Kapitel 13 – Die Hüterin der 666 Unheiligen Grimoire:
Nachdem sie die Heißen Quellen verlassen hatten, hatte Aleyandra sich schnell von Naruz und Anya verabschiedet, und meinte, sie müsse so schnell wie möglich zu ihrer Ausbildung zurückkehren. Also kehrten Naruz und Anya alleine zur Villa der Bladelli zurück, in Naruz' Fall ohne Unterhose, diese war wie von Geisterhand verschwunden gewesen, als er aus dem Becken ging, und sich anziehen wollte. Wahrscheinlich ein Streich, den Serif ihm gespielt hatte, denn dieser war nirgendwo zu finden gewesen und war noch immer verschwunden. Allerdings war dies nicht der beste Zeitpunkt, um ihn zu rufen und über das fehlende Kleidungsstück auszufragen, das konnte warten, bis sie wieder alleine waren. Den Weg zurück zur Villa schwiegen Naruz und die Templerin größtenteils, nur hin und wieder stellte er ihr kurze Fragen, zur Stadt, oder einem Gebäude, das ihm besonders ins Auge stach. Als sie die Tür zur Villa öffnete, wandte Anya sich an ihn.
„Ihr solltet Euch den Rest des Tages ausruhen, und Euch auch Morgen nicht allzu viel bewegen. Ihr habt übermorgen eine Audienz beim Erzbischof, da solltet Ihr...“ die Templerin brach ab, als sie merkte, dass Naruz mit aufgerissenen Augen an ihr vorbei starrte. Als sie sich umdrehte und seinem Blick folgte, merkte sie auch, was seine Aufmerksamkeit gefangen hatte. Aus einer Tür, nahe der Treppe, stieß eine gewaltige Mehlwolke, dicht gefolgt von einem hustenden Mädchen mit kurzen, silbernen Haaren und violetten Augen. Obwohl ihre Kleidung von Mehl bedeckt war, erkannte Naruz sofort, dass es sich um eine rote Robe handelte, und dass dieses Mädchen ohne Zweifel die Hexe war, der er in der Nähe von Helonia begegnet war. Bevor er etwas sagen konnte, fiel der Blick des Mädchens auf Anya, und sie winkte ihr schwach zu.
„Hallo Anya, ich wusste nicht, dass du heute ein Date hattest.“ meinte sie, und warf einen Blick auf Naruz.
„D-date? Wovon redest du? Das ist Naruz aus Skandia, er ist ein Botschafter der Gaia und...“
„Es war ein Scherz.“
„Was?“
„Ein Scherz.“
„Du... du hast einen Sinn für Humor?“
„Einen sehr guten, wie auch immer, ich kenne ihn, wir sind uns schonmal über den Weg gelaufen.“ meinte die Hexe, und hustete erneut.
„Ja, sind wir... du bist die Hexe, der wir in der Höhle begegnet sind, du hattest eine riesige Monsterspinne erschaffen, und...“
„Nein.“
„Was? Ich hatte damals gefragt, ob du dafür verantwortlich bist, und du hattest 'ja' gesagt!“ meinte Naruz, und bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor, auch wenn er nicht wusste, ob er überhaupt in der Lage war zu kämpfen.
„Verantwortlich, ja. Aber ich habe die Spinne nicht erschaffen, egal, erlaube mir mich vorzustellen. Mein Name ist Aynaeth, die Drachenflüsterin, Hüterin der 666 Unheiligen Grimoire, Diplomatin von Vo Astur, mächtigste, lebende Hexe unserer Zeit!“ meinte das Mädchen, noch immer mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht, und reckte ihre Arme in die Luft.
„Aynaeth?“ begann Anya, die inzwischen zur Hexe gegangen war, und an ihr vorbei in die Küche sah, denn dort führte die Tür hin, aus der Aynaeth gekommen war.
„Ja?“
„Würde die mächtigste Hexe unserer Zeit...“
„Mächtigste,
lebende Hexe, unserer Zeit.“ berichtigte Aynaeth sie sofort.
„Spielt das überhaupt eine Rolle?“
„Natürlich tut es das, alles spielt eine Rolle.“
„Wenn du meinst, würde die mächtigste, lebende Hexe unserer Zeit mir bitte erklären, was in der Küche passiert ist?“ Naruz hatte sich während des Wortwechsels zu den beiden gesellt, allem Anschein nach ging von dieser Aynaeth keine Gefahr aus, Anya schien sie sogar gut zu kennen, also konnte er sich zumindest ein wenig beruhigen. Als er die Küche sah, wusste er auch, was Anyas Frage heißen sollte, denn dort sah es aus, als wenn eine Wirbelsturm hindurch gefegt wäre. Alles war voller Mehl, überall lagen Äpfel, Eier und Töpfe auf dem Boden, und der Herd, welcher lichterloh brannte, wurde gerade von zwei Dienern gelöscht.
„Ich habe versucht einen Apfelkuchen zu backen.“
„Was? Hast du dir die Küche mal angeguckt?“
„Ich sagte ich habe es versucht. Ich habe nie behauptet, dass es mir gelungen ist.“
„Ich habe schon viele schlechte Köche erlebt, aber so eine Katastrophe habe ich noch nie gesehen! Wie hast du das geschafft?“
„Ein Experiment, ich wollte gucken, ob sich 'Die Feuer des Mithras' zum kochen eignen. Es hat nicht funktioniert.“
„Das sehe ich selber. Ich hoffe, du wirst den Dienern dabei helfen aufzuräumen.“
„Oh! Das war ein guter Witz, den muss ich mir merken.“
„Ich meine das vollkommen ernst!“ meinte Anya, bevor sie sich jedoch weiter streiten konnte, mischte Naruz sich in das Gespräch ein.
„Entschuldigung... aber was sind 'Die Feuer des Mithras'?“
„Ah, das ist der 133. Grimoire der Verbotenen Sammlung, und Teil der 666 Unheiligen Grimoire.“
„Und was genau heißt das?“
„Oh... Anya? Er weiß nichts über Grimoire.“
„Das sehe ich, was soll ich daran... Moment! Du erwartest ernsthaft, dass ich es ihm erkläre?“
„Wer sonst?“
„Du! Du bist hier die mächtigste, lebende Hexe!“
„Ich esse aber gerade.“ ehe Anya protestieren konnte, hatte Aynaeth einen kleinen Beutel in der Hand, und fischte etwas heraus, dass sehr nach ganz gewöhnlichen Kaffeebohnen aussah.
„Ähm... sollte man die nicht...“ begann Naruz, verstummte jedoch, als die Hexe ihn ignorierte und munter auf den Bohnen herumkaute. Anya seufzte, entschied sich dann jedoch dafür, dass es besser wäre, Naruz alles zu erklären.
„Die Hexer und Hexen von Vo Astur bezeichnen sämtliche Grimoire, die es in dieser Welt gibt, als 'die Verbotene Sammlung', es gibt in etwa 8.600...“
„8.678.“ warf Aynaeth ein, ehe sie eine weitere handvoll Bohnen in ihrem Mund verschwinden ließ.
„8.678.“ berichtete Anya, und warf der Hexe einen vernichtenden Blick zu. „Es gibt 8.678 Grimoire in dieser Welt. Die ersten 666 von ihnen wurden jedoch als so mächtig und gefährlich eingestuft, dass sie als 'Unheilige Grimoire' betitelt wurden, und ihr Gebrauch verboten ist. Sollte jemand gegen diese Regel verstoßen, würde der Rat der Dreizehn umgehend gegen ihn oder sie vorgehen.“
„Aber... hat sie nicht gerade einen von ihnen verwendet? Würde der Rat nicht gegen sie vorgehen?“
„Der Rat? Gegen mich... vorgehen?“ meinte Aynaeth ungläubig, und ließ vor Verwunderung eine Bohne auf den Boden fallen. „Anya... dieser Naruz ist lustig.“
„Habe ich etwas falsches gesagt?“ Erneut seufzte die Templerin, warum musste sie alles erklären? 'Weil Aynaeth zu faul dafür ist' schoss es ihr durch den Kopf. Sie lebte nun schon seit über einem Jahr mit der Hexe unter einem Dach, und kannte sie recht gut, was allerdings nicht hieß, dass sie nicht trotzdem von ihr zur Weißglut getrieben wurde.
„Aynaeth ist... eine Ausnahme, sie trägt ihren Titel nicht umsonst. Sie besitzt sämtliche, der 666 Unheiligen Grimoire, hinzu kommen ein paar gewöhnliche Grimoire, die sie im Laufe der Jahre gesammelt hat.“
„Und wie viel ist das, verglichen mit den anderen Hexern? Verglichen, mit diesem Rat?“
„Das mächtigste Ratsmitglied verfügt über 73 Grimoire.“ meinte Aynaeth, als Anya sie fragend ansah. Naruz klappte der Mund auf, als er das hörte, so konnte sogar er sich vorstellen, wie mächtig Aynaeth in Vo Astur sein musste, zumindest nach dem, was Serif ihm über die Hexer und Grimoire erzählt hatte. „Ah, davon kann er aber nur sieben gleichzeitig einsetzen.“ fügte Aynaeth hinzu, als wenn es unglaublich wichtig wäre.
„Aha, und wie viele kannst du verwenden?“
„Hm... keine Ahnung, habe es noch nie ausprobiert. Aber egal, ich bin dann mal in meinem Zimmer, wir sehen uns später.“ meinte sie gähnend, und winkte den beiden zum Abschied. Nachdem sie weg war, wandte Naruz sich wieder an Anya.
