weil man dadurch die eigene staatliche Existenzberechtigung ruiniert hätte.
Denn wenn man dem Norden Zugeständnisse gemacht hätte, hätte man ja damit zugegeben, dass man sich eben nicht mehr im Besitz eines uneingeschränkten Sezessionsrechts sieht, denn wenn dieses vorhanden wäre, wäre dies in keiner Weise verhandelbar.
Damit hätte man dem Norden dann gleich die Rechtfertigung zu einem eventuellen späteren Revanchekrieg und der potentiellen Wiedereingliederung an die Hand gegeben, von den inneren Problemen mit den Staaten, die die Last der Kompromisse zu tragen gehabt hätten, nicht zu reden.

Ich weiß nicht, was das Aufstellen farbiger Regimenter nun für ein Ausweis an Pragmatismus bei den Sklavenhaltern gewesen sein soll.
Ich würde aber meinen, dass man deine Argumentation auch dahingehend umdrehen kann, dass 1865 die Konföderierten dazu bereit waren selbst ihre innere Sozialordnung umzuwerfen, um den Kampf noch fortsetzen zu können.
Warum genau kommst du auf die Idee, dass jemand, der zu solch radikalen Schritten bereit ist, nur darauf wartet, sich am runden Tisch durch Kompromisslertum als gemäßigt gerieren zu können?
Ich würde mal meinen, dass jemand, der bereit ist, die gesammte bestehende Wirtschafts- und Sozialordnung umzuwerfen um nur ja den Krieg fortsetzen zu können, eher nicht dazu geneigt ist Kompromisse einzugehen, sondern eher im "what-ever-it-takes"-Modus seinen Vorstellungen nachhängt.


WoW. Really WoW, wie Du Dir echt nicht zu Blöde bist, dass offensichtlichste Gegenargument zu verdrehen. Das sind wahrhaft beachtlichen Gedankenverrenkungen. Das selbst die fanatischsten Anhänger des Sklavereikadavers, bereit waren die DNA ihrer Überzeugungen zu opfern, ist für Dich nicht Ausdruck, dass man so ziemlich bereit war alles zu opfern, um die noch irgendwie einen ehrenvollen Frieden zu erreichen? Das ist interessant.

Wenn Du wirklich diskutieren willst, können wir das gerne machen. Aber wenn Du weiter meinst, dass Diplomatie so funktioniert, dass eine Partei sagt wir haben das Recht auf Sezession und jetzt kämpfen wir bis zum Tod, bis wir ohne Punkt und Komma das bekommen was wir wollen, dann gute Nacht. Ich weiß echt nicht wie Du Dir erklärst das Kriege normalerweise nicht mit dem totalen Sieg einer Partei enden. :strategie_zone_48:

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KirKanos
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Re: Gettysburg - Tag 1

Beitragvon KirKanos » 13. Oktober 2020 05:56

Ich möchte mich für den Ton meiner Posts gestern Abend entschuldigen. War ein langer Tag, trotzdem kein Recht so überspitzt und giftig zu formulieren. Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen nochmal ein Argument zu präzisieren.

Grundsätzlich sehe ich Dein Argument ja, man kann man den Süden nicht verhandeln, ohne ihn zu legitimieren. Aber jeder Krieg hat eine Haltwertzeit bis der Ruf der Bevölkerung so laut wird, dass die Regierung gezwungen ist in Frieden zu schließen. Egal ob es ein Bürgerkrieg oder ein Konflikt zwischen zwei Staaten ist. Und es kommt auch nicht selten vor, dass man den Krieg vielleicht sogar auf lange Sicht gewinnen würde und trotzdem zum Friedensschluss gezwungen ist. Das war ja von vornherein auch die einzige realistische Option des Südens. Gerade den meisten Republikanern war klar, dass jeder Kompromiss mit den Süden einer Anerkennung des südstaatlichen Sezessionsrechts war. Es gab aber schon bei Kriegsbeginn auch Stimmen, die sagten lasst den Süden ziehen, ohne ihn sind wir besser dran. Oder hochrangige Politiker wie Präsident Buchanan der einen Bruder, bzw. Bürgerkrieg vermeiden wollte und deswegen sich auf die recht merkwürdige Position zurückzog, die Sezession sei ungesetzlich, aber auch etwas dagegen zu tun wäre ungesetzlich.

Und im Süden schätzen viele 1863 die Situation richtig ein und sahen die Niederlage kommen. Für sie war ein teuer erkaufter Kompromiss besser als die Niederlage. Schon 1864 gab es nicht wenige Stimmen, die eine Rückkehr in die Union zumindest diskutieren wollten, wenn dafür ihre alten Rechte im Kongress wiederhergestellt wurden. Es wäre doch Wahnsinn und auch recht merkwürdig gewesen wenn die damaligen Politiker nicht das Feuer um sich lodern sahen und dann nicht zumindest über Kompromisse nachdachten. Sicher, es gab Falken wie Davis, die Unabhängigkeit oder Untergang propagierten, aber diese Haltung hatte spätestens 1865 nicht mehr viele Freunde im Süden.