[AAR] Kawaii Kingdom

Die AAR der phantastischen Art...

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Kawaii Kingdom Popularity Poll! Wer ist euer Lieblingscharakter in Kawaii Kingdom (Keine Eidolons)?

Aleyandra
2
18%
Aynaeth
2
18%
Anya
1
9%
Naruz
1
9%
Saeca
2
18%
Silberblatt
3
27%
Luca
0
Keine Stimmen
 
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Vanidar
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 27. Juli 2014 01:29

30. Gott ich bin so müde... (Öffnen)
30. Gott ich bin so müde...


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Es gab kein wirkliches Kleid und das hier ist immerhin teilweise schwarz.

Es war lange her, das Silberblatt sich so unwohl in seiner Haut gefühlt hatte. Er verstand noch immer nicht, wie es seiner Verlobten gelungen war ihn zu diesem Schwachsinn zu überreden. Normalerweise würde er so etwas niemals tun, aber irgendetwas an ihr, hatte ihn davor gewarnt lieber nicht zu widersprechen und einfach zu machen was sie wollte, immerhin behandelte er sie schon schlecht genug. Wenn er weiterhin versuchte sie zu ignorieren, würde sie vielleicht noch die Hochzeit absagen und das konnte er im Moment am aller wenigsten gebrauchen. Nach ihrer Vermählung konnte er wieder damit beginnen ihre Existenz auszublenden, die Akashi besaßen einige hübsche, abgeschiedene Anwesen auf dem Land, weit, weit im Süden des Kirchenstaates, dort würde es ihr sicherlich gefallen. Aber im Moment war er leider noch dazu gezwungen ihr ab und zu einen Wunsch zu erfüllen, leider. Der deprimierte Großmeister stand vor der Tür zur Villa der Bladelli und wartete und wartete. Er hasste die Sachen die Lyaena ihm aufgedrückt hatte, eine eng sitzende, viel zu abschnürende weiß-rote Uniform, die er am liebsten in der Luft zerreißen würde. Neben ihm zappelte Teleya unruhig in einem blauen Kleid umher und verfluchte ebenfalls, dass ihre Schwester sie dazu gezwungen hatte das unbequeme Kleid anzuziehen, anstatt irgendetwas einfaches. Lyaena war in ihrem schwarzen Kleid als einzige von ihnen gut gelaunt und fröhlich, kein Wunder, immerhin war das ganze hier ihre Idee. Sie sollten mit Paolo Bladelli und seiner Enkelin zu Abend Essen und zwar in deren Villa, also das was Teregion eher als Feindesland betrachtete. Seine Verlobte schien sich wirklich Mühe geben zu wollen, um irgendwie den Frieden zwischen ihren Familien zu wahren, wenn nötig auch auf Kosten seiner Nerven. Sie freute sich außerdem über die Gelegenheit endlich einmal mit ihrem Verlobten auszugehen, in Gedanken versuchte sie nämlich sich selbst das ganze irgendwie als romantisches Abendessen zu Zweit mit Teregion zu verkaufen, was bisher so mittel gut funktionierte. Lyaena räusperte sich kurz und wandte sich an ihre beiden Begleiter, um sie noch einmal daran zu erinnern, dass sie sich benehmen sollten.
„Es sind noch andere Gäste eingeladen, da neben Paolo und seiner Enkelin auch noch einige andere Leute in dem Anwesen leben. Wir werden mit ihnen zusammen essen, uns nett unterhalten, ein paar Höflichkeiten austauschen und am Ende sicher erkennen, dass unsere Familien sich nicht gegenseitig an die Kehle gehen müssen. Und vergesst nicht euch heute beide von eurer besten Seite zu zeigen. Wir wollen den Bladelli nicht noch mehr Grund geben uns zu hassen. Habt ihr beide das verstanden?“ kurz flackerte ihr fröhliches Lächeln und sie warf ihrem Verlobten einen schnellen, besorgten Blick zu, er könnte alles nur noch schlimmer machen wenn er die Bladelli zu nervig fand und alles ruinieren. Sie wusste nicht was mit ihm los war, früher hatte er sich nie so missmutig und genervt verhalten, sondern war immer freundlich und liebevoll zu ihr gewesen, aber anscheinend hatte die kleine Pause ihrer Beziehung nicht gut getan. Andererseits hatte er sie vor der Pause betrogen und das gut hinter seinem Lächeln verborgen, vielleicht war es also ein ganz gutes Zeichen, das er so miese Laune hatte, immerhin schien er keine Geliebte zu haben die seine Laune anhob. Trotzdem fiel es ihr schwer seine schlechte Stimmung und Gleichgültigkeit ihr gegenüber als gutes Zeichen zu sehen. „Das gilt vor allem für dich, Teregion. Teleya weiß das sie nichts anstellen soll, aber bei dir bin ich mir da nicht so sicher. Wir können keinen Streit gebrauchen, also bitte, sei freundlich. Versuch einfach ab und zu ein bisschen zu lächeln und sag irgendetwas nettes über das Essen...“
„Können wir nicht einfach wieder gehen?“ unterbrach sie Silberblatt und klang dabei fast schon ein bisschen wie ein quengelndes Kleinkind. So verhielt er sich jetzt schon den ganzen Tag und auch wenn er wusste das sein Verhalten nicht unbedingt besonders angebracht und würdevoll war, hatte er doch gehofft damit irgendwie noch diesen Besuch zu verhindern. Das letzte was er wollte, war mit seinen Erzfeinden an einem Tisch zu sitzen und sich verstellen zu müssen. Wenn es nach ihm ging, könnte der unbekannte Mörder ruhig die ganze verfluchte Bande ausrotten und die Bladelli aus der Stadt jagen, aber leider würde er auch von der Ruhe profitieren. Er brauchte seine Kinder Gaias wieder in der Stadt und dafür musste Luca verschwinden oder zumindest ruhig gestellt werden. „Ich bin sicher die Bladelli haben sowieso schon vergessen das wir kommen wollten, also was solls?“
„Nein können wir nicht und ich bin sicher sie erwarten uns, immerhin habe ich persönlich mit Paolo darüber gesprochen. Eigentlich wollte ich mich nur bei seiner Enkelin für die Rettung von Teleya bedanken, aber er hat uns zum Essen eingeladen, um unsere Differenzen endlich beizulegen. Er findet diesen Kleinkrieg genauso lächerlich wie ich und genau deswegen, wirst du jetzt auch nicht einfach abhauen, Teregion. Interessiert es dich denn gar nicht das unschuldige Menschen aus unseren beiden Familien sinnlos sterben, nur weil anscheinend irgendein Wahnsinniger durch die Straßen läuft und in unserem Namen Leute ermordet?“
„Nicht wirklich, es ist mir ehrlich gesagt sogar ziemlich egal. Sollen Akashi und Bladelli sich meinetwegen gegenseitig die Schädel einschlagen, wen kümmert das schon?“
„Mich und dich sollte es genauso beschäftigen! Vier Akashi und sechs Bladelli sind bereits tot! Es wird noch mehr Tote geben, wenn wir uns nicht mit den Bladelli versöhnen. Es ist unsere Pflicht diesen Streit zu beenden, immerhin sind wir beide die Erben unserer Familie.“ versuchte Lyaena irgendwie an sein Pflichtgefühl gegenüber den Akashi zu appellieren. Sie beide konnten sich nicht von ihren unsinnigen Gefühlen leiten lassen, sondern mussten tun was am besten für ihre Familie war, das würde Teregion früher oder später schon noch verstehen. Es konnten Hunderte Leben an ihren Entscheidungen und Handlungen hängen, er konnte das nicht einfach so ignorieren, sondern musste sich endlich so verhalten wie es von ihm erwartet wurde. Lyaena gelang es immerhin auch, selbst wenn sie sich manchmal die Zeit auf dem Anwesen im Süden zurückwünschte, als sie noch nichts mit irgendwelchen Fehden und Kriegen zu tun haben musste und Silberblatt noch nicht existierte, sondern nur Teregion. Dabei fiel ihr ein, das sie ihn nie wirklich gefragt hatte warum er diesen Namen trug seit er damals der Inquisition beigetreten war, aber im Moment war dafür auch nicht der richtige Zeitpunkt. „Eines Tages werden wir die größte, reichste und mächtigste Familie des ganzen Landes befehligen und dann müssen wir in der Lage sein mit solchen Krisen umzugehen, um das Leben unserer Verwandten und die Ehre unserer Familie zu verteidigen und zu bewahren.“
„Darüber kann ich mir auch noch Gedanken machen, sobald ich das Oberhaupt der Familie bin, bis dahin, kann dein Vater sich um diesen albernen Kinderkram kümmern. Soll er die Familienehre verteidigen und mit Paolo zur Versöhnung einen trinken gehen. Warum muss ich hier sein? Wir könnten einfach auf ihn warten, dann löst sich das ganze Problem von alleine.“
„Vater war, abgesehen von einigen sehr kurzen Besuchen auf unserem Landgut, schon seit Jahren nicht mehr hier im Süden und schon gar nicht in Navea. Ich kann mich gar nicht daran erinnern wann er das letzte mal in der Hauptstadt war, immerhin muss er im Norden Krieg führen.“ erinnerte Lyaena ihn daran, dass Kyosuke Akashi an der Grenze zur Republik der Alfar eine eigene kleine Armee aus Akashi und Gefolgsleuten der Akashi anführte. Er würde in zwei oder drei Monaten von seinem Posten zurücktreten und nach Navea kommen, um bei ihrer Hochzeit anwesend zu sein. Was er danach machen wollte, hatte er noch niemanden gesagt, aber es schien so als würde er sich bald in den Ruhestand zurückziehen. Er war noch nicht sehr alt, aber die Kämpfe für die Kirche hatten ihn schneller altern lassen als gut für ihn war, die einzigartige Magie ihrer Familie laugte ihn aus, vor allem, da sie in ihm besonders stark war. Vermutlich würde er bereits kurz nach der Hochzeit Lyaena und Teregion die Kontrolle über die Familie überlassen und nur noch aus dem Hintergrund heraus agieren wenn sie seine Hilfe brauchten. Das Kommando über die Armee der Akashi übernahm dann vermutlich Teregion, falls er es wollte, was Lyaena bezweifelte. Ihr Verlobter hing viel zu sehr an seinen Kindern Gaias um sie gegen eine Streitmacht aus Akashi einzutauchen, also blieb es vermutlich an irgendeinem Cousin von ihnen hängen sich mit den Alfar zu schlagen. Wie auch immer, Fakt war, das Kyosuke sicher nicht wegen so einer albernen Fehde früher von der Front verschwand und in drei Monaten konnte noch sehr viel passieren. Sie mussten jetzt handeln und nicht auf ihn warten, nach der Hochzeit würden sie sowieso alleine mit solchen Problemen umgehen müssen, also konnten sie schon einmal anfangen zu üben. „
„Das ganze ist trotzdem so ein sinnloser Schwachsinn...“ brummte Silberblatt ungehalten und steckte Teleya langsam mit seinem Unwillen an, das Mädchen wurde nämlich immer unruhiger und schien kurz davor zu stehen sich auf seine Seite zu schlagen. Sie freute sich zwar auf den Besuch bei Anya und ihrem Team, aber sie wollte auch gerne auf seiner Seite stehen und wenn er nicht gehen wollte, dann wollte sie auch nicht, so einfach war das.
„Bitte, Teregion, du würdest mir einen großen Gefallen tun wenn du dich benimmst. Versuch es wenigstens, für mich. Ich wäre dir sehr dankbar, bitte.“ versuchte Lyaena es erneut und klang dabei fast schon ein wenig verzweifelt, auch wenn sie es teilweise nur spielte. In Wahrheit wurde sie langsam wütend, er konnte sich doch wenigstens einen Abend lang für sie zusammenreißen, oder war sie für ihn nicht einmal so viel wert? Wenn er jetzt nicht nachgab, schwor Lyaena sich, würde sie einfach ohne ihn gehen und noch am gleichen Abend ihre Sachen packen um zu verschwinden. Wenn er es nicht einmal ein paar Stunden in ihrer Nähe aushielt, dann sicher auch nicht für den Rest seines Lebens.
„Meinetwegen, lass uns endlich reingehen, damit wir es hinter uns bringen.“ seufzte Silberblatt und klopfte viel zu laut und fest an die Tür. Er hätte sie am liebsten mit einem einzigen Schlag aus den Angeln gerissen. Bevor Lyaena noch etwas sagen konnte, schwang auch schon die Tür auf und ein Diener ließ sie in die Eingangshalle. Dort wartete bereits Anya Bladelli, gemeinsam mit dem Großteil von Team Mantikor, nur Naruz fehlte, was vor allem Silberblatts Laune tatsächlich ein bisschen hob. Sie alle trugen ihre gewöhnlichen Uniformen, was immerhin schon einmal besser war als die Gäste in Rüstung zu empfangen, aber man konnte Nikodemus und Victoria deutlich ansehen, dass auch sie dieses Treffen für Zeitverschwendung hielten und überhaupt nicht wussten, warum sie überhaupt hier sein sollten. Vermutlich hatte Anya die beiden dazu gezwungen, damit sie die Akashi nicht ganz alleine beschäftigen musste.
„An-chan!“ rief Teleya aufgeregt und sofort huschte die junge Akashi an ihm vorbei und umarmte die Bladelli aufgeregt. Das junge Mädchen hatte sofort ihr unbequemes Kleid vergessen, immerhin konnte sie endlich einmal ihre Retter wiedersehen. Nach einem kurzen Augenblick ließ sie Anya wieder los, um die anderen beiden zu begrüßen, sie schien sich keine Sorgen um die aufkeimende Fehde zwischen ihren Familien zu machen, sondern wirkte vollkommen unbeschwert und sorglos, als wäre sie wirklich unter Freunden und nicht unter potentiellen Feinden.
„Willkommen, im Anwesen der Bladelli Familie und ich freue mich euch zu sehen.“ Anya meinte das sogar ehrlich, da sie Teleya inzwischen sehr gerne mochte, aber trotzdem warf sie kurz einen nervösen Blick zu Silberblatt, der mit ausdrucksloser Miene neben den anderen beiden Akashi stand und keinen besonders fröhlichen Eindruck machte. Sie unterdrückte den Reflex nervös zu schlucken, den sie immer empfand, wenn sie mit dem Großmeister zu tun hatte. Er konnte sie und ihre ganze Familie nicht leiden, umso erstaunlicher war es, dass er tatsächlich gekommen war. Normalerweise tauchte er hier nur auf wenn er unbedingt mit Aynaeth reden wollte, aber vielleicht war dieses Essen ja die perfekte Gelegenheit um zu erfahren warum er ihre Familie überhaupt hasste und vor allem wie sie es schaffte, dass er sie nicht mehr so ansah als würde er sie am liebsten mit einem Zauber in ein Häufchen Asche verwandeln. „Mein Großvater verspätet sich leider etwas, aber er wird bis zum Essen zu uns stoßen. Bis dahin, werde ich euch Gesellschaft leisten.“
„Danke, wir freuen uns sehr hier zu sein und danken den Bladelli für ihre Gastfreundschaft und den herzlichen Empfang.“ sagte Lyaena, und warf Silberblatt einen drängenden Blick zu. Als das alles nichts half, rammte sie ihm kurz den Ellenbogen in die Seite, woraufhin der Großmeister genervt das Gesicht verzog. „Ich sagte, wir sind alle dankbar für die Einladung, auch du, Teregion.“
„Ja...ganz toll. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen als hier zu sein.“ kam nach einer Weile die lahme, gelangweilte Antwort von Silberblatt.
„Am besten ihr folgt mir und...“ Anya versuchte die grummelige Art von Silberblatt zu übergehen, wurde aber sofort unterbrochen als Naleya in die Eingangshalle gestürmt kam, auf ihrer Schulter saß eine kleine, schwarze Eule und sie schien ziemlich aufgebracht zu sein.
„Anya!“ rief Naleya, verstummte aber sofort als sie die drei Akashi sah und ließ rot an „Ähm, ich...hallo...“
„Darf ich vorstellen? Naleya Vaas, aus Vo Astur.“ stellte Anya sie einander vor und warf der angehenden Hexe einen kurzen Blick zu, vermutlich ging es um die Nachspeise die Naleya zubereiten sollte, damit hatte die Vaas immer so ihre Probleme „Sie ist die Schwester der Botschafterin aus der grauen Stadt.“
„Freut mich Euch kennenzulernen, Lady Vaas.“ begrüßte Lyaena sie freundlich, aber erhielt keine Antwort, denn inzwischen lenkte etwas anderes das Mädchen ab. Teleya und Naleya standen sich direkt gegenüber und musterten einander. Teleyas Blick blieb eine ganze Weile an der niedlichen Eule hängen und entschied sich nach einer Weile das andere Mädchen zu mögen, für sie war so etwas sowieso immer ganz einfach und schnell entschieden.
„Mhm...“ kam es nach einer Weile von Naleya, die eine Möglichkeit gekommen sah ihre Erfolgsaussichten in ihrem persönlichen, kleinen Krieg noch zu steigern, denn sie erkannte, dass das andere Mädchen eine angehende Magierin war, auch wenn sie vermutlich noch keine vernünftige Ausbildung durchlaufen hatte „Magst du Schokolade?“
„Ähm, denke schon. Wieso? Hast du welche?“ fragte Teleya naiv nach und rannte damit ahnungslos in die Falle der Hexe, so wie, naja so wie ein Kind halt in die Falle einer Hexe rennt, wenn es um Süßigkeiten und Lebkuchenhäuser ging.
„Nein, natürlich nicht.“ Naleya versuchte sämtliche Überzeugungskraft die sie besaß in die folgenden Worte zu legen, immerhin war das eine einzigartige Gelegenheit in der sie ihre Streitmacht für eine anständige Ernährung verdoppeln konnte. Gemeinsam mit dem blonden Mädchen war sie vielleicht stark genug, um ihre Schwester zu besiegen, zu ihrer eigenen Sicherheit. „Schokolade ist nämlich ein dämonisches, bösartiges Produkt, dessen einziger Sinn und Zweck es ist, die Menschen von Terra von Innen heraus zu zerstören! Dieses süße Zeug macht Menschen davon abhängig, und lässt sie immer dicker, fetter und schwächer werden, bis sie eines Tages kaum noch laufen können!“
„D-das kann nicht wahr sein. Warum...warum sollten die Menschen so etwas furchtbares essen, wenn es sie so sehr kaputt macht?“ Teleya wirkte von einem Moment auf den anderen vollkommen unsicher und verwirrt, ihre ganze Welt wurde gerade auf den Kopf gestellt. Alles was sie jemals für gut und schön gehalten hatte, wirkte auf einmal furchterregend und giftig. Es klang alles einfach so schlimm, dass es wahr sein musste, zumindest für sie.
„Und trotzdem tun sie es, weil sie unendlich gierig sind.“ versicherte Naleya ihr sofort und fuhr eifrig fort, als sie spürte, das sie kurz davor stand das Herz und die Seele des anderen Mädchens für sich und ihre Sache zu gewinnen. „Meine Schwester zum Beispiel, isst nichts anderes als Kuchen und Schokolade, schon seit Jahren! Dadurch ist sie total faul und müde geworden, sie schließt sich in ihrem Zimmer ein, liest Bücher und stopft sich voll. Eines Tages, wird sie der ganze Zucker noch umbringen. Ihr ganzer Körper muss jetzt schon eine einzige Ruine sein! Ich versuche sie zu einer besseren Ernährung zu überreden, aber sie ist sehr listig und hinterhältig und schafft es immer mich zu besiegen. Ihre Gier wird sie eines Tages noch umbringen!“
„W-w-wirklich?“ Teleya starrte sie erschrocken an und hielt sich vor lauter Schreck die Hand vor den Mund, sie kannte bei ihren Reaktionen immer nur Extreme, außerdem war es leicht sie mitzureißen und für den unsinnigsten Kram zu begeistern „Aber das ist schrecklich! Wieso tut sie sich so etwas!? Man muss sie vor sich selbst beschützen! Was passiert wenn ihr etwas zustößt während sie sich weiterhin selbst vergiftet! Wir müssen ihr helfen, sofort! Jemand muss sie vor sich retten!“
„Ganz genau! Davon rede ich doch die ganze Zeit!“ stimmte Naleya in die Begeisterung der Akashi ein und ließ sich davon mitreißen „Aber bisher wollte mir niemand zuhören! Wir müssen etwas unternehmen, oder sie wird daran zugrunde gehen und ich möchte nicht das meine Schwester stirbt!“
„Ich auch nicht, das ist furchtbar! Ich werde dir helfen und dir in deinem Kampf beistehen! Gemeinsam können wir ihr helfen, das weiß ich.“
„W-wirklich? Das würdest du für mich tun?“ Naleya traten Tränen in die Augen, als sie das leidenschaftliche Leuchten in Teleyas Augen sah, sie hatte es geschafft, sie hatte einen wahren Soldaten der vernünftigen Ernährung geschaffen und konnte endlich zurückschlagen.
„Ja!“ rief Teleya begeistert und hatte in ihrer Begeisterung sogar vergessen das sie eigentlich mal die Eule streicheln wollte...was bei ihr beinahe schon an ein Wunder grenzte „Ich werde dir dabei helfen deine Schwester zu retten! Das schwöre ich bei meinem Leben und bei der Ehre meiner Ahnen, meiner Familie und der heiligen Kirche!“
„Komm mit in die Küche, es wird Zeit, dass wir Seite an Seite kämpfen.“ Naleya packte die Akashi am Arm und zog sie hinter sich her in Richtung Küche „Ich brauche sowieso dringend Verstärkung im Kampf gegen meine Schwester und für ihre Gesundheit. Gemeinsam sind wir vielleicht stark genug, um sie vor sich selbst zu retten und diesen Krieg in eine völlig neue Richtung zu lenken.“
„Du hast recht, wir müssen sie retten, sie und alle anderen.“ Teleyas blaue Augen leuchteten erwartungsvoll auf, als die Spannung sie fast umbrachte, sie wusste zwar nicht von welchen anderen sie gerade geredet hatte, aber das war ihr auch egal. Sie durfte dem weißhaarigen Mädchen in der Küche helfen, damit war der Tag für sie bereits absolut perfekt und konnte nicht mehr besser werden.
„Ähm...was ist da gerade passiert?“ Lyaena blinzelte verwirrt und sah zu Anya hinüber, als die beiden Mädchen aus der Halle verschwunden waren. Auch wenn sie im Moment nur den Kopf schüttelte und versuchte ihre würdevolle Art beizubehalten, konnte sie es nicht verhindern sich ebenfalls die überschwängliche Begeisterungsfähigkeit von Teleya zu wünschen. Irgendwie beneidete sie ihre kleine Schwester um die Fähigkeit, selbst bei so einem Unsinn mit vollem Elan dabei zu sein. Sie selber hatte ihre Unbeschwertheit irgendwann in den letzten Jahren verloren, entweder durch Teregion oder die Anspannung eines Tages die ganze Familie der Akashi führen und repräsentieren zu müssen. Yuki und Teleya dagegen, waren noch immer...Lyaena schüttelte kurz unmerklich den Kopf, um diesen Gedanken nicht weiterzuführen. Teleya benahm sich sicher noch wie ein Kind, aber Yuki hatte auch bereits viel über den Ernst des Lebens lernen müssen, vielleicht sogar zu viel. Sie hoffte, dass es ihrer anderen Schwester gut ging, wo immer sie sich auch gerade versteckte.
„Fragt am besten gar nicht, Lady Akashi.“ versuchte Anya das seltsame Verhalten von Naleya irgendwie zu überspielen und lächelte zaghaft, ihr Großvater hatte ihr aufgetragen sich so freundlich wie möglich zu verhalten und keinen der Akashi unnötig zu reizen, aber außer dem missmutig dreinblickenden Silberblatt, schien sowieso niemand auf Streit aus zu sein, also konnte sie sich wieder etwas entspannen „Sie sind jung und anscheinend beide etwas leicht zu begeistern, selbst wenn es nur um etwas so unbedeutendes wie ähm, naja, Gemüse geht. Sie werden schon nichts anstellen, ich bin sicher Eure Schwester kann Naleya in der Küche helfen, immerhin kocht dieses Mädchen für uns.“
„Die Schwester der Botschafterin kocht für euch?“
„Oh ja, sie ist eine großartige Köchin. Ich glaube so leicht findet man in Navea keine bessere.“
„Teleya...hat noch nie wirklich gekocht, ihre bisherigen Versuche gingen immer etwas, ähm, naja nach hinten los, kann man sagen. Das wird sie sicherlich vollkommen überfordern. Hoffentlich verlangt das Mädchen nicht von meiner Schwester ihr zu helfen.“
„Denkt Ihr es wäre unter ihrer Würde als Akashi zur Küchenhilfe degradiert zu werden?“ fragte Anya nach und biss sich sofort auf die Zunge. Sie wusste einfach nie, wann sie still sein musste und Victoria schüttelte hinter ihr genervt den Kopf.
„Nein, darum geht es mir nicht. Ich mache mir eher Sorgen um unser Essen und darum, dass sie uns alle aus Versehen vergiftet.“ meinte Lyaena mit todernster Stimme. Teleya hatte einmal versucht für Silberblatt einen Kuchen zu backen, damals, als er noch Inquisitor war und zwischen seinen Aufträgen immer auf dem Landgut der Akashi vorbeikam um sie zu besuchen. Das war mittlerweile drei Jahre her, aber die Küche galt noch immer als unbenutzbar und man hatte eine neue in einem anderen Teil des Anwesens eingebaut. Anya dagegen schien die Warnung nicht wirklich ernst zu nehmen, sie lächelte nur und dachte gar nicht daran sofort in die Küche zu rennen und eine Katastrophe zu verhindern, vielleicht war sie es dank Aynaeth aber auch schon gewöhnt, das ihre Küche hin und wieder in Flammen aufging. „Das war kein Scherz, ich würde vorsichtig sein.“
„Keine Sorge. Ich denke, ich habe schon eine schlimmere Köchin in unserer Küche gehabt. Wollt Ihr vielleicht mitkommen und bis das Essen fertig ist einen Tee mit mir trinken?“
„Sehr gerne, Lady Bladelli.“ stimmte Lyaena zu und folgte der rothaarigen Bladelli. Schon nach wenigen Sekunden schienen die beiden in ein angeregtes Gespräch verwickelt zu sein und ließen Silberblatt in der Eingangshalle zurück, dessen Laune von Sekunde zu Sekunde weiter ins bodenlose sank.
„Toll, jeder hat eine Beschäftigung gefunden.“ murmelte er und sah sich in der Eingangshalle nach irgendeiner Art von Beschäftigung um. Er wollte gerade aufgeben und sich mit seinem langweiligen und tödlichen Schicksal abgeben, als sich die schwarze Eule von Naleya auf seinem Kopf niederließ. Kurz schloss Silberblatt die Augen und begann vor lauter Wut am ganzen Körper zu zittern, während er die Fäuste und ballte und die Eule es sich auf ihm gemütlich machte. Er hasste es hier zu sein, bei dieser Familie aus Mördern und Versagern, zusätzlich dazu, musste er sich auch noch von einem hässlichen Vogel auf dem Kopf herumtanzen lassen. Er öffnete die Augen wieder, als er sich etwas beruhigt hatte und schlug mit beiden Armen nach der Eule, die einen beleidigt klingenden Ton rausbrachte, bevor sie gekränkt aus der Halle zurück zu ihrer Herrin flog. „Hau ab du dämliche, fliegende Ratte, bevor ich dich röste!“
„Hi Silberblatt!“ Nikodemus hob plötzlich grinsend die Hand und lenkte die Aufmerksamkeit des Großmeisters auf sich und Victoria, die Silberblatt vollkommen vergessen hatte. Der Templer sprang auf seinen Zehenspitzen umher wie ein aufgeregtes Mädchen das seinen großen Schwarm auf sich aufmerksam machen wollte, während seine Stimme vor freudiger Erregung zitterte. Victoria dagegen hielt sich nur die Hand vors Gesicht und hoffte das ihr Teamkollege bald aufhörte sich so peinlich zu benehmen. Schlimm genug das ausgerechnet sie beide mit dem Großmeister zurückgeblieben waren, da musste er sich nicht auch noch so lächerlich aufführen. „Ich habe Euch nicht mehr gesehen, seit ich Naruz Team beitreten durfte und es ist so wundervoll Euch endlich wiederzusehen! Den größten, besten, tollsten und genialsten Großmeister der Kirche. Wisst Ihr, das ich Euch großartig finde? Es gibt keinen besseren Diener der Kirche und Helden Gaias! Endlich können wir uns einmal unterhalten und ich bin sicher Victoria kann es auch kaum erwarten mit einem wahren Helden zu reden! Wir...“
„Ich habe nichts gegen euch persönlich, aber mit unwichtigen Statisten unterhalte ich mich nicht, das verstößt gegen meine Prinzipien.“ Silberblatt sah die beiden kurz an und machte sich tatsächlich für einen kurzen Augenblick die Mühe zu versuchen sich an ihre Namen zu erinnern. Nach einer Weile gab er aber seufzend auf und verbannte die beiden aus seinen Gedanken, er sollte die Zeit lieber nutzen um in der Bibliothek vorbeizuschauen, vor allem da Anya seine Verlobte für eine Weile beschäftigte. „Ich verschwinde.“
Bevor Nikodemus noch etwas sagen konnte, zog der gelangweilte Großmeister auch schon ab und ließ ihn enttäuscht zurück. Silberblatt bog bei der ersten Gelegenheit links ab, und folgte dem Gang, bis er auch schon bei der Bibliothek der Bladelli ankam, oder eher bei dem, was vor einiger Zeit noch eine Bibliothek gewesen war und jetzt kaum noch daran erinnerte. Mit einer Hand öffnete er die Tür ein Stück und warf einen Blick in Aynaeths Zimmer, er wollte sie nicht stören, aber sie war die einzige in diesem ganzen Haus voller Nervensägen, mit der er sich wenigstens unterhalten konnte. Die Hexe saß inmitten von Büchern auf dem Boden und starrte gelangweilt in irgendein Buch, auch wenn sie es nicht wirklich zu lesen schien. Kaum bemerkte sie ihn, blickte sie überrascht von ihrem Buch auf und blinzelte kurz. Es war schon eine Weile her das er sie besuchen kam, da Lyaena sowieso schon genug nervte, auch ohne das er sich mit einer hübschen Hexe traf.
„Darf ich reinkommen, Aynaeth?“ er schob die Tür ganz auf, als er sah das sie sofort nickte und hastig aufsprang. Aynaeth hüpfte aufgeregt zwischen den Bücherbergen hindurch auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm an der Türschwelle stand.
„Teregion!“ ihre Augen blickten ihn erwartungsvoll an und sie sah gespannt zu ihm herauf, endlich, sie hatte gewusst das er wiederkommen würde um sie vor dem Gesundheitswahn ihrer Schwester zu retten, auch wenn sie zwischendurch ab und zu ziemlich sauer auf ihn war „Endlich! Ich dachte schon ich sehe dich niemals wieder! Du hast mir in letzter Zeit keine Opfergaben...ähm, ich meinte Geschenke, gebracht! Ich bin fast gestorben! Naleya hat alle Süßigkeiten aus dem Haus geworfen und überwacht mich ständig! Es ist unmöglich vor ihr und ihrer Eule zu entkommen! Danke, danke, danke, endlich bin ich gerettet! Also, was hast du mir mitgebracht?“
„Tut mir leid, aber wie du sehen kannst, sind meine Hände vollkommen leer.“ Silberblatt lächelte fast schon schelmisch und zeigte ihr seine leeren Hände, woraufhin bei Aynaeth sofort eine ganze Welt zusammenbrach. Aus ihrem erwartungsvollen, fast schon anhimmelnden Blick, wurde eine Maske aus reiner Panik und Verzweiflung, die einem das Herz zerreißen konnte und ihn tatsächlich dazu brachte sich kurz etwas schuldig zu fühlen.
„D-du hast mir nichts mitgebracht...w-w-wieso hast du mir nichts mitgebracht?“ Aynaeths Stimme klang gebrochen und leer, sie wurde immer leiser während sie weitersprach und schien kurz davor zu stehen in Tränen auszubrechen. Ihr Trick mit dem Heiratsantrag an Naruz würde nicht noch einmal funktionieren und ihr fiel nichts mehr ein, um ihre Schwester zu überlisten. Bis sie sich etwas neues ausgedacht hatte musste sie also hungern und vermutlich sterben. Sie sah bereits ihr qualvolles Ende vor sich. „Wieso? Warum hasst du mich so sehr, Blättchen? Wieso willst du mich so leiden lassen und vernichten?“
„Na schön, lassen wir das. Du kannst dich wieder beruhigen, Aynaeth, ich habe nur einen Scherz gemacht, nicht mehr.“ wie aus dem Nichts tauchte auf seinen Handflächen eine sehr lange, weiße und mit einem roten Band umwickelte, Schachtel auf. Vorsichtig öffnete Aynaeth sie und sofort verschwand jegliche Panik aus ihrem Gesicht und sie starrte nur noch verträumt den Inhalt an. Darin befanden sich dutzende Pralinen oder eher hunderte, denn die Schachtel schien einen magisch veränderten Boden zu haben, wodurch sie größer war als es den Anschein hatte und vermutlich konnte Aynaeth ihren ganzen Arm in die Schachtel stecken ohne den Boden zu erreichen. „Das sollte wenigstens für ein paar Tage reichen, die Magie darin ist nicht besonders, es sind eigentlich nur mehrere einfache Zauber die ich übereinander gelegt habe. Ein Kältezauber um die Schokolade zu kühlen und ein paar Zauber durch die mehr Platz für die Pralinen war. Die Schokolade selbst ist übrigens zum Großteil aus dem Süden und Navea, aber ein paar habe ich auch von Händlern aus dem Norden, sie sind allerdings alle durcheinander, ich hoffe das stört dich nicht.“
„Du bist mein Lebensretter!“ rief Aynaeth atemlos, nachdem sie es endlich geschafft hatte ihre Sprache wiederzufinden und sich zumindest kurz von diesem Anblick loszureißen. Sie umarmte ihn erstaunlich vorsichtig, weil sie nicht die Schachtel zerquetschen wollte und nahm sie sofort an sich.
„Freut mich das es dir gefällt. Ich hoffe das reicht als Entschuldigung, weil ich in letzter Zeit so selten vorbeigekommen bin.“ er lächelte zufrieden, als sie nickte und sich mit ihrem persönlichen Heiligen Gral wieder zwischen den Büchern niederließ „Ich habe vor kurzem einen Magier getroffen, dessen Magie ich noch nicht kannte. Er benutze Explosionszauber, aber etwas an ihnen war merkwürdig, denn sie ließen sich nur schwer abwehren. Du weißt das die Theorie der Magie mich nie wirklich interessiert hat, also habe ich keine wirkliche Ahnung davon. Kennst du dich zufällig mit solchen Zaubern aus?“
„Seit wann interessierst du dich für so etwas simples wie Explosionsmagie?“ fragte die Hexe, während sie nachdenklich auf einem Stück Schokolade kaute, sie hatte seine Opfergaben vermisst, vor allem dank Naleyas strikter Diät. Er sollte am besten viel öfter vorbeikommen und ihr etwas Süßes schenken, dann hatte sich auch das Problem mit ihrer Schwester bald erledigt. „Ist das nicht etwas unterhalb deiner Fähigkeiten? Außerdem sind solche Zauber sehr gefährlich, dabei kann jemand verletzt werden.“
„Ja, ich weiß, das ist schließlich der Sinn der Sache.“ erwiderte Silberblatt lächelnd und sah zu wie sie sich noch schneller daran machte die Schokolade zu verschlingen, anscheinend hatte sie Angst davor das ihre Schwester jeden Moment reinplatzen und ihr alles wegnehmen konnte „Du hast also noch nie von so einer Art der Magie gehört? Immerhin bist du inzwischen seit einer halben Ewigkeit bei den Bladelli zu Gast, besitzen sie irgendeine besondere Form der Magie? Ist es vielleicht etwas das sie besonders gut beherrschen oder viel Talent für haben? Oder gibt es irgendeine andere Form von Magie, die nur in ihrer Familie vorkommt? Es würde zumindest erklären, warum ausgerechnet sie auf einmal zu den großen Familien gehören wollen. Vielleicht etwas wie die Marionettenzauber der Salvatore, oder die geheimen Techniken der Akashi.“
„Sie haben keine spezielle Magie in ihrer Familie, zumindest so weit ich weiß. Die meisten Mitglieder verfügen immerhin über beeindruckende magische Kräfte, sind aber oft nicht wirklich in der Lage damit umzugehen, so wie Anya oder dieser Luca, daher suchen sie immer nach anderen Möglichkeiten um zu kämpfen. Anya hat ihre Schwertkampftechnik und dieser Luca seine Explosionen, zu mehr ist keiner von beiden wirklich in der Lage.“ Aynaeth gelang es tatsächlich für einen kurzen Moment von seinem Geschenk abzulassen und ihn neugierig anzustarren, normalerweise kümmerte er sich nicht um die Zauber anderer Leute, sondern betrachtete sowieso die meisten Magier als wertlos, zumindest verglichen mit sich selbst „Aber warum interessiert dich das? Hast du gehofft ihnen irgendeine geheime Magie stehlen zu können? Ich dachte die Magie der Akashi ist bereits sehr...effektiv, auch wenn du es darin nicht wirklich zur Meisterschaft gebracht hast.“
„Danke, ich weiß selber, dass meine Fähigkeiten in der Magie der Akashi nicht an die meines Onkels heranreichen. Ich hasse die Magie der Akashi ehrlich gesagt, sie fühlt sich so...falsch an.“ Silberblatt wusste nicht was er sonst dazu sagen sollte, denn er mochte die Familienmagie wirklich nicht. Die Zauber der Akashi waren einfach nichts für ihn, auch wenn sein Onkel ihn gezwungen hatte sie zu lernen. Er war inzwischen nicht schlecht darin, aber Aynaeth hatte recht, er würde es nie zu wahrer Meisterschaft bringen, dafür fehlte es ihm zumindest in der Hinsicht an Ehrgeiz. Außerdem fiel es ihm sowieso nicht besonders leicht diese Magie zu benutzen, letztendlich war er kein reiner Akashi, wofür er jeden Tag aufs Neue dankbar war. Der Großteil der Familie ging ihm nämlich gewaltig auf den Geist und er wusste jetzt schon, dass er es hassen würde das Oberhaupt dieser Idioten zu sein, aber das war der Preis den er damals für die Gründung seines Ordens bezahlen musste.
„Ist vielleicht auch besser so.“ murmelte Aynaeth vor sich hin und griff wieder nach der Schokolade.
„Was meinst du damit?“
„Naja, du kannst auch so schon unheimlich genug sein wenn du willst, da musst du nicht auch noch Gedanken lesen können...“
„Hey!“ begehrte Silberblatt einen Moment lang auf, widersprach ihr aber nicht, denn sie hatte vollkommen recht damit. Er selbst fand die Fähigkeiten der stärksten Akashi auch unheimlich und erinnerte sich noch zu gut an das Gefühl, als Kyosuke Akashi mithilfe von Magie in seinem Kopf rumgebohrt hatte, das wollte er niemals wieder erleben. Andererseits, verdankte er es einzig und alleine diesem mächtigen Zauber, dass das Oberhaupt der Akashi ihm vertraute und ihn sogar als Erben wollte, obwohl er das Kind von Verrätern war. Nur durch diese Zauber, hatte Kyosuke das Kind seines Halbbruders bei sich aufgenommen, ansonsten wäre Silberblatt vermutlich den gleichen Weg gegangen wie Luca Bladelli. Man hätte ihn ebenfalls den Erben Valquez zugeteilt und zehn Jahre gegen die Alfar kämpfen lassen, so gesehen sollte er seinem Onkel dankbar sein. Trotzdem hasste er diese Art der Magie und setzte sie selber nur selten ein. Im Moment, musste er sowieso nicht mehr auf Magie oder seine Fähigkeiten als Krieger zurückgreifen, immerhin brachte der Posten als Großmeister ihn höchstens vor lauter Langeweile um. Wenn er gewusst hätte, dass es in den höheren Rängen der Kirche so eintönig sein konnte, dann wäre er lieber Inquisitor geblieben. „Wie auch immer, lass uns am besten nicht mehr über diese verfluchte Magie reden. Ich hasse es auch nur daran zu denken, dann
„Schade nur, dass mir bisher kein Akashi diese Magie vorführen wollte, damit ich sie einmal in Aktion sehen kann. Ich hasse diese Geheimnistuerei, die ihr um eure Zauber macht. Das einzige was ich wirklich weiß, ist das die Magie deiner Familie nicht den Körper angreift, sondern den Geist, mehr nicht und es macht mich wahnsinnig wenn ich etwas nicht weiß.“
„Am besten du unterhältst dich mit meinem Onkel darüber, sobald er nach Navea kommt. Er ist immer sehr offen und gerne bereit Fremden unsere Familiengeheimnisse anzuvertrauen, außerdem liebt er Hexen, es gibt nichts auf der Welt was er toller findet...“ erwiderte Silberblatt und legte so viel Sarkasmus wie möglich in seine Stimme, damit Aynaeth es nicht wirklich versuchte. Für Kyosuke stellte Vo Astur ein Schandfleck inmitten Süd-Midgards dar und er würde die graue Stadt am liebsten dem Erdboden gleich machen. Doch die Hexe schien mit Sarkasmus nicht sehr viel anfangen zu können und dachte ernsthaft darüber nach, ein Treffen, das weder für Aynaeth noch für den Akashi gut ausgehen würde, vermutlich brachten sie sich gegenseitig um.
„Mhm, gute Idee. Ich hoffe er kommt bald, dann kann ich ihn persönlich fragen, es heißt er ist ein Meister auf dem Gebiet dieser Magie. Er kann den Geist einer Person angeblich mit einem einzigen Gedanken zerschmettern und in den Erinnerungen, Gefühlen und Gedanken der Menschen lesen als wären sie ein offenes Buch.“
„Ja...toll diese Sache mit dem Gedankenlesen, gibt nichts besseres auf der Welt.“ meinte Silberblatt und seine miese Laune kehrte endgültig wieder zurück, als er daran denken musste das sein Onkel bald wieder versuchen könnte in seinem Kopf zu wühlen, das würde sicher ein großartiges Wiedersehen, auf das er sich schon jetzt nicht freute. Silberblatt versuchte den Gedanken daran zu verdrängen und sich auf ein anderes nerviges Thema zu konzentrieren, das Abendessen mit den Bladelli. „Wollen wir zum Speisesaal gehen? Das Essen ist sicher bald fertig.“
„Weiß noch nicht genau. Kommt drauf an was es gibt. Essen wir Kuchen? Oh, oder eine riesige Torte! Nichts ist besser dazu geeignet einen Streit zu beenden als Torte, das weiß ich aus eigener Erfahrung, am besten mit viel Sahne oh und Erdbeeren, die müssen dabei sein, ansonsten funktioniert es nicht.“ Aynaeth stockte kurz und blickte ihn hilfesuchend an, während ihre Stimme einen flehenden Unterton bekam „Es gibt doch sicher eine Torte, oder?“
„Keine Ahnung, aber deine Schwester bereitet das Essen zu, also...“
„Ich bleibe hier bei meiner Schokolade, ähm ich meinte meinen Büchern. Ich muss lesen und studieren und die Schoko...die Bücher essen, damit meine Schwester sie nicht findet sobald sie wieder mal mein Zimmer durchsucht. Richte ihr bitte aus das ich keinen Hunger habe, ja? Ich, ähm, bin immer noch so satt von dem Gemüseauflauf den es heute Mittag gab, sag ihr das reicht für ein bis zwei Wochen.“
„Ich werde es versuchen Ich wünschte nur mich könnte auch jemand vor diesem schrecklichen Essen retten und damit meine ich nicht die Gerichte deiner Schwester, sondern das Gespräch mit den Bladelli.“
„Ich bin sicher du schaffst das schon. Kopf hoch und so weiter.“ sie starrte bereits wieder desinteressiert in eines ihrer Bücher und kaute dabei auf einer Praline herum. Solange sie noch etwas zu Essen hatte, war sie keine große Hilfe für ihn und würde sicher nicht mit einem genialen Plan kommen um ihn zu retten. Seine Opfergaben hatten leider auch so ihre Nachteile wenn er genauer darüber nachdachte hatten sie sogar nur Nachteile, aber er mochte es wie sehr sie sich über so etwas immer freute.
„Danke, Aynaeth, du bist mir eine große Hilfe.“
„Ich helfe immer wieder gerne.“ Silberblatt schüttelte amüsiert den Kopf, sie war wirklich nicht mehr ansprechbar. Er schloss die Tür hinter sich und wollte sich auf den Weg zu seiner Verlobten machen, aber kam nicht besonders weit, denn er kam an einer halb geöffneten Tür vorbei. Im Vorbeigehen erkannte Silberblatt auf den ersten Blick wem dieses Zimmer gehörte und er blieb stehen. Ohne sich Gedanken darüber zu machen wie unhöflich es war, ging er einfach auf die Tür zu und öffnete sie noch ein weiteres Stück. Vor ihm stand ein verdutzter Naruz, der anscheinend gerade verschwinden wollte.
„Hat dir niemand beigebracht anzuklopfen? Soweit ich weiß, ist das hier mein Zimmer und nicht dein heruntergekommenes Häuschen in dem du deine Mörder versammelst.“ Naruz starrte ihn an, als wäre er irgendein widerliches Insekt, aber der Großmeister ließ sich davon nicht verjagen, sondern trat einfach ein und ging ein paar Schritte in das Zimmer hinein, was Naruz einen genervten Seufzer entlockte, er wollte doch nur seine Ruhe „Und ich muss dringend mit Anya über ein paar Schutzzauber an meiner Tür reden...am besten gespickt mit einigen tödlichen Fallen.“
„Gute Idee, mit etwas Glück, bringst du dich damit selbst um und befreist die Welt damit von deiner Existenz. Es wäre für alle eine bessere Welt, aber ich fürchte, du wirst uns diesen Gefallen nicht tun.“ erwiderte Silberblatt und musterte ihn kalt, er wusste selber noch nicht so genau warum er hier war, aber Naruz zu nerven war sicher interessanter als sich mit den Bladelli zu unterhalten.
„Schön, wir haben beide ein paar höfliche Beleidigungen ausgetauscht, uns dabei wunderbar amüsiert und werden sicher die besten Freunde, wenn wir noch länger zusammen in einem Raum sind...aber das wird nicht passieren, also verschwinde auf der Stelle von hier.“
„Danke, aber ich habe keine Lust zu verschwinden. Es gefällt mir hier, die Bladelli haben ihrem neuen Wachhund eine hübsche Hundehütte geschenkt.“ Silberblatt lächelte überheblich, aber seine Bemerkung entlockte Naruz keinerlei Reaktion mehr, dafür hatte er sich das ganze schon viel zu oft anhören müssen „Wie auch immer, ich bin nicht hier um zu streiten, naja, nicht nur jedenfalls. Ich möchte mich mit dir über etwas unterhalten.“
„Warum sollte ich mit dir reden?“ fragte Naruz misstrauisch, aber dann fiel ihm etwas ein, was er dringend loswerden wollte, vielleicht traf es sich doch ganz gut das Silberblatt hier war „Obwohl, doch, ich glaube wir sollten wirklich einmal miteinander reden und zwar über etwas, was mich beschäftigt seit ich deiner kleinen Cousine begegnet bin.“
„Ach ja, richtig. Du und dein Team haben ja Teleya vor diesen erbärmlichen Banditen gerettet. Sie wäre sicherlich alleine mit den Angreifern fertig geworden, immerhin ist sie im Gegensatz zu dir eine begabte Magierin.“
„Und im Gegensatz zu dir, ist sie freundlich und hat sich für die Rettung bedankt, anstatt mit Beleidigungen und Sticheleien um sich zu werfen. Ich dachte bisher alle Akashi wären überhebliche Nervensägen, aber anscheinend trifft das nur auf einen zu, von daher muss ich mich bei deiner Familie entschuldigen. Ich habe sie zu Unrecht und vorschnell verurteilt, sie scheinen nicht viel mit dir gemeinsam zu haben.“ Naruz hielt sich zurück, um nicht noch beleidigender zu werden, hier waren sie unter sich und niemand würde es hören, aber er wollte den Großmeister nicht zu sehr reizen, nicht solange er noch mit ihm reden wollte, danach konnte Silberblatt gerne genervt abziehen. „Aber lassen wir das, ich habe von dir auch keinen Dank erwartet, Silberblatt. Ich war nur neugierig, weil Teleya einen Namen erwähnt hat, der mir sehr bekannt vor kam. Sie redete ununterbrochen über ihre vermisste Schwester, namens Yuki und mir fiel dabei sofort ein anderes Mädchen ein das genauso hieß. Ich bin sicher du erinnerst dich an sie, immerhin hast du Aleyandra auf sie angesetzt und befohlen sie zu ermorden.“
„Woher...“ Silberblatt blinzelte verwirrt und wusste im ersten Moment nicht, was er darauf erwidern sollte. Er hätte niemals damit gerechnet das ausgerechnet jemand so unfähiges wie Naruz darüber Bescheid wusste. „Woher weißt du davon? Das sind geheime Informationen, die dir nicht zugänglich sein dürften.“
„Das ist nicht wichtig, aber ich weiß von Aleyandras Auftrag und auch, was ihr Ziel war und wie sie es ausgeschaltet hat. Oh keine Sorge, Aleyandra hat nichts über ihre Arbeit verraten, aber sagen wir einfach mal, dass mir eine göttliche Kraft dieses Verbrechen offenbart hat.“ ein zufriedenes Lächeln umspielte Naruz Lippen, als er merkte, das es ihm gelungen war Silberblatt endlich einmal vollkommen durcheinander zu bringen, so gefiel ihm das Gespräch sogar irgendwie „Teleya erzählte mir das sie und diese Yuki dich sehr mochten und du viel Zeit mit ihnen verbracht hast. Ich frage mich seitdem, ob es dir schwer gefallen ist ihren Tod zu befehlen, oder ob es dich völlig kalt gelassen hat. Vielleicht hat es dir sogar Spaß gemacht?“
„Ich habe nur meine Befehle befolgt, genauso wie du und dein Team, mehr nicht. Wenn du unbedingt jemanden dafür verantwortlich machen willst, dann versuche es lieber bei jemand anderem.“ schlug Silberblatt gereizt vor und starrte ihn wütend an „Die Templer führten die magische Überprüfung bei Yuki durch, sie stuften das Mädchen als Bedrohung für die Menschen um sie herum ein, nicht ich. Der Erzbischof erteilte den Befehl sie auszuschalten und er war es auch, der mir befahl meine Kinder Gaias auf sie zu hetzen, und es war Anya, die damals die magische Überprüfung bei Aleyandra vorgenommen hatte und sie festnehmen wollte. Ich habe nur versucht sie zu beschützen. Wenn du jemandem die Schuld an Aleyandras Taten geben willst, warum dann nicht der Kirche, den Templern oder dem Erzbischof?“
„Nein, danke. Ich kann sehr gut damit leben dir die Schuld dafür zu geben und auch dafür, dass Aleyandra ihrem Blutrausch verfallen ist weil sie für dich morden musste.“
„Und, was hast du jetzt vor mit diesem Wissen? Willst du in die Unterhaltung unten platzen und meinen Cousinen davon erzählen, das ich genau wie jeder andere Diener der Kirche Befehle befolgt habe?“
„Ich halte nichts davon mich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen, ganz im Gegensatz zu dir. Wenn es ihnen jemand sagen sollte, dann du selbst, aber vielleicht ist es besser für sie, wenn sie weiterhin glauben das ihre Schwester in Sicherheit ist.“ Naruz dachte an Teleyas fröhliches Lachen und wollte nicht wirklich daran Schuld sein ihre Hoffnungen zu vernichten, solange sie hoffen konnte, ging es ihr wenigstens gut „Ich will nur das du mich und vor allem mein Team in Ruhe lässt. Sie leisten gute Arbeit und keiner von ihnen hat es verdient von dir schlecht gemacht zu werden, nur weil es dir nicht gefällt das ich mit Aleyandra zusammen bin...war...bin, was auch immer.“
„Ah ja, richtig. Ich hatte ja die Absicht dich zu vernichten wenn du dich weiterhin mit meiner Schülerin triffst, ich erinnere mich daran.“
„Und, hast du vor deine Drohung jetzt in die Tat umzusetzen? Oder hast du plötzlich Angst das du verlieren könntest?“
„Vielleicht.“ antwortete Silberblatt ruhig und zuckte mit den Schultern, eine Antwort, mit der er Naruz vollkommen aus dem Konzept brachte, der hatte sich nämlich inzwischen bereits auf einen Kampf eingestellt und angespannt auf den ersten Schlag des Großmeisters gewartet „Ich muss zugeben, das Aynaeth bei deinem Auge gute Arbeit geleistet hat. Es dürfte schwer sein einen Zauber zu finden, den man dagegen noch anwenden kann und deine neuen Schwerter können im Nahkampf nervig werden. Vielleicht könnte ich verlieren.“
„Ähm...war das so etwas wie ein Kompliment?“
„Es war eine Feststellung.“ korrigierte Silberblatt ihn sofort „Und es ist mir egal wie viele Tricks du noch lernst, ich würde trotzdem gegen dich kämpfen, wenn du nicht tust was ich verlange.“
„Gut, dann kämpfen wir am besten jetzt sofort. Ich werde Aleyandra nämlich nicht aufgeben, nur weil ihr Großmeister sie unbedingt in seine Marionette verwandeln will und mich nicht ausstehen kann, das ist mir nämlich vollkommen gleichgültig.“
„Das ist auch gut so, denn ich möchte, dass du mit ihr zusammen bleibst, auch wenn ich es hasse das zu sagen und sich gerade alles in mir dagegen wehrt es auszusprechen...“ Silberblatt verzog tatsächlich angewidert das Gesicht und konnte nicht fassen, dass er so etwas tatsächlich gesagt hatte. Er würde alles dafür geben Naruz los zu werden, aber nicht wenn Aleyandra darunter leiden musste.
„W-was?“
„Du hast mich schon richtig verstanden, ich will, dass du sie nicht noch einmal unglücklich machst.“ als Naruz ihn nur weiterhin ungläubig und verständnislos anstarrte, seufzte er nur kurz und versuchte es irgendwie zu erklären, obwohl er es selbst nicht wirklich verstand „Ich dachte mir schon, dass du nicht in der Lage bist es zu verstehen, manchmal neige ich dazu langsame Menschen zu überschätzen. Dann versuchen wir es doch einmal so, dass selbst du es verstehst: Weißt du eigentlich, in was für einem Zustand sich Aleyandra befand, als du mit ihr Schluss gemacht hast? Wie verzweifelt und am Ende sie war? Wie sehr sie darunter gelitten hat?“
„Ja, das weiß ich. Wir haben darüber gesprochen und ich...ich habe selbst gesehen wie sehr sie litt.“
„Bist du dir da sicher? Ich denke, du hast keine Ahnung, wie fertig sie damals gewesen ist, ansonsten würdest du jetzt anders reagieren und wissen, warum ich euch nicht mehr auseinanderbringen will, zumindest für den Moment.“ Silberblatt legte eine kurze Pause ein und versuchte darüber nachzudenken wie er das ganze möglichst harmlos und schonend rüberbringen konnte, aber ihm fiel nichts ein, also entschied er das es ihm sowieso egal war und redete einfach weiter „Sie hat versucht sich umzubringen, weil sie dachte, dass sie dich niemals wiedersehen würde.“
„Was? Das ist Schwachsinn, so weit würde sie niemals gehen, nur weil ich sie verlasse, das ist absurd. Entweder du lügst um mir aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen einzureden, oder du hast etwas missverstanden. Sie würde nicht einmal an so etwas denken, also erspare mir das, ja?“
„Sie hat sich eine ihrer Pistolen an den Kopf gehalten und abgedrückt, das kann man nicht missverstehen. Weißt du warum sie das getan hat?“
„Weil du sie und mich in diese Situation gebracht hast!“ fuhr Naruz ihn aufgebracht an, als sein Geduldsfaden endgültig riss. Es reichte ihm ausgerechnet mit dem Mann darüber zu reden, der dafür verantwortlich war und alles unternahm um ihm das Leben schwer zu machen. „Hättest du sie niemals in deinen verfluchten Orden aufgenommen und zu einer eiskalten Mörderin ausgebildet, der es nichts mehr ausmacht zu töten, dann wäre es dazu gar nicht erst gekommen! Du bist der letzte Mensch in Midgard, von dem ich mir etwas zu meiner Beziehung mit Aleyandra anhören muss, hast du das endlich verstanden? Du bist Schuld an allem!“
„Vielleicht, aber es hätte sicher früher oder später so eine Situation gegeben, immerhin hatte Aleyandra ihre kleinen...Aussetzer auch schon früher. Ob sie jetzt für mich, die Inquisition oder die Templer gearbeitet hätte, um sich ihren Platz im Kirchenstaat zu verdienen, sie wäre irgendwann zu einer Bedrohung geworden, hätte jemanden angegriffen, verletzt und vermutlich auch umgebracht. Immerhin war die Sache mit Yuki ein deutliches Warnsignal für Aleyandra und sie hat etwas gegen ihre Aussetzer getan, hoffe ich jedenfalls. Tigerius kann zwar vielleicht den Blutdurst unterdrücken, aber er bekämpft die Ursache nicht, denn selbst er ist nicht mächtig genug um den Auslöser zu finden und solange ihm das nicht gelingt, wird sie weiterhin eine Gefahr für die Kirche darstellen.“
„Ich...habe keine Lust mehr mir deinen Unsinn anzuhören. Ohne dich und die Kinder Gaias, würde es keine Probleme zwischen mir und Aleyandra geben, alles wäre in Ordnung und so wie es sein sollte, also verschone mich mit deinen lahmen Ausreden. Ich werde sie nicht unglücklich machen, aber nicht weil du mir dann wieder auf den Geist gehst, sondern weil ich sie liebe und jetzt, muss ich los.“
„Ach? Du bleibst nicht zum Essen? Dabei hatte ich mich schon so darauf gefreut...“
„Warum sollte ich mich mit jemandem wie dir an einen Tisch setzen?“ Naruz schob Silberblatt vor sich her auf den Flur hinaus, schloss die Tür hinter sich und ignorierte das erstaunlich zufriedene Lächeln des Großmeisters „Außerdem habe ich eine Verabredung mit Aleyandra und will mich nicht verspäten.“ Damit zog Naruz ab und Silberblatt hatte inzwischen keine andere Wahl mehr als sich zu den anderen zu begeben, wodurch es ihm fast etwas leid tat den Inquisitor so sehr genervt zu haben, etwas Ablenkung tat ihm im Moment gut. Seufzend machte er sich auf den Weg nach Unten, um diesen Abend irgendwie hinter sich zu bringen.