„Also wohnt sie auch hier?“
„Ja, schon seit über einem Jahr, angeblich ist sie hier, um die Beziehungen zwischen Vo Astur und der Kirche zu verbessern... aber ich habe noch nie gesehen, dass sie irgendetwas in dieser Form gemacht hat, außer einem kurzen Treffen mit dem Erzbischof.“
„Eine Hexe also... und die mächtigste, lebende Hexe unserer Zeit?“ murmelte Naruz nachdenklich, und seine Gedanken wanderten zu dem Kristall, den er in der Sternentruhe gefunden hatte. Cyril meinte, es handele sich um ein Artefakt aus dem Dämonenreich, vielleicht könnte Aynaeth ihm sagen, was genau er da gefunden hatte? Er sollte versuchen, so bald wie möglich noch einmal mit ihr zu reden. „Vielen Dank dafür, dass Ihr Aleyandra und mich begleitet habt, Lady Bladelli. Ich will Euch nicht weiter aufhalten, den Weg zu meinem Zimmer finde ich schon alleine.“ meinte er schließlich, mit einem freundlichen Lächeln, und entfernte sich von der Templerin, die nur abwesend etwas murmelte. Erst als Naruz schon lange weg war, und sie die Diener hinter sich hörte, ging ihr auf, dass Aynaeth sich jetzt doch noch um das Aufräumen gedrückt hatte. Leise fluchend machte Anya sich auf den Weg zu den Gemächern der Hexe, so leicht würde sie ihr nicht davonkommen.
Naruz hatte inzwischen sein Zimmer erreicht, und sich auf dem Bett niedergelassen. Müde schloss er die Augen, und rief sich noch einmal die Ereignisse des heutigen Tages in Erinnerung, oder besser gesagt, seinen Spaziergang durch die Stadt. Er lächelte, als er an Aleyandra dachte, und ihre Versuche, ihm von allem möglichen Unsinn zu überzeugen.
„Du scheinst gute Laune zu haben.“ Naruz öffnete ein Auge, als er Serifs Stimme hörte. Das Eidolon schwebte direkt über ihm in der Luft, und grinste ihn an.
„Ist das so ungewöhnlich?“
„Du hattest nicht mehr viel gelächelt, seit unserem Kampf mit Sonjuno, dabei kriegt man doch sonst dieses dämliche Grinsen nicht aus deinem Gesicht. Hat es dich so gefreut, Aleyandra wiederzusehen?“
„Natürlich, ich mag sie. Und ich bin froh, dass sie mir verziehen hat. Sie war so niedlich, als sie mich durch die Stadt geführt hat.“
„Glaubst du ihr etwa den Unsinn, den sie von sich gegeben hat?“
„Natürlich nicht, aber das muss sie ja nicht wissen, oder?“ meinte Naruz, und streckte sich.
„Ich glaube, sie hat dich angelogen, ich bezweifle, dass sie schon seit unserem letzten Treffen in Navea ist, wenn das der Fall wäre, hätte sie nicht solche Geschichten erfinden müssen.“
„Mhm, du hast wahrscheinlich recht.“
„Stört es dich nicht?“
„Sollte es mich stören? Sie wird schon ihre Gründe gehabt haben, falls sie wirklich gelogen hat.“ Eine Weile lang schwiegen die beiden, dann wandte Naruz sich wieder an sein Eidolon. „Kommst du Morgen mit?“
„Was? Mit? Wohin?“
„Zum Marktplatz, ich möchte etwas kaufen.“
„Hatte Anya nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben?“
„Ich bin mir sicher, ein kleiner Ausflug wird nicht schaden. Also, kommst du mit oder nicht?“
„Da meine einzige Alternative ist, in diesem Zimmer zu bleiben und mich zu langweilen... komme ich mit.“
„Danke, Serif.“ meinte Naruz, mit einem müden Lächeln und schloss wieder die Augen. „Ich denke, ich werde mich eine Weile ausruhen.“
„Mach das, gute Nacht Partner.“
„Ach ja, Serif?“
„Ja?“
„Wo ist meine Unterhose?“
Zwei Tage später stand Naruz vor der 'Burg, welche die Stadt vor den Kobolden beschützt', wie Aleyandra das Gebäude genannt hatte, und sah beeindruckt zu den Soldaten hinüber, die hier Wache standen. Sie alle hatten ernste Gesichter und trugen Rüstungen, welche der von Anya ähnelten, allerdings prächtigere und feinere Verzierungen aufwiesen.
„Bei diesen Männern handelt es sich um die Hohetempler deren Aufgabe es ist, den Erzbischof zu beschützen.“ erklärte Anya, während sie Naruz einen missbilligenden Blick zuwarf. Er war nicht so, wie sie es eigentlich erwartet hatte. Als sie ihn aus den Ruinen zurückgebracht hatte, hatte sie noch viel Respekt vor ihm, da er es geschafft hatte einen mächtigen Dämon zu besiegen, in den letzten Tagen allerdings, ging der Botschafter ihr eher auf die Nerven. Ständig beschwerte er sich, dass es ihm in seinem Zimmer zu langweilig war, oder stellte ihr Fragen über die Stadt. Gestern hatte er sich einfach so aus der Villa geschlichen, um einen Spaziergang auf dem Marktplatz zu machen, Anya hatte das erst mitbekommen, als sie ihn zufällig in der Eingangshalle getroffen hatte, nachdem er zurückgekehrt war. Kaum hatte sie ihn dort gesehen, hatte sie sich auch nicht mehr halten können, und hatte dem Botschafter eine wahre Standpauke zu hören gegeben, was ihm denn einfiel, sich in seinem Zustand wegzuschleichen und ob er sich überhaupt bewusst war, was hätte passieren können. Sie hatte erst aufgehört, als Naruz sich zum zehnten mal entschuldigt hatte, und sie bemerkte, dass eine ganze Schar von Dienern sich um sie versammelt hatte, und amüsiert grinsten.
„Hohetempler? Stehen sie im Rang über Euch?“
„Ja, ein Templer steht über den gewöhnlichen Soldaten der Kirche, und über uns stehen die Hohetempler. Über diesen wiederum sind die Marschälle und Inquisitoren, sie gehören mit zu den mächtigsten Dienern der Kirche, lediglich die Großmeister und Großmarschälle können ihnen Befehle erteilen. Und natürlich der Erzbischof und Hochgeneral.“ Während des Gesprächs gingen die beiden weiter auf den Palast zu, dessen Tore wahrhaft riesig wirkten. Überhaupt schien der gesamte Palast übergroß zu sein, und angeblich befand sich dort nicht mehr, als der Sitz des Erzbischofs und die Tempelbibliothek.
„Ach ja...“ begann Naruz, als ihm etwas einfiel, dass er sich schon gefragt hatte, seit er Aleyandra begegnet war. „Was sind die Kinder Gaias?“
„Was? Wieso die plötzliche Frage?“
„Aleyandra meinte, sie ist Mitglied dieser Einheit, was machen sie?“ Anya zögerte kurz, entschied sich dann jedoch dafür, es Naruz zu erzählen, es würde schon nicht schaden.
„Die Kinder Gaias sind ein Orden, welcher von Großmeister Silberblatt angeführt wird. Sie... jagen Dämonen und abtrünnige Botschafter Gaias, um das Reich vor ihnen zu schützen, eigentlich eine noble Aufgabe, aber...“
„Aber?“
„Ihre Methoden sind... falsch, die Art wie sie vorgehen, sie tun alles was nötig ist, um ihren Auftrag zu erfüllen, sie sind rücksichtslos. Wenn Hochgeneral Andre und seine Hohetempler das strahlende Licht des Reiches sind, dann sind die Kinder Gaias sein dunkler Schatten, ein Schatten der nötig ist, um das Reich in Sicherheit zu wissen, aber nichts desto trotz ein dunkler Fleck innerhalb der Kirche.“
„Also sind sie Attentäter.“ Erneut zögerte Anya, nickte dann jedoch. „Was denkt sie sich dabei?“ murmelte Naruz vor sich hin, woraufhin Anya ihm einen fragenden Blick zuwarf. „Hm? Oh, nichts, nichts, ich rede nur mit mir selbst.“ meinte Naruz, mit einem fröhlichen Lächeln, innerlich schweiften seine Gedanken jedoch wieder zu Aleyandra. Er dachte eigentlich, dass sie nie wieder jemanden umbringen wollte, warum schloss sie sich dann den Attentätern der Kirche an? Das ergab keinen Sinn. Schließlich hatten sie die Tore des Palasts erreicht und Anya blieb stehen, weshalb Naruz es ihr gleichtat. Kurz darauf trat auch schon einer der Hohetempler auf sie zu, ein recht junger Mann, der seinen Helm unter dem Arm trug, weshalb man seine kurzen, rotbraunen Haare sehen konnte.
„Seid gegrüßt, Lady Bladelli und... Sir Naruz, nehme ich an?“ meinte er und verbeugte sich vor den beiden. „Ich bin Ser Gus, Anführer der Leibwache seiner Heiligkeit, Erzbischof Belenus.“ Als der Mann sich vorgestellt hatte, verbeugte sich Naruz vor ihm.
„Ihr habt recht, ich bin Naruz aus Skandia, seit kurzem Botschafter der Gaia, es freut mich Euch kennenzulernen, Ser Gus. Ich bin hier, weil ich um eine Audienz bei Erzbischof Belenus bitten wollte.“ Anya sah Naruz nach diesen Worten erstaunt an. Förmlich und höflich, nach dem was sie in den letzten Tagen gesehen hatte, hätte sie nie gedacht, dass Naruz sich so verhalten könnte.
„Natürlich, Lady Bladelli hat mich bereits vor einigen Tagen darüber informiert, ich werde Euch sofort zu ihm führen, Lady Bladelli wird hier auf Euch warten.“ Erneut verbeugte Gus sich, und bedeutete Naruz, ihm zu folgen. Dieser warf kurz einen Blick zu Anya, die nickte, um ihm zu bedeuten, dass sie warten würde. Also folgte Naruz dem Leibwächter, und gemeinsam betraten sie den Palast.