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Im Nordteil der Stadt, nahe zur Grenze zum Militärbezirk, wartete Aleyandra an eine Mauer gelehnt und starb gerade vor lauter Aufregung, während Naruz ihr zuwinkte und langsam näherkam. Sie trug ein dunkelblaues und grünes Kleid, das sie sich vor kurzem gekauft hatte. Im Zentrum prangte eine weiße Blüte und aus irgendeinem Grund gehörten Armschienen zu dem Outfit, was sie anfangs ein wenig verwirrt hatte. Es hatte sie auch verwirrt, dass Silberblatt ihr tatsächlich das Geld für dieses Kleid gegeben hatte, obwohl sie eigentlich keine wirklichen Besitztümer haben durfte. Langsam merkte selbst sie, dass er etwas zu freundlich und nachsichtig mit ihr umging, aber noch kümmerte es sie nicht weiter warum er das tat. Hauptsache sie hatte ein neues Kleid um wenigstens ein bisschen ihre Nervosität zu überspielen. Es war ihr erstes „Date“ mit Naruz, seit er sich von ihr getrennt hatte und sie wusste nicht wirklich, was sie von diesem Abend erwarten sollte. Würde es so werden wir früher? Das konnte sie sich irgendwie nicht so richtig vorstellen, stattdessen sah sie einen schrecklichen Abend voller peinlicher Stille vor sich, an dessen Ende er vermutlich endgültig zu dem Schluss kam sich vielleicht doch eine neue Freundin zu suchen.
An ihre Brust hatte sie fest eine weiße Stoffkatze gedrückt, an die Naruz sich noch gut erinnerte. Es wirkte fast so, als würde sie sich an dem Stofftier festklammern, um nicht sofort wegzulaufen. Alleine in seiner Nähe zu sein brachte sie schon dazu die Hälfte von dem zu vergessen was Bel Chandra ihr beigebracht hatte, es war schwierig sich zu konzentrieren wenn einem das Herz vor lauter Aufregung bis zum Hals schlug. Sie wollte in seiner Nähe keine Fehler mehr machen und vor allem nicht die Kontrolle über die Illusionen verlieren, die ihre Narben und Verätzungen verdeckten. Jeden Tag wachte sie auf, blickte in den Spiegel und hoffte darauf das die Heilzauber der Kirche endlich ihre Wirkung entfalteten, aber es passierte nicht. Ihr Gesicht sah noch immer genauso aus, auch wenn die Verletzungen an ihrem Körper immerhin ein wenig besser wirkten, aber vermutlich bildete sie sich das nur ein. Zum Glück gab es Magie, ansonsten hätte sie sich nicht mehr aus dem Haus getraut, sondern wäre in Selbstmitleid ertrunken. Als er immer näher kam, hob Aleyandra zaghaft eine Hand, um ihm zuzuwinken, hörte aber sofort wieder damit auf und drückte stattdessen die Katze noch fester an sich, in der Hoffnung damit irgendwie ihr heftig schlagendes Herz zu beruhigen.
Er achtete nicht weiter auf ihre Nervosität, sondern verhielt sich wie immer und führte sie zu einem Restaurant ganz in der Nähe. Von der peinlichen Stille und unangenehmen Atmosphäre die Aleyandra eigentlich erwartete, war während des Essens nichts zu spüren, im Gegenteil, sie unterhielten sich ganz normal und nach einer Weile überwand Aleyandra endlich ihre Angst und Aufregung und lachte mit ihm über seine Geschichten über Naleya und Aynaeth. Alles in allem, verlief der Abend deutlich besser als sie es erwartet hätte und auch er schien sich zu amüsieren, während sie über Saeca redete und darüber, wie die kleine Armani sie in den Wahnsinn trieb mit ihrer Dangolagersucht. Nach dem Essen, war es bereits recht spät und die Nacht war hereingebrochen. Die beiden gingen eine Weile durch die Straßen Naveas spazieren und Aleyandra überwand dabei auch den letzten Rest Nervosität. Sie klammerte sich an seinem Arm fest und schien ihn gar nicht mehr loslassen zu wollen, aber das störte ihn nicht weiter. Er fand es schön mit ihr durch die angenehm kühle Nacht zu gehen und sich zu unterhalten. Nach einer Weile ließen sie sich auf einer Bank nieder und betrachteten den klaren Nachthimmel.
„...und damit hat Aynaeth es irgendwie geschafft ihre Schwester auszutricksen, ich bin selbst auf sie reingefallen, so überzeugend war ihre Vorstellung.“ zufrieden bemerkte er, wie Aleyandra anfing zu lachen und fand es schade, dass sie nur so selten lachte, das sollte sie eigentlich viel öfter tun, es stand ihr besser als Unsicherheit und Trauer. Wenn sie jemals aufhören konnte andauernd zu weinen und so unsicher zu sein, wäre sie perfekt, nicht das er sie jetzt für unvollkommen hielt aber...Naruz schüttelte kurz verwirrt den Kopf, als er merkte, dass er mit seinen Gedanken vollkommen abdriftete und nur sinnloses Zeug dachte. Allerdings fiel ihm dabei auch etwas anderes ein worüber er noch mit ihr reden wollte. „Übrigens, ich habe eine Person gefunden die dir vielleicht helfen kann, oder mir zumindest beibringt wie ich deine Verletzungen heilen kann.“
„W-wirklich?“ Aleyandra hörte auf zu Lachen, aber behielt ihr glückliches Lächeln. Er meinte sein Versprechen also wirklich ernst und würde ihr helfen. Eigentlich hätte sie das nicht von ihm erwartet, zumindest nicht bis zu dieser Nacht im Gasthaus, seitdem, glaubte sie wirklich wieder daran das zwischen ihnen alles in Ordnung kommen konnte.
„Es gibt eine Schwertmeisterin irgendwo in den nördlichen Sümpfen. Aynaeth kennt sie und hat mir versichert das man von ihr die mächtigsten Heilzauber in ganz Süd-Midgard lernen kann. Wenn das wirklich stimmt, kann sie dir sicher helfen. Ich denke bereits darüber nach in die Sümpfe zu reisen, aber naja, bisher steht das leider noch nicht fest, wegen meiner Arbeit als Inquisitor. Aber sobald ich kann, werde ich...“
„Danke.“ flüsterte Aleyandra glücklich, lehnte sich an ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. Einfach nur zu hören das er ihr helfen wollte, war bereits genug für sie. Erschöpft schloss Aleyandra die Augen und genoss einfach nur seine Nähe, sie hatte furchtbar geschlafen und das nicht nur heute, sondern die ganzen letzten Tage. Heute hatte sie dann ihre Aufregung vor der Verabredung und ihre schlechte Laune an Saecas Dangolagern ausgelassen und fast ein halbes Dutzend von ihnen aufgespürt, was Saeca fast zum weinen gebracht hätte. Leider gelang es der Armani immer wieder das Aleyandra weich wurde und Mitleid mit ihr zeigte, wodurch Saeca die Dangos behalten durfte...alles in allem also eine vollkommen nutzlose Aktion, aber es hatte sie abgelenkt.
„Du siehst müde aus, geht es dir gut?“ fragte Naruz nach einer Weile vorsichtig nach, er musste gegen seinen Willen an Silberblatts Worte denken und wusste nicht wirklich, wie er damit umgehen sollte. Er wusste, dass Aleyandra sehr an ihm hing und bereit war ziemlich weit zu gehen, um bei ihm zu sein. Sie schreckte immerhin nicht davor zurück ihn zu verfolgen, aber das was der Großmeister ihm erzählt hatte, eröffnete Naruz eine vollkommen neue Dimension von Besessenheit. Hatte sie wirklich versucht sich umzubringen weil er mit ihr Schluss machen wollte? Vermutlich versuchte Silberblatt mit ihrer kleinen Unterhaltung genau diese Gedanken zu erreichen und das alles gehörte zu irgendeinem dämlichen und heimtückischen Plan.
„Naja ich...ich habe nicht sehr gut geschlafen. Das liegt an...an...“ Aleyandra öffnete ihre Augen wieder und sah ihn unentschlossen an, fast als würde sie sich nicht trauen weiterzureden. Ihr Lächeln war ebenfalls dabei zu verblassen, was ihn seine Frage bereuen ließ. Er mochte es wenn sie lächelte, vor allem wenn sie diese magischen Runen im Gesicht trug.
„Du musst nicht darüber reden wenn du es nicht willst.“ versuchte Naruz sie wieder zu beruhigen, damit sie sich wieder genauso entspannte wie eben, aber damit scheiterte er, denn sie schien sich endlich ein Herz gefasst zu haben und wollte darüber reden, immerhin verschwieg sie ihm diesen Teil von sich schon viel zu lange.
„I-ich habe diese Träume und zwar schon seit vielen Jahren, aber es sind keine richtigen Träume, sondern eher...Erinnerungsfetzen. Du weißt ja noch, dass ich mich an nichts aus meiner Kindheit erinnern kann, aber das ist nicht ganz richtig. Ich...ich glaube zumindest mich an ein paar Dinge zu erinnern, jedenfalls wenn die Träume wirklich echt sind und nicht nur, naja, gewöhnliche Träume. Ich...ich...“
„Mit so etwas kenne ich mich leider nicht wirklich aus, obwohl ich auch schon seltsame Träume hatte. Wenn du es mir erzählen willst, dann werde ich dir zuhören.“ Naruz legte einen Arm um sie und zog sie näher zu sich heran, während sie ihren Kopf wieder auf seiner Schulter abstütze und er redete so sanft und vorsichtig wie möglich weiter „Worum geht es in den Träumen?“
„Meistens sind die Träume immer gleich. Ich liege in einem dunklen Raum auf einer Art Tisch, nur direkt um mich herum ist Licht, doch es blendet mich und ich erkenne dadurch die Gesichter der Männer nicht, die sich um den Tisch versammelt haben, aber ich weiß, dass ich sie alle kenne und sie oft gesehen habe. Einer von ihnen...ich erinnere mich an ihre Stimmen, aber nicht an mehr, nur die Stimmen, vor allem eine der Stimmen ist...außergewöhnlich. Es ist schwer zu beschreiben und auch nicht so wichtig, denke ich. Ähm, verflucht, ich rede nur Schwachsinn, dabei will ich doch nur...“ sie brach verwirrt ab und wunderte sich selbst darüber wie schwer es ihr fiel mit jemandem darüber zu reden, das hatte sie noch nie getan und wusste gar nicht was sie sagen sollte „Sie beobachten mich eine Weile, weben Zauber um mich herum und betrachten etwas und dann...dann nähert sich einer von ihnen und...er hat eine Art...und ich...ich...“ Aleyandra brach ab und schluckte nervös, als sie seinen erwartungsvollen Blick sah. Sie brachte kein Wort mehr heraus, ihr Mund war vollkommen trocken und in ihrem Kopf herrschte einziges Chaos sobald sie versuchte sich zu erinnern. Sie wollte es gar nicht sagen, ging es ihr plötzlich auf. Sie wollte mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit ihm. Wollte ihm nicht sagen, dass sie jahrelang gequält wurde, immerhin wusste sie nicht einmal warum. Die Träume waren nichts als Träume, aber sobald sie anfing darüber zu reden, wurden sie Realität. Sie wurden zu einem Teil ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte, aber solange sie es nicht aussprach, konnte sie alles was sie gesehen hatte ignorieren und so tun, als wären es wirklich nur Träume. „T-tut mir leid, Naruz. Ich kann doch nicht darüber reden, es geht nicht. Ich...ich will es wirklich aber...selbst dir kann ich es nicht sagen, tut mir wirklich leid.“
„Schon in Ordnung, du musst dich zu nichts zwingen.“ murmelte Naruz, auch wenn er gehofft hatte etwas mehr zu erfahren, um sie besser zu verstehen trotzdem wollte er sie nicht dazu drängen, dafür schien es ihr zu viel Schmerzen zu bereiten darüber zu reden. Er konnte spürten, wie sie an seiner Seite zu zittern begonnen hatte während sie redete und sich erst jetzt langsam wieder beruhigte. Irgendetwas schien ihr furchtbare Angst einzujagen und für einen Moment wirkte sie vollkommen verstört, aber es hielt zum Glück nicht lange an. Nach einem kurzen Moment des Schweigens, fuhr sie mit leiser, aber immerhin endlich wieder ruhiger, Stimme fort.
„Es gibt dann noch andere Träume, die meistens sehr viel friedlicher und harmonischer anfangen. Ich bin dort bei meinem älteren Bruder und bei ihm zu sein ist erstaunlich...schön. Er liest mir etwas vor, erzählt mir Geschichten und kümmert sich um mich. Diese Träume sind schön und ich hoffe, dass sie Teil meiner Vergangenheit sind und nicht die anderen Träume, das hoffe ich wirklich.“
„Du hast einen Bruder? Wo ist er?“
„Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass irgendwann während jedem dieser Träume wieder die Dämonen auftauchen und die Idylle zerstören. M-mit Dämonen meine ich keine echten Dämonen, sondern diejenigen die in dem dunklen Raum waren und...ich weiß nicht warum ich immer an Dämonen denke, aber so wirken sie auf mich, denn sie...sie...“ Aleyandra brach wieder ab und drückte sich fester an ihn „Ich muss vollkommen verrückt klingen...tut mir wirklich leid, dass ich dich mit so etwas dämlichen wie meinen Träumen nerve. Du willst das alles sicher gar nicht hören und...“
„Doch, das will ich.“ versicherte Naruz ihr schnell „Ich will wissen was dir Sorgen bereitet und dich fertig macht, damit ich dir helfen kann. Außerdem siehst du niedlicher aus wenn du dir keine Sorgen machst und nicht vollkommen erschöpft oder...verängstigt bist.“
„Keine Sorge, die Träume halten mich vielleicht ein bisschen wach, aber sie...sie machen mir nichts mehr aus, sie jagen mir keine Angst mehr ein, denn ich weiß, dass es nur bedeutungslose Träume sein können. Ich habe mich daran gewöhnt und sie quälen mich nur noch selten so sehr wie früher, um genau zu sein...das ist etwas peinlich es dir wirklich zu sagen, aber...“ Aleyandra begann plötzlich wieder zu lächeln, löste sich von Naruz und setzte sich wieder normal neben ihn. Ihre kurze depressive Phase schien vorbei zu sein, immerhin befand sie sich gerade nicht in einem dieser Träume, sondern bei Naruz, da sollte sie eigentlich glücklich sein und nicht an so etwas denken „Ich hatte diese Träume nie, wenn ich mit dir zusammen war. Es klingt albern, aber in deiner Nähe, habe ich mich immer sicher gefühlt und nicht mehr an meine Vergangenheit oder diesen dunklen Raum gedacht, sondern nur daran mit dir glücklich zu sein. Ich hoffe das hört sich nicht zu dämlich an...“
„Nein, im Gegenteil. Es freut mich, das ich dir helfen kann diese Erinnerungen zu vergessen.“ erwiderte Naruz und strich ihr kurz durch die langen, silbernen Haare, bevor er aufstand „Komm, ich bringe dich nach Hause, es ist bereits spät und wir wollen ja nicht das Saeca sich noch Sorgen um dich macht.“
„W-warte, ich muss dir noch eine wichtige Frage stellen.“ Naruz blickte verwirrt zurück, als er spürte, wie Aleyandra ihn leicht an seiner Uniform festhielt damit er nicht verschwinden konnte. Sie saß noch immer auf der Bank, traute sich aber nicht ihn anzusehen, sondern blickte betreten zu Boden. Sie wollte während dieser Frage nicht sein Gesicht sehen, aus Angst, dort etwas zu entdecken was sie nicht sehen oder wissen wollte, nämlich Ablehnung. „Du musst auch nicht darauf antworten, wenn du nicht willst, aber ich muss dich das einfach fragen, weil ich es wissen muss. Sind...sind wir jetzt wieder zusammen?“
„Ich...ähm, ich weiß es nicht.“ antwortete Naruz ehrlich und musste sich zusammenreißen, als sie ihn enttäuscht losließ und sich versteifte. Er musste daran denken wie verletzlich sie sein konnte, aber er wollte ihr auch nichts vormachen, zumindest im Augenblick, konnte er nicht vergessen was sie getan hatte. Er hatte das Mädchen zwar nicht gekannt, aber alleine die Vorstellung mit jemandem zusammen zu sein der zu so etwas fähig war...es brachte ihn nicht dazu Aleyandra zu hassen, aber machte es ihm schwer sie so zu sehen wie er sie sehen wollte, als die niedliche, unschuldige und vollkommen in ihn verliebte Aleyandra, aber stattdessen musste er viel zu oft an die brutale Mörderin denken, die auch in diesem Mädchen steckte „Ich denke nicht, dass wir glücklich werden können, solange du für Silberblatt und die Kinder Gaias arbeitest, aber du kannst den Orden auch nicht einfach verlassen, dann ziehst du den Zorn der Kirche auf dich. Warum...warum lassen wir nicht vorerst alles so wie es im Moment ist? Wir können uns jederzeit sehen und miteinander ausgehen wenn du willst, aber es wäre am besten wenn wir das vorerst eher als...Freunde tun. Zumindest noch eine Weile, bis sich alles um uns herum wieder etwas beruhigt hat. Du kannst jederzeit zu mir kommen und wir können uns treffen wann immer du willst, also, wenn du das willst, meine ich.“
„Klingt gut.“ erklang es erstaunlich kleinlaut von Aleyandra, die noch immer ihre Augen stur auf die Pflastersteine gerichtet hatte. Sie wusste nicht wirklich was sie sich von ihrer Frage erhofft hatte, aber das war immerhin nicht so schlimm wie erwartet. Alles in allem, konnte sie damit leben, vorerst, zumindest für eine Weile.
„Lass uns gehen.“ lächelnd hielt Naruz ihr seine Hand hin. Aleyandra lächelte wieder und ließ sich von ihm aufhelfen. Sie gingen noch eine Weile schweigend Seite an Seite durch die nächtlichen Straßen von Navea und wenn es nach Aleyandra ging, hätte dieser kleine Spaziergang auch niemals enden können, aber dann sah sie etwas, worauf sie schon den ganze Abend gewartet hatte. Ein Mann mittleren Alters ging an ihnen vorbei. Er trug eine dunkelblaue Uniform und wirkte vollkommen unscheinbar, Naruz zumindest schien den Mann gar nicht zu bemerken, aber Aleyandra fiel wieder ein warum sie diesen Weg Nachhause gewählt hatte. Sie musste leider los.
„Das reicht, Naruz.“ durchbrach Aleyandra plötzlich die Stille und ließ seine Hand los „Den Rest es Weges schaffe ich alleine, es ist sowieso nur noch ein kurzes Stück bis zur Villa der Bladelli von hier aus, also wäre es Zeitverschwendung wenn du mich durch die halbe Stadt bringst und dann wieder den ganzen Weg zurück musst.“
„Hier? Aber wir sind noch ein ganzes Stück von deiner Wohnung entfernt. Es ist spät, du solltest nicht alleine unterwegs sein, immerhin liegt noch die halbe Stadt vor dir und es ist gefährlich. Hat dich Silberblatt nicht vor diesem Wahnsinnigen gewarnt der vor kurzem ein Kind Gaias getötet hat? Was wenn er es als nächstes auf die Lieblingsschülerin des Großmeisters abgesehen hat und dir auflauert?“
„Keine Sorge, ich finde den Weg schon alleine und vor Dieben oder irren Mördern habe ich sicher keine Angst, die sollten eher Angst vor mir haben.“ Aleyandra ging zögerlich einen Schritt näher auf ihn zu und dachte eigentlich daran ihn zum Abschied zu küssen, aber dann fielen ihm seine Worte wieder ein und sie beließ es bei einem Kuss auf die Wange, um nicht zu übereifrig zu erscheinen, brachte Naruz allerdings damit nur dazu verwirrt zu blinzeln „G-gute Nacht, Naruz und danke für den schönen Abend.“
„Gute Nacht.“ verabschiedete sie Naruz und blieb ein bisschen verwirrt und verloren auf der Straße stehen. Er hätte nicht gedacht das sie es plötzlich so eilig hatte zu verschwinden, nicht nachdem sie den ganzen Abend so an ihm hing und ihn fast erwürgt hatte. Kaum war sie außer Sicht, begann sie zu rennen und verschwand in einer naheliegenden Gasse. Sie rannte einen Bogen, um den Mann in der dunkelblauen Kleidung noch abzufangen, sie wusste immerhin wo er hin wollte. Für Aleyandra, war damit der schöne Teil des Abends vorbei und sie musste sich wieder auf ihre Arbeit für die Kirche konzentrieren. Ihr neuer Auftrag lautete zwei Verräter innerhalb der Kirche auszuschalten. Man ging davon aus, dass sie von der Yggdrasil Republik bestochen wurden. Es waren ehemalige Offiziere der kirchlichen Streitmacht, die jetzt nur noch Verwaltungsaufgaben erledigten. Männer, die Informationen an die Alfar weiterleiteten und bereits mehrere Operationen der Templer zunichte gemacht hatten. Viele Templer und Soldaten waren in letzter Zeit gestorben, weil sie in Fallen der Alfar rannten, obwohl sie eigentlich Fallen und Hinterhalte aufstellen sollten. Kein Überraschungsangriff in letzter Zeit hatte Erfolg und irgendwann hatte das die Aufmerksamkeit der Kirche erregt. Laut Silberblatt und dem Erzbischof, stand die Schuld der beiden Männer bereits fest, aber es fehlten die Beweise um sie vor Gericht zu stellen. Also sollten sie unauffällig beseitigt werden, damit sparte man Zeit und musste sich nicht lange mit den Verrätern herumärgern. Nach einigen Minuten, wurde sie langsamer und ging gemütlich die Straße vor sich entlang. Schon nach wenigen Augenblicken kam ihr der Mann entgegen, er blinzelte kurz verwirrt, als er sie schon wieder sah, entschied sich dann aber dafür nicht weiter darauf zu achten.
„Guten Abend, wie geht es Euch?“ fragte Aleyandra ihn sanft und drückte die weiße Stoffkatze dabei fest an sich. Tatsächlich blieb er stehen, um ihr zu antworten, vermutlich wäre jeder stehengeblieben, sie sah ihn gerade einfach viel zu niedlich an.
„Gut, vor allem nachdem ich Euer Lächeln gesehen habe.“ antwortete er freundlich und musterte sie kurz „Hat Euer Freund Euch etwa nicht nach Hause gebracht? Soll ich Euch vielleicht begleiten? Die Straßen sind Nachts gefährlich für eine junge, schöne Lady.“
„Oh, keine Sorge, ich kann auf mich aufpassen.“ Aleyandra lächelte ihn freundlich an und verschränkte unschuldig die Hände hinter dem Rücken, um möglichst harmlos zu wirken.
„Wie Ihr meint.“ war alles was der Mann noch dazu sagte, dann versuchte er an ihr vorbeizugehen, aber dazu sollte es nicht kommen. Kaum befand er sich neben ihr, schnellte sie vor und packte mit der einer Hand seinen Hinterkopf. Er überwand seine Überraschung erstaunlich schnell, aber das nutze ihm nichts mehr. Mit der Kraft und Schnelligkeit einer Botschafterin Gaias konnte er nicht mithalten. Sie packte seinen Kopf so fest sie konnte und rammte ihn mit aller Kraft gegen eine der Häuserwände entlang der Straße. Schon beim ersten mal, hörte sie seinen Schädel knacken und der zweite Schlag beendete seine verzweifelten Versuche sie abzuwehren endgültig. Sein Körper erschlaffte, er hörte auf zu atmen und seine Augen wurden stumpf, während ihm das Blut aus den Ohren floss. Aleyandra ließ den Toten zu Boden sinken, den Blick kurz auf das Blut an der Wand gerichtet. Wenn Naruz sie so sehen konnte, wäre er sicher schockiert zu sehen, wie leicht es ihr fiel zu töten, aber nach dem was mit Yuki passiert war, kam ihr das hier nicht wirklich schlimm vor, eher harmlos, also verdrängte sie den Gedanken daran wieder. Aleyandra durchsuchte seinen Mantel, bis sie die Börse des Mannes fand und nahm den Inhalt an sich, damit es mit etwas Glück nur wie ein Raubüberfall aussah. Silberblatt hatte ihr geraten keine große Aufmerksamkeit zu erregen und lieber auf ihre Pistolen und Zauber zu verzichten, sondern es simpel zu halten. Die Toten sollten keine allzu große Aufmerksamkeit erregen und das würden sie auch nicht. Es wurden jede Nacht mehr als genug Menschen in Navea ausgeraubt und hin und wieder auch getötet, einer mehr, würde nicht weiter stören. Sie gähnte kurz und bemerkte wieder, wie müde sie eigentlich war, es wurde Zeit ins Bett zu gehen. Einer war damit erledigt, blieb nur noch ein weiteres Ziel und dann, konnte sie sich wieder voll und ganz auf Naruz konzentrieren.



In der Zwischenzeit befand Naruz sich bereits kurz vor dem Anwesen der Bladelli, aber in Gedanken war er noch immer bei Aleyandra. Erst als vor ihm gleißendes, blendendes Licht erschien, schreckte er aus seinen Überlegungen auf. Eine helle, blaue Flammensäule schlug direkt vor ihm in die Straße ein und hinterließ einen kleinen Krater in den Pflastersteinen. Sofort wanderte Naruz Hand an seine Hüfte, aber er hatte seine Schwerter nicht dabei. Wer rechnete schon damit mitten in Navea angegriffen zu werden? Hastig sah er sich um und es war nicht schwer den Angreifer zu entdecken, denn er stach aus der dunklen Nacht deutlich hervor. Auf einem nahen Dach stand eine Gestalt in einer silbernen Rüstung, die in einem der vorherigen Kapiteln schon zur Genüge beschrieben wurde und er reckte Naruz herausfordernd ein, mit roten Runen verziertes, Schwert entgegen. Aus den Sehschlitzen seines Helmes leuchtete es rot hervor und er wusste sofort woran es ihn erinnerte. So leuchteten die Augen Aleyandras, wenn sie ihrem Blutdurst verfiel und an nichts anderes mehr denken konnte als an den Kampf und die völlige Vernichtung ihrer Feinde
„Du bist also der Verrückte, der es wagt Hand an die Prinzessin des Mondlichts zu legen.“ immerhin war die Stimme die hinter dem Helm erklang männlich, was Naruz sehr beruhigte, er hatte kurz schon befürchtet das Aleyandra vielleicht wieder einen ihrer Aussetzer hatte „Ich verlange im Namen Serenas, dass du deine dreckigen Finger von Aleyandra Moraevion lässt. Du besudelst ihre Reinheit, ihre Schönheit und ihr strahlendes Licht mit deiner wertlosen Existenz, Sterblicher. Ihr göttliches Blut ist zu rein um sich mit deinem zu vermischen, such dir eine sterbliche Frau mit der du dich im Dreck wälzen kannst, Unwürdiger.“
„Oh toll, noch einer von der Sorte...“ murmelte Naruz genervt, als er hörte, dass es um Aleyandra ging, für so eine Diskussion war er gerade in der richtigen Stimmung, genau das was er gebraucht hatte, ein Irrer der sich anscheinend gerne verkleidete und auf Aleyandra stand, Silberblatt war ja noch nicht genug gewesen „Willst du dich auch unbedingt in meine Beziehung einmischen? Wenn ja, musst du dich hinten anstellen, der andere Mistkerl war zuerst da.“
„Du bist kein Kind des Mondlichtes, kein Erbe von Serena und Asturian, dein Haar, deine Augen, deine ganze Erscheinung, sind so lächerlich und gewöhnlich. Wie kannst du es wagen dich überhaupt mit einer Erbin göttlichen Blutes einzulassen? Sie überhaupt anzusprechen? Man sollte dir die Augen ausstechen, dafür das du es gewagt hast sie anzusehen!“
„Wenn ich mir die Haare weiß färbe, verschwindest du dann und lässt mich in Ruhe?“ fragte Naruz gelangweilt, aber anstatt zu antworten, hob der Unbekannte sein Schwert und ließ direkt vor Naruz eine weitere Flammensäule in den Boden einschlagen „Habe ich auch nicht erwartet.“
„Schlechte Witze werden dein Leben auch nicht retten, Sterblicher. Ich werde dich vernichten, für die Frechheit Hand an eine reine Seele des Mondes zu legen und ihr die Unschuld zu rauben.“ Kaum hatte er ausgeredet, als der Fremde auch schon auf ihn zusprang und versuchte ihn mit dem Schwert in zwei Hälften zu teilen. Naruz rührte sich nicht von der Stelle, sondern lächelte nur kurz. Das Schwert mit den eigenartigen Runen sollte ihn nie erreichen, denn er brauchte nur ein einziges Wort zu sagen, um den Angriff zu stoppen.
„Sigrun“ flüsterte er und sofort erschien die Valkyre zwischen ihm und dem Angreifer. Ihr Speer lenkte den Schwerthieb ab und der Unbekannte zog sich auf ein Dach zurück, um seinen neuen Gegner zu betrachten. In der Zwischenzeit händigte das Eidolon ihrem Botschafter seine beiden Schwerter aus, mehr brauchte er nicht um diesen Kampf zu gewinnen. „Danke, Sigrun. Den Rest schaffe ich alleine, du kannst wieder gehen.“
„Seid Ihr euch sicher, Botschafter? Ich kann spüren das etwas seltsam ist an diesem Gegner, ich glaube es wäre besser wenn ich...“
„Ich brauche keine Hilfe um dieses lästige Glühwürmchen zu besiegen. Damit werde ich alleine fertig.“ sofort verschwand Sigrun ohne ein weiteres Widerwort und ließ ihn alleine mit dem Wahnsinnigen zurück. Eine weitere Flammensäule schlug ein, aber diesmal zielte der Unbekannte ganz bewusst auf Naruz, um ihn in den bläulichen Flammen vergehen zu lassen. Naruz löste die Zauberformel auf und das eigenartige Feuer verschwand, auch wenn es sich eigenartig anfühlte diese Runen aufzulösen, sie fühlten sich seltsam vertraut an. Doch viel Zeit blieb ihm nicht um darüber nachzudenken, denn der Angreifer erkannte dass er mit Magie nicht weiter kommen würde und sprang auf Naruz zu. Er blockte den Hieb des leuchtenden Schwertes und erkannte sofort seinen Fehler, als er ungelenk einige Schritte zurück stolperte. Der Angreifer besaß viel zu viel Kraft um so etwas noch einmal zu versuchen. Selbst die Angriffe nur zu blocken ließ Naruz Körper bereits erzittern als würde er von einem gewaltigen Hammer getroffen, also verlegte er sich aufs Ausweichen. Geschickt duckte Naruz sich unter einem Angriff hinweg, wartete noch einen weiteren Schlag ab, dem er ebenfalls leicht entging und stach dann blitzschnell zu. Zufrieden spürte er wie seine Klinge auf Widerstand traf und sich in die Brust des Fremden bohrte. Seine Schnelligkeit hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Er wollte schon triumphierend lächeln und sich über seinen erstaunlich leichten Sieg freuen, aber der Fremde schien sich von dem Schwert in seinem Körper nicht beeindrucken zu lassen. Die Rüstung des Unbekannten leuchtete hell auf, hüllte ihn in grelles, silbernes Licht ein und irgendwie wurde er plötzlich selbst zu einer Art Nebel aus Licht. Das silberne, dem Mond so ähnliche, Licht, schwebte ein paar Meter von Naruz weg und verfestigte sich dann wieder zu dem Angreifer. Dort wo eigentlich ein Loch in seiner Brust klaffen sollte, befand sich nicht einmal ein Kratzer, sondern die Oberfläche der Rüstung wirkte so glatt und makellos wie zuvor.
„Die Macht der Liebe und des Mondes ist stärker als die des Schwertes. Noch bevor diese Nacht vorbei ist, wird Aleyandra mir gehören und deine Leiche in der Gosse verfaulen.“ erklang es überheblich von dem Fremden, in dessen Stimme eine Leidenschaft brannte, durch die es wirklich so klang, als wäre es sein aller größtes Ziel Aleyandra aus Naruz Klauen zu retten. Naruz betrachtete in der Zwischenzeit die Rüstung genauer und war sofort gefangen von dem dichten Runengeflecht, das sich von allem unterschied was er bisher gesehen hatte und mit dem er absolut nichts anfangen konnte. Der Zauber war selbst für ihn viel zu komplex um ihn einfach auf die Schnelle zu entschlüsseln und zu analysieren. Mit ein paar Wochen, oder eher Monaten, Zeit könnte er es vielleicht irgendwann schaffen, aber irgendetwas sagte ihm das der Fremde keine Lust hatte so lange zu warten. Vorsichtig versuchte Naruz den Zauber nicht zu verstehen, sondern ihn einfach zu verändern. Je komplexer ein Zauber war, desto leichter ließ er sich selbst von kleinsten Veränderungen vernichten. Er musste nur eine einzige Rune in dem magischen Geflecht ändern und schon würde alles in sich zusammenfallen. Kurz tat es ihm leid so einen besonderen Zauber zu vernichten, aber er hatte keine große Wahl wenn er den Fremden loswerden wollte. Schnell erschuf er eine Rune inmitten des magischen Gewebes und anfangs wirkte es auch so als würde es funktionieren. Er wollte schon lächelnd wieder zum Angriff übergehen, aber dann verschlang die Rüstung seine Rune einfach, nahm seinen Zauber in die Formel auf und veränderte sich, bis seine Rune ein Teil der Rüstung wurde und nicht mehr störte. So etwas ähnliches hatte er schon einmal erlebt, bei Mizores Schwert, das sich ebenfalls an seine Veränderungen anpassen konnte. Sein Auge begann langsam zu schmerzen, je länger er den Zauber betrachtete, so etwas hatte ganz sicher kein Mensch gewirkt, niemals.
„Dachtest du es wäre so einfach zu vernichten was eine Göttin erschuf? Gaia selbst wirkte die Zauber, die diese Rüstung umgeben, sie besteht einzig und alleine aus der Macht einer Göttin. Die Rüstung der Mondkinder ist einzigartig, sie ist einer der größten Schätze Vo Astur´s und deine Versuche ihre Magie zu vernichten, sind einfach nur sinnlos “ Bevor Naruz noch die Gelegenheit erhielt es ein weiteres Mal zu versuchen, verwandelte die Rüstung sich wieder in gleißend helles Licht und raste auf Naruz zu. Plötzlich, verblasste das Licht. Ein paar Meter vor ihm verschwand es und der Fremde stand ganz normal vor ihm. Der Glanz der Rüstung hatte etwas nachgelassen, das Licht flackerte leicht. Sofort blickte der Angreifer zum Himmel hinauf und stieß einen Fluch aus. Wolken. Es hatten sich ganz einfach Wolken vor den Mond geschoben und verdeckten sein Licht, was Naruz immerhin genug Zeit bot um sein Schwert zu heben. Vielleicht konnte er jetzt endlich Schaden bei seinem Gegner anrichten, aber dazu erhielt er keine Gelegenheit mehr.
„Meine Zeit, ist im Moment leider abgelaufen. Betrachte das als Warnung, Unwürdiger, und meide die Tochter der Göttin in Zukunft.“ Der Fremde sprang wieder auf das Dach und seine roten Augen leuchteten ihn voller Hass aus den Sehschlitzen heraus an. Er hätte ihn so gerne umgebracht, aber die Zeit arbeitete gegen ihn, die Zeit und leider auch der Mond selbst. Serena konnte ihm die Macht der Rüstung jederzeit nehmen, wenn er sie zu sehr verärgerte und er glaubte nicht an einen Zufall was die Wolken anging. Das Mondeidolon versuchte ihn auszubremsen, ausgerechnet jetzt hatte Serena sich dazu entschieden ihn zu stoppen, das war ärgerlich. Während er noch nachzudenken schien begann die Rüstung immer heftiger zu flackern. Das silberne Strahlen war längst erloschen und zu einem abgestumpften Grau geworden, die Pracht der seltsamen Rüstung verschwand nach und nach je länger sie ohne das Licht des Mondes auskommen musste, fast als hätte sie das Licht in sich aufgesogen und war jetzt ohne dieses Licht nutzlos. „Wenn wir uns noch einmal begegnen, werde ich dich töten und deine Seele im heiligen Licht Serenas reinigen.“ Dann löste der Ritter sich einfach auf, verschmolz mit der Dunkelheit der Nacht und verschwand spurlos. Abgesehen von den paar Kratern im Boden, deutete nichts mehr auf seine Existenz und ihren Kampf hin.
„Allmächtig...von wegen.“ murmelte Naruz und lehnte sich an die Wand des Anwesens, während er froh war den Fremden los zu sein, er wusste nicht wie lange er gegen diese eigenartige Macht noch durchgehalten hätte „Du willst nur nicht zugeben, dass dein dämlicher Haufen Silber gerade von einer Wolke besiegt wurde.“ versuchte Naruz den Kampf ein bisschen ins Lächerliche zu ziehen, aber in seinen Gedanken machte er sich Sorgen darüber wer der Angreifer in der silbernen Rüstung sein konnte und vor allem, was er mit Aleyandra zu tun hatte und wie er gegen so etwas kämpfen sollte. Es schien fast so, als würde diese Rüstung keinerlei Schwächen im Kampf besitzen, außer das sie das Licht des Mondes zu brauchen schien. Also sollte er vielleicht versuchen den Mond zu zerstören und in die Luft zu jagen...ein Gedanke, der ihn immerhin zum Lächeln brachte. Er versuchte noch eine Weile darüber nachzudenken, ob er den heutigen Tag als gut, oder eher ausgesprochen nervig einstufen sollte. Auf der einen Seite, waren da die zwei Wahnsinnigen, die es sich unbedingt in den Kopf gesetzt hatten ihm auf den Geist zu gehen, aber auf der anderen Seite, hatte er immerhin einen schönen Abend mit Aleyandra verbracht. „Ich hatte schon schlimmere Tage.“ stellte er nach einer Weile fest und beschloss das ganze ein bisschen optimistischer zu sehen. Wenigstens waren keine Alfar, Dämonen, irre Wissenschaftler oder Schattenritter aufgetaucht, also alles in allem irgendwie ein ganz normaler Tag für ihn.



Lyaena saß auf ihrem viel zu großen Bett in ihrem Zimmer und hatte die Arme um ihre Beine geschlungen, während sie düster vor sich hin ins Nichts starrte. Nach dem Essen mit den Bladelli, waren sie in das Anwesen der Akashi zurückgekehrt, alle, bis auf Teregion natürlich, denn der hatte irgendetwas von Arbeit gemurmelt und sich wieder in das Hauptquartier seines Ordens verzogen. Langsam aber sicher kam bei ihr der Verdacht auf, dass er einfach nur nicht mit ihr alleine sein wollte, immerhin war es inzwischen fast ein Jahr her, dass sie miteinander geschlafen hatten. Gut, davon hatten sie sich über zehn Monate nicht gesehen, aber in den letzten Wochen hatte es trotzdem mehr als genug Gelegenheiten gegeben um Zeit miteinander zu verbringen. Er musste sich ja nicht gleich voller Leidenschaft auf sie stürzen, die Erwartung hatte sie inzwischen eh verworfen. Es würde ihr schon reichen wenn er sie einfach in den Arm nahm und küsste, oder sie überhaupt beachtete, aber dazu kam es auch nicht. Während sie ihren düsteren Gedanken nachhing, saß Teleya neben ihr auf dem Bett. Sie hatte sich an sie gekuschelt und wirkte dabei wie eine niedliche, kleine Katze, die sich wohl fühlte.
Eigentlich wollte sie einen angenehmen Tag mit ihm verbringen und anfangs wirkte es auch so, als ginge ihr Plan auf. Die Bladelli und anderen Bewohner der Villa waren sehr höflich gewesen, das Essen gut und nach einer Weile fühlte sie sich sogar in der Gesellschaft ihrer angeblichen Feinde wohl. Vor allem Teleya hatten alle sofort ins Herz geschlossen und vielleicht bewirkte der Besuch ja zumindest etwas bei Paolo und seiner Enkelin, damit sich die Beziehungen zwischen ihren Familien wieder beruhigten. So viel zur Bladelligeschichte...aber ihr eigentliches Problem, hatte der kleine Ausflug auch nicht lösen können. Silberblatt war den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen sie zu ignorieren, stattdessen hatte er sich in der Bibliothek der Villa verkrochen und sie nicht weiter beachtet. Wenigstens zum Essen war er dann zu ihnen gekommen, hatte aber nicht viel geredet. Nur hin und wieder hatte er kurz und knapp auf ein paar Fragen von Paolo geantwortet, sich aber sonst aus den Gesprächen herausgehalten und nur ungeduldig darauf gewartet endlich verschwinden zu können. Abgesehen von seinem Verhalten, war es kein schlechter Abend gewesen, auch wenn er etwas...abrupt endete, als Naleya bemerkte das ihre Schwester Schokolade verstecken wollte. Sofort hatten sich die junge Vaas und Teleya gegen die ältere Hexe verbündet und etwas begonnen das als magischer Kampf begann und als eine Art...Kissenschlacht endete, nur mit Büchern. Sobald Teleya und Naleya merkten das selbst ihre gebündelten magischen Kräfte es nicht mit Aynaeth aufnehmen konnten, hatten sie begonnen mit Büchern zu werfen, und die arme Hexe durch die ganze Bibliothek gejagt. Alles in allem hatten sie ein ziemliches Chaos angerichtet, aber weder Paolo noch Anya schienen das ihrer Schwester übel zu nehmen, sondern hatten sich die wilde Hetzjagd interessiert angesehen.
„Er hat mich den ganzen Abend kein einziges mal beachtet.“ flüsterte Lyaena plötzlich, mehr zu sich selbst als zu ihrer Schwester, die noch immer über ihre blauen Flecken und Schrammen jammerte, die sie sich bei dem Kampf mit der Hexe zugezogen hatte „Teregion hat mich einfach ignoriert, so wie er es schon die ganze Zeit tut. Was mache ich falsch? Warum hasst er mich so? Ich versuche doch nur, ihm zu gefallen, das ist alles. Ich will nur, dass er mich genauso liebt wie ich ihn und ich dachte immer, das er das auch tut.“
„Du darfst nicht so hart zu ihm sein, Onee-chan.“ verteidigte Teleya ihren Cousin sofort „Erinnerst du dich nicht mehr wie schön es immer war, wenn er uns besuchen kam? Er war immer nett zu uns. Ohne ihn, wären wir auf dem Anwesen vor Langeweile gestorben, immerhin durften wir sonst mit niemandem reden. Es ist schließlich unter der Würde einer Akashi sich mit Dienern anzufreunden oder sie überhaupt zu beachten...“
„Ich ähm...darüber habe ich noch nie so wirklich nachgedacht.“ Lyaena sah ihre Schwester überrascht an, so niedergeschlagen hatte sie die Kleine schon lange nicht mehr erlebt und ihr ging erst jetzt auf, das Teleya seit Yukis Verschwinden und ihrem Auszug, ganz alleine auf dem Landgut im Süden leben musste, nur umgeben von Dienern die sie ignorieren sollte, außer um ihnen Befehle zu geben.
„Ohne Teregion, war es dort immer schrecklich und langweilig. Ich bin froh ihn wiederzusehen. Weißt du nicht mehr wie er uns immer mit seinen schönen Geschichten zum Lachen brachte und mit uns gespielt hat? Er war in dieser Zeit immer für uns da, dabei hätte er uns auch einfach ignorieren können, aber das wollte er nicht. Die einzigen schönen Erinnerungen die ich habe, sind die an ihn, naja, und natürlich an dich und Yuki, aber das zählt nicht.“ stellte Teleya fest und zumindest ihrer Meinung nach übertrieb sie es damit nicht einmal. Für sie war es immer ein ganz besonderes Erlebnis gewesen wenn Teregion sie besuchen kam und auch für Yuki und Lyaena, deswegen verstand sie die Zweifel ihrer Schwester auch einfach nicht. Wie konnte jemand so mies gelaunt sein dessen größer Traum in Erfüllung ging? Sie durfte Teregion heiraten und ab da, wäre dann jeder Tag mit ihm so toll und besonders wie seine Besuche! Teleya dagegen, würde nach der Hochzeit vermutlich auf das langweilige Landgut zu ihren noch langweiligeren Lehrern zurückkehren.
„Du bist noch viel zu jung um das zu verstehen, Teleya. Ein Mensch besteht nicht nur aus einem netten Lächeln, aufregenden Geschichten und wundervollen Zaubern, das alles, hat nichts damit zu tun wie ein Mensch wirklich ist, was er wirklich ist.“ Lyaena versuchte zu lächeln und drückte ihre Schwester fester an sich, fast als wäre sie eine Art Rettungsring, das einzige was zwischen ihr und der Verzweiflung stand, denn so gerne hätte sie Teleyas Verteidigung glauben geschenkt, aber das konnte sie nicht mehr, nicht seit sie Teregion mit diesem Kind Gaias erwischt hatte. Damit hatte er die ganze schöne Zeit ausgelöscht und nichts als Asche von ihren schönen Erinnerungen zurückgelassen. „Irgendwann wirst du das auch noch merken.“
„Nein, das werde ich sicher nicht, denn ich weiß, dass er ein guter Mensch ist, auch wenn er sich im Moment etwas seltsam verhält.“ wehrte Teleya sofort ab und wirkte fast schon ein wenig beleidigt, weil ihre Schwester ihr nicht zuhören wollte und sich einfach nicht von dieser miesen Laune abbringen ließ
„Wenn du meinst.“ murmelte Lyaena eine kurze Antwort und befand sich in Gedanken bereits wieder weit weg. Teregion war nicht ihr einziges Problem, da gab es auch noch den vollkommen weggetretenen Bladelli. Sie hatte seit ihrem Besuch bei Luca sehr oft an ihr Gespräch gedacht, an das, was sie jetzt über seine Vergangenheit wusste. Er hatte getan, was die Kirche von ihm verlangte und er war das, was diese Zeit aus ihm gemacht hatte. Auf sie wirkte er inzwischen nicht mehr wie jemand, der viel Freude am Töten empfand. Am Kämpfen vielleicht, aber nicht daran unschuldige Leben auszulöschen und vermutlich tat ihm das was im Lagerhaus passiert war inzwischen leid. Er wusste immerhin jetzt, dass der Mörder noch immer gesund und munter herum lief und das machte ihn fertig. Er hatte gehofft hier im Süden endlich in Frieden leben zu können, aber der Mörder musste seine Hoffnungen zerstören, da verstand sie sein Verhalten und auch wenn sie es nicht wollte, empfand sie langsam doch so etwas wie Respekt für ihn. Luca ging mit seiner Vergangenheit und seiner Herkunft ganz offen und ehrlich um. Er verschwieg den Verrat seiner Mutter an der Kirche nicht und auch nicht was er alles getan hatte um sich als treuer Diener der Kirche zu beweisen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Verlobten, der nicht einmal mit ihr über seine Eltern und deren Verrat reden wollte. Luca erzählte einer vollkommen Fremden alles über sich selbst, aber ihr eigener Verlobter hatte nichts weiter als Geheimnisse und immer wenn sie glaubte ihn endlich durchschaut zu haben, entdeckte sie irgendwann nur wieder neue Geheimnisse. Würde sie ihm wirklich etwas bedeuten, würde er ehrlich zu ihr sein. Doch auch Luca hatte ihr nicht alles erzählt, sie wusste noch immer nicht was aus seiner Einheit und den beiden Mädchen geworden war. Andererseits, sie war eine vollkommen Fremde für ihn, warum sollte er ihr sein Herz ausschütten? Trotzdem dachte sie darüber nach ihn vielleicht noch einmal zu besuchen, er war interessant und immerhin jagte er sie nicht sofort davon, ganz im Gegensatz zu ihrem Verlobten.
„Ach ja, das hatte ich vollkommen vergessen!“ riss Teleya sie plötzlich mit einem lauten Aufschrei aus ihren Gedanken und drehte ihr das Gesicht zu, während sie aufgeregt drauf los redete, ihre Stimme überschlug sich dabei vor lauter Aufregung und sie redete viel zu schnell für Lyaena „Der Überfall auf dem Weg hierher und die ganze Aufregung...da habe ich alles vergessen was ich dir sagen sollte! Tut mir leid, aber es ist so viel passiert und ich musste an Saeca denken und mit Naleya reden und dann irgendwie ist alles...“
„Schon gut, schon gut, beruhige dich und sag mir einfach was du vergessen hast.“
„Vater ist unterwegs hierher. Er ist schon vor einer Weile von der Front im Norden abgereist, um sich um den Streit den Bladelli und die Hochzeitsvorbereitungen zu kümmern.“
„E-er kommt jetzt schon?“ stotterte Lyaena drauf los und spürte, wie ein kalter Schauer ihren ganzen Körper überlief, sie war noch nicht bereit dafür, sie brauchte mehr Zeit „Wann trifft er hier ein?“
„Vater wird in mhm, lass mich mal kurz überlegen.“ Teleya legte sich einen Finger an den Mund und dachte angestrengt nach „Ähm, ich denke er müsste in etwa einer Woche hier eintreffen, vielleicht auch nur vier oder fünf Tage...rechnen war nie meine Stärke, aber ist ja auch egal, wichtig ist nur, dass er bald hier ist!“
„Ja...toll.“ presste Lyaena hervor und wusste nicht wie sie mit dieser Nachricht umgehen sollte. Ihr Vater hatte mehr als deutlich gemacht, dass er auf dieser Hochzeit bestand und Lyaena die Position als Oberhaupt der Familie kein bisschen zutraute. Sie stimmte ihm dabei sogar zu, sie war viel zu weich, um die Familie zu führen. Wie sollte sie die Akashi in die Schlacht führen wenn die Lage im Norden sich weiter zuspitzte? Die Sabotageaktionen der Kirche, hatten auf lange Sicht nicht viel an der Seehoheit der Alfar geändert und die Spione der Spitzohren drangen immer weiter nach Süden vor. Lyaena bekam einiges von diesen Dingen mit, viel mehr als ihr eigentlich lieb war, aber als Erbin der Akashi, musste sie auf dem Laufenden bleiben, wenn es um den drohenden Krieg gegen den Norden ging. Immerhin musste sie eines Tages die Truppen der Akashi befehligen, ein Gedanke, der sie jetzt schon in den Wahnsinn trieb. Sie konnte kaum ein Schwert halten und ihre magischen Kräfte reichten vielleicht gerade so aus um sich als Straßengaukler auszugeben, aber mehr nicht. Ein Argument mehr, das für ihre Ehe mit Teregion sprach. Er konnte kämpfen, das wusste sie und er war darin deutlich begabter als sie. Dazu kam das seine Kinder Gaias die wichtigste Waffe gegen die Spione der Alfar darstellten. Immer mehr Alfar versuchten die verschiedenen Völker Süd-Midgards gegen die Menschen und die Kirche aufzubringen. Die Zwerge ignorierten diese lächerlichen Versuche, aber bei anderen Stämmen und Völkern des südlichen Kontinents, trafen die Worte der Alfar auf fruchtbaren Boden. Vor allem die Makar, die Löwenmenschen, befanden sich in letzter Zeit mehr und mehr in Aufruhr. Ausgerechnet die Makar, welche die zweite Verteidigungslinie des Reiches bildeten und deren Land sich bis zu den Grenzbefestigungen im Norden erstreckte. „Was ist mit dem Norden? Er kann seine Männer doch nicht einfach alleine lassen. Sie brauchen ihn, immerhin befindet sich eine ganze verdammte Festung unter seinem Befehl! Da kann er doch nicht einfach so alles stehen und liegen lassen!“
„Was ist denn los mit dir Lyaena? Freust du dich etwa nicht ihn zu sehen?“ Unsicherheit schwang in Teleyas Stimme mit, als sie mit der Reaktion ihrer Schwester nicht viel anfangen konnte „Er ist jetzt seit zwei Jahren im Norden und der Erzbischof hat ihm Urlaub gegeben, was ist so schlimm daran?“
„Tut mir leid, ich ähm, ich war nur überrascht von der tollen Neuigkeit, das ist alles. Ich dachte eigentlich, dass er erst in ein paar Monaten kommen könnte, sobald sein Kommando ausläuft und er sich sowieso zur Ruhe setzt.“
„Ja, das wollte er auch. Aber man hat ihm erlaubt seinen Posten schon früher zu verlassen, sein Brief kam kurz vor meiner Abreise an und da hat er versprochen sich in Navea mit uns zu treffen.“
„Eine Woche...“ Wenn ihr Vater erst einmal um sie und Silberblatt herumschlich, durfte sie sich keinerlei Zweifel mehr erlauben. Er würde es bemerken, wenn sie an etwas anderes als Teregion dachte, er bemerkte immer alles, deswegen fürchtete selbst Teregion ihn und hatte es in den letzten Jahren vermieden Kyosuke Akashi über den Weg zu laufen. „Nur noch eine Woche, dann gibt es kein zurück mehr und die Hochzeit steht endgültig fest.“
„Was ist so schlimm daran? Ich an deiner Stelle würde am liebsten schon gleich morgen heiraten, oder am besten noch heute!“ rief Teleya aufgeregt und ließ sich von der Neuigkeit mehr begeistern als ihre Schwester, fast so, als wäre sie es die bald vor den Altar treten würde.
„Ja, du hast recht. Ich warte seit fünf Jahren auf diesen einen Augenblick und es ist lächerlich das ich mir jetzt so viele Gedanken mache. Es wir alles gut werden, das weiß ich.“ Lyaena beruhigte sich etwas, aber stand noch immer völlig neben sich. Ausgerechnet jetzt, wo immer mehr Zweifel an der Hochzeit aufkamen musste ihr Vater zurückkehren. Noch zwei oder drei Monate und sie hätte es vielleicht geschafft herauszufinden ob Teregion sie wirklich liebte. Sie versuchte sich seinen Antrag wieder in Erinnerung zu rufen. Als er sie damals mitten in der Nacht aus ihrem Zimmer praktisch entführte und in den Garten brachte. Das hatte er oft getan, schon seit er das erste mal zu ihnen gekommen war. In dem Garten hatten sie sich zum ersten mal geküsst, zum ersten mal geliebt und dort, unter dem Licht des Mondes, hatte er ihr einen Antrag gemacht. Es war der glücklichste Moment ihres Lebens gewesen und sollte eigentlich helfen, damit sie sich wieder beruhigte, es hatte bisher immer geholfen an diesen Augenblick zu denken. Doch statt zu verstummen, wurden die zweifelnden Stimmen in ihrem Kopf nur noch lauter und drängender. Die Zweifel würden nur verschwinden, wenn Teregion sich endlich wieder so liebevoll benahm wie früher, aber sie bezweifelte, das sich ihre Hoffnungen in der Hinsicht erfüllen würden. Er wirkte vollkommen ausgewechselt. Der Teregion zu dem sie ja gesagt hatte, war freundlich und voller Liebe gewesen, er hätte sie niemals betrogen und würde sie auch nicht eiskalt ignorieren. Aber vielleicht hatte es diesen Teregion niemals gegeben und es war nur eine Fassade gewesen um sie einzuwickeln. Vielleicht heiratete er sie ja wirklich nur, um Oberhaupt der Akashi zu werden. Die Hochzeit ließ sich jetzt kaum noch aufhalten, dafür würde ihr Vater sicher sorgen, also musste Teregion sich auch keine großen Sorgen mehr darum machen, das Lyaena es sich doch noch anders überlegte.
Zuletzt geändert von Vanidar am 12. August 2014 23:06, insgesamt 6-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 28. Juli 2014 19:57

31. Das Dangofressende Monster der Bladelli (Öffnen)
Kapitel 31 – Das Dangofressende Monster der Bladelli:


Wieder stand Lyaena vor dem heruntergekommenen Haus, in dem Luca Bladelli wohnte, und klopfte an. Es war bereits am Nachmittag, und sie war äußerst schlecht gelaunt. Eigentlich hatte sie heute etwas mit Silberblatt unternehmen wollen, der hatte sie jedoch einfach abgewimmelt und seine Arbeit vorgeschoben, um sie nicht sehen zu müssen. Aus Wut war sie einfach eine Weile durch Navea gegangen, ohne darauf zu achten, wohin ihre Beine sie trugen, bis sie schließlich stehen blieb und merkte, dass sie sich bei den Schmieden im Handwerkerbezirk befand, mit anderen Worten, so ziemlich am anderen Ende der Stadt, von der Villa ihrer Familie aus gesehen. Anstatt sofort nachhause zu gehen, hatte sie sich noch eine Weile bei den Schmuckhändlern in der Nähe umgesehen, und hatte gehofft sich so auf andere Gedanken zu bringen. Während sie sich im Laden umgesehen hatte, fiel ihr wieder ein, dass Luca ja ganz in der Nähe wohnte, also hatte sie beschlossen, dem Bladelli noch einmal einen Besuch abzustatten. Immerhin hatte sie eh mit dem Gedanken gespielt, noch einmal mit ihm zu reden, und vielleicht würde er ihr ja ein wenig mehr über seine Zeit im Norden erzählen, oder über seinen Bruder. Ehrlich gesagt war es Lyaena ziemlich egal, worüber er reden würde, solange er sie damit von Silberblatt ablenkte. Nun, so war zumindest der Plan, aber damit das klappte, müsste er erst einmal die Tür öffnen. Lyaena stand nun bereits fünf Minuten vor dem Haus, und niemand öffnete, so langsam glaubte sie, dass Luca gar nicht zuhause war, sondern sich irgendwo anders rumtrieb... was sie sofort beunruhigte, immerhin war nicht gesagt worden, dass er nicht weiterhin versuchen würde, den Mörder auf seine eigene Art zu fangen. Gerade als sie gehen wollte, erschien eine Gestalt neben Lyaena, und blinzelte sie überrascht an. Es war eine äußerst blasse, junge Frau, mit gelben Augen, die einen dunkelgrünen Kapuzenmantel trug, wie er bei den Waldläufern üblich war, die im Norden die Wälder der Alfar durchstreiften und Karten für die Truppen der Kirche anfertigten.
„Entschuldigt mich, Mylady, seid Ihr eine Freundin von Luca?“ fragte die Fremde, und verbeugte sich vor Lyaena, in ihrer Hand hielt sie einen Korb, der mit einem Tuch verdeckt war. Lyaena musterte die Fremde eine Weile lang, sie kam ihr nicht bekannt vor. Ob sie wohl eine Freundin von Luca war? Das wäre zumindest eine Möglichkeit, allerdings hatte der Bladelli ja auch gesagt, dass er hier keine Freunde hatte, vielleicht eine Bekannte aus seiner Zeit im Norden?
„Ich... würde mich nicht unbedingt eine Freundin nennen.“ begann sie zögernd. „Ich bin eher etwas wie... wie eine Bekannte.“ Die Fremde lächelte sie an.
„Eine Bekannte? Für Luca ist das schon so gut wie eine Freundin, er hat immer Schwierigkeiten gehabt, sich mit anderen zu verstehen, er ist deswegen öfters mit meinem Bruder aneinander geraten. Wie auch immer, Ihr wolltet ihn besuchen?“
„Eigentlich schon, aber er scheint nicht da zu sein.“ meinte Lyaena, und zuckte mit den Schultern, sie würde also wohl doch eine andere Beschäftigung finden müssen, vielleicht würde diese Fremde ihr ja ein wenig über Luca erzählen.
„Oh, Ihr irrt Euch, er ist da, er hat sein Haus den ganzen Tag lang nicht verlassen.“
„Was? Woher wisst Ihr das?“
„Ich habe hier gewartet, ich wollte auch mit ihm reden, müsst Ihr wissen.“
„Warum habt Ihr dann nicht einfach angeklopft?“
„Wir... haben nicht gerade das beste Verhältnis. Das letzte mal als wir ihn sahen, haben ich und mein Bruder... ach, das ist unwichtig. Ihr wollt mit ihm reden, ja? Könntet Ihr mir einen Gefallen tun, und Luca den Korb hier überreichen? Er wird wissen, dass er von mir ist.“ mit diesen Worten drückte die Fremde Lyaena den Korb in die Hand, wandte sich um und verschwand, ehe die verwirrte Akashi auch nur reagieren konnte. Also stand Lyaena nun mit einem Korb vor Lucas Haus, und wusste überhaupt nicht, was sie tun sollte, irgendwie verlief in letzter Zeit nichts wie geplant. Was sollte sie überhaupt machen? Die Fremde behauptete zwar, dass Luca da war, aber wenn er ihr nicht die Tür öffnete... Lyaena seufzte. Hatte der Bladelli sich etwa wieder mit diesen verdammten Räucherstäbchen eingeschlossen? Zögernd legte Lyaena eine Hand auf die Tür, und versuchte sie zu öffnen, es war nicht abgeschlossen und daher schwang die Tür ein wenig nach innen auf. Es gehörte sich zwar nicht, einfach so in das Haus eines anderen zu platzen, aber das hier war eine Art Notfall. Sie würde nur kurz nachsehen, ob Luca überhaupt noch am Leben war, und danach wieder gehen... oder sich mit ihm unterhalten, je nachdem, wie die Sache hier ablief.
„Ähm, Luca?“ fragte sie vorsichtig, während sie ihren Kopf ins Haus steckte. Immerhin kam ihr keine heftige Rauchwolke entgegen, und im Zimmer roch es weder nach Lavendel, noch nach Alkohol, das war schon einmal beruhigend. „Bist du da? Ich will ja eigentlich nicht stören, aber eine seltsame Frau, hat mir etwas für dich gegeben, und ich hatte ihr versprochen, es bei dir abzuliefern.“ fügte sie hinzu, und öffnete die Tür ein wenig mehr. Kurz darauf sah sie auch schon den Bladelli, er saß auf dem Boden, mit dem Rücken an eine Wand gelehnt. Er trug den schwarzen, ärmellosen Mantel, den er auch auf dem Bild angehabt hatte, das Lyaena bei ihrem letzten Besuch hier gefunden hatte. Um seinem Hals hing eine Kette, an deren Ende sich ein kleines, silbernes Schwert befand, in welches winzige Smaragde eingelassen worden waren. In seiner rechten Hand hielt er eine Schnur, an deren Ende ein kleiner, violetter Beutel hing, und sein Blick war auf eben jenen Beutel gerichtet, er schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass Lyaena das Zimmer betreten, und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Vorsichtig ging die Akashi zu ihm herüber, und ließ den Korb auf das Bett fallen, dass Luca gegenüber stand. Es war vollkommen ordentlich und wirkte so, als wenn es schon seit Tagen nicht mehr benutzt worden war. Als Lyaena sich so in das Sichtfeld des Bladelli schob, zuckte dieser zusammen, blinzelte verwirrt, und starrte sie an.
„L-lady Akashi? Was macht Ihr denn hier?“ während er das fragte, wanderte sein Blick zur Tür. „Und wie seid Ihr hier reingekommen?“
„Ähm... durch die Tür? Es war offen.“
„Oh... habe wohl vergessen abzuschließen.“ murmelte Luca, machte jedoch keinerlei Anstalten aufzustehen, weshalb Lyaena sich einfach auf einem Hocker in der Nähe niederließ. Nachdem sie eine Weile lang schweigend dagesessen hatten, erhob die Akashi schließlich das Wort.
„Was war es, dass du dir so konzentriert angeguckt hast, dass du nicht einmal bemerkst, wie jemand an die Tür klopfst?“ fragte sie interessiert, und sah zum Beutel, den Luca noch immer in der Hand hielt.
„Das?“ fragte er, sah ebenfalls hinunter, und ein bitteres Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht. „Nichts besonderes, nur ein... Erinnerungsstück. Ein kleines Memento, wenn Ihr so wollt, um mich an meine Unfähigkeit zu erinnern.“
„Unfähigkeit? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“ Luca sah sie eine Weile lang einfach nur an, ehe er kurz mit dem Kopf schüttelte, und an die Decke starrte.
„Ihr hattet mich gefragt, was mit Sêanna geschehen ist, nicht wahr?“ Lyaena nickte. „Sie ist... sie ist tot.“ flüsterte Luca, und hob wieder den Beutel in sein Sichtfeld. „Sie ist tot, und sie ist nicht die einzige. Yozora, Alistair, Roderick... alle, sie sind alle tot.“ während Luca sprach, wanderte Lyaenas Blick zu den Tätowierungen an seinen Armen, und sie stellte fest, dass jeder der eben genannten Namen, sich dort finden ließ.
„Die Tätowierungen, das sind die Namen der Erben Valquez', oder?“ fragte sie, und Luca nickte.
„Die Namen meines Teams, meiner Freunde und Kameraden... mit anderen Worten die Namen derjenigen, die ich im Stich gelassen habe.“ Eine Weile lang sagte keiner der beiden mehr etwas, und Lyaena dachte schon, das Gespräch hätte sich für Luca erledigt, dann begann er jedoch erneut, und die Akashi wagte es nicht, irgendetwas zu sagen, aus Angst dass Luca, wenn sie ihn jetzt unterbrach, gar nicht erst mit der Geschichte fortfahren würde. „Das ganze ist jetzt ein wenig mehr als ein Jahr her, es war kurz nach unserem Überfall auf das Dorf der Alfar. Wir befanden uns in unserem Geheimversteck, inmitten des Feindeslands. Eigentlich sollten wir dort nur untertauchen und abwarten, bis sich die ganze Situation ein wenig beruhigt hatte, soweit kam es jedoch nicht. Wir bekamen eine Nachricht, dass sich ein Kontaktmann der Inquisition mit mir treffen wollte, um uns einen neuen Auftrag zu übermitteln. Natürlich waren wir alle sehr misstrauisch, wir vermuteten, dass uns die Alfar auf die Schliche gekommen waren, und mir eine Falle stellen wollten, trotzdem musste ich dort hin, denn wenn es wirklich die Inquisition war, und ich einen Befehl von ihr ignorierte... nun, das hätte unschöne Folgen gehabt. Wie auch immer, ich wollte alleine gehen, um nicht noch andere Mitglieder meines Teams unnötig in Gefahr zu begeben, die anderen waren nicht sehr begeistert davon, aber ich konnte sie letztendlich dazu überreden mich alleine gehen zu lassen. Besonders Yozora hatte lange diskutiert, und wollte eigentlich mitkommen. Zu diesem Zeitpunkt waren wir... wir waren zusammen. Wir hatten eigentlich versucht es geheim zu halten, Yozora war äußerst beliebt im Team, und wir wollten nicht, dass es deswegen Probleme gab, aber wir hatten uns umsonst Sorgen gemacht. Das ganze Team wusste schon lange über uns Bescheid, vielleicht sogar noch bevor wir es wirklich selber wussten. Von Neid oder Eifersucht war jedoch keine Spur zu sehen, sie alle hatten sich für uns gefreut und... ich schweife ab, Verzeihung. Bevor ich also zum Treffen mit unserem Kontaktmann gegangen bin, gab Yozora mir diesen Beutel hier. Es ist ein Talisman, aus ihrer Heimat, der mit starken Schutzzaubern belegt ist, und den Träger vor magischen Angriffen schützen soll. Eigentlich gehörte er ihr, aber sie hat ihn mir für das Treffen gegeben, weil sie wusste, wie schwach meine eigenen Schutzzauber sind. Sie meinte scherzend, dass ich den Talisman eher brauchen würde, als sie, da jedes Kleinkind mit magischer Begabung meine eigenen Schilde zertrümmern könnte, und damit hatte sie nicht ganz unrecht. Außer meinen Explosionen und einigen Heilzaubern, kann ich zwar kaum wirkliche Magie wirken, aber magische Schilde waren immer das, womit ich am meisten Probleme hatte. Ich hatte zwar nicht wirklich damit gerechnet, den Talisman jemals wirklich zu brauchen, aber es schien ihr äußerst wichtig gewesen zu sein, also habe ich ihn mitgenommen. Als ich den Treffpunkt erreicht hatte, wurde mir schnell klar, das irgendwas nicht stimmte, denn dort wartete kein Kontaktmann auf mich. Normalerweise waren unsere Kontakte immer vor mir da, das war eine ungeschriebene Regel innerhalb der Inquisition. Ich wartete zehn Minuten, wie es vorgesehen war, ehe ich mich auf den Weg zurück zum Geheimversteck gemacht habe. Die Vorschriften sagen, dass wenn der Kontakt zehn Minuten nachdem das Treffen stattfinden sollte noch immer nicht aufgetaucht ist, man den Treffpunkt verlassen, und so schnell wie möglich zum Hauptquartier zurückkehren soll. Auf dem Weg wurde ich dann überfallen, jedoch nicht von Alfar, sondern von Templern. Gleich drei von ihnen hatten mich angegriffen, und ich verstand nicht warum, jedoch hatte ich ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache.“ Luca machte eine kurze Pause, und wandte den Blick zu Lyaena, ehe er fortfuhr. „Ich hatte meine Angreifer schnell beseitigt, und bin dann zum Geheimversteck zurückgekehrt, allerdings war ich zu spät, als ich angekommen bin, war schon alles vorbei. Vor dem Eingang fand ich Alistair und Roderick, beide tot, zusammen mit einem halben Dutzend Templer. Im Haus selber schien eine wahre Schlacht getobt zu haben. Zwei Dutzend Templer lagen tot im Haus, zusammen mit einem Inquisitor. Ich fand Sêannas Leiche neben Alex und Giovanni, zwei weitere Mitglieder der Erben. Ich hatte beiden schon einmal das Leben gerettet, und sie wussten, wie viel Sêanna mir bedeutete. Ihr müsst wissen, das Geheimversteck hatte mehrere Fluchtwege, und ich hatte sie alle abgesucht, nicht eine Leiche war dort zu finden, sie waren alle unbenutzt.“ Überrascht bemerkte Lyaena, wie Tränen aus Lucas Augen traten, während er weitersprach. „Nicht eines meiner Teammitglieder ist vor dem Angriff geflohen, sie alle sind geblieben, um Sêanna zu beschützen, und um auf mich zu warten. Sie haben mir vertraut, sie alle waren der Meinung, dass ich kommen würde, um sie zu retten.“ meinte er, mit bitterer Miene, bei Lyaena war jedoch etwas anderes hängen geblieben.
„Du sagtest, sie haben Sêanna beschützt? Was meinst du damit?“
„Sie war das Ziel des Angriffes, warum weiß ich nicht, das hatten die Angreifer nie gesagt. Ich habe es von Yozora erfahren. Sie war die einzige, die zum Zeitpunkt meiner Ankunft noch lebte. Von ihr habe ich erfahren, dass die Angreifer aus der Inquisition kamen, sie hatten verlangt, dass mein Team Sêanna an sie ausliefert, nicht einer von ihnen hatte auch nur im Traum daran gedacht, diesem Befehl folge zu leisten, was letztendlich zum Angriff auf uns geführt hatte.“
„Was ist dann mit Yozora passiert?“
„Ich sagte es doch bereits, oder? Sie sind alle tot. Als ich sie gefunden habe, war sie schwer verletzt, die Angreifer hatten sie anscheinend bereits für tot gehalten, und einfach liegen gelassen. Sie hat stark geblutet, mir gegenüber behauptete sie hartnäckig, dass ihre Wunden von den Schwertern ihrer Angreifer stammten, aber ich bin nicht dumm, ich konnte leicht erkennen, dass die größte und gefährlichste Wunde von einem Zauber stammte. Wisst Ihr, ich war immer recht stolz auf meine Heilzauber, bei den Erben war ich mit Abstand der beste Heiler, ich konnte Prellungen, gebrochene Knochen, und Wunden heilen, ohne dass es mir allzu viele Probleme bereitete. Aber diese Wunde nicht, ich habe es mehrmals versucht, aber sie ließ sich nicht schließen. Yozora wusste es... sie wusste, dass es mit ihr vorbei war. Wahrscheinlich wusste sie es schon, als die Inquisition vor unserer Haustür aufgetaucht war, trotzdem ist sie geblieben. Wenn sie alleine geflohen wäre, hätte sie entkommen können, aber das konnte sie nicht. Ihr seht diese Halskette hier?“ fragte Luca, und hob das kleine Schwert ein wenig in die Höhe, woraufhin Lyaena nickte. „Sowohl ich, als auch Yozora hatten so eine von ihr gekriegt. Es ist das Wappen von Sêannas Familie, sie hatte uns beide praktisch als Geschwister akzeptiert, könnt Ihr Euch das vorstellen? Eine Hôgalfar, egal wie jung sie war, hatte zwei Menschen als gleichwertig akzeptiert, als wären sie ihr eigenes Fleisch und Blut. Natürlich konnte Yozora sie nicht im Stich lassen, keiner von uns hätte es tun können. Wie auch immer, dieser eine Tag wird mir für den Rest meines Lebens in Erinnerung bleiben, der Tag, an dem ich gleich mehrmals versagt habe. Ich habe mich von meinem Team trennen lassen, habe zu lange gebraucht, um zurückzukehren, und ich konnte Yozora nicht heilen. Sie ist vor meinen Augen jämmerlich verblutet, während sie mir alles über unsere Angreifer erzählte, an dass sie sich erinnern konnte. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich naiv gewesen war, ich hatte wirklich eine Zeit lang gedacht, ich wäre noch zu etwas anderem gut, als Leute umzubringen.“ Während Luca sprach, rollten weiterhin stumme Tränen sein Gesicht hinunter, und fielen vereinzelt auf etwas, dass in seinem Schoß lag, und das Lyaena bisher nicht bemerkt hatte, es war das Bild der Erben Valquez', dass sie bei ihrem letzten Besuch hier gefunden hatte. „Nun, ein gutes hatte meine Unfähigkeit Yozora zu heilen immerhin; ich war einen Schritt näher daran herauszufinden, wer für den Angriff verantwortlich war. Der Zauber, mit dem sie verletzt worden war, war kein gewöhnlicher magischer Angriff gewesen, es war ein mächtiger Fluch, 'Der Fluch des Longinus'. Ein mächtiger Zauber, der Wunden verursacht, die angeblich selbst ein Eidolon umbringen können, auch wenn das noch nicht bewiesen wurde. Weiterhin verheilen Wunden, die mit diesem Fluch verursacht werden nur sehr langsam, und es gibt nur eine Familie in ganz Süd-Midgard die weiß, wie man ihn wirkt.“
„Longinus... Longinus... Moment, der Fluch wurde doch wohl nicht etwa von Longinus Doni erschaffen, oder doch?“ Ein bitteres Lächeln stahl sich auf Lucas Gesicht.
„Oh doch, Ihr habt recht. Außer den Doni ist niemand in der Lage, diesen verdammten Fluch zu wirken, zusammen mit ihren Marionettenzaubern, gehört es zu den geheimen Zaubern der Doni Familie. Ich wusste also zumindest, dass die Doni in der Sache mit drinnen steckten, dank meiner Die.... dank meiner Kontakte innerhalb der Kirche, konnte ich schließlich auch herausfinden, wer den Angriff auf mein Team befohlen hatte. Es waren zwei Inquisitoren gewesen, Leonardo Doni, und Hayate Akashi. Ich habe mich damit natürlich sofort an das Oberkommando der Inquisition gewandt, ein weiterer, großer Fehler.“
„Was meinst du damit? Das Oberkommando wird doch wohl etwas gegen die beiden unternommen haben, oder? Immerhin haben sie eine Einheit der Inquisition angegriffen und ausgelöscht.“
„Oh ja, sie haben etwas unternommen!“ fauchte Luca, und rote Energie begann seinen Körper zu umspielen. „Es gab eine Untersuchung, innerhalb der Inquisition, in deren Laufe Leonardo und Hayate für schuldig befunden wurden. Sie hatten den Angriff auf die Erben Valquez' befohlen, das gesamte Team ausgelöscht, und dabei noch knapp dreißig Templer das Leben gekostet, sowie einen neuen Inquisitor, den sie mit reingezogen hatten. Wisst Ihr auch, warum sie den Angriff befohlen hatten? Wegen Sêanna! Den beiden passte es überhaupt nicht, dass sie schon bald eine Alfar in den Reihen der Kirche akzeptieren mussten, sie wollten keine Hôgalfar hier im Süden haben, also wollten sie sie beseitigen, um 'die Ehre der Kirche zu bewahren'. Jeder andere Mensch, wäre dafür hingerichtet worden, aber es kann ja nicht sein, dass die Mitglieder von zwei so großen, mächtigen Familien hingerichtet werden, wegen eines so simplen Verbrechens, wie den Mord an einer Alfar, und ein paar verurteilten Verbrechern und Verrätern. Wisst Ihr, welche Strafe die beiden Inquisitoren erwartet hat? Sie wurden suspendiert, für sechs Monate, sechs Monate, die schon bald wieder rum sind, dann dürfen diese verdammten Bastarde weiterhin innerhalb der Inquisition arbeiten, und alle werden so tun, als wäre nie etwas passiert, alle sind glücklich. Die beiden Inquisitoren müssen keine Alfar in ihrer geliebten Kirche sehen, das Oberkommando hat keine Schwäche gezeigt, und die beiden für ihre Vergehen... 'bestraft', und ein Skandal wurde verhindert. Die einzigen, die es stört, liegen jetzt in zwölf namenlosen Gräbern, irgendwo in Nord-Midgard, oder sitzen hier in Navea, und können nichts dagegen tun.“ Luca senkte seinen Kopf, und richtete den Blick auf seine Hände. „Ist es nicht einfach lächerlich? Das einzige worin ich gut bin, ist Tod und Zerstörung in der Welt zu verbreiten, also genau das, was ich brauche um mich an den beiden zu rächen... und trotzdem kann ich nichts tun, weil sie den Schutz zweier so mächtiger Familien haben.“ Luca zuckte kurz zusammen, als er merkte, wie sich etwas auf seinen Kopf legte. Als er den Blick hob, sah er direkt in die Augen der Akashi, die sich vor ihm auf den Boden gehockt, und ihre Hand auf seinen Kopf gelegt hatte. Allerdings wusste sie jetzt nicht ganz weiter, sie hatte das eher aus einer Art Reflex heraus getan. Sie hatte Yuki und Teleya öfters so getröstet, wenn die beiden mal traurig waren, und da sie nicht wusste, wie sie auf Luca reagieren sollte, hatte sie sich gedacht, dass es schon nicht schaden könnte, es hier auch einmal zu probieren.
„Ich denke, du irrst dich.“ sagte sie schließlich, während sie ihre Hand von seinem Kopf nahm, und ihn freundlich anlächelte.
„Was meint Ihr damit?“
„Ich glaube nicht, dass du nur gut darin bist, Leute umzubringen, oder Dinge zu zerstören. Dein Team, die Erben Valquez', sie mochten dich, du warst für sie ein Freund, ein Anführer, und für manche ein älterer Bruder. Glaubst du wirklich, sie hätten dich so gesehen, wenn du nichts mehr als ein Golem aus Fleisch wärst, der dafür da ist zu töten?“
„Ich wünschte, dem wäre so, aber mein einziges Talent liegt innerhalb von zerstörerischer Magie...“
„Das stimmt nicht, oder? Ich habe mit deinem Großvater geredet, und der meinte, dass du selbst innerhalb zerstörerischer Magie kein Talent hattest, du musstest dir erst deine Explosionszauber selber erfinden, wer sagt, dass du das nicht auch in anderen Bereichen tun kannst?“ Luca sah sie eine Weile lang einfach nur schweigend an.
„Daran... der Gedanke ist mir nie gekommen.“ sagte er schließlich. „Meine Mutter wollte einen Erben haben, der ein starker Kämpfer war, mit herausragenden, zerstörerischen Fähigkeiten, deshalb habe ich nie wirklich versucht, in anderen Bereichen Zauber zu erfinden... ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt schaffen könnte.“ Luca lehnte sich ein wenig zurück, und schwieg wieder.
„Da gibt es noch eine Sache, die ich mich Frage.“ meinte Lyaena schließlich, und lenkte Lucas Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Warum hast du nicht Hayate Akashi angegriffen, als du gehört hattest, dass ein Akashi Bladelli ermordet? Das wäre doch die willkommene Entschuldigung für dich gewesen.“ Luca lächelte schwach.
„Hayate ist zu mächtig, ein Angriff auf ihn, hätte weit schlimmere Konsequenzen nach sich gezogen, als alles, was ich getan habe, außerdem... außerdem gehörte er nicht zu den Verdächtigen, ich war mir sicher, dass er mit den Angriffen nichts zu tun hatte.“ Luca zögerte eine Weile, dann stand er schließlich auf, woraufhin Lyaena es ihm gleichtat. „Lady Akashi, könntet Ihr mir einen Gefallen tun?“ fragte er, und verbeugte sich vor Lyaena, wodurch diese ein wenig verwirrt wurde.
„Das kommt ganz darauf an, was ich für dich tun soll.“ sagte sie schließlich, und sah den Bladelli neugierig an.
„Ich habe gehört, dass Euer Vater bald nach Navea kommt. Könntet Ihr... könntet Ihr ihm ausrichten, dass ich mich entschuldigen möchte, für das, was ich getan habe? Ich weiß, es wird die Toten nicht wieder zurückbringen, aber ich muss es tun. Eigentlich würde ich ja persönlich zu ihm gehen, und es ihm sagen... aber leider befürchte ich, dass Euer Verlobter mich angreifen würde, wenn ich mich auch nur in die Nähe der Villa wage... entweder das, oder diese verfluchte Wachhündin würde mich zurückschleifen, bevor ich mit Eurem Vater reden kann, ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Großvater sie auf mich angesetzt hat.“
„Ich werde es ihm ausrichten, keine Sorge.“ meinte Lyaena, und war ziemlich überrascht, mit einer Entschuldigung hatte sie eigentlich nicht gerechnet.
„Wunderbar.“ meinte Luca, und lächelte Lyaena erleichtert an.
„Ich werde jetzt nachhause gehen, ich glaube, ich werde dort schon erwartet.“
„Natürlich.“ sagte Luca, und führte Lyaena zur Tür. „Ach ja, Lady Akashi?“ fügte er hinzu, als Lyaena bereits aus dem Haus getreten war.
„Ja?“
„Vielen Dank.“
„Wofür?“
„Gute Frage... dafür, dass Ihr mir zugehört habt, dafür, dass Ihr überhaupt hierher gekommen seid. Aber hauptsächlich... hauptsächlich, weil Ihr mich wie einen Menschen behandelt.“ flüsterte Luca, mit einer Stimme, die immer leiser wurde. „Noch einmal, vielen Dank, und kommt gut nachhause.“ Mit diesen Worten schloss er die Tür, und Lyaena machte sich auf den Weg zurück zur Villa. Erst auf halbem Weg fiel ihr ein, dass sie ganz vergessen hatte Luca zu fragen, was es mit der seltsamen Frau, oder dem Korb auf sich hatte. Sie zuckte kurz mit den Schultern, wahrscheinlich war es wirklich nur eine Bekannte von Luca, oder einer seiner Kontakte. Sicherlich nichts, worüber man sich Sorgen machen musste.