„Netter Palast, muss teuer gewesen... bei Gaia! Wozu eine so große Halle? Hier könnte man einen Wal unterbringen!“ entfuhr es Naruz, kaum dass er das Innere des Palasts gesehen hatte. Gus lachte kurz auf.
„Diese Reaktion gibt es öfters, auch wenn die meisten es nicht aussprechen, und es ihnen nur ins Gesicht geschrieben steht. Seht Ihr die Tür zu unserer Linken? Sie führt in die Tempelbibliothek, der größten Ansammlung von Büchern und anderen Texten, im gesamten Reich.“
„Ah, ich habe gehört, dass sich hier eigentlich auch ein Grimoire befinden sollte, 'Die Geheimnisse des Waldes', wurde er gestohlen?“
„Was? Nein, wie kommt Ihr darauf?“
„Auf meiner Reise ist mir jemand begegnet, der diesen Grimoire verwendet hat.“
„Ihr seid Lady Aynaeth begegnet?“
„Genau, also wisst Ihr, dass sie diesen Grimoire hat?“ Gus nickte bestätigend.
„Es hatte uns alle verwundert, vor knapp einem Jahr kam sie als Diplomatin aus Vo Astur hier an, und ihr wurde eine private Audienz mit dem Erzbischof gestattet, außer mir durfte niemand sonst anwesend sein. Während dieser Audienz wurde ein Vertrag ausgehandelt, worum genau es dabei geht, darf ich leider nicht sagen. Eine Bedingung der Hexe war es jedoch, dass wir ihr drei Grimoire überlassen, die sich in der Tempelbibliothek befanden.“
„Ich verstehe, also ist Aynaeth eine Verbündete der Kirche?“
„Hm, das ist schwer zu sagen, sie ist noch immer eine Hexe aus Vo Astur, aber der Erzbischof mag sie und hat ihr gestattet, die Villa der Bladelli zu einer Art Botschaft für die Stadt der Hexer zu machen.“ Bevor Naruz eine weitere Frage stellen konnte, erreichten sie ein zweites Tor und Gus hielt an. „Wir sind da, hinter diesem Tor, sitzt Erzbischof Belenus, er wird sich anhören, was Ihr zu sagen habt. Ich denke zwar nicht, dass es notwendig ist, aber ich muss Euch trotzdem darum bitten respektvoll zu sein, Ihr werdet mit dem mächtigsten Mann des Reiches reden.“ Naruz nickte zur Bestätigung, dann öffneten die Wachen, welche hier standen, das Tor, und Naruz betrat den Thronsaal, zusammen mit Gus. Ein roter Teppich führte bis hin zum Thron, auf dem ein alter Mann in weißer Robe saß. Er hatte ein faltiges Gesicht, freundliches Gesicht und einen weißen Bart, in seiner Hand ruhte eine Art Stab oder Zepter, welches golden verziert war. Als er die Treppe erreicht hatte, welche zum Thron hinauf führte, kniete Naruz nieder, und senkte den Kopf, während Gus die Treppe hinauf ging, und sich neben den Thron kniete. „Erzbischof, dies ist Sir Naruz aus Skandia, Botschafter der Gaia. Er ist...“
„... derjenige, der Sonjuno besiegt hat.“ beendete der Erzbischof den Satz, mit einer kräftigen, warmen Stimme. „Ihr dürft aufstehen, Sir Naruz, es gehört sich nicht, für einen Auserwählten der Gaia zu knien, und sei es vor dem Erzbischof.“
„Mein Lord!“ entfuhr es Gus, während Naruz zögernd aufstand. „Ihr seid das Oberhaupt dieses Reiches, es ist nur natürlich, dass man Euch Respekt zollt.“
„Ich bin vor allem ein Diener der Gaia, wie kann ich da von einem ihrer Auserwählten verlangen, vor mir zu knien?“ Gus antwortete nicht, sondern senkte sein Haupt noch ein wenig weiter. „Was kann ich also für Euch tun, Naruz? Ihr kommt aus Skandia? Ein recht weiter Weg, was genau führt Euch nach Navea?“ Naruz holte tief Luft, und erzählte dann seine ganze Geschichte, von Serifs Auftauchen, über den Kampf mit Brian, dem Zwischenstopp in Helonia, das Treffen mit den anderen Eidolons, bis hin zum Kampf mit Sonjuno, nur ein paar Dinge ließ er außen vor, zum Beispiel das Gespräch mit dem seltsamen Fremden, während des Kampfes in den Ruinen.
„Also möchte ich Euch darum bitten, mich in den Reihen der Kirche aufzunehmen, damit ich lernen kann, wie es sich verhindern lässt, zu einem Dämon zu werden.“ schloss Naruz, und sah zum Erzbischof hinauf. Dieser strich sich nachdenklich durch seinen Bart, während er Naruz musterte.
„Ihr seid also Aelius begegnet? Und Uzuriel und Cyril?“
„Genau, und noch zwei weiteren Eidolons, Shirayuki und Sigrun.“
„Aelius, Uzuriel und Cyril gehören zu den Kindern der Gaia, welche von der Kirche ganz besonders respektiert werden, Ihr habt Glück, ihnen allen gleichzeitig begegnet zu sein, nicht viele Botschafter können von sich behaupten, auch nur mit einem von ihnen gesprochen zu haben. Ich werde Eurer Bitte nachkommen, und Euch in den Reihen der Kirche willkommen heißen.“ Während er dies sagte, stahl sich ein Lächeln auf das Gesicht des Erzbischofs, das Naruz nicht ganz deuten konnte. „Gus, bring mir Feder, Tinte und Papier.“
„Sofort, mein Lord.“ meinte Gus, erhob sich und verschwand. Während sie auf seine Rückkehr warteten, sah Naruz sich neugierig um, allerdings gab es außer Säulen und dutzenden, grimmig dreinblickenden Wachen nicht allzu viel zu sehen. Als die Stille ihm zu viel wurde, wandte er sich mit einer Frage an den Erzbischof, die ihm schon eine Weile im Kopf herumspukte.
„Lord Belenus? Ähm... Erzbischof Belenus?“
„Beides ist in Ordnung, wie kann ich Euch helfen?“
„Was hat es mit dem Himmelsturm auf sich? Any... Lady Bladelli konnte mir nicht viel sagen, sie meinte, sie wüsste selber nicht, was genau es mit diesem Turm auf sich hat.“
„Ah, eine gute Frage, um ehrlich zu sein weiß auch ich nicht genau, warum der erste Erzbischof diesen Turm errichtet hat, ich weiß nur, dass es eine Legende gibt, derzufolge man vom höchsten Punkt des Turms aus, mit Hilfe eines magischen Artefakts, mit Gaia selbst in Kontakt treten kann. Meine Theorie ist, dass der erste Erzbischof genau dies versucht hat, ob es ihm jedoch gelungen ist, kann ich nicht sagen, ich vermute jedoch, dass er scheiterte und, um sein Versagen zu vertuschen, alle möglichen Gerüchte über den Turm verbreiten ließ, eines der lächerlichsten ist, dass der Turm errichtet wurde, um die Stadt vor Vögeln zu beschützen.“
„Moment, das ist wirklich ein Gerücht?“
„Was? Nein, jemand hat diesen Witz schon einmal benutzt?“ Naruz starrte den Erzbischof eine ganze Weile einfach nur ungläubig an. Erst als Gus zurückkam und sich räusperte, wandte Naruz den Blick ab. Der Leibwächter gab Belenus die Schreibutensilien, und Naruz wartete schweigend, während Belenus seinen Brief schrieb, ehe er ihn mit Hilfe seines Ringes versiegelte, anstatt Wachs nutzte er Magie dafür, was Naruz erstaunte, er hätte nicht gedacht, dass man Magie wirklich für alles nutzen konnte. Den fertigen Brief gab Belenus an Gus, welcher ihn wiederum an Naruz überreichte. „Lady Bladelli wird Euch zu Großmeister Silberblatt führen, er wird Euch einer Einheit zuteilen und einen Rang verleihen. Gebt ihm diesen Brief, sobald Ihr ihn seht. Ich muss Euch nun bitten zu gehen, ich habe Heute noch einige andere Gäste, um die ich mich kümmern muss.“ Naruz verbeugte sich ein letztes mal vor dem Erzbischof, ehe er sich umwandte und den Thronsaal verließ.
„Naruz aus Skandia...“ murmelte Gus vor sich hin, während er erneut an die Seite des Erzbischofs trat. „Mein Lord, ist er nicht...“
„Doch, ist er.“ meinte Belenus, und erneut stahl sich ein geheimnisvolles Lächeln auf sein Gesicht. „Ich bin gespannt, ob Paolo es auch merken wird. Wie auch immer, lass uns mit den Audienzen fortfahren, ich glaube als nächstes wollte mich ein Bote aus dem Cactaraka Dschungel sehen...“
Als er den Palast verlassen hatte, ging Naruz direkt auf Anya zu, verlangsamte jedoch seine Schritte, als er merkte, dass sie sich mit jemandem unterhielt. Vor ihr stand ein alter Mann, mit einem strengen, bartlosen Gesicht. Sein Kopf war kahlrasiert und eine große Narbe zog sich quer über sein Gesicht. Er trug eine feuerrote Rüstung und an seiner Seite hing ein Langschwert in einer goldenen Scheide. Anya sah ziemlich nervös aus, so hatte Naruz sie noch nie gesehen, wer auch immer dieser Mann war, er musste ziemlich mächtig sein. Als er merkte wie Naruz sich näherte verstummte er, und wandte sich an den Botschafter.
„Kann ich Euch helfen?“ fragte er, und musterte Naruz, leicht herablassend.
„Nein, tut mir leid, Ihr könnt mir nicht helfen, aber Lady Bladelli hier.“
„Oh? Und was kann meine Enkelin für Euch tun?“
„Enkelin?“
„Das habe ich gerade gesagt, ich bin Paolo Bladelli, Großmarschall der Templer. Wer seid Ihr?“
„Ah, Verzeihung, ich bin Naruz aus Skandia, Botschafter der Gaia. Ich hatte gerade eine Audienz bei Erzbischof Belenus und er meinte, Eure Tochter soll mich zu Großmeister Silberblatt führen, damit er mir einen Rang und eine Einheit zuteilen kann.“
„Naruz? Ihr seid also der Botschafter, der den Dämon getötet hat. Ich muss Euch dafür danken, dass Ihr Anyas Fehler ausgebadet habt.“ meinte Paolo, mit einem strengen Blick zu seiner Enkelin. Als er in Naruz' Augen blickte, spiegelte sich kurz Überraschung auf seinem Gesicht. „Ihr sagtet, Ihr kommt aus Skandia?“
„Ja, wart Ihr schon einmal dort?“
„Zwei mal, aber das ist schon lange her.“ Erneut warf Paolo einen Blick auf Anya, dieses mal lächelte er. „Zufälle gibt es. Naruz aus Skandia, lass mich dir einen Rat geben, halte dich von den Alfar fern.“ mit diesen Worten wandte er sich ab, und marschierte geradewegs auf die Palasttore zu.
„Ähm... netter Mann.“ meinte Naruz an Anya gewandt, als sie alleine waren.
„Wenn auch ein wenig einschüchternd.“ kommentierte Serif, der in diesem Moment an Naruz' Seite erschien.
„Da bist du ja, wo warst du die ganze Zeit?“
„Ich war...“
„Wenn es Euch nichts ausmacht, werde ich Euch nun zu Großmeister Silberblatt führen.“ zischte Anya, und Serif verstummte.
„Ist alles in Ordnung? Habe ich etwas gesagt, um Euch zu verärgern? Oder war es das Gespräch mit Eurem Großvater?“ fragte Naruz.
„Das geht Euch nichts an! Folgt mir!“ ohne auf eine Antwort zu warten setzte Anya sich in Bewegung, in Richtung Militärbezirk. Naruz warf Serif kurz einen Blick zu, der zuckte jedoch nur mit den Schultern und schweigend folgten die beiden Anya. Nach einer Weile hatten sie ihr Ziel erreicht, ein kleines, graues, tristes Gebäude mitten im Militärbezirk. Sie standen vor einem Zimmer im Inneren des Gebäudes und Anya klopfte an die Tür, nachdem sie tief Luft geholt hatte.
„Herein.“ ertönte eine Stimme aus dem Inneren, und Anya öffnete die Tür. Das Zimmer selbst war recht klein und hatte nicht besonders viel, es erinnerte Naruz ein wenig an sein 'Haus' in Skandia. Hinter einem Schreibtisch mitten im Zimmer saß ein Mann, bei dem es sich wohl um diesen Silberblatt handeln musste. Er hatte lange, blonde Haare, blaue Augen und ein, zumindest Naruz' Meinung nach, ziemlich arrogantes Gesicht. „Ah, Anya. Ich nehme an, dies ist der Botschafter, von dem du mir erzählt hast?“ fragte er und würdigte die Templerin keines Blickes, während er Naruz musterte.
„Mein Name ist Naruz, Erzbischof Belenus hat mich so eben in die Reihen der Kirche aufgenommen, und er meinte ich soll Euch diesen Brief geben.“ stellte Naruz sich mit einer leichten Verbeugung vor, ehe er etwas näher an den Schreibtisch ging, und den Brief an Silberblatt übergab.
„Naruz, ja... ich habe schon von dir gehört.“ meinte Silberblatt, während er mit der Hand über den Brief fuhr, woraufhin sich das Siegel löste. Er überflog schnell das Schreiben, ehe er es zerknüllte und in einen nahen Korb warf. „Normalerweise überlässt der Erzbischof es mir ganz alleine, einen neuen Rekruten einer Einheit oder einem Rang zuzuteilen... es ist ungewöhnlich, dass er eine Empfehlung macht. Sag mir, warum bist du der Kirche beigetreten? Was für Ziele hast du?“
„Ich bin der Kirche beigetreten, weil die Eidolons mir gesagt haben, dass ich so verhindern kann, zum Dämon zu werden. Das ist... war mein einziges Ziel.“
„War?“ Naruz nickte.
„Ich will der Kirche helfen, so gut es geht, ich will verhindern, dass Kreaturen wie dieser Sonjuno in unserer Welt ihr Unwesen treiben können. Nach allem was ich gehört habe, hätte diese Bestie beinahe für eine Katastrophe gesorgt, nur weil ein Erzbischof sämtliche Informationen über den Zwischenfall, bei dem er versiegelt wurde, verschwinden ließ. Ich strebe einen Rang in dieser Kirche an, der dafür sorgt, dass solche Geheimnisse mich nicht länger daran hindern können, die Gefahren für das Reich auszuschalten.“
„Also willst du einen Rang, der dir die Geheimnisse der Kirche offen legt...“ Silberblatt überlegte kurz, dann nickte er langsam. „Ich sehe schon, der Erzbischof hatte mal wieder recht. Nun gut, eigentlich würde ich dich erst zu einem Rekruten machen, trotz deiner Leistungen, aber auf Grund von Belenus' Empfehlung werde ich eine Ausnahme machen. Naruz, von nun an bist du Teil der Inquisition, du bist ein Inquisitor im Diensten der Kirche, deine Aufgabe wird es sein, das Reich vor Bedrohungen im Inneren zu beschützen. Jeder Inquisitor wird zusammen mit drei Templern arbeiten, deren Aufgabe es ist ihren Vorgesetzten während seiner Ermittlungen zu unterstützen und zu beschützen, denn ein Großteil deiner Arbeit wird genau daraus bestehen, Ermittlungen und Nachforschungen. Jedes Team von Inquisitoren hat einen Rufnamen, der Name deiner Gruppe wird 'Mantikor' sein.“
„Ich verstehe.“ meinte Naruz, das ging alles schneller, als er erwartet hatte. „Werde ich die Mitglieder dieser Gruppe selber zusammenstellen?“
„Nein, ich werde dir deine Untergebenen zuteilen... lass mich kurz überlegen... Anya Bladelli.“
„Ja, Herr?“
„Du wirst Inquisitor Naruz als Stellvertreterin zur Seite stehen, als Mitglied von Gruppe Mantikor. Deine Villa wird zudem als Hauptquartier von Mantikor dienen.“
„W-was? Aber...“
„Das war keine Bitte.“
„I-ich verstehe, Herr.“ Anya senkte den Kopf, damit hatte sie bei weitem nicht gerechnet. Sie hatte zwar nichts dagegen einem Inquisitor zu dienen, aber Naruz... sie war sich nicht sicher, ob er wirklich das Zeug dazu hatte, überhaupt ein Inquisitor zu sein. Ja, er hatte Sonjuno besiegt, aber abgesehen davon... ihre Gedanken wurden unterbrochen, als Silberblatt fortfuhr.
„Die letzten beiden Mitglieder von Mantikor werden...“ er zögerte kurz, und blätterte durch ein schweres Buch, welches auf seinem Schreibtisch lag, ehe er bei einer Seite anhielt. „Victoria Courtis und Nikodemus Starkas, ich werde ihnen so bald wie möglich die Befehle zukommen lassen, sich der Einheit anzuschließen, momentan sind sie jedoch nicht in Navea, es kann also eine Weile dauern, ehe du sie treffen kannst. Außerdem würde ich dir empfehlen, noch nicht auf Aufträge zu gehen, du hast zwar den Rang eines Inquisitors, aber du hast keine Ausbildung... und keine Waffen, wie es scheint.“ meinte Silberblatt, und warf einen Blick auf den unbewaffneten Naruz. „Ich habe gehört, deine Waffen wurden im Kampf mit Sonjuno vernichtet, gehe am besten zu den Schmieden im Bezirk der Handwerker, direkt südlich von hier, dort wird man dir helfen können. Außerdem wirst du einen Lehrer brauchen...“
„Verzeiht, Großmeister Silberblatt.“ unterbrach Naruz ihn. „Aber würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich mir meinen Lehrer selbst suche?“
„Du hast schon jemanden in Gedanken?“
„Ja.“ Silberblatt schwieg kurz, dann zuckte er jedoch mit den Schultern.
„Wenn du meinst, dann suche dir deinen Lehrer selbst. Kann ich dir noch mit etwas helfen?“
„Nein... obwohl, doch. Seid Ihr derjenige, der Aleyandra ausbildet?“
„Ja, warum?“
„So wie ich es verstanden habe, hat sie einen ziemlich vollen Zeitplan, und ist größtenteils mit ihrem Training beschäftigt. Ich wollte Euch fragen, ob es möglich wäre, ihr ein wenig mehr Freizeit zu geben.“
„Oh? Warum?“
„Sie hat mir viel geholfen, und mich auch durch die Stadt geführt, und ich wollte ihr gerne dafür danken.“ Silberblatt musterte ihn mit einem kalten Blick, ehe er die Augen schloss.
„Wir werden sehen, falls ihre Ausbildung Fortschritte macht... könnte ich ihr vielleicht ein wenig mehr Freizeit einräumen, ich verspreche jedoch nichts.“
„Ich danke Euch, Großmeister.“ meinte Naruz, und verbeugte sich erneut.
„Gibt es sonst noch etwas?“
„Nein, das wäre alles.“
„Gut, dann gehe jetzt bitte, ich bin ein vielbeschäftigter Mann.“
„Natürlich, auf Wiedersehen. Und noch einmal vielen Dank.“
„Ihr seid nicht zufrieden damit, in meiner Gruppe zu arbeiten?“ Anya zuckte zusammen, als sie Naruz' Stimme hörte. Die beiden befanden sich auf dem Weg zum Bezirk der Handwerker, Naruz hatte entschieden, dass es am besten wäre, so schnell wie möglich wieder eine Waffe zu haben. Außerdem würde man ihm hier auch eine Robe anfertigen, wie sie die Inquisitoren trugen. Den ganzen Weg über hatten sie geschwiegen und Anya war in Gedanken versunken gewesen.
„W-was? Nein, nein, keinesfalls... Sir.“ Naruz seufzte, er konnte deutlich spüren, dass die Templerin zumindest nicht gerade begeistert war, unter ihm zu dienen.
„Gut, erste Regel für Gruppe Mantikor; niemand nennt mich Sir.“
„Was?“
„Richtig gehört, niemand nennt mich Sir, nenne mich einfach Naruz. Ich werde dich auch nur Anya nennen. Außerdem, zögere nicht, wenn du etwas an mir auszusetzen hast, ich kann mit Kritik leben.“
„Gut, wenn Ihr... wenn du es so willst.“ meinte die Templerin, hielt an und holte tief Luft, ehe sie sich zu Naruz umdrehte. „Ich glaube nicht, dass du das Zeug zum Inquisitor hast, du magst stark sein, und ein Botschafter Gaias, aber du bist zu sprunghaft, zu lasch und viel zu...“ '...freundlich.' beendete sie den Satz in Gedanken, sprach es jedoch nicht laut aus, das würde irgendwie nicht ganz als Grund passen, warum er kein guter Inquisitor sein würde. Aber es stimmte, dass der Großteil der Inquisition aus humorlosen, strengen Menschen bestand.
„Wenn du meinst.“ war Naruz' Antwort, während der mit den Schultern zuckte und weiterging.
„Was? Hast du mir nicht zugehört?“
„Doch, habe ich, aber würde es etwas daran ändern, jetzt mit dir darüber zu streiten, ob ich ein geeigneter Inquisitor bin, oder nicht? Ich werde einfach beweisen müssen, dass du Unrecht hast, meinst du nicht auch?“ Anya wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, besser gesagt, sie wusste nicht wie sie mit dieser Einstellung von Naruz umgehen sollte. Beinahe ihr ganzes Leben lang, hatte sie mit ihrem Großvater verbracht, einem strengen Mann, der die Ehre der Familie und der Kirche über alles andere stellte. Naruz' zurückgelehnte Einstellung war einfach etwas, dass Anya überhaupt nicht kannte und womit sie nicht wirklich klar kam.
„Oho! Herzlich willkommen im Bezirk der Handwerker!“ ertönte plötzlich eine Stimme neben den beiden, und sie wandten sich um. Vor ihnen stand eine junge Frau, mit kurzen, rosafarbenen Haaren und einem freundlichen Lächeln im Gesicht.
„Ah, du bist es Anya! Ist mit deinem Schwert alles in Ordnung? Es ist doch nicht kaputt gegangen, oder?“
„Nein, alles in Ordnung, danke.“
„Warum bist du dann hier? Und wer ist das? Dein Freund?“
„Auf gar keinen Fall!“ fauchte Anya und es blitzte gefährlich in ihren Augen.
„Ah... verstehe, nicht dein Freund. Wer bist du?“ wandte die Fremde sich direkt an Naruz und ignorierte Anya.
„Naruz... Inquisitor Naruz, seit heute.“
„Aha! Naruz! Von dir habe ich schon gehört!“ die Fremde sprang förmlich nach vorn, packte Naruz' Hände und schüttelte sie. „Schön dich endlich kennenzulernen, du ahnst gar nicht, wie sehr du mir geholfen hast! Oh! Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Analisa, die Leute hier nennen mich 'die Heilige Schmiedin', einfach weil ich ein wenig bessere Waffen und Rüstungen herstelle als die meisten anderen.“
„Sie untertreibt, und nicht zu wenig.“ schaltete Anya sich ein. „Ihre Waffen sind die besten im gesamten Reich, sie hat zum Beispiel das Schwert des Hochgenerals geschmiedet, das heilige Schwert Excalibur, welches mit einem einzigen Streich einen mächtigen Dämon vernichten kann.“
„Ah, du machst mich ganz verlegen Anya.“ lachte Analisa, und verschränkte ihre Hände hinter ihrem Kopf.
„Wie genau habe ich Euch geholfen, Lady Analisa?“ fragte Naruz, mit einem freundlichen Lächeln. Diese Frau erinnerte ihn von ihrer Art her an Corey, seinen Freund aus Skandia. Er war auch immer bescheiden gewesen, obwohl er für einen Dorfschmied verdammt gute Waffen und Werkzeuge hergestellt hatte.
„Nur Analisa, bitte. Und wie? Du hast diesen Sonjuno getötet, wodurch es mir endlich möglich war, eine Expedition in den alten Tempel der Gaia durchzuführen! Du ahnst gar nicht, was wir gefunden haben! Seltene Metalle und Anleitungen, für neue Kombinationen von Metallen! Und Baupläne für mächtige Waffen, die ich nur aus Legenden kannte!“
„Ähm, ja, gern geschehen.“ meinte Naruz, er hätte nie erwartet, dass die Ruinen sich noch so nützlich für die Kirche erweisen konnten. Das letzte, was er über den Zwischenfall bei den Ruinen gehört hatte, war, was mit den Makar geschehen war. Man hatte sich entschieden, dass Odum und seine Leute Opfer einer Intrige der Alfar waren, und ihnen gestattet, in ihre Heimat zurückzukehren, solange sie auf ihre Ehre schworen, nie wieder gegen die Kirche vorzugehen.
„Also, wenn mit Anyas Schwert alles in Ordnung ist, was führt euch zwei hier her? Einfach ein kleiner Rundgang durch die Stadt?“
„Nicht ganz, wie ich bereits sagte, wurde ich gerade von Großmeister Silberblatt zum Inquisitor ernannt. Leider sind meine Schwerter während des Kampfes mit Sonjuno zerstört worden. Deswegen wollte ich gucken, ob ich hier neue Waffen für mich finden kann.“
„Schwerter? Du kämpft mit mehreren Schwertern?“
„Ja, zwei um genau zu sein, warum? Ähm... Analisa?“ fragte Naruz nervös, als er merkte, dass die Augen der Schmiedin förmlich zu glitzern schienen.
„Zwei Schwerter... hm, gewöhnliche Kurzschwerter? Nein, nein, nicht gut genug, Langschwerter sind ungeeignet... das könnte lustig werden.
„Analisa?“
„Gut! Es ist entschieden, ich werde dir zwei neue Schwerter herstellen!“
„Was? Ich glaube nicht, dass ich genug Geld habe, um dafür zu bezahlen, immerhin seid Ihr eine berühmte Schmiedin.“
„Ach was, du bezahlst nichts. Sieh die Schwerter eher als Bezahlung dafür, dass du mir den Weg in die Ruinen geöffnet hast. Komm mit.“ ohne auf eine Antwort zu warten, packte sie Naruz am Arm und schleifte ihn hinter sich her, bis sie vor einer großen Schmiede zustehen kamen. „Das ist meine Werkstatt... hm... hier und hier.“ meinte sie, und warf Naruz zwei Holzschwerter zu, jedes ungefähr so lang wie Naruz' Unterarm. „Passen die von der Länge her?“
„Was?“
„Passen diese Schwerter von der Länge her? Sind sie zu kurz? Zu lang?“
„Nein, sie sind genau richtig.“ antwortete Naruz, und sah die Schmiedin fragend an. „Was soll...“
„Gut, dann verteidige dich!“ mit diesen Worten schoss die Schmiedin nach vorn, in ihren Händen hielt sie ein Langschwert aus Holz.
„Wie bitte?“ meinte Naruz, und blockte ihren Schlag, in dem er seine beiden Schwerter kreuzte, und die Holzklinge mitten in der Luft aufhielt.
„Ich werde dir neue Waffen herstellen, da muss ich wissen, wie du kämpfst, ansonsten hat es keinen Sinn.“ erklärte Analisa, und schlug erneut nach Naruz, der mit einer schnellen Drehung auswich. In diesem Moment erschien Serif an seiner Seite.
„Ich lasse dich einmal kurz aus den Augen, und schon hast du einen Kampf angefangen, beeindruckend.“
„Ja, ja, halte dich raus.“
„Sicher? Du bist noch immer nicht vollkommen genesen.“
„Ich werde einfach dafür sorgen, dass sie nicht meine Rippen trifft... oder meine Arme... oder Beine.“
„Bleibt also nur der Kopf, nicht, dass es ein Treffer dort großartigen Schaden anrichten würde.“ Naruz ignorierte sein Eidolon, und blockierte den nächsten Schlag von Analisa, ehe er seine zweite Waffe auf ihre Kehle zu schnellen ließ, zu seiner Überraschung gelang es ihr geradeso auszuweichen. Der Schlagabtausch setzte sich ganze zehn Minuten fort, ehe Naruz erschöpft auf ein Knie sank, und zu Analisa hinüber sah, die noch immer vollkommen ausgeruht zu sein schien, sie schwitzte nicht einmal wirklich.
„Für eine Schmiedin, ist sie eine verdammt gute Kämpferin.“ meinte Naruz, an Anya gewandt, die dem Kampf schweigend zusah.
„Ich sagte doch, dass sie das Schwert des Hochgenerals hergestellt hat.“
„Und?“
„Glaubst du, du bist der einzige der gegen sie kämpfen muss, bevor sie ihm eine Waffe herstellt? Sie duelliert sich mit jedem, der eine Waffe von ihr will und das schon seit Jahren, natürlich ist sie im Laufe der Jahre zu einer guten Kämpferin geworden.“
„Also musstest du auch gegen sie kämpfen?“
„J-ja.“ Anya wandte den Blick ab, während sie antwortete, sie hatte keine drei Minuten gegen Analisa bestanden, was sie aber auf keinen Fall zugeben würde. Zumindest nicht vor ihrem neuen Vorgesetzten. Langsam erhob Naruz sich wieder, und raste nach vorn. Er holte mit seiner rechten Klinge zu einem Schlag von oben aus, während die linke Waffe zu einem Stich nach Analisas Brust ansetzte.
„Netter Versuch.“ meinte die Schmiedin mit einem Lächeln, und hob ihr Schwert zur Verteidigung. Naruz war ihr erster Gegner, der mit zwei Schwertern kämpfte, aber sein Kampfstil unterschied sich nicht allzu sehr von denen derjenigen, die lediglich ein Schwert führten. Naruz war noch jung, und nicht allzu kampferfahren, Analisa hatte bereits seine größte Schwachstelle entdeckt, er versuchte sein bestes, mit beiden Waffen anzugreifen, aber er schaffte es nicht ganz, sich auf beide zu konzentrieren, meistens führte er seine Angriffe mit der linken Waffe aus, während die rechte lediglich als Ablenkung diente. Wenn er eine Finte plante, und die Rollen der Waffen umdrehte, warf er immer einen kurzen Blick auf seine rechte Hand, wie um sich vollkommen auf diese Waffe zu konzentrieren, dies war hier nicht der Fall, mit anderen Worten, der Schlag von oben war eine Ablenkung, und würde nur mit wenig Kraft geführt werden, während der Stich der eigentliche Angriff war. Schnell drehte Analisa sich zur Seite um dem Stich zu entgehen, während das erhobene Schwert den Schlag von oben blockierte. Sofort drehte sie sich um, und wollte das Duell mit einem Schlag in Naruz' Rücken beenden, der Botschafter war jedoch nicht mehr da. Stattdessen merkte sie, wie sich eines der Holzschwerter auf ihre Kehle legte, während das andere von hinten gegen ihre Schulter drückte. Seufzend ließ Analisa ihr Schwert fallen. „Gut, ich habe mir ein Bild von deinem Kampfstil gemacht, ich werde dir Klingen herstellen, die perfekt zu dir passen.“ sagte sie, nachdem Naruz sich von ihr entfernt, und die Holzschwerter auf eine nahe Werkbank gelegt hatte.
„Freut mich, das zu hören.“ meinte Naruz erschöpft, während er sich an der Wand der Werkstatt niedersinken ließ.
„Naruz, ist mit Euch... ist mit dir alles in Ordnung?“ fragte Anya, als sie zu ihm hinüber ging, und sah leicht besorgt aus.
„Ah ja, kämpfen ist nur so anstrengend, du brauchst dir keine Sorgen machen.“
„Würde mir nicht einmal im Traum einfallen, aber wenn dir etwas passiert wäre, während ich mit dir unterwegs bin, hätte Silberblatt dafür gesorgt, dass ich nie wieder etwas anderes mache, als in einer Bäckerei Wache zu stehen.“
„Natürlich.“ antwortete Naruz, mit einem Lächeln, und richtete sich wieder auf. „Ich danke Euch dafür, Analisa, dass Ihr mir meine Waffen schmieden werdet. Ich werde mein... Großmeister Silberblatt nannte es 'Hauptquartier', in der Villa der Bladelli haben, schickt einen Boten, solltet Ihr noch Fragen an mich haben, oder wenn die Waffen fertig sind.“
„Wird gemacht, Inquisitor!“ Analisa salutierte, während sie dies sagte, und ging dann ohne Umschweife direkt zu ihrer Werkstatt. „Dann entschuldigt mich jetzt, ich muss gucken, welche Materialien am geeignetsten sind.“
„Wollen wir dann zurück zur Villa gehen?“ fragte Naruz, an Anya gewandt.
„Ja, natürlich... aber wolltest du nicht noch nach einem Lehrer suchen.“ Als Naruz, anstatt zu antworten lediglich lächelte, bekam Anya ein schlechtes Gefühl, und betete, dass er nicht das vorhatte, was sie glaubte.
Ein wenig später betraten sie die Villa der Bladelli, und wurden von einer Schar von Dienern und Mägden begrüßt, die Anya besorgt ansahen.
„Was ist los?“ fragte die Templerin. „Hat... war Aynaeth wieder in der Küche?“ fragte sie besorgt, und erinnerte sich an das Chaos, welches der Apfelkuchen der Hexe hinterlassen hatte.
„Nein, Herrin... aber die Küche ist Teil unseres Problems. Lady Aynaeth hat die Bibliothek okkupiert.“
„Bitte was?“
„Ihr habt richtig gehört, okkupiert. Kurz nachdem Ihr heute Morgen mit Sir Naruz verschwunden wart, hat sie sich mit einer Decke und einem Kissen in die Bibliothek begeben, und sämtliche Diener rausgeschmissen. Sie hat uns verboten, die Bibliothek zu betreten und gedroht, uns alle in kleine Aschehäufchen zu verwandeln, wenn wir in ihre Nähe kommen.“
„Diese verrückte, exzentrische... Naruz! Wo willst du hin?“ entfuhr es Anya, als Naruz einfach an ihr vorbei ging.
„Zur Bibliothek natürlich, ich muss mit Aynaeth reden.“
„Warte auf mich, ich muss auch ein Wörtchen mit ihr reden.“ meinte Anya und folgte Naruz in Richtung Bibliothek. Kurz vor der Tür blieb sie stehen und wandte sich an die Dienerschaft. „Geht euren Aufgaben nach, wir kümmern uns um Aynaeth.“ Naruz war bereits in der Bibliothek und sah sich suchend um. Überall lagen Bücher und Schriftrollen verstreut, aber von der Hexe war keine Spur zu sehen.
„Hm, wo ist sie? Hat sie die Bibliothek doch wieder verlassen?“ fragte Naruz, während er sich an einem Tisch in der Mitte des Raumes niederließ und seinen Blick über die Bücher schweifen ließ, die hier lagen.
„Wer weiß schon, was in ihrem Kopf vorgeht.“ seufzte Anya und ging zu einem Regal, vor dem ein wahrer Berg aus Büchern lag.
„Ah, Anya schön dich mal wieder zu sehen.“ ertönte eine Stimme hinter Naruz, woraufhin dieser sich umdrehte und erstarrte. Vor ihm in der Luft flog ein kleiner Drache, der ihn aus großen, neugierigen Augen ansah. „Und das muss der neue Botschafter sein... ah, Serif! Lange nicht mehr gesehen!“ entfuhr es dem Drachen, als er Naruz' Eidolon bemerkte, und flatterte zu ihm hinüber.
„Oh, es ist wirklich eine Weile her... Naruz? Das ist Grimm 'Der Rasende Drache', er ist auch ein Eidolon.“
„Erfreut dich kennenzulernen, Naruz.“ meinte der Drache. „Ich bin Aynaeths Eidolon, und eines Tages werde ich ein großer, mächtiger...“
„Wo ist eigentlich deine Partnerin?“ fragte Serif und würgte den Drachen ab.
„Ach ja, da.“ meinte Grimm, und deutete auf den Bücherhügel, vor Anya.
„Was?“ fragte die Templerin verwirrt, und hob eines der Bücher an, woraufhin ihr Blick auf das schlafende Gesicht der Hexe fiel, die plötzlich blinzelte und die Augen öffnete.
„Hallo Anya, ist es schon Zeit zum essen?“
„Würdest du mir bitte erklären, warum du die Diener aus der Bibliothek gejagt hast?“
„Ich habe dir doch gesagt, ich will keine Diener in meinem Zimmer haben.“
„Dein Zimmer ist in der zweiten Etage.“
„War. Jetzt ist mein Zimmer hier, meine Messungen haben es ergeben.“
„Was für Messungen?“
„Ich spare jeden Tag drei Stunden, die ich auf dem Weg zur Küche verschwenden würde, wenn ich hier wohne, also ist es jetzt mein Zimmer.“
„Kommt überhaupt nicht in Frage! Diese Bibliothek ist für alle Bewohner der Villa da! Und was meinst du mit 'drei Stunden'?“
„Plus minus vierzig Minuten, um genau zu sein.“
„Erstens, ist das überhaupt nicht genau, und zweitens, ist dein Zimmer gerademal drei Minuten von der Küche entfernt!“
„Vorausgesetzt, man verläuft sich nicht auf dem Weg.“
„Wie schaffst du das? Du wohnst seit über einem Jahr hier! Du solltest den Weg schon längst kennen! Wir haben Diener hier, die nicht einmal halb so lange hier waren wie du, und die finden sich auch zurecht! Wie auch immer, du kriegst nicht die Bibliothek!“
„Du bist gemein.“ murmelte Aynaeth, während sie sich endgültig aufrichtete, und dabei die Bücher von sich schüttelte. Naruz wandte schnell den Blick ab, als er merkte, dass die Hexe lediglich ein Nachthemd trug, diese schien seine Anwesenheit jedoch vollkommen zu ignorieren, streifte das Kleidungsstück ab, und schleuderte es irgendwo hin. Naruz drehte den Rücken zu ihr und vertiefte sich in ein Gespräch mit Serif und Grimm, während Aynaeth durchs Zimmer stolperte und ihre Robe suchte. „Anya? Hast du meine Robe gesehen?“
„Ja, sie liegt direkt neben dem Bücherhaufen, unter dem du begraben warst.“
„Ah, Tatsache.“
„Wie fühlt es sich eigentlich an, ein Drache zu sein und Feuer zu spucken?“ fragte Naruz gerade an Grimm gewandt, als Aynaeth vor ihm auftauchte und Grimm packte. Inzwischen trug sie wieder eine Robe, auch wenn diese vollkommen anders aussah als die, die sie bisher angehabt hatte.
„Grimm ist kein Drache.“ meinte sie, während sie Grimm in den Arm nahm, und an ihre Brust drückte.
„Was? Aber sein Titel ist doch 'Der Rasende Drache', oder nicht?“
„Das ist egal, Grimm ist kein Drache, guck ihn dir doch einmal an.“ meinte sie, und hielt Grimm direkt vor Naruz' Gesicht, während ihre Augen Naruz auffordernd anstarrten. „Er ist viel zu klein und zierlich um ein Drache zu sein, er ist eine Flugechse.“ Bei diesen Worten der Hexe verschwand der fröhliche Gesichtsausdruck, den der Drache bisher aufgesetzt hatte, und wich einer äußerst deprimierten Miene.
„Nicht schon wieder, Aynaeth! Ich bin ein Drache! Ich bin ein Drache! Drache, Drache, Drache!“
„Ist er nicht niedlich?“ fragte Aynaeth, und ignorierte Grimm, der versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien. „Ich hasse Drachen, aber ich mag Grimm, also kann Grimm kein Drache sein.“ kommentierte sie, ehe sie den Drachen wieder an sich drückte.
„Eine unerschütterliche Logik.“ meinte Naruz lachend. „Ich habe aber etwas, um das ich dich bitten will, Aynaeth.“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Ich bin nun ein Mitglied der Inquisition, allerdings muss ich gestehen, dass ich ein totaler Anfänger bin, wenn es um den Gebrauch von Magie geht, und ich habe auch keine Ahnung, wie ich verhindern kann, eines Tages zu einem Dämon zu werden. Also dachte ich mir, dass du als mächtigste, lebende Hexe, und erfahrene Botschafterin der Gaia, mir helfen könntest. Ich möchte dich darum bitten, meine Lehrerin zu werden.“
„Was?!“ entfuhr es Grimm, Serif und Anya gleichzeitig. Die Templerin hatte so etwas schon befürchtet, aber trotzdem konnte sie nicht glauben, dass Naruz die Hexe um Hilfe bat. Serif war überrascht, weil er nie erwartet hätte, dass Naruz sein Training und seine Ausbildung wirklich ernst nehmen würde, und Grimm, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass jemand tatsächlich dachte, dass seine Herrin irgendjemandem etwas beibringen konnte.
„Nein.“ lautete die sofortige Antwort der Hexe. „Das wäre viel zu anstrengend, und ich habe wichtigeres zu tun.“ Gerade als Aynaeth sich abwenden wollte, bemerkte sie das hinterhältige Lächeln in Naruz' Gesicht, und hielt inne. „Dein Lächeln sagt mir, dass du mich davon überzeugen kannst, dich zu unterrichten.“
„Ganz genau.“
„Und wie willst du das schaffen? Mich zu einem Duell herausfordern?“
„Nein, nein, ich hätte nicht den Hauch einer Chance, gegen eine Hexe.“
„Wie willst du es sonst schaffen mich zu überzeugen?“
„Ich bin jetzt ein Inquisitor.“
„So viel habe ich schon mitbekommen.“
„Anya ist meine Untergebene, und diese Villa wurde zu meinem Hauptquartier gemacht.“
„Und weiter?“
„Ich kann Anya befehlen, dir diese Bibliothek zu überlassen.“
„D-das würdest du wirklich tun?“ fragte die Hexe, mit großen Augen.
„Natürlich, es wäre wirklich einfacher, hier zu wohnen, man würde Energie sparen, da alle wichtigen Räumlichkeiten direkt in der Nähe liegen, nicht nur die Küche. Von der Bibliothek aus ist auch der Weg zum Eingang am kürzesten, und ein Bad ist auch direkt in der Nähe, außerdem ist es näher an den Räumlichkeiten der Diener, falls man mal ihre Hilfe braucht, muss man nicht so lange auf sie warten.“ Alle Anwesenden starrten Naruz ungläubig an, alle außer Aynaeth, die ihn aus großen, aufgerissenen Augen geradezu anzufunkeln schien.
„Ein Seelenverwandter!“ brach es aus ihr hervor, und sie wischte sich eine nicht existente Träne aus dem Augenwinkel. „Endlich jemand, der mich versteht! Lass uns sofort mit deiner Ausbildung anfangen!“
„Moment, was?“ entfuhr es Anya, die ganze Sache ging ihr gerade zu schnell. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dem zugestimmt zu haben!“
„Anya?“
„Ja, Naruz?“
„Es ist ein Befehl deines Vorgesetzten, die Bibliothek wird fortan Aynaeth gehören, und jeder der hinein will, muss ihre Erlaubnis haben.“ meinte Naruz mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht, welches jedoch gleichzeitig sagte, dass er es vollkommen ernst meinte.
„Womit habe ich das verdient?“ Anya fasste sich an die Stirn, und wandte sich von den anderen ab. „Ich werde die Diener von der Situation unterrichten, und ihnen sagen, dass sie sich, wenn es geht, von der Bibliothek fernhalten sollen.“
„Und dass sie mir ein Bett hier her bringen sollen.“ fügte Aynaeth hinzu, woraufhin Anya sich ungläubig zu ihr umdrehte. „Das war ein Scherz.“
„Gut, ich wollte schon sagen...“
„Immerhin kann ich mir jederzeit mit meinen Grimoiren ein Bett holen, ich bin mir sicher, wenn ich die richtigen Luftmagie Grimoire verbinde, kann ich das Bett...“
„Wenn ich es mir recht überlege... lass mich kurz mit den Dienern reden, und sehen was sich wegen dem Bett machen lässt.“

Eine Woche später stand Naruz an eine Säule des Marktplatzes gelehnt, und starrte in den Himmel, während er wartete. Er trug eine leichte, rote Rüstung mit verzierten Schulterstücken, an denen das Symbol der Bladelli Familie zu sehen war, dazu eine weiße Hose und rote Stiefel. Während er wartete, dachte er an die letzten Tage zurück. Seine Ausbildung bei Aynaeth verlief nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hatte. Anstatt ihm etwas über Magie beizubringen, oder ihm zu sagen, wie er verhindern konnte zu einem Dämon zu werden, hatte sie ihm alles mögliche und wissenswerte über die Welt erzählt. Sie meinte, es sei äußerst wichtig für einen Inquisitor alles über die Welt zu wissen, dass es zu wissen gibt. Zumindest konnte Naruz sich dank ihren Erklärungen aus einer Sache einen Reim machen, und zwar aus dem seltsamen Mann, dem er und Aleyandra im Lager der Piraten begegnet waren. Nach allem, was Aynaeth ihm erzählt hatte, hegte Naruz keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei ihm um einen Alfar handelte. Laut Aynaeth waren die Alfar die einzige Rasse auf der Welt, die Magie mit Hilfe einer gesprochenen Formel wirkte, wenn man von der Lichtmagie der Kirche absah, welche mit Hilfe einer Art Gebet gewirkt wurde. Außerdem hegte Naruz die Hoffnung, dass die Hexe ihm mit dem Kristall aus der Truhe helfen konnte. Nachdem er ihr den Gegenstand gezeigt, und ihr alles gesagt hatte, was er von Cyril darüber wusste, war sie regelrecht begeistert gewesen, und meinte, sie würde den Kristall umgehend untersuchen, was Naruz ein paar freie Tage beschert hatte. Gut, eigentlich hätte er sich jederzeit frei nehmen können, Aynaeth hätte es nicht gestört, aber Anya wäre wohl alles andere als zufrieden gewesen, wenn er einfach so faulenzen würde. Überhaupt schien die Templerin in letzter Zeit ziemlich aggressiv zu sein, es schien ihr überhaupt nicht zu gefallen, dass er die Bibliothek ihrer Familie praktisch verschenkt hatte, aber darüber konnte er sich auch noch später Sorgen machen. Vorgestern hatte er Aleyandra bei ihrem Training besucht und ihr ein wenig zugeguckt. Sie schien wirklich Fortschritte zu machen, so weit Naruz es beurteilen konnte bewegte sie sich bereits viel schneller und geschickter als noch in Helonia. Während einer kurzen Pause waren sie ins Gespräch gekommen, und Naruz hatte ihr erzählt, dass er von Silberblatt in den Rang eines Inquisitors erhoben wurde. Aleyandra hatte ihm dann gesagt, dass sie bald einen freien Abend haben würde, als 'Belohnung' für ihre Fortschritte im Training, also hatten sie sich für den heutigen Tag verabredet, sie wollten sich gegen Abend am Marktplatz treffen, nahe des Militärbezirks. Naruz' Blick glitt zu seinem Rucksack, den er neben sich abgestellt hatte, er war sich noch immer nicht sicher, wie Aleyandra darauf reagieren würde, aber er hoffte, dass es ihr gefallen würde. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, kam Aleyandra aus einer nahen Seitenstraße und winkte ihm zu, woraufhin er sie mit einem Lächeln begrüßte und auf sie zu ging.
„Tut mir leid, das Training hat ein wenig länger gedauert, hast du lange gewartet?“ fragte Aleyandra, und schien ein wenig nervös zu sein. Sie trug den Rock und die Bluse, die sie getragen hatte, als sie ihm auf dem Weg nach Lunarin begegnet war, und es stand ihr ziemlich gut.
„Nein, nein, ich musste vorher noch etwas erledigen.“ log Naruz, um sie zu beruhigen. „Du siehst gut aus.“
„W-was? Oh, danke, du siehst auch gut aus... ich habe dich noch nie in diesen Sachen gesehen, sind die neu?“
„Ja, es wird noch eine Weile dauern, bis meine Robe fertig ist, anscheinend handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Kleidungsstück, sondern um eines, welches mit diversen Zaubern belegt wird, um den Träger zu schützen. Da ich ansonsten nicht allzu viele Sachen habe die meinem neuen Stand... angemessen sind...“ Naruz zog eine Grimasse, als er dies sagte, die deutlich zeigte, was er von der ganzen Sache hielt, wenn es nach ihm ginge, würde er in einfachen Wollhemd und Hose rumlaufen. „... und mein Hauptquartier in der Villa der Bladelli ist, meinte Paolo Bladelli, Anyas Großvater, dass es seine Pflicht ist, mich 'ansehnlich' zu machen, weshalb er mir diese... Rüstung? Uniform? Wie auch immer, er hat sie mir machen lassen, wofür ich ihm ziemlich dankbar bin, um ehrlich zu sein, es ist bequem und sieht ganz nett aus.“
„Dein Hauptquartier ist in Anyas Villa?“ entfuhr es Aleyandra schockiert, woraufhin Naruz sie überrascht ansah.
„Ja, ist es. Anya ist außerdem meine Stellvertreterin, Großmeister Silberblatt hat es so entschieden, erzählt er dir denn gar nichts?“
„Nein, ich wusste davon nichts... generell sagt er kaum etwas, außer es hat mit dem Training zu tun.“
„Wie dem auch sei, wir sind ja nicht hier, um uns über unser Training zu beschweren, lass uns ein wenig über den Marktplatz gehen, ich war zwar schon einmal hier, aber ich hatte noch keine Zeit, um mir alles anzusehen, dir geht es bestimmt genau so, immerhin hast du ständig Training.“ mit diesen Worten hob Naruz seinen Rucksack auf, während Aleyandra seinen Arm packte, und ihren Kopf an seine Schulter lehnte.
„Gut, dann lass uns gehen.“ meinte sie, mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Zusammen gingen die beiden eine Weile über den Marktplatz, und hielten an einigen Ständen an, darunter an einem Stand, wo tatsächlich Haustiere verkauft wurden. Aleyandra beugte sich hinab, und streichelte ein kleines Kätzchen, dass in seinem Käfig hockte, und die Botschafterin aus großen, neugierigen Augen anstarrte.
„Ihr mögt Katzen?“ fragte der Verkäufer, freundlich an Aleyandra gewandt, während Naruz ein wenig Abstand hielt und sie dabei beobachtete, wie sie mit der Katze spielte.
„Ja, ich finde sie unglaublich niedlich.“ antwortete Aleyandra, mit einem Nicken.
„Wie wäre es, wenn ich Euch einen kleinen Rabatt gebe? Es ist selten, dass hier jemand kommt der...“
„Leider muss ich ablehnen, ich habe keine Zeit mich um ein Haustier zu kümmern.“ unterbrach Aleyandra den Mann, mit einem leicht enttäuschten Unterton in der Stimme.
„Oh, ich verstehe. Nun gut, solltet Ihr es Euch jemals anders überlegen, Ihr wisst wo Ihr mich finden könnt!“ Kurze Zeit später verabschiedete Aleyandra sich vom Verkäufer, und vom Kätzchen, und ging zusammen mit Naruz weiter. Nach einer Weile saßen die beiden vor einem Gasthaus und aßen zu Abend, auch wenn Naruz eher damit beschäftigt war Aleyandra beim Essen zuzusehen, sie sah einfach unglaublich niedlich aus, während sie versuchte ihr Gericht mit zwei Stäbchen zu essen, die sie an Stelle einer Gabel und eines Messers dazu bekommen hatte, anscheinend war es Tradition hier in Navea so zu essen. Naruz hatte damit keinerlei Probleme, bei ihm zuhause hatten sie immer so gegessen, seine Mutter stammte aus Navea, so weit er wusste, auch wenn sie angeblich ihr ganzes Leben in Skandia verbracht hatte, vermutlich hatte sie es einfach von ihren Eltern übernommen. Zwar wurde nie viel über seine Großeltern gesprochen, aber Naruz wusste, dass sie ihr ganzes Leben in Navea gelebt hatten, zumindest mütterlicherseits. Nach einer Weile erbarmte Naruz sich Aleyandra, und zeigte ihr, wie genau sie die Stäbchen halten musste, wodurch es ihr immerhin gelang langsam aber sicher die Nahrung in ihren Mund zu bringen. Nach einer Weile legte sie die Stäbchen zur Seite und trank einen Schluck Wasser, dass sie sich zum Essen bestellt hatte, Silberblatt wäre sicherlich nicht begeistert, wenn sie Wein trank, oder Bier, wie Naruz.
„Ähm, bist du dir eigentlich sicher, dass du das alles bezahlen kannst?“ fragte Aleyandra nervös, als auch Naruz fertig war. Die Preise hier waren recht hoch gewesen, zumindest verglichen mit dem, was sie gewohnt war.
„Natürlich.“ meinte Naruz, und ließ einen schweren Geldbeutel auf den Tisch fallen. „Aynaeth hat während ihren Nachforschungen...“
„Wer ist Aynaeth?“ fuhr Aleyandra dazwischen, und senkte sofort den Blick, während sie leicht rot anlief. „Entschuldigung, ich wollte dich nicht unterbrechen, ich war nur... ähm, neugierig.“
„Kein Problem.“ antwortete Naruz, und lächelte sie freundlich an, woraufhin sie sich beruhigte. „Aynaeth ist meine Lehrerin, sie ist die Hexe, der wir nahe Helonia begegnet sind, falls du dich an sie erinnerst.“
„Ah... ja, ich kann mich daran erinnern. Moment, sie ist kein Feind?“
„Anscheinend nicht, sie bildet mich jedenfalls aus, nebenbei stellt sie alle möglichen Nachforschungen an. Und während einer hat sie etwas herausgefunden, die Kirche hat eine Art Kopfgeld auf alle Dämonen ausgesetzt, die auf Terra wandeln, je mächtiger der Dämon, desto größer die Belohnung. Dieses Kopfgeld galt auch für Sonjuno, weshalb ich vor ein paar Tagen einen Haufen Geld von der Kirche bekommen habe... es ist zwar bei weitem kein Vermögen, aber weit mehr, als ich jemals gehabt habe.“
„Oh? Es gibt also ein Kopfgeld auf Dämonen?“ das musste sie sich merken, wenn es stimmte, gäbe es vielleicht eine Möglichkeit sich ein wenig Geld extra zu verdienen, während ihren Aufträgen.
„Scheint so... ach ja, einen Augenblick.“ meinte Naruz, und wühlte kurz in seinem Rucksack herum, ehe er etwas herauszog und an Aleyandra übergab. Diese nahm es verdutzt an, und betrachtete es genauer, ehe sie merkte, dass es sich um ein Plüschtier in Katzenform handelte. Es hatte weißes Fell und große, violette Augen.
„Das ist für mich?“ fragte sie, und starrte Naruz aus großen Augen an. Dieser nickte.
„Ich musste sofort an dich denken, als ich sie gesehen habe, außerdem wollte ich mich sowieso noch irgendwie dafür bedanken, dass du mir die Stadt gezeigt hast. Gefällt es dir?“ Aleyandra nickte. „Gut, das freut mich.“ meinte Naruz erleichtert, er war sich nicht sicher gewesen, was Aleyandra von einem Plüschtier als Geschenk halten würde, aber wenn es ihr gefiel, war ja alles in Ordnung. Ein wenig später verließen sie das Gasthaus und machten sich auf dem Heimweg. Gut gelaunt gingen sie nebeneinander her zur Villa, während sie sich unterhielten. Aleyandra drückte die ganze Zeit über die Stoffkatze an sich, als wäre es der wertvollste Schatz der Welt. Als sie den Eingang des Anwesens erreichten, öffnete er ihr die Tür und Aleyandra huschte an ihm vorbei. Silberblatt würde sie sicher nicht gleich umbringen, nur weil sie einmal ihr Abendgebet verpasste. Plötzlich fuhr Naruz nervös herum und starrte stirnrunzelnd in die dunkel werdenden Gassen und Straßen hinter sich. Er hatte irgendwie das Gefühl beobachtet zu werden, als er aber nach einer Weile niemanden sah, zuckte er kurz mit den Schultern, und betrat hinter ihr die Villa.
Nicht allzu weit entfernt starrte ein Paar goldener Augen aus einer dunklen Gasse, direkt in Richtung Villa der Bladelli. Eine Kapuze bedeckte den Kopf der Gestalt, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie beobachtete, wie der junge Mann die Villa betrat.
„Bruder.“ ertönte ein Flüstern hinter der Gestalt, woraufhin sie sich umdrehte. Vor ihr kniete eine weitere Gestalt, weiblich, die ebenfalls eine Kapuze trug.
„Hast du getan, worum ich dich gebeten habe?“
„Ja, Bruder. Sein Name ist Naruz, und er kommt aus Skandia... er könnte es sein... vielleicht.“
„Vielleicht ist nicht gut genug!“ zischte die Gestalt, woraufhin die andere, allem Anschein nach die Schwester, zusammen zuckte. „Aber trotzdem gute Arbeit.“ fügte der Bruder mit freundlicher Stimme hinzu, woraufhin die andere Gestalt sich erhob und ihn anlächelte.
„Ich bin Eures Danks nicht würdig, Bruder.“
„Sag so etwas nicht, du bist der Stolz unserer Familie, eines Tages wirst du mich übertreffen, dessen bin ich mir sicher.“ flüsterte er, und strich ihr kurz über die Wange. „Gehe nach Skandia, stelle dort deine Nachforschungen an... unauffällig und vor allem ohne Tote, Tote sorgen immer für Fragen, und ich kann keine Fragen gebrauchen.“
„Natürlich, Bruder. Was werdet Ihr tun?“
„Ich werde hier ein wenig herumstöbern, mal sehen was ich herausfinden kann. Solltest du in Skandia nichts genaues finden gehe nach Helonia und Lunarin, wenn es sein muss auch in die Ruinen, überall, wo er war, ich muss es genau wissen.“
„Jawohl, Bruder.“ lautete die Antwort, und die Gestalt verbeugte sich erneut.
„Dann gehe jetzt, Ruhm und Ehre für den Blutenden Turm...“
„... unser Leben für die Herrin und den Drachen der Endzeit.“