...

Naruz saß zusammen mit seinem Team in der Bibliothek der Bladelli Villa, und starrte gedankenverloren auf die Runen, die er auf einen großen Bogen Papier gezeichnet hatte. Außer ihm und dem Team, war niemand da, Aynaeth hatte, zur Überraschung von allen, die Villa zusammen mit Grimm und Naleya verlassen, um sich mit dem Erzbischof zu treffen, angeblich gab es etwas wichtiges, worüber sie mit Belenus reden wollte, auch wenn Naruz nicht wusste, was es war. Naruz wollte die freie Zeit, die er heute hatte dazu nutzen, um sich mit dem Zauber auseinanderzusetzen, der auf der Rüstung des seltsamen Verrückten lag, der ihn angegriffen hatte. Vom Angriff selbst hatte er niemandem erzählt, abgesehen davon, dass er sich nicht verwunden ließ, wenn der Mond schien, war der Maskierte nicht wirklich gefährlich, zumindest hatte es nicht den Eindruck gemacht, als wenn er besonders mächtig wäre. Wäre dies der Fall, müsste er sich schließlich nicht auf seltsame Artefakte verlassen, um seine Kämpfe zu gewinnen. Naruz hatte zuerst nicht glauben wollen, dass die Rüstung wirklich von Gaia geschaffen worden sein sollte, aber mittlerweile blieb ihm kaum eine andere Möglichkeit. Er konnte sich zwar an den Großteil der Runen erinnern, was vor allem daran lag, dass sie so einzigartig aussahen, und sie aufzeichnen, aber er verstand keine einzige von ihnen, er wusste nicht einmal, wo er beginnen sollte, um sie zu entziffern. Bevor er mit dieser mühseligen Arbeit angefangen hatte, hatte er sich ein Buch, über Heilzauber durchgelesen, was sich jedoch als Zeitverschwendung entpuppte. Keiner der Zauber, im Buch war mächtig genug, um Aleyandra zu heilen, was sich ganz einfach daran erkennen ließ, dass Anya, Merilee und Alessa bereits sämtliche Variationen dieser Zauber ausprobiert hatten, um Aleyandra zu helfen. Also hatte Naruz sich an sein neues Projekt gesetzt, um den Kopf ein wenig freizubekommen, außerdem musste er so nicht schon wieder an Aleyandra denken, denn diese wurde ihm in letzter Zeit immer unheimlicher, was er ihr aber natürlich niemals sagen würde. Dabei ging es nicht nur darum, dass sie ihn verfolgte, und augenscheinlich ausspionierte, wie bei seiner Reise nach Demarech, sondern auch darum, dass sie anscheinend inzwischen keinerlei Probleme mehr damit hatte, Leute zu töten. Naruz hatte bereits von dem Toten gehört, den man keine zehn Minuten von dort entfernt gefunden hatte, wo Naruz und Aleyandra sich getrennt hatten. Langsam hatte Naruz das Gefühl, als wenn Aleyandra ihr Date nur benutzt hatte, um sich unbemerkt ihrem neuesten Ziel nähren zu können, und das gefiel ihm überhaupt nicht.
„Gah! Ich gebe es auf!“ rief er plötzlich, warf die Feder in seiner Hand zur Seite, und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, womit er die Blicke seines Teams auf sich zog.
„Womit genau?“ fragte Nikodemus, und legte das Buch zur Seite, dass er gerade gelesen hatte. Auch Anya und Victoria unterbrachen das geflüsterte Gespräch, dass sie geführt hatten, worüber vor allem Anya recht froh war. Victoria hatte die dämlichste Idee seit langem ausgebrütet, um sie mit Naruz zusammenzubringen, und die Templerin würde bei dieser Sache garantiert nicht mitmachen.
„Geht es um diese Runen?“ fragte Anya, und warf einen Blick auf das Papier, über dem Naruz schon seit über einer Stunde brütete.
„Ja, ich verstehe sie einfach nicht. Sie ergeben überhaupt keinen Sinn!“ meinte Naruz frustriert, und warf dem Papier bösartige Blicke zu. „Ich meine, selbst wenn ich einen Zauber nicht verstehe, müssten die Runen zumindest Sinn ergeben, jede Rune hat eine, oder mehrere Bedeutungen, wodurch ich zumindest ungefähr erahnen kann, was sie bewirken sollen, aber die Dinger hier, habe ich noch nie gesehen. Es ist... es ist fast so, als wenn das irgendeine Geheimsprache ist, die ein Kind erfunden hat, damit die Erwachsenen nicht wissen, worüber es gerade redet.“
„Vergleichst du gerade Gaia mit einem Kleinkind?“
„Nicht jetzt, Serif.“ meinte Naruz genervt, als die Fee... der Feeerich... das Eidolon neben ihm auftauchte.
„Glaubst du, du kannst mich einfach so abwürgen? Nach allem, was du mir angetan hast?“ fragte Serif, und schien sichtlich aufgebracht zu sein, anscheinend hatte er Naruz noch immer nicht verziehen, dass dieser ihn mit Bel Chandra alleine gelassen hatte. Naruz wusste nicht, was genau in jener Nacht geschehen ist, und er wollte es auch nicht so genau wissen. Er hatte nur von einem vollkommen fertigen Serif irgendetwas über einen Rock, und diverse Kleider gehört.
„Wie oft noch, es tut mir ja leid, Serif, aber ich kann es nun einmal nicht ändern... und meine Geduld ist dank diesen dämlichen Runen ziemlich am Ende.“
„Also gibst du es auf, den Zauber verstehen zu wollen?“ fragte Nikodemus, und sah ein wenig verwundert aus, er hätte eigentlich erwartet, dass Naruz solange versuchte die Runen zu verstehen, bis es ihm entweder gelang, oder die Sache ihn umbrachte.
„Was? Natürlich nicht! Ich gebe es nur auf, den Zauber so lesen zu wollen. Ich werde wohl ganz von vorne anfangen müssen, und zwar damit, diese Runen zu übersetzen.“
„Ah ja, und wie lange wird das dauern?“
„Nun, zuerst werde ich eine Rune finden müssen, die ich verstehe, und die ich übersetzen kann, von da aus geht es dann los. Ich schätze in... fünf bis sechs Monaten, dürften wir die Übersetzung haben.“
„Wir?“ fragte Nikodemus, und ahnte schlimmes.
„Aber natürlich, ihr drei werdet mir dabei helfen.“
„Ähm... weder Victoria noch ich können wirklich Magie benutzen, also...“
„Ihr könnt lesen, und logisch denken, mehr braucht ihr nicht, um mir zu helfen, ich verlange schließlich nicht von euch, den Zauber selbst zu benutzen. Ich will nur rausfinden wie er funktioniert.“
„Und dann?“
„Dann werde ich ihn vernichten. Ich werde jede einzelne, verdammte Rune in diesem Zauber entschlüsseln, und ihn vollkommen auseinander nehmen, bis nichts mehr bleibt, was...“
„Hat der Zauber ihm irgendwas getan?“ fragte Nikodemus flüsternd an Anya gewandt, während Naruz seinen Monolog fortfuhr.
„Keine Ahnung, aber so sehe ich ihn eigentlich sonst nur, wenn er über Silberblatt spricht, was auch immer das für ein Zauber ist, er scheint ihn als eine persönliche Beleidigung aufzufassen.“
„Ist ja jetzt auch egal.“ meinte Victoria, und packte Anya an der Schulter. „Wir haben ganz andere Dinge zu bereden.“
„Vergiss es, ich mache da nicht mit!“ zischte Anya sofort, als ihr klar wurde, worauf Victoria hinauswollte. „Dieses verfluchte Kostüm, dass du mir angezogen hast, als er nach seiner Operation ohnmächtig war, war schon schlimm genug gewesen! Ich lasse mich nicht noch einmal von dir, in so ein Ding stecken... wo hast du diese lächerliche Idee eigentlich her?“
„Ich habe diese Armani, die bei Aleyandra lebt neulich auf dem Markt gesehen, da hatte sie etwas gekauft. Als ich herausgefunden habe, was es war, wurde mir natürlich sofort klar, wofür es gedacht war. Wenn ich ehrlich bin, ist ihre Idee gut, sehr gut sogar, wenn wir dich auch...“ Victoria brach ab, als es plötzlich an die Tür zur Bibliothek klopfte, und ein Diener seinen Kopf in das Zimmer steckte.
„Verzeiht mir, Lady Bladelli, Inquisitor Naruz, aber hier sind Gäste für Euch, die...“ bevor der Mann aussprechen konnte, flog die Tür vollständig auf, und eine strahlend lächelnde Analisa betrat die Bibliothek, gefolgt von einem ihrer Assistenten, der einen riesigen Sack mit sich schleppte.
„Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Nachmittag! Wie geht es euch allen?“ fragte die Schmiedin, während sie sich auf einem Stuhl in der Nähe niederließ.
„Schön dich zu sehen, Analisa.“ meinte Naruz und lächelte, er hatte die Schmiedin schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, was vielleicht auch ganz gut war. Analisa konnte manchmal ein wenig aufdringlich sein, und die Erfindungen, die ihre Schmiede am laufenden Band ausspuckte, waren manchmal zu gefährlich, um sich auch nur in ihre Nähe zu wagen. „Uns geht es fantastisch, und dir?“
„Ach, ich kann nicht klagen.“
„Das freut mich zu hören, wie läuft es mit Saecas Schwert? Ich habe gehört, dass du gesagt hast, dass du es reparieren kannst.“ Bei diesen Worten von Naruz verschwand Analisas Lächeln.
„Ja... das Schwert.“ meinte sie, und plötzlich knallte sie mit dem Kopf ohne Vorwarnung auf den Tisch. „Ich habe mich vielleicht ein wenig übernommen.“ murmelte sie gedämpft, da ihr Gesicht noch immer auf dem Holz lag. Langsam hob sie ihren Kopf, und sah Naruz beinahe schon verzweifelt an. „Um ehrlich zu sein hatte ich gehofft, dass du irgendwann mal einen Blick auf das Schwert werfen könntest, weil ich vollkommen überfordert bin. Ich verstehe die Zauber nicht, die auf dem Schwert liegen, ich bin mir nicht einmal sicher, ob es Zauber im eigentlichen Sinne sind, oder ob einfach nur rohe Magie in die Klinge eingewoben worden ist. Dazu kommt noch, dass ich keine Ahnung habe, aus was für einem Material das Schwert hergestellt wurde, es ist einfach so... frustrierend! Ich habe noch nie eine Waffe wie dieses Schwert gesehen, und ich bezweifle, dass ich jemals wieder so etwas sehen werde! Ich könnte es wahrscheinlich nicht einmal selber herstellen, selbst wenn ich wüsste, welches Material benutzt wurde.“
„Ich weiß, wie du dich fühlst.“ meinte Naruz seufzend, und richtete seinen Blick auf den Papierbogen, der vor ihm auf dem Tisch lag. „Hast du das Schwert mitgebracht? Wenn ja, werde ich es mir einmal ansehen.“
„Vielen Dank Naruz, du bist ein Lebensretter!“ rief Analisa erleichtert, und winkte ihren Assistenten zu sich, der ihr auch sogleich den Sack reichte. Die Schmiedin kramte kurz darin herum, ehe sie fand wonach sie gesucht hatte, und Kusanagi herauszog. „Hier ist das verdammte Ding, ich frage mich, wie die Armani so eine komplexe Magie in die Finger gekriegt haben.“ sagte sie, während sie das Schwert an Naruz überreichte. Der richtete kurz seinen Blick auf das Schwert, ehe sich seine Miene versteinerte, und er Kusanagi so schnell wie möglich wieder zurückschob. „Naruz?“ fragte Analisa leicht verwirrt, während sie das Schwert wieder in den Sack steckte. „Stimmt etwas nicht? Sag bloß, du konntest nichts erkennen.“
„Oh doch, ich konnte etwas erkennen.“ murmelte Naruz, und drehte den Papierbogen mit den Runen um, damit Analisa sie sehen konnte. „Die Zauber, die auf dem Schwert liegen, bestehen aus Runen, die diesen hier ähneln, und ich verstehe sie nicht, überhaupt nicht. Bevor du hierher gekommen bist, habe ich bereits mit den anderen hier darüber geredet, wie man sie übersetzen könnte... und auch, dass es mehrere Monate dauern würde.“ Eine Weile lang sagte niemand etwas, dann seufzte Analisa laut auf, und begann erneut im Sack zu kramen.
„Wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Also kommen wir zu Grund Nummer zwei, für meinen Besuch.“ meinte sie, und zog eine seltsame, schwarze Rüstung aus dem Sack. „Tada! Eine neue Rüstung, extra für dich hergestellt! Du müsstest sie noch einmal anprobieren, aber ich denke, sie dürfte dir passen.“
„Nein danke.“ sagte Naruz sofort, und wandte den Blick ab.
„Was? Aber warum denn nicht?“
„Ich erinnere mich noch an die letzte Rüstung, die du extra für mich hergestellt hast! Das war bloß eine dumme Ausrede gewesen, um einen deiner neuen Feuerschutzzauber an mir ausprobieren zu können!“
„Das war damals! Jetzt ist alles anders... könnten diese Augen lügen?“ fragte Analisa, und blinzelte Naruz unschuldig an.
„Ja! Ja, können sie! Ich werde ganz bestimmt nicht noch einmal darauf hereinfallen!“
„Gut, wie wäre es damit, du probierst die Rüstung an, lässt mich ein kleines Experiment durchführen, und du kriegst dafür zehn Goldstücke.“
„Abgemacht!“ rief Naruz sofort, woraufhin Serif und der Rest von Team Mantikor synchron seufzten, und sich die Hände vors Gesicht schlugen. Naruz war zwar nicht wirklich gierig, aber wann immer er die Möglichkeit sah schnell, viel Geld zu verdienen, da griff er die Gelegenheit am Schopfe. Das musste er wohl von seiner Mutter geerbt haben, dachte Anya sich, ehe sie kurz innehielt, und den Kopf schüttelte. Wie kam sie auf solche Gedanken? Sie kannte Naruz' Mutter nicht einmal, und hatte nur hin und wieder von ihr gehört, wenn Naruz von seiner Zeit in Skandia erzählte.
„Hallooooooo, Anya? Aaaaaanya?“ Plötzlich schob sich Nikodemus' Gesicht direkt vor das von Anya, woraufhin diese zusammenzuckte, un dem Soldaten reflexartig ihre Faust in die Magengrube rammte. „Gah! Was... sollte das?“ keuchte Nikodemus, während er sich krümmte, und zu Boden sackte.
„Oh... tut mir leid, Nikodemus, das war nicht so gemeint, ist alles in Ordnung?“
„Aber... natürlich... ging mir... besser... ich meine, ging mir nie... besser.“ murmelte er, während er sich langsam wieder aufrichtete.
„Wie auch immer, die Frauen verlassen jetzt bitte das Zimmer.“ meinte Analisa, während sie Victoria und Anya vor sich herschob.
„Was? Aber warum? Er soll sich doch nur eine Rüstung anziehen, oder?“ fragte Anya, und verfluchte sich dafür, dass sie nicht zugehört hatte.
„Ja, aber davor muss er seinen Körper mit Hilfe eines Zaubers an die Rüstung anpassen, mein Assistent wird das übernehmen. Und dabei muss er... nun ja, nackt sein.“
„Oh... ich... verstehe.“ stammelte Anya vor sich hin, während sie rot anlief. Vor der Bibliothek schloss Analisa die Tür, und lehnte sich an die Wand, während Anya und Victoria vor der Tür stehen blieben, und warteten. Es dauerte auch nicht lange, ehe Nikodemus die Tür von Innen öffnete, und die drei Frauen das Zimmer wieder betreten konnten. In der Mitte des Raumes stand Naruz, gekleidet in die neue, schwarze Rüstung, streckte sich, und versuchte ein paar einfache Fechtbewegungen auszuführen.
„Und? Sitzt sie gut?“ fragte Analisa, während sie erneut zum Sack ging.

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„Ja, sehr gut sogar. Sie ist nicht zu eng, nicht zu weit, sie ist perfekt an meinen Körper angepasst, sie behindert mich überhaupt nicht.“ schwärmte Naruz von der neuen Rüstung. „Außerdem fühlt sie sich nicht so... seltsam an, wie meine Robe, es ist einfach fantastisch!“
„Das freut mich für dich.“ meinte Analisa mit einem Lächeln, und hielt auf einmal eine Pistole in der Hand.
„Ähm... was willst du damit?“
„Nicht bewegen, ja?“ ehe Naruz noch etwas sagen konnte, setzte die Schmiedin die Waffe auch schon an die Brust des Inquisitors, und drückte ab. Ein lauter Knall ertönte, und Naruz wurde nach hinten geschleudert, wo er gegen ein Bücherregal krachte.
„Bist du verrückt?!“ rief Anya panisch, und rannte zu Naruz hinüber. Zu ihrer Überraschung, war diesem jedoch nichts passiert. Die Kugel, welche aus der Pistole geschossen wurde, schwebte einige Millimeter vor der Rüstung, und war vollkommen plattgedrückt.
„Keine Sorge, es ist alles in Ordnung.“ meinte Analisa lächelnd, und ging auf die beiden zu. „Diese Rüstung ist mit einem neuen Zauber belegt, bei Gefahr, erschafft sie automatisch einen magischen Schild, um ihren Träger zu schützen!“
„Das ist... brillant.“ meinte Nikodemus. „Aber... wo nimmt die Rüstung die Magie her?“
„Vom Träger natürlich, deswegen musste Naruz ja auch... oh... das hatte ich ganz vergessen.“ sagte Analisa, und lächelte Naruz entschuldigend an. Der sah gerade so aus, als wenn er drei Runden um ganz Navea gerannt wäre, und schien kurz davor zu sein, zusammenzubrechen. „Tut mir leid, ich hatte ganz vergessen, dass du kaum Magie benutzen kannst.“ fügte die Schmiedin leichthin hinzu, während sie die Pistole wieder wegpackte.
„Ach, mach dir deswegen keine Vorwürfe.“ meinte Naruz mit heiserer Stimme, während er vergeblich versuchte sich aufzurichten. „Kann ja mal vorkommen... außerdem ist das hier wirklich eine tolle, außergewöhnliche Erfindung.“
„Findest du wirklich?“
„Ja, du findest nicht oft eine Rüstung, die versucht ihren Träger umzubringen.“
„Ich habe doch schon gesagt, dass es mir leid tut!“ Ehe noch jemand etwas sagen konnte, öffnete die Tür zur Bibliothek sich erneut, und Aynaeth, Naleya und Grimm traten ein.
„Ah, schön, dass ihr alle hier seid.“ meinte die Hexe, und ihr Blick bohrte sich in die Augen von Naruz. „Ich muss mit euch reden, ihr habt einen neuen Auftrag.“

2 Tage später – Vanaheim, Nord-Midgard:
Es war bereits spät am Abend, als Cora aufwachte, und sich gähnend und streckend im Bett aufrichtete. Von Dârthallion war keine Spur zu sehen, wahrscheinlich befand sich der Professor bereits im Nebenzimmer, wo seine persönlichen Forschungseinrichtungen standen. Seit sie mit dem Alfar nach Vanaheim gekommen war, lebte sie praktisch in einem riesigen Gewölbe, unter der Akademie von Vanaheim, zusammen mit dem Professor. Ihr 'Schlafzimmer', war eigentlich ein großes Labor, in das man ein Bett gestellt hatte, hier führten sie ihre gemeinsamen Experimente durch. Abgesehen davon hatte jeder der beiden noch ein eigenes Labor, für private Experimente, die man vorerst geheim halten wollte. Besser gesagt, der Professor wollte nicht, dass Cora etwas von seinen privaten Forschungen mitbekam, Cora nutzte ihr Labor eigentlich nur um zu üben, damit sie Dârthallion eines Tages überraschen konnte, mit etwas unglaublichem, dass er noch nie zuvor gesehen hat... was genau das sein sollte, wusste sie aber selbst noch nicht. Seufzend stand sie auf, und sammelte ihre Sachen auf, die sie vor dem schlafen gehen einfach von sich geworfen hatte. Seit sie mit Dârthallion arbeitete, hatte sich ihr Schlafrhythmus vollkommen geändert, sie ging nur noch dann ins Bett, wenn sie wirklich müde war, den Rest der Zeit verbrachte sie mit dem Professor im Labor, außer an ihren freien Tagen. Davon gab es zwei in jeder Woche, und an diesen Tagen durchstreifte sie mit Dârthallion die Stadt, und erholte sich von der anstrengenden Arbeit. Zwar war sie nicht körperlich belastend, aber es bedurfte großer Mengen an Magie, um mit dem Professor und seinen Experimenten mithalten zu können. Oft war sie so erschöpft, dass sie es nicht einmal von ihrem Arbeitsplatz bis ins Bett schaffte, ehe sie einschlief. Nachdem sie sich angezogen hatte, legte sie die Armringe an, welche der Professor für sie hergestellt hatte. Bei ihnen handelte es sich um kleine, silberne Ringe aus dem heiligen Erz der Wunderminen, dass Dârthallion ein wenig verändert hatte. Es reagierte nun auf eine ganz besondere Art und Weise auf Magie, und beschleunigte die Aktivierung von Zaubern, wenn diese durch die Ringe geleitet wurden.
„Oh, wen haben wir denn hier?“ erklang plötzlich eine leise, kalte Stimme hinter Cora, woraufhin diese zusammenzuckte, und herumwirbelte. Vor ihr stand ein junger Mann, mit langen, schwarzen Haaren, bleicher Haut und pechschwarzen Augen, die ihm ein äußerst unheimliches Aussehen verliehen. Er trug vollkommen schwarze Kleidung, und an seiner Hüfte hing ein seltsames Schwert, ohne Parierstange, dass einen leuchtenden Rubin im Griff eingefasst hatte. Langsam kam der Fremde näher, und starrte Cora dabei die ganze Zeit über aus seinen dunklen Augen an. „Ich wünsche dir einen wunderschönen Abend, wie ist dein Name?“ fragte er, noch immer mit der selben, kalten Stimme wie schon zuvor.
„Ich bin Cora.“ antwortete die Assistentin, und fragte sich, um was es sich bei diesem Fremden wohl handeln konnte. Dârthallion hatte nicht erwähnt, dass er Besuch erwartete, und sie selber hatte den Mann noch nie zuvor gesehen, auch wenn ihr die Aura, die den Fremden umgab bekannt vorkam. Sie erinnerte sie, an die Dämonin Maja, mit der Dârthallion sich schon einmal getroffen hatte.
„Es freut mich, dich kennenzulernen, Cora... doch, wirklich. Ich habe schon lange nicht mehr so viel magische Energie, auf einem Fleck gesehen, erlaube mir bitte, kurz...“ weiter kam der Fremde nicht, denn plötzlich bohrte sich ein Speer aus leuchtender, blauer Energie, direkt in den Hals des Fremden, und schleuderte ihn von Cora weg. Diese richtete den Blick in Richtung des Angriffs, und sah Dârthallion in der Tür zu seinem Labor stehen. Er lächelte Cora freundlich an, während eine seiner Pistolen weiterhin auf den Fremden zeigte, der gegen eine Wand geklatscht, und zu Boden gesunken war. Eigentlich hätte der Angriff ihn töten müssen, umso erstaunter war Cora, als er sich langsam aufrichtete, und mit der Hand über den magischen Speer in seinem Hals strich. Er leckte sich kurz über die Lippen, dann löste der Speer sich in feinen, blauen Nebel auf, und flog geradewegs in den geöffneten Mund des Mannes.
„Reicht das, um dich fürs erste satt zu machen?“ fragte der Professor freundlich, während der die Pistole wieder wegsteckte, und zu Cora ging. „Ist mit dir alles in Ordnung?“
„Ja, alles in bester Ordnung.“
„Bist du dir sicher? Er hat dich nicht angefasst?“
„Nein, hat er nicht.“
„Dann bin ich beruhigt.“
„Professor? Wer ist unser Besucher?“
„Ach, wie unhöflich von mir.“ meinte der Fremde, und verbeugte sich tief vor Cora, während sich die Wunde an seinem Hals mit einem Zischen schloss. „Ich bin Luciano Vladion, Fürst der Schreienden Burg, Aufseher der Giftigen Marschen, einer der fünfzig Grafen von Pandämonium, treuer Untergebener von Königin Hel, und Kind der Maja.“
„Mit anderen Worten, er ist ein Vampir.“ erklärte Dârthallion, und rollte mit den Augen. „Ein Dämon, mit starken, regenerativen Fähigkeiten, der sich von Magie ernährt. Mittlerweile gibt es nicht mehr viele von ihnen, auf Terra leben schon gar keine mehr. Alle, die sich nicht nach Pandämonium zurückgezogen hatten, wurden von der Kirche getötet.“
„Ich erinnere mich, die Doni Familie wurde dadurch zu einer der mächtigsten Familien innerhalb der Kirche, nicht wahr?“ Der Professor nickte.
„Ihr Ahne, ein Mann namens Longinus, hatte einen Weg gefunden, mit der übernatürlichen Regeneration der Vampire fertig zu werden. Anstatt dieses Geheimnis jedoch mit den anderen Familien zu teilen, behielt er es für sich, und machte die Kirche damit von sich abhängig, wenn sie eine Chance gegen die Vampire haben wollten, aber das reicht jetzt auch schon, mit dem Geschichtsunterricht. Was willst du hier, Luciano? Du solltest eigentlich im Candeo Sumpf sein.“

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„Oh, keine Sorge, ich werde schon bald wieder da sein. Ich bin nur hier, um dich zu holen.“ Bei diesen Worten des Vampirs, leuchteten Dârthallions Augen auf.
„Dann sind die Vorbereitungen also endlich abgeschlossen?“
„Aber natürlich, du kannst dich auf mich verlassen, das weißt du doch. Ach ja... es tut mir leid, dass ich deiner kleinen Sklavin etwas Magie abnehmen wollte, ich wusste ja nicht, dass du sie noch brauchst.“
„Sklavin? Was soll das heißen?“ fauchte Cora, und stand kurz davor, dem Vampir an die Gurgel zu gehen, beruhigte sich jedoch sofort, als der Alfar ihr seinen Arm um die Schulter legte.
„Ich fürchte, du irrst dich, Luciano. Cora ist nicht meine Sklavin, sie ist meine Assistentin, und meine Geliebte. Ich werde dich also darum bitten müssen, diese Worte zurückzunehmen.“ Beim Wort 'Geliebte', lief Cora ein wenig rot an, und strahlte glücklich vor sich hin, jedoch ignorierte der Vampir sie inzwischen vollkommen, und hatte seinen Blick nur auf Dârthallion gerichtet.
„Und wenn ich mich nicht entschuldige?“
„Mich braucht unser Meister noch eine Weile, du kannst ersetzt werden.“
„Oh? Interessant, ich glaube du vergisst, dass ich...“ ehe Luciano den Satz beenden konnte, hatte der Professor seine beiden Pistolen auf den Vampir gerichtet, und die Abzüge betätigt. Es geschah jedoch nichts, zumindest sah es zuerst so aus, dann schrie Luciano jedoch auf, und sank zu Boden, während Blut aus seinen Augen lief, und er sich an den Kopf fasste. Als der Vampir bereits begann, sich den Kopf zu zerkratzen, nahm der Alfar die Finger von den Abzügen, und kniete sich vor den Dämon, der schwer atmend den Kopf hob, noch immer liefen blutige Tränen aus seinen Augen.
„Ich danke dir, Luciano. Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dich zu sehen, ehe ich wieder ins Feld muss, denn ich musste unbedingt noch etwas ausprobieren.“
„Du... verdammter... verrückter... spitzohriger... Bastard...“ keuchte Luciano, hustete, und spuckte einen Schwall Blut aus. „Was... hast du gemacht?“
„Das braucht dich nicht zu interessieren, du darfst jetzt von hier verschwinden, Luciano. Keine Sorge, das Blut wische ich schon selber weg.“ Der Vampir richtete sich vorsichtig auf, warf dem Alfar einen vernichtenden Blick zu, und humpelte dann davon, in Richtung Treppe die nach oben zur Akademie führte. Nachdem Luciano weg war, wandte Cora sich an den Professor, der zufrieden vor sich hin lächelte.
„Professor? Was... was habt Ihr da gerade getan?“
„Erinnerst du dich noch an den Inquisitor, der uns in Demarech über den Weg gelaufen ist? Er hatte eine Fähigkeit... nein, ein Artefakt in sich, dass man als 'Auge Pandämoniums' bezeichnet. Es verleiht dem Träger eine Fähigkeit, die denen der Vampire ähnelt. Wie ich bereits gesagt habe, hungern diese Dämonen nach Magie, sobald sie ein geeignetes Opfer gefunden haben, benutzen sie ihre eigene Art von Magie, um sämtliche Energie aus den Körpern der unglücklichen zu ziehen, die in ihre Fänge geraten sind. Damit sie lohnende Beute finden können, haben sich die Augen dieser Kreaturen so entwickelt, dass sie Magie sehen können, allerdings nicht so, wie es Träger der Augen Pandämoniums tun. Letztere sehen die Formeln und Runen der Zauber, wenn sie gewirkt werden, Vampire jedoch, sehen die Magie in ihrer Urform, so wie sie uns jederzeit umgibt. So können sie leicht Beute finden, die über große Mengen von magischer Energie verfügt. Genau das habe ich ausgenutzt, ich habe in den letzten Tagen meine Waffen ein wenig modifiziert, sobald ich beide Abzüge gleichzeitig betätige, werden über zweihundert Zauber gewirkt.“
„Was? Aber... Professor, das ist doch unmöglich! Selbst Ihr könnt nicht so viele Zauber gleichzeitig benutzen.“
„Da hast du natürlich recht, aber ich muss sie ja auch gar nicht benutzen, es reicht, wenn sie gewirkt werden. Die plötzliche Aktivierung, von so vielen Zaubern hat die Augen und das Nervensystem von Luciano vollkommen überlastet. Ah, sieh mich nicht so an, du weißt doch, dass ich dir später alles darüber erzählen werde.“ meinte Dârthallion, als er Coras leicht beleidigten Blick bemerkte, weil er ihr nicht früher von Vampiren, und diesem Experiment erzählt hatte. „Jetzt müssen wir erstmal zusammenpacken, und alles für die Reise nach Candeo vorbereiten. Dort werden wir das größte Experiment bisher starten, und ich bin mir sicher, es wird dir gefallen.“

Zur selben Zeit in Navea:
„Ich komme schon!“ rief Aleyandra, als es an ihrer Tür klopfte, und sie rannte durch das kleine Haus, bis in den Flur, wo sie auch schon schnell die Tür aufriss. Vor ihr stand Naruz, und begrüßte sie mit einem Lächeln.
„Hallo Aleyandra, schön dich zu sehen.“ meinte er, und gab ihr einen Strauß mit Blumen.
„Oh, Naruz, hallo. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dich zu sehen.“
„Kann ich verstehen, ich hatte immerhin nicht gesagt, dass ich komme. Die letzten zwei Tage hatte ich kaum Zeit, ich musste etwas vorbereiten, deswegen kann ich erst heute mit dir darüber sprechen, aber bevor ich zum Thema komme... ist Saeca gerade da?“
„Saeca? Ja, sie ist da, einen Moment. Ach ja, komm doch solange rein.“ Aleyandra ging vor, und Naruz betrat hinter ihr das Haus. Die Blumen legte Aleyandra auf den Küchentisch, ehe sie in ihr Zimmer ging, wo Saeca saß, und sich ein Bilderbuch ansah. „Saeca? Komm mal mit, wir haben Besuch.“
„Besuch? Wer ist es, Onee-chan?“ Saeca war sofort begeistert, und sprang auf. Zusammen gingen die beiden wieder in die Küche, wo Naruz auf einem Stuhl saß, und sich ein wenig umsah. Als er Saeca sah, zuckte es gefährlich in seinem Mundwinkel, was die junge Armani jedoch nicht bemerkte, ganz im Gegensatz zu Aleyandra. Diese bekam langsam ein ungutes Gefühl bei der Sache, und während Naruz und Saeca sich begrüßten, schlich Aleyandra sich zur Eingangstür, und warf einen Blick nach draußen... und was sie dort sah, sorgte beinahe dafür, dass ihr Herz stehen blieb. Ein riesiger Karren vollbeladen mit Säcken, stand direkt neben ihrem Haus. Seufzend kehrte sie zurück in die Küche, wo Saeca gerade fröhlich die Beine baumeln ließ, und sich mit Naruz unterhielt. „Was führt dich denn heute hierher, Naruz-senpai?“ fragte sie, und ein gefährliches Lächeln erschien auf Naruz' Gesicht.
„Eigentlich bin ich hier, um mit Aleyandra über etwas zu reden, aber als ich heute Morgen aufgestanden bin, da konnte ich gar nicht anders, als an dich zu denken.“
„An mich? Ehrlich? Warum denn das, Naruz-senpai?“
„Och ich weiß nicht... vielleicht wegen der kleinen Veränderung, die du an meinem Kleiderschrank vorgenommen hast?“ fragte Naruz, in unschuldigem, freundlichen Ton, woraufhin Saeca anfing zu schlucken. Irgendwie hatte Aleyandra das Gefühl, dass so wohl das Verhör von einem Ketzer, oder einer Ketzerin ablaufen würde, während sie das Gespräch zwischen Naruz und der Armani beobachtete.
„W-welche Veränderung? Ich w-weiß nichts von einer Veränderung, ich weiß nichtmal, wie dein Schrank aussieht, Naruz-senpai.“
„Oh, ich glaube du weißt durchaus, wie er aussieht. Und ich rede von der doppelten Rückwand, die mein Schrank plötzlich hatte. Weißt du, ich hatte mich schon lange gefragt, warum der Platz in meinem Schrank immer kleiner zu werden schien, bis ich heute herausgefunden habe, dass die Hälfte des Schranks hinter einer Doppelwand verschwunden ist, deren Hohlraum mit Dango gefüllt war!“
„Ah... du hast Versteck sechzehn gefunden.“ murmelte Saeca kleinlaut, und starrte auf den Küchenboden.
„Ich habe auch Verstecke eins bis achtzehn gefunden!“
„W-w-was? D-du hast das Lager unter der Küche gefunden?“
„Das... das Lager unter der Küche?“
„Nichts, vergiss es, Naruz-senpai, ich rede nur wirres Zeug. Ähm... die Dango, die du gefunden hast...?“
„Was ist mit denen?“
„Ähm... hast du sie... gegessen?“ Naruz starrte die Armani eine Weile lang vollkommen ausdruckslos an, woraufhin diese immer nervöser, und vor allem trauriger wurde. Schließlich, als es so aussah, als würde die Armani gleich anfangen zu weinen, seufzte Naruz.
„Nein, habe ich nicht, sie stehen draußen, vor der Tür.“
„Wuhu! Danke, Naruz-senpai! Du bist der beste Senpai, den ich jemals hatte!“ Mit diesen Worten sprang die Armani auf, und rannte aus dem Haus. Kaum war sie weg, setzte sich auch schon Aleyandra auf ihren Platz, und lächelte Naruz an.
„Danke, dass du ihr die Dango gelassen hast. Ich befürchte, ich hätte ewig gebraucht, um sie nach dem Verlust von so vielen Dango wieder aufzubauen.“
„Keine Ursache.“ meinte Naruz, und lächelte ebenfalls. „Aber ein paar sind dann doch verloren gegangen, nämlich die, die Saeca in der Bibliothek versteckt hatte. Aynaeth hat das Versteck vor ein paar Tagen gefunden, und immer heimlich einige von diesen Dango gegessen, bis Naleya es gemerkt hat, und der Sache ein Ende bereitete. Ach ja, wo ich gerade bei Aynaeth bin... sie ist der Grund, warum ich mit dir reden wollte. In drei Tagen, werde ich Navea verlassen, und zu meinem neuen Auftrag aufbrechen. Das Oberkommando der Inquisition hat einen Brief von Salvatore erhalten... Salvatore Doni, du erinnerst dich noch an ihn?“
„Ja... leider.“ meinte Aleyandra, und verzog das Gesicht. „Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen, ich dachte eigentlich, er ist gestorben, oder wurde in irgendeine ferne Ecke des Reichs versetzt.“
„So ungefähr.“ lachte Naruz. „Er wurde in den Candeo Sumpf versetzt, und sollte dort eine seltsame Mordreihe aufklären... das war vor über einem Monat, und er hat noch immer keine Fortschritte gemacht, also hat er Hilfe angefordert. Da Salvatore vermutet, dass es sich beim Übeltäter um einen Dämon handelt, oder zumindest um eine Art Dämon, hat die Kirche Aynaeth um Hilfe gebeten, und die hat sich dazu bereit erklärt, uns zu unterstützen. Mein Team und ich wurden damit beauftragt, Aynaeth während ihrer Reise, und ihres Aufenthalts im Candeo Sumpf zu beschützen, ich habe den Auftrag natürlich sofort angenommen.“
„Oh... und... warum?“ fragte Aleyandra, und wurde ein wenig nervös. Hatte Naruz etwa rausgefunden, dass sie für den Mord verantwortlich war, der hier vor kurzem stattgefunden hatte? Wollte er deswegen weg?
„Weil die Schwerttänzerin, von der ich dir erzählt habe, ebenfalls in diesem Sumpf ist. Aynaeth hatte mir versprochen, sie mir vorzustellen. So eine Möglichkeit werde ich so schnell nicht wieder kriegen, und... Aleyandra?“ fragte Naruz verwirrt, als Aleyandra aufstand, zu ihm ging, und ihn umarmte. „Ähm... ist etwas?“
„Nein, alles ist in Ordnung.“ meinte diese, und lächelte glücklich. Naruz würde nur für sie in den Sumpf reisen, um eine Möglichkeit finden, sie zu heilen! Das hatte er zwar so nicht gesagt... aber so sah es zumindest für sie aus, und letztendlich war es ja genau das, was zählte. „Wirst du lange fort sein?“
„Ich fürchte, es wird wohl eine Weile dauern... wir werden uns also wohl eine Zeit lang nicht sehen.“ meinte Naruz, und sah tatsächlich ein wenig traurig aus.
„Ich verstehe.“ meinte Aleyandra, und versuchte zu lächeln. „Aber keine Sorge, ich werde die Zeit effektiv nutzen, während du im Sumpf herumkriechst.“ sagte sie, mit so viel Überzeugung in der Stimme, wie es ihr möglich war.
„Das glaube ich dir.“ Naruz lachte, und warf einen Blick zu Saeca, die gerade damit beschäftigt war, die Säcke voller Dango in das Haus zu schleifen. „Vielleicht könntest du damit anfangen, Saeca abzugewöhnen, ihr Essen in meinem Hauptquartier zu verstecken.“
„Glaube mir, ich versuche schon mein bestes, aber es ist schwierig.“
„Kann ich mir vorstellen. Wenn du willst, könnte ich mal mit ihr reden.“
„Hast du denn Erfahrung mit sowas?“
„Ich habe mich zuhause in Skandia immer um die Riesenkaninchen gekümmert... ein Riesenhamster dürfte da kein Problem sein.“
„Danke für das Angebot... aber ich habe ja gehört, wie du dich um die Kaninchen gekümmert hast. Also tut es mir leid, aber nein danke, ich hänge dann doch zu sehr an Saeca.“ meinte Aleyandra, mit einem Lachen, in das Naruz einstimmte.
„Worüber redet ihr?“ fragte Saeca, während sie die Küche betrat. Von den Säcken war keine Spur mehr zu finden, außer zwei kleinen Spießen, die aus ihrem Mundwinkel ragten.
„Nichts, mach dir keine Sorgen.“ Naruz lächelte sie freundlich an, während er aufstand. „Es tut mir leid, dass mein Besuch nur so kurz war, aber ich muss wieder zurück, und die Reise vorbereiten. Es hat mich gefreut, dich mal wieder zu sehen, Saeca.“ mit diesen Worten begab er sich in Richtung Flur, als er neben Saeca stand, hielt er kurz an, und flüsterte ihr etwas ins Ohr, ehe er weiterging, und das Haus verließ. Aleyandra sah ihm eine Weile lang lächelnd nach, ehe sie Saecas versteinerte Miene bemerkte.
„Saeca? Ist mit dir alles in Ordnung?“
„Nein, gar nichts ist in Ordnung!“ rief Saeca, und Tränen standen ihr in den Augen, während sie auf Aleyandra zurannte, und sie in die Arme nahm. „N-naruz-senpai hat mir alles erzählt! In seiner Hütte gibt es ein Monster, ein schreckliches Monster, dass Dango frisst! Er hat mir gesagt, dass er sie dieses mal gerade so retten konnte, aber er meinte, dass ich das nächste mal vielleicht nicht so viel Glück haben werde... was... was soll ich jetzt tun, Onee-chan? U-und was ist mit den Dango, die noch unter der Küche sind?“ Aleyandra seufzte, und verfluchte Naruz innerlich für diesen Scherz. Dafür würde sie sich noch rächen... aber zuerst hieß es, Saeca zu beruhigen, was, Aleyandras Erfahrung nach, wohl den restlichen Tag in Anspruch nehmen sollte.

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Zuletzt geändert von Mimir am 3. August 2014 16:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Kawaii Kingdom (Aura Kingdom AAR mit Vanidar)
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Die Goldene Faust, Thera AAR
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 3. August 2014 13:54

32. Plan A wie...absurd, absurder, am absurdesten (Öffnen)
32. Plan A wie...absurd, absurder, am absurdesten


Aleyandra schlich mitten in der Nacht durch ein dunkles, kleines Arbeitszimmer in einem kleinen Haus im Süden von Navea. Das Haus gehörte ihrem zweiten Ziel, einem ehemaligen hochrangigen Templer, der jetzt angeblich für die Alfar arbeitete und seine Kontakte innerhalb der Kirche nutzte, um Informationen nach Norden weiterzuleiten. Eigentlich sollte ihr Ziel hier sein, dachte Aleyandra verärgert. Laut ihrem Großmeister arbeitete der frühere Templer immer bis spät in die Nacht hinein und schlief dabei oft in seinem Arbeitszimmer, aber er war nicht da. Dabei hatte sie sich so viel Mühe gegeben das Fenster möglichst leise aufzubrechen. Gerade wollte sie wieder verschwinden und es an einem anderen Abend wieder versuchen, als plötzlich das Licht in dem Raum anging. Die magischen Lampen fluteten das Arbeitszimmer mit grellem Licht und Aleyandra gelang es nur noch aufzuspringen und sich panisch umzusehen, bevor die Tür aufgestoßen wurde. Ein halbes Dutzend Wachen in leichten Rüstungen und mit langen, dunklen Gewehren die am lauf eigenartig leuchteten und rotes Licht ausstrahlten. Ihnen folgte ein hochgewachsener Mann mit kurzen, hellen Haaren, der sie kurz überrascht musterte, anscheinend war er sonst andere Meuchelmörder gewöhnt, vermutlich welche die keinen hübschen Mädchen waren.
„Oh...eine Falle, toll...was für eine Riesenüberraschung“ flüsterte Aleyandra gelangweilt vor sich hin, sobald sie ihre Überraschung überwunden hatte und die Wachen sie umzingelten. Die Männer zielten mit den magischen Gewehren auf sie und schienen bereit sie jederzeit zu erschießen.
„Hast du wirklich geglaubt ich lasse mich so einfach abschlachten wie mein Partner? Sein Tod war eine mehr als deutliche Warnung für mich.“ begann der Mann grinsend, hielt sich aber lieber weiterhin hinter seinen Wachen, falls sie versuchte ihn um jeden Preis zu töten „Früher diente ich als Templer in einem der Inquisitorenteams, ich weiß wann ich verfolgt werde und man es auf mich abgesehen hat.“
„Schön für dich.“ murmelte Aleyandra desinteressiert und ihre Finger wanderten langsam zu den Pistolen an ihrem Gürtel „Aber jetzt tu mir bitte einen kleinen Gefallen und stirb schnell, ja? Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn, Saeca wartet auf ihre Dangos und vor einer hungrigen Saeca habe ich ehrlich gesagt mehr Angst als vor diesen albernen Gewehren.“
„Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht versuchen.“ warnte ihr Ziel sie und sofort hörte Aleyandra auf, es wäre vielleicht wirklich besser noch eine Weile zu warten, diese Gewehre konnten genug Schaden anrichten um sie ernsthaft zu verletzen, also entschied sie sich dazu ihr Opfer nur gelangweilt anzustarren „Diese Waffen waren sehr teuer und selbst wenn du einen magischen Schild besitzt, werden sie ihn einfach zerfetzen, also versuch gar nicht erst dich zu wehren.“
„Gewöhnliche Waffen hätten es auch getan, ich habe noch nie in meinem Leben versucht einen Schild zu erschaffen, das passt nicht zu meinem Kampfstil.“
„Ach? Und was ist dein Kampfstil?“
„Chaos.“ erwiderte Aleyandra und zuckte kurz mit den Schultern, sie brauchte keinen Plan wenn es ums kämpfen ging, das konnte sie auch so „Ich greife den Gegner so lange planlos an, bis es irgendwie funktioniert. Nicht besonders elegant, aber ich bin damit bisher immer gut zurecht gekommen.“
„Mhm, interessante Technik, aber ich glaube diesmal wird es dir nicht helfen, aber keine Angst, solange du dich benimmst, werden meine Männer nicht schießen. Immerhin will ich wissen wer meinen Tod befohlen hat und vielleicht wird es uns allen Spaß machen die Information aus dir rauszukriegen, dir dürfte es aber eher weniger gefallen, ich entschuldige mich schon einmal im Voraus dafür.“ alles an ihm zeigte deutlich, das sein Bedauern nur gespielt war und er sich eigentlich schon darauf freute sie zu verhören, auch wenn er die Stadt sofort danach verlassen musste, er konnte nicht hierbleiben nachdem seine Tarnung aufgeflogen war, bisher war er nur geblieben um seinen Partner zu rächen „Also, du wirst jetzt die Hände über den Kopf heben und dich langsam auf den Boden legen, damit meine Männer dich gefahrlos entwaffnen können, ansonsten werden sie dich in einen Haufen Asche verwandeln. Heute ist nicht gerade dein Glückstag, Mädchen.“
„Du hast recht, heute ist wirklich kein guter Tag.“ seufzte Aleyandra, noch immer unbeeindruckt von der Situation, auch wenn sie vorsichtshalber die Hände hinter ihrem Kopf verschränkte, damit sie wenigstens unbedrohlich wirkte und keine der Wachen auf die Idee kam prophylaktisch auf sie zu schießen „Ich wollte heute eigentlich mit meinem Freund hier in der Nähe essen gehen. Es gibt da ein tolles neues Restaurant, nur drei Straßen weiter, und es soll dort sehr romantisch sein. Aber daraus wurde nichts und stattdessen muss ich mich jetzt mit euch herumschlagen. Die Welt ist so unfair, es ist fast so, als würde eine höhere Macht beharrlich alles mögliche versuchen um uns auseinander zu bringen und ich hasse diese höhere Macht dafür.“
„Toll, wie auch immer, leg dich flach auf den Boden, bevor meine Männer die Geduld verlieren.“
„Er ist ein Inquisitor und musste leider verreisen, also bin ich im Moment ganz alleine in dieser langweiligen Stadt.“ fuhr Aleyandra unbekümmert fort und blendete die Existenz der Männer vollkommen aus, es gab wichtigeres als ein paar Narren mit Waffen, darum konnte sie sich später noch kümmern, vielleicht sollte sie sich sogar gefangen nehmen lassen, damit Naruz sie heldenhaft retten konnte, ein großartiger Gedanke, aber leider befand sich Naruz auf dem Weg nach Candeo, womit ihr Plan nicht funktionieren würde „Wisst ihr, so lange ich mich zurückerinnern kann, wollte ich immer nur eines, nämlich in Navea leben. Ich konnte mir nichts wundervolleres vorstellen, denn in meinen Ohren erklangen noch immer die wunderschönen Geschichten die mir mein Bruder immer über die goldene Stadt im Herzen der Welt erzählt hat. Aber jetzt, da ich endlich hier bin, finde ich es nur noch öde und leer solange Naruz nicht bei mir ist. Er ist mir wichtiger als diese Stadt, aber leider kann ich ihn schlecht zwingen immer in meiner Nähe zu bleiben. Es ist wirklich anstrengend mit ihm, andauernd muss er durch das ganze Land reisen um für die Inquisition irgendwelchen Unsinn zu erledigen. Wäre es nicht leichter für ihn die Kirche einfach zu ignorieren? Ich meine, im Gegensatz zu mir, kann er der Kirche jederzeit Lebewohl sagen und ein Leben als gewöhnlicher Bürger beginnen. Ich frage mich, was dabei herauskommen würde, wenn er sich zwischen seiner Arbeit und mir entscheiden müsste.“ sie spürte wie die Wachen näher an sie heranrückten und noch immer die magischen Waffen auf ihren Kopf richteten, auf die Entfernung wäre es unmöglich sie zu verfehlen „Oh, ihr seid ja noch immer da...ich hatte gehofft das ihr klug genug seid um zu verschwinden solange ich rede, aber anscheinend wollt ihr unbedingt sterben.“
„Es reicht jetzt, wir haben genug Zeit verschwendet. Nehmt ihr die Waffen ab, damit wir sie endlich verhören können.“´befahl ihr Ziel und zwei der Wachen setzten sich in Bewegung, während der Rest sie weiterhin ins Visier nahm und jede ihrer Bewegungen misstrauisch beobachtete.
„Es tut mir leid für euch, aber ich habe im Moment leider keine Geduld für nervtötende Idioten übrig.“ Aleyandra lächelte die Männer freundlich an. Sämtliche Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet und dadurch bemerkte niemand die leuchtenden, blauen Runen an den Wänden, die jetzt sichtbar wurden. Einfach alles hier hatte nach einer Falle geschrien. Sie wusste, dass ihr zweites Opfer nicht so dumm und naiv war wie das erste, auch sie konnte sich ab und zu auf ihre Aufträge vorbereiten und ein paar Akten lesen, wenn es unbedingt sein musste. Ihr Ziel war vielleicht nicht auf den Kopf gefallen und hatte sofort nach dem Tod des ersten Verräters Verdacht geschöpft, aber auch sie konnte manchmal ein paar ganz gute Ideen haben, zwar nur sehr selten, aber heute schien einer ihrer intelligenteren Tage zu sein. Aleyandra legte den Kopf schief, lächelte sie an und streckte ihnen kurz die Zunge raus, was die Männer erst recht verwirrte. „Auf Wiedersehen.“ Damit schoss sie in die Luft, brach durch die hölzerne Decke und entfesselte die Runen, die sie überall in dem Zimmer angebracht hatte. Sie konnte spürten wie rote Strahlen aus magischer Energie an ihr vorbeischossen, aber keiner traf sie und auch die wütenden Schreie des Verräters kümmerten sie nicht. Aleyandra schoss durch das Dach des Hauses und kaum lag die kleine Villa hinter ihr, brach eine gigantische Feuersäule aus dem Arbeitszimmer hervor. Die Flammen verschlangen das ganze Haus und kurz glaubte sie schon es mit ihrer Magie übertrieben zu haben, aber dann lächelte sie bloß und flog davon. Irgendwer würde schon verhindern das die ganze Stadt Feuer fing. Sie wusste nicht wirklich, ob das ganze irgendwie nach einem Unfall aussah...vermutlich eher nicht, aber das war ihr egal. Ihr Auftrag war abgeschlossen, alles andere zählte nicht mehr. Damit wurde es Zeit, sich sofort einen neuen Auftrag zu suchen und zwar einen, der sie weit, weit in den Norden führte. Vielleicht gab ihr Großmeister ihr ja rein zufällig sogar einen in Candeo und wenn nicht, musste sie da einfach etwas nachhelfen. Sie wollte schon immer mal nach Candeo, zumindest seit sie wusste das Naruz dorthin wollte.



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„Es war erstaunlich leicht. Die beiden Tölpel stellten keine große Herausforderung dar.“ Aleyandra stand in Silberblatts Büro und beendete gerade ihren knappen Bericht über ihren letzten Auftrag. Gleich am Tag nach ihrem Erfolg, hatte sie sich auf den Weg zu ihrem Großmeister gemacht, der sie jetzt misstrauisch betrachtete. Normalerweise musste er sie fast schon dazu zwingen zu arbeiten und jetzt kam sie freiwillig zu ihm, um so schnell wie möglich ein neues Ziel zu erhalten? Irgendetwas war faul und Silberblatt war sich inzwischen sicher, das es mal wieder mit Naruz zu tun hatte, wie immer. „Ich dachte daran, mir meinen nächsten Auftrag vielleicht wieder selbst auszusuchen, falls es Euch nichts ausmacht, Herr.“
„Ach? Dachtest du, ja? Du hast nur ein paar Tage gebraucht, um die zwei Verräter auszuschalten, das war nicht schlecht, aber wie kommst du auf die Idee, das du plötzlich hier die Befehle erteilen darfst?“ er wirkte etwas gereizt, wie immer seit Lyaena in der Stadt war und vielleicht war es doch keine gute Idee ihn ausgerechnet jetzt um einen Gefallen zu bitten „Das letzte Mal als ich dir erlaubt habe selbst zu bestimmen was dein nächstes Ziel sein soll, hast du nichts als Ärger gemacht und all meine Befehle ignoriert.“
„Was meint Ihr damit, Großmeister?“ fragte Aleyandra und versuchte dabei so unschuldig wie möglich zu tun wie möglich, ein Trick, der schon seit einer Weile nicht mehr funktionierte.
„Es ist eine miese Idee das du dir deine Aufträge selbst aussuchst, eine sehr miese. Das letzte Mal...“
„Das letzte Mal, habe ich einen entflohenen Serienmörder und Verräter gestellt und umgebracht, ich habe meinen Auftrag perfekt und ohne Schwierigkeiten erledigt, oder etwa nicht?“ unterbrach sie den Großmeister um das eben gesagte richtig zu stellen, er hatte zwar auch recht damit das sie seine Befehle absichtlich missachtet hatte, aber wenigstens war sie erfolgreich gewesen, irgendwie „Ich dachte, dass ich den Auftrag zu Eurer Zufriedenheit erfüllt habe? Alles worum ich bitte, ist ein Auftrag der mich nach Candeo führt und ich werde ihn perfekt ausführen, so wie beim letzten Mal.“
„Da...hast du nicht ganz unrecht.“ gab Silberblatt nachdenklich zu und erhob sich langsam von seinem Schreibtisch, während er einen Aktenstapel durchsuchte „Du willst also ein Ziel in den Sümpfen, ja?“
„Unbedingt...ähm, ich meinte natürlich das es mir eigentlich vollkommen egal ist. Mir wäre jedes Ziel in jedem Teil der Welt recht, aber ich wollte schon immer mal Candeo besuchen. Es soll eine sehr malerische und idyllische ähm...Sumpflandschaft sein, die ganzen Stechmücken, der Gestank, die schwüle Luft, es wird sicher herrlich, genau das was ich mag. Außerdem...“
„Ja ja, spar dir das, ich weiß warum du nach Candeo willst.“ Silberblatt hätte am liebsten abgelehnt, aber er konnte Aleyandra nichts ausschlagen, dann holte er eine Akte von seinem überladenen Schreibtisch und warf sie Aleyandra zu, die sie auffing und sofort damit begann die Akte desinteressiert zu überfliegen „Dann versuch es am besten mit diesem hier, das ist vielleicht ein Auftrag ganz nach deinem Geschmack, außerdem ist dein Opfer nicht einmal ein Mensch, also wird es dir sicher gefallen.“
„Das Ziel ist die Anführerin einer Sekte in den Sümpfen nahe Candeo. Die Sekte setzt sich hauptsächlich zusammen aus...Sarpa?“ Aleyandra starrte ihn ungläubig an und unterdrückte ein abfälliges Schnauben, das würde der leichteste und langweiligste Auftrag aller Zeiten werden „Wirklich? Eine Sarpa? Warum soll ich irgendein dummes Fischweib umbringen? Die sind doch nichts weiter als stumpfsinnige Monster, die nur ans Fressen denken können.“
„Keine gewöhnliche Sarpa. Ihr Name lautet Azhara und sie ist die Hohepriesterin der vereinten Sarpastämme von Candeo.“ er legte eine kleine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, aber Aleyandra blickte ihn nur verwirrt und ahnungslos an, sie hatte sich in letzter Zeit nicht wirklich mit der aktuellen Politik von Süd-Midgard beschäftigt und damit auch keinerlei Ahnung von den Machtverhältnissen Midgards, was ihren Großmeister dazu brachte verzweifelt zu seufzen, er hätte wissen müssen das sie alles ignorierte was nichts mit Naruz zu tun hatte, außer man zwang sie dazu sich mit etwas anderem als ihrem Liebesleben zu beschäftigen. „Die Sarpa in den Sümpfen haben sich vor einiger Zeit zu einem einzigen Stamm zusammengeschlossen. Sie werden von einer Art Dämonenkult zusammengeschweißt, welcher sehr stark an einige Bräuche der Alfar erinnert. Da immer mehr Alfar über die Grenze nach Süden gelangen um die anderen Rassen und Völker von Süd-Midgard gegen uns Menschen aufzubringen, ist es sehr wahrscheinlich das sie auch hier ihre Finger im Spiel haben. Dein Ziel ist die Hohepriesterin der Sarpa. Sie soll über die Fähigkeit verfügen mächtige Dämonen zu beschwören, außerdem heißt es, dass nichts vor ihrem Dritten Auge verborgen bleiben kann. Wenn sie stirbt, wird der Plan der Alfar scheitern und die Sarpastämme lösen sich wieder auf, vermutlich fangen sie sogar wieder damit an sich gegenseitig zu bekämpfen. Normalerweise denken Sarpa nur ans Fressen, aber dieser Hohepriesterin ist es irgendwie gelungen ihr Volk auf eine Art höheres Ziel einzuschwören. Sie wollen dass die Sümpfe und alle Orte an denen Sarpa leben aus dem Kirchenstaat austreten, außerdem sollen die Menschen in Candeo verschwinden, die Stadt würde dann an die Sarpa gehen, weil sie es sich irgendwie in den Kopf gesetzt haben plötzlich ein zivilisiertes Volk sein zu wollen, obwohl sie letztendlich nichts weiter sind als Tiere. Ihre Forderungen sind lächerlich und es ist wahrscheinlich das sie sich den Alfar anschließen sobald die Spitzohren gen Süden marschieren. Die Kirche wird genug damit zu tun haben die Alfar abzuwehren. Wir können uns nicht auch noch Feinde auf dieser Seite der Grenze leisten. Wenn erst einmal die Sarpa sich unabhängig erklären, folgen ihnen die Makar als nächstes und dann haben wir im Norden unseres eigenen Reiches plötzlich mehr Feinde als Verbündete.“
„Hier steht das sie keine vollwertige Sarpa ist, sondern nur ihre Mutter aus diesem nervigen Fischvolk kommt. Ich wusste gar nicht, dass die Fischweiber in der Lage sind sich mit Menschen fortzupflanzen.“
„Da hast du recht, das können sie auch nicht und wenn du einfach weiter lesen würdest anstatt dumme Fragen zu stellen, wüsstest du das inzwischen auch selbst.“ Silberblatt wartete darauf das sie anfing die Akte aufmerksam zu studieren, aber stattdessen starrte sie nur zurück und verzog kurz genervt das Gesicht, sie fand es viel leichter wenn er ihr einfach alles erzählte was sie wissen musste. Letztendlich gab er wie immer nach, schüttelte kurz lächelnd den Kopf und fuhr fort „Sie ist die Tochter der vorherigen Hohepriestern, welche den Dämonenkult der Sarpa erst zu seiner jetzigen Größe führte. Die Priesterin galt als eine Art Medium und beschäftigte sich viel mit der Dämonologie. Sie verehrte die Dämonen Pandämoniums als übernatürliche, allmächtige Wesen und war überzeugend genug um rasch Anhänger in ihrem Volk zu finden. Lange Zeit stellte sie keine wirkliche Bedrohung dar und man hat sie ignoriert, die Kirche musste sich im dringendere Angelegenheiten kümmern, als um eine verrückte Sarpa die durch die Sümpfe kroch und irgendwelche benebelnden Pilze fraß. Leider ist anzunehmen, dass die Alfar ihr einiges über die Kunst der Dämonologie beibrachten, wodurch sie in der Lage war mächtigere Bewohner Pandämoniums zu beschwören, mit deren Hilfe sie ihr Volk unterwarf. Irgendwann ging sie sogar so weit einen machtvollen Dämon zu zu rufen, um mit ihm ein Kind zu zeugen. Niemand weiß wirklich wie es ihr gelungen ist, denn eigentlich sollte es nicht möglich für die Sarpa sein sich mit einem Dämon fortzupflanzen, aber sie besaß vermutlich die Hilfe der Alfar, also wird sie irgendeinen Weg gefunden haben. Aber wie es ihr gelang, ist auch nicht weiter wichtig. Alles was zählt, ist das wir die Brut dieser Verbindung auslöschen müssen, bevor es ihr gelingt die Sarpa noch weiter zu verderben.“
„Die Kirche könnte doch auch einfach Templer oder die Inquisition schicken um den Kult zu zerschlagen, oder etwa nicht? Immerhin ist es eine Art Sekte, also Ketzer, und damit ist die Inquisition zuständig. Sollen sie sich halt darum kümmern.“
„Nein, das wird nicht möglich sein. Azhara ist es gelungen von anderen Völkern Süd-Midgards als Anführerin der Sarpa anerkannt zu werden, sie ist damit keine Sektenführerin mehr, sondern das Oberhaupt eines Volkes, womit wir gezwungen sind uns auf langwierige Verhandlungen einzustellen, ansonsten wird das die anderen Rassen im Reich erst recht aufbringen. Solange die Sarpa nicht anfangen Menschen zu opfern und uns anzugreifen, können wir sie nicht einfach ausräuchern, das würde die Kirche in ein schlechtes Licht rücken.“ Aleyandra zuckte nur kurz unbeteiligt mit den Schultern, der Ruf der Kirche war ihr egal „Jedenfalls, seit dem Tod ihrer Mutter, vor etwa einem halben Jahr, führt Azhara den Dämonenkult mit eiserner Hand an. Die kurze Schwäche des Kultes seit dem Ende ihre Mutter, ist schon lange wieder überwunden und es gelang ihr sogar den Einfluss ihrer Fanatiker noch weiter auszuweiten. Ihr Tod und das Ende ihrer dämonischen Linie, würde sämtlichen Widerstand der Sarpa Augenblick in sich zusammenfallen lassen. Ohne Azhara sind sie wieder nichts weiter als ein Haufen Monster und wir müssen sie nicht länger ertragen, aber wenn wir zögern, wird sie genug Zeit haben um ihrer Mutter nachzueifern und ebenfalls dämonische Kinder zur Welt bringen.“
„Wo kann ich diese Azhara finden?“

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„Nach allem was wir wissen, verkriecht sie sich mit ihrem Gefolge in einem zerfallenen Tempel Gaias inmitten der Sümpfe. Ich lasse dir bis morgen früh eine Karte der Gegend geben, damit du dich nicht in den Sümpfen verirrst.“ seine Stimme wurde eindringlicher, ernster, denn er wollte, dass sie diesen Auftrag nicht auf die leichte Schulter nahm, niemand konnte wissen was sie letztendlich dort erwartete „Wir wissen nicht viel über die wahren Kräfte des Mädchens, also sei vorsichtig. Mit ihren Wachen und Kultanhängern solltest du leicht fertig werden, falls sie dich überhaupt bemerken und nicht zu sehr damit beschäftigt sind zugedröhnt in irgendeiner Ecke zu liegen.“
„Ein paar tumbe Sarpa stellen kein Problem dar und was immer diese Azhara an Tricks parat hat, gegen mich kommt sie sicher nicht an. Es wird ein Kinderspiel sie auszuschalten.“
„Sei dir da lieber nicht so sicher, niemand kann sagen welche Auswirkungen ihr dämonisches Blut auf Azhara hat, vielleicht stellt sie sich als stärkerer Gegner heraus als erwartet. Die Frage ist, ob sie bereits in der Lage ist genau wir ihre Mutter machtvolle Dämonen zu beschwören, dann wirst du vielleicht sogar gezwungen sein dich zurückzuziehen. Sollte sie einen Dämon rufen, der zu stark für dich ist, ziehst du dich sofort nach Candeo zurück und schickst mir eine Nachricht, ich lasse dir dann Verstärkung schicken. Am besten du versuchst gar nicht erst gegen einen Dämon zu kämpfen, sondern...“ Silberblatt brach verwirrt ab, als sich die Tür zu seinem Büro knarrend aufschob. Sofort riss er überrascht die Augen auf und starrte den Mann vor sich an, als hätte er einen Geist gesehen. Es war ein Mann Mitte Vierzig, mit langen blonden Haaren und blauen Augen, selbst Aleyandra erkannte ihn sofort als einen Akashi. „O-onkel?“
„Es freut mich auch dich zu sehen, Teregion, schön das es dir gut geht.“ seine Stimme klang freundlich und wohltuend, während ein erstaunlich belustigtes Lächeln seine Lippen umspielte. Der Rest seines Gesichts wirkte allerdings erschöpft und abgekämpft, als hätte er gerade große Anstrengungen hinter sich. Aleyandra betrachtete ihn aufmerksam und versuchte sich alles in Erinnerung zu rufen, was sie über die Akashi wusste. Silberblatt hatte den Mann eben Onkel genannt, also kam nur ein Mann in Frage, Kyosuke Akashi. Das Oberhaupt der mächtigen Familie war also endlich in Navea eingetroffen, damit lag die Hochzeit von Teregion und Lyaena nicht mehr in weiter Ferne. Seine stechenden, durchdringenden Augen musterten sie kurz interessiert und sein Blick hatte etwas beunruhigendes an sich, etwas, das ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Und wer ist diese hübsche, junge Dame? Willst du sie mir nicht vorstellen?“
„Ähm...sie...also...“ Silberblatt warf ihr einen kurzen, aber sehr eindringlichen Blick zu, der sie davor warnte überhaupt den Mund aufzumachen, also blieb sie lieber still „Sie ist das neuste Mitglied meines Ordens und ich ähm...habe ihr gerade einen Auftrag in den Candeo Marschen gegeben.“ mehr sagte Silberblatt gar nicht erst zu Aleyandra, sondern versuchte die Aufmerksamkeit von ihrer Existenz abzulenken, indem er den vergeblichen Versuch unternahm das Thema zu wechseln „Ich wusste gar nicht, das Ihr schon in der Stadt seid. Eigentlich habe ich Euch erst in ein paar Tagen erwartet.“
„Die Candeo Marschen? Interessant. Keine einfache Gegend, ich wünsche Euch viel Glück bei Eurem Auftrag und mit dem Segen Gaias und etwas Glück, werdet Ihr sicher gesund zurückkehren.“ dabei wandte er sich an Aleyandra und ignorierte seinen verwirrten Neffen, der noch immer nicht wirklich zu begreifen schien das sein Onkel einfach so und vollkommen unspektakulär aufgetaucht war. Normalerweise passte das nicht zum Oberhaupt der Akashi, Silberblatt hätte eher eine Art Triumphzug durch die halbe Stadt erwartet, aber sicher nicht so einen plötzlichen, gewöhnlichen Auftritt. „Verzeiht mir, dass ich einfach so hereinplatze und eure Besprechung unterbreche, das war nicht meine Absicht. Ich kann auch draußen warten bis ihr fertig seid wenn euch das lieber ist und...“
„Das wird nicht nötig sein. Sie wollte sowieso gerade gehen. Unsere Besprechung war eh beendet.“ Silberblatt nickte ihr kurz zu und schob sie dann energisch in Richtung Tür, es wirkte fast so, als würde er sie rauswerfen „Ich lasse dir alles was du für deinen Auftrag brauchst bringen, am besten du brichst morgen sofort auf, es gibt keinen Grund noch länger zu warten. Ach ja, und nimm bitte Saeca mit. Sie geht der ganzen Stadt auf die Nerven und wenn sie alleine hierbleibt, wird sie bald noch von einem wütenden Mob mit Fackeln und Heugabeln durch die Straßen gejagt.“
„Danke, Großmeister, ich werde Euch nicht enttäuschen.“ Aleyandra blinzelte verwirrt über ihren plötzlichen Abgang und nickte dem Akashi noch kurz zu, dann fiel auch schon die Tür vor ihrem Gesicht zu. Sie wurde in letzter Zeit erstaunlich oft auf diese Art und Weise aus dem Büro ihres Großmeisters geworfen.
„Du solltest etwas höflicher zu deinen Untergebenen sein, Teregion. Es gab keinen Grund sie so unsanft und überhastet rauszuwerfen. Oder sag bloß du hattest Angst davor das ich in ihren Gedanken lese?“ als Kyosuke merkte, wie Teregion unbehaglich seinem Blick auswich, wurde sein Lächeln nur noch breiter „Keine Sorge, ich stöbere nicht unaufgefordert in den Köpfen anderer Leute umher, das wäre unhöflich und ich habe es mir schon vor vielen Jahren abgewöhnt. Letztendlich entwickeln sich immer nur neue Probleme, sobald man die Geheimnisse und intimsten Gedanken sämtlicher Menschen in seinem Umfeld kennt.“ Kyosuke ging ein paar Schritte durch den kleinen Raum und sah sich unbeeindruckt in Silberblatts kleinem Reich um, bevor er das Thema wechselte „Ich möchte dich und Lyaena heute Abend auf unserem Anwesen im Westviertel sprechen. Ich weiß, dass es weder dir noch ihr besonders gefallen wird, wenn ich in eure Gedanken sehe, aber ich muss wissen, was in meiner Abwesenheit alles passiert ist und ob sich etwas...verändert hat während ich weg war.“
„Wird das wirklich nötig sein? Ihr habt erst vor zwei Jahren meine Gedanken überprüft und in der Zwischenzeit hat sich nichts an meiner Treue geändert.“ trotz seiner zuversichtlichen Worte, spürte Silberblatt wie er nervöser wurde, wie immer wenn er es mit seinem Onkel zu tun hatte.
„Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, ich muss überprüfen ob meine Wahl noch immer richtig ist, oder ob du vielleicht doch nicht dazu geeignet bist meinen Platz einzunehmen. Außerdem will ich wissen ob du in deinen Briefen wirklich die Wahrheit über Yuki geschrieben hast.“
„Das habe ich. Sie ist den Häschern der Kirche entkommen, wie erwartet, und als der Erzbischof mir befahl die Kinder Gaias auf sie anzusetzen, habe ich Eure Befehle befolgt und die Gelegenheit genutzt, um ihr genug Geld für ein gutes Leben in einem abgeschiedenen Teil Midgards zukommen zu lassen. Inzwischen dürfte Yuki nahezu unsichtbar für eventuelle Verfolger sein und sich in Sicherheit befinden.“
„Das will ich für dich hoffen, Teregion.“ urplötzlich wandelte sich der Tonfall des älteren Mannes und jegliche offene Freundlichkeit war aus seinem Gesicht verschwunden, ersetzt durch bitteren Ernst und einen stechenden, misstrauischen Blick „Ich habe unsere Pläne nicht vergessen und auch nicht, dass ich dich brauche, aber wenn ich erfahre das du die Befehle des Erzbischofs befolgt und meiner Tochter etwas angetan hast, werde ich dich und deinen Orden restlos vernichten.“



Später am Abend des selben Tages, saßen Kyosuke, Lyaena, Teregion und Teleya in einem der Wohnzimmer ihres Anwesens. Die Akashi hatten zusammen gegessen und sich bisher nur über unwichtige Dinge unterhalten, während sie es sich in Sesseln und auf einer Couch bequem gemacht hatten. Gerade erst wurde ein Thema angesprochen, das anscheinend niemanden außer Teleya und Teregion zu interessieren schien. Es ging darum, ob Teleya die Magierakademie in Navea besuchen sollte, doch Kyosuke ignorierte die Bemühungen der jungen Akashi und wollte nicht viel von der ganzen Idee wissen. Selbst als Silberblatt sich auf ihre Seite schlug und versuchte seinen Onkel von Teleyas magischen Fähigkeiten zu überzeugen, gab der Akashi weiterhin nicht nach. Es schien fast so als wollte er seine Tochter gar nicht in Navea haben, zumindest noch nicht wenn sie so jung war. Für ihn, glich die Stadt einem gefährlichen Schlangennest, mit dem seine Tochter noch nichts zu tun haben sollte, vor allem da sich bald einiges ändern würde falls alles nach Plan verlief. Es war bereits schlimm genug das Yuki verschollen war und Lyaena nach der Hochzeit hier in Navea leben würde. Wenigstens eine von ihnen sollte sich lieber außerhalb der Reichweite potentieller Feinde und dem Griff der Kirche aufhalten. Im Süden des Landes herrschten die Akashi. Der Großteil des Landes gehörte ihnen oder Adelsfamilien die unter ihrer Kontrolle standen und ihnen treu dienten. Es war der sicherste Ort in ganz Midgard, doch je weiter ein Akashi nach Norden kam, desto weniger Hilfe konnte er erwarten. In Navea gab es zu viele andere mächtige Familien, wie die Doni oder die Bladelli und noch weiter im Norden lebten größtenteils andere Völker, die zum Teil nur notgedrungen der Kirche dienten. Teleya jedenfalls trieb er mit seiner überfürsorglichen Art beinahe in den Wahnsinn. Sie wollte einfach nicht akzeptieren, das sie bald wieder zurück in den öden Süden musste, sie wollte in Navea bleiben, um jeden Preis.
„Ich verstehe nicht was das Problem ist!“ begehrte Teleya weiterhin energisch gegen seine Entscheidung auf und ging sogar so weit von ihrem Platz auf der Couch aufzuspringen und sich wie ein wütender, kleiner Dämon vor den anderen aufzubauen „Lyaena darf auch in Navea leben, also wieso darf ich nicht einfach bei ihr einziehen? Das Haus hier ist groß genug und...“
„Es wird Zeit für dich schlafen zu gehen, denke ich. Du solltest dir die ganze Sache mit der Magierakademie endgültig aus dem Kopf schlagen, denn du wirst dort nicht hingehen. Also dann, gute Nacht.“ unterbrach er sie und damit war das Thema für Kyosuke beendet, der sie keines einzigen Blickes mehr würdigte, aber Teleya rührte sich nicht von der Stelle sondern setzte stattdessen eine wehleidigen, weinerlichen Gesichtsausdruck auf, ob mit Absicht, oder weil sie wirklich kurz davor stand in Tränen auszubrechen konnte niemand genau sagen.
„Warum? Es ist doch noch so früh und ich bin noch nicht müde.“ flüsterte sie vor sich hin, wobei aber an ihrer zittrigen Stimme deutlich wurde, das es ihr nicht darum ging ins Bett zu gehen, sondern sie versuchte weiterhin über die Magierakademie zu reden, vor allem als sie deutlich lauter fortfuhr „Alle anderen Kinder aus Adelsfamilien dürfen auch an die Akademie wenn sie über magische Kräfte verfügen und ich bin begabter als die meisten von ihnen. Dort gibt es sogar viele die nur halb so alt sind wie ich und auch viele Akashi! Warum dürfen sie alle dorthin und ich nicht? Das ist unfair!“
„Es gibt viele Dinge die unfair sind, am besten du gewöhnst dich daran, außerdem will ich mich mit deiner Schwester und ihrem Verlobten alleine unterhalten. Sei brav und hör auf uns aufzuhalten, ja? Du wirst auf keinen Fall an die Akademie gehen, wenn du unbedingt eine Magierin werden willst finden wir sicher einen guten Zauberer, der bereit ist dich Zuhause zu unterrichten, also hör auf zu quengeln. Du bleibst noch bis nach der Hochzeit in Navea und dann gehen wir gemeinsam nach Süden zurück, hast du das verstanden?“ Kyosukes Tonfall wurde immer schärfer und letztendlich ließ Teleya enttäuscht den Kopf hängen und er wandte sich an Silberblatt „Teregion, bring sie bitte ins Bett, während ich mit Lyaena rede.“ Der Großmeister führte Teleya ohne Widerworte nach Oben und sprach dabei beruhigend auf sie ein und versprach ihr, noch einmal mit ihrem Vater darüber zu reden, immerhin sollte ihr Talent nicht verschwendet werden. Sie würde eine Weile schmollen, aber sicher war sie schon morgen wieder aufgeweckt und würde versuchen ihre restliche Zeit in Navea nicht mit düsteren Gedanken zu verschwenden.
„Es wird Zeit, Lyaena. Solange Teregion weg ist, sollten wir es schnell hinter uns bringen.“ Kyosuke stand auf und ließ sich gegenüber seiner ältesten Tochter nieder sobald die anderen beiden verschwunden waren.
„Ist...ist das wirklich nötig, Vater?“ Lyaena wirkte als würde sie am liebsten aufspringen und so schnell wie möglich flüchten, das ganze war ihr unheimlich, vor allem da sie keinerlei Gespür für Magie besaß „Du hast noch nie in meinen Gedanken gelesen und ich...ich weiß gar nicht wie das ist und was ich machen soll und...“
„Keine Angst, du wirst nichts spüren und ich werde nicht zu tief bohren. Ich muss nur einige Dinge über die letzten Tage und Wochen wissen. Menschen lügen, ihre Erinnerungen eher nicht. Vielleicht würdest du mir alles erzählen, aber ich habe in meinem Leben zu viel gesehen, um mich noch auf das Wort eines anderen Menschen zu verlassen, selbst wenn es um dich geht. Das hier ist der einfachere und schnellere Weg.“
„Wenn das dein Wunsch ist.“ willigte Lyaena zerknirscht ein und versteifte sich, als er seine Hand nach ihr ausstreckte. Seine Handfläche legte sich sanft auf ihre Stirn und er schloss die Augen. Sie hatte keine Ahnung was gerade passierte, also saß sie nur unbeweglich da, während er ihren Kopf durchsuchte. Er erfuhr alles, was in den letzten Wochen passiert war und kurz machte Lyaena sich Sorgen deswegen. Ihr Vater bemerkte nämlich auch all ihre Besuche bei Luca, aber das ließ sich nicht mehr ändern. Sie hatte sowieso vorgehabt ihm davon zu berichten und Kyosuke wirkte zufrieden als er diese Gedanken erkannte. Nur kurz verzog sich sein Gesicht, als er die Erinnerungen über ihren stürmischen Abzug aus Navea fand. Er hatte gewusst das damals etwas nicht in Ordnung war, aber hatte nur mit einem gewöhnlichen Streit gerechnet und nicht mit so etwas. Lyaena konnte manchmal sehr leidenschaftlich sein, sie war einfach eine hoffnungslose Romantikerin und Teregion hatte sicher nicht viel Zeit für sie gehabt neben seiner Arbeit. Immerhin musste Teregion nicht nur die Kinder Gaias anführen, sondern wurde im letzten Jahr auch mehr und mehr in die Verwaltung der Ländereien ihrer Familie eingeführt. Der Großteil seines Papierkrams und seiner Arbeit hatte nicht wirklich mit dem Orden zu tun, sondern damit sich auf die Führung der Akashi vorzubereiten. Zu erfahren das der Grund ihres Streits nicht die Arbeit, sondern eine Affäre war, ließ bei Kyosuke kurz Zweifel an seiner Entscheidung aufkommen. Er musste dringend in Teregions Gedanken lesen, um sich zu vergewissern, dass er damals keinen Fehler begangen hatte. Als Teregion nach dem Verrat seiner Eltern zu ihm kam, hatte er das erste mal die Gedanken des Jungen überprüft und seitdem tat er es regelmäßig. Vertrauen war gut, aber Kontrolle besser. Ihre Familie konnte sich nicht noch einen Verräter leisten. Teregion verdankte es nur diesen Fähigkeiten seines Onkels, das er nicht genau wie Luca zu den Erben Valquez musste um seine Treue unter Beweis zu stellen.
Kyosuke beendete seine Überprüfung und zog seine Hand wieder zurück. Lyaena wusste nichts mehr von Wert, sie hatte ihm alles offenbarte was wichtig für ihn war. Kurz überlegte er, ob er seine Tochter darauf ansprechen sollte das sie niemals jemandem verraten hatte das Luca Bladelli der Mörder der zwei Akashi im Lagerhaus war, aber dann ließ er es auf sich beruhen. Sie konnten sowieso keine Rache an diesem Luca nehmen, nicht ohne Paolos Zorn auf die Akashi zu lenken und Kyosuke wollte einen Krieg zwischen den Familien genauso dringend vermeiden wie Lyaena, wenn auch aus anderen Gründen. Er lehnte sich zurück und dachte kurz über alles nach, was er in ihr gesehen hatte. Lyaena wurde in der Zwischenzeit immer nervöser und rutschte unbehaglich hin und her. Das Warten auf seine Reaktion beunruhigte sie noch mehr, als alles davor. Sie wünschte sich das Teregion noch hier wäre, er kannte sich mit Magie aus und war diesen Kräften nicht so hilflos ausgeliefert.
„Du hast dich also mit Luca Bladelli getroffen, das ist interessant, interessant und auch ein bisschen beunruhigend, um ehrlich zu sein.“
„Es...es war nicht so wie es aussah. Meine Besuche bei ihm waren nötig, damit er aufhört gegen unsere Familie vorzugehen und dafür gab es keinen anderen Weg. Sicher, er hätte mich einfach umbringen können als ich vor seiner Tür stand, aber er ist nicht so eine Art Mensch.“ je länger sie sprach, desto sicherer und fester wurde ihre Stimme wieder, sie würde sich nicht für ihre Besuche bei Luca entschuldigen und sicher niemals als Fehler ansehen „Auch wenn es vielleicht so wirkt, er ist kein eiskalter Mörder, der nur aus Spaß am Töten umherzieht und wahllos Leute umbringt. Er hatte seine Gründe und bei seiner Vergangenheit kann man froh sein, das er nicht noch mehr Schaden angerichtet hat. Eigentlich will er nichts weiter als in Frieden hier in Navea leben und das ganze Blutvergießen hinter sich lassen!“
„Darum geht es nicht, Lyaena, und das weißt du auch. Er ist gefährlich, ganz egal was für rührselige Geschichten er dir noch erzählt, er ist und bleibt in seinem Herzen ein blutrünstiges Monster. In dem einen Moment tut er dir noch leid und im nächsten reißt er dich erbarmungslos in Stücke.“ versuchte Kyosuke seine Tochter zu warnen, aber war mit seinen Gedanken schon weiter und ging alles durch was er von ihr erfahren hatte. Um Luca machte er sich kaum Sorgen, den konnte man unter Kontrolle halten, man musste ihm nur einen Knochen hinwerfen und ihn ablenken.
„Das ist nicht wahr und wenn du meine Gedanken wirklich aufmerksam gelesen hast, dann weißt du das auch, Vater. Er ist kein kaltblütiger Mörder, sondern einfach nur ein Mann dem die Kirche alles genommen hat und dann taucht auch noch dieser Maskierte auf und schlachtet sich durch seine Familie! Er würde mir niemals etwas antun, das weiß ich.“
„Vielleicht nicht, ich kenne ihn schließlich nicht persönlich und kann es nicht beurteilen, aber die Berichte die ich über seine Aktionen im Norden kenne und das beruhigt mich nicht. Außerdem ist er der Sohn von Erica Bladelli, einer Dämonenanbeterin und Verräterin.“
„Seine Aktionen im Norden? Zu allem was dort passiert ist, hat die Kirche ihn gezwungen, es war nicht seine Entscheidung so viele Leben auszulöschen und das weißt du auch. Außerdem kann er nichts für seine Herkunft! Nur weil seine Mutter eine Verräterin war, heißt das noch lange nicht, das man ihm nicht trauen kann. Wenn du so argumentierst, müssten wir auch Teregion auf der Stelle vor die Tür setzen oder hinrichten lassen.“ Lyaena biss sich auf die Zunge, als sie merkte, dass sie dabei war sich zu vergessen und sich in Rage redete, aber es gelang ihr einfach nicht ihre Wut über die Geheimnistuerei länger zu verbergen. „Paolo Bladelli hat Teregions Eltern erwähnt, wie du sicher schon in meinem Kopf gesehen hast. Eigentlich ist er davon ausgegangen, dass ich es bereits wissen sollte und da muss ich ihm recht geben. Ich werde Teregion bald heiraten und weiß absolut nichts über ihn! Keiner von euch beiden hat mir jemals etwas über die Zeit erzählt bevor er zu uns kam! Ich will wissen endlich wissen was es mit seiner Vergangenheit auf sich hat, bitte. Wie soll ich jemanden heiraten über den ich rein gar nichts weiß? Wo hat er gelebt bevor er zu uns kam? Was wurde aus seinen Eltern? Wieso...“
„Und das wirst du auch alles noch erfahren, aber nicht von mir.“ Lyaena wollte sofort anfangen zu widersprechen, aber Kyosuke bedeutete ihr mit einer Geste ruhig zu sein und redete weiter „Bevor du protestierst, solltest du wissen, dass ich Teregions Meinung bin und glaube, das es besser ist diesen Teil seiner Vergangenheit ruhen zu lassen. Es wird dir nicht helfen Teregion besser zu verstehen, außerdem ist es unwichtig was seine Eltern getan oder nicht getan haben, das hat nichts mehr mit ihm zu tun. Wenn du unbedingt willst, kann ich dir wenigstens ein bisschen erzählen, aber nicht so viel wie dir lieb sein wird oder wie du hören müsstest, um alles zu verstehen.“
„Einen kleinen Teil der Wahrheit zu erfahren, ist immer noch besser als gar nichts zu wissen...“
„Teregions Vater, galt schon immer als Ausnahmetalent, nicht nur unter den Akashi, sondern er war etwas besonderes in ganz Midgard. Seine magischen Fähigkeiten überstiegen alles, was man bis dahin gesehen hatte, selbst ich konnte es niemals mit ihm aufnehmen und das obwohl ich der Ältere bin. Sein Name war Reinhardt...“ als er den verblüfften Ausdruck in Lyaenas Gesicht sah, kehrte sein Lächeln wieder zurück „Ja, ich weiß, der Name passt kein bisschen zu uns Akashi, aber es gefiel ihm irgendwie anders zu sein und das wollte er jeden spüren lassen. Er war nur mein Halbbruder, entstanden aus einer Affäre meines Vaters, aber wir verstanden uns trotzdem gut. Er wies, genau wie Teregion, keine große Begabung für die Magie der Akashi auf, aber machte das durch einen schier unendlichen Vorrat an Energie wieder wett. Unser Vater war kein Dummkopf, er erkannte das Potential seinen eher ungewollten Sohnes und nahm ihn als festes Mitglied in die Familie auf, sicherte ihm sogar einen Posten bei den Templern mit guten Aufstiegsmöglichkeiten. Reinhardt versuchte alles in seiner Macht stehende, um unseren Vater nicht zu enttäuschen und so schnell wie möglich aufzusteigen. Er tat immer alles, was die Familie von ihm verlangte. Kämpfte sich durch die Ränge der Kirche nach Oben, immer weiter, bis er bereits als der nächste Hochgeneral gehandelt wurde. Niemand wäre überrascht gewesen ihn eines Tages sogar als Erzbischof zu sehen und jeder lobte seine Fähigkeiten in den höchsten Tönen. Eines Tages, tat er allerdings etwas, was zumindest unter uns Akashi für Aufregung und vor allem Empörung sorgte, auch wenn es den Rest der Kirche nicht wirklich interessierte. Er heiratete ein einfaches Mädchen hier aus Navea, ohne jegliche Verbindungen zu den Akashi oder einer anderen alten Adelsfamilie. Sie war eine wahrhaftige Schönheit, anmutig und perfekt, und dabei so edel und stolz, dass sie es mit jeder Hochgeborenen aufnehmen konnte, aber letztendlich blieb sie nur eine gewöhnliche Bürgerliche, noch dazu war sie erst recht keine Akashi. Ihr Name war Tylia. Als irgendein unbedeutender Akashi aus einer der Nebenlinien, hätte man ihm vielleicht vergeben, aber unser Vater war alles andere als begeistert von der Hochzeit seines vielversprechenden Sohnes. Er entzog Reinhardt sämtliche Hilfe der Familie, nahm ihm jeglichen Einfluss und begann die Existenz meines Bruders zu ignorieren. Damit endete dessen Aufstieg innerhalb der Kirche abrupt, denn solange die Macht der Akashi gegen ihn stand, konnte er nicht weiter in der Hierarchie aufsteigen. Sehr zu meiner Überraschung, ließ mein Bruder sich davon aber nicht weiter einschüchtern. Ich habe ihn und Tylia damals oft besucht, auch gegen den Willen unseres Vater, und bald verstanden, warum er sich für diese Frau gegen unsere Familie stellte. Sie gehörten einfach zusammen, beide waren auf ihre Art und Weise einzigartig. Das er vermutlich niemals Hochgeneral oder Erzbischof werden konnte, kümmerte ihn jedenfalls nicht im Geringsten, es ließ ihn vollkommen kalt. All sein Ehrgeiz war plötzlich verschwunden, sein Tatendrang einfach verpufft, aber es schien ihn glücklich zu machen. Er ging vollkommen in seiner Rolle als gewöhnlicher Templer auf. Es gefiel ihm sogar, als man ihn zu den Stadtwachen versetzte, weil er damit wenigstens immer in der Nähe seiner Frau und ihres Sohnes sein konnte.“ Kyosuke begann ohne jegliche Vorwarnung zu lachen, als er daran denken musste wie sein Bruder sich glücklich in der Uniform der Stadtwache präsentiert hatte, das war ein denkwürdiger Moment gewesen und immer wenn er daran zurückdachte, wünschte Kyosuke sich, dass sein Bruder sich niemals verändert hätte, er vermisste das was sein Bruder vor langer Zeit einmal war „Ich konnte es damals kaum glauben. Der mächtigste Magier und beste Schwertkämpfer unserer Zeit, sollte plötzlich Trunkenbolde verhaften und Taschendiebe jagen. Ich an seiner Stelle wäre verrückt geworden, aber er wirkte zufrieden mit seinem einfachen Leben. Man konnte fast neidisch werden, wenn man sein Strahlen sah sobald er in Tylia´s Nähe war.“ er beendete seine kleine Geschichte und begann verträumt vor sich hinzulächeln, als er an diese Zeit zurückdachte, es musste für das glückliche Paar damals wirklich wie ein Traum gewesen sein, aber von diesem Traum war nichts mehr übrig, außer Trümmern „Tut mir leid, der Rest der Geschichte wird warten müssen. Du solltest dich von der Vergangenheit fernhalten, manchmal sollte man sie einfach hinter sich lassen und nach vorne blicken.“
„Und mehr wird man mir niemals erzählen?“ fragte Lyaena nach einer Weile zögerlich und als ihr Vater wirklich keinerlei Anstalten machte die Geschichte fortzusetzen, versuchte sie wieder auf ihn einzureden. Sie wollte vor ihrer Hochzeit lernen Teregion zu verstehen, nicht erst danach oder in zehn Jahren, sie wollte sich jetzt sicher sein das er wirklich der Richtige war „Das ist nichts, es ging in keinem einzigen Wort um den Verrat von Teregions Vater! Du hast mir absolut nichts erzählt, was mir nicht auch jeder andere Akashi sagen könnte!“
„Keine Sorge, nach der Hochzeit wird Teregion dir sicher alles verraten, da bin ich mir sicher, und wenn er es nicht tut, dann kümmere ich mich darum, versprochen. Sobald du an seiner Seite unsere Familie anführst, wird man dich in alles einweihen, aber bis dahin, wirst du dich gedulden müssen.“
„Ich...ich werde warten, aber ich erwarte das Teregion mir alles erzählt sobald wie verheiratet sind. Kannst du mir das versprechen?“ als ihr Vater nickte, wirkte sie zumindest für den Augenblick etwas beruhigt, aber nahm sich fest vor eigene Nachforschungen anzustellen, es musste irgendwo sicher Berichte über den Verrat geben, oder andere Akashi die davon wussten „Wie sah Teregions Mutter eigentlich aus? Sie muss eine beeindruckende Frau gewesen sein, wenn sie so einen Einfluss auf seinen Vater hatte.“
„Ich weiß nicht, ob beeindruckend das richtige Wort wäre, um sie zu beschreiben. Sie war jedenfalls etwas besonderes und ich kann verstehen das er sich für nichts anderes mehr interessierte, nachdem sie sich kennengelernt hatten. Er war 18 und sie 17, als sie heirateten, ich weiß nicht wie lange sie sich vorher schon kannten, da er bis zur Hochzeit gerne ein Geheimnis aus ihr gemacht hat, was ich bei unserem Vater auch verstehen konnte. Sie hatte lange, hellbraune Haare und braune Augen, die voller Stolz aber auch Zuneigung, Wärme und Freundlichkeit leuchteten. Tylia und Reinhardt waren sich sehr ähnlich, sie verstanden einander blind, fast als hätte Gaia sie nur füreinander geschaffen. Sie besaß ebenfalls erstaunliche Fähigkeiten, auch wenn sie immer versuchte es zu verbergen und so zu tun als wäre sie gewöhnlich, aber man konnte spüren das sie den magischen Kräften ihres Mannes in nichts nachstand. Beide zusammen hätten die Welt in ihren Grundfesten erzittern lassen, wenn sie sich dazu entschlossen hätten ihr ruhiges Leben aufzugeben, aber das taten sie nicht. Sie war eine sehr freundliche und großherzige junge Frau, bis...“ Kyosukes Stimme erstarb, genau wie sein Lächeln und er schüttelte nur traurig den Kopf „Du solltest dich im Moment nicht mit so etwas beschäftigen, das sind viel zu düstere Gedanken und Themen für ein so fröhliches Ereignis wie eine Hochzeit. Wie gesagt, nach der Hochzeit, erfährst du mehr.“
„Hast du schon einen Termin für die Hochzeit festgelegt?“
„Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen Teregion einzuarbeiten, außerdem soll es ein großes Fest werden, das hast du mehr als verdient. Also gehe ich von etwa zwei bis drei Monaten aus, wir werden sehen, wie gut die Vorbereitungen voranschreiten.“ er ignorierte den besorgten Blick seiner Tochter, der zwei Monate noch immer viel zu kurz waren, zumindest wenn Silberblatt sich in der Zeit weiterhin so abweisend verhielt „Kommen wir zurück zu diesem Luca. Er ist ein interessanter Mensch und da er irgendwann die Führung über die Bladelli übernehmen wird, sollten wir versuchen unsere Beziehungen zu ihm zu verbessern.“
„Das wird nicht möglich sein. Ich meine, naja, er scheint mich zwar nicht zu verabscheuen, aber ich bezweifle das er deswegen plötzlich ein großer Bewunderer der Akashi wird. Hayate hat ihm zu viel angetan, das wir er nicht einfach so vergessen können, dafür macht es ihm noch immer zu sehr fertig was im Norden mit seiner Einheit passiert ist.“
„Ja, ich habe von diesem Vorfall gehört, aber mich nicht weiter darum gekümmert. Du wirst auch noch merken, dass wir nicht immer die Zeit haben uns um jede unwichtige Kleinigkeit zu kümmern und Valquez Erben interessieren letztendlich niemanden in der Kirche. Aber was damals passiert ist, sollte nicht zu Streitigkeiten zwischen Bladelli und Akashi führen. Ich möchte das du noch einmal zu diesem Luca gehst, er scheint dich zu mögen. Ich werde dir eine Akte mitgeben, in der alles steht was es über Hayate zu wissen gibt, inklusive seines derzeitigen Aufenthaltsortes. Luca Bladelli hat meine Erlaubnis sich diesen Hayate jederzeit zu holen und sich an ihm zu rächen. Er wird keine Strafe durch die Kirche oder Vergeltung seitens der Akashi fürchten müssen, darauf hat er mein Wort.“
„E-er darf was?“ Lyaena blinzelte verwirrt und starrte ihren Vater sprachlos an, der sich darüber freute sie doch noch überraschen zu können mit seinen Ideen „Aber ich dachte die Kirche heißt Hayate´s Taten gut und hat nicht vor ihn wirklich zu bestrafen. Sie beschützt ihn sogar vor Lucas Rache!“
„Die Kirche, aber nicht ich.“ korrigierte sie ihr Vater lächelnd „Seine Verbrechen führten nicht nur zum Tod der Erben Valquez, die bald treue und gewöhnliche Diener der Kirche geworden wären, er hat auch dafür gesorgt, dass dutzende Templer sinnlos sterben mussten und das nur, um eine Alfar zu töten, die niemals einem Menschen Leid zugefügt hat? Ich kann keine Idioten ertragen, also muss Hayate verschwinden, außerdem dürfte es ein wenig zur Entspannung der aktuellen Lage beitragen.“
„Warum bestrafst du ihn dann nicht selbst? Normalerweise klären wir Akashi unsere Probleme doch alleine, wenn du den Auftrag erteilst ihn in deinem Namen zu töten, würde die Kirche es nicht wagen etwas dazu zu sagen, man würde es einfach hinnehmen, so wie man es immer hinnimmt, wenn wir unsere Angelegenheiten selbst erledigen. Du bist das Oberhaupt unserer Familie, wenn du seinen Tod willst, musst du es nur sagen und er überlebt keinen einzigen Tag mehr.“
„Das könnte ich und vielleicht hätte ich es auch getan, jetzt da ich wieder im Süden bin, aber so ist es für uns alle einfacher, findest du nicht auch? Ich vergieße nicht gerne selbst das Blut unserer Familie, sogar wenn es so verfault und finster ist wie das von Hayate. Das überlasse ich lieber Luca, immerhin hat er unter den Taten dieses Narren gelitten.“ tatsächlich schwang so etwas wie Bedauern in Kyosukes Stimme mit, er war zwar auch kein großer Freund der Alfar, aber die Ermordung des Mädchens und der Erben Valquez war Unrecht, es musste Konsequenzen für dieses Verbrechen geben „Es ist außerdem besser das faulige Fleisch wegzuschneiden, damit es sich nicht entzündet und weiter ausbreitet, sobald du und Teregion die Familie führen. Ihr werdet auf genug Probleme stoßen, auch ohne Unruhestifter wie Hayate in euren Reihen. Sollte der Verdacht der Kirche auf Luca fallen, werde ich ihn in Schutz nehmen und als Familienoberhaupt darauf verzichten Hayate rächen zu lassen. Das sollte an die anderen Aufrührer unter uns ein deutliches Zeichen sein und ihnen zeigen, dass ich es nicht akzeptiere wenn jemand Schande über den Namen Akashi bringt. Aber sei so freundlich und sag diesem Luca das er versuchen soll nicht allzu viel Aufsehen zu erregen. Es wäre am besten, wenn er gar nicht erst mit dem Mord in Verbindung gebracht wird, aber letztendlich ist es seine Sache wie er sich an diesem Narren rächt. Was den Doni angeht, kann ich nichts für Luca tun, wir brauchen nicht noch mehr Feinde indem wir uns mit den Doni anlegen, vor allem da unsere Beziehungen seit jeher gut und stabil sind.“
„Ich danke dir, Vater. Eigentlich hatte ich erwartet das du...naja, das du anders auf meinen Besuch bei Luca reagieren würdest.“
„Hast du etwa erwartet das ich dich für das bestrafe, was du getan hast?“ Kyosuke schmunzelte kurz, aber als er sah wie seine älteste Tochter betreten zu Boden starrte und sich ertappt fühlte, fuhr er deutlich ernster fort „Vielleicht sollte ich das lieber tun, denn ich sehe alle deine Gedanken und Gefühle, vergiss das nicht. Ich erkenne deine Zweifel, deine Angst und deine Unsicherheit, wenn es um Teregion geht. Vielleicht sollte ich dich bestrafen, weil du versuchst dich mit dem Bladelli abzulenken, aber vielleicht sollte ich auch Teregion bestrafen, weil er es gewagt hat dich unglücklich zu machen.“
„Unglücklich...“ Lyaena versuchte in sich hineinzuhorchen, um herauszufinden, ob sie sich wirklich unglücklich fühlte, immerhin würde sie bald den Mann heiraten den sie seit fünf Jahren liebte, sie konnte nicht unglücklich sein „Ich liebe Teregion und habe ihm alles verziehen. Es ist nur so das ich...ich...ich zweifle daran, ob er mich wirklich liebt und ob wir überhaupt eine gemeinsame, glückliche Zukunft haben können.“
„Ich weiß und ich werde mir heute auch noch seine Gedanken ansehen. Wenn ich etwas wichtiges herausfinde, werde ich es dich wissen lassen. Aber ich möchte dich schon jetzt bitten deine Zweifel beiseite zu schieben. Teregion hat im Moment viel zu tun und deswegen keine Zeit für dich, aber das wird sich ändern sobald ihr hier zusammen lebt, da bin ich mir sicher. Er ist derzeit damit beschäftigt sich in die Verwaltung und ganze Organisation der Akashi einzuarbeiten, immerhin muss er in wenigen Monaten in der Lage sein meinen Platz einzunehmen.“
„Du wirst dich also wirklich nach der Hochzeit zurückziehen?“ es war also wirklich so weit, dachte Lyaena mit einem Anflug von Panik, er würde abdanken und sie mit Teregion alleine lassen, mit Teregion und einem ganzen Berg Verantwortung „Aber warum? Du bist noch jung! Jünger als Paolo, Belenus oder viele andere führende Mitglieder der Kirche! Selbst wenn du nicht mehr kämpfen kannst, kannst du doch trotzdem noch weiterhin unsere Familie anführen. Teregion und ich sind sicher noch nicht bereit dafür dich zu ersetzen, es ist einfach zu früh!“
„Oh keine Sorge, ich werde euch beiden schon noch genug helfen, aber ich denke ihr schafft das, oder sagen wir lieber, ich weiß es. Du bist keine große Magierin, so wie Teleya und verfügst nicht über die Stärke und Unbeugsamkeit von Yuki, aber auch du bist stark, auf deine Weise, und das musst du endlich erkennen.“
„Und weil ich so stark bin, brauche ich unbedingt so schnell wie möglich einen starken Ehemann, der an meiner Stelle die Familie führen soll?“ fragte Lyaena zynisch nach und ballte die Fäuste, um ihre Unsicherheit zu überspielen.
„Du brauchst Teregion, weil du keine Kriegerin bist, keine Magierin und keine Heerführerin, und auch nichts davon jemals sein wirst, egal wie sehr du dich dazu zwingst.“ plötzlich beugte er sich zu ihr vor und legte sanft seine Hand auf ihren Kopf, um Lyaena beruhigend durch die langen, blonden Haare zu streichen „Aber du hast ein starkes Herz, einen schnellen Verstand und am wichtigsten, Leidenschaft. Ich weiß wie sehr du dich dafür eingesetzt hast eine Fehde zwischen Akashi und Bladelli zu verhindern und das es dir gelungen ist Teregion von Racheakten abzuhalten, obwohl er die Bladelli hasst.“
„Leidenschaft und ein bisschen Diplomatie...das ist alles was ich also in Zukunft zur Familie der Akashi beitragen kann? Mehr nicht?“ das verbesserte Lyaenas Laune nicht unbedingt, stattdessen starrte sie deprimiert den hellen Teppich an. Sie sollte also nur neben Teregion stehen, ab und zu lächeln und hübsch aussehen, während er sie komplett ignorierte. Das war nicht die Zukunft von der sie geträumt hatte als sie seinen Antrag annahm. Es war ihr egal das er die wichtigen Aufgaben übernehmen sollte, dafür war sie sowieso nicht geeignet, aber er sollte sie dabei wenigstens lieben und nicht so abfällig behandeln wie in den letzten Wochen.
„Es wird reichen, vertrau mir. Du verfügst über alles was du brauchst, um deiner neuen Position gerecht zu werden. Teregion wird unsere Truppen führen und du wirst darauf aufpassen, das er niemandem auf die Füße tritt. Ihr werdet ein gutes Team abgeben, daran besteht für mich kein Zweifel.“ kaum hatte er ausgeredet, als sie hörten wie Silberblatt den Raum betrat und sich anscheinend endlich von Teleya losreißen konnte.
„Sie will noch immer nicht einschlafen, ich habe die ganze Zeit über versucht sie zu beruhigen, aber Teleya lässt nicht locker.“
„Lyaena, lass uns bitte alleine. Wir müssen uns unterhalten.“
„Ja, Vater. Ich ähm, lese Teleya einfach solange noch mal etwas vor, sie hat ja sowieso keine Lust zu schlafen.“ Lyaena stand auf und ging zu ihrem Verlobten, der sie keines Blickes würdigte „Bis dann, Teregion.“ flüsterte sie ihm zu und strich kurz über seinen Arm, in der Hoffnung das er sie wenigstens für einen Moment in den Arm nehmen oder ihr einen kurzen Kuss geben würde, aber stattdessen ging er einfach nur an ihr vorbei und ließ sich auf ihrem Platz nieder. Er befand sich in Gedanken bereits voll und ganz bei Kyosuke und hatte ihre Existenz vollkommen ausgeblendet.
Kaum war Lyaena in den ersten Stock verschwunden, als Kyosuke auch schon wortlos und ohne Vorwarnung seine Hand ausstreckte, um sie auf Teregions Stirn zu legen. Sofort konnte Silberblatt spüren, das etwas anders war als sonst. Der alte Mann war schwächer als früher. Es konnte es ganz deutlich fühlen, das war nicht mehr der Mann, der damals jeden Winkel seines Bewusstseins erfüllen und lesen konnte, dem es gelang selbst den härtesten Widerstand problemlos zu brechen. Von der alten Stärke Kyosuke´s konnte er nicht mehr viel spüren und das erleichterte die Versuche des Großmeisters sich den suchenden Gedanken seines Onkels zu entziehen. Teregion war im Gegensatz zu Lyaena ein magisch begabter Akashi. Er kannte diese Art der Magie und konnte sie teilweise ebenfalls einsetzen, auch wenn er weit davon entfernt war selbst Gedanken lesen zu können. Trotzdem half ihm dieses Grundwissen eine Art Verteidigung aufzubauen. In seinem Kopf würde Kyosuke keinen wirren Haufen aus losen Erinnerungen und Gefühlen vorfinden, aber auch kein Bollwerk, denn das hätte nur das Misstrauen des Oberhauptes erregt.
Es gelang Silberblatt wenigstens auf die Schnelle die wichtigsten Dinge vor ihm zu verbergen, er begegnete der Magie der Akashi immerhin nicht zum ersten Mal und stand seinem Onkel nicht völlig hilflos gegenüber. Er besaß einen kleinen Trick, mit dem er alles verbergen konnte, was er verbergen wollte, doch er ließ nicht alles in diese entlegene Ecke seines Verstandes verschwinden, sondern warf Kyosuke einige kleinere Geheimnisse hin, damit der Akashi zufrieden war und keinen Verdacht schöpfte. Sämtliche Gedanken an Yuki, die aufkeimende Ketzerei innerhalb der Kinder Gaias und seine Gefühle für Aleyandra jedoch, versteckte er hinter seinen Erinnerungen an die gemeinsamen Nächte mit Lyaena. Wie erwartet waren das die einzigen Erinnerungen, die Kyosuke nicht durchsuchte, sondern geflissentlich ignorierte und nicht einmal anrührte. Letztendlich halfen ihm seine Fähigkeiten nicht viel, wenn er am Ende an seinem eigenen Taktgefühl scheiterte. Der Unwille vollen Gebrauch von seinen Fähigkeiten zu machen, war schon immer die größte Schwäche seines Onkels gewesen. Nach einer Weile ließ Kyosuke von ihm ab und hatte dieses mal deutlich mehr worüber er nachdenken konnte. Vor allem die Tatsache das sein Neffe anscheinend regelmäßig mit Kinder Gaias geschlafen hatte, das wäre unter anderen Umständen Grund genug gewesen die Hochzeit auf der Stelle abzusagen, aber das ging nicht mehr. Wenigstens wusste er jetzt, das Yuki in Sicherheit war, denn er war auf einige gefälschte Erinnerungen gestoßen, die Teregion mühsam und über viele Wochen hinweg mithilfe von Magie erschaffen hatte.
„Die Kinder Gaias mussten also die Stadt verlassen?“ murmelte Kyosuke mehr zu sich selbst als zu Silberblatt und sah ihn nachdenklich an. Er hatte nicht viel neues erfahren, aber durchaus einige Dinge gefunden, die ihn beunruhigten.
„Es war eine notwendige Maßnahme, damit es keine weiteren Opfer unter meinen Leuten gibt. Dieser wahnsinnige Bladelli hatte es auf sie abgesehen, mir blieb keine andere Wahl als sie in Sicherheit zu bringen, vor allem da es mir untersagt wurde Luca umzubringen, leider.“
„Das klingt logisch, aber ich bin mir nicht sicher, ob du es wirklich deswegen getan hast. Wolltest du wirklich nur unsere wertvolle Waffe beschützen, oder in Wahrheit nur deine Geliebten in Sicherheit bringen?“ fragte Kyosuke scharf nach, während er noch immer die Bilder aus Teregions Kopf verdaute, in denen dieser mit Mitgliedern seines Ordens schlief.
„W-was?“ Silberblatt riss erschrocken die Augen auf und gaffte seinen Onkel an. Insgeheim musste er sich aber anstrengen nicht laut zu Lachen, der alte Mann hatte den Köder also bemerkt und sich sofort auf ihn gestürzt, genau wie erwartet. Sollte sein Onkel ruhig von ein oder zwei Kindern Gaias wissen mit denen er in der Vergangenheit etwas hatte, das würde nichts weiter ändern und er hätte es so oder so herausgefunden. Sollte Kyosuke sich von diesen Kleinigkeiten ablenken lassen und damit zufrieden geben, Hauptsache er erfuhr nicht das Silberblatt im Auftrag des Erzbischofs Yuki umbringen musste, das würde ein Geheimnis bleiben müssen, ansonsten würde der Akashi daran zerbrechen. Teregion hatte keine große Wahl gehabt. Er wurde von Nervensägen wie Paolo Bladelli belagert, der mit aller Macht versuchte die Kinder Gaias als Ketzer hinzustellen. Wenn er zugelassen hätte das Yuki entkommt und sie später wieder lebendig aufgetaucht wäre, hätte das schlimme Folgen für seinen Orden nach sich gezogen. Seine Feinde suchten nur nach irgendeinem Anlass, um seine geliebten Kinder Gaias zu zerschlagen, was er niemals zulassen würde. Als er sich zwischen seinem Orden und Yuki entscheiden musste, war ihm die Entscheidung erstaunlich leicht gefallen, die junge Akashi war kein Teil seines Racheplans, also unwichtig und entbehrlich, so wie jeder der zwischen ihn und seinem Ziel stand. „Verzeiht mir, ich...ich habe Lyaena Unrecht getan und seit sie wieder in der Stadt ist, war ich immer ehrlich und treu ihr gegenüber.“
„Vergiss niemals, dass du nichts vor mir verbergen kannst, Teregion, oder sollte ich dich Silberblatt nennen? Was für ein furchtbarer Name, du hättest mir damit keinen härteren Schlag mitten ins Gesicht verpassen können und das weißt du auch.“ Kyosuke verzog angewidert das Gesicht, es hatte ihn tatsächlich wütend gemacht als er erfuhr wie sein Neffe sich inzwischen nannte, das war eine klare Provokation die er nicht dulden konnte, auch wenn sonst niemand auf der Welt etwas mit dem Namen anfangen konnte „Ich möchte, dass du diesen Namen nach der Hochzeit wieder ablegst, er hebt zu sehr hervor das du anders bist als die meisten Akashi. Du bist kein silbernes Blatt im goldenen Stammbaum der Akashi, sondern du bist ein Akashi, hast du das verstanden?“
„Ja, Onkel. Es war sowieso nur eine dämliche Idee, bei der ich mir nichts weiter gedacht habe.“ murmelte Teregion und wusste wirklich nicht wieso er diesen Namen seit zwei Jahren benutzte. Sein Vater hatte sich ebenfalls so genannt, um hervorzuheben das er anders war als die restlichen Akashi und auch er selbst fühlte sich anders, immerhin gab es kaum Akashi die er wirklich ausstehen konnte, vielleicht Teleya, aber da hörte es auch schon auf.
„Ja, da hast du recht, es war dämlich. Genauso wie die Gründung der Kinder Gaias. Du hast großartige Arbeit als Inquisitor geleistet und es mehr als verdient der jüngste Großmeister zu werden, den die Kirche jemals gesehen hat. Deine Beförderung, hast du dir ganz alleine erarbeitetet und darauf kannst du stolz sein, aber nur dank mir, hat man dir erlaubt deinen eigenen Orden zu gründen und dann wirfst du diese einmalige Gelegenheit für so etwas weg. Ich zweifle nicht den Nutzen der Kinder Gaias an, aber sie wurden nicht ohne Grund schon vor langer Zeit aufgelöst.“
„Das wurden sie nicht.“ widersprach Silberblatt der sich nicht mehr Silberblatt nennen durfte energisch „Es stimmt das die Kinder Gaias seit mehr als 500 Jahren nicht mehr aktiv waren und keiner ihnen mehr angehörte, aber sie existierten noch immer.“
„Sie existierten nur noch dem Namen nach. Der Orden war bereits seit vielen Hundert Jahren nur noch ein leerer, hohler Name aus der Vergangenheit, es gab keine Mitglieder mehr, keinen Großmeister und das ehemalige Hauptquartier zerfiel und stand leer, also genau das was du damals wolltest. Du brauchtest nur den Namen dieses Ordens, mehr nicht, ein großer, ruhmreicher Name mit einer alten Geschichte, die sich hoffentlich nicht wiederholt.“
„Das wird sie nicht, Onkel.“ versicherte ihm sein Neffe sofort und versuchte möglichst viel Zuversicht auszustrahlen „Meine Kinder Gaias, sind wahre Diener der Kirche und keine heimlichen Ketzer, die sich nur hinter diesem Namen verstecken, so wie es vor 500 Jahren der Fall war. Mein Orden wird Euch und unserer Familie keine Schande bereite, das schwöre ich, im Gegenteil, die Kinder Gaias sind unsere wichtigste Waffe, nur dafür habe ich sie aufgebaut, als einen Orden der treu zu den Akashi steht und zwar nur zu den Akashi.“
„Das war ein guter Scherz.“ tatsächlich musste Kyosuke kurz lachen, aber es war ein freudloses, kaltes Lachen, denn er fand die Lügen seines Neffen alles andere als lustig „Ich weiß welchen Plan du mit den Kindern Gaias verfolgst und nur deswegen habe ich es dir damals erlaubt diesen Orden neu zu gründen. Du hattest niemals vor einen Orden zu erschaffen der einzig und alleine den Akashi dient, das hätte selbst ein Blinder erkannt. Du wolltest eine Gruppe von Gefolgsleuten, die treu zu dir stehen, zu dir alleine und nicht zu irgendeiner Familie oder der Kirche und ich denke das ist dir auch gelungen. Du hast gute Arbeit geleistet mit den jungen Männern und Frauen die du aus den unterschiedlichen Rängen der Kirche oder einfach von der Straße geholt hast, aber du hast das alles niemals für die Akashi getan, sondern immer nur für dich selbst.“
„Wenn du es die ganze Zeit über wusstest, warum hast du dann niemals versucht die Erschaffung der Kinder Gaias zu verhindern? Es wäre leicht gewesen mich wieder zu einem gewöhnlichen Inquisitor zu machen, du hättest nur in Paolos Gejammer über meinen Orden einstimmen müssen und schon wäre mein Posten dahin gewesen.“
„Ich habe das nicht getan, weil es egal ist ob die Kinder Gaias für die Akashi oder für dich kämpfen. Du wirst bald das Oberhaupt unseres Hauses sein und solange sie dir folgen, folgen sie auch den Akashi, also worüber sollte ich mich beschweren?“ Kyosuke entspannte sich etwas, denn er wusste, das die Kinder Gaias vielleicht nicht perfekt waren, aber ihren Zweck erfüllten, zumindest hoffte er das, bisher blieben ihre Erfolge noch immer aus, aber die Arbeit für die Kirche lenkte den Orden von seiner eigentlichen Bestimmung ab „Trotzdem, musst du vorsichtig sein. Die Kirche schätzt es nicht wenn ihre Diener aus der Reihe tanzen um ihre eigenen Ziele zu verfolgen und unser Plan ist...heikel, vor allem, wenn er fehlschlägt. Selbst wenn du Erfolg hast, könnte die Kirche dich hart bestrafen und für diese Unverschämtheit hinrichten lassen.“
„Ich finde Ihr übertreibt, Onkel. Es gibt keinen Grund sich Sorgen zu machen. Wenn alles nach Plan verläuft, werde ich als gefeierter Held zurückkehren und nicht als Verräter oder Deserteur, genau wie meine Männer.“ Silberblatt lächelte zuversichtlich und lehnte sich entspannt zurück, als wollte er zeigen wie wenig Sorgen er sich um die Aktionen der Kirche machte, es wirkte allerdings eher überheblich.
„Findest du?“ die Stimme seines Onkels wurde wieder eine Spur ernster, denn jetzt, mussten sie über das wichtigste reden, den Krieg. Nicht der Krieg gegen die Alfar oder irgendwelche Aufstände der anderen Völker, sondern ihr persönlicher Krieg, auf den sie seit Jahren hinarbeiteten, seit Kyosuke seinen Neffen bei sich aufgenommen hatte „Wir planen immerhin die Mittel und Truppen der Kirche für unseren eigenen, kleinen Feldzug auszunutzen. Ein Feldzug, der sehr leicht zu einer Katastrophe ausarten kann wenn wir nicht vorsichtig vorgehen. Die Anzahl unserer eigenen Truppen im Norden wurde drastisch erhöht, außerdem versuchen wir uns so gut es geht aus größeren und verlustreicheren Auseinandersetzungen herauszuhalten. Einer deiner Cousins, führt derzeit das Kommando im Norden, seine Befehle sind einfach und selbst für einen Idioten wie ihn leicht umzusetzen. Er soll nur mehr Männer rekrutieren. Viele von ihnen stammen aus unserer eigenen Familie, andere sind Söldner aus der Sanknie Allianz, niedere Adelige oder Soldaten die uns unterstellt wurden. Es gibt genug Akashi in den höheren Rängen der kirchlichen Armee. Wenn die Zeit gekommen ist um zuzuschlagen, wird mehr als ein Drittel der nördlichen Streitmacht sich auf dein Kommando hin in Bewegung setzen. Aber du musst den Zeitpunkt gut abwägen, wenn du zu früh angreifst, ohne zu wissen wo unser Ziel sich aufhält, wirst du keine zweite Chance erhalten, denn die Kirche wird den Verrat und das Versagen gleich doppelt bestrafen. Ach ja, außerdem ist es mir vor meiner Abreise noch gelungen einige Kommandanten unter den Templern zu bestechen. Sie werden mit ihren Männern zu uns stoßen, sobald unser Marsch beginnt, oder sollte ich eher sagen, sobald dein Marsch beginnt?“
„Dann wollt Ihr euch wirklich ausgerechnet jetzt zurückziehen? Meine Kinder Gaias stehen so kurz davor sein Versteck ausfindig zu machen. Seit zehn Jahren wartet Ihr auf diesen Moment und jetzt wollt Ihr es euch nehmen lassen an der Spitze einer Armee gegen unsere Feind zu ziehen? Das kann ich nicht glauben, dafür arbeitet Ihr schon viel zu lange auf diesen Augenblick hin.“
„Zehn Jahre...sind es wirklich schon zehn Jahre?“ der Blick seines Onkels schweifte kurz ab, als er daran dachte, wie verschwendet diese zehn Jahre doch waren, er hatte nichts erreicht, war seiner Rache keinen Schritt näher gekommen, hatte sich sogar noch weiter davon entfernt und sinnlos seine Kraft verschwendet „Ja, ich konnte es kaum erwarten mich zu rächen und mein Zorn und Hass sind noch lange nicht verraucht, aber leider, wäre ich in einer Schlacht nicht mehr von Nutzen für unsere Sache.“
„Das bezweifle ich, es gibt keinen mächtigeren Magier im Reich, niemand kann es mit Euren Kräften aufnehmen.“ insgeheim wusste Silberblatt wovon sein Onkel sprach, er hatte die Schwäche bemerkt und auch wie viel Kraft es Kyosuke inzwischen kostete in die Gedanken anderer Menschen zu sehen. Auf der Stirn seines Onkels hatten nach dem Blick in seinen Kopf Schweißperlen gestanden und er wirkte vollkommen erschöpft, früher wäre das niemals passiert, nicht bei einem ,für ihn, so simplen Zauber. „So alt seid Ihr immerhin noch nicht.“
„Ich...ich habe in meinem Leben sehr viele Kämpfe ausgetragen, aber keiner war jemals so hart und schrecklich, wie der gegen deinen Vater. Es war kein besonders beeindruckender Kampf, zumindest nicht von Außen betrachtet. Es flogen keine Feuerbälle und die Erde brachten wir auch nicht zum erbeben, denn es war ein reiner Kampf des Geistes. Ich versuchte seinen zu zerschmettern, ihn zu einer leblosen Hülle ohne Willen und Verstand zu machen, aber stattdessen, war er es, der mich von Innen heraus zerstörte, mich einfach mit spielender Leichtigkeit zerbrach weil ich in meinem Hochmut dumm genug war ihn zu unterschätzen.“ als Silberblatt ihn fragend ansah, musste Kyosuke kurz seufzen und es kostete ihn einiges an Überwindung sich seine Schwäche einzugestehen, er war es gewohnt stark und mächtig zu sein, früher hätte er mit einem einzigen Gedanken Hundert Feinde auslöschen können und jetzt musste er sich selbst für die kleinsten Zauber schon anstrengen „Ich weiß, du fragst dich vermutlich, warum ich wieder mit dieser alten Geschichte anfange, aber genau das ist der Grund, aus dem ich zurücktreten werde, aus dem ich zurücktreten muss. Der Kampf gegen deinen Vater, hat damals tiefe Wunden hinterlassen, die niemals wieder verheilen werden. Man sieht sie nicht an meinem Körper, aber sie sind da, weit unter der Oberfläche verborgen, es sind Verletzungen des Geistes, Wunden der Seele, die mich seit Jahren zugrunde richten. Ich kann nicht mehr kämpfen, das würde mich vernichten. Wenn eine Chance bestünde, das ich von Nutzen sein kann, würde ich jederzeit trotzdem gegen diesen Bastard antreten. Selbst wenn ich nicht kämpfe und von jetzt an ein ruhiges Leben führe, bleibt mir nicht einmal mehr ein Jahr, bevor die Wunden, die er damals hinterließ, mich endgültig vernichten.“
„Es wird nicht so schlimm sein wie Ihr denkt, da bin ich mir sicher. Man kann fast alles mithilfe von Magie heilen.“ erwiderte Silberblatt zuversichtlich, auch wenn es ihm entgegenkam das Kyosukes Macht schwand, es würde ihm helfen, wenn sein Onkel nicht mehr um ihn herumschlich.
„Nein, meine Zeit ist vorbei, das kann ich spüren. Die Magier unserer Familie und ich haben uns jetzt lange genug gegen das Unvermeidliche gestemmt. Wir haben versucht diesen toten Körper und die zertrümmerte Seele noch irgendwie am Leben zu erhalten, aber unsere Bemühungen reichen nicht mehr.“ Kyosuke verdrängte endlich seine depressive Stimmung und schüttelte sie ab, er hatte keine Zeit um zu jammern, er musste weiterhin den Untergang seines Bruders in die Wege leiten, denn egal ob er noch dieses Jahr sterben würde, der Verräter würde ihm bald folgen, da war sich Kyosuke sicher „Und genau deswegen, will ich dich auch als meinen Erben, obwohl du deine Fehler hast, aber die hat jeder von uns, nehme ich an. Unter den Akashi, bist du der fähigste und mächtigste deiner Generation, die meisten anderen sind nur unfähige Narren, die es ohne den Rückhalt der Familie nicht einmal in die kirchliche Armee gebracht hätten, der Rest ist vielleicht ganz brauchbar, aber keiner von ihnen gibt einen würdigen Anführer ab. Du bist vielleicht nicht besonders gut in den geheimen magischen Künsten unserer Familie, aber du verfügst über außergewöhnliche Kräfte und uns beide verbindet ein gemeinsames Ziel.“ seine bohrenden Augen musterten seinen Neffen durchdringend, er hatte zwar die Gedanken des jungen Mannes gelesen, aber er wusste trotzdem nicht ob er ihm vollkommen vertrauen konnte, früher glaubte er auch das er dem Mann vertrauen konnte, der später zum Schattenritter wurde, grenzenloses Vertrauen rächte sich letztendlich immer, wenigstens das hatte er gelernt „Ich kann erkennen das du meine Tochter nicht unsterblich liebst und unter gewöhnlichen Umständen, dürftest du sie niemals heiraten, denn das Glück meiner Töchter ist wichtig für mich, aber die Vernichtung dieses Monsters hat höchste Priorität und steht über allem anderem. Trotzdem, möchte ich, dass du Lyaena ein guter Ehemann bist und sie mit Liebe und Respekt behandelst. Wenn du sie unglücklich machst, werde ich meine letzte Kraft zusammennehmen, um deinen Geist zu zerschmettern und dich in einen sabbernden Idioten zu verwandeln. Hast du das verstanden, Teregion?“
„Ich werde sie nicht unglücklich machen, das verspreche ich. Meine...Fehler, sind Vergangenheit und werden sich nicht wiederholen. Außerdem...“ Teregion lächelte zuversichtlich und strahlte eine Vorfreude und Kraft aus, die bei Kyosuke endgültig den letzten Rest Trübsal vertrieb. Silberblatts Stimme begann vor lauter Aufregung zu zittern, alles verlief weiterhin nach Plan und der Moment seiner Rache rückte immer näher, jetzt besaß er endlich eine Streitmacht „Außerdem kann ich mir nichts schöneres vorstellen, als unsere Truppen in den Kampf gegen meinen Vater zu führen und ihn zu vernichten. Ich werde mir keine Fehler mehr erlauben, denn nichts soll zwischen mir und meiner Rache stehen.“
„Darauf vertraue ich und ich weiß, dass du mich nicht enttäuschen wirst, Teregion. Du hast genau so sehr Grund dazu ihn zu hassen wie ich, er ist dein Feind und hat dir sogar noch mehr Leid zugefügt als mir oder dem Rest der Familie. Ich weiß das es dich mit jeder Faser deines Körpers danach drängt den Schattenritter zu töten. Am liebsten würde ich diese Aufgabe selbst übernehmen, aber ich bin inzwischen zu schwach um lange gegen dieses Monster zu bestehen. Die Kirche ist leider zu blind, um die wahre Gefahr zu erkennen, die von meinem Halbbruder ausgeht, aber du bist es nicht. Soll die Kirche ihren sinnlosen Krieg gegen die Alfar führen, du wirst unseren wahren Feind angreifen und vernichten.“
„Es wird keine Gnade für ihn geben, er ist schon lange nicht mehr mein Vater und ich fühle nichts als Hass und Verachtung für diese Bestie, das wisst Ihr. Es ist eine Ehre, dass Ihr mich für würdig erachtet unsere Truppen anzuführen und den Verräter zur Strecke zu bringen. Ich werde Euch nicht enttäuschen, Onkel.“ tatsächlich erhob Silberblatt sich von seinem Platz und kniete sich vor das Oberhaupt der Akashi, den Kopf ehrfürchtig gesenkt, alles verlief nach Plan für ihn, es konnte gar nicht mehr besser laufen „Der Schattenritter wird durch meine Hand, die Rache der Akashi und die Kinder Gaias, zu Fall gebracht. Ich werde ihn für seine Verbrechen an unserer Familie zur Rechenschaft ziehen. Sobald ich weiß wo er sich versteckt hält, werde ich all unsere Kräfte gegen ihn werfen und seine kranke Existenz auslöschen.“
„Nicht nur der Schattenritter ist dein Ziel, sondern auch Tylia. Deine Mutter hält sich noch immer in seiner Nähe auf und Tylia ist ebenfalls Schuld an allem was passiert ist, das weißt du so gut wie ich.“
„Ja, ich habe es nicht vergessen. Sie verdient genauso sehr den Tod wie er und wird ihre gerechte Strafe erhalten.“ erklang die feste, sichere Antwort von Silberblatt ohne zu zögern, was Kyosuke dazu brachte sich ein schwaches Lächeln abzuringen, er hatte sich also wirklich umsonst Sorgen gemacht „Sobald wir wissen wo sie sich versteckt halten, werde ich sie beide auslöschen, ohne zu zögern und ohne Gnade zu zeigen, das schwöre ich im Namen meines geliebten Ordens und meiner Ehre als Akashi.“



„Ist das alles wirklich nötig?“ fragte Saeca, bereits etwas genervt und sah zu, wie Aleyandra sich ihre leichte, lila Rüstung anlegte. Sie befanden sich in einem dichten Wald nördlich von Navea und Saeca stand kurz davor an ihrer Onee-chan zu verzweifeln. „Können wir nicht einfach ganz normal zu Naruz und seinem Team gehen und so tun, als hätten wir uns rein zufällig getroffen?“
„Nein, das können wir nicht.“ entgegnete Aleyandra, beleidigt davon das Saeca nicht viel von ihrem Plan hielt. Sie war jetzt schon seit einer ganzen Weile damit beschäftigt sich die aufwendig verzauberte Rüstung anzulegen. Sie hatte diese Rüstung aus einem Lager der Kirche, eigentlich sollte man so etwas eher auf irgendwelchen Festen tragen und nicht im Kampf, da die einzelnen Metallstücke sehr dünn und fein gearbeitet waren. Es war eine Rüstung die keinerlei Schutz bot, sondern nur gut aussehen sollte, also genau das was Aleyandra brauchte. Sie hatte die ganzen letzten Tage dutzende Zauber auf die Rüstung gelegt, allesamt genauso nutzlos wie die Rüstung an sich, aber sie sollten auch nur Naruz neuem Auge gefallen. Unter dem Metall trug sie ein Hemd und eine einfache Hose, beides in Weiß. Ihr gefiel die Kombination aus Lila, Weiß und Gold. Ihre langen Haare waren hinten hochgesteckt, weil sie mal eine etwas neuere Frisur ausprobieren wollte und hoffte das es Naruz gefiel. „Wie oft soll ich es dir denn noch erklären? Er soll nicht wissen das ich ihn schon wieder verfolge, das würde unsere ganze Situation nur noch komplizierter machen als sie ohnehin schon ist.“
„Schön, meinetwegen. Aber warum dieser alberne Plan? Was ist mit meiner Idee? Ich denke noch immer, das wir damit am meisten Erfolg bei Naruz hätten, da bin ich mir ganz sicher! Ich habe die Informationen über ihn nicht umsonst gesammelt, mein Plan ist wasserdicht und absolut perfekt.“
„Das mag sein, aber leider, kann ich nicht einfach mit Plan C anfangen, so funktioniert das nicht. Ich muss vorher die anderen Ideen ausprobieren, ich dachte das hätten wir inzwischen geklärt. Also, noch einmal, und diesmal, hörst du mir am besten zu, verstanden?“ Aleyandra unterbrach das Anlegen der Rüstung für einen kurzen Moment, um Saeca durchdringend anzusehen, sie mochte die Armani, aber Zweifel an ihren genialen Plänen waren nicht gestattet, genauso wenig nachdenken, beide gefiel Aleyandra nicht und brachte nur alles durcheinander „Plan A: Ich verdecke meine Verletzungen mit der Maske, damit es egal ist ob ich die Kontrolle über meine Illusionszauber verliere sobald wir beschäftigt sind. Ich versuche ihn als mysteriöse, geheimnisvolle und wunderschöne Fremde zu verführen. Wenn er sich in mich verliebt, ohne zu wissen das ich es bin, bedeutet es das wir wirklich seelenverwandt und füreinander bestimmt sind. Es ist der ultimative Liebesbeweis, wenn er unsere Liebe auch durch die Verkleidung hindurch spürt, damit, werden all meine Zweifel endgültig verschwinden und ich kann darauf vertrauen das er mich niemals hintergeht oder fallen lässt. Sobald wir dann wieder in Navea sind, werde ich meine Maske abnehmen und ihm alles offenbaren, damit wir heiraten können. Es wird eine romantische, wunderschöne und leidenschaftliche Liebesgeschichte mit einem glücklichen Ende.
Plan B: Ich versuche ihn mit irgendwem eifersüchtig zu machen, leider weiß ich noch nicht genau mit wem. Silberblatt wäre eine Möglichkeit, aber ich denke mein Großmeister würde dann Ärger mit seiner Verlobten kriegen, außerdem könnte er es vielleicht zu ernst nehmen, immerhin mag er mich. Es lässt sich aber sicherlich irgendein anderer dafür finden, Männer gibt es schließlich wie Sand am Meer, es sollte nur am besten jemand sein der besser aussieht als Naruz...was schwierig wird.
Plan C: Ich ziehe das Kostüm an das du mir besorgt hast und hoffe darauf das dieser Blödsinn irgendwie funktioniert, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht weiß wie das gehen soll. Wenn es funktioniert, werde ich dich auf ewig lieben und verehren, aber wenn es fehlschlägt und ich mich vor ihm zum Affen mache, wirst du dafür furchtbar leiden, das schwöre ich dir.
Plan D: Ich ziehe selber los um mir ein Kostüm zu besorgen, allerdings keines das so seltsam ist wie das aus Plan C, sondern irgendetwas heißes und unwiderstehliches.
Plan E: Jeder liebt Kinder, also werde ich mich nach einem Fruchtbarkeitszauber umsehen und Naruz dann sofort verführen. Die Chancen das ich schwanger werde dürften dann ziemlich gut stehen und wenn wir erst einmal ein Kind haben, muss er mich heiraten, immerhin ist Naruz unter seiner genervten Fassade sehr ehrenhaft und verantwortungsbewusst. Er würde mich nicht einfach mit einem Kind alleine lassen, das passt nicht zu seinem Charakter. Etwas drastisch vielleicht, aber die Erfolgswahrscheinlichkeit von Plan E liegt bei mindestens 100%, wenn es Zwillinge werden sogar bei 200, also könnte nicht viel schiefgehen.
Plan F wie Ferzweiflung: Ich arbeite gerade an einer sehr schnell und effektiv wirkenden Schockmunition für meine Pistolen. Ich weiß, die Geschosse sind noch immer magisch und daher kann Naruz sie sicher unschädlich machen, aber ich habe ja auch nicht vor mich ihm in einem offenen Kampf zu stellen. Ich werde darauf warten das er einmal alleine ist, mich dann an ihn heranschleichen und ihn mit meiner neuen Magie betäuben. Er wird gar keine Gelegenheit erhalten meine Zauber aufzulösen. Dann nehme ich ihn mit und wir fliehen gemeinsam vor der Kirche, naja, mehr oder weniger gemeinsam, er wird vielleicht eine Weile gefesselt bleiben müssen bis er sich mit seiner neuen Situation abgefunden hat, aber dann steht unserem Glück nichts mehr im Wege. Wenn ich ihn oft genug schocke, vergisst er vielleicht sogar die ganze Sache mit Yuki und meiner Arbeit für Silberblatt.
Was hältst du von meinen Plänen? Sind sie nicht alle unfassbar genial und toll geworden?“
„Ah...ich ähm, will dich ja nicht nerven aber ähm...“ Saeca brach ab und wand sich unbehaglich unter den wartenden Blicken ihrer Freundin. Aleyandras stolzes, fröhliches Strahlen, erleichterte es der Armani nicht unbedingt auf die ganzen Fehler und Lücken in den Plänen hinzuweisen, also versuchte sie es gar nicht erst, sondern beließ es bei einigen zaghaften Andeutungen „Plan E und F sind schon ein kleines bisschen...extrem, findest du nicht? Vielleicht solltest du sie noch einmal überdenken.“
„Keine Sorge, das sind beides nur Pläne für den absoluten Notfall. Wenn die anderen funktionieren, muss ich sie niemals anwenden und vielleicht fallen mir bis zu Plan E ja noch andere, bessere Pläne ein.“ Aleyandra zwinkerte der unsicheren Saeca zu und freute sich darüber das es ihr gelungen war die Armani mit den letzten beiden Plänen ordentlich zu verwirren, natürlich würde sie nicht so weit gehen...außer man ließ ihr keine andere Wahl mehr und es stellte ihre letzte Chance dar.
„Oh, na gut, wenn du meinst, Onee-chan.“ Saeca wirkte trotzdem noch nicht völlig beruhigt, immerhin war ihr Plan so weit hinten in der Liste und das fand sie nicht nett „Warum ist meine Idee eigentlich nur Plan C? Das finde ich unfair! Das Kostüm war teuer und nicht leicht zu besorgen. Ich musste erst einmal einen Schneider finden der es überhaupt anfertigen wollte, weißt du wie anstrengend das war? Die meisten Schneider haben mich einfach nur ausgelacht und sich über meine Idee lächerlich gemacht, das war nicht sehr nett. Außerdem konnte ich mir nicht so viele Dangos kaufen wie ich wollte, weil ich für das Kostüm sparen musste.“
„Keine Sorge, ich weiß deine Mühe wirklich zu schätzen, Saeca. Aber leider, naja, leider sieht das Kostüm ein wenig...wie sage ich das jetzt am besten? Es sieht verdammt peinlich aus und wenn du dich geirrt hast was Naruz geheimsten Wunsch angeht, dann stehe ich da wie der größte Idiot aller Zeiten. Er wird mich auslachen und ich werde zum Gespött seines ganzen Teams, zur Lachnummer von ganz Navea, ganz Süd-Midgard, der ganzen Welt! Das kann ich im Moment nicht riskieren, nicht jetzt, solange ich noch andere Pläne habe.“
„Ich irre mich nicht was Naruz Traum angeht.“ murmelte Saeca beleidigt, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich nahe eines Baumes zu Boden sinken, um sich an den Stamm zu lehnen und zu schmollen „Er hat es mir selbst einmal erzählt, als wir uns unterhalten haben. Es gibt nichts auf der Welt, was er sich mehr wünscht oder mehr begehrt, das musst du mir glauben!
„Ja ja, was auch immer, es bleibt dabei, das Kostüm ist Plan C.“ sie ignorierte die beleidigte Armani und kramte in ihrem Gepäck umher, bis sie ihre Maske fand. Sie war feinem, dünnen Stoff und passte farblich perfekt zu ihrer Rüstung. Aleyandra setzte die Maske auf und es dauerte eine Weile, bis die Zauber die auf der Maske lagen begannen zu wirken. Es gab keine Sehschlitze für ihre Augen, sondern einen Zauber der es ihr erlaubte durch den Stoff zu blicken. Erwartungsvoll wandte sie sich an Saeca. „Also? Wie sehe ich aus?“

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„Bescheuert...“ murmelte Saeca ohne genau hinzusehen, was Aleyandras gute Laune sofort zertrümmerte. Die Armani ließ ihre Onee-chan eine Weile zappeln, bevor sie schließlich aufgab und sich dazu entschied später zu schmollen. Diese Aktion würde Aleyandra einiges an Dangos kosten, zumindest das schwor Saeca sich still. „Nein, das war nicht ernst gemeint. Du siehst toll aus Onee-chan, aber du hast immerhin auch noch Narben und Verätzungen an deinem Körper. Wie willst du die vor Naruz verbergen?“
„Ganz einfach, ich ziehe mich nicht komplett aus wenn wir alleine sind, sondern lasse mein Hemd an, dann ist alles in Ordnung. Mach nicht immer alles komplizierter als es eigentlich ist, Saeca, vor allem wenn es um Dinge geht von denen du keine Ahnung hast, ja?“ Aleyandra legte ihre Pistolen zu dem Gepäck und drehte Saeca dann den Rücken zu, es wurde Zeit ihren genialen Plan in die Tat umzusetzen „Warte hier auf mich, je nachdem wie es läuft bin ich vielleicht nicht vor morgen früh zurück. Wenn dir langweilig ist ruf einfach nach Alessa oder Bel Chandra, ich habe sie angewiesen dir Gesellschaft zu leisten.“ Ohne auf eine Antwort der Armani zu warten, stieß Aleyandra sich vom Boden ab und schwebte eine Weile über den Baumwipfeln. Sie verlor so leicht die Orientierung wenn sie fliegen musste und es dauerte einige Minuten, bis es ihr gelang die nahe Straße ausfindig zu machen und genau dort wartete es auf sie, ihr Ziel. Seit sie aus Navea aufgebrochen waren, hatte Aleyandra ihren Spürsinn für Botschafter Gaias ausschweifen lassen, um nach Naruz zu suchen. Gestern war es dann endlich so weit gewesen und sie holten Team Mantikor ein paar Tage nördlich der Hauptstadt ein. Derzeit war von dem anfänglichen Tatendrang des Inquisitorenteams allerdings nicht mehr viel zu sehen. Sie saßen auf ihren Pferden und starrten auf etwas, das zu seltsam aussah um noch natürlich zu sein. Mitten auf der Straße, lagen mehrere gewaltige Baumstämme übereinander gestapelt und versperrten den Weg. Sie wirkten wie eine mühselig und fein säuberlich erbaute Mauer aus Holz. Niemals konnten Bäume so seltsam fallen, aber darüber hatte Aleyandra nicht wirklich nachgedacht. Letzte Nacht war sie zu sehr damit beschäftigt gewesen die Bäume zu fällen und auf die Straß zu schleppen, dabei hatte sie eher eine Art Palisade errichtet, anstatt ein vollkommen natürlich wirkendes Hindernis. Aleyandra setzte zur Landung an, um Plan A in die Tat umzusetzen. Vermutlich beriet Team Mantikor gerade ob sie versuchen sollten mit ihren Pferden durch den dichten Wald zu brechen, oder ob sie es wagen sollten diese merkwürdige, verlassene Straßensperre zu zerstören. Nur eine ließ sich von der allgemeinen Verwirrung nicht weiter anstecken, Aynaeth. Die junge Hexe saß gemütlich auf ihrem Pferd, aß Schokolade aus einer länglichen, weißen Schachtel und wirkte vollkommen abwesend, als wäre sie mit ihren Gedanken in einer anderer Welt. Gerade wollten sie sich daranmachen die Baumstämme auf dem Weg zu räumen, als Aleyandra ihren großen Augenblick gekommen sah. Pfeilschnell stürzte sie sich nach unten, direkt auf die Barrikade zu. Kurz vor ihrem Aufprall, bremste sie ihren Sturzflug ab und landete auf der Straßensperre. Aufrecht stand sie auf den Baumstämmen und grinste Naruz und seine Freunde an, die sie nur verwirrt anstarrten und teilweise sogar vor lauter Überraschung ein paar Schritte zurückwichen.
„Wie ich sehe, versperrt dieses dämonische Hindernis den Weg zu eurer Bestimmung, edle Reisende aus einer weit entfernten Welt, doch fürchtet die Mächte des Bösen nicht länger, denn Erlösung und das Ende eurer Qualen naht! Sagt mir, Reisende, verlangt es euch nach Rettung vor dieser Ausgeburt der Finsternis?“ Während sie das Inquisitorenteam überlegen ließ und sie voller Selbstvertrauen angrinste, schüttelte Naruz als einziger aus der Gruppe nach einer Weile den Kopf und hoffte das sonst niemand ihre Verkleidung so leicht durchschauen konnte. Alleine schon ihre Illusionszauber verrieten Aleyandra auf der Stelle, einmal abgesehen von den Zaubern die Tigerius und Bel Chandra auf sie gewirkt hatten, um ihren immer wieder aufblitzenden Blutdurst zu kontrollieren. Das alles wirkte wie ein Leuchtfeuer für sein Auge, er konnte es gar nicht übersehen egal wie sehr er es versuchte. Am liebsten hätte er betreten weggesehen und sich irgendwie aus dem Staub gemacht, um sich diese peinliche Vorstellung nicht mitansehen zu müssen, aber es ging nicht. Naruz war gefangen in einer Art verzückter Starre, denn er musste jeden einzelnen der Zauber auf Aleyandras Rüstung immer wieder genau betrachten. Es wirkte so, als hätte sie sich besonders viel Mühe gegeben die Zauber ansehnlich und schön zu gestalten, die Effizienz dagegen beeindruckte ihn nicht besonders. Er konnte schon auf den ersten Blick ein dutzend gravierende Fehler in den Zauberformeln entdecken, aber seltsamerweise störte es ihn nicht. Die Fehler schienen die Zauber erst richtig...perfekt zu machen. Nicht besonders effektiv, aber die Formeln strahlten trotzdem die Leidenschaft aus die in ihnen steckte, die Hingabe mit der Aleyandra sie über viele Stunden hinweg gewirkt hatte, nur damit er sie sehen konnte, also sollte er sie nicht enttäuschen. „Ich sagte, verlangt es euch nach Rettung vor diesem schändlichen und furchtbar gefährlichen Hinterhalt, edle Diener der Kirche und Streiter unserer Göttin?“
„Moment, ich kenne die Stimme doch irgendwoher.“ Victoria wandte sich langsam an ihre Teamkollegen und runzelte nachdenklich die Stirn „Ist das nicht diese Verrückte die in Naruz verliebt ist und aus irgendeinem Grund mehr Erfolg bei ihm hat als du, obwohl sie immer nur Blödsinn anstellt?“
„Ja, das ist sie, aber sei lieber ruhig, wir sollten uns da nicht einmischen.“ antwortete Anya, erstaunlich kleinlaut und rückte näher an ihre Freundin heran. Sie wusste das hinter der freundlichen Fassade dieser Aleyandra auch noch ein ganz anderer Mensch lauerte und diesem anderen Ich des weißhaarigen Mädchens, wollte sie niemals wieder begegnen, also war es am klügsten sich bedeckt zu halten.
„Anscheinend ist sie noch wahnsinniger geworden, gut für uns.“ stellte Victoria zufrieden fest und das ganze zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, Anyas einzige Konkurrenz schoss sich immer mehr und mehr selbst ab, das lief nicht schlecht.
„Außer Naruz steht auf Wahnsinn und findet gerade das so faszinierend an ihr.“ mischte Nikodemus sich ein, was ihm einen bohrenden Blick von Victoria einbrachte „W-war nur so ein Gedanke, tut mir leid.“
„Ein dämlicher Gedanke, Nikodemus. Naruz mag keine Verrückten. Er will ein nettes, freundliches, hübsches und gewöhnliches Mädchen, mit dem er in Frieden zusammenleben kann. Und genau das alles ist unsere Anya, naja, wenn es ihr endlich gelingt ihre Nervosität zu überwinden.“
„Ah, ich sehe ihn schon, ihr seid starr vor Angst!“ versuchte Aleyandra noch einmal die Aufmerksamkeit der Gruppe für sich zu gewinnen, als nach einer ganzen Weile noch immer niemand sie anflehte das Hindernis zu beseitigen „Der Anblick dieses widerwärtigen, allmächtigen Angreifers, der plante Tod und Vernichtung über euch zu bringen, lässt euch vor lauter Furcht zu Stein erstarren! Aber fürchtet euch nicht länger, Sterbliche, denn ich bin jetzt hier, um euch zu erlösen!“
„Ja, sie ist wirklich endgültig durchgedreht.“ stellte Victoria fest und schüttelte genervt den Kopf, und gegen so etwas verlor Anya, das durfte nicht wahr sein.
„Seid leise, sie kann euch hören.“ zischte Naruz seinem Team zu ohne sich umzudrehen, zwar hatte er selbst nur ein paar Wortfetzen gehört, aber Aleyandras Gehör war deutlich feiner ausgeprägt seit ihrer Wandlung zur Botschafterin Gaias. Er wollte nicht das seine Freunde sie verschreckten, außerdem hatten sie sowieso kein recht über sie zu urteilen, auch wenn selbst er zugeben musste das sie sich ausgesprochen merkwürdig benahm. Aleyandra war in der Zwischenzeit unter ihrer Maske rot angelaufen, versuchte aber mit allen Mitteln nicht aus ihrer Rolle zu fallen und machte nach einer Weile unbekümmert weiter, vollkommen von sich selbst und ihrem genialen Plan überzeugt.
„Tretet zurück schwächliche Reisende in Not, damit die finsteren Kräfte die diesen Ort erfüllen euch kein Leid zufügen! Ich werde jeden Feind in die Knie zwingen der zwischen euch und dem Ort eurer Bestimmung steht! Nichts wird eure Mission von größter Dringlichkeit gefährden, denn ich, die mächtigste Dienerin der Göttin, werde euch beistehen und die Mächte der Finsternis auslöschen!“ Aleyandra aktivierte die Zauber die sie an der Rückseite ihrer Straßensperre angebracht hatte, zeigte mit einer Hand auf die harmlosen, unschuldigen Baumstämme und rief „Vergehe Dämon der Dunkelheit!“ Die magischen Schriftzeichen entließen ihre tödliche Ladung und sprengten die Holzstämme in die Luft. Kurz bevor die Barrikade zerrissen wurde, stieß Aleyandra sich ab, segelte durch die Luft und landete geschmeidig vor Naruz, während hinter ihr eine gewaltige Explosion einen Krater in die Straße riss. Vielleicht hatte sie etwas übertrieben, aber Aleyandra konnte den Schaden nicht sehen, den sie gerade angerichtet hatte, denn wenn man etwas hochjagte, dann drehte man sich nicht um, sondern tat so als wäre die Explosion selbstverständlich und gar nicht da. Mit einem stolzen Lächeln breite Aleyandra die Arme aus, um ihren verblüfften Zuschauern ihr Werk zu präsentieren. „Seht! Ich habe eure Seelen vor der ewigen Verdammnis bewahrt und euch erlöst von der Pein dieses Ungeheuers. Preist und lobt die allmächtige Göttin, deren Weisheit und Voraussicht mich in der Stunde größter Not zu euch sandte!“
„Ohne Eure Hilfe wären wir verloren gewesen, Fremde. Niemand von uns wäre in der Lage gewesen dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen.“ Naruz widerstand dem Drang sie zurechtzuweisen und rang sich sogar irgendwie ein schwaches Lächeln ab. Durch den breiten, gefährlich blubbernden und rauchenden Krater inmitten der Straße, würden sie die Pferde niemals durchbekommen, also blieb ihnen keine andere Wahl mehr als einen Weg durch den dichten Wald zu bahnen. Noch immer züngelten hin und wieder Flammen aus dem tiefen Krater hervor, vermutlich herrschte weiter unten ein wahres Inferno, das noch ewig brennen und die Straße für eine lange Zeit unbegehbar machen würde. „Wie können wir dir für deine Hilfe danken?“
„Ich weiß eine Möglichkeit, wie ihr euch bei mir revanchieren könnt, Sterbliche.“
„Was immer du verlangst, ich bin sicher wir...“ Naruz brach ab und hasste sich im Moment selbst dafür, das er das gefährliche Grinsen in Aleyandras Gesicht nicht schon früher bemerkt hatte. Sie schoss ohne Vorwarnung auf ihn zu, packte Naruz am Kragen und riss ihn von seinem Pferd herunter. Gemeinsam mit ihrer Beute hob Aleyandra ab und gewann schnell an Höhe. Innerhalb kurzer Zeit blieben der Boden und sein Team weiter unter Naruz zurück, der strampelte und versuchte ich aus ihrem Griff zu befreien. „Hiiiiillllllffffffeeeee! Serif!!!!!!!“
„...“ eine Weile herrschte betretenes Schweigen in der Reisegruppe, niemandem viel etwas ein, was sie zu diesem Auftritt sagen konnten. Letztendlich war es Anya, die unsicher die Stille brach, während Naruz langsam am Horizont verschwand und sich schon bald außer Sichtweite befand. „Sollen wir ähm, naja, also...sollen wir ihm helfen?“
„Ich denke nicht, wir würden die beiden vermutlich nur stören bei dem was sie planen. Das ist vermutlich irgendein Rollenspiel das sie sich ausgedacht haben, ich habe mal über so etwas in der Art gelesen und bin sicher Naruz wird es überleben.“ ausgerechnet Aynaeth hatte ihr geantwortet, was die Verwirrung innerhalb der kleinen Gruppe nur noch steigerte, aber immerhin die Aufmerksamkeit von dem Krater ablenkte. Aynaeth fischte ruhig eine weitere Praline aus ihrem nahezu unendlichen Vorrat und ignorierte die starrenden Blicke der anderen. So viel hatte sie nicht von der ganzen Situation mitbekommen, aber sie konnte schwören, dass das Feuer auf der Straße nicht ganz normal war, aber im Kirchenstaat wusste man nie, die Leute hier waren eh alle seltsam. „Was ist? Hört auf mich so anzusehen und lasst uns lieber ein Lager errichten, es kann sicher dauern bis Naruz zurückkommt und die Sonne geht sowieso bald unter.“
„Serif?“ Anya wandte sich an das zurückgebliebene Eidolon, das ohne seinen Herren ein wenig verloren wirkte und sich auf Naruz Pferd niederließ „Willst denn nicht wenigstens du deinem Partner beistehen und ihn retten?“
„Mhm, nein, ich denke nicht.“ das Feeneidolon gähnte ausgiebig und legte sich müde auf den Pferderücken, wenn sein Partner wirklich in Gefahr wäre, würde er das sicher spüren, außerdem konnte Naruz auf sich selbst aufpassen „Ich erlebe das nicht zum ersten Mal und wie Aynaeth bereits sagte, er wird es überleben, hoffe ich.“



Schon nach wenigen Augenblicken hörte Naruz auf zu zappeln und fügte sich in sein Schicksal. Aleyandras war dank ihrer ausgeprägteren Botschafterkräfte stärker als er und es gab kein Entkommen. Eine Weile flogen sie über den Wald, was Naruz genug Zeit bot herumzuhängen und über sein Leben nachzudenken, bis Aleyandra auf eine kleine Lichtung zuhielt. Direkt über dem Boden ließ sie Naruz einfach ins Gras fallen und landete freudestrahlend neben ihm. Sie fühlte sich großartig! Es war viel zu lange her das sie etwas gestohlen hatte und das hier, war ihr bei weitem größer Diebstahl aller Zeiten! Sie hatte Team Mantikor den Inquisitor geklaut und jetzt würde niemand sie stören, der Abend und die ganze Nacht gehörten ihnen allein.
„Ich dachte du wolltest mich retten und nicht entführen.“ murmelte Naruz, während er mühsam aufstand und überprüfte ob er sich auch nichts gebrochen hatte. Aleyandra war nicht gerade sanft mit ihm umgegangen, da sie ihre Stärke als Auserwählte Gaias noch immer nicht wirklich kontrollieren konnte.
„Du sagtest das ich mir meine Belohnung aussuchen darf und das habe ich, aber dafür brauchen wir ein ruhiges Plätzchen, wo wir alleine sein können.“ Aleyandra ging betont langsam auf ihn zu und versuchte es mit einem verführerischen Lächeln, das sie noch nicht wirklich oft geübt hatte „Ich wandere jetzt seit Anbeginn der Zeit durch die Welten, alleine, vergessen von der Zeit selbst, verloren von den Göttern, aber auserkoren um die Schwachen zu beschützen und das Böse zu bekämpfen. Es ist ein einsamer, zermürbender Kampf und nur selten ist mir in all diesen Jahrhunderten ein hübscherer Mann begegnet als du. Ich will dich, das ist meine Belohnung für die Rettung deines Teams.“
„Tatsächlich?“ Naruz wusste nicht was er dazu sagen sollte und sah stumm weiterhin zu wie Aleyandra langsam auf ihn zukam. Eigentlich hatte er es während ihrer letzten Verabredung ernst gemeint. Er wollte im Moment nicht mit ihr zusammen sein, höchstens als Freunde, alles andere wäre zu schmerzhaft, da es sie nirgendwohin führen konnte, nicht solange Aleyandra weiter für die Kinder Gaias mordete. Trotzdem stand Naruz kurz davor nachzugeben, alleine für die ganze Mühe die Aleyandra sich gab nur um mit ihm alleine zu sein. Es wäre unhöflich sie jetzt einfach abzuweisen, außerdem gefiel ihm ihr selbstsicheres Lächeln, das unter der Maske immer wieder hervorblitzte. Sie schien sich in ihrer Rolle als mächtige Heldin zu gefallen, vielleicht würde sie diese Seite von sich eines Tages auch ohne eine alberne Maske zeigen und nicht immer nur unsicher um ihn herumschleichen. Außerdem wollte er sie, alles in ihm verzehrte sich nach Aleyandras Nähe, aber er wusste nicht ob er damit nicht letztendlich nur wieder mehr Schaden anrichten würde. Es konnte manchmal etwas anstrengend mit Aleyandra sein, egal was er tat, am Ende weinte sie doch wieder, also musste er genau überlegen wie er weiter vorging und was sie überhaupt wollte. „Allerdings gibt es jemanden in Navea der mir viel bedeutet und sie würde es sicher nicht gerne sehen wenn ich dein Angebot annehme.“
„Das ist bedauerlich. Ich wusste nicht das du bereits eine Geliebte hast.“ Aleyandra ließ einen gespielten Seufzer hören, freute sich aber innerlich über seine Worte.
„Nicht wirklich, eher eine Art...sehr gute Freundin. Es ist im Moment etwas kompliziert zwischen uns, aber ich liebe sie und hoffe das wir uns bald wiedersehen, auch...“ Naruz verzog kurz das Gesicht, es gefiel ihm nicht das Aleyandra ihm schon wieder folgte, dazu bestand kein Grund, außer sie vertraute ihm nicht „Auch wenn es mir so vorkommt als wäre sie immer in meiner Nähe, selbst jetzt.“
„Wirklich? Das muss ein sehr schönes Gefühl sein. Es ist sicher beruhigend zu wissen das die Person die man liebt immer nah bei einem ist.“ sie stand jetzt direkt vor ihm und wartete nicht mehr darauf das er die Initiative ergriff, sondern legte seine Arme um ihre Hüfte und drückte sich fest an ihn. Die Rüstung behinderte ihre Versuche etwas, aber es gab noch genug Stellen an denen er durch den leichten Stoff ihre Wärme spüren konnte.
„Manchmal, ab und zu kann es auch etwas...irritierend sein, gerade heute zum Beispiel bin ich mir nicht sicher, ob es sich so toll anfühlt sie immer in meiner Nähe zu wissen.“
„Kann ich mir denken, immerhin bist du dabei sie zu betrügen, denn ich bestehe auf meiner Belohnung, ganz gleich ob du eine Geliebte hast oder nicht. Sie wäre sicher verärgert wenn sie davon erfährt, aber das ist mir egal. Ich will dich und alles andere zählt für mich nicht.“ Aleyandra gab Naruz einen kurzen Kuss, bei dem ihr Atem sofort schneller ging. Es war so lange her das sie zusammen waren, das letzte Mal war noch vor ihrem Auftrag im Dschungel gewesen, also vor endlosen Monaten. Eine ihrer Hände wanderte fordernd über Naruz Inquisitorenrobe nach unten, wenn er diesmal nicht den aktiven Part übernehmen wollte, dann würde sie sich darum kümmern. Es gefiel ihr sogar irgendwie und ihre Hand arbeitete sich immer weiter nach unten vor, was Naruz Widerstand endgültig zum bröckeln brachte. „Außerdem schwöre ich dir, das sie niemals davon erfahren wird, also hält dich nichts mehr auf.“
„Oh...so ist das.“ plötzlich ging Naruz ein Licht auf und er glaubte eine Offenbarung zu haben. Darum ging es also! Aleyandra glaubte das diese Verkleidung ihn wirklich täuschte und wollte seine Treue testen. Ging er jetzt auf ihr Angebot ein, würde sie das sicher verletzen, also tat er das einzig richte und wich ein paar Schritte vor ihr zurück. In einem bemüht förmlicheren Tonfall versuchte er sie auf Abstand zu halten, was Naruz sämtliche Willenskraft kostete die er aufbieten konnte. „Tut mir leid, aber ich kann nicht mir Euch schlafen mysteriöse Fremde, auch wenn ich Euch auf ewig für die Rettung dankbar bin.“
„W-w-was?“ Aleyandras selbstsichere Haltung verschwand auf der Stelle, genau wie ihr überlegenes Grinsen und sie starrte ihn nur noch ungläubig an „Wovon redest du da? Natürlich kannst du das, immerhin ist sie weit weg und sieht sicher nicht so gut aus wie ich, also was spricht dagegen? Es sei denn du findest mich abstoßend...“
„Natürlich nicht, Ihr seid wunderschön, Fremde.“ versicherte ihr Naruz und versuchte seine gesamten Schauspielkünste abzurufen, was seine Versuche zu schauspielern nicht gerade besser machte, denn er besaß leider keinerlei Talent dafür. Trotzdem warf er sich in eine theatralische Pose, hielt sich den Handrücken vor die Augen und seufzte schwermütig, wenigstens war er mit ganzem Eifer dabei, das musste man ihm lassen. „Aber ich bringe es nicht übers Herz meine Geliebte auf so schändliche und niedere Weise zu hintergehen. Es würde ihr Herz zerreißen und ich könnte ihr niemals wieder voller Liebe und Hingabe in die Augen sehen.“
„A-aber sie ist weit weg und ich dachte ihr seid nicht wirklich zusammen, also wäre es auch nicht so, als würdest du sie wirklich betrügen, um genau zu sein will sie vermutlich sogar das du mit mir schläfst, da bin ich mir sicher, ich weiß es sogar ganz genau, sie würde nicht wütend auf dich sein, sondern dir verzeihen.“
„Und dennoch liebe ich sie, mit der heiß glühenden Leidenschaft von tausend heiß ähm glühenden Sonnen die heiß glühen und...warm sind und...so hell wie ihr strahlendes, heiß glühendes Licht, voll blendender, glühender Herrlichkeit und Glanz und Licht.“ er legte eine kurze Pause ein, in dem verzweifelten Versuch sich einen besseren Text auszudenken, aber auf die Schnelle viel ihm nichts mehr ein. Aleyandra verzog in der Zwischenzeit genervt das Gesicht, ein Poet war an Naruz nicht gerade verloren gegangen, aber immerhin gab er sich Mühe, fast so wie eine Katze die versuchte Klavier zu spielen, oder einen Dämon durch pure Niedlichkeit umzubringen. „Wie auch immer, ich liebe sie und muss Euch leider die Belohnung verwehren. Ich weiß, das es sie fertig machen würde, denn sie liebt mich genauso sehr wie ich sie liebe und verehre. Es wird für uns beide das beste sein, wenn wir uns niemals wiedersehen, mysteriöse, wunderschöne Fremde, denn ich würde Euch nur Unglück und Trauer bringen.“ Naruz warf ihr ein strahlendes Lächeln zu, in dem Glauben alles richtig gemacht zu haben und wandte sich von ihr ab, um von der Lichtung zu verschwinden, es war ihm irgendwie gelungen sich die Richtung zu merken in der die Straße lag „Danke für die Hilfe mit den Baumstämmen, ich gehe zurück zu meinen Leuten, Ihr müsst sicher noch viele andere hilflose Leute in Not retten und ich will Euch nicht ablenken.“
„W-w-warte! Das geht nicht, hey! Du kannst nicht einfach abhauen und mich hier stehen lassen!“ rief Aleyandra ihm mit Panik in der Stimme hinterher, aber Naruz schien das ganze noch immer für einen Teil des Tests zu halten und ging einfach weiter, bis er außer Sichtweite verschwunden war. Sie dagegen tobte weiterhin und schrie den Horizont an, in der Hoffnung das er nur einen Scherz gemacht hatte und jeden Moment wieder auftauchte, aber er schien es wirklich ernst zu meinen. „Komm sofort zurück du Idiot! Komm zurück und schlaf mit mir! Ich habe diesen ganzen Schwachsinn doch nicht umsonst gemacht! Baka!“ Aleyandra riss sich die Maske vom Gesicht. Mies gelaunt ließ sie sich zu Boden sinken und setzte sich im Schneidersitz hin, um düster vor sich hinzustarren. Wie konnte er es wagen sie abzuweisen! Sie hatte sich so viel Mühe mit der verfluchten Rüstung gegeben und dann wies er sie ab! „Plan A ist damit wohl gescheitert...“ murmelte sie zu sich selbst, als sie sich wieder etwas beruhigt hatte. Sie war trotzdem noch immer vollkommen aufgekratzt, in Gedanken war sie schon voll und ganz bei ihrem Liebesspiel gewesen und hatte sich darauf gefreut. Eigentlich sollte sie froh sein weil er sie nicht betrügen wollte, das musste ein gutes Zeichen sein, aber sie fühlte sich trotzdem übergangen. Ihre Verkleidung war einfach zu gut gewesen! Er konnte sie kein bisschen durchschauen und vermutete nicht einmal das die Maskierte gleichzeitig auch Aleyandra sein könnte. Kurz seufzte sie enttäuscht und begann die Zauber, welche auf ihrer Rüstung lagen, einen nach dem anderen aufzulösen. Das ganze kostete sie auf Dauer dann doch zu viel Kraft und eigentlich hatte sie sowieso geplant die Zauber verschwinden zu lassen sobald sie und Naruz...beschäftigt gewesen wären, aber ihre unendlich tollen Schauspielkünste hatten das leider verhindert. Manchmal wünschte sie sich, dass ihre Verkleidung und ihr Schauspieltalent mieser wären, dann hätte das ein netter Abend werden können. Vielleicht sollte sie sich nach einer anderen Maske umsehen, am besten eine, die nur eine Hälfte ihres Gesichts verdeckte. Andererseits, wollte sie es Naruz aber dann auch nicht zu leicht machen sie zu erkennen, er sollte sie wollen, egal ob er wusste wer sie war oder nicht. Ihre bloße Anwesenheit sollte ihn dazu bringen sich in sie zu verlieben, Maske hin oder her. Er musste spüren das sie die Richtige für ihn war, ganz egal wie sie aussah. Nachdenklich strich Aleyandra sich immer wieder die Rüstung, die inzwischen nur noch ein Haufen nutzloses Metall war und dachte darüber nach wie sie von jetzt an vorgehen sollte. „Die Reise ist noch lang genug, um es mit den anderen Plänen zu versuchen, naja, zumindest noch mit Plan B bis D, die anderen sind dann vielleicht doch etwas zu...übertrieben, zumindest für den Moment. Für Plan E und F bin ich sowieso noch nicht verzweifelt genug.“ Außerdem waren E und F nur dazu da gewesen um Saeca etwas aufzuziehen, so weit würde sie niemals gehen...niemals, außer wenn es unbedingt nötig war. Wenn es um Naruz ging war ihr schließlich jedes Mittel recht, doch gleichzeitig durfte sie auch nicht zu offensiv vorgehen, das gefiel ihm sicherlich nicht. Er musste denken, das er derjenige war der die Situation kontrollierte, obwohl er in Wahrheit gar keine andere Wahl hatte als sie zu lieben, immerhin hatte sie das so beschlossen und weder sämtliche Dämonen Pandämoniums, die Göttin oder Naruz hatten dabei irgendeine Art von Mitspracherecht. Aleyandra seufzte noch ein letztes mal enttäuscht, bevor sie aufstand und sofort wieder zu Boden fiel. Alles um sie herum drehte sich, der Wald schien auf sie niederzustürzen, die Bäume umkreisten sie und selbst der Himmel setzte sich vor ihren Augen in Bewegung. Plötzlich spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Brustkorb und bekam keine Luft mehr. Die Schmerzen breiteten sich immer weiter aus, durchzuckten ihren ganzen Körper, füllten für einen Augenblick jeden Winkel ihres Bewusstsein aus, bis der seltsame Anfalls langsam vorüberging. Sie glaubte sogar das ihr Herz für einen Moment stehen blieb, es war, als würde ihr ganzer Körper einfach in sich zusammenbrechen. „Ich...hätte nicht so viel Magie einsetzen dürfen.“ flüsterte Aleyandra atemlos und versuchte nicht in Panik zu verfallen. Nach einer Weile flauten die Schmerzenswellen ab und auch der Druck auf ihrer Brust verschwand. Flach atmend kämpfte sie sich auf die Beine hoch und schleppte sich zum nächsten Baum, um sich abzustützen. Sie war völlig fertig, das musste daran liegen das sie in den letzten Tagen so viel Magie benutzt hatte, aber diese Erklärung glaubte sie sich selbst nicht. Aleyandra konnte spüren, das ihre magische Energie noch immer ihren ganzen Körper erfüllte, daran konnte es also nicht liegen, generell bemerkte sie immer mehr das sie über einen nahezu unbegrenzten Vorrat an magischer Kraft verfügte, sie musste nur noch lernen damit umzugehen. Aber das half ihr im Moment auch nicht weiter, sie war nicht einfach nur ausgelaugt vom wirken der Zauber, aber Aleyandra schob diesen Gedanken beiseite. Es gab keine andere Erklärung und sobald sie sich etwas ausruhte, würde es ihr besser gehen. „Silberblatt wird mich umbringen wenn er erfährt das ich schon vor meinem Auftrag vollkommen fertig bin. Wenn ich deswegen scheitere, bin ich so gut wie tot.“ Noch immer leise Selbstgespräche führend, schleppte Aleyandra sich vorsichtig von Baum zu Baum, bis ihre Schritte wieder etwas sicherer wurden und ihre Beine aufhörten unter der Last ihres Körpers zu zittern. Sobald sie im Lager war, würde sie erst einmal einen ganzen Tag durchschlafen. „Also dann, zurück zu Saeca, hoffentlich hat sie noch nicht den halben Wald umgegraben, um Dangolager für den Rückweg anzulegen.“
Zuletzt geändert von Vanidar am 7. August 2014 16:56, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 7. August 2014 16:46

33. Plan B, "B" für "Bescheuert" (Öffnen)
Kapitel 33 – Plan B, 'B' für 'Bescheuert':


Zwei Tage nach der seltsamen Begegnung mit Aleyandra, saß Team Mantikor in einem Gasthaus, welches am Ende des Waldstückes stand, durch das sie sich schlagen mussten. Naruz' Stimmung hatte bereits einen Dämpfer erlitten, als er rausfand, dass es unmöglich war den kürzeren Weg durch das Triatio Hochland zu nehmen, und sie einen großen Bogen um die von Schluchten, Kratern und Gebirgen gezeichnete Landschaft machen mussten. Ein Teil der IV. Legion, welcher einem Team der Inquisition unterstellt worden war, versperrte den Zugang in das Hochland, und ließ niemanden passieren. Es sei zu gefährlich, die Schluchten zu durchqueren, da die einheimischen Riesen und Zyklopen in letzter Zeit immer aggressiver geworden waren, die Soldaten, und Team Harpyie der Inquisition, waren dort, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Man hatte Naruz nicht einmal mit der Inquisitorin reden lassen, die dort das Kommando hatte, weshalb er auch keine Möglichkeit hatte zu verhandeln, worüber er allerdings auch ein wenig froh war. Denn soweit er wusste, war die Inquisitorin von Team Harpyie eine verzogene, eingebildete Adlige aus dem Norden, mit der die wenigsten zurecht kamen. Seufzend trank er einen Schluck des Biers, welches vor ihm stand, und sah sich im Schankraum des Gasthauses um. Es war voll, sehr voll sogar, Team Mantikor und Aynaeth saßen an einem Tisch in einer Ecke des Raums, und hatten einen recht guten Überblick, über jeden der das Gasthaus betrat und verließ. Die meisten Gäste waren nicht weiter bemerkenswert, aber es gab eine Person, die Naruz' Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, bei ihr handelte es sich um einen recht jungen Mann mit langen, schwarzen Haaren, bleicher Haut, und pechschwarzer Iris, was ihm einen recht unheimlichen Eindruck verlieh, der nicht dadurch besser wurde, dass er vollkommen dunkle Kleidung trug. Irgendetwas an ihm war seltsam, und Naruz wurde unruhiger, je länger der Mann einfach nur da saß, und sich gelangweilt umsah, Naruz hatte das Gefühl, etwas ähnliches wie ihn bereits einmal gespürt zu haben, er wusste nur nicht wo. Bevor er jedoch weiter darüber nachdenken konnte, lenkte Aynaeth seine Aufmerksamkeit auf sich, mit einer Frage, die für Naruz äußerst unangenehm war.
„Also, Naruz... du bist jetzt mit Mizore zusammen?“ fragte die Hexe, und legte den Kopf schief, während sie den Inquisitor eingehend musterte. Sie hatte eigentlich gedacht, dass er an dieser Aleyandra interessiert war, deshalb war sie ziemlich überrascht gewesen, als Grimm ihr erzählt hatte, was er von Shirayuki gehört hatte.
„W-was?“ fragte Naruz, und stellte sein Bier wieder auf den Tisch. „Nein, bin ich nicht. Wie kommst du darauf?“
„Shirayuki meinte, dass du und Mizore ein Paar seid, und das es nicht mehr lange dauern wird, bis ihr heiratet.“
„Shirayuki irrt sich!“ Naruz atmete einmal tief ein, ehe er beschloss, dass es besser wäre Aynaeth die Wahrheit zu sagen, denn in ihren Augen blitzte es bereits vor Vorfreude, und er konnte sich denken, warum. „Wir... haben in Demarech zusammengearbeitet, und für ihre Hilfe beim Kampf gegen die Chimäre dort, habe ich ihr gesagt, dass ich ihr einen Gefallen schulden würde. Den hat sie dann genutzt, um... ähm... also... nun, jedenfalls waren wir ein paar Tage... ich will nicht sagen 'zusammen', aber so irgendwie war es. Ich habe ihr aber gesagt, dass ich nicht an einer festen Beziehung interessiert bin, und dachte eigentlich, dass sie es auch so verstanden hatte.“
„Oh...“ machte Aynaeth, und das Glänzen in ihren Augen verschwand. „Keine Hochzeit?“
„Ich fürchte nicht, tut mir leid, ich weiß, du hattest dich schon auf den Kuchen gefreut.“
„Kein Kuchen...“
„Ähm, wenn es dich aufmuntert... sollte ich jemals heiraten, würde ich dich natürlich einladen.“
„Wirklich? Und ich könnte dann... so viel Kuchen essen, wie ich will?“
„Zumindest so viel wie da ist.“ meinte Naruz mit einem Lächeln. „Klingt doch gut, oder nicht?“ Aynaeth nickte heftig, und strahlte ihn förmlich an, zumindest mit ihren Augen, ihr Gesicht war ansonsten so ausdruckslos wie immer.
„Hast du überhaupt vor, in nächster Zeit zu heiraten?“ fragte Nikodemus, und sah Naruz verwundert an.
„Nein, aber das muss Aynaeth ja nicht wissen.“ flüsterte Naruz ihm zu, und warf einen nervösen Blick zu Aynaeth, diese schien den Teil des Gesprächs jedoch gar nicht mitbekommen zu haben, sondern hatte sich an Anya gewandt, anscheinend hatte sie auch für die Templerin ein paar Fragen.
„Ach ja, Anya? Ich habe auch gehört, dass Mizore von deinem Kampfstil beeindruckt war. Shirayuki sagte, dass du wie die Schwerttänzerinnen des Sonnenordens kämpfst, und dass du dort zumindest eine Grundausbildung erhalten haben musstest, stimmt das?“
„Ich habe einmal überlegt, wirklich dem Orden beizutreten, vor fast sieben Jahren begann meine Ausbildung dort, allerdings habe ich sie nach vier Jahren abgebrochen, und mich lieber den Templern angeschlossen.“
„Warum denn das?“ fragte Naruz, und war ein wenig überrascht. „Die Tempelwachen haben einen weit höheren Stand innerhalb der Kirche, als gewöhnliche Templer, von den Schwerttänzerinnen und Klerikern ganz zu schweigen. Warum hast du einen Posten bei ihnen abgelehnt?“ Anya rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum, es war eigentlich kein großes Geheimnis, aber es war ihr trotzdem peinlich, darüber zu sprechen, außer Victoria und Paolo wusste niemand, warum sie zu den Templern gegangen war, gut, bisher hatte sie auch niemand gefragt, aber sie hatte sich nicht gerade darum gerissen, es Leuten zu erzählen.
„Also... ich wollte... helfen.“ murmelte Anya, und senkte den Blick.
„Was meinst du damit?“
„Ich wollte einen Posten haben, wo ich Menschen helfen kann, Menschen die wirklich meine Hilfe brauchen! Mein Großvater hat darauf bestanden, dass ich mir hohe Ziele in meinem Leben setze, da mein Vater äußerst talentiert war, und er große Hoffnungen für seine Zukunft gehegt hatte. Aufgrund dieser... Forderung, von ihm, konnte ich nicht einfach einen Posten in der Stadtwache annehmen, dabei wäre das genau richtig für mich gewesen. Also habe ich es zuerst bei den Tempelwachen probiert, aber hätte ich meine Ausbildung dort abgeschlossen, hätte ich den Rest meines Lebens in irgendeinem Tempel gehockt, und auf staubige Reliquien aufgepasst, anstatt wirklich etwas zu unternehmen. Also waren die Templer die ideale Wahl, dort hat man die Möglichkeit, einen hohen Posten innerhalb der Kirche zu erhalten, und man hilft Leuten.“
„Dein Vater? Da fällt mir ein, du hast mir nie gesagt, wie deine Eltern gestorben sind.“
„Weil ich es selber nicht weiß. Mir wurde zwar immer gesagt, dass sie vor zehn Jahren bei einem magischen Unfall ums Leben gekommen sind, aber das glaube ich nicht, ich bin mir sicher, es steckt mehr dahinter, aber Großvater will mir nichts darüber sagen.“ Eine Weile schwiegen alle am Tisch, dann erhob Naruz wieder das Wort.
„Also bist du Templerin geworden, um Menschen zu beschützen?“
„Ja, hast du ein Problem damit? Ich weiß, es hört sich unglaublich...“
„Ich habe kein Problem damit, im Gegenteil, ich finde das ist ein durchaus lobenswerter Grund.“ meinte Naruz und lächelte Anya freundlich an, woraufhin diese leicht rot anlief, und den Blick senkte. „Aus ähnlichen Gründen hatte ich auch Skandia verlassen, ich wollte sie nicht in Gefahr bringen, falls ich eines Tages zu einem Dämon werde... mittlerweile habe ich aber gemerkt, dass die wenigsten Botschafter zu Dämonen werden, meine Furcht war damals wohl ein wenig unbegründet gewesen. Hätte ich damals alles gewusst, was ich jetzt weiß, hätte ich Skandia vielleicht niemals verlassen.“
„B-bereust du es etwa, Skandia verlassen zu haben?“ fragte Anya, mit leicht nervöser Stimme.
„Mhm, nein, ich denke nicht. Mein Leben wäre vielleicht friedlicher und ruhiger gewesen, aber ich hätte Aleyandra nie getroffen, oder dich, Aynaeth, Nikodemus und Victoria... ich bin irgendwie auch ein wenig froh, Salvatore getroffen zu haben. Alles in allem bin ich froh, dass ich aus Skandia abgereist, und der Kirche beigetreten bin, ein besseres Team hätte ich mir auch nicht wünschen können.“ Victoria seufzte bereits instinktiv, und schlug die Hand vor dem Kopf, jetzt war eigentlich der Moment, in dem Anya irgendwas dämliches schrie, und hochrot davon lief... aber es geschah nichts. Als sie den Blick wieder hob, sah Victoria, wie Anya weiterhin nach unten sah, dabei jedoch fröhlich vor sich hinlächelte.
„Wo du gerade von Skandia redest, hast du noch Kontakt mit den Leuten dort?“ fragte Nikodemus, und suchte den Raum mit seinem Blick nach einer Bedienung ab, jedoch ohne Erfolg, die wenigen Angestellten, die es hier gab, waren bereits vollkommen beschäftigt, und würden wohl ewig brauchen, um ihren Weg zu diesem Tisch zu finden.
„Ja, es ist gerademal ein paar Tage her, dass ich einen Brief von Betsie bekommen habe... Betsie ist die Tochter des Dorfschmieds, und hilft hin und wieder im Laden ihres Vaters aus, während ihr Bruder ihm in der Schmiede hilft. Sie meint, in Skandia ist alles ruhig und friedlich, wie immer eigentlich, selbst die Riesenkaninchen sind schon ewig nicht mehr aufgetaucht, und es gibt wieder vermehrt Pinguine zu sehen.“
„Pinguine? Bei euch gab es Pinguine?“
„Ja, die verschiedensten Arten, kleine, mit fast blauer Färbung, aber auch größere, die fast einen Meter groß waren, es war wundervoll.“
„Wundervoll?“
„Natürlich, Pinguine sind fantastische Tiere, sie sehen nicht nur niedlich aus, sie kümmern sich auch umeinander, niemand wird zurückgelassen, in einer Pinguinkolonie... ähm, ja, jedenfalls sind wieder Pinguine aufgetaucht, die waren eine Weile lang nämlich verschwunden.“ meinte Naruz, und räusperte sich, während er ein wenig rot wurde, jetzt war vielleicht nicht der beste Zeitpunkt, um sein Team zum Pinguinismus zu konvertieren. „Dafür sind die Riesenspinnen verschwunden, die sich hin und wieder in den Wäldern eingenistet hatten, es scheint so, als wenn sie sich alle an einem bestimmten Punkt in den tiefen eines nahen Waldes konzentriert haben, als wenn es dort etwas gäbe, was sie beschützen wollen, aber bislang hatte noch keiner Zeit gehabt, die Sache zu untersuchen. Besser gesagt, niemand war lebensmüde genug dafür.“
„Machst du dir denn keine Sorgen, um dein Dorf? Was, wenn die Spinnen angreifen? Es soll durchaus schon vorgekommen sein, dass monströse Kreaturen sich in Gruppen sammeln, und dann Siedlungen angreifen.“
„Betsie meinte, ich solle mir keine Sorgen machen, als die Kirche von der Sache erfahren hat, hatte sie sofort zwei Magier geschickt, die das Dorf beschützen sollen, sowie Team Perseus, von der Inquisition, unter der Führung von Leonardo Doni. Ich weiß nicht viel über ihn, aber ich habe gehört er soll ein Veteran sein, der bereits im Norden als Templer gedient hat, ehe er zum Inquisitor wurde. Außerdem heißt es, er ist ein Experte, wenn es um die geheime Magie der Doni geht, angeblich wird er nur noch von Salvatore übertroffen.“
„Wie bitte?“ entfuhr es Anya, als sie die Worte hörte. „Ich... ich wusste ja nicht, dass Salvatore so talentiert ist, ich dachte immer, er sei nur ein Aufschneider.“
„Ich ehrlich gesagt auch, aber es scheint so, als wenn Salvatore tatsächlich bereits recht viel Erfolg hatte, bei seinen Aufträgen. Er wird innerhalb der Familie angeblich als 'Erbe des Longinus' bezeichnet, man scheint ihn also so sehr zu respektieren, dass man ihn mit dem mächtigsten Mann vergleicht, der jemals aus der Familie entsprungen ist.“
„Und trotzdem hat er gegen dich verloren? Als du noch nicht einmal das Auge Pandämoniums hattest?“
„Ähm... ja, genau so war es.“ In Wirklichkeit hatte Naruz damals bei seinem Duell gegen Salvatore gespürt, wie ihn irgendeine fremde Magie gestärkt, und dadurch geholfen hatte. Naruz hatte ganz vergessen, Demir danach zu fragen, aber er vermutete, dass es der Weltenwanderer war, der ihn unterstützt hatte, jemand anderes kam nicht wirklich in Frage. „Wie auch immer, wir werden ja bald selber sehen können, wie gut er wirklich ist, immerhin werden wir ihn bei der Suche nach seinem seltsamen Mörder unterstützen.“
„Wer ist eigentlich alles ermordet worden?“ fragte Nikodemus, interessiert, bisher hatte er noch nicht viel über den Auftrag gehört, Naruz hatte ihnen kaum etwas erzählt, bevor es losging, und die letzten Tage mussten sie sich durch einen dichten Wald quälen, was die Laune des Inquisitors schon so weit gesenkt hatte, dass Nikodemus sich überhaupt nicht traute, ihn etwas zu fragen.
„Die meisten Opfer waren Templer, oder Magier. Allerdings hatte keiner von ihnen äußerliche Verletzungen, und Gift schien auch nicht benutzt worden zu sein. Es schien so, als wenn sie einfach eingeschlafen wären, und jetzt einfach nicht mehr aufwachen. Deswegen vermutet Salvatore auch, dass ein Dämon seine Finger im Spiel...“ Naruz verstummte, und blinzelte verwirrt in Richtung Tür, woraufhin sich sein Team umdrehte, um zu sehen, wer dort wohl sein möge.
„Was macht die denn hier?“ murmelte Victoria, leicht genervt, als sie sah, wie Aleyandra das Gasthaus betrat. Sie trug eine blaue Bluse, und einen ziemlich kurzen Rock, die beide recht teuer aussahen, zumindest verglichen mit dem, was die meisten anderen Reisenden trugen, die sich hier aufhielten.
„Ich habe keine Ahnung.“ murmelte Naruz, und runzelte die Stirn. Nach dem, was vor ein paar Tagen geschehen war, hatte er das ungute Gefühl, dass Aleyandra wieder irgendetwas geplant hatte. Umso überraschter war er, als sie sich ein wenig im Raum umsah, und dann direkt auf den jungen Mann an der Theke zuging. „Ich frage mich, was sie jetzt schon wieder vorhat...“

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Ja, das sind Bilder von Naruz beim Tanzen... wenn man sehen will wie der Tanz eigentlich aussehn soll, kann man mal hier reingucken (ab Sekunde 45, so ca):
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„Hallo, schöner Tag heute, nicht wahr?“ fragte Aleyandra, und setzte sich neben den Fremden, den sie an der Theke entdeckt hatte. Dieser sah sie kurz ein wenig verwirrt an, lächelte dann jedoch, und drehte sich zu ihr um.
„Er ist gerade besser geworden, kann ich Euch irgendetwas anbieten...?“
„Aleyandra, einfach nur Aleyandra.“ sie lächelte den Mann freundlich an, und warf kurz einen Blick zu Naruz und dessen Team. Dieses mal würde ihr Plan funktionieren! Sie hatte sich ganz genau umgesehen, und war zu dem Schluss gekommen, dass der Typ, mit dem sie sich gerade unterhielt, am besten aussah, von allen, die sich im Gasthaus befanden. Sie würde sich einfach ein wenig mit ihm unterhalten, und mit ihm flirten, bis Naruz eifersüchtig wurde, und zu ihnen kam, um dem Fremden klar zu machen, dass sie bereits einen Freund hatte. Falls Naruz nicht kommen würde... müsste sie halt ein wenig extremer vorgehen, aber das spielte ja keine Rolle. Wichtig war nur, dass Naruz am Ende der ganzen Sache, seine unbändige Liebe zu ihr, vor so vielen Leuten gestehen, und jeden bedrohen würde, der es wagte, sich an sie ranzumachen.
„Freut mich, Euch kennenzulernen, Aleyandra.“ meinte der Fremde, und nickte dem Wirt zu, kurze Zeit später stand eine Flasche Wein, und zwei Gläser auf der Theke. Das Gasthaus, in dem sie sich befanden, war eines der ältesten und angesehensten, im gesamten Reich. Viele Reisende kamen hier vorbei, und ließen meist viel Geld zurück. „Mein Name ist Baloth Telvaas, und ich komme den langen Weg aus Vo Astur, seid Ihr zufällig auch von dort?“
„Nein, ich war noch nie so weit im Norden, aber ich habe gehört, dass meine Eltern von dort kommen sollen.“
„Das habe ich mir schon gedacht, solch wunderschöne Haare und Augen findet man sonst nirgendwo, oder besser gesagt, lassen sie sich immer auf die Einwohner der Grauen Stadt zurückführen.“
„Oh, vielen Dank, Eure Augen sind auch... interessant.“
„Bitte, nennt mich einfach Baloth, und meine Augen... das war ein Unfall, ein magisches Experiment, dass nach hinten losgegangen ist. Ich bin Lehrer, an der Akademie von Vo Astur, und unterrichte die jungen Hexen und Hexer in Geschichte, aber auch im Umgang mit Dämonen.“
„Und mit was für Dämonen? Es gibt ja die verschiedensten Arten von diesen Kreaturen.“
„Ich habe mich auf Dämonen spezialisiert, die fast ausgelöscht sind, wie Vampire, Succubi, oder Teufelsdrachen.“
„Könntet Ihr mir vielleicht ein wenig über Vo Astur erzählen? Ich wollte schon immer mal wissen, wie es dort oben aussieht.“ meinte Aleyandra, und lächelte Baloth freundlich an. Das wurde ja immer besser! Sie konnte ihren Plan ausführen, und nebenbei noch ein wenig über die Stadt der Hexer erfahren, heute hatte Gaia sie wahrlich gesegnet!
„Aber natürlich... wo fange ich am besten an?“ meinte Baloth, und schien eine Weile lang nachzudenken. „Also, Vo Astur am Tage sieht ziemlich trostlos und unscheinbar aus. Die Stadt verbirgt sich hinter riesigen Mauern, und nur ein Gebäude ragt über diese empor, die Halle der Dreizehn, praktisch das Regierungsgebäude von Vo Astur, dort versammelt sich der Rat der Dreizehn, und entscheidet über die Geschicke der Stadt. Der Rat besteht heutzutage aus vier Familien, die Moraevion haben fünf Sitze im Rat, die Vaas drei, die Telvaas haben ebenfalls drei, und die letzten beiden Sitze gehören den Orvios. Die Stadt liegt übrigens inmitten eines riesigen, dichten Waldes, was dafür sorgt, dass es nicht gerade viele Besucher gibt. Nachts, wenn der Mond scheint, sieht die Stadt jedoch ganz anders aus, dann nämlich erstrahlen die Mauern und Gebäude von Vo Astur in silbernem Licht, es sieht wirklich wunderschön aus.“
„Dann sind die Moraevion also die mächtigste Familie in Vo Astur?“
„Nun, nicht ganz, theoretisch gesehen, haben sie die meisten Sitze im Rat der Dreizehn, allerdings gehört meine Familie, die Telvaas, zu der Vaas Familie. Wir haben nur gelegentlich kleinere Meinungsverschiedenheiten, ansonsten arbeiten wir zusammen, so gesehen, halten die Vaas also mehr Sitze im Rat inne, als die Moraevion. Außerdem ist die Hauptlinie der Familie ausgestorben, die Linie, aus der die mächtigsten Hexen und Hexer hervorgegangen sind. Die Moraevion verfügen dafür jedoch noch immer über die größte Sammlung von Grimoiren, die Unheiligen Grimoire nicht mitgezählt, denn diese werden immer von einem Mitglied der Vaas Familie behütet. Ich habe gehört, die derzeitige Wächterin der Grimoire soll noch sehr jung sein, aber nichts desto trotz talentiert. Angeblich soll sie sogar mehr als ein Dutzend Dämonen zu ihren Sklaven gemacht haben.“
„Ist das denn so ungewöhnlich? Ich dachte immer, Dämonen seien ein ganz alltäglicher Anblick in Vo Astur.“ meinte Aleyandra, und gab sich alle Mühe interessiert zu klingen, und zu lächeln, warf jedoch immer wieder heimlich Blicke zu Naruz. Worauf wartete er eigentlich? Sollte er nicht langsam anfangen sich Sorgen zu machen, und eifersüchtig zu werden?
„Das stimmt, in Vo Astur wandern viele Dämonen umher, die meisten von ihnen sind Diener, oder Sklaven, von mächtigen Hexern, aber es gibt auch Dämonen, die als richtige Bürger der Stadt gelten. Die Anführerin der Stadtwache ist zum Beispiel ein Succubus, ob Ihr es glauben wollt oder nicht.“
„Ich verstehe, und Ihr seid also ein Gelehrter der Akademie, der sich mit Dämonen beschäftigt?“
„Das ist richtig.“
„Was macht Ihr dann hier? Solltet Ihr nicht eher in Vo Astur sein, und Leute unterrichten?“
„Ich mache einen kleinen Ausflug, um mir einmal die Sümpfe anzusehen, angeblich soll es da noch Tempel aus der Zeit des großen Aufstands geben.“
„Der... große Aufstand? Davon habe ich noch nie gehört.“ meinte Aleyandra, und sah ihn ein wenig verdutzt an. Sie hatte viel über die Geschichte von Midgard gelernt, aber von so etwas hatte sie noch nie gehört, zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern. Versuchte er sie womöglich mit irgendwelchem Unsinn zu beeindrucken?
„Oh, natürlich nicht, die Kirche redet nicht gerne von diesem Zwischenfall. Es liegt bereits über eintausend Jahre zurück, müsst Ihr wissen. Damals wanderte Gaia noch höchstselbst auf Azuria, auch wenn die Verwaltung ihrer Welt, größtenteils von anderen übernommen wurde, und zwar von drei Eidolons, die wir heutzutage nur noch 'die drei gefallenen Könige' nennen. Lycaea, die Wolfsmutter, ein mächtiges Eidolon in Form eines riesigen, roten Wolfes, sie herrschte über das Himmelsreich, oder besser gesagt, sie verwaltete es. Dann war da noch Nidhöggr, der Drache der Endzeit. Er hat die Form eines riesigen, dämonischen Drachens, und er verwaltete Terra. Der letzte König war Dantallion, der Hüter des Wissens, er verwaltete Pandämonium, und hatte die Form eines riesigen, pechschwarzen Löwen. Diese drei Könige waren so mächtig, dass nicht einmal die drei mächtigsten Eidolons, die es heute gibt, mit ihnen aufnehmen könnten... außer vielleicht Serena. Wie dem auch sei, eines Tages beschlossen die Könige, dass sie die alleinigen Herrscher Azurias sein sollten, da sie die Welten schon für Gaia verwalteten, könnten sie genauso gut darüber herrschen. Gaia gefiel das ganze natürlich überhaupt nicht, und es kam zu einem regelrechten Krieg zwischen den Königen und ihren Gefolgsleuten, und Gaia, die mit ihren Getreuen gegen die Verräter ins Feld zog. Der Krieg tobte über dreihundert Jahre lang, und schien für immer in einem Unentschieden gefangen zu sein, dann jedoch änderte sich etwas. Zwei von Gaias treuesten Dienern, die sich seit Anfang des Krieges nicht hatten blicken lassen, war es gelungen, eine mächtige Waffe zu schmieden, einen Speer, der fortan nur noch 'Speer der Gaia' genannt wurde. Um wen es sich bei diesen treuen Dienern handelte, weiß man bis heute nicht. Die Armani behaupten, es handele sich um Götter, während die Hexer der Meinung sind, es seien Eidolons gewesen. Die Alfar sind gar der Meinung, dass es sich um einfache sterbliche handelte. Nur die Kirche hält sich aus diesen Diskussionen raus, da sie nicht einsehen wollen, wie kurz Gaia vor einer Niederlage stand. Wie auch immer, mit Hilfe des Speers, gelang es Gaia letztendlich den Krieg zu gewinnen, allerdings tötete sie die Anführer der Rebellen nicht, sie bestrafte sie auf andere Art. Lycaea wurde aus dem Himmelsreich geworfen, und in einen Tempel in den Tiefen des Cactaraka Dschungels gesperrt, dazu gezwungen den Einwohnern des Waldes in Zeiten der Not zur Seite zu stehen. Ich habe gehört, die Armani haben ihre Dörfer in einer Art Kreis um diesen Tempel angelegt, und beten Lycaea als eine ihrer Göttinnen an. Nidhöggr wurde aufgrund seiner abscheulichen Taten im Krieg, in die tiefsten Ebenen von Pandämonium verbannt, und dort angekettet. Dort soll er in Einsamkeit ruhen, bis er eines Tages gebraucht wird, um Azuria vor Gefahr zu schützen, aber er denkt nicht einmal im Traum daran, in seinem Kopf ist nur noch Platz für eines; Rache. Sollte er jemals wieder freigelassen werden, wird er nicht ruhen, ehe er tot, oder Azuria vernichtet ist. Und zum Schluss haben wir Dantallion, den Aufwiegler, der die ganze Rebellion überhaupt gestartet hatte. Zur Strafe zerschmetterte Gaia seinen Körper, und sperrte seine Seele in ein Buch, dadurch entstand der erste Grimoire, 'Die Unendliche Bibliothek'. Was genau er bewirkt, kann ich dir leider nicht sagen, da müsste man schon die Hexe, oder den Hexer, fragen, der den Grimoire besitzt.“ Baloth lächelte kurz, und trank einen weiteren Schluck Wein, während Aleyandra über das eben gehörte nachdachte. Genau genommen, hatte sie nur noch mit halbem Ohr zugehört, da Naruz es noch immer nicht für nötig zu erachten schien, zu ihr zu kommen. Trotzdem spielte Aleyandra mit dem Gedanken, vielleicht Saeca über diese Geschichte, die sie gerade gehört hatte, auszufragen. Wenn einer wusste, ob die Armani irgendein altes Wolfseidolon als Gott verehrten, dann war es ja wohl sie. Als Baloth merkte, dass Aleyandra nur noch halbherzig lächelte, und gar nicht mehr richtig zuzuhören schien, lachte er kurz auf, und lächelte Aleyandra entschuldigend an. „Verzeihung, das muss Euch wirklich ziemlich gelangweilt haben, selbst die meisten Hexer und Hexen, interessieren sich nicht viel für diese uralten Geschichten. Ich sollte einfach aufhören, darüber zu reden.“
„Oh, es war nicht unbedingt... langweilig, es war nur ein wenig... ähm...“
„Mach dir keine Sorgen, ich weiß schon, dass es sich langweilig anhören kann, vergessen wir es einfach. Reden wir lieber von Euch, was macht jemand wie Ihr hier, soweit im Westen?“
„Was soll das heißen, 'jemand wie Ihr'?“
„Nun, aufgrund Eures Aussehens hätte ich gedacht, dass Ihr die Tochter irgendeiner Adelsfamilie seid. Nicht nur wegen Eurer Haarfarbe, oder wegen Eurer Augen, sondern auch, weil Eure... weil Ihr so wunderschön seid, Eure Schönheit scheint mich förmlich anzustrahlen.“
„Oh, vielen Dank für das Kompliment.“ Zum ersten mal in ihrem Leben, bedauerte Aleyandra, dass Naruz' Sinne nicht dermaßen geschärft waren, wie es sonst bei Botschaftern der Gaia üblich war. So war es wohl unmöglich, dass er die Worte von Baloth gehört hatte. „Um auf Eure Frage zurückzukommen, ich bin ebenfalls auf den Weg in die Sümpfe. Ich bin die Tochter eines Händlers, und es ist schon lange her, dass wir unsere Lieferungen aus Candeo bekommen haben, also habe ich mich dazu entschlossen, zu sehen, was da vor sich geht.“
„Und Ihr reist ganz alleine? Der Weg nach Candeo kann durchaus gefährlich sein.“
„Ich reise mit einer Freundin, sie ist momentan noch draußen und... ähm, kümmert sich um die Pferde. Außerdem, Ihr reist ebenfalls alleine, oder etwa nicht?“
„Da habt Ihr natürlich recht, aber ich frage Euch, wer würde schon einen armen, wandernden Gelehrten aus Vo Astur überfallen wollen? Jeder weiß, dass wir nichts wertvolles mit uns tragen.“ meinte Baloth, und lachte.
„Könnte man es nicht auf Euren Grimoire abgesehen haben?“
„Leider besitze ich keinen Grimoire. Es gibt nicht einmal 9.000 Grimoire, und in Vo Astur leben beinahe 15.000 Menschen, da kann nicht jeder eines dieser magischen Bücher haben. Die Hexen und Hexer, die keinen Grimoire haben, müssen sich anders helfen, meist mit Pistolen, Stäben, oder steinernen Runen, durch die sie ihre Magie wirken. Sagt... wenn es Euch nichts ausmacht, warum reisen wir nicht zusammen nach Candeo? Ich könnte auf der Reise jemanden gebrauchen, mit dem ich mich unterhalten kann, es kann durchaus langweilig werden, alleine durch halb Süd-Midgard zu reisen.“
„Nun, ich danke Euch für das Angebot, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es annehmen kann. Ich will Euch keine Umstände machen.“
„Ach was, es wäre mir eine Ehre, mit Euch zu reisen. Wisst Ihr was? Ich bin noch bis Morgen hier im Gasthaus, erlaubt mir, Euch ein Zimmer hier zu bezahlen, und Ihr denkt noch einmal eine Nacht darüber nach. Ich kann durchaus verstehen, wenn Ihr nicht einfach so mit einem Fremden reisen wollt, aber... ist alles in Ordnung?“ fragte Baloth, als er merkte, wie Aleyandras Gesicht sich verfinsterte. Während Aleyandra dem Hexer zugehört hatte, hatte sie ihre Aufmerksamkeit von Naruz' Tisch abgelenkt, und als sie jetzt dorthin sah, schien man sie vollkommen vergessen zu haben. Nikodemus unterhielt sich mit Aynaeth, während Anya, die anscheinend irgendwie Wein über ihre Rüstung vergossen hatte, rot angelaufen war, und sich mit Victoria stritt. Naruz saß nur lächelnd da, und sah ihnen dabei zu. Und in diesem Moment, ging Aleyandra auf, was der Fehler an ihrem Plan war; Naruz dachte wahrscheinlich, sie würde ihn nie im Leben mit irgendeinem Mann betrügen, und reagierte deswegen nicht... also würde sie schwerere Geschütze auffahren müssen. Schnell setzte sie wieder ein strahlendes Lächeln auf, und wandte sich an Baloth.
„Mir geht es fantastisch, macht Euch keine Sorgen. Um auf Euer Angebot zurückzukommen... ich bin tatsächlich ein wenig müde, und würde liebend gerne schlafen gehen, allerdings will ich Euch nicht das Geld aus der Tasche ziehen, Ihr müsst kein Zimmer für mich bezahlen, wie wäre es... wie wäre es, wenn wir uns ein Zimmer teilen?“ fragte sie, und lächelte Baloth verführerisch an.
„Und was ist mit Eurer Freundin?“ meinte der Hexer, erwiderte jedoch ihr Lächeln.
„Sie kommt schon alleine klar, sie ist kein kleines Kind mehr.“ Das war zwar ziemlich weit von der Wahrheit entfernt, aber Aleyandra hatte ja auch nicht vor, Saeca die ganze Nacht alleine zu lassen. Sobald sie mit diesem Baloth das Zimmer verlassen hatte, würde Naruz ihnen folgen, und sie zur Rede stellen. Dann würde sie den Hexer stehen lassen, und zusammen mit Naruz eine wunderschöne Nacht verbringen, dann würden sie heiraten, und alles wäre in bester Ordnung.
„Nun, wenn Ihr das sagt, Ihr kennt Eure Freundin schließlich am besten. Soll ich Euch das Zimmer zeigen?“
„Das wäre sehr nett.“
„Dann folgt mir bitte.“ Aleyandra zögerte nur einen winzigen Augenblick, als sie merkte, dass Naruz wieder zu ihr sah, stand sie auf, und folgte Baloth, der sich gerade einen Weg durch den Schankraum bahnte. Sie erreichten die Treppe, welche nach oben zu den Zimmern führte, gingen nach oben, und hielten bereits vor dem ersten Zimmer an.
„Hier wären wir.“ meinte Baloth, schloss die Tür auf und trat ein. Aleyandra folgte ihm, schloss die Tür, und zückte dann sofort ihre Pistolen. Baloth hatte sich gerade umgedreht, und hob erstaunt eine Augenbraue, als er sah, dass die Waffen auf ihn gerichtet waren.
„Tut mir wirklich leid, dass es soweit kommen musste, eigentlich hätten wir es nie bis hierhin schaffen sollen. Macht Euch aber keine Sorgen, Baloth, ich will Euch nicht ausrauben, und ich will Euch nicht umbringen. Ich will nur nicht, dass Ihr denkt...“ weiter kam Aleyandra nicht, denn der Hexer schoss plötzlich nach vorn, und schlug mit der Faust nach ihrem Gesicht. Aleyandra wich mit einem Sprung zur Seite aus, und richtete die Waffen erneut auf Baloth, allerdings sammelte sie dieses mal bereits Magie in den Waffen, um gleich schießen zu können, wenn der Hexer sie wieder angriff. „Beruhigt Euch, ich schwöre, ich will Euch wirklich nichts tun.“
„Oh, das glaube ich Euch.“ meinte der Hexer, mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht. „Und ich schwöre Euch, Aleyandra, dass ich Euch nichts tun will... nein, das ist nicht ganz richtig. Ich will Eurem Körper nichts antun.“
„W-was? Was soll das heißen?“
„Erlaubt mir erneut, mich vorzustellen, mein Name ist Luciano Vladion. Und Ihr habt richtig gehört, ich will nur Eure Magie, nicht mehr.“ Während er sprach, sammelte sich eine Art dunkles Feuer in den Händen des Mannes, und Aleyandra zögerte nicht länger, sondern feuerte auf den seltsamen Fremden. Während sie beobachtete, wie die magischen Kugeln sich durch die Brust des Mannes bohrten, und ihn nach hinten schleuderten, fragte Aleyandra sich, warum ausgerechnet sie immer so viel Pech hatte. Sie hatte nur nach einem Mann gesucht, mit dem sie Naruz eifersüchtig machen konnte, und hatte zielsicher den verrücktesten, und gefährlichsten Mann im gesamten Gasthaus gefunden. Während sie noch überlegte, ob sie jetzt schnell verschwinden sollte, bevor jemand nach dem Hexer suchte, richtete dieser sich auf, und lächelte Aleyandra überheblich an. Seine Wunden waren bereits verschwunden, und ehe Aleyandra reagieren konnte, stand Luciano vor ihr, und presste sie gegen die Wand. „Keine Sorge, es wird nicht wehtun... es wird Euch nur umbringen.“ meinte er, dann breitete sich das schwarz seiner Iris auf die gesamten Augen aus, und Aleyandra bemerkte, wie sie die Kräfte verließen. Was auch immer gerade geschah, es war nicht gut. Sie merkte, wie sie immer schwächer wurde, und ihre Magie förmlich aus ihr heraus gesogen wurde. Aleyandra wusste nicht was geschah, wenn ein Mensch keine Magie mehr in seinem Körper hatte, aber sie war nicht gerade erpicht darauf, es herauszufinden, leider konnte sie nicht wirklich etwas dagegen tun, sie schaffte es nicht einmal mehr, ihre Arme zu bewegen.
„Hil...fe...“ murmelte sie schwach, schaffte es jedoch nicht den Namen eines ihrer Eidolons zu rufen.
„Sei einfach ganz ruhig, das hier ist wie einschlafen, nur... permanenter. Ich möchte mich aber bei Euch bedanken, Aleyandra, ich habe schon lange nicht mehr so viel Magie an einem Ort gesehen, dieses Gasthaus ist wahrlich eine Goldgrube, sobald ich mit Euch fertig bin...“
„Lass sie los.“ erklang plötzlich eine Stimme hinter Luciano, und in Aleyandras Augen blitzte es hoffnungsvoll auf, als sie erkannte, dass es sich um Naruz handelte. Der Vampir schnalzte kurz mit der Zunge, drehte sich dann jedoch um, und schleuderte Aleyandra auf das Bett, welches in der Nähe stand. Kaum hatte der Vampir sie losgelassen, merkte Aleyandra, dass sie sich wieder bewegen konnte, allerdings war nach wie vor ein Teil ihrer Magie verschwunden. Sie richtete den Blick zur Tür, und sah Naruz dort stehen, mit seinen beiden Schwertern in den Händen, neben ihm stand Aynaeth, die ihre Arme um Grimm geschlungen hatte, der damit beschäftigt war, Luciano böse anzuknurren. Hinter den beiden standen Team Mantikor und... Saeca! Die junge Armani warf besorgte Blicke zu Aleyandra, atmete jedoch erleichtert auf, als sie sah, dass ihre Onee-chan noch lebte.
„Da ist er, ich hatte recht, es ist ein Vampir.“ sagte Aynaeth, und wirkte erstaunlicherweise ziemlich nervös, sie versteckte sich sogar ein wenig hinter Naruz, was diesen am meisten verwunderte. „Und jetzt jage ihn weg, ich kann dir da leider nicht helfen, diese Biester fressen Magie, und magische Angriffe sind so gut wie nutzlos gegen sie... und ich kann nur mit Magie kämpfen.“
„Na wunderbar.“ murmelte Naruz, während er vorsichtig auf den Vampir zuging.
„Ah, perfekt! Der Hauptgang kommt von ganz alleine! Ich wollte gerade Aleyandra hier sagen, dass ich nach unten gehen würde, um mir auch die kleine Hexe, und den Inquisitor zu holen, sobald ich mit ihr fertig bin, aber wie es scheint, hat sich das ja erledigt.“ Während er sprach, musterte er Naruz aufmerksam, stutzte dann, und verzog das Gesicht. „Inquisitor, wie lautet dein Name?“
„Ich wüsste nicht, warum ich dir antworten sollte, Dämon.“
„Weil ich sonst deine kleine Freundin hier umbringe, also, wie ist dein Name?“ Naruz biss sich auf die Lippe, und sah zu Aleyandra hinüber, diese lag noch immer in der Nähe des Vampirs, und Naruz wollte lieber nichts riskieren.
„Mein Name ist Naruz.“
„Tch, ich habe aber auch ein Pech.“ murmelte der Vampir, und sah ziemlich enttäuscht aus. „Du hast Glück, Inquisitor, dass dieser Verrückte an dir interessiert ist.“ ohne ein weiteres Wort drehte Luciano sich um, und sprang aus dem Fenster, welches sich dort befand. Kaum hatte er das Zimmer verlassen, rannte Naruz zu Aleyandra, während sein Team zum Fenster hastete.
„Alles in Ordnung, Aleyandra?“ fragte Naruz besorgt, und musterte Aleyandra. Sie war ziemlich bleich, und sah erschöpft aus, aber ansonsten schien sie vollkommen in Ordnung zu sein.
„J-ja, ich denke schon.“ murmelte sie, und lächelte Naruz schwach an.
„Onee-chan! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“ meinte Saeca, während sie sich auf das Bett warf, und sie umarmte.
„Du kannst froh sein, dass Saeca da war, sie ist zu uns gekommen, und meinte, sie habe einen Dämon in der Nähe gespürt, auch wenn wir keine Ahnung haben, wie sie es geschafft hat. Jedenfalls hat das Aynaeth erst auf die Idee gebracht, dass dein Begleiter ein Vampir war, und wir haben beschlossen, euch zu folgen.“ In diesem Augenblick erschien Anya neben Naruz, und schüttelte den Kopf.
„Er ist weg, keine Ahnung, wo er hin ist, aber ich befürchte, dass er uns noch einiges an Ärger machen könnte, außerdem schien er dich zu kennen.“
„Ja... ja, ich weiß.“ murmelte Naruz, und dachte kurz nach. „Wir werden die Nacht hier bleiben.“ sagte er schließlich, und wandte sich an Victoria. „Victoria, du besorgst uns ein paar Zimmer, bezahle auch gleich für Aleyandra und Saeca.“
„I-ich denke nicht, dass wir...“ begann Aleyandra, verstummte jedoch, als Naruz sie freundlich anlächelte und den Kopf schüttelte.
„Du hast gerade einen Vampirangriff überlebt, und siehst ziemlich erschöpft aus, ich werde dich so bestimmt nicht einfach weiter durch die Gegend wandern lassen, verstanden?“
„Gut, wenn du darauf bestehst... dann bleiben wir die Nacht hier im Gasthaus.“ murmelte Aleyandra, und schloss erschöpft die Augen. Plan B war also auch ein Fehlschlag gewesen... zumindest teilweise. Immerhin hatte Naruz ihr das Leben gerettet, das musste schon für irgendwas gut sein. Während die anderen sich noch darüber unterhielten, wie sie wohl am besten die Zimmer aufteilen sollten, dachte Aleyandra nur darüber nach, wann sie wohl am besten mit Plan C fortfahren sollte.

Zur selben Zeit in Navea:

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Zum dritten mal stand Lyaena nun vor Lucas Haus, und wartete darauf, dass dieser ihr die Tür öffnen würde. Während sie wartete, warf sie hin und wieder einen nervösen Blick auf die Akte, die sie in den Händen hielt. Es missfiel ihr, dass ihr Vater sie zu einer einfachen Botin machte, die ein paar Papiere überreichen sollte, aber das konnte sie ihm ja schlecht sagen. Sie klopfte erneut an die Tür und beschloss zu gehen, falls ihr nicht sofort geöffnet werden sollte. Irgendwie schien es zu Lucas Art zu gehören, seine Gäste ewig warten zu lassen, oder ihnen gar nicht erst die Tür zu öffnen. Während sie darüber nachdachte, hörte sie Stimmen, die miteinander zu streiten schienen, sie kamen eindeutig aus Lucas Haus, allerdings konnte Lyaena nicht ausmachen, worum es bei ihrem Gespräch ging. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und eine Gestalt stürmte aus dem Haus. Lyaena schaffte es gerade noch ihr auszuweichen, und warf einen verdutzten Blick auf die Person, die vor ihr stand. Es war ein junger Mann, der in einen grünen Kapuzenmantel gekleidet war, und goldene Augen hatte. Kurz darauf traten zwei weitere Personen aus dem Haus, bei der einen handelte es sich um die Frau, der Lyaena bereits einmal begegnet war, und die ihr den Korb für Luca überreicht hatte. Die zweite Person war Luca, der mit freiem Oberkörper in der Tür stand, und äußerst wütend aussah. Auch sein Oberkörper war nicht frei von Tätowierungen, mitten auf seiner Brust schlängelten sich zwei Ketten von Runen, die an zwei Drachen erinnerten, die umeinander tanzten. Auf dem Bauch befanden sich ebenfalls mehrere, seltsame Runen. Außerdem sah sie, dass er sowohl den Beutel mit dem Schutzzauber, als auch die Halskette der Alfar trug, von denen er ihr letztes mal erzählt hatte.
„Komm, wir gehen.“ sagte der Fremde, an die Frau gewandt, die so aussah, als wäre sie seine Schwester. „Ich kann erkennen, dass wir hier nicht erwünscht sind.“
„Ach, und wundert dich das etwa? Ich habe Morrigans Brief gelesen, ich weiß, was ihr gemacht habt! Ihr habt versprochen...“ Luca verstummte, als er Lyaena bemerkte, die vollkommen verwirrt neben der Tür stand. Auch der Fremde bemerkte Lyaena anscheinend erst jetzt, und räusperte sich.
„Verzeihung, Mylady. Ich wusste nicht, dass Luca Besuch erwartet.“ er verbeugte sich kurz vor Lyaena, ehe er sich wieder an Luca wandte. „Denke noch einmal darüber nach, wir könnten deine Hilfe gebrauchen. Das heißt aber nicht, dass wir es nicht auch ohne dich schaffen können. Wir werden sie finden, danach werden wir dich erneut aufsuchen.“ mit diesen Worten wandte der Mann sich ab, und wollte gehen, kam jedoch nicht weit, da plötzlich der Stein vor ihm explodierte, und ihn zurückweichen ließ. „Wolltest du noch etwas, Luca?“ fragte der Mann, und drehte sich um, während er Luca überheblich anlächelte.
„Habt ihr ihn wirklich gefunden? Morrigan hat in ihrem Brief geschrieben, dass ihr wisst, wo mein Bruder sich aufhält, ist das die Wahrheit?“
„Es ist wahr, Luca.“ flüsterte die Frau beruhigend auf den Bladelli ein, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir haben ihn gefunden, und es geht ihm gut. Er...“
„Morrigan.“ Die Frau verstummte, als ihr Bruder ihren Namen sagte, und biss sich auf die Lippe. „Fürs erste, wirst du Morrigan vertrauen müssen, Luca. Denke nur daran, sie würde dich nie anlügen, wenn es um die Gesundheit deines Bruders geht. Immerhin liebt sie ihn noch mehr, als du es tust.“
„Bruder!“ zischte die Frau, und warf dem Mann einen bösen Blick zu.
„Dann geht jetzt.“ meinte Luca, und seufzte. „Es... es tut mir leid, Rhael. Das ganze kommt nur so plötzlich, und du hast mich bereits zuvor belogen.“
„Ich habe es nicht gerne getan, Luca.“
„Ich weiß... ich weiß. Ich werde noch einmal darüber nachdenken, in Ordnung?“
„Natürlich, auf Wiedersehen, Luca.“ Mit diesen Worten verschwanden die beiden Fremden auch schon, und ließen eine vollkommen verwirrte Lyaena vor Lucas Tür zurück. Kaum waren die beiden verschwunden, verbeugte Luca sich kurz vor Lyaena.
„Entschuldigt vielmals, dass Ihr das mitansehen musstet, Lady Akashi.“ meinte er, während er einen Schritt nach drinnen ging, und sich den schwarzen, ärmellosen Mantel überwarf, den er auch beim letzten mal getragen hatte. „Wie kann ich Euch behilflich sein?“
„Was? Oh, ja, natürlich. Ich sollte dir das hier geben.“ meinte sie, und überreichte Luca die Akten. „Ich habe mit meinem Vater gesprochen, er ist vor ein paar Tagen hier angekommen, und er meinte, dass es unakzeptabel ist, was Hayate damals im Norden getan hatte.“
„Ihr habt ihm davon erzählt?“ fragte Luca, und wirkte ziemlich überrascht.
„Gewissermaßen, ja. Hätte ich das nicht tun sollen?“
„Oh, nein, nein. Ich hätte nur nicht gedacht, dass.... vergesst es. Was haben also diese Akten hier damit zu tun?“
„Dort steht alles wichtige zu Hayate Akashi, was er so alles getrieben hat, und auch, wo er sich momentan aufhält. Mein Vater meinte, ich soll sie dir geben.“ Luca blätterte kurz durch die Akten, ehe er sie auf sein Bett warf.
„Ich danke Euch vielmals, für die Akten.“ meinte er, und verbeugte sich erneut vor Lyaena. „Und ich danke auch Eurem Vater. Ich werde die Informationen, die Ihr mir gegeben habt, effektiv nutzen, da könnt Ihr Euch sicher sein.“ Luca schien kurz über etwas nachzudenken, dann lächelte er Lyaena an, und fuhr fort. „Habt Ihr zufälligerweise ein wenig Zeit, Lady Akashi?“ während er sprach, hatte er plötzlich ein Paar schwarzer Handschuhe in der Hand, und streifte sie sich über.
„Was? Also... ich habe nicht wirklich etwas vor, warum fragst du?“
„Ich wollte gerade zur Halle der Verzauberer gehen, würdet Ihr mir die Ehre erweisen, mich dorthin zu begleiten?“
„Was willst du denn da?“
„Zum einen will ich dort etwas herstellen, ein Geschenk für eine Person... die mir viel geholfen hat. Und zum anderen, will ich die Quelle dort nutzen.“ Lyaena sah ihn erstaunt an. Als 'Quelle' bezeichneten die Magier der Kirche die Orte in Midgard, an denen sich die magischen Energien dermaßen konzentrierten, dass man sie leicht sichtbar machen konnte. An solchen Orten tummelten sich meist die Magier, Hexer, und Forscher, und untersuchten die Magie, oder versuchten, die Runen, die aus der Quelle emporstiegen, zu neuen, mächtigen Zaubern zusammenzusetzen.
„Warum willst du zur Quelle?“
„Ich habe über das nachgedacht, was Ihr mir bei Eurem letzten Besuch gesagt habt, und Ihr habt recht. Wenn ich unfähig bin, Schutzzauber zu wirken, muss ich einfach nur solange suchen, bis ich einen Schutzzauber finde, den ich benutzen kann.“ Lyaena überlegte kurz, sie hatte noch nie eine Quelle gesehen, und wusste überhaupt nicht, wie Magier ihre Zauber zusammensetzten, und neue erfanden. Vielleicht könnte das ganze ja interessant werden... es wäre zumindest interessanter, als den ganzen Tag von Teregion ignoriert zu werden.
„Nun... ich denke, ich kann dir ein wenig Gesellschaft leisten.“ meinte sie schließlich, woraufhin Luca sie fröhlich anlächelte.
„Vielen Dank, ich bin mir sicher, es wird Euch gefallen.“ Also gingen die beiden gemeinsam in Richtung Marktplatz, denn die Halle der Verzauberer befand sich dort direkt in der Nähe. Während sie so nebeneinander liefen, wanderten Lyaenas Gedanken wieder zu den beiden Fremden, die Luca heute besucht hatten.
„Wer war eigentlich dein Besuch heute?“
„Ah... das waren Rhael und Morrigan. Die beiden sind... alte Freunde von mir, wir sind zusammen aufgewachsen. Auch sie hatten unter dem Verrat meiner Mutter zu leiden, vielleicht sogar mehr als ich oder mein Bruder. Morrigan war damals sehr in meinen Bruder verliebt, sie und Anya haben sich oft darum gestritten, wer denn nun mit ihm spielen darf, oder wer ihm zuerst etwas von ihrem selbstgekochten Essen gibt. Dazu muss man sagen, dass Anya nie eine besonders gute Köchin war, mein Bruder hat es dann aber trotzdem immer gegessen, und sie dafür gelobt. Er war manchmal einfach zu nett, für sein eigenes Wohl.“ Luca lachte bei der Erinnerung daran auf, wie sein Bruder sich einst dazu gezwungen hatte, einen ganzen Teller voller verbrannter, harter Kekse zu essen, und das nur, weil Anya geweint hatte, und der Meinung war, dass sie eine schreckliche Köchin ist. „Seine Nettigkeit ist wahrscheinlich seine größte Schwäche, er wusste es auch, und trotzdem konnte er einfach nicht anders, als Leuten zu helfen. Trotz der Rivalität zwischen den beiden, waren Morrigan und Anya gute Freunde, als Anya einmal krank war, saß Morrigan die ganze Zeit an ihrem Bett, und hat ihr aus ihrem Lieblingsbuch vorgelesen, während ich für sie gekocht habe.“
„Du hast gekocht?“
„Ja, wir lebten damals alle zusammen in der... Villa meiner Mutter. Ich sage Villa, aber es war eher eine kleine Festung, auf einem Berg. Jedenfalls lebten wir dort alle, auch Anyas Eltern lebten mit uns. Aber unsere Eltern waren fast nie da, meine Mutter hat im Geheimen ihre Forschungen durchgeführt und die Aktivitäten des Kults gelenkt, während sie nach Außen weiterhin wie die talentierte, freundliche Erzmagierin wirkte, die vielleicht schon bald zum Oberhaupt der Rubingilde ernannt werden würde, wirkte. Wie auch immer, da unsere Eltern oft weg waren, musste ich mich um alle kümmern, außer um Rhael, er war damals schon ein wenig... älter, als wir anderen.“
„Ehrlich? Er sieht nicht so alt aus.“
„Sein Aussehen täuscht, ich hatte mich früher oft mit ihm gestritten, wir hatten sehr oft Meinungsverschiedenheiten... aber trotzdem bin ich ihm dankbar. Ohne ihn hätte ich es nie geschafft, meine Explosionszauber zu meistern.“
„Worum ging es eigentlich bei eurem Streit von eben?“
„Ach das, es ging um ein Erbstück meiner Mutter, eine Halskette, der angeblich starke Magie innewohnen soll. Rhael wollte meine Hilfe, um sie zu finden, ich habe allerdings keine wirkliche Lust, meine Zeit mit der Suche danach zu verschwenden.“
„Hasst du deine Mutter eigentlich?“ damit stellte Lyaena eine Frage, die ihr schon lange im Kopf herumschwirrte. Luca zögerte eine Weile, ehe er antwortete.
„Ich... ich weiß es nicht. Das Training, das ich durchlaufen habe war hart und streng, und sie hat an mir herumexperimentiert, sie hat ihre neuesten Zauber immer an mir ausprobiert, um mich zur ultimativen Waffe der Bladelli zu formen. Aber sie hatte auch ihre guten Seiten. Einmal ist einer meiner Explosionszauber nach hinten losgegangen, und ich hatte mich schwer verletzt. Meine Mutter hat meine Wunden geheilt, und saß zwei Tage lang an meinem Krankenbett, bis sie sich sicher war, dass es mir wieder gut ging. Danach konnte ich mir natürlich was anhören, wie dumm ich doch sei, und so weiter. Aber das würde wohl jede Mutter tun. Ich hasse sie nicht, zumindest nicht wirklich, ich wünschte mir nur, dass ich ihre Gründe kennen würde, ich würde nur allzu gerne wissen, warum sie die Kirche verraten hat.“
„Ich verstehe.“ Den Rest des Weges hörte Lyaena Luca dabei zu, wie dieser weitere Kindheitsgeschichten erzählte. Sie lachte zwar mit ihm, und fand die Geschichten auch wirklich teilweise amüsant, allerdings merkte sie, dass in jeder dieser Geschichten sein Bruder eine Rolle spielte. Er musste ihm wirklich viel bedeuten, sie konnte sich gar nicht wirklich vorstellen, wie es wohl für Luca sein musste, nun schon seit über zehn Jahren von ihm getrennt zu sein.
„Ah, entschuldigt mich kurz, Lady Akashi.“ meinte Luca plötzlich, und deutete auf einen nahen Stand. „Ich muss hier etwas besorgen, für das Geschenk.“ Lyaena folgte ihm, um zu gucken, was er wohl kaufen würde, wurde aber nicht wirklich schlau aus dem, was er sich besorgte. Er kaufte mehrere, kleine Glaskugeln, und magisches Metall, welches dem ähnelte, dass man für Bilder verwendete, wie es in Lucas Haus stand. Nachdem er bezahlt hatte, gingen die beiden weiter, in Richtung eines großen, blau angemalten Gebäudes, vor dessen Tür zwei Frauen in langen, blauen Roben standen. Sie trugen seltsame, blaue Kapuzen, auf denen rote Runen gestickt waren, und in ihren Händen ruhten lange, geschnörkelte Stäbe in deren Spitze ein Saphir eingesetzt worden war. Die Halle der Verzauberer, war nicht nur der Ort, an dem Magier und Forscher sich sammelten, um Magie zu untersuchen und magische Gegenstände herzustellen, sondern auch das Hauptquartier der Saphirgilde, einer der vier Gilden, in die sich die Magier innerhalb der Kirche unterteilten. Es gab die Rubingilde, deren Hauptquartier im Süden lag, und deren Magier sich auf Feuermagie spezialisiert hatten, die Saphirgilde, mit dem Hauptquartier in Navea, und Spezialisierung auf Eismagie und Verzauberungen. Dann gab es noch die Smaragdgilde, welche ihren Sitz in Candeo hatte, und sich auf Wind und Erdmagie konzentrierte. Bei der vierten Organisation handelte es sich um die Obsidiangilde, deren Mitglieder sich ganz der Erforschung und Meisterung der Magie der Dunkelheit verschrieben hatten, ihr Hauptquartier befand sich ebenfalls in Navea, und stand unter strenger Beobachtung der Hohetempler, da ihre Forschungen als gefährlich eingestuft worden. Jeder, der im Reich der Kirche Magie studierte, musste sich mit seinem sechzehnten Lebensjahr für eine der Gilden entscheiden, und ihr beitreten. Dort wurde man dann sechs weitere Jahre lang ausgebildet, ehe man ein vollwertiger Magier wurde.

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„Was hast du da eigentlich gekauft?“ fragte Lyaena, während die Magierinnen sie warten ließen, und nach einem Diener schickten, denn niemand, der nicht Teil der Gilde war, durfte sich ohne Begleitung in der Halle bewegen.
„Das sind ein paar Teile, die ich für etwas brauche, das in Nord-Midgard ziemlich beliebt ist. Nicht nur bei den Alfar, sondern auch bei unseren Truppen in Nudaka, oder bei der Sanknie Allianz. Es ist eine Art magische Kugel, die benutzt werden kann um... hm, sagen wir, um verschiedene Landschaften, und Bilder zu zeigen. Es ist ein wenig schwer zu beschreiben, tut mir leid. Aber wenn Ihr ein wenig Geduld mit mir habt, und mich begleitet, werdet Ihr es schon bald sehen können.“
„Ich hatte eh nichts besseres vor.“ meinte Lyaena, und zuckte mit den Schultern. Luca hatte sie neugierig gemacht, denn von dieser seltsamen Konstruktion, von der er sprach, hatte sie noch nie gehört.
„Entschuldigt die Wartezeit, Eure Begleitung steht nun bereit, Lord Bladelli.“ meinte eine der Magierinnen, und verneigte sich leicht.
„Vielen Dank.“ sagte Luca, nickte der Magierin zu, und betrat zusammen mit Lyaena die Halle, wo sie bereits ein älterer Mann in blauer Robe erwartete.
„Willkommen in der Halle der Verzauberungen, Mylord, Mylady. Wie kann ich euch helfen?“ Während Luca dem Diener sagte, was er alles brauchte, und wo er hin wollte, sah Lyaena sich in der Halle um. Der Boden schien aus einer Art bläulichem Glas zu bestehen, durch den magischer, violetter Nebel zu fließen schien. Die Wand war ebenfalls aus diesem Material, und auch hier war der Nebel zu sehen. Überall in den Wänden waren Türen eingebaut, die zu den verschiedenen Laboren führten, und in der Mitte der Halle befand sich eine riesige, goldene Säule, die farblich nicht wirklich zum Rest passen wollte. Direkt vor der Säule begann eine Treppe, die nach unten führte, und genau auf diese Treppe, ging der Diener zu, nachdem Luca fertig geredet hatte. Als sie die Treppe erreichten, wandte der Diener sich kurz um. „Vorsicht, die Stufen sind glatt.“ meinte er, ehe er sich an den Abstieg machte. Luca setzte einen Fuß auf die erste Stufe, und hielt Lyaena seine Hand hin.
„Kommt Ihr mit? Diese Treppe führt zur Quelle. Der Diener meinte, dass es noch eine Weile dauern wird, ehe ich eines der Labore nutzen kann, und hat mir angeboten, mich zuerst zur Quelle zu bringen.“
„Ja, ich denke, ich werde mitkommen. Ich habe noch nie eine Quelle gesehen, ich habe immer nur gehört, dass es beeindruckend aussehen soll.“ meinte Lyaena, und nahm Lucas Hand an, um ihr die Treppe herunterzuhelfen. Tatsächlich war die Treppe ziemlich glatt, und sowohl Luca als auch Lyaena waren mehrmals kurz davor hinzufallen, ehe sie endlich unten ankamen.
„Ich frage mich, wer solche dämlichen Treppen baut.“ murmelte Luca vor sich hin, während Lyaena die letzte Stufe herabstieg, und seine Hand losließ.
„Danke für deine Hilfe.“ meinte Lyaena, und lächelte ihn freundlich an.
„Oh, ich glaube, ich sollte mich eher für Eure Hilfe bedanken, Lady Akashi, ohne Euch wäre ich sicherlich ein paar mal hingefallen.“
„Verzeiht mir die Unterbrechung, aber hier ist die Quelle.“ sagte der Diener, und deutete auf die Mitte des Raums, den sie betreten hatten. Dort, umringt von einem halben Dutzend violetter Obelisken, befand sich ein Loch im Boden, aus dem bläulicher Nebel drang. Über dem Loch schwebte ein runder, flacher Stein in der Luft.
„Passt gut auf, Lady Akashi, gleich werdet Ihr die Quelle sehen.“ meinte Luca, und begab sich in die Mitte des Raumes, wo er auf den Stein sprang, und die Arme ausbreitete. Die Obelisken begannen sofort zu leuchten, und dann begann es. Überall erschienen plötzlich Strahlen, aus hellem Licht, die sich durch den gesamten Raum ausbreiteten. Die Linien tanzten umeinander herum, verschlangen sich ineinander, kreuzten sich, und ließen den gesamten Raum hell erstrahlen. Lyaena zuckte kurz zusammen, als einer der Lichtstrahlen zu ihr flog, und begann, ihren Körper zu umspielen, ehe er weiterflog, und sich um einen der Obelisken schlängelte. Kurz darauf änderten einige der Strahlen ihre Farbe, manche wurden grün, andere rot, die in Lucas Nähe jedoch, bekamen eine vollkommen weiße Färbung. Der Bladelli folgte den Linien in seiner Nähe mit dem Blick, und strich hin und wieder sachte durch eine von ihnen.
„Das sieht... beeindruckend aus.“ murmelte Lyaena, und sah sich begeistert um.
„Ich weiß, ich könnte ewig hier stehen, und den Lichtern zusehen.“ meinte der Diener, und lächelte. „Stellt Euch nur vor, wie es erst für einen wie ihn sein muss.“ fügte er hinzu, und nickte zu Luca. „Wir sehen lediglich irgendwelche aneinandergereihten Runen, die ein paar hübsche Flugeinlagen zu besten geben. Aber für ihn... für ihn muss das alles irgendwie einen Sinn ergeben.“
„Ihr kennt Luca bereits?“
„Oh ja, ich habe ihn schon öfters hier gesehen... das letzte mal ist allerdings schon einige Jahre her. Ich war immer beeindruckt davon, wie schnell er sich hier zurechtfinden konnte, und wie gut er darin war, die Runen auszusuchen, die er brauchte. Allerdings war er nichts, verglichen mit seinem kleinen Bruder. Der war mir ehrlich gesagt immer ein wenig unheimlich, es schien fast so, als wenn die Runen sich ihm freiwillig offenbaren würden, falls Ihr versteht, was ich meine.“
„Nicht wirklich.“ meinte Lyaena, und lächelte ihn entschuldigend an, woraufhin der Diener mit den Schultern zuckte.
„Ich schätze, man muss das ganze hier einige Jahre lang beobachtet haben, um es zu verstehen. Lasst mich es so formulieren, es sah für mich so aus, als wenn Gaia selbst, dem Jungen die Geheimnisse der Magie offenbaren würde. Einfach nur... beunruhigend, und unheimlich, zumindest, wenn Ihr mich fragt.“ Nach diesen Worten des Dieners redeten sie nicht mehr viel, und es dauerte auch nur noch ein paar Minuten, ehe Luca eine wegwerfende Geste mit der Hand machte, und vom Stein sprang. Sofort verschwanden die Lichter, und Luca ging mit wackeligen Beinen, auf den Diener und Lyaena zu.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Lyaena, als sie sah, dass Luca ziemlich bleich war.
„Oh, alles in bester Ordnung. Ich hatte nur vergessen, wie anstrengend es ist, die ganze Zeit so großer Mengen von Magie ausgesetzt zu sein. Ich hätte gerne noch ein wenig länger gesucht, aber man sollte immer vorsichtig sein. Es sind bereits Magier daran gestorben, zulange die Quelle genutzt zu haben.“
„Achso, ich verstehe... und hast du etwas gefunden?“ während sie das fragte, machte sich der Diener bereits wieder an den Aufstieg, woraufhin die beiden ihm folgten, Luca ging wieder voraus, und bot Lyaena seine Hand an, welche sie erneut annahm.
„Ich habe vier Runen gefunden, die ich benutzen kann.“ meinte Luca, während sie die Treppe emporstiegen, und wirkte ziemlich zufrieden. „In ein paar Wochen, könnte ich die Formel vielleicht fertiggestellt haben, dann heißt es zu sehen, ob ich überhaupt in der Lage bin, den Zauber zu wirken.“
„Ich wusste nicht, dass das so eine umständliche Aktion ist.“ Lyaena war ehrlich erstaunt darüber, dass es so lange dauerte, um überhaupt sehen zu könne, ob ein Zauber funktionierte.
„Es geht eigentlich, wenn ich ein wenig mehr Magie aushalten würde, könnte ich sicherlich innerhalb von ein paar Tagen den Zauber kreieren, aber ich bin ja nicht lebensmüde.“ Kurze Zeit später, standen die beiden neben dem Diener, vor einer Tür in der Wand der Halle.
„Das Labor hier ist gerade freigeworden, wenn Ihr wollt, könnte Ihr es nun benutzen.“
„Vielen Dank.“ meinte Luca, nahm die Materialien, die er gekauft hatte, und betrat das Labor. Lyaena und der Diener folgten ihm, und setzten sich auf zwei Stühle, die hinter einer großen Werkbank standen, in die diverse Runen eingearbeitet waren. „Das könnte eine Weile dauern, ich hoffe, Ihr habt genug Geduld dafür.“ mit diesen Worten begann Luca seine Arbeit. Er formte mit Hilfe von Magie die Metallplatte in die verschiedensten Formen, zeichnete Runen auf die Glaskugel, und ließ die ganze Zeit seine Magie auf die Materialien wirken. Während Luca arbeitete, unterhielt Lyaena sich leise mit dem Diener, ehe Luca nach einer Stunde zufrieden verkündete, dass er fertig sei. Gemeinsam verließen sie das Labor, und begaben sich zur Eingangstür, wo Luca stehen blieb, und sich zum Diener umwandte.
„Ich hoffe, Ihr konntet alles erledigen.“ meinte dieser, und verneigte sich vor Luca.
„Oh ja, alles ist zu meiner Zufriedenheit verlaufen.“ antwortete dieser mit einem Lächeln, und überreichte dem Mann einen Beutel voller Münzen. „Auch wenn es schon einmal billiger war, die Räumlichkeiten hier zu nutzen.“ fügte er mit einem Lachen hinzu, in welches der Diener einstimmte.
„Von irgendwas müssen die Magier schließlich auch Leben, Lord Bladelli.“
„Aber natürlich, ich bin mir sicher, ohne die Einnahmen der Halle, würden sie Hunger leiden.“ meinte Luca, und rollte mit den Augen. „Wie auch immer, es ist bereits Abend, und ich wollte mich heute eigentlich ein wenig früher hinlegen, bis bald.“
„Bis bald, Lord Bladelli, Lady Akashi.“ meinte der Diener, verbeugte sich, und verschwand dann. Luca und Lyaena verließen daraufhin die Halle, und durchquerten den Marktplatz, während sie sich ein wenig unterhielten. Als sie schließlich eine Straße erreichten, die menschenleer zu sein schien, blieb Luca plötzlich stehen, und räusperte sich, woraufhin Lyaena sich verwundert zu ihm umdrehte.
„Ist etwas, Luca?“
„Ja, Ihr wart doch an der Kugel aus dem Norden interessiert, von der ich sprach, nicht wahr?“
„Ein wenig, ja.“ meinte Lyaena, und lächelte. Sie dachte schon, Luca würde ihr überhaupt nichts mehr darüber sagen. Mit einem Nicken bedeutete Luca der Akashi ihre Hände auszustrecken, und als diese zögernd Folge leistete, legte er behutsam die Kugel in ihre Hand, die er gefertigt hatte. Es war eine einfache Glaskugel, in deren Mitte sich ein kleiner Klumpen Metall befand, mit anderen Worten, es sah nicht wirklich beeindruckend, oder schön aus.
„Diese Kugeln funktionieren mit Magie, Ihr müsst lediglich ein wenig Eurer Magie in die Kugel lenken, es muss überhaupt nicht viel sein, und dabei an eine Jahreszeit denken. Probiert es einmal“ Lyaena musterte die Kugel kurz, schickte dann jedoch etwas Magie in sie, während sie an den Herbst dachte. Kurz darauf war das Metall verschwunden, und in der Kugel sah Lyaena eine Straße, neben der Bäume wuchsen, die gerade ihre Blätter verloren, welche vom Wind durch die Gegend geweht wurden. Winzige Gestalten wanderten durch die Gegend, alte Männer fegten Laub zusammen, während kleine Kinder sich in die Haufen schmissen, und sie wieder aufwühlten, woraufhin die Männer diese wieder zusammenfegten. Neben der Straße konnte man außerdem Frauen erkennen, die Pilze zu sammeln schienen, oder mit den Kindern schimpften, die immer wieder die Laubhaufen zerstörten.
„Das ist... unglaublich.“ meinte Lyaena erstaunt, während sie die Szene betrachtete, so etwas hatte sie noch nie gesehen, soweit sie wusste, gab es sowas im Süden auch nicht.
„Eine Erfindung der Alfar, Sêanna hatte mir von diesen Kugeln erzählt, und ich hatte ihr auch nicht geglaubt, ehe ich bei einem Händler der Sanknie Allianz eine gesehen hatte.“ Lyaena sah noch eine Weile den Gestalten bei ihren Aktivitäten zu, ehe sie kurz den Kopf schüttelte, und die Kugel wieder Luca hinhielt.
„Wirklich, eine nette Erfindung der Alfar. Sie ist beeindruckend, und sieht schön aus.“ Luca nahm die Kugel wieder in die Hand, und drehte sie ein wenig, während er an den Winter dachte, kurz darauf, begann es zu schneien, und die Kinder rannten begeistert durch die Gegend, und starteten eine Schneeballschlacht. „Um es wieder... abzustellen, muss man sich einfach den Metallklumpen vorstellen, und Magie in die Kugel schicken, dann sieht sie wieder so aus.“ meinte Luca, während er das Gesagte demonstrierte. „Lady Akashi, ich... ich möchte Euch diese Kugel schenken.“ meinte Luca schließlich, und legte sie wieder in Lyaenas Hand.
„Was? Aber ich dachte, du wolltest es jemand anderem schenken, einer Person, die dir viel geholfen hat.“
„Und genau das habe ich gerade getan.“ sagte Luca, und lächelte Lyaena freundlich an. „Ich meine es ernst, ich möchte Euch dieses Geschenk machen, Ihr habt so viel für mich getan... für jemanden wie mich!“
„Ich habe doch nichts gemacht, ich habe nur mit dir geredet.“
„Für Euch mag es nicht nach viel ausgesehen haben, aber für mich... ob Ihr es glaubt oder nicht, mir sind die Gespräche, die wir geführt haben wichtig. Nach unserem letzten Gespräch habe ich mir gedacht, dass wenn ich Euch schon früher getroffen hätte... wenn ich Euch früher getroffen hätte, dann hätte ich vielleicht anders reagiert, als ich von Marius' Tod erfahren habe.“ während Luca sprach, senkte er den Blick. „Ich weiß, was ich getan habe ist unverzeihlich... aber trotzdem möchte ich Euch um Verzeihung bitten. Es war nie meine Absicht Unschuldige zu töten, das müsst Ihr mir glauben, Lady Akashi, ich...“ Luca verstummte, als Lyaena die Finger um die Kugel schloss, und ihn freundlich anlächelte.
„Ich glaube dir, Luca. Nach allem, was du mir erzählt hast, bin ich mir sicher, dass du nie im Leben einfach so Unschuldige abschlachten würdest. Du wurdest einfach Opfer der Intrige, die dieser maskierte Mörder gesponnen hat, um unsere Familien gegeneinander aufzubringen.“ Luca hob den Blick, und sah Lyaena ungläubig an. Dann begann er zu lachen, und schüttelte den Kopf.
„Wie kann ein Mensch nur so nett sein, Lady Akashi?“ fragte er, mit einem Lächeln im Gesicht, welches Lyaena erwiderte.
„Nun, vielleicht habe ich die selbe Schwäche wie dein Bruder.“ meinte sie, ehe sie hinzufügte „Und, wenn es dir nichts ausmacht... nenne mich doch Lyaena, immerhin nenne ich dich schon eine ganze Weile lang nur Luca. Es wirkt seltsam, wenn zwei eigentlich Gleichgestellte, sich so unterschiedlich anreden.“
„Oh... natürlich, Lady... Lyaena.“
„Gut, dann hätten wir das ja geklärt. Es wird langsam spät, ich sollte wirklich zur Villa zurückkehren, und du meintest ja auch, dass du heute früher schlafen gehen wolltest.“
„Natürlich, ich wünsche dir eine gute Nacht, Lyaena.“
„Ich dir auch, und vielen Dank für dein Geschenk, ich weiß es zu schätzen.“ mit diesen Worten trennten sich die beiden, Lyaena ging zurück zur Villa ihrer Familie, und Luca kehrte zu seinem eigenen Haus zurück. Jedoch dachte er gar nicht daran zu schlafen, sobald er zuhause war, würde er sich mit Hayates Akte auseinander setzen. Schon bald würde er vor dem Mann stehen, der für den Tod seiner Einheit verantwortlich war, und wenn es soweit war, würde nicht einmal Gaia Hayate vor seiner Rache beschützen können.

Der nächste Tag, Gasthaus auf dem Weg nach Candeo:
„Und was genau... geht hier vor?“ fragte Naruz, während er die Szene vor sich betrachtete. Sein Team stand bereits neben den Pferden, und waren zum Aufbruch bereit, allerdings waren sie nicht alleine. Neben ihnen standen Saeca, und Aleyandra... besser gesagt, die mysteriöse Heldin, die Naruz' Team vor den gefährlichen Baumstämmen gerettet hatte. Saeca trug ebenfalls eine Rüstung, in der Naruz sie noch nie zuvor gesehen hatte, und er fragte sich, ob das wohl irgendwie zu Aleyandras seltsamen Schauspiel gehörte, oder ob Saeca einfach fand, dass es an der Zeit für eine neue Rüstung war.
„Also... ähm... Onee-chan hatte nur ein Date hier im Gasthaus, und ist schon wieder nach Navea zurückgekehrt.“
„Aha... sie hatte ein Date, mit dem Vampir, den sie Gestern zum ersten mal gesehen hatte?“
„Jaaaa, so ungefähr.“
„Ich verstehe, und warum bist du noch hier?“
„Weil... ähm... weil Onee-chan mich darum gebeten hat, diese mysteriöse Fremde hier zu begleiten, genau! Onee-chan ist zur Zeit damit beschäftigt dämliche Pläne auszuhecken, und die guten Vorschläge nach hinten zu verschieben... au!“ rief Saeca, als Aleyandra ihr einen Ellenbogenstoß in die Rippen verpasste. „Ähm, ich meine, Onee-chan ist derzeit ziemlich beschäftigt, also hat diese Frau hier, die überhaupt nicht wie Onee-chan aussieht, mir angeboten, nach der letzten, vermissten Reliquie zu suchen. Ich habe angenommen, und jetzt bin ich hier!“
„Wir haben beschlossen, euch zu begleiten, und auf dem Weg nach Candeo zu beschützen, schwächliche Reisende!“ meinte Aleyandra, die bereits wieder in ihrer Rolle als maskierte Heldin aufzugehen schien.
„Ah ja, natürlich.“ meinte Naruz, und zwang sich zu lächeln, der Vampirangriff hatte anscheinend nicht gerade dabei geholfen, Aleyandras Verrücktheit zu vertreiben. Der Vampir war seit dem gestrigen Tag verschwunden, und Naruz machte sich Sorgen deswegen. Er hatte das ungute Gefühl, dass der Vampir mit der Mordserie in Candeo zusammenhing, was es nur noch ärgerlicher machte, dass er den Dämon hatte entkommen lassen.
„Schwächliche Reisende? Und wen mussten wir gestern vor einem Vampir retten?“ murmelte Nikodemus, und wirkte ein wenig beleidigt.
„Wir? Was hattest du denn gemacht?“ fragte Aynaeth, und sah den Soldaten ehrlich interessiert an.
„Ich, ähm... stand hinter Naruz im Gang, und habe den Vampir bedrohlich angeguckt... immerhin besser als eine Hexe, die sich ängstlich hinter einem Inquisitor...“ weiter kam Nikodemus nicht, da plötzlich ein riesiges, schweres Buch in Aynaeths Hand erschien, und sie dieses auf den Kopf des Soldaten fallen ließ.
„Ups, wie ungeschickt von mir.“ sagte sie, und wedelte mit der Hand, woraufhin das Buch verschwand.
„Das hast du mit Absicht gemacht.“ knurrte Nikodemus, und rieb sich den Kopf.
„Ach was, du irrst dich... ups.“ meinte Aynaeth und wedelte mit der Hand, woraufhin ein gutes Dutzend Bücher plötzlich auf Nikodemus' Kopf regneten.
„Autsch! Schon gut, schon gut! Du hast effektiv im Kampf gegen den Vampir beigetragen, du bist die beste Hexe, die es gibt! Zufrieden?“
„Ja.“ Aynaeth nickte, während sie das sagte, und wandte ihren Blick wieder ab.
„Es ist uns eine Freude, Euch in unserem Gefolge willkommen heißen zu können, oh große Heldin.“ meinte Naruz, und ignorierte das ganze.
„Freut mich zu hören, denn ich habe noch immer nicht aufgegeben, und werde meine Belohnung einfordern, ob Ihr es wollt oder nicht.“
„So etwas ähnliches hatte ich schon befürchtet.“ meinte Naruz mit einem Seufzen. „Also gut, lasst uns aufbrechen, wir haben noch einen langen Weg nach Candeo vor uns, und Salvatore wartet schon auf uns... wenn ich es mir recht überlege, lassen wir uns doch lieber ein wenig mehr Zeit.“ meinte Naruz, während er sich auf sein Pferd schwang.
„Das wird toll! Mein erstes, richtiges Abenteuer mit Naruz-senpai!“ rief Saeca begeistert und lenkte ihr Pferd an Aynaeths Seite. „Bist du das Monster, das in der Bibliothek der Bladelli wohnt, und Dango frisst?“ fragte sie, und musterte Aynaeth.
„Ich... wohne in der Bibliothek, ja. Warum?“ antwortete die verdutzte Hexe, woraufhin Saeca sie kurz anknurrte, und ihr Blick sich verfinsterte.
„Nichts... kein besonderer Grund. Dir sei nur gesagt, dass ich meine Dango gezählt habe.“ Naruz seufzte, irgendwas sagte ihm, dass der Rest der Reise weit stressiger werden würde, als alles, was er jemals erlebt hatte.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 12. August 2014 23:00

Mimirs Pinguinfetish, nicht meiner (Öffnen)
34. Mimirs Pinguinfetish, nicht meiner


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Mal wieder kamen sie in einem Gasthaus an, wie immer eigentlich, aber diesmal, war Aleyandra froh darüber das ihre Reise bald enden würde. Viel zu lange musste sie ihre Rolle jetzt schon absolut perfekt spielen, damit Naruz und Team Mantikor keinerlei Verdacht schöpften. Es ließ sich schwer einschätzen, aber ihrer Meinung nach, schlug sie sich damit bisher ganz gut und niemand hatte ihre Verkleidung durchschaut. Immerhin gehörte sie zu den Kindern Gaias, den besten und genialsten Attentätern der Welt, Meister der Tarnung, Künstler des lautlosen Todes und Gestalt gewordene Perfektion und Anmut. Während Aleyandra sich mal wieder über ihr gelungenes Täuschungsmanöver freute, riss sie lautes Gelächter aus ihren Gedanken und vertrieb die gute Stimmung schlagartig. Missmutig versuchte sie aus den Augenwinkeln einen kurzen Blick auf die anderen zu erhaschen, welche am anderen Ende des Schankraums alle gemeinsam an einem Tisch saßen und sich unterhielten. Nur Aleyandra saß ein ganzes Stück abseits an einem einzelnen Tisch und versuchte sich auf ihr Essen zu konzentrieren. Es gefiel ihr nicht unter so vielen Menschen zu sein die sie kaum kannte, dafür nahm sie sogar etwas Entfernung zu Naruz in Kauf. Trotzdem dachte sie kurz darüber nach sich zu den anderen zu gesellen, als sie sah wie Aynaeth und Saeca in eine hitzige Unterhaltung verstrickt waren, wobei nur Saeca voller Leidenschaft auf die Hexe einredete, welche bloß hin und wieder kurz nickte oder mit dem Kopf schüttelte.
Rasch wandte Aleyandra den Blick ab und starrte wieder ihren Teller an, als Naruz kurz zu ihr rübersah. Er sollte nicht denken das sie sich danach sehnte bei ihnen zu sitzen, es gefiel ihr alleine sowieso viel besser, oder zumindest redete sie sich das bisher erfolgreich ein. Sie versuchte sich von den anderen fernzuhalten. Einerseits wollte sie natürlich nicht das ihre Tarnung aufflog und andererseits hatte sie kein Interesse daran Naruz Freunde näher kennenzulernen. Im Gegensatz zu Saeca hielt sie sich die ganze Reise über am Rand und versuchte nur hin und wieder Naruz alleine zu erwischen. Leider hielt er sich meistens in der Nähe der Gruppe auf, also waren ihre Versuche seine Aufmerksamkeit zu gewinnen von Anfang an zum scheitern verurteilt. Aleyandra seufzte kurz und ergab sich ihrem Schicksal. Die ganze Reise, die Aktion mit der Verkleidung und ihre Pläne, hatten allesamt versagt und waren fehlgeschlagen. Morgen schon würden sie Candeo erreichen und damit hieß es Abschied nehmen. Sie wollte sich bereits am nächsten Morgen mit Saeca aus dem Staub machen, damit sie sich gemeinsam in die Sümpfe schlagen konnten. Danach erwartete sie der mieseste Teil der Reise. Sie konnte es kaum erwarten sich durch die stickigen, düsteren und von Stechmücken verseuchten Sümpfe zu kämpfen nur um irgendeines dieser Fischweiber zu töten. Plötzlich zuckte Aleyandra zusammen, als sie neben sich Schritte hörte. Seit dem Vorfall mit dem Vampir, war sie etwas schreckhaft, aber als sie sich erschrocken umdrehte, stand nur Naruz neben ihr.
„Willst du dich nicht zu uns setzen, Aleyandra?“ er lächelte sie freundlich an und machte eine einladende Geste in Richtung seiner Freunde, aber sie starrte lieber schnell wieder ihren Teller an und ignorierte es. Schlimm genug das er es irgendwie schaffte all ihren Plänen standzuhalten, jetzt musste er auch noch ihre Tarnung vernichten! Dabei konnte das gar nicht sein, ihre Maskerade war absolut wasserdicht, vielleicht versuchte er nur sie zu testen.
„Mein Name ist nicht Aleyandra und ich habe keine Ahnung wer diese Person sein soll.“ erwiderte sie schnippisch und versuchte dabei so selbstsicher und arrogant wie möglich zu klingen „Mein wahrer Name, ist zu alt und mächtig, um ihn jemandem wie dir oder deinen sterblichen Dienern zu verraten. Die Offenbarung meiner wahren Existenz, würde euch niedere Wesen in den Wahnsinn treiben, ihr würdet elendig vergehen in den Flammen von...“
„Du brauchst das nicht weiter zu spielen, ich weiß wer du bist, jeder hier weiß es, also nimm bitte endlich die Maske ab.“ unterbrach sie Naruz und wartete nicht mehr länger bis es ihr gelang ihre Verwunderung zu überwinden, stattdessen ließ er sich auf dem Stuhl neben ihr nieder und nahm ihr ungefragt die Maske ab „So gefällst du mir schon viel besser.“
„M-mochtest du meine Verkleidung etwa nicht?“ Aleyandra blinzelte ihn verwirrt an und wäre am liebsten sofort vor lauter Scham im Boden versunken. Also hatte es jeder hier gewusst, jeder! Sie hatte sich vor allen lächerlich gemacht mit ihrer Vorführung an der Straßensperre. Sofort lief Aleyandra hochrot an. Sie war vor Anya, ihrer größten Konkurrentin in ganz Navea, peinlich rumgesprungen und hatte völligen Schwachsinn erzählt. Kurz verspürte sie den Drang aufzuspringen und in ihr Zimmer zu flüchten, aber da Naruz sie noch immer nur freundlich anlächelte riss sie sich zusammen. Trotzdem zerbrach für sie gerade eine Welt, eine Welt, in der eine winzige Stoffmaske nicht für jeden ihre Identität verbergen konnte, dabei hatte sie sich so viel Mühe damit gegeben ihn zu täuschen und gleichzeitig auch noch zu beeindrucken. Nach Plan A und B, war damit auch noch alles andere schief gegangen, eigentlich hätte sie auch gleich Zuhause in Navea bleiben können.
„Doch, natürlich. Die Zauber, die du gewirkt hast, waren wie immer wunderschön und nur deswegen habe ich dich noch nicht früher aufgefordert mit dieser albernen Maskerade aufzuhören.“ antwortete Naruz mit einem leisen Lachen, als er bemerkte, das Aleyandra bis eben tatsächlich an ihre Verkleidung geglaubt hatte. Er mochte es wie naiv sie manchmal sein konnte.
„Das war nicht albern...“ erwiderte Aleyandra beleidigt und riss ihm sofort die Maske aus der Hand, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkte und und versuchte ihre Verlegenheit zu überspielen indem sie über den feinen Stoff strich und versuchte seinen Blicken auszuweichen als sie weitersprach „Ich dachte du...du würdest mich hassen wenn es so aussieht als würde ich dich verfolgen und wütend auf mich werden.“
„Das bin ich nicht, keine Angst. Im Gegenteil, ich fand es...sagen wir mal interessant, hauptsächlich weil mir gerade kein besseres Wort einfällt.“ bevor sie vor lauter Scham wirklich noch im Boden versinken konnte, sprach er schnell weiter, um sie nicht unnötig leiden zu lassen, er hatte sowieso lange darüber nachgedacht, ob er Aleyandra überhaupt auf die Maskerade ansprechen sollte „Deine Versuche mich dazu zu bringen wieder mit dir zusammen zu sein, waren wirklich nett, aber du musst damit aufhören. Ich will nicht das du mir weiterhin als ´mysteriöse Fremde` folgst, das wird dich nicht weiterbringen und es behindert mich und mein Team bei der Arbeit.“
„Aber ich wollte doch nur in deiner Nähe sein!“ versuchte Aleyandra sich zu rechtfertigen und wandte sich endgültig von ihrem Essen ab um ihn anzufunkeln, er verstand wie immer rein gar nichts „Damit du endlich wieder erkennst, das wir zusammengehören und wir nicht nur Freunde sein können, dafür ist die Liebe zwischen uns viel zu stark!“
„Wenn wir wieder in Navea sind, können wir noch einmal darüber reden, wie es mit uns weitergeht. Aber ich hatte eigentlich gehofft das wir uns einig waren und zwischen uns alles geklärt ist, zumindest für den Moment.“
„Waren wir nicht...“ murmelte Aleyandra, den Blick noch immer gesenkt und wirkte fast so, als würde sie schmollen „Es reicht mir nicht das wir nur Freunde sind, das ist nicht genug! Ich möchte das alles wieder so wird wie...wie vor meinem ersten Auftrag. Dafür würde ich alles tun, egal wie peinlich es ist und wie sehr ich mich damit zum Affen mache auch wenn...auch wenn es nicht nett von dir war mich so lange als mysteriöse Maskierte leiden zu lassen ohne etwas zu sagen!“
„Ach, naja, es schien dir Spaß gemacht zu haben.“ überspielte er ihre Empörung mit einem belustigten Lächeln, sie war gut darin sich aufzuregen, ohne dabei wirklich furchterregend zu wirken, aber als er weitersprach, wurde seine Meine wieder ernster und seine Stimme rauer „An dem Abend, als wir essen gegangen sind, wurde eine Leiche ganz in der Nähe gefunden und zwar war es der Mann, den wir gesehen haben, kurz bevor du einfach verschwunden bist. Hattest du damit etwas zu tun?“
„Ja, na und? Was soll daran so wichtig sein? Ich habe ihn umgebracht und würde es jederzeit wieder tun, ohne zu zögern.“ in Aleyandras Augen und Stimme lag kein erkennbares Zeichen von Reue oder Schuld, sie schämte sich für das was sie der Akashi angetan hatte, aber sie musste sich nicht für alles vor Naruz rechtfertigen, er selbst diente der Kirche und hatte kein Recht über sie zu urteilen „Es ging um einen Verräter, der mit den Alfar gemeinsame Sache machte! Was war deiner Meinung nach falsch daran ihn zu töten? Die Inquisition lässt andauernd solche Leute hinrichten und die Templer töten auf den Schlachtfeldern gleich Tausende unserer Feinde. Was ist dein Problem, wenn ich das gleiche tue? Du würdest genauso im Namen der Inquisition töten sobald irgendein Großmeister es dir befiehlt und das Ziel schuldig ist. Es war nicht...es war nicht wie bei Yuki.“
„Vielleicht würde ich das.“ stimmte Naruz ihr verhalten zu, aber nur um sie zu beruhigen. Insgeheim war er sich sicher, das er Yuki Akashi sicher nicht getötet hätte, egal was irgendein Großmeister davon hielt, aber zumindest bei dem Verräter hatte Aleyandra recht. Die Inquisition jagte auch Verräter, allerdings sperrten sie ihre Ziele meistens nur ein, zumindest wenn es nach ihm ging und er die Möglichkeit hatte sich zu entscheiden. „Es war vielleicht nicht falsch, aber warum musstest du es ausgerechnet an diesem Abend tun? Als ich davon gehört habe, konnte ich nur daran denken, das du unsere Verabredung ausgenutzt hast.“ damit brachte er Aleyandra wirklich für einen kurzen Augenblick aus dem Konzept und sie blinzelte ihn nur verwirrt an „Das Restaurant in der Nähe der Wohnung deines Ziels, der Spaziergang, der uns rein zufällig direkt zu ihm führte und dann dein plötzliches Verschwinden. Ich dachte es war einfach nur als ein schöner Abend zwischen uns beiden geplant, aber in Wahrheit, wolltest du dich nur um deinen Auftrag kümmern und meine Einladung kam dir gerade recht.“
„Das ist nicht wahr.“ versuchte Aleyandra es leise richtig zu stellen, sie hätte wirklich in Navea bleiben sollen, im Moment sah es so aus, als würde sie alles nur noch schlimmer machen „Als deine Einladung kam, wollte ich zuerst ablehnen, weil ich arbeiten musste aber dann hatte ich Angst das es die letzte Einladung wäre, das du mich danach vielleicht vergessen könntest und denken würdest das ich dich nicht mehr sehen will. Das ist alles, mehr nicht. Ich hatte niemals vor den Abend oder dich auszunutzen, aber ich sehe dich so selten, das ich es mir nicht leisten kann unsere gemeinsame Zeit zu verschwenden.“
„Ich glaube dir und weil ich dir glaube, solltest du aufhören irgendwelche seltsamen Pläne zu erfinden, das ist alles nicht nötig. Wenn du in meiner Nähe sein willst, dann sag es das nächste mal einfach und dann kannst du uns auch ohne Verkleidung begleiten.“ Naruz versuchte sich ein Lächeln abzuringen, auch wenn es ihm noch immer nicht gefiel wie sehr Aleyandra an ihm hing. Manchmal waren ihre Bemühungen niedlich, aber dann konnte sie plötzlich unheimlich sein wenn sie ihn verfolgte und alles dafür tat das sie wieder zusammenkamen. Er wusste nicht wirklich was er von ihr halten sollte und langsam bezweifelte Naruz das es ihm jemals gelingen würde sie einzuschätzen. „Also, kommst du nun zu uns? Ich bin sicher die anderen wollen auch sich auch mal mit dir unterhalten.“
„Da bin ich mir gar nicht mal so sicher. Wissen sie eigentlich das wir naja, das wir wieder Freunde sind...oder zumindest etwas in der Art.“
„Ja, das wissen sie.“ er konnte die Unsicherheit in ihrer Stimme hören und fand es wie immer albern dass sie noch immer versuchte Team Mantikor zu ignorieren. Selbst als Aleyandra noch mit ihm zusammen war, hatte sie sich immer irgendwie von seinen Freunden ferngehalten, eigentlich hatte sie sich nur für Serif interessiert und den Rest ausgeblendet, sogar Aynaeth und deren Schwester „Aber keine Sorge, sie finden es in Ordnung, denke ich. Selbst Anya hat dir schon lange verziehen. Zumindest werden sie nichts dazu sagen, es sind nette Menschen und du solltest sie endlich einmal kennenlernen.“
„Nein danke, ich bleibe lieber hier, außerdem bin ich müde und will nur noch schnell essen bevor ich mich hinlege.“
„Wenn du meinst, aber du brauchst keine Angst vor ihnen zu haben. Sie sind meine Freunde und damit auch deine, also musst du dich nicht hier verkriechen.“
„Danke, ich werde daran denken, aber jetzt will ich wirklich nur noch in Ruhe essen und dann schlafen gehen.“ lehnte sie seine Einladung entscheiden ab. Enttäuscht gab er auf und verzog sich zurück zu den anderen, da sie anscheinend niemanden in ihrer Nähe haben wollte. Richtig lag er damit allerdings nicht, denn seine Nähe hätte sie gerne noch weiterhin gespürt. Seit dem Vorfall mit dem Vampir, konnte sie alles gebrauchen was ihr half Nachts ruhig zu schlafen. In ihrer Vorstellung, lauerte der mächtige Magiefresser noch immer irgendwo dort draußen und wartete nur darauf sie leer zu saugen. Warum musste sie auch ausgerechnet an einen Vampir geraten? Plan B war absolut perfekt gewesen! Abgesehen von einer kleinen Schwäche...nämlich das Naruz ganz genau wusste, das sie ihn niemals betrügen würde, dafür liebte sie ihn einfach viel zu sehr. Vielleicht hätte sie sich offensiver an den Vampir ranwerfen müssen, der kurze Rock war ein Anfang gewesen, aber sie hätte ihn vielleicht sogar küssen sollen, dann hätte es möglicherweise funktioniert. Doch bevor sie diesen Gedanken weiterspinnen konnte, wurde ihr schlecht bei dem Gedanken. Dieses Monster hatte versucht sie umzubringen und es wäre ihm auch beinahe gelungen. Sie hätte wenn dann versuchen sollen Naruz mit einem Menschen eifersüchtig zu machen und nicht mit einem Dämon der sie nur fressen wollte. Erstaunlicherweise fühlte Aleyandra sich nicht viel anders als vor ihrer Begegnung mit dem Vampir. Er hatte zwar eine Weile an ihrer Magie gesaugt, aber das störte sie nicht weiter. Ihre magische Kraft fühlte sich noch immer nahezu unendlich an, als wäre sie selbst durch den Vampir kaum geschrumpft, aber ein Teil ihrer Energie fehlte, das spürte sie. Es ließ sie nicht wirklich schwächer werden, im Gegenteil, sie fühlte sich besser als in den ganzen letzten Wochen. Es gab keinen weiteren Anfall wie nach Plan A und auch die Schmerzen waren vollständig aus ihrem Körper verschwunden. Sie fühlte sich einfach nur noch wohl, entweder weil sie mit Naruz reiste, oder weil der Vampir ihr unabsichtlich geholfen hatte. So oder so, sie fühlte sich wieder gut genug um ihren Auftrag zu erfüllen, auch wenn es bedeutete sich von Naruz zu trennen. Sie seufzte enttäuscht, warf einen letzten Blick auf Naruz und sein Team, und wandte sich wieder ihrem Essen zu. Jeglicher Appetit war ihr durch das kurze Gespräch endgültig vergangen und sie war inzwischen tatsächlich froh darüber bald verschwinden zu können.
In der Zwischenzeit hatten aufmerksame Augen das Gespräch zwischen Aleyandra und Naruz beobachtet. Es waren die Augen von Victoria und Anya, die beide mit gespitzten Ohren an ihrem Tisch saßen und versuchten etwas von dem Gesagten zu hören, allerdings ohne Erfolg. Anya atmete innerlich erleichtert auf, als Naruz wieder von dem unheimlichen, weißhaarigen Mädchen davon ging und sich neben Aynaeth niederließ. Sie hatte nicht unbedingt etwas gegen die Beziehung der beiden einzuwenden, aber sie fürchtete sich etwas vor Aleyandra. Trotzdem empfand sie so etwas wie Mitleid für ihre Konkurrentin, als Naruz sie anscheinend einfach abblitzen ließ. Kaum war Naruz nicht mehr an ihrer Seite, wirkte Aleyandra komplett verloren und stocherte nur noch lustlos in ihrem Essen umher. Anya konnte sie verstehen, ihr ging es ähnlich, auch wenn sie es niemals so offen zeigen würde. Aus diesem Grund, hatte sie sich auch so schnell damit abgefunden das Naruz bei ihr lebte, sie mochte es ihn in ihrer Nähe zu haben. Er strahlte eine freundliche, warme Aura aus, die jeden dazu brachte ihn irgendwie zu mögen, naja, fast jeden. Sie wusste nicht wirklich was sie davon halten sollte das Aleyandra plötzlich wieder ein fester Bestandteil von Naruz Leben zu sein schien. Sollte sie sich für ihn freuen oder Angst haben das die beiden wieder ein Paar wurden?
„Sie sieht einsam aus.“ meinte Anya nachdenklich zu ihrer Freundin und schob ihren leeren Teller von sich „Sollen wir...naja, sollen wir zu ihr gehen und ihr Gesellschaft leisten?“
„Mhm keine schlechte Idee. Damit würden wir Naruz zeigen wie liebenswürdig wir sind und vor allem natürlich du. Immerhin hat diese Wahnsinnige dich angegriffen und dir mit einem schrecklichen Tod gedroht falls du Naruz jemals anrührst.“
„Hör auf sie als wahnsinnig zu bezeichnen.“ zischte Anya ihre Freundin an und warf einen unruhigen Blick zu Naruz. Sie wollte nicht das Naruz auf die Idee kam das sie Aleyandra hasste, denn das stimmte nicht. Sie hasste es vielleicht das Aleyandra als erste auf Naruz getroffen war und neben ihr kein Platz mehr für sie selbst blieb, aber das war ihr Problem und wenn Naruz das andere Mädchen liebte, dann würde sie das akzeptieren müssen, irgendwie.
„Vielleicht sollte ich mich mal mit ihr alleine unterhalten.“ Victoria rückte ihre Brille zurecht und schien wieder einen ihrer Geistesblitze zu haben, was die rothaarige Templerin dazu brachte genervt das Gesicht zu verziehen „Sie scheint einige interessante Ideen und Pläne zu haben, vielleicht kann sie mir ein bisschen bei meiner eigenen Mission helfen und wenn nicht, kann ich immerhin noch versuchen ihr die ganze Sache mit Naruz auszureden. Letztendlich ist sie alles was zwischen dir und Naruz steht, vielleicht kann man sie ja mürbe machen und verjagen. Warte hier, ich bin gleich wieder da.“
„Nein, lass es bleiben, das ist keine gute Idee. Victoria!“ aber es war bereits zu spät, die Soldatin hatte sich erhoben und ging langsam, fast schon vorsichtig, auf Aleyandra zu. Es wirkte als versuchte sie sich einem gefährlichen Raubtier zu nähern ohne es aufzuschrecken, was Anya nur noch mehr an der Idee zweifeln ließ. Rasch wandte sie den Blick ab, um so zu tun als ginge sie das alles nichts an und wandte sich wieder der Gruppe zu, während sie etwas vor sich hin flüsterte. „Großartig, sie wird Victoria einfach mit Haut und Haaren fressen.“
„Hallo, wie geht es dir?“ fragte Victoria freundlich, als sie sich unaufgefordert neben Aleyandra niederließ und sie anlächelte.
„Was willst du?“ Aleyandra knurrte schon fast und legte ihr Besteck wieder zur Seite. Konnte sie denn nicht einfach mal in Ruhe essen? „Haben wir uns überhaupt schon einmal unterhalten?“
„Nein, das haben wir nicht, aber ich dachte mir, das es nett wäre sich einmal mit Naruz Freundin zu unterhalten. Immerhin bist du damit auch unsere Freundin.“
„Bezweifle ich, davon wüsste ich.“ entgegnete Aleyandra kalt und versuchte die Soldatin auszublenden.
„Gut, wenn du kein Interesse an einer freundlichen Unterhaltung hast, dann kommen wir am besten gleich zum eigentlichen Thema.“ mit dem ernsten Unterton in ihrer Stimme, gelang es Victoria dann doch sich Aleyandras Aufmerksamkeit zu sichern „Naruz hat dir deutlich genug gesagt das er nichts mehr von dir will. Er hat dich mit dem Schwert in der Hand aus unserem Hauptquartier gejagt und trotzdem tauchst du immer wieder auf, obwohl er dich nicht sehen will.“
„Was geht das dich an?“ zischte Aleyandra und die Gabel in ihrer Hand verbog sich und brach in zwei Hälften als sie dem Druck nicht mehr standhielt. Ihre roten Augen funkelten Victoria wütend an und brachten diese wirklich kurz dazu sich genau zu überlegen wie sie weitersprach.
„Nichts, nehme ich an. Wenn er glücklich ist mit dir zusammen zu sein, dann wird sich niemand von uns in seinen Weg stellen. Aber ich habe das Gefühl, das du ihm nichts als Unglück und Leid bringen wirst. Irgendetwas an dir ist unheimlich und ganz einfach...anders. Du fühlst dich nicht einmal wie ein gewöhnlicher Mensch an, etwas ist seltsam an dir.“
„Vielleicht ist auch einfach nur etwas seltsam an dir, Victoria?“
„Es tut mir leid, wenn ich dich verärgert habe, das wollte ich nicht. Ich versuche nur einem guten Freund zu helfen und ihm vor etwas zu bewahren, das ich für einen gewaltigen Fehler halte. Aber letztendlich...“ Victoria zögerte und warf einen kurzen Blick zu Anya, die sich die Hände vors Gesicht hielt um nicht zusehen zu müssen wie ihre beste Freundin sich in den Untergang redete „Letztendlich ist es sein Leben und seine Entscheidung und ich will mich auch nicht in eure...Beziehung oder was auch immer ihr da habt einmischen, aber...“
„Dann lass es einfach sein, glaub mir, das wäre besser für dich.“ der bedrohliche Unterton in Aleyandras Stimme ließ sie kurz zusammenzucken und sie sah aus den Augenwinkeln wie eine Hand des weißhaarigen Mädchens langsam zu ihren Pistolen wanderte „Ich habe gehört das du mich bei der Straßensperre wahnsinnig genannt hast, von dir erwarte ich also sowieso keine Hilfe was meine Beziehung zu Naruz angeht, aber die brauche ich sowieso nicht, denn zwischen uns ist alles in Ordnung, also kannst du wieder gehen.“
„Tatsächlich? Davon wusste ich gar nichts. Ich dachte er hat sich von dir getrennt und ihr seid nur noch gute Freunde.“
„Naruz und ich haben nur entschieden uns etwas zurückzuhalten in der Nähe von anderen Leuten, vor allem wenn es um bedauernswerte Leute wie nun ja...wie euch geht.“
„Was meinst du mit Leuten wie uns?“
„Mit ewigen Versagern, immerhin seid ihr alle einsam und alleine. Hast du jemals einen wirklichen Freund gehabt oder jemanden der dich unsterblich liebte?“ auf Aleyandras Gesicht stahl sich ein zufriedenes Grinsen, als Victoria tatsächlich verlegen den Blick senkte, da es ihr gelang die Soldatin vollkommen aus der Fassung zu bringen „Oh, hattest du nicht, wie traurig, und ich schätze bei Anya sieht es auch nicht anders aus. Ich kann euren Neid auf meine glückliche Beziehung zu Naruz sogar ein bisschen verstehen wenn ich ehrlich bin.“
„Niemand hier ist neidisch, nur besorgt.“
„Ach, tatsächlich? Das ist wirklich seltsam.“ sagte Aleyandra nachdenklich und sah die Templerin durchdringend an „Dabei habt ihr doch genug Gründe um neidisch auf uns zu sein. Naruz und ich haben bereits die Liebe fürs Leben gefunden, unseren Seelenverwandten. Wir sind bereits glücklich, während ihr noch einsam herumirrt und voller Neid zu uns herauf seht. Außerdem, versuche ich gar nicht ihn zu verführen, wozu sollte ich das überhaupt tun? Was hätte ich davon? Das ganze hier ist eher ein kleines Spiel zwischen uns, um etwas Spaß zu haben und euch ein bisschen auf den Arm zu nehmen. Naruz und ich sind nämlich verlobt und zwar seit wir uns das erste Mal in Helonia trafen.“
„V-v-verlobt?“ damit brach Victorias wohleinstudierte, gefasste Miene endgültig in sich zusammen und sie gaffte Aleyandra einfach nur noch an.
„Natürlich und zwar schon länger als er euch alle kennt. Wir wollten es nur niemandem sagen, aus Rücksicht auf eure Einsamkeit und Eifersucht.“
„Ich...ich gehe am besten wieder, Anya sieht so aus als wollte sie etwas von mir.“ murmelte Victoria vollkommen erschüttert und war zu durcheinander um noch irgendetwas zu erwidern oder sich irgendeine schnippische oder geistreiche Antwort einfallen zu lassen. Stattdessen zog sie mit einem leisen „War schön mit dir zu reden.“ ab, um ihrer Freundin Bericht zu erstatten.
„Oh die Freude war ganz auf meiner Seite, Victoria.“ Aleyandra lächelte noch eine Weile vor sich hin, während die Soldatin zurück an ihren Tisch verschwand. Sie hatte gerade wieder angefangen sich ihrem Essen zu widmen, als Saeca sich neben sie setzte und anstrahlte.
„Ich habe gerade mit Aynaeth geredet!“
„Toll...aber ich bin im Moment nicht in der richtigen Stimmung für dieses Dangozeug.“ murmelte Aleyandra und schmetterte jegliche gute Laune sofort ab.
„Oh keine Sorge, ich habe das mit den Dangos bereits geklärt. Wenn sie welche findet, wird sie meine Dangos nicht anrühren, das hat sie mir hoch und heilig versprochen, bei dem Leben ihrer Ur-ur-ur-urgroßmutter, also ein sehr bedeutsamer Schwur.“ Saecas Strahlen hielt Aleyandra davon ab nachzufragen ob Aynaeth zufällig ein teuflisches Grinsen aufgesetzt hatte während sie diesen Eid schwor, entschied sich dann aber doch lieber dazu sich aus dem Dangokrieg rauszuhalten. „Aber wie auch immer, darüber wollte ich nicht reden. Aynaeth findet das du aussiehst wie eine Moraevion. Selber kennt sie zwar nicht viele aus der Familie, da es kaum noch welche von ihnen gibt, aber sie erinnert sich an Bilder und vor allem Geschichten über die Moraevion, immerhin handelt es sich bei ihnen um die Gründer von Vo Astur.“
„Vielleicht sollte ich dann wirklich einmal nach Vo Astur reisen und mich bei den Moraevion nach Beldaran erkundigen, wenn sie, wie Bel Chandra behauptet, meine Mutter ist, muss ich sie finden.“
„Mhm ich weiß nicht ob du damit wirklich viel Erfolg haben würdest. Laut Aynaeth weiß niemand was mit der Hauptlinie passiert ist. Man geht davon aus das die Tochter der letzten mächtigen Moraevion irgendwann während ihrer Reisen durch Midgard gestorben ist, oder vielleicht irgendwo im Verborgenen lebt und kein Interesse an einem Sitz im Rat hat. So viel hat diese furchtbare Bel Chandra dir ja auch schon erzählt und mehr weiß niemand in Vo Astur, leider.“
„Verstehe, dann wäre eine Reise in die Graue Stadt also nichts als Zeitverschwendung. Trotzdem würde ich die Heimat meiner Eltern, meiner möglichen Eltern, gerne einmal sehen.“ Aleyandra versuchte die Enttäuschung aus ihrer Stimme zu verbannen, dabei hatte sie gehofft mit dem Namen Moraevion endlich eine wirkliche Spur zu haben. In ihrer Vorstellung hätte sie nur noch nach Vo Astur reisen und ein paar Fragen stellen müssen, aber so einfach war es dann doch nicht. Missgelaunt warf sie einen Blick zu Anya und Victoria. „Ich hasse sie.“
„W-was?“ erstaunt starrte Saeca ihre Freundin an und hatte keine Ahnung worum es ging „Aber Naruz Freunde sind toll! An-chan weiß inzwischen sogar was Dangos sind und hat mir vorhin erzählt das sie selber hin und wieder welche isst. Natürlich keine aus meinen Verstecken, das wäre Selbstmord, aber sie kauft sich manchmal welche und das ist großartig! Es heißt wenn mir die Dangos ausgehen, kann ich einfach zu ihr gehen und werde überleben. Außerdem sind auch die anderen nett, Nikodemus zum Beispiel ist sehr freundlich und Victoria so klug, naja, klug und ein bisschen durchgeknallt, aber letztendlich immerhin noch klug. Es sind wirklich nette Leute und...“
„Nein, das sind sie nicht. Sie ignorieren mich und wenn sie mich mal beachten, dann werfen sie mir nur misstrauische Blicke zu, manche von ihnen sogar ängstliche, oder sie versuchen mich von Naruz fernzuhalten.“
„Nikodemus scheint dich zu mögen!“
„Ja, aber er ist auch der einzige, außerdem, scheint er irgendwie jeden zu mögen, das hilft mir also nicht wirklich weiter und zählt nicht.“ Aleyandra seufzte und wandte sich mal wieder ihrem Essen zu, in der Hoffnung, jetzt endlich fertig zu werden ohne das ihr jemand auf den Geist ging „Sobald Naruz und ich geheiratet haben, werden wir Navea sofort hinter uns lassen. Es ist am besten wenn wir irgendwo ganz von vorne anfangen. Vielleicht in Vo Astur, es ist immerhin die Stadt meiner Vorfahren und vielleicht ist es ja wirklich der Ort an den ich gehöre. Die Moraevion würden mich sicher aufnehmen, möglicherweise machen sie mich sogar zum Ratsmitglied, schließlich gehöre ich laut Bel Chandra der erloschenen Hauptlinie an.“
„Ich weiß nicht ob Naruz so scharf darauf ist seine ganzen Freunde hinter sich zu lassen. Es wäre leichter in Navea zu leben, in einem vertrauten Umfeld. Außerdem, vergisst du da nicht eine Kleinigkeit? Die Kirche und vor allem die Kinder Gaias. Dein Großmeister wird dich sicher nicht gehen lassen.“
„Silberblatt wird es verstehen und mir helfen. Er...“ kurz brach Aleyandra ab, um sich ihre nächsten Worte zu überlegen, sie war sich gar nicht mal so sicher ob Silberblatt sie wirklich gehen lassen würde, er schien sehr an ihr zu hängen, etwas zu sehr für ihren Geschmack, aber sie war die letzte die sich über einen anhänglichen Verehrer beschweren sollte „Er ist vielleicht nicht begeistert von meiner Beziehung zu Naruz, aber er mag mich und will das es mir gut geht. Damals hielt er es für eine gute Idee mich vor der Kirche zu retten und in seinen Orden aufzunehmen, aber das war es nicht, auch wenn ich ihm eigentlich dankbar sein sollte für seine Art der Rettung.“ sie dachte im Moment zu viel nach, das tat ihr nie gut, schoss es Aleyandra durch den Kopf. Sie war besser dran wenn sie sich einfach auf ihre Instinkte verließ und sich nicht zu viele Gedanken machte, ansonsten würde sie vielleicht noch anfangen sich für den Tod von Yuki selbst zu hassen. Statt weiter an ihre Arbeit zu denken, setzte sie ein breites Grinsen auf und wandte sich an die verwirrte Saeca. Ihre Stimme bekam einen verschwörerischen Tonfall und sie zwinkerte der Armani zu, was für die ein wenig seltsam aussah „Ach ja, ich denke, es wird Zeit dafür endlich Plan C in die Tat umzusetzen. Wir sollten zuschlagen bevor wir uns von Naruz trennen, dann hat er etwas, worüber er in Candeo nachdenken kann. Außerdem drehst du noch durch wenn ich nicht endlich deinen seltsamen Plan umsetze.“



„Ähm, hallo? Bist du ähm, bist du wach?“ eine leise Stimme durchdrang die Dunkelheit um ihn herum. Müde rieb Naruz sich die Augen. Er lag in einem Bett in einem Einzelzimmer des Gasthauses und dachte im ersten Moment, das er sich das ganze nur einbildete. Er wollte schon wieder einschlafen, als erneut diese Stimme hinter ihm erklang. „Naruz, aufwachen, ich muss mit dir reden.“
„Aleyandra?“ Naruz richtete sich langsam auf und schüttelte die Müdigkeit ab. Wie kam sie überhaupt in sein Zimmer? Er wollte sich in dem dunklen, kleinen Raum umsehen, aber sie hielt ihn sofort davon ab.
„Ja, ich bin es, aber bitte ähm...dreh dich noch nicht um, sondern bleib einfach eine Weile dort sitzen, ja? Ich ähm, brauche etwas Zeit um mich darauf vorzubereiten.“ ihre Stimme zitterte leicht und er konnte hören wie sie nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Naruz hatte zwar keine Ahnung worum es ging, aber spielte vorerst mit und blieb sitzen. „Wenn du mich nicht sehen willst, dann kannst du mich einfach wegschicken sobald du dich umgedreht hast, aber vorher, will ich dir noch eine Frage stellen. Es ist etwas, das mich schon seit...naja, seit fast einem Jahr beschäftigt, nur habe ich mich bisher nie getraut nachzufragen.“ er wartete gespannt, aber es kam eine ganze Weile lang nichts mehr, denn Aleyandra war damit beschäftigt sich selbst Mut einzureden, langsam wurde er immer neugieriger darauf, was er wohl sehen würde, sobald er sich umdrehte und stand auch kurz davor es einfach zu tun, als sie endlich weitersprach „Warum...warum hast du in Helonia mit Alesia geschlafen?“
„Was?“ Naruz war im ersten Moment zu verwirrt um überhaupt zu antworten, er hatte mit vielem gerechnet, aber ganz sicher nicht mit dieser Frage „Ich ähm, ich weiß es nicht, sie war hübsch?“
„Das ist alles? Du fandest sie einfach nur hübsch?“ sofort wusste er, das er einen Fehler gemacht hatte, denn Aleyandras Stimme begann einen fast schon panischen Unterton zu bekommen „Und was ist mit mir? Findest du mich hässlich und erträgst meine Anwesenheit immer nur weil gerade keine bessere Alternative in der Nähe ist? Bin ich für dich wirklich so widerlich und abstoßend, dass du...“
„Aleyandra.“ Naruz seufzte und spürte sofort das Verlangen sich umzudrehen und sie genervt anzusehen, war sie nur in sein Zimmer geschlichen um wieder damit anzufangen? „Wir hatten dieses Thema schon nach deiner Verletzung durch Valerius. Selbst mit den Narben bist du noch das schönste Mädchen das ich...“
„Ja, ich weiß, aber du beantwortest trotzdem nicht meine Frage. Wieso bist du mit Alesia mitgegangen, anstatt einfach zu mir zu kommen? Ich hatte den ganzen Abend auf dich gewartet, aber du bist nicht aufgetaucht. Warum nicht?“
„Ich dachte du wärst froh mich los zu sein und dachte nicht daran das du mich lieben würdest, oder überhaupt Gefühle für mich haben könntest.“ antwortete er ehrlich
„Wie kommst du auf diese Idee? Ich liebe dich und zwar seit wir uns zum ersten Mal gesehen haben!“
„Das wusste ich damals aber nicht. Woher auch?“ er versuchte sich an diese Zeit zu erinnern, die eigentlich noch nicht mal ein Jahr zurücklag, ihm aber schon fast so vorkam als wären es Erinnerungen aus einem anderen Leben „Du hast es mir niemals gesagt, alles was ich wusste, war das unsere gemeinsamen Nächte dir nicht gefallen haben. Alles was du getan hast war...einfach nur dazuliegen und mich fast schon ängstlich anzusehen. Vor jeder Berührung bist du zurückgeschreckt und schienst Angst vor mir zu haben. Ich dachte das du mich nicht leiden konntest, zumindest nicht auf diese Weise, also habe ich gar nicht daran gedacht das du mich lieben könntest. Erst in Navea wurde mir das klar und es tut mir leid.“
„D-das habe ich selber damals kaum gemerkt.“ log Aleyandra, sie hatte das alles schon einmal gehört, als sie Naruz kurz nach der Abreise aus Helonia belauscht hatte, aber sie wollte es selbst einmal von ihm hören. Sie dachte daran wie viel schöner alles gewesen wäre ohne Alesia. Vor dieser Nacht, hatte sie kaum einen Gedanken daran verschwendet das er sie betrügen könnte und war auf dem richtigen Weg gewesen ihre Unsicherheit endgültig zu besiegen, aber diese eine Nacht hatte so viel zerstört, das sie ihm selbst jetzt noch keinerlei Vertrauen entgegenbringen konnte „Ich war nur...ich war so lange alleine und musste mich erst an...an dich gewöhnen. Außerdem haben meine Träume mich eines gelehrt, Nähe zu fürchten, Berührungen zu fürchten, egal wie sanft sie anfangs erscheinen mögen, am Ende, bohren sie eine Klinge in meinen Körper und reißen mich in Stücke. Ich hatte einfach Angst davor, das es so enden könnte wie in meinen Träumen, aber...ich will nicht über diese Träume reden, denn dann werden sie Wirklichkeit und zu einem realen Teil meiner Vergangenheit. Und sollte sich jemals herausstellen das die Träume wirklich meine wahre Vergangenheit zeigen, dann...“ Aleyandra brach ab und ließ unausgesprochen was sie dann tun würde, aber das beunruhigte Naruz nur noch mehr. Plötzlich wurde ihre Stimme wieder freundlich und sorglos, als hätte das ganze Gespräch eben nicht stattgefunden. „Du darfst dich jetzt umdrehen wenn du willst, aber bitte tu mir einen Gefallen und...und...und bitte lach mich nicht aus, bitte.“
„Warum sollte ich dich denn aus...“ kaum hatte Naruz sich umgedreht, als ihr Anblick ihm auch schon die Sprache verschlug. Es wurde noch schlimmer, als ein helles, silbernes Licht begann den Raum zu erhellen. Es ging von silbrigen Runen an den Wänden aus, aber dafür hatte er keinen einzigen Blick mehr übrig. Aleyandra stand inmitten des Lichts und sah ihn verlegen an. Sie trug ein eigenartiges Kostüm und er brauchte eine Weile um es wirklich zu erkennen, denn die Vorstellung das Aleyandra so etwas tragen würde war einfach zu absurd. Es war ein Pinguinkostüm und zwar ein tolles.

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Aleyandra sah ihn aus der Kapuze heraus an und trat noch immer unruhig von einem Fuß auf den anderen. Vorsichtig, als hätte er Angst sie in die Flucht zu schlagen oder die wundervolle Illusion zu zerstören, stand er auf und ging langsam auf sie zu.
„I-i-ich sehe albern aus, das war Saecas Idee. Sie sagte du würdest es mögen, weil dir Pinguine gefallen und ich...ich war dumm genug ihr zu glauben. Ach ja, das hätte ich fast vergessen...“ Aleyandra versuchte sich so gut es ging zusammenzureißen und an das zu denken, was Saeca ihr gesagt hatte. Sie hielt sich die Hände...Flossen, unters Kinn, während sie versuchte ihn so niedlich wie möglich anzusehen und starrte ihn aus großen, roten Augen an. Ihre Verlegenheit vergessend, lächelte sie und legte alles was sie an Niedlichkeit und Fröhlichkeit hatte in diesen einen Blick. „Gefällt es dir, Naruz?“ Doch eine Antwort auf diese Frage sollte sie niemals erhalten, denn Naruz überwand die letzten Schritte zwischen ihnen und küsste sie einfach. Der Anblick war einfach zu viel für den leidenschaftlichen Pinguinliebhaber und er vergaß vollkommen, das er eigentlich nicht mehr mit Aleyandra zusammen sein wollte.
Einige Zeit später, lagen sie erschöpft nebeneinander auf dem Bett und sahen sich einfach nur an. Das Pinguinkostüm diente ihnen als eine Art Decke und vor allem Aleyandra konnte noch immer nicht fassen, das sie es tatsächlich geschafft hatte.
„Ich wette ohne das Kostüm hättest du mich nicht einmal beachtet...“ Aleyandra schaffte es tatsächlich ein bisschen beleidigt zu wirken, auch wenn sie ihm dabei zuzwinkerte und verkroch sich noch ein Stückchen weiter unter dem hellblauen Stoff.
„Ich wäre auch ohne Kostüm schwach geworden bei deinem Anblick, aber ich gebe zu das es ein wenig...geholfen hat.“ Naruz lachte leise und fuhr mit einer Hand noch immer über ihren nackten Körper, als könnte er es kaum fassen, das sie wieder zusammen im Bett gelandet waren, obwohl er genau das so sehr vermeiden wollte, aber es störte ihn nicht das er schwach geworden war, im Gegenteil, er hatte sich noch nie so glücklich gefühlt. Er hatte sie mindestens so sehr vermisst wie sie ihn.
„Ein wenig? So habe ich dich noch nie erlebt. Kann es sein das du Pinguine mehr liebst als mich?“ sie konnte sehen wie er versuchte die richtigen Worte zu finden und ein paar mal versuchte zu antworten, aber immer wieder abbrach. Eine Weile ließ sie Naruz lächelnd zappeln und nach einer nicht ganz so peinlichen Antwort ringen, bis sie sich erbarmte und das Thema wechselte. „D-danke für den Illusionszauber, Naruz. Ich kann meinen nicht aufrecht erhalten, sobald ich in deiner Nähe bin.“
„Kein Problem, auch wenn es nicht nötig gewesen wäre die Entstellungen zu verdecken. Ich sagte dir schon einmal, das sie mich nicht stören.“
„Aber mich stören sie.“ erwiderte Aleyandra entschieden und strich sich kurz über ihr Gesicht „Wie gelingt es dir eigentlich dich noch immer auf deinen Zauber zu konzentrieren, selbst wenn wir gerade zusammen sind? Ich verliere immer sofort sämtliche Konzentration und die Magie fällt in sich zusammen.“
„Ich weiß es nicht. Aber der Zauber war nicht besonders schwer, dafür ist er auch nicht so schön geworden wie deiner und wird nicht so lange halten. Allerdings wird es nicht nötig sein, bald sind wir in Candeo und dann kann ich mit der Tempelwächterin reden. Laut Aynaeth sollte sie in der Lage sein dir zu helfen, oder mir zumindest irgendeinen Zauber zeigen der stark genug ist.“
„Leider muss ich mich morgen von euch trennen. Mein Ziel liegt etwas außerhalb von Candeo und ich sollte mich endlich auf den Weg machen.“
„Oh, ich dachte eigentlich du bist nur hier um mich zu begleiten.“
„D-das bin ich auch!“ versicherte Aleyandra hastig, damit er nicht schon wieder dachte das sie ihn nur ausnutzte „Aber ich darf Navea nicht einfach so verlassen, das hat mir die Kirche verboten. Ich muss einen Auftrag haben wenn ich verreisen will, also musste ich mir einen geben lassen. Aber keine Sorge, es ist nichts gefährliches oder wirklich wichtiges und ich muss auch niemanden töten, naja, keinen Menschen. Es geht nur um eine Sarpa.“
„Ah, na dann.“ Naruz schien beruhigt zu sein und das Thema nicht weiter zu verfolgen. Er hatte über die Sarpa gelesen, es handelte sich um Menschenfressende Fischmonster, die aber ziemlich schwach sein sollten. Immerhin musste sie keinen Menschen umbringen, das hätte seine Laune vielleicht wieder etwas verschlechtert. „Weißt du, Aleyandra, vielleicht...vielleicht sollten wir uns doch noch eine Chance geben.“
„W-wirklich? Aber du sagtest doch vorhin noch...“ Aleyandra brach ab und traute sich gar nicht erst sich zu große Hoffnungen zu machen damit sie nicht enttäuscht werden konnte.
„Ja, und es war ein großer Fehler dich zu verlassen.“ zärtlich legte er seinen Arm um sie und zog Aleyandra nahe zu sich heran, während sie ihn förmlich anstrahlte „Ich denke noch immer, das ich es nicht ertragen kann das du für Silberblatt durch die Welt rennst und Menschen umbringst, selbst wenn es angeblich Verräter und potentielle Dämonen sind. Vielleicht könnte ich es ignorieren, wenn ich das mit Yuki niemals erfahren hätte, aber Sigrun musste mir leider die Augen öffnen, also hatte ich keine andere Wahl mehr, als dich zu ignorieren, in der Hoffnung, das es für uns beide das beste ist.“ er küsste sie sanft und strich ihr über den Rücken, sog dabei ihren atemberaubenden Duft ein und blickte ihr in die strahlenden Augen, er wünschte nur, ihre Augen wären öfter so fröhlich „Aber es bringt nichts dich zu ignorieren und einfach zu vergessen, denn es funktioniert nicht. Ich habe es versucht und letztendlich, habe ich mit meiner selbstsüchtigen Entscheidungen keinem von uns beiden geholfen. Du musstest weiterhin für die Kirche töten und ich musste weiterhin an dich denken, also was habe ich damit erreicht, außer uns beiden Schmerzen zuzufügen? Es war ein Fehler dich rauszuwerfen, als wärst du ein Monster. Ich hätte dir helfen sollen, anstatt dich fallen zu lassen.“
„Dann willst du wieder mit mir zusammen sein?“ Aleyandra brauchte noch immer einige Zeit um das eben gehörte einigermaßen zu verarbeiten. Sie konnte es nicht fassen! Saecas dämlicher Plan hatte tatsächlich funktioniert während ihre genialen Pläne allesamt scheiterten. Irgendetwas daran erschien ihr unfair, aber sie dachte nicht weiter darüber nach, alles was zählte war, das Naruz sie wieder in seinen Armen hielt.
„Ja, das will ich. Ich will das wir wieder zusammen ausgehen. Ich will dich wieder im Arm halten und der ganzen Welt zeigen wie sehr ich dich liebe. Ich will dich wieder lieben, ohne das du vorher irgendwelche bescheuerten Pläne brauchst und ewig um mich herumschleichst.“
„Meine Pläne sind nicht bescheuert! Sie sind genial, ansonsten würde ich jetzt nicht hier liegen.“
„Sie sind bescheuert, aber auf eine gute Art und Weise.“ widersprach er ihr lächelnd und bevor Aleyandra noch einmal empört widersprechen konnte, fuhr er fort „Aber vor allem, will ich dich von dem Einfluss der Kirche befreien. Sie haben nicht das Recht dir Befehle zu erteilen nur weil irgendein idiotischer Test besagt das du gefährlich bist. Gaia hat dich ausgewählt und die ihre Kraft verliehen, die Kirche handelt damit gegen den Willen der Göttin und das wird man in Navea früher oder später noch erkennen.“
„Aber was ist wenn die magische Überprüfung richtig liegt? Was ist, wenn ich wirklich zu einem Dämon werde?“
„Du wirst kein Dämon, niemals, und das weißt du selbst. Außer...außer du schaffst es irgendwie zu einer niedlichen Pinguindämonin zu werden, dann sollten wir noch einmal darüber nachdenken.“
„Idiot.“ Aleyandra boxte ihm leicht gegen die Schulter, aber obwohl sie versuchte sich nicht davon beeinflussen zu lassen, bewirkten seine beruhigenden Worte das genaue Gegenteil und als sie weitersprach, war von der fröhlichen Aleyandra nicht mehr viel zu sehen „Ich möchte das du mir etwas versprichst, Naruz.“ flüsterte sie deprimiert und drückte sich fester an ihn „Ich möchte, das du dich nicht sinnlos an mich klammerst, sondern mich aufgibst sobald alleine der Gedanke an mich dir nichts mehr als Leid und Schmerzen bringt. Versprich mir das du mich verlässt wenn ich...wenn ich dich wieder nur mit mir nach unten ziehe und zu einem Monster werde.“
„Wovon redest du da? Du wirst nicht zu einem Dämon und auch nicht zu einem Monster.“ entgegnete Naruz leicht verärgert. Er liebte sie, aber er hasste ihre Begabung selbst in den glücklichsten Momenten noch alles kaputt zu machen und ihr bisschen schöne Zeit mit ein paar Sätzen zu vernichten. Konnte sie sich nicht einfach mal darüber freuen das sie wieder zusammen waren? Wenn er ihren bekümmerten Blick sah, entstand bei ihm der Wunsch sie sofort wieder von sich wegzudrücken, er verstand einfach nicht was in ihrem Kopf vorging.
„Ich rede davon, das ich Yuki Akashi brutal ermordet habe und es mir Vergnügen bereitet hat, das es mir Spaß machte sie umzubringen und zu quälen.“
„Aleyandra...“ das war so ziemlich das letzte was er im Moment hören wollte, aber sie ließ sich davon nicht beeindrucken und sprach hastig weiter.
„Nein, bitte, lass mich einfach nur ausreden. Ich finde es wundervoll das du wieder mit mir zusammen sein willst und ich weiß gar nicht warum ich jetzt so viel rede, anstatt einfach nur glücklich zu sein aber...aber es gibt etwas, das mir sehr viel wichtiger ist, als mit dir zusammen zu sein.“
„Nach allem was du auf dich genommen hast damit ich dich wieder akzeptiere? Das bezweifle ich.“
„Aber es ist so. Es gibt wirklich etwas das mir noch mehr bedeutet als von dir geliebt zu werden.“ Aleyandra hielt kurz inne und sah ihn traurig an „Am wichtigsten für mich, ist das du glücklich bist, Naruz.“
„Gut, dann hör auf über diesen Unsinn zu reden. Ich bin glücklich, und zwar, solange du glücklich bist.“
„Das sagst du jetzt, aber auch während meiner Ausbildung waren wir glücklich, doch dann...dann ist etwas von mir an die Oberfläche getreten, was ich wegsperren und nie wieder hervortreten lassen wollte. Etwas, das noch immer da ist, das ich noch immer tief in meinem Innersten spüre, auch wenn es dank Tigerius Magie inzwischen versiegelt und verborgen ist. Doch egal wie viele Zauber man wirkt, letztendlich ist dieses...Ding, dieser Hass, noch immer in mir, irgendwo, und wartet nur darauf wieder die Kontrolle zu übernehmen. Es wartet darauf Blut zu vergießen, jemanden zu quälen und in Stücke zu reißen. Das was Yuki getötet hat, ist noch immer da.“ jetzt wusste Naruz wieder warum er sich ihr fröhliches Strahlen so sehr wünschte, denn da wo eben noch Freude und Glück vorherrschten, fand sich jetzt nur noch Schmerz und Trauer. Sie konnte so schnell von einem Extrem ins andere fallen, das es ihn immer wieder aufs Neue erstaunte, vor allem aber ruinierte es die Stimmung und selbst er kam langsam wieder auf den Boden der Realität zurück, was er auf gar keinen Fall wollte „Ich weiß das ich damit alles wieder kaputt mache was ich eben erreicht habe, aber ich kann nicht anders, ich muss dich trotzdem warnen. Wenn du...wenn du mit mir zusammen bist, dann wirst du nur unglücklich und wir enden wieder dort, wo wir nach dem Tod von Yuki waren, oder noch schlimmeres wird passieren. Was ist, wenn ich dir etwas antue? Oder einem deiner Freunde?“
„Hältst du dich deshalb von meinen Freunden fern? Weil du Angst davor hast sie zu töten?“ Naruz zog verwirrt eine Augenbraue hoch und hielt das für ziemlich unwahrscheinlich. Er hatte es vielleicht kurz geglaubt nachdem was mit Yuki passiert war, aber seitdem, war nichts mehr passiert und Aleyandra wirkte wie ein gewöhnliches Mädchen...mit verrückten Ideen, aber ansonsten recht gewöhnlich.
„N-nicht nur, aber ja, es ist einer der Gründe. Ich fürchte mich davor sie zu verletzen, ich habe Angst das die Zauber von Tigerius jeden Moment versagen könnten und dann...“
„Und dann werden wir die Zauber erneuern, so einfach ist das. Was immer Yuki getötet hat und dir solche Angst macht, es ist nicht die wahre Aleyandra, also ist es mir auch egal. Was zählt ist das niedliche Mädchen, das sich sogar in so ein Kostüm zwängt nur um mich zum Lächeln zu bringen.“
„Und wenn es doch mein wahres Ich ist?“ Aleyandra ließ nicht locker, was Naruz kurz dazu brachte die Hände zu Fäusten zu ballen, sie sollte damit aufhören, bevor sie wirklich noch alles wieder kaputt machte und ihn verjagte „Was wenn das was Yuki getötet hat die wahre Aleyandra ist und das was du vor dir siehst nur...nur irgendetwas anderes. Ich will nicht das du eines Tages erkennst, das du deine Zeit nur mit mir verschwendet hast und ich dir am Ende nichts weiter als Hass und Leid bringen konnte. Ich möchte das du glücklich wirst und...“
„Du hast recht Aleyandra, es gibt tatsächlich etwas an dir das mich unglücklich macht.“ unterbrach er sie und sah wie Aleyandra zusammenzuckte als es für sie so aussah, als würde er sie doch wieder verlassen „Du redest zu viel über Dinge die vielleicht eines Tages passieren könnten und machst dir einfach viel zu viele Sorgen.“ sofort wurde seine Stimme wieder wärmer und er versuchte sie irgendwie zu beruhigen „Es ist alles in Ordnung. Können wir nicht einfach glücklich sein und sehen wohin es uns am Ende bringt?“
„Danke, wenn jemand es schaffen kann diese düsteren Gedanken zu vertreiben, dann du.“ flüsterte Aleyandra und versuchte sich von seiner Zuversicht anstecken zu lassen. Er hatte recht, es gab noch keinen Grund diese Beziehung von Anfang an abzuschreiben. Sie konnte sich zusammenreißen und ihre Aussetzer auch weiterhin kontrollieren, für Naruz. Aleyandra richtete sich ein Stück auf und stützte sich auf ihrem Ellenbogen ab. „Ich denke, dafür hast du dir eine Belohnung verdient.“
„Ich weiß auch schon wie die aussehen sollte.“ antwortete Naruz frech und war einfach nur froh darüber, das sie aufhörte sich zu viele Gedanken zu machen. Seine Hände wanderten über ihren Körper und er schob sich noch näher an sie heran, während er begann ihren Hals zu küssen und über ihre zarten Brüste strich. Er hätte sie niemals gehen lassen sollen, wenigstens das wurde ihm klar. Zwar konnte sie manchmal nerven mit ihrer Unsicherheit, aber vielleicht hatte sie recht und nur seine Nacht mit Alesia war daran Schuld? Er sollte versuchen nachsichtig mit ihr zu sein und sich einfach von diesem Glücksgefühl der Liebe treiben lassen.
„Ich dachte da eher an etwas anderes.“ meinte Aleyandra lächelnd, unternahm aber keinen Versuch seine Liebkosungen zu unterbrechen „Was hältst du davon, wenn Saeca ein paar kleine Verbesserungen an meinem Kostüm vornehmen lässt sobald wir wieder in Navea sind?“
„Es ist bereits vollkommen und perfekt so wie es ist.“
„Nein, das ist es nicht. Eine Kleinigkeit stört mich noch daran. Saeca wird es noch einmal zu einem Schneider bringen und dann, kann man einen Reißverschluss anbringen und zwar genau, hier.“ ihre schlanken Finger umschlossen eine seiner Hände und führten sie zwischen ihre Schenkel „Dann müsste ich es nicht mehr ausziehen sobald wir im Bett sind. Wie findest du diese Idee?“ einen Moment lang starrte Naruz sie nur verträumt an, doch dann küsste er sie leidenschaftlich und fiel über sie her, was Aleyandra endlich ein fröhliches Lachen entlockte, das erste seit viel zu langer Zeit „Ich nehme das mal als ein eindeutiges Ja.“



„Bleib sofort stehen!“ rief eine aufgebrachte Lyaena ihrem Verlobten hinterher und als er sich weigerte ihrer Aufforderung nachzukommen, folgte sie Silberblatt durch die Flure des Akashianwesen. Teregion blickte kurz über seine Schulter, warf ihr einen genervten Blick zu, und erhöhte sein Tempo nur noch. Gefolgt von seiner zornigen Verlobten eilte er durch das Wohnzimmer, grüßte Kyosuke Akashi kurz, der auf einem Sofa saß und irgendetwas las. Sein Onkel hob kurz verwundert die Augenbrauen, als kurz darauf Lyaena an ihm vorbei stürmte, in er Hand hielt sie zwei Tickets. Sie rief Silberblatt noch etwas hinterher „Ich hasse dich! Hast du mich gehört, du Idiot? Ich hasse dich!“
„Wir sehen uns, viel Spaß noch.“ war alles was er erwiderte, bevor die Tür auch schon hinter ihm ins Schloss und eine vor Wut brodelnde Lyaena zurückließ.
„Verfluchter, arroganter Mistkerl, was bildet der sich eigentlich ein?“ flüsterte sie zu sich selbst und stapfte zurück ins Wohnzimmer, wo sie die zwei Tickets zerriss und beiläufig auf einen kleinen Tisch warf. Sie hatte diese Karten bereits vor einem Monat gekauft und Teregion hatte damals zugestimmt mit ihr ins magische Theater im Westviertel zu gehen. Das hatte er ihr hoch und heilig versprochen und sie freute sich seitdem auf die Vorstellung. Es war so ziemlich der einzige Lichtblick für sie gewesen, denn er hatte versprochen mitzugehen, also war es die perfekte Gelegenheit um wieder etwas Zeit mit ihm zu verbringen, doch jetzt hatte er abgesagt. Einfach so! Ohne einen wirklichen Grund zu nennen. Er war einfach reingeschneit und hatte sie kurz darüber informiert das sie alleine gehen sollte. Alleine! Dabei war der Sinn der Karten doch gewesen mit ihm zusammen zu sein. In Wirklichkeit war sie gar nicht so wütend wie sie sich gerade aufführte, sondern eher besorgt und traurig. War sie für Teregion wirklich so abstoßend das er nicht einmal ein paar Stunden mit ihr aushielt? Nicht einmal einen einzigen schönen Abend? Als sie daran denken musste was er stattdessen unternahm, wurde sie bleich und ihr traten fast schon die Tränen in die Augen. Ob er wieder mit irgendeiner weißhaarigen Hure unterwegs war? Mit einer seiner Schülerinnen? Alleine der Gedanke daran machte sie schon fertig.
„Ärger im Paradies?“ fragte ihr Vater besorgt, als sie noch immer verloren im Wohnzimmer stand und versuchte sich zu beruhigen.
„Welches Paradies?“ entgegnete Lyaena zynisch und ließ sich neben ihm auf die Couch fallen „Er ignoriert mich noch immer. Es ist fast so, als würde ich für ihn gar nicht existieren.“
„Er hat ganz einfach viel zu tun, immerhin muss er bald unsere Familie führen.“
„Langsam habe ich genug von dieser Ausrede...“ murmelte Lyaena und warf einen kurzen Blick auf die zerrissenen Tickets, wunderbar, jetzt konnte sie nicht einmal mehr alleine hingehen und die anderen Vorstellungen des Stücks waren allesamt ausgebucht, es würde Monate dauern neue Karten zu kriegen „An was genau arbeitet Teregion eigentlich so hart? Oder ist das auch wieder irgendein furchtbares Geheimnis, das man mir unter keinen Umständen verraten darf?“
„Nein, ist es nicht. Naja, teilweise schon, aber ich kann dir zumindest das wichtigste sagen.“ als seine Tochter kurz das Gesicht verzog, musste Kyosuke anfangen zu lachen „Tut mir leid, aber der beste Weg Geheimnisse zu bewahren, ist sie so wenig Leuten wie möglich zu verraten. Aber lass mich dir eine Frage stellen bevor ich dir erzähle worum es geht. Über welche Truppen verfügt Süd-Midgard?“
„Süd-Midgards Heer setzt sich aus fünf Armeen zusammen.“ begann Lyaena gelangweilt, als er sie tatsächlich Basiswissen abfragte, sie war vielleicht keine Feldherrin, aber sie war auch nicht dumm und einfältig „Die kirchliche Streitmacht, die Gefolgsleute und Soldaten der drei großen Familien und eine Armee die hauptsächlich aus Nichtmenschen besteht, wie den Makar, Zwergen oder sogar vereinzelten Riesen. Den Kern der kirchlichen Streitmacht bilden die Templer. Zwölf Legionen, zu je 1000 Mann. Sie sind das Rückgrat unserer Truppen und bilden die Machtbasis der Kirche. Angeführt werden sie von Hochgeneral Andre und seinen 500 Hohetemplern. Doch diese Elitetruppen bilden nur einen kleinen Teil der Armee, auch wenn es sonst niemanden gibt der es mit ihnen an Schlagkraft und Mut aufnehmen kann.“
„Oh da wäre ich mir nicht so sicher, oder hast du unsere Akashi vergessen?“
„Natürlich, das versteht sich von selbst und muss gar nicht erst gesagt werden.“ bei diesen Worten musste Kyosuke lächeln, vor allem, da Lyaena sie mit einer grenzenlosen Überzeugung vortrug, jeder Akashi ging davon aus das ihre Soldaten die besten waren, das war eine Art Familientradition „Aber wir sind nicht die einzigen, die über eine eigene Streitmacht verfügen. Viele der einfachen Soldaten und Rekruten unterstehen zwar dem Kommando des Hochgenerals und der Templer, aber das betrifft nur Männer und Frauen die auch auf dem Land der Kirche leben. Fast die Hälfte Süd-Midgards befindet sich im Besitz der mächtigen drei Familie, Bladelli, Doni und Akashi. Die kleineren Adelsfamilien und einfachen Menschen auf diesem Land, dienen uns und wir können sie jederzeit zu den Waffen rufen und zwar nur wir. Die Kirche besitzt inzwischen keinerlei Befehlsgewalt mehr über die persönlichen Truppen, Städte und Vasallen der drei großen Familien, dafür haben wir in den letzten Hundert Jahren gesorgt.“
„Willst du damit etwa behaupten die großen Adelsfamilien haben absichtlich die Macht und den Einfluss der Kirche geschwächt?“ unterbrach sie ihr Vater und versuchte dabei möglichst unschuldig auszusehen.
„Ja, aber das ist kein großes Geheimnis. Der Adel hat kein Interesse mehr daran sich von der Kirche Befehle erteilen zu lassen, das weiß jeder. Letztendlich ist es auch nicht wirklich wichtig wer die Truppen befehligt, es zählt nur, das unsere Soldaten und die der Kirche Süd-Midgard gemeinsam verteidigen falls es zu einem Krieg kommt.“
„Und denkst du wir könnten in einem Krieg mit Nord-Midgard unterliegen?“
„Nein, niemals. Die Zahl der Alfar ist durch den Bürgerkrieg in den letzten Jahrhunderten und ihre geringe Fruchtbarkeit stark gesunken. Sie können nicht einmal ansatzweise so viele Soldaten und Magier wie wir aufstellen. Vermutlich würde alleine die kirchliche Streitmacht ausreichen um unsere Festungen im Norden zu halten. Die Verteidigungsstellungen wurden über die Jahrhunderte zu einem unüberwindbaren Bollwerk ausgebaut. Es gibt nur zwei Dinge, in denen die Alfar uns derzeit noch überlegen sind. Die Kunst der Dämonologie und die Seefahrt. Ihre Schiffe beherrschen den Ozean um Midgard herum und sind die unangefochtenen Herrscher über die See.“
„Ah gut, du hast dich also doch ein bisschen darauf vorbereitet bald eine der mächtigsten Armeen der Welt anzuführen.“ meinte Kyosuke und tatsächlich half das Lob Lyaena etwas, denn sie versuchte zaghaft zu lächeln „Vermutlich fragst du dich gerade, warum ich dich das alles überhaupt frage. Dafür gibt es natürlich einen Grund. Wie du weißt, fand gestern eine kleine Krisensitzung des militärischen Stabes der Kirche statt. Die Anführer der drei Familien, der Hochgeneral, der Erzbischof und einige unserer besten Generäle hatten sich versammelt, um einen Weg zu finden, unsere Abwehr im Falle eines Krieges mit den Alfar noch weiter zu verbessern und unsere Verluste auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. Im Laufe dieser Beratung, habe ich mich dazu bereit erklärt die Anzahl unserer eigenen Truppen im Norden drastisch aufzustocken. Dadurch werden die Templer und Truppen der Kirche im Norden entlastet und sie können sich auf den Schutz der Küsten konzentrieren.“
„Was? Aber warum sollten wir das tun?“ verwirrt starrte sie ihren Vater an und hatte bereits den Faden verloren, das passte so gar nicht zum üblichen Vorgehen der Akashi „Soll die Kirche weiterhin den Großteil der Arbeit machen, so wie immer. Wozu sollten wir das Leben unserer Leute an vorderster Front riskieren, wenn die Templer und kirchlichen Soldaten das genauso gut übernehmen könnten? Das widerspricht einfach allem was die Akashi in den letzten Hundert Jahren getan haben! Wir werfen uns nicht sinnlos gegen den Feind, wir halten uns zurück, sehen zu wie die Kirche an Macht und Einfluss verliert und unterstützen sie nur, wenn es wirklich notwendig ist um zu überleben.“
„Ja, das war die Strategie meiner Vorgänger. Aber die Zeiten ändern sich und wenn wir uns nicht ebenfalls ändern, werden die Alfar über uns herfallen und uns alle zu ihren Sklaven machen, egal wir weit oben wir in der Hierarchie der Kirche stehen.“ Lyaena blinzelte ihn bei diesen Worten nur verwirrt an, das passte für sie noch immer nicht zusammen. Die Alfar konnten nicht gewinnen, ganz egal wer im Norden die Festungen hielt, sie konnten nicht durchbrochen werden. Selbst der größte Idiot konnte die magischen Mauern halten, man hätte die Befestigungen sogar mit frischen Rekruten bemannen können und wäre trotzdem in der Lage gewesen einen ernsthaften Angriff abzuwehren „Die einzige Festung, die sich noch in der Hand er Templer befinden wird, ist Nudaka. Den Rest der Verteidigung übernehmen wir, während die kirchliche Streitmacht gemeinsam mit den Truppen der Doni und Bladelli einen Plan erarbeitet, um die gesamte Küste Süd-Midgards zu sichern. Dafür werden die Garnisonen in sämtlichen Küstenstädten verstärkt und vor allem auf magische Angriffe vorbereitet. Entlang der Küste wird man eine Reihe von Wachtürmen bauen, von dort aus kann per magischen Botschaften Hilfe angefordert werden falls man einen massiven Vorstoß der Alfar bemerkt. Die Truppen der Kirche und anderen beiden Familien werden weiter im Landesinneren stehen, und nur reagieren wenn die Garnisonen der Küstenstädte sich nicht mehr aus eigener Kraft halten können, oder wenn die Alfar versuchen sich von der Küste zu entfernen. Sie werden vielleicht ein paar Bauernhöfe und möglicherweise auch das ein oder andere kleine Dorf plündern und niederbrennen, aber weit sollten sie nie kommen bevor wir sie zurückschlagen können.“
„Aber das könnten wir genauso gut übernehmen! Die Kämpfe im Norden werden viel heftiger und verheerender sein als die an der Küste. Die Alfar werden sicher versuchen die Verteidigung von zwei Seiten aus zu zersetzen. Mithilfe ihrer Verbündeten aus den anderen Völkern und...“
„Was du sagst ist alles richtig, aber auch unwichtig. Ich will unsere Truppen im Norden wissen und nicht die der Doni oder Bladelli.“
„Traust du ihnen etwas nicht? Sie haben keinen Grund die Kirche an die Alfar zu verraten, immerhin ist es nicht nur allein der Kampf der Kirche.“
„Nein, ich zweifle nicht an ihrer Treue, aber letztendlich will ich die Sicherheit meiner Familie nicht in die Hände von Fremden legen. Außerdem sind vor allem die Bladelli nicht dazu geeignet uns zu beschützen. Sie sind zu weich, zu naiv und zu freundlich. Sie wären unfähig die Täuschungsmanöver der Alfar zu durchschauen, oder die falsche Freundlichkeit der Makar und der Kirche traue ich noch weniger. Sobald wir die Verteidigungsstellungen übernehmen, werden wir als erstes sämtliche Nichtmenschen zurück in den Süden schicken. Sie können bei der Verteidigung der Küsten helfen, oder irgendwo stationiert werden, wo sie keinen Schaden anrichten können. Sie sind keine Menschen und uns nicht zu Treue verpflichtet. Man sieht am derzeitigen Aufstand der Riesen im Hochland und den Frechheiten die sich die Sarpa herausnehmen, das man diesen Kreaturen nicht trauen kann. Sie haben keinen Grund uns zu mögen und wir keinen ihnen zu vertrauen.“
„Das ist alles? Das ist die ganze Begründung warum wir die Stellungen im Norden übernehmen wollen?“ fragte Lyaena ungläubig und konnte es nicht fassen das sie nur wegen so einem Unsinn gleich ihre gesamte Machtbasis aufs Spiel setzten „Das kann nicht dein ernst sein, oder? Wenn die Nichtmenschen so eine Gefahr darstellen, dann lasst die Inquisition oder die Templer ein Strafkommando in ihre Gebiete führen oder Unterhändler schicken um sie...“
„Du hast recht, das ist wirklich nicht der wahre Grund aus dem wir mehr Männer im Norden brauchen.“
„Oh toll...also doch nur noch mehr Geheimnisse, wunderbar.“ flüsterte Lyaena ungehalten und fragte sich langsam wozu sie überhaupt gut war, wenn selbst ihr Vater und ihr Verlobter ihr nicht trauen konnten.
„Bald.“ versprach Kyosuke lächelnd „Bis dahin, solltest du versuchen Nachsicht mit Teregion zu zeigen. Er ist damit beschäftigt die größte Schlacht unserer Zeit vorzubereiten und um ehrlich zu sein weiß ich nicht ob er gewinnen kann.“
„Wie soll ich ihn unterstützten, wenn ich nicht einmal weiß was er vor hat? Wie soll ich ihm Mut machen und ihn helfen, wenn ich nicht weiß wovor er sich fürchtet?“
„Das wird er dir noch früh genug sagen, aber du solltest ihn nicht hassen, sondern versuchen ihm Mut zu machen. Er ist so abweisend und nervös, weil er nicht weiß, ob er dieser Aufgabe gewachsen ist. Auf seinen Schultern lastet eine große Verantwortung, noch größer als nur die Leitung unserer Familie zu übernehmen. Alles in ihm weiß, das er nicht versagen darf, aber gleichzeitig, stehen seine Chancen nicht gut und er kann jedes bisschen Hilfe und Unterstützung gebrauchen das er kriegen kann.“
„Ich...ich werde es versuchen, Vater.“ antwortete Lyaena nach einer Weile und brachte ihn damit dazu zustimmend zu nicken. Immerhin gelang es ihr ihn glücklich zu machen, wenn sie auch schon zu sonst nichts in der Lage war. Sie wollte Teregion helfen, aber sie wusste nicht, ob sie das noch konnte. Teregion hatte sie betrogen und sich dabei einen Dreck um ihre Gefühle oder Ängste geschert. Er sollte dankbar dafür sein das sie wieder zu ihm zurückgekommen war. Eigentlich hätte er ihr um den Hals fallen und sie nie wieder loslassen müssen, als sie wieder in Navea auftauchte, aber stattdessen ignorierte er sie. Sie hatte ihm eine Chance gegeben seine Fehler wiedergutzumachen, aber er entschied sich dazu diese Chance zu vergeben und sie weiterhin wie Dreck zu behandeln. „Danke, das du versuchst meine Zweifel zu vertreiben, aber es ändert nichts an seinem Verhalten, egal wie viel er zu tun hat, er könnte wenigstens mit mir reden, oder mich beachten.“ bevor ihr Vater noch etwas dazu sagen konnte, war sie auch schon aufgestanden und lächelte ihn traurig an. Sie brauchte jetzt etwas um sich zu beruhigen und nur einem war es in letzter Zeit immer wieder gelungen sie abzulenken, Luca Bladelli. Er war ihr ein guter Freund geworden und sie unterhielten sich oft, meistens nur über Magie oder über alltägliches, aber manchmal auch über seine Vergangenheit, doch das immer seltener. Stattdessen fragte er sie inzwischen aus und sie liebte es über ihre Schwestern zu erzählen, viel mehr hatte sie auch nicht zu berichten, leider. Auf dem Landgut im Süden war nicht viel passiert, zumindest nicht bevor Teregion zu ihnen kam und darüber wollte sie nicht mit Luca reden, ihre Beziehungsprobleme würden ihn sicher nur nerven. Lyaena seufzte kurz und schüttelte den Kopf, sie brauchte frische Luft. Sie wandte sich noch einmal kurz an ihren Vater, bevor sie sich auf den Weg machte. „Ich will mich noch mit jemandem treffen, wir sehen uns.“



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In den Sümpfen nahe Candeo, versuchte im selben Moment eine verzweifelte Aleyandra nicht in dem Brachland für immer und ewig verloren zu gehen. Sie kam nur sehr langsam voran, da sie von Stein zu Stein über das hüfthohe, düstere Wasser springen musste. Hin und wieder ragten kleine Inseln aus dem flachen Wasser hervor, aber die mied sie wann immer es ging. Manche von diesen angeblichen Erdhügeln waren in Wahrheit entweder giftiger, mit Magie durchsetzter und ätzender Schlamm, oder es lauerten irgendwelche riesigen Insekten darin und warteten nur auf eine Mahlzeit die dumm genug war den trügerisch sicheren Boden zu betreten. Sie kam gerade von einer kleiner Erkundungsmission tiefer im Sumpf zurück. Weit war sie nicht vorgedrungen, sondern hatte es schon bald aufgegeben und die Flucht ergriffen. Dieser Ort war nichts für sie. Die Mücken zerstachen ihre sensible Haut und der Gestank nach Verwesung war einfach nur widerlich. Es gab in diesem vergammelten Sumpf nichts anderes als blaue Pilze, blaue Pflanzen, blaues Licht, blaue Blätter, blaues verfaultes Wasser, blaue Bäume, blaue Riesenspinnen, blaue giftige Riesenschnecken und Sarpa mit blauen Schuppen. Aleyandra hatte nichts gegen die Farbe, aber schon nach wenigen Stunden hatte sie sich sattgesehen an der blau blauen Natur von Candeo. Wenn man Glück hatte fand man hin und wieder auch ein paar Blumen die lila zwischen dem ganzen Blau hervorschimmerten, aber schnell wieder in dem langweiligen, sumpfigen Brei von Candeo verschwanden. Sie hatte keine Ahnung warum es freiwillig Menschen gab die hier lebten, aber für die Sarpa musste es wirklich perfekt sein.
Gerne hätte sie sich die Tempelruine im Herzen der Sümpfe angesehen, um sich auf ihren Auftrag vorzubereiten, aber die Sümpfe machten sie fertig. Morgen würde sie versuchen von Oben zu kommen und den ganzen Weg einfach zu fliegen. Das verbrauchte zwar viel Energie und sie würde bereits geschwächt in den Kampf gehen, aber immerhin musste sie dann diese furchtbare Gegend nicht ertragen. Das Versteck von Azhara auszuspionieren hatte sie auch aufgegeben, morgen würde sie sofort angreifen und sich nicht lange aufhalten. Pures, reines Chaos, das war ihr Stil. Sie würde einfach mit einigen Explosionen und Flammensäulen durch die Decke des ehemaligen Tempels brechen und solange alles Stein für Stein zerlegen, bis sie die Kultführerin fand. Ein bisschen wollte sie sich dann aber doch vorbereiten, also hatte sie immerhin Bel Chandra losgeschickt um die Ruine auszukundschaften. Das Eidolon konnte sich ruhig einmal nützlich machen. Seit Aleyandras genialer und gleichzeitig unglaublich dämlicher Idee das Eidolon der Lust zu benutzen um Naruz zu verführen, hatte sie kaum noch mit der Elfe geredet. Es war einfach unverzeihlich das Bel Chandra mit Naruz geschlafen hatte um ihn abzulenken. Zum Glück war es Naruz gelungen sich so schnell wie möglich von der lüsternen Elfe zu befreien, aber trotzdem würde Bel Chandra dafür noch büßen.
Zum Glück war Aleyandras Laune gerade gut, abgesehen von dem Sumpf natürlich. Naruz und sie waren wieder ein Paar und hatten das am nächsten Morgen auch sofort stolz jedem gezeigt. Sie hatte beim Frühstück auf seinen Wunsch hin das Pinguinkostüm getragen, was ihr noch immer etwas peinlich war, aber dafür hatte er sie vor allen Leuten im Arm gehalten, geküsst und sich so verhalten, als hätten die letzten Monate niemals existiert. Aleyandra musste kurz verhalten kichern, als sie an Victorias durchbohrende Blicke denken musste, so voller Wut darüber, das ihre Pläne mal wieder von der Irren durchkreuzt wurden, aber am besten, hatten ihr die Blicke der hübschen Lady Bladelli gefallen. Anya hatte für einen kurzen Moment geschockt gewirkt, fast so, als müsste sie gleich in Tränen ausbrechen, aber sich dann zusammengerissen und im Hintergrund gehalten. Aleyandra hatte der Bladelli wissend zugezwinkert und sich daran erinnert, das Naruz Zimmer direkt neben dem von Anya und Victoria gelegen hatte. Aleyandra war dadurch nicht gerade leiser gewesen bei ihrer Wiedervereinigung mit Naruz, im Gegenteil, sie hatte sich noch nie so gehen lassen wenn sie mit Naruz zusammen war. Sie war das komplette Gegenteil gewesen, zu der Aleyandra in Helonia, denn sie hatte sich außerdem Naruz Worte zu Herzen genommen. Wenn sie ihn liebte, sollte sie das auch zeigen und seine Leidenschaft erwidern. Der Gedanke das diese beiden Schreckschrauben direkt hinter der dünnen Wand lagen, hatte Aleyandra nur noch mehr Freude bereitet und sie angestachelt. Sie hatte gewonnen! Naruz gehörte wieder ihr alleine und diesmal, würde sie ihn nicht wieder verjagen, das schwor sie sich.
Sie befand sich bereits in der Nähe ihres Lagers am Rande der Sümpfe, als sie plötzlich anhielt und genervt zu dem Eidolon sah das direkt neben ihr aus dem Nichts erschien. Bel Chandra trug wie immer absolut gar nichts, aber zumindest daran hatte Aleyandra sich inzwischen gewöhnt, mehr oder weniger.
„Was willst du hier? Ich habe dich nicht gerufen, also verschwinde. Es sei denn du willst dich dafür entschuldigen, dass du versucht hast mit Naruz zu schlafen.“
„Mhm, ich dachte ich könnte es wieder gut machen, indem ich Euch etwas über meine Zeit mit Serif berichte.“ schlug Bel Chandra vor und wischte die Beleidigungen ihrer Herrin einfach zur Seite „Darüber wie Naruz mir die Fee zum Fraß vorgeworfen hat um seine eigene Haut zu retten. Ihr hättet Serif sehen sollen, er war einfach hinreißend. Ich musste sofort erstmal verschwinden um ihm angemessene Kleider zu besorgen. Ich habe natürlich einen vernünftigen Vorrat an Kleidern in Feengröße, das habe ich mir von einer Succubus abgeguckt. Succubi stehen auf Feen, sogar noch mehr als ich. Jedenfalls, habe ich die Fee dann dazu gebracht einen niedlichen kurzen Rock anzuziehen und dann..“
„U-und wie ging es dann weiter?“ hakte Aleyandra ungeduldig nach, als das Eidolon einfach aufhörte und verträumt lächelte. Sie wollte mehr wissen, das lenkte sie sogar von ihrer Wut auf Bel Chandra ab. Außer Naruz gab es nichts auf dieser Welt das sie mehr begehrte als die Fee.
„Na wie wohl? Ich habe mit ihm da weitergemacht, wo ich mit Naruz aufhören musste und wir habe die ganze Nacht Spaß gehabt, zumindest ich. Die Fee war etwas weinerlich, aber das hat sie nur noch niedlicher werden lassen und ich denke gegen Ende hat es ihr sogar gefallen, oder es waren Schmerzensschreie...ich kann das so schlecht auseinanderhalten.“
„Das...das...das ist...das...“ Aleyandra brach ab und der Blick in ihren Augen wurde vollkommen leer. Verträumt starrte sie mit offenem Mund an Bel Chandra vorbei. Ob Naruz ihr vielleicht einmal Serif auslieh? Sie sollte ihn bei der nächsten Gelegenheit danach fragen, dringend. Eine Weile lächelte Bel Chandra nur zufrieden vor sich hin, während Aleyandra ihren wundervollen Gedanken nachhing, aber irgendwann zerbrach ihre Traumblase wieder und selbst der Gedanke an Feen konnte ihre Wut nicht mehr unterdrücken „Hör auf mich abzulenken! Du kannst mir so viele Geschichten erzählen wie du willst, ich werde dir trotzdem nicht verzeihen was du mit Naruz getan hast! Du kannst von Glück sagen das er sich befreien konnte, ansonsten würde ich dir jetzt eine Kugel in den Kopf jagen du hinterhältige, verlogene, gemeine, lüsterne...“ bevor Aleyandra sich vollkommen in ihren Beleidigungen verlieren konnte, ließ Bel Chandra ein paar graue Tafeln vor ihrer Herrin erscheinen. Sie alle zeigten Bilder aus der Nacht und auf jedem einzelnen war Serif in einem Kleid zu sehen wie er mit Bel Chandra schlief...mehr oder weniger, denn wenn man genau hinsah, konnte man erkennen das Serif ziemlich verängstigt wirkte, aber das störte Aleyandra nicht wirklich, im Gegenteil, es ließ die Fee irgendwie schüchtern und niedlich wirken, was die gesamte Verkleidung noch einmal auf ein völlig neues Niveau brachte. Sofort verstummte Aleyandra wieder und richtete den Blick auf die Bilder, vollkommen weggetreten und alles was mit der Realität zu tun hatte ignorierend. Nach einer Weile hauchte sie atemlos nur ein einzelnes Wort: „Kawaii...“
„Du darfst die Bilder behalten, aber nur, wenn du versprichst mich nicht mehr mit dieser Nacht zu nerven. So interessant war dein Naruz jetzt auch wieder nicht, um ehrlich zu sein, habe ich ihn gerne gegen die Fee eingetauscht. Er sieht ja halbwegs nett aus, aber letztendlich ist er nur ein langweiliger, menschlicher Mann und nichts besonderes. Keine Ahnung was du an ihm findest, es gibt so viel interessantere Kreaturen die ich dir vorstellen könnte. Zum Beispiel kenne ich einen wunderschönen Engel, sie wäre genau richtig für dich, zumindest für den Anfang, man sollte immer mit etwas gesunder Zurückhaltung beginnen und die meisten Engel sind auch nicht viel erfahrener als du. Danach dachte ich dann entweder an eine Succubus oder an einen Zentauren aus Bahadur´s Gefolge, manche von ihnen mögen Menschen. Glaub mir Zentauren sind...“ Bel Chandra verlor sich noch eine ganze Weile in ihren Beschreibungen zu den Vorzügen der einzelnen Völker von drei Welten und anscheinend hegte sie mit allen intime Beziehungen, aber Aleyandra war zum Glück zu gefesselt von den Bildern um sie großartig zu beachten. Nach einiger Zeit wurde es Bel Chandra langweilig das man sie ignorierte. „Ach ja, ist damit alles wieder in Ordnung zwischen uns, oh große Meisterin?“
„Nein, ist es nicht, ich hasse dich noch immer und werde dir niemals verzeihen.“ murmelte Aleyandra und presste die Tafeln mit den Bildern fest an sich, als wären sie die größten Schätze von ganz Midgard „Aber es ist ein Anfang. Immerhin werde ich dich jetzt nicht mehr umbringen müssen, aber wenn du Naruz jemals wieder anrührst, werde ich dich auslöschen.“
„Gut, schön das wir diese alberne Angelegenheit endlich klären konnten. Kann ich jetzt meinen Bericht abliefern?“
„Du hast recht, wir haben uns lange genug damit aufgehalten dass du eine Nervensäge bist. Also, was hast du gesehen?“
„Eine Tempelruine...“ setzte Bel Chandra zu einem langen und unendlich langatmigen Vortrag an, zumindest wirkte es im ersten Moment so, aber so viel und gerne sie über Sex redete, so wenig hatte sie über Aleyandras Ziel zu berichten „unscheinbar, kaputt und langweilig, hat man eine gesehen, hat man alle gesehen schätze ich.“
„Ist das alles? Mehr kannst du mir nicht dazu sagen?“
„Ich bin das Eidolon der Lust und Schmerzen, nicht das Eidolon der Spione und Späher, also wenn du mehr über die Verteidigung der Ruine wissen willst, muss du dich selber reinwagen. Undankbares Gör.“ erwiderte Bel Chandra beleidigt und löste sich einfach wieder in Luft auf. Aleyandra widerstand dem Drang sie zurückzurufen und genauer zu befragen, letztendlich, würde dabei sowieso nichts rauskommen. Also zurück zu ihrem eigentlichen Plan, Chaos. Sie würde morgen die Ruinen stürmen, ihr Ziel ausschalten und noch vor Sonnenuntergang wieder auf dem Weg zu Naruz sein.
Zuletzt geändert von Vanidar am 15. August 2014 22:38, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 14. August 2014 18:17

35. Der Blutrote Todesengel der Bladelli (Öffnen)
Kapitel 35 – Der Blutrote Todesengel der Bladelli:


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Lyaena verließ gerade die Villa ihrer Familie, als ihr Blick auch schon auf Luca fiel, der ganz in der Nähe wartete, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, und sich leicht nervös umsah. Er sah ein wenig aufgekratzt und unruhig aus, was Lyaena ein wenig verwunderte, denn so hatte sie ihn noch nie gesehen. Gekleidet war er in ein teures, weiß-blaues Hemd, auf einer Seite ohne Ärmel, auf der anderen Seite wurde der gesamte Arm verdeckt. Dazu kamen weiße Handschuhe, eine blaue Hose, und weinrote Stiefel. Lyaena selbst war in ein langes, ärmelloses, schwarzes Kleid gehüllt, welches eng an ihrem Körper lag, und ihre Figur betonte. Sie war gerade eben aus dem Militärbezirk wiedergekommen, wo sie sich mit Teregion unterhalten hatte. Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie ihn zumindest dazu überreden konnte, kurz mit ihr etwas essen zu gehen, aber selbst das hatte ihr Verlobter abgelehnt, und sie einfach weggeschickt. Kaum hatte sie jedoch die Villa betreten, und sich auf den Weg nach oben gemacht, da kam auch schon ein Diener und meinte, Luca Bladelli wolle mit ihr reden, gleich jetzt, und dass es wichtig sei. Also hatte sie auf dem Absatz kehrt gemacht, und das Haus sogleich wieder verlassen, mit Luca musste sie eh noch ein Wörtchen reden, nachdem, was sie von einer ihrer Dienerinnen gehört hatte. Schnell ging sie auf Luca zu, der sie kurz überrascht ansah, dann jedoch ein freundliches Lächeln auf setzte, und sie begrüßte.
„Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag, Lyaena.“ meinte er, ließ seinen Blick kurz über ihr Kleid schweifen, ehe er ihr wieder in die Augen sah, und hinzufügte „Wo wir gerade beim Thema sind, du siehst auch wunderschön aus, wolltest du gerade irgendwohin gehen?“ Obwohl Lyaena eigentlich einen wütenden Eindruck erzeugen wollte merkte sie, dass sie sein Lächeln erwiderte.
„Vielen Dank, du siehst auch gut aus. Und nein, im Gegenteil. Ich bin gerade...“ sie unterbrach sich mit einem Kopfschütteln, und musterte Luca misstrauisch, ehe sie sagte „Vergessen wir das, ich habe eine viel wichtigere Frage an dich. Stimmt es, dass du neulich auf dem Markt eine meiner Dienerinnen belästigt hast?“ fragte sie, und Luca zuckte bei ihren Worten zusammen.
„Belästigt ist vielleicht nicht das richtige Wort...“ murmelte er, und schien sich unter ihrem fragenden Blick zu winden. Schließlich seufzte er, und nahm seine Hände hinter dem Rücken hervor. „Hier, die sind für dich.“ meinte er, und überreichte Lyaena einen Blumenstrauß aus weißen Orchideen. Diese nahm die Blumen überrascht entgegen, und roch kurz an ihnen, ehe sie Luca wieder anlächelte.
„Danke sehr, das sind meine Lieblingsblumen.“ sagte sie, und ihr Lächeln wurde noch ein wenig größer als ihr aufging, was es mit der angeblichen Belästigung ihrer Dienerin auf sich hatte.
„Das freut mich zu hören.“ Luca wirkte ein wenig erleichtert. Zum Glück hatte die Dienerin der Akashi ihn nicht angelogen, als er sich mit ihr auf dem Markt unterhalten hatte. Dort hatte er sich für einen Diener der Bladellifamilie ausgegeben, und sich mit ihr über ihre Herrin unterhalten, um ein wenig mehr über Lyaena zu erfahren, zumindest zu den Dingen die sie mochte. Wahrscheinlich hätte er auch Lyaena selbst fragen können, aber das wäre ihm ein wenig zu peinlich gewesen. Luca holte kurz tief Luft, ehe er fortfuhr. „Lyaena? Heute Abend findet in einem der Theater im Westviertel eine Aufführung statt, eine Art Komödie, wenn ich mich richtig erinnere.“
„Ah... ja, stimmt, das war heute.“ murmelte Lyaena, und ihre Laune wurde schlagartig ein wenig schlechter. Eine romantische Komödie, aufgeführt von den besten Schauspielern von ganz Süd-Midgard sollte am heutigen Abend im Westviertel stattfinden. Eigentlich wollte sie die Vorführung mit Teregion besuchen, die Tickets, die sie am Tage zuvor zerrissen hatte, waren eigentlich für diese Vorführung gewesen.
„Ich habe vor ein paar Tagen Karten dafür gewonnen, zwei Stück. Ich wollte dich fragen, ob du mir die Ehre erweisen würdest, mit mir dorthin zu gehen.“
„Du... du willst mit mir zum Theater gehen?“ fragte Lyaena, und war ehrlich überrascht. Zum einen, weil Luca tatsächlich Karten zu haben schien, zum anderen, weil er sie einlud. Sie hätte nicht wirklich erwartet, dass diese Art von Aufführung wirklich etwas für Luca wäre.
„Aber natürlich, wer würde nicht gerne in Begleitung einer Frau wie dir ins Theater gehen?“ 'Teregion' schoss es Lyaena missmutig durch den Kopf, laut fragte sie jedoch.
„Und was meinst du mit 'einer Frau wie mir'?“
„Nun, du bist schön, freundlich, unglaublich freundlich um genau zu sein, und du bist jemand, von dem ich glaube, dass sie sich mit dem Theater und der Gegend auskennt. Wenn ich ehrlich bin, war ich noch nie im Theater, ich war sogar äußerst selten im Westviertel, wenn dann nur beim Himmelsturm. Bitte denke darüber nach, ohne dich wäre ich verloren.“ meinte Luca mit einem Lächeln, und zwinkerte ihr zu.
„Was meinst du eigentlich damit, dass du die Karten gewonnen hast?“ fragte sie, während sie so tat, als wenn sie über sein Angebot nachdachte. In Wirklichkeit jedoch, hatte sie sich längst entschieden. Sie mochte Luca, er war ihr ein guter Freund geworden, und sie hatte wirklich Lust die Aufführung zu sehen, wenn schon Teregion nicht mit ihr gehen wollte, dann wäre es noch immer besser mit einem Freund oder Bekannten zu gehen, anstatt alleine.
„Ah, natürlich, davon habe ich dir ja noch gar nichts erzählt. Vor ein paar Tagen habe ich eine Magierin in der Halle der Verzauberungen getroffen, ihr Name ist Retia, und sie kommt aus der Smaragdgilde. Sie ist ein wenig jünger als ich, kommt jedoch anscheinend aus einer Reihe von bedeutenden Magierinnen und Magier. Sie hatte die Quelle eine ganze Zeit lang vor mir belegt, so dass ich auf sie warten musste. Letztendlich hatte sie eine Pause gemacht, und wirkte ziemlich wütend, weshalb ich sie gefragt habe, was denn los sei. Wie es sich herausstellte, arbeitete sie an der Erforschung eines Zaubers... eines Explosionszaubers, um genau zu sein. Sie war zu dem festen Entschluss gekommen, dass es unmöglich sei einen solchen Zauber zu wirken, und hat sich schließlich auf eine Wette mit mir eingelassen. Wenn ich ihr einen funktionstüchtigen Explosionszauber zeigen kann, gibt sie mir ein paar überschüssige Karten, für eine Theatervorführung im Westviertel.“ er machte eine kurze Pause, und lächelte Lyaena an, während er einen diebischen Gesichtsausdruck aufsetzte. „Unnötig zu erwähnen, dass ich die Wette gewonnen habe.“
„Du kannst wirklich ziemlich gemein sein.“ meinte Lyaena, lächelte jedoch dabei. „Ich nehme an, diese Retia war nicht gerade begeistert?“ fügte sie hinzu.
„Oh, weit gefehlt, sie war wirklich beeindruckt. Ich habe ihr erlaubt, meinen Zauber ein wenig zu studieren, dafür hilft sie mir bei meinem neuen Schutzzauber, wir haben uns in den letzten Tagen immer für ein paar Stunden in der Halle getroffen, und unterhalten.“
„Aha... wäre es nicht angebrachter mit ihr zur Aufführung zu gehen? Immerhin verdankst du ihr die Karten.“ fragte Lyaena, und versuchte so unschuldig wie möglich zu klingen. Innerlich verspürte sie jedoch auch einen kleinen Stich aus... Eifersucht? War sie gerade wirklich eifersüchtig, weil Luca sich mit dieser Magierin unterhielt? Ehe sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, antwortete der Bladelli ihr jedoch bereits.
„Ich... hätte sie vielleicht auch fragen können.“ sagte er, mit einem leicht unsicheren Unterton. „Aber ich würde wirklich gerne mit dir gehen... willst du etwa nicht? Hast du vielleicht doch schon etwas vor?“ Lyaena unterdrückte ein Lächeln, als sie den enttäuschten Ausdruck in Lucas Gesicht bemerkte, auch wenn dieser versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
„Nein, ich habe wirklich nichts vor. Und es wäre mir eine Freude, mit dir ins Theater zu gehen.“
„Oh... gut... sehr gut.“ Luca lächelte erleichtert. „Die Vorführung fängt in... ungefähr sieben Stunden an. Wie wäre es, wenn wir uns in fünf Stunden wieder hier treffen, und gemeinsam ins Westviertel gehen? Dann hätten wir genug Zeit, und müssten uns nicht beeilen.“
„Das klingt gut. Willst du vorher noch einmal in die Halle der Verzauberungen? Wäre es dir recht, wenn ich mitkomme? Ich würde diese Retia ganz gerne einmal kennenlernen.“ meinte Lyaena, doch Luca schüttelte den Kopf.
„Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich gehe nicht mehr in die Halle, nicht heute zumindest. Ich habe in einer Stunde noch ein wichtiges Treffen mit jemanden, ich muss mich noch unbedingt vor heute Abend mit ihm unterhalten. Allerdings wird es nicht lange dauern, mach dir also keine Gedanken, ich werde rechtzeitig hier sein.“
„Du willst mich also nicht dabei haben?“
„E-es ist nicht so, dass ich dich nicht dabei haben will!“ beeilte Luca sich ihr zu versichern, und wirkte dabei so stürmisch und aufgebracht, dass Lyaena leise kichern musste. Als der Bladelli das merkte räusperte er sich kurz, ehe er ruhiger fortfuhr. „Ich würde gerne mit dir dorthin gehen, und mich auf dem Weg noch mit dir unterhalten, aber leider würde das die ganze Sache ein wenig komplizierter machen. Ich werde mich mit... einem Kontakt treffen, der mir vielleicht sagen kann, wo sich die Halskette meiner Mutter befindet. Weißt du noch? Das, wonach Rhael und Morrigan suchen. Wie dem auch sei, mein Kontakt hat einige Feinde in der Stadt, und ist ziemlich nervös und paranoid, deswegen ist es am besten, wenn ich ihn alleine besuche.“
„Oh, ich verstehe.“ Lyaena seufzte. „Ich will dir keine Probleme bereiten, und werde schon eine Möglichkeit finden, die nächsten Stunden rumzubringen. Vielleicht kann ich mit Teleya spielen.“
„Ich werde pünktlich hier sein, versprochen.“ meinte Luca, verbeugte sich kurz vor Lyaena, ehe er ihr wieder in die Augen sah, und sie anlächelte. „Bis heute Abend, Mylady.“
„Baka.“ murmelte Lyaena, lächelte jedoch, und fügte dann hinzu. „Bis heute Abend Luca, ich werde auf dich warten.“ Kurz darauf war Luca auch schon verschwunden, und Lyaena kehrte in die Villa zurück. Während sie erneut an den Orchideen roch dachte sie sich, dass der heutige Tag vielleicht doch noch ganz nett werden könnte.

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Luca schlug sich währenddessen durch die schmaleren Straßen und Seitengassen der Stadt, zufrieden damit, wie die ganze Sache abgelaufen war. Er hatte schon befürchtet, dass Lyaena etwas anderes geplant haben könnte, in dem Fall hätte er wohl mit jemand anderem das Theater besuchen müssen, und dann wäre die Frage gewesen; mit wem? Weder Rhael noch Morrigan würden mit ihm gehen, mit Paolo konnte er keine zehn Sekunden im selben Raum sein, ohne einen Streit anzufangen... also vielleicht Tsubaki? Luca lächelte bei dem Gedanken daran, wie das Eidolon reagieren würde, wenn er sie zum Theater eingeladen hätte. Nach einer Weile hielt Luca schließlich an, als er sein Ziel erreicht hatte, die Schmiede von Lady Analisa. Er hatte kaum angeklopft, als die Tür auch schon aufflog, und die Schmiedin ihn anstrahlte.
„Luca! Perfekt, du kommst gerade richtig!“
„Ähm... was? Natürlich komme ich richtig, du hast mir gesagt, dass meine Waffen...“ begann der Bladelli, aber Analisa hörte ihm schon gar nicht mehr zu, sondern packte ihn am Arm und schleifte ihn hinter sich in die Schmiede. Widerstrebend folgte er der Schmiedin, und seufzte. Analisa war einfach zu aufgedreht und sprunghaft, aber gerade das mochte Luca an ihr. Ihre lockere Art sorgte dafür, dass er leicht mit ihr zurecht kam, und neben Lyaena, und eventuell Retia, war die Schmiedin die einzige Person in Navea, die Luca wirklich zu seinen Freunden zählen würde. Er war einige Tage nach seinem ersten Besuch in der Halle der Verzauberungen auf dem Marktplatz gewesen, und hatte dort die Schmiedin getroffen. Diese hatte ihn zuerst mit jemand anderem verwechselt, und versucht ihm irgendeine seltsame Rüstung anzudrehen, wodurch sie ins Gespräch gekommen waren. Eines führte zum anderen, und die beiden schlossen einen Handel ab; Analisa stellte für ihn zwei Pistolen her, nach seinen genauen Anforderungen und Plänen, dafür würde er ihr zeigen, wie man den Explosionszauber in Waffen binden konnte.
„Tada!“ rief Analisa, und deutete auf eine dunkelrot lackierte Muskete, die in ihrer Werkstatt auf einer Bank lag. Mit schnellen Schritten ging sie auf die Waffe zu, und hob sie auf. „Das ist mein kleiner Prototyp, den ich mit Hilfe deiner Magie gebaut habe. Wenn ich es schaffe, das Ding stabil zu machen, und den Fertigungsprozess zu vereinfachen, könnten wir schon bald unsere Truppen damit ausrüsten!“
„Wie... schön?“ meinte Luca, und blinzelte verwirrt, er hatte keine Ahnung, was Analisa damit meinte.
„Sag bloß, dir ist nie der Gedanke gekommen, was man mit einer Waffe anstellen kann, die deine fremde Magie nutzt?“
„Nicht wirklich.“ Analisa seufzte, dann nahm sie die Muskete, und richtete sie auf die Wand ihrer Werkstatt. Als sie den Abzug betätigte, glomm ein rotes Licht an der Spitze der Muskete auf, ehe es drei Sekunden später hinaus schoss, und auf die Wand traf. Es gab ein zischendes Geräusch, ein lautes Knacken, und letztendlich einen ohrenbetäubenden Knall. Staub und Rauch quoll auf, und Luca hustete, während er versuchte alles wegzuwedeln. Als er wieder sehen konnte, fiel sein Blick direkt auf die Wand, in der ein Loch klaffte das groß genug war, um einem erwachsenen Mann zu erlauben, durch die Wand zu gehen, ohne dass er sich großartig bücken müsste.
„Siehst du... was ich... meine...?“ keuchte Analisa, während sie die Muskete weglegte, sich auf einem Stuhl niederließ, und sich Luft zu fächerte. „Wenn wir unsere Soldaten damit ausrüsten, würden wir...“ sie unterbrach sich, hustete laut, und griff dann nach einem Glas Wasser in der Nähe. „Aber vorher muss ich dafür sorgen, dass der Magieverbrauch reguliert werden kann, alles andere...“
„Das ist ja alles schön und gut, aber ich bin eigentlich wegen meiner Waffen hier.“
„Oh, ja. Natürlich. Die liegen direkt neben dir, zwei einfache, schwarze Pistolen, nach deinen seltsamen Plänen gebaut. Keine Ahnung, warum du mich nicht ein Paar richtige Waffen für dich bauen lässt, mit dem richtigen Material kann ich wahre Wunder vollbringen.“
„Daran zweifle ich auch nicht, aber mir ist es so lieber.“
„Wenn du meinst.“ Analisa zuckte lediglich mit den Schultern.
„Ich gehe jetzt besser, ich muss mich noch mit jemandem treffen... außerdem will ich nicht hier sein, wenn du das reparieren musst.“
„Reparieren?“ Analisas Blick wanderte zur Wand, die nun den Blick in die benachbarte Schmiede freigab, von wo aus der dortige Schmied sie wütend anstarrte. „Oh... Moment, Luca! Luca? Hey! Du kannst mich doch nicht hier alleine lassen!“ Aber der Bladelli hörte sie schon gar nicht mehr, er hatte sich vorsorglich seine Waffen genommen, ein wenig Gold dagelassen, und sich aus der Werkstatt entfernt. Draußen musterte er die Pistolen, welche die Schmiedin für ihn angefertigt hatte. Sie waren schwarz gehalten, aber allesamt aus dem Erz der Wunderminen gefertigt worden, was es erlaubte, besser Magie durch sie zu leiten. Die Pistolen waren auch deshalb seltsam, weil es nicht einmal einen wirklichen Abzug gab, an der Stelle wo dieser sich eigentlich befinden sollte, befanden sich lediglich ein paar Runen, auf die Luca seinen Finger legen konnte. Luca hatte es schon früher mit magischen Pistolen versucht, und war kläglich gescheitert, selbst mit Waffen als Katalysator gelang es ihm nicht, einfache Zauber zu wirken, aber das Ziel dieser Pistolen war es eh nicht, Zauber zu wirken, sondern die Magie des Bladelli in rohe Energie umzuwandeln, und diese auf die Gegner zu feuern, nicht ganz unähnlich der Explosionszauber, die Luca so gut beherrschte. Die Waffen waren notwendig, weil Luca sich endlich dazu entschlossen hatte, Hayate Akashi aufzusuchen. Seit Wochen hatte er sich darauf vorbereitet, und nun war es an der Zeit, den Plan durchzuführen. Genau genommen brauchte er seine neuen Waffen gar nicht, er war sich ziemlich sicher es auch ohne mit Hayate aufnehmen zu können, aber seine eigene Art des Tötens war zu... auffällig, man würde sofort auf ihn kommen, und Luca wollte nicht wirklich weitere Probleme mit den Akashi verursachen, wenn auch nur, weil er Lyaena mochte, und ihr keinen Ärger machen wollte. Während er sich erneut durch die Straßen schlug, und an Lyaena dachte, blickte er an sich hinunter und seufzte. Es war vielleicht keine gute Idee gewesen, seine besseren Sachen anzuziehen, während er seine Rechnung mit Hayate beglich, aber daran würde sich jetzt nichts mehr ändern lassen, denn er hatte sein Ziel erreicht. Es war ein Haus wie jedes andere auch in dieser Gegend, aber Luca war sich sicher, dass Hayate hier lebte, nach seiner Suspendierung hatte er sich angeblich von der Familie entfernt, und sich hier mit einigen Söldnern verschanzt, die er als Leibwächter angeheuert hatte. Alles in Luca schrie danach, sofort in das Haus zu stürmen, und Hayate zu stellen, aber er musste sich gedulden. Immerhin war es durchaus möglich, dass die Akashi ihm eine Falle gestellt, und Hayate gewarnt hatten, dass er kommen würde. Zwar traute er das Lyaena nicht zu, aber er kannte Kyosuke nicht, und solange er ihn nicht kannte, würde er ihm auch nicht trauen. Also ging Luca in eine Seitengasse und kniete sich neben die Hauswand, während er in einer Tasche kramte, die an seinem Gürtel befestigt war. Seufzend zog er einen Stapel langer, dicker Karten hervor, und legte ihn vor sich auf den Boden.
„Wie war das jetzt noch gleich?“ murmelte er vor sich hin, während er die Karten durchging und versuchte sich in Erinnerung zu rufen, was Yozora ihm vor so vielen Jahren beigebracht hatte. Gewöhnliche Magie konnte Luca kaum nutzen, allerdings hatte er im Norden etwas entdeckt, dass sogar ihm gelingen wollte, Hexerei der Armani. Diese Art der Magie orientierte sich an den Zaubern und der Blutmagie der Alfar, und war praktisch eine Mischung aus diesen beiden, und der Magie der Hexer und Hexen von Vo Astur, gemischt mit uralter Magie der Druiden und Schamanen der Armani. Die mächtigsten und ältesten dieser Zauber sollten angeblich in der Lage sein einen ganzen Wald unter die Kontrolle des Zauberers zu bringen, aber daran glaubte Luca nicht wirklich. Selbst wenn, ihm würde es nie gelingen, er hatte geradeso ein halbes Dutzend Hexereien gemeistert, die Yozora ihm gezeigt hatte. Langsam kam ihm wieder alles ins Gedächtnis, und er fand die Karte, nach der er gesucht hatte. Auf dieser war ein großes, schwarzes Auge abgebildet, und etwas stand in den Schriftzeichen der Armani direkt darunter. Luca atmete tief ein und aus, und sah sich suchend um. In der Nähe fand er auch gleich etwas, dass er benutzen konnte, eine kleine Glasscherbe, welche er aufhob, und schnell über die Fläche seiner linken Hand fahren ließ. Ein kleiner Schnitt öffnete sich dort, und Blut tropfte auf den Boden. Luca beeilte sich, und ließ etwas von seinem Blut auf die Karte tropfen, dann schloss er die Augen, und legte die blutende Hand auf die Hauswand. „Akzeptiere das Blut eines Sohns des Waldes als dein Opfer. Komme an meine Seite und unterstütze mich, zeige mir, was verborgen bleiben will. Ich beschwöre dich, auf dass du auf dieser Welt wandern und mir helfen kannst, also komme zu mir, der Seher!“ sprach Luca, noch immer mit geschlossenen Augen. Während er wartete dachte er, nicht zum ersten mal, daran, dass es kein Wunder war, dass niemand die Magie der Armani als Gefahr wahrnahm. Selbst verglichen mit den längsten Formeln der Alfar dauerte es ewig, bis ein Zauber der Waldbewohner seine Wirkung entfaltete. Schließlich bemerkte Luca die Wirkung des Zaubers und zuckte kurz zusammen, als er sah, was im Haus vor sich ging. Yozora hatte ihm nie wirklich erklären können, wie genau der Zauber wirkte, er wusste lediglich, dass er praktisch das sah, was das Holz, dass er berührte 'sah', wenn Holz überhaupt etwas sehen konnte. Die Armani hatte damals bei ihrer Erklärung viele seltsame Wörter benutzt, und unter anderem von Naturgeistern geredet, als sie jedoch merkte, dass Luca damit nichts anfangen konnte, hatte sie einfach geseufzt und die Erklärungen sein lassen. Im Haus befanden sich sechs Menschen, fünf von ihnen waren Söldner, gekleidet in leichte Lederrüstungen, und mit gewöhnlichen Langschwertern an der Hüfte. Die sechste Person jedoch, war ein Mann Mitte 40, mit kurzen blonden Haaren, blauen Augen, und einem Kinnbart. Dieser Mann, bei dem es sich laut der Beschreibung, die Luca vorlag, um Hayate Akashi handelte, trug eine weiße Inquisitorenrobe, und saß an einem Schreibtisch, mit verschränkten Händen. Plötzlich schien es so, als wenn Hayate Luca direkt ansehen würde, und ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Schnell löste Luca den Zauber, und sprang auf. Hayate wusste, dass er hier war, oder er ahnte zumindest etwas, natürlich. Laut Akte hatte Hayate viele Jahre damit verbracht die Armani, und deren Magie zu untersuchen, es war also nicht unwahrscheinlich, dass er merken würde, wenn diese Magie in der Nähe gewirkt wurde. Langsam begab Luca sich zur Eingangstür, und sah sich in der Straße um. Niemand war zu sehen, das war gut. Luca holte noch einmal tief Luft, ehe er seine neuen Pistolen zückte, und die Tür aufstieß.
„Was willst...“ erklang die Stimme eines Söldners zu seiner Linken, als er das Haus betrat. Luca würdigte ihn keines Blickes und antwortete nicht einmal, bevor er seine Pistole direkt in das Gesicht des Mannes hielt, und Magie durch die Waffe schickte. Kurz darauf stanzte eine Kugel aus weißer Energie ein Loch in den Kopf des Söldners. Der Bladelli hatte inzwischen die Tür hinter sich geschlossen, und konzentrierte sich. Seine Ankunft war nicht unbemerkt geblieben, er konnte das Geräusch von Schritten hören, die sich näherten. Schnell hob er seine rechte Hand, und richtete die Pistole auf die Tür, welche in ein kleines Wohnzimmer führte, zwei der Söldner hatten sich dort befunden, als Luca sich das Haus mit seinem Zauber angeguckt hatte. Er wartete vier Sekunden, dann schickte er erneut eine magische Kugel aus seiner Waffe, dieses mal in Richtung Tür, ehe die Waffe einen Hauch weiter nach rechts richtete, und erneut schoss. Kurz bevor die Geschosse die Tür erreichten flog diese auf, und die magischen Kugeln schlugen Löcher in die Brustkörbe der beiden Söldner, welche gerade den Gang betreten wollten. Ein weiteres Geräusch, dieses mal von oben. Luca richtete beinahe schon beiläufig eine Waffe auf die Treppe vor sich, während die andere auf die Decke zielte. Er schoss und hörte sogleich einen Schmerzensschrei, kurz darauf fiel ein Mann, mit einem blutigen Loch im Fuß, die Treppe hinunter. Luca setzte seinem Leiden ein Ende, ehe er nach links in den Gang schoss, und dem letzten Söldner ein Loch in den Bauch schoss, der gerade aus einem Zimmer kam, und gucken wollte, was der ganze Lärm sollte. Ohne zu zögern begab Luca sich nach Rechts, in das Wohnzimmer aus dem die beiden Söldner gekommen waren, und sah sich kurz um, ehe er die Tür am anderen Ende des Raums sah. Vollkommen angespannt näherte er sich der Tür, immer auf der Hut, nicht irgendeine Art von magischer Falle auszulösen, aber die Vorsicht war unbegründet. Er erreichte die Tür ohne Probleme, stieß sie auf, und betrat das Zimmer. Dort saß Hayate Akashi, noch immer so, wie Luca ihn durch seinen Zauber gesehen hatte. Der Inquisitor schien keine Anstalten gemacht zu haben, sich auch nur eine Waffe zu suchen, als das Morden in seinem Haus begann, er saß noch immer mit gefalteten Händen, und lächelte Luca schwach an.
„Luca Bladelli, nehme ich an?“ fragte er, während Luca sich ihm näherte.
„Richtig, ich bin froh, dass ich mich nicht vorstellen muss. Das heißt also du weißt, warum ich hier bin?“ fragte Luca, und steckte die Pistolen weg, er würde sie nicht mehr brauchen, er wusste bereits ganz genau, wie Hayate sterben würde.
„Ich kann es mir vorstellen.“ meinte Hayate, und seufzte. „Wenn es jemand anderes wäre als du, der hier in mein Heim eindringt und mich umbringen will, hätte ich mich wahrscheinlich gewehrt.“
„Was? Was soll das heißen?“ fragte Luca, und erstarrte. Das ganze verlief überhaupt nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Er wollte nicht mit Hayate reden, er wollte ihn umbringen, und eigentlich hätte er damit gerechnet, dass der Akashi ihm einen Kampf liefern würde, vor dem Ende.
„Ich habe fest damit gerechnet, dass du mich eines Tages umbringen würdest, seit dem Tag, an dem ich und Leonardo in den Norden marschiert sind.“ erneut seufzte Hayate. „Es tut mir leid, ich habe damals getan, was ich konnte.“
„Wie bitte?“
„Leonardo war zu dem Zeitpunkt Großinquisitor, musst du wissen. Er hatte es geschafft mich zu überzeugen, dass die Alfar, die in deiner Gruppe arbeitete, eine Verräterin war, und für den Feind arbeitete. Ich habe mich von ihm reinlegen lassen, und bin ihm in den Norden gefolgt, um die Verräterin zu töten. Erst später, als wir suspendiert wurden, wurde mir klar, dass Leonardo gelogen, und die Beweise gefälscht hatte.“
„Das alles interessiert mich nicht, was meinst du damit, du hast getan was du konntest?“ fauchte Luca, und musste sich beherrschen, um den verfluchten Inquisitor nicht sofort in die Luft zu jagen. Er hatte ihn hier direkt vor sich! Und doch konnte er ihn nicht einfach töten, sondern hing wie gefesselt an den Lippen des Mannes.
„Die Templer, die geschickt wurden um dich umzubringen... ich habe dafür gesorgt, dass es die schwächsten Kämpfer in unserer Truppe waren, ich wollte nicht, dass du stirbst.“
„Warum?“
„Erinnerst du dich an einen Auftrag, den deine Truppe vor knapp sieben Jahren hatte?“
„Welcher genau?“
„Ihr solltet einen Außenposten der Alfar verwüsten, und für eine Ablenkung sorgen.“
„Ich erinnere mich.“
„Dank dieser Ablenkung konnte eine Gruppe der Waldläufer eine Rettungsaktion starten. Ein paar meiner Freunde befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Gefangenschaft der Alfar, dank deiner Aktion konnten sie gerettet werden.“ Hayate erhob sich, und umrundete den Tisch, ehe er direkt vor Luca stehen blieb. „Leonardo hält sich im Norden auf, er und seine Männer sind in Fort Erebus stationiert.“
„Warum sagst du mir das?“
„Gute Frage... aus Reue? Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte... ich würde dich und dein Team warnen, vor Leonardos Angriff.“
„Wir alle haben Dinge, die wir gerne ungeschehen machen würden.“ meinte Luca, und musterte Hayate weiterhin mit kalter Miene. „Danke für die Information, dein Leben wird sie jedoch nicht retten.“
„Das war auch nie der Plan.“ meinte Hayate, und schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur helfen, damit auch Leonardo seine gerechte Strafe ereilt. Und ich bin froh, dass ich dir zumindest danken konnte.“
„Dein Dank interessiert mich nicht.“ zischte Luca, und packte den Kopf des Akashi. Kurz weiteten sich Hayates Augen, dann lief Blut aus seinen Augen, Ohren, der Nase und dem Mund, und er fiel zu Boden. Dieser Zauber war Lucas Meisterwerk, eine veränderte Form des Explosionszaubers. Erst schickte er kleine Mengen seiner Magie in den Körper seines Opfers, die Magie setzte sich dann an sämtlichen inneren Organen, und den Knochen fest. Dann ließ Luca die Magie explodieren, kontrolliert, und ohne große Wucht, aber das war auch nicht nötig. Von Außen konnte man kaum etwas sehen, doch wenn jemand in den Körper des Akashi sehen könnte würde derjenige merken, dass sämtliche Organe einfach... weg waren. Kurz sah Luca zur Leiche des Akashi hinab, dann zischte er wütend, und verließ das Haus. Eigentlich hatte er erwartet, glücklich und froh zu sein, sobald er Hayate getötet hatte, doch dem war nicht so, er fühlte sich einfach nur leer.

Zur gleichen Zeit nahe Candeo:

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„Es ist mir eine überaus große Ehre, euch alle hier begrüßen zu dürfen!“ Naruz seufzte und gab sich große Mühe, um die nervige, aufgedrehte Stimme zu ignorieren, allerdings nur mit wenig Erfolg. Team Mantikor, und Aynaeth, befanden sich in einem kleinen Zeltlager, einige Stunden von Candeo entfernt. Hier hatte Salvatore Doni seinen kleinen Außenposten errichtet, und leitete von hier aus die Ermittlungen und Suche nach dem Dämon, der sich durch die magisch begabten Einwohner Candeos mordete. Die Gruppe befand sich in einem großen Zelt, in dessen Mitte ein Tisch stand, auf dem eine Karte der Umgebung ausgebreitet war. Die Marionetten des Doni standen vor dem Zelt, in einiger Entfernung, und schienen Wache zu halten, während Salvatore damit beschäftigt war, seine angeforderte Verstärkung überschwänglich zu begrüßen. Während Salvatore weitersprach, und sich ungewöhnlich respektvoll Aynaeth gegenüber verhielt, ging Naruz seinen eigenen Gedanken nach, die sich in letzter Zeit immer öfter um Aleyandra drehten. Er konnte noch immer nicht recht glauben, dass sie tatsächlich wieder ein Paar waren, aber er war trotzdem froh darüber. Ihre seltsamen Aktionen, um wieder mit ihm zusammenzukommen waren, um ehrlich zu sein, verdammt peinlich gewesen, nicht nur für Aleyandra, sondern auch für Naruz, der gar nicht anders konnte, als Aleyandra zu bemitleiden. Allerdings war sie auch ziemlich niedlich gewesen, vor allem in ihrem Pinguinkostüm. Naruz seufzte, dunkel konnte er sich daran erinnern, in einem Gespräch mit Saeca erwähnt zu haben, dass die drei niedlichsten Dinge für ihn, die es auf der Welt gab, Aleyandra, kleine Kätzchen, und Pinguine waren. Dass die Armani sich seine Worte dermaßen zu Herzen nehmen, und Aleyandra ein Pinguinkostüm schneidern lassen würde, konnte er beim besten Willen nicht ahnen. Schließlich beendete Salvatore seine unnötig lange Begrüßung, und Naruz schenkte ihm ein wenig mehr seiner Aufmerksamkeit. Je schneller er hier fertig wurde, desto schneller würde er wieder bei Aleyandra sein können, oder besser gesagt, desto schneller würde er nach Naira suchen können, der Schwerttänzerin, von der Aynaeth ihm erzählt hatte.
„Du bist also Salvatore Doni, ja?“ fragte da plötzlich Grimm, und schwebte vor Salvatores Gesicht umher. Dieser musterte den Drachen ein wenig verwirrt, nickte dann jedoch.
„Ja, der bin ich, wieso?“
„Mhm, ich habe gehört, man nennt dich auch den Erben Longinus', stimmt das?“ Salvatore verzog unwillkürlich das Gesicht, und warf Naruz einen wütenden Blick zu, der ihm ein freundliches Lächeln schenkte.
„Manche in der Familie nennen mich so, ja.“ murmelte er säuerlich. „Und Naruz, du hattest versprochen, es niemandem zu sagen!“
„Und du hattest versprochen, mich nie wieder in deine dämlichen Angelegenheiten reinzuziehen.“
„Das hier ist nicht meine Angelegenheit, sondern ein Problem, welches die ganze Kirche betrifft!“
„Ja, ein Problem, mit dessen Lösung du schon seit über einem Monat beschäftigt bist... und alles was du rausfinden konntest war, dass der Mörder ein Vampir ist?“
„E-ein Vampir? Woher weißt du das? Ich habe davon noch niemandem erzählt!“ entfuhr es Salvatore, der nun ernsthaft verwirrt aussah.
„Ah, also hatte ich recht. Wir sind auf dem Weg hierher einem Vampir begegnet, ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass er uns abfangen wollte. Aber lassen wir das Thema kurz ruhen. Grimm? Warum bist du so an Salvatore interessiert?“
„Oh, ganz einfach, weil ich Longinus Doni kannte.“
„Du... du kanntest Longinus Doni?“ fragte Naruz, und war sichtlich erstaunt. „Aber der hat vor vielen Jahrhunderten gelebt!“
„Genau, überrascht? Um ehrlich zu sein, war Longinus der erste Botschafter, den ich zu meinem Partner erwählt hatte!“ meinte Grimm, und warf sich stolz in die Brust.
„Grimm...“ flüsterte Aynaeth, und sah den Drachen traurig an, woraufhin dieser ziemlich verunsichert schien.
„W-was ist Aynaeth? Warum... was soll der mitleidige Blick? Und... du auch, Naruz? Anya? Warum guckt ihr mich alle so an?“
„Nun ja...“ murmelte Anya, und wusste nicht ganz, wie sie es sagen sollte. Naruz half ihr aus.
„Also, du bist viele Jahrhunderte alt, stimmts?“
„Richtig.“
„Und... na ja, du bist immer noch so... klein.“
„K-klein?“
„Es tut mir so leid, Grimm.“ flüsterte Aynaeth, und tat so, als wenn sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. „Du wirst wohl wirklich für den Rest deines Lebens eine winzige Flugechse bleiben.“
„Ich hasse euch! Ich hasse euch alle!“ schrie Grimm, und dunkler Rauch kam aus seinen Nüstern.
„Er wollte die Verstärkung der Kirche abfangen?“ murmelte Salvatore, der anscheinend die ganze Zeit über den Vampir nachgedacht, und das Gespräch ignoriert hatte. „Warum denn das? Obwohl... oh, oh.“
„Oh, oh? Ich mag es nicht, wenn du sowas sagst, Salvatore.“ meinte Naruz mürrisch. Er erinnerte sich noch an Salvatores letztes 'oh, oh', das war damals, direkt nachdem er einen Dämon befreit, und in Navea Amok laufen lassen hatte. „Also, was ist los?“
„Ähm, wusstet ihr, dass es hier in Candeo einen Tempel gibt? Einen uralten, großen Tempel, der nicht nur Gaia geweiht ist, sondern auch einer Kreatur, die Dantallion genannt wird.“
„Nein, wusste ich nicht. Was hat das mit der Sache zu tun?“
„Nun... es gibt da eine Schwerttänzerin des Sonnenordens, die damit beauftragt war, den Tempel zu beschützen, sie und zwei Dutzend Tempelwachen... es könnte sein, dass sie, eventuell, vor ein paar Tagen einen Brief nach Candeo geschickt haben, und um Unterstützung baten weil sie einen Angriff auf den Tempel befürchteten.“
„Salvatore...“
„Ja?“
„Bitte sage mir, dass du ihr Verstärkung geschickt hast.“
„Ähm, witzige Sache, weißt du, ich hatte gerade recht wenig Männer zur Verfügung, weil viele Truppen im Norden des Sumpfes sind, um die Sarpa in Schach zu halten...“
„Du hast ihr nichts geschickt?“
„Ich dachte sie sei paranoid! Ich konnte doch nicht wissen, dass wirklich ein Angriff bevorsteht! Aber wenn jetzt tatsächlich ein Vampir hier aufgekreuzt ist, und versucht hat Verstärkung für Candeo abzufangen... na ja, du weißt ja, was man sich über Vampire erzählt.“
„Du... du denkst, hier könnte ein Krieg ausbrechen?“
„Tut mir leid es euch mitteilen zu müssen, aber der Krieg ist schon ausgebrochen.“ meinte Grimm, mit einem finsteren Gesichtsausdruck, und alle, selbst Aynaeth, sahen ihn überrascht an.
„Was meinst du damit?“
„Ich spüre die Gegenwart eines Eidolons.“
„Grimm... spanne uns nicht auf die Folter.“
„Ja, ja, schon gut. Ich spüre die Gegenwart von Quelkulan, der Hydra der Todessümpfe, ein mächtiger, schlangenartiger Drache, der für gewöhnlich in Pandämonium haust.“
„Und was hat das mit einem Krieg zu tun?“
„Quelkulan ist das persönliche Haustier von Jezebeth, eine Erzdämonin, und einer der vier mächtigsten Generäle, die unter Hel dienen, der Herrscherin der tiefsten Ebenen von Pandämonium. Wie dem auch sei, Quelkulan geht nirgendwo ohne seine Herrin hin.“ Schweigen kehrte im Zelt ein. Schließlich erhob Naruz das Wort.
„Also willst du uns sagen, dass eine Erzdämonin sich hier in den Sümpfen befindet?“
„Ja, allerdings wird sie nicht viele Dämonen bei sich haben, ansonsten hätte Aynaeth es längst gespürt... aber ein gutes Dutzend Dämonen dürfte sie trotzdem mit sich haben.“
„Aha, und was wollen sie hier? Ich meine, selbst eine Erzdämonin kann nicht viel ausrichten, oder?“
„Hast du nicht gehört, was der Vampir Aleyandra im Gasthaus erzählt hatte?“ fragte Aynaeth, und sah Naruz fragend an.
„Nein... du etwa?“
„Natürlich, mein Gehör ist besser, als das der meisten Menschen, ich bin immerhin eine Botschafterin Gaias.“
„Aleyandra ist hier?“ fragte der Doni, und sah sich plötzlich mit strahlendem Gesicht um.
„Nicht jetzt, Salvatore, wir haben dafür keine Zeit. Also, was hat er Aleyandra erzählt?“
„Er meinte Dantallion sei ein uraltes, mächtiges Eidolon gewesen, dass über Pandämonium geherrscht hat. Es ist nicht undenkbar, dass man an einem Tempel, oder Altar, der einer solchen Kreatur geweiht ist, ein Portal nach Pandämonium öffnen kann.“
„Also könnte es sein, dass diese Jezebeth den Tempel nutzen will, um mehr Dämonen in unsere Welt zu holen?“
„Das wäre durchaus möglich. Und wenn hier erstmal ein paar hundert Dämonen sind, wird es nicht lange dauern bis Candeo fällt und verwüstet wird.“
„Salvatore, wer ist diese Schwerttänzerin, die den Tempel bewachen soll?“
„Ihr Name ist Naira.“ Naruz fluchte.
„Na wunderbar, wann hast du das letzte mal von ihr gehört?“
„Vor ein paar Tagen... oh, oh.“
„Ja, oh, oh ist richtig! Du machst einem wirklich das Leben schwer, Salvatore!“
„Was hätte ich denn tun sollen? Ich konnte keine Männer entbehren! Die Sarpa randalieren im Norden, und werden immer frecher, es ist fast so, als ob... als ob...“ Salvatore stoppte, und blinzelte kurz. „Können... können Sarpa Dämonen beschwören?“ fragte er, und sah dabei Aynaeth an. Diese überlegte kurz, dann nickte sie.
„Es ist nicht undenkbar, es gibt durchaus Hexen und Schamaninnen unter den Sarpa, einige von ihnen könnten vielleicht Dämonen beschwören. Aber ob sie in der Lage wären einen Erzdämon zu rufen... da bin ich mir nicht ganz so sicher. Du glaubst, sie arbeiten mit den Dämonen zusammen?“ Salvatore nickte.
„Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, könnte das ganze hier weit mehr sein, als eine einfache Mordserie. Ich befürchte, es könnte sehr schnell zu einer Rebellion der Sarpa ausarten.“
„Perfekt.“ murmelte Naruz. „Rebellierende Sarpa im Norden, dazu ein verrückter Vampir, der sich durch die Sümpfe mordet, und eine Erzdämonin mit einem kleinen Heer, die einen Tempel der Gaia erobern will, um weitere Dämonen zu beschwören, der Tag wird ja immer besser.“ er seufzte. „Also, Salvatore, was machen wir?“
„W-warum fragst du mich das?“
„Wie bitte? Das ist dein Auftrag! Deine Mission, du hast das Kommando! Wir sind als Unterstützer hier!“
„Ähm... ja, richtig... also, zum Tempel brauchen wir zwei Tage, und, ähm...“ der Doni schielte immer wieder hilfesuchend in die Runde, jedoch wichen alle seinem Blick aus. Schließlich seufzte Naruz genervt, und beugte sich über die Karte.
„Also gut, wir machen es folgendermaßen; Aynaeth, du gehst mit meinem Team nach Candeo, und reist von dort aus weiter nach Norden. Unterstützt die Truppen dort für den Fall, dass die Sarpa tatsächlich angreifen.“
„Was? Du willst uns wegschicken?“ entfuhr es Nikodemus, und Naruz nickte.
„Ihr habt keinerlei Erfahrung im Kampf gegen Dämonen, nicht wahr?“
„D-das stimmt natürlich, aber...“
„Kein aber, ich werde nicht das Leben meines Teams in einem Kampf gegen Dämonen riskieren, wenn es sich vermeiden lässt. Vielleicht, wenn es nur zwei oder drei von ihnen wären, aber ganz bestimmt nicht, wenn da noch ein Erzdämon rumläuft. Aynaeth wird euch begleiten, weil ich vermute, dass der Vampir sich ebenfalls beim Angriff auf den Tempel beteiligen wird.“
„Warum denkst du das?“ fragte Anya, und war ein wenig überrascht. Naruz war auf einmal vollkommen ruhig, ernst, und schien insgesamt eine vollkommen andere Person zu sein.
„Wegen der Personen, die er bisher umgebracht hat. Im Laufe des letzten Monats hat er viele mächtige Magier der Smaragdgilde umgebracht, die sich in Candeo befanden, zusätzlich zu einigen hochrangigen Templern. Ich bin mir sicher, er versucht die mächtigsten Magiebegabten auszuschalten, bevor der Angriff beginnt. Deswegen wird er es sich auch nicht nehmen lassen, den Tempel anzugreifen, immerhin befindet sich dort eine Schwerttänzerin, und die haben allgemein verdammt viel magische Energie.“
„Ich... verstehe, das macht Sinn.“ murmelte Anya, auch wenn es ihr noch immer nicht gefiel, dass sie zu den Sarpa sollte. „Und warum soll Aynaeth deswegen mit uns kommen? Gegen die Dämonen wäre sie doch sicherlich nützlicher, oder?“
„Vielleicht, aber wahrscheinlich würde sie nur ein gefundenes Fressen für den Vampir werden, nein, es ist besser wenn nur ich, Salvatore und seine Marionetten zum Tempel gehen. Ich benutze kaum Magie im Kampf, und kann daher besser gegen den Vampir kämpfen, und Salvatore kommt aus einer Familie von Vampirjägern, ich bin mir sicher, er schafft das schon. Sind alle damit einverstanden?“
„Jawohl, Naruz, Sir!“ meinte Aynaeth, mit unglaublich ernster Miene, und salutierte sogar. „Danke.“ flüsterte sie dann, so leise, dass nur Naruz sie hören konnte, und der Inquisitor lächelte. Anscheinend war Aynaeth ziemlich erleichtert darüber, dass sie dem Vampir nicht begegnen würde.
„Ich bin ebenfalls einverstanden.“ meinte Salvatore, und lächelte. „Mein erster, richtiger Auftrag zusammen mit Naruz! Das wird lustig, warte es nur ab! Gemeinsam vertreiben wir die Dämonen, retten den Tempel, und werden die Helden von Candeo!“
„Oder wir finden einen zerstörten Tempel vor, werden erschlagen, und werden bekannt als die Inquisitoren, die die Dämoneninvasion von Candeo nicht verhindern konnten.“ sagte Naruz trocken, und verließ das Zelt. „Wir reisen in einer Stunde ab.“ meinte er noch, ehe er sein Team und Salvatore alleine zurückließ. Nacheinander gingen auch Anya, Nikodemus und Victoria aus dem Zelt, so dass nur noch Aynaeth und Salvatore blieben.
„Du führst etwas im Schilde.“ murmelte die Hexe, als sie das verschlagene Grinsen in Salvatores Gesicht sah.
„Ach ja? Hm, vielleicht hast du recht.“
„Es hat mit Naruz zu tun, er interessiert dich, warum? Ist es, weil er es geschafft hat das Duell gegen dich zu gewinnen?“
„Er hat nicht gewonnen! Es war ein Unentschieden!“ meinte Salvatore, und sah beleidigt aus.
„Wie auch immer, ist das der Grund?“
„Teilweise.“ der Doni seufzte. „Versprichst du mir, niemandem zu verraten, was ich dir jetzt sage?“ Aynaeth nickte. „Gut, die Wahrheit ist, ich habe einen Fehler gemacht.“
„Ich weiß, der Dämon der die Tempelbibliothek verwüstet hat, da waren ein paar meiner Lieblingsbücher dabei, musst du wissen.“ Aynaeth warf Salvatore vorwurfsvolle Blicke zu während sie das sagte, woraufhin der Inquisitor nur schwach lächelte.
„Und es tut mir wirklich leid! Aber davon rede ich gar nicht, ich meinte während meines Duells mit Naruz. Er war schneller als ich es ihm zugetraut hatte, und ein besserer Gegner als ich erwartet hatte, einer meiner Angriffe hat sein eigentliches Ziel nicht getroffen. Ich wollte seine Schulter verletzen, und ihn kampfunfähig machen, ich habe ihn am Rücken getroffen.“
„Ich weiß, ich habe die Narbe gesehen.“
„Du... wann hast du die Narbe gesehen?“
„Als er nackt auf meinem Tisch lag.“ Salvatore starrte die Hexe eine Weile lang an, ehe Grimm sich seiner erbarmte.
„Halbnackt.“ korrigierte er die Hexe. „Als Aynaeth ihm das Auge eingepflanzt hat.“
„Oh... ohhhhhhh, ich verstehe.“ meinte Salvatore, lief ein wenig rot an, und räusperte sich verlegen. „Wie dem auch sei, ich habe ihn am Rücken getroffen, besser gesagt, ich habe ihm von hinten die Lunge durchbohrt.“
„Du hast... was?“ nun war es an Aynaeth erstaunt auszusehen, davon hörte sie zum ersten mal. „Aber... ich dachte in deinem Speer wohnt der Fluch des Longinus.“ fügte sie hinzu, und warf einen Blick zur Waffe, die in einer Ecke des Zelts stand.
„Und damit hast du recht. Ein solcher Treffer ist meist selbst für einen Vampir tödlich, aber Naruz... ich weiß nicht genau was passiert ist, er hat ganz kurz blau geleuchtet, und seltsame Runen waren zu sehen gewesen, dann war er wieder auf den Beinen, und hat mir mit einem Schlag ein paar Rippen gebrochen, die Wunde auf seinem Rücken sah nur noch wie ein gewöhnlicher Kratzer aus! Es war eine tiefe Wunde, mit dem Fluch des Longinus verursacht, und er hat sie innerhalb von ein paar Sekunden beinahe vollkommen geheilt! Das ist unmöglich, selbst ein Vampir bräuchte Tage, vielleicht Wochen, um sich davon zu erholen, falls er überhaupt überlebt!“
„Ah, ich verstehe... du glaubst, er ist kein Mensch, richtig?“ Salvatore seufzte.
„Ich sehe ihn wirklich als einen guten Freund von mir... aber du liegst richtig, ich glaube, er ist kein Mensch, zumindest kein gewöhnlicher. Und da du die Frage gestellt hast... du hattest auch schon einmal den Verdacht, oder?“ Aynaeth nickte.
„Als ich ihm das Auge Pandämoniums eingesetzt hatte gab es Komplikationen. Sie wurden dadurch verursacht, dass ich die falschen Runen eingesetzt hatte, ich hatte Runen für einen Menschen in Naruz' Alter gewählt, und sie perfekt auf sein Äußeres angepasst, trotzdem lag ein Fehler vor, erst, als ich die Runen verändert hatte, funktionierte es. Allerdings musste ich sie zu Runen ändern, die mir bis dahin vollkommen unbekannt waren.“
„Wie bitte? Wie hast du das dann geschafft?“
„Die Magie hat mir geholfen, sie hat mir gezeigt, was ich machen musste. Besser kann ich es nicht erklären.“ Aynaeth zuckte mit den Schultern. „Wie dem auch sei, eines steht fest, Naruz ist ein äußerst interessanter Mann.“
„Da hast du recht.“ meinte Salvatore mit einem Lächeln. „Und ich schwöre dir eines, ich werde die Wahrheit herausfinden, so wahr ich Salvatore Longinus Doni heiße!“
„Du heißt Longinus?“
„Nicht wirklich, ich wollte nur immer mal sehen, wie sich mein Name mit einem tollen Zwischennamen anhören würde.“ Grimm seufzte, als er das Gespräch mithörte. Die Zukunft von Candeo lag also in den Händen eines Inquisitors der kaum Magie nutzen konnte, und eines Volltrottels, das konnte doch nur schief gehen. Immerhin war diese Schwerttänzerin auch noch da, sinnierte Grimm. Er hoffte bloß, dass sie gut genug war, um die beiden Chaoten unter Kontrolle zu halten, die sich gerade auf den Weg machten, um den Tempel zu retten.

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Navea, später am Abend:
Pünktlich erschien Lyaena am Treffpunkt und lächelte, als sie sah, dass Luca dort bereits auf sie wartete. Der Bladelli trug eine rote Paradeuniform seiner Familie, und ging auf sie zu, als er sie bemerkte.
„Lyaena! Es ist schön dich zu sehen, du siehst wirklich bezaubernd aus.“ meinte er, während er sich leicht vor der Akashi verbeugte, und ihr den Handrücken küsste, was Lyaena mit einem Lächeln über sich ergehen ließ. Als Luca sich jedoch wieder aufgerichtet hatte, stieß sie ihm mit dem Ellenbogen leicht in die Rippen.
„Ich habe doch gesagt, du sollst dieses Schauspiel lassen, wir sind beide die Erben von zwei der mächtigsten Familien im gesamten Reich.“ sagte sie, während sie sich das Kleid glatt strich. Es war das Kleid, welches sie getragen hatte, als Luca sie einlud, es schien ihm gefallen zu haben, also hatte sie sich dazu entschieden, es zu tragen. Eigentlich war es ja für ihren Abend mit Teregion gedacht gewesen, aber dieser hatte ja anscheinend jegliches Interesse an ihr verloren.
„Du vielleicht, ich hingegen... ich fühle mich nicht wirklich wie ein richtiger Adliger. Wenn mein Großvater stirbt werde ich nur sichergehen, dass mit der Familie und den Ländereien wirklich alles in Ordnung ist, dann werde ich als Oberhaupt abtreten, und meinen Bruder die Geschicke der Bladelli lenken lassen.“ antwortete Luca, und riss Lyaena damit aus ihren Gedanken, bevor sie weiter über ihren Verlobten nachdenken konnte. Erst jetzt, wo sie direkt vor ihm stand, merkte Lyaena, dass Luca ziemlich bleich wirkte, und dass er einen kleinen Verband um die linke Hand gewickelt hatte.
„Ist etwas passiert?“ fragte sie, und deutete auf den Verband.
„Das? Oh, nichts besonderes. Ich habe mich nur an einer Glasscherbe geschnitten, und dabei mein Hemd ein wenig... ähm, blutig gemacht, nicht der Rede wert. Wollen wir gehen?“ fragte Luca, und bot der Akashi seinen Arm an. Diese zögerte kurz, hakte sich dann jedoch ein, und ließ sich von Luca in Richtung Westviertel führen.
„Wie ist das Treffen mit deinem Kontakt gelaufen?“ fragte sie, und merkte, wie Lucas Gesicht schlagartig noch ein wenig bleicher wurde. „Gab es Probleme?“
„Kann man so sagen, ja.“ murmelte Luca. „Er hat die Halskette nicht gefunden, dafür konnte er mir jedoch etwas anderes sagen. Und zwar, wo Leonardo Doni sich aufhält.“
„Oh...“ machte Lyaena. „Wo ist er denn? Willst du...“
„Bitte, Lyaena, lass uns nicht darüber reden... nicht heute. Der heutige Abend soll fröhlich und lustig werden, das ist immerhin der ganze Sinn der Vorführung, nicht wahr?“
„Natürlich.“ meinte Lyaena, und warf einen kurzen Blick zu Luca. Er sah eigentlich so aus, als wenn er wirklich dringend darüber reden wollte. Hielt er sich zurück, um die Stimmung nicht schon vor dem Theater zu verdüstern?
„Ach ja, da fällt mir ein... du magst ja Orchideen. Als ich im Norden war, befand sich das Hauptquartier meiner Einheit in der Nähe eines riesigen Feldes voller weißer Orchideen, es sah wirklich wunderbar aus. Angeblich hatten einige ehemalige Adlige der Alfar es vor Jahrhunderten angelegt, um die Opfer des Bürgerkriegs zu ehren. Überhaupt sind die Alfar Fanatiker, wenn es um Blumenfelder geht. Du ahnst gar nicht, wie viele Blumen es dort gibt, dagegen sind die Parks in Navea ein Witz.“ meinte Luca, mit einem Lächeln im Gesicht.
„Ein großes Feld, voller weißer Orchideen? Das würde ich gerne einmal sehen... wo genau befindet es sich?“
„Ähm, sagen wir es so, es könnte schwierig werden, sich das Feld anzugucken, zumindest zurzeit. Sie liegen recht weit von unseren nördlichsten Außenposten entfernt, relativ tief im Gebiet der Alfar.“
„Oh... schade.“ meinte Lyaena, und wirkte ein wenig enttäuscht.
„Tut mir leid, ich hätte nicht davon anfangen sollen.“ sagte Luca sofort, und seufzte innerlich. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er sich verdammt dämlich anstellte, nicht so dämlich wie Anya, aber trotzdem nichts, womit man angeben könnte. Es musste irgendwie in der Familie liegen, dass alles schief ging, wenn man mit jemandem alleine war den man mochte. Er hatte nicht wirklich Erfahrung mit Frauen, oder Dates. Immerhin war seine einzige, richtige Freundin Yozora gewesen, und damals war sie es gewesen, die auf ihn zugekommen war, ansonsten wären sie wohl nie ein Paar geworden. Außerdem hatte es im Gebiet der Alfar nicht wirklich viele Möglichkeiten für Dates gegeben. „Was mögen eigentlich deine Schwestern für Blumen?“ fragte er, und begann somit ein Gespräch, dass sich noch einige Minuten lang fortsetzte, ehe sie das Westviertel erreichten. Eine Weile lang sah Luca sich irritiert um, ehe er schließlich seufzte, was Lyaena ein Lachen entlockte.
„Du findest dich hier wirklich nicht zurecht, oder?“ fragte sie belustigt, und Luca nickte.
„Ich habe mich meistens von hier ferngehalten. Immerhin war ich die meiste Zeit hier in Navea alleine, und... na ja, da kommt man halt nicht oft in solche Gegenden.“ murmelte Luca, und sah sich um. Das Westviertel war die beliebteste Gegend von Navea, zumindest gegen Abend. Hier gab es die meisten Theater, Opern, Konzerte, und Bars in ganz Süd-Midgard. Hier konnte man praktisch jeden Abend etwas unternehmen, allerdings konnte man genau so schnell fragende Blicke einsammeln, wenn man sich hier vollkommen alleine rumtrieb, denn die meisten besuchten das Westviertel zusammen mit Freunden, oder Verwandten.
„Zum Glück hast du mich.“ meinte Lyaena, und lächelte ihn an. „Komm mit, ich zeige dir den Weg.“ zusammen schlugen sie sich durch die überfüllten Straßen, bis sie schließlich vor einem großen, runden Gebäude ankamen.
„Das ist es?“
„Ganz genau, und wie es scheint, war es eine gute Idee früher zu gehen, die Schlange ist noch nicht besonders lang.“ während sie das sagte deutete Lyaena auf einige Dutzend Menschen, die sich in einer langen Schlange vor der Eingangstür des Theaters aufgestellt hatten.
„Das nennst du nicht lang? Ich will gar nicht wissen, wie es in ein paar Minuten hier aussieht.“ murmelte Luca, woraufhin Lyaena lachte.
„Oh ja, bald wird es hier richtig voll sein, und...“ sie verstummte, und sah Luca kurz überrascht an. Wenn sie sich richtig erinnerte hatte Luca mal erwähnt, dass er Menschenmassen hasste. „Moment, hattest du mir nicht einmal gesagt, dass du...“ sie verstummte, als Luca sie kurz anlächelte, und ihr eine Hand auf den Rücken legte.
„Mach dir keine Gedanke, über irgendetwas, dass ich mal gesagt habe.“ meinte er, während er sie sanft auf die Schlange zuschob. „Es stimmt, ich bevorzuge es, wenn nicht allzu viele Menschen in meiner Nähe sind, aber du... aber ich habe mich auf die Vorführung gefreut, ich wollte schon immer mal ins Theater, da kann ich die paar Menschen mehr schon noch verkraften.“ Lyaena antwortete nicht, sondern senkte den Blick, und lächelte fröhlich, während die Schlange weiter vor ging. Wenn nur Teregion... sie schüttelte den Kopf, und verbannte den Gedanken sofort. Sie war jetzt mit Luca hier! Er hatte sie eingeladen, während ihr Verlobter ihr kaltherzig den Rücken zugekehrt hatte, da sollte sie sich jetzt nicht selber die Stimmung vermiesen, indem sie irgendwelchen dämlichen Gedanken nachging. Schließlich wurden sie eingelassen, und setzten sich auf ihre Plätze, welche sich direkt in der Mitte befanden, nicht allzu weit von der Bühne entfernt.
„Wen hat deine Magierfreundin ermordet, um solche Plätze zu kriegen?“ flüsterte Lyaena dem Bladelli zu, während sie sich umsah. Es gab wirklich nicht viele Plätze, die besser waren als diese.
„Wenn ich mich recht erinnere, hatte ihr Großvater ihr vier Karten besorgt, für sie und ein paar Freundinnen. Zwei hier, und...“
„Hallo Luca!“ erklang auf einmal eine Stimme, direkt hinter ihnen, und die beiden drehten sich um. Auf den Plätzen direkt hinter ihnen saß ein Mädchen, vielleicht 17, oder 18 Jahre alt, und lächelte den Bladelli fröhlich an. Sie hatte schulterlange, schwarze Haare, und ein freundliches Gesicht, mit braunen Augen. Sie trug eine lange, grüne Robe, die sie eindeutig als Mitglied der Smaragdgilde kennzeichnete. Neben ihr saß ein Mädchen, dass ebenfalls in ihrem Alter zu sein schien, sie hatte lange, blonde Haare, grüne Augen, und trug die rote Robe der Rubingilde.
„Hallo, Retia.“ begrüßte Luca das Mädchen. „Lyaena, das ist Retia, von ihr habe ich die Karten gewonnen.“ Die Akashi begrüßte das Mädchen lediglich mit einem Nicken, und versuchte sie freundlich anzulächeln.
„Freut mich, dass du die Karten nutzen konntest.“
„Mich auch, danke noch einmal dafür.“
„Kein Problem, du hast mir wirklich weitergeholfen. Oh! Da fällt mir ein, ich habe da ein paar Fragen...“ Lyaena schaltete ab, als die Magierin anfing, von irgendwelchen Runen, Zauberformeln, und komplizierten, magischen Begriffen zu reden. So hatte sie sich den Abend eigentlich nicht vorgestellt. Zu ihrer Überraschung, hörte sie jedoch plötzlich Luca sprechen.
„Tut mir leid, Retia. Kann ich dir die Fragen ein anderes mal beantworten? Heute habe ich nicht wirklich Lust, mich über Magie zu unterhalten.“ meinte er, und warf einen kurzen Blick zu Lyaena.
„Was? Oh... ooooooooooh, ich verstehe.“ sagte die Magierin, und lächelte. „Kein Problem, ich kann warten.“
„Vielen Dank, triff mich in der Halle der Verzauberungen, da können wir uns dann unterhalten.“
„Ich werde dich daran erinnern.“
„Tut mir leid.“ murmelte Luca Lyaena zu, nachdem Retia sich in ihrem Sitz zurückgelehnt, und ein Gespräch mit ihrer Freundin begonnen hatte.
„Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest.“ meinte Lyaena, mit einem Lächeln. „Beantworte mir lieber eine Frage, was meinte sie mit einer... wie war es noch gleich? 'Glyphe in der vierten Runenformel des... Rhan... Rhanirgendwas'?“ fragte sie, und versuchte sich die Frage der Magierin in Erinnerung zu rufen. Luca lächelte.
„Rhangewebe.“ meinte er. „Ein wichtiger Teil, in meinem Explosionszauber.“
„Ah, ich verstehe.“ damit begann ein kurzes Gespräch, über Magie, das jedoch unterbrochen wurde, als die Schauspieler die Bühne betraten, und die Vorführung anfing. In dieser romantischen Komödie ging es um einen jungen Mann, der gerade an der Magierakademie von Navea begonnen hatte. Auf dem Akademiegelände wohnte er in einem kleinen Haus, welches er sich mit anderen Studenten teilen musste, darunter einer jungen, kurzhaarigen Hexe, die den ganzen Tag nichts anderes tat, als Bücher zu lesen, und vollkommen naiv war. Die Gespräche zwischen den beiden, sorgten beim gesamten Publikum immer wieder für Lachen, ebenso wie die Auftritte des besten Freundes des Hauptcharakters, einem seltsamen, älteren Magier, mit einer Vorliebe für Succubi. Während der Vorführung legte Luca seine Hand auf die von Lyaena, diese zuckte zwar kurz zusammen, aufgrund der unerwarteten Berührung, und sah Luca kurz, fragend an, sagte jedoch nichts, und machte keine Anstalten, ihre Hand zurückzuziehen.

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Zwei Stunden später hatten sie das Theater verlassen, und gingen durch die leeren Straßen im Westviertel.
„Ich hätte nicht gedacht, dass die beiden am Ende wirklich zusammenkommen.“ sagte Lyaena gerade, mit einem verträumten Gesichtsausdruck, während sie am Himmelsturm vorbeigingen.
„Nicht? Ich fand, es sah schon immer danach aus.“ meinte Luca, und wirkte ein wenig überrascht.
„Ich weiß, aber der Verfasser dieses Schauspiels ist nicht gerade dafür bekannt, fröhliche Enden zu schreiben.“
„Ah, ich verstehe. Mir hat die Geschichte gefallen. Allerdings hat mich eines noch weit mehr beeindruckt.“
„Und was?“ fragte Lyaena interessiert.
„Die Leistung der Schauspieler, sie war wirklich einzigartig. Vor allem der Freund des Hauptcharakters war überzeugend gespielt worden.“
„Das klingt so, als wenn du wirklich jemand kennen würdest, der auf Succubi steht.“ meinte Lyaena, mit einem Lächeln. Als sie das Grinsen in Lucas Gesicht bemerkte, fing sie an zu lachen. „Oh, bei Gaia! Du kennst nicht wirklich jemanden... oder?“
„Was soll ich sagen? In Nudaka triffst du die merkwürdigsten Menschen, ich kannte da einen Hexer, der die ganze Zeit von Succubi geschwärmt, und dauernd Dämonen beschworen hat. Er war jedes mal enttäuscht worden, weil er gewöhnliche böse Geister, oder Wichtel gerufen hat, aber nie eine Succubi.“ Plötzlich blieb Luca stehen, und Lyaena tat es ihm gleich. „Lyaena? Hast du noch einen Moment Zeit?“
„Was? Ich denke schon, warum?“
„Ich... ich muss dir etwas zeigen.“ meinte Luca, und setzte sich wieder in Bewegung, dicht gefolgt von Lyaena. Zusammen gingen sie am Eingang der heißen Quellen vorbei, bis an den Rand des großen Sees, der sich in der Nähe des Himmelsturms befand. Luca kniete sich kurz ins Gras, und legte seine Hand auf eine Rune, die dort in einen Stein eingraviert war. Kurz darauf erhob sich eine Brücke aus dem Wasser, und öffnete somit einen Weg, auf eine der kleinen Inseln inmitten des Sees, auf der ein großer, weißer Pavillon stand.
„Oh, ich habe mich schon immer gefragt, wie man dorthin kommen will, ohne nass zu werden.“ sagte Lyaena, und lächelte. Sie wusste, dass die Pavillons auf den Inseln alle den Bladelli oder Doni gehörten. Als die Inseln 'verkauft' wurden, hatte keiner der Akashi sich wirklich Mühe gemacht, eine davon zu kriegen, was dazu führte, dass ihre Familie leer ausgegangen war. Luca hatte inzwischen die Brücke betreten, und hielt Lyaena seine Hand hin, welche diese auch ergriff, und sich hoch helfen ließ.
„Vorsichtig, es ist glatt.“ meinte Luca, und hielt weiterhin Lyaenas Hand, während er sie über die Brücke zur Insel führte. Dort angekommen ließ er ihre Hand los, und ging zur Mitte des Pavillons, wo ein kleiner, goldener Tisch stand, ein paar Stühle, und ein großes, rotes Sofa, mit riesigen, runden Kissen.
„War es das, was du mir zeigen wolltest?“ fragte Lyaena, während sie sich umsah. „Der Pavillon sieht recht hübsch aus, ich wünschte, wir Akashi hätten damals die ganze Sache ein wenig ernster genommen, und uns eine der Inseln geschnappt, allerdings konnte ja niemand ahnen, dass die so umkämpft und wertvoll werden würden.“ fügte sie hinzu, während sie sich Luca näherte. Dieser holte tief Luft, drehte sich um, und sah Lyaena mit ernster Miene ins Gesicht. „Ist etwas, Luca?“
„Ja, ich muss dir etwas sagen.“ mit zwei Schritten stand Luca direkt vor Lyaena, und sah ihr direkt in die Augen. „Ich... ich liebe dich, Lyaena.“ sagte er, und atmete erleichtert aus, als er es endlich gesagt hatte. Die letzten Tage, nein, eigentlich schon die letzten Wochen, hatte er innerlich mit sich gerungen, und hatte überlegt, ob er es der Akashi sagen sollte, oder nicht. Je öfter Lyaena ihn besucht, und mit ihm geredet hatte, desto mehr hatte Luca sie ins Herz geschlossen, bis er schließlich nicht anders konnte, als sich einzugestehen, dass er in sie verliebt war. Das Problem war nun leider, dass sie verlobt war, also hatte er geschwiegen, eine ganze Weile lang, aus Angst, dass Lyaena ihm, wenn sie herausfand, was er für sie empfand, den Rücken zukehren würde. Er liebte Lyaena, und er wollte, dass sie es wusste, allerdings wollte er auch nicht riskieren, vielleicht nie wieder mit ihr reden zu können. Selbst, als er die Akashi auf die Insel geführt hatte, war er sich noch nicht sicher gewesen, ob er es ihr wirklich sagen wollte. Nun hatte er es jedoch getan, und er würde damit leben müssen. Zumindest hatte Lyaena ihn noch nicht angeschrien, oder war weggelaufen, das war schonmal ein Anfang.
„W-was h-hast du da gesagt?“ fragte Lyaena, mit klopfendem Herzen, und versuchte so ruhig wie möglich zu wirken. Sie hatte sich bestimmt gerade verhört, immerhin waren Luca und sie Freunde, und er wusste...
„Ich liebe dich.“ wiederholte Luca, dieses mal deutlicher, und unterbrach damit ihre Gedanken. „Wie könnte ich auch nicht? Du bist wunderschön, intelligent, und... und so freundlich, dass es fast schon ungerecht ist.“ meinte er, und lächelte die Akashi an, während er eine Hand auf ihre Schulter legte, und die zweite auf ihre linke Wange. Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe er seinen Kopf zu ihr herunterbeugte, die Augen schloss, und sie küsste. Lyaena riss erstaunt die Augen auf, und legte ihre Hände auf Lucas Schulter. Selbst wenn sie ihn jetzt von sich stoßen, und abhauen würde, es wäre es wert gewesen, überlegte Luca. Dann jedoch schloss Lyaena ebenfalls die Augen, und erwiderte den Kuss. Schließlich lösten sie sich voneinander, und Lyaena starrte direkt in Lucas Augen.
„I-ich...“ begann sie stotternd, kam jedoch nicht weiter, als Luca sie erneut küsste. Dieses mal erwiderte sie den Kuss sofort, nicht schwach, und unsicher wie eben noch, sondern voller Leidenschaft, und Verlangen. Ohne wirklich darüber nachzudenken, was sie gerade taten, oder wo sie gerade waren, wichen die beiden vorsichtig nach hinten, bis sie das Sofa erreichten. Luca öffnete den Reißverschluss an der Rückseite von Lyaenas Kleid, woraufhin diese das Kleidungsstück schnell abstreifte, und Luca dabei half, das Hemd seiner Uniform aufzuknöpfen. Kurz darauf standen die beiden sich vollkommen nackt gegenüber, auf einer kleinen Insel, inmitten des Sees von Navea, während der Vollmond sich auf der nahen Wasseroberfläche spiegelte. Instinktiv nahm Luca Lyaenas Hand, und führte sie in Richtung Wasser, und sie folgte ihm, ohne zu zögern. Sie registrierte gerade noch, dass sich auch auf Lucas Rücken eine Tätowierung befand, ein Kreis, in dessen Mitte sich ein Pentagramm befand, dazu kamen zwei Tätowierungen in Form von Flügeln, die sich bis zu den Schulterblättern des Bladelli streckten. Dann hatten sie das Wasser erreicht, welches noch immer warm war, und Lyaena schaltete endgültig ab, während sie ihr Liebesspiel im Wasser begannen.

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Eine Weile danach lagen die beiden auf dem Sofa, in der Mitte des Pavillons nebeneinander. Lyaena ruhte mit ihrem Kopf auf Lucas Arm, während sie mit ihrer Hand die Tätowierungen auf der Brust des Bladelli entlangfuhr. Inzwischen war sie sich durchaus bewusst, was sie da gerade getan hatte, aber seltsamerweise hegte sie nicht wirklich Schuldgefühle Teregion gegenüber, zumindest noch nicht. Dafür war sie im Moment viel zu... konnte man es glücklich nennen? Zumindest war es ziemlich nah dran.
„Was hat es eigentlich mit den Tätowierungen auf sich?“ fragte sie plötzlich, und sah Luca ins Gesicht, der sie die ganze Zeit über nur fröhlich und verträumt angestarrt hatte.
„Hm? Warum fragst du gerade jetzt danach?“
„Warum nicht?“ meinte Lyaena, und lächelte ihn an. „Darfst du mir etwa nicht sagen, was die sollen?“
„Doch, doch, ich wundere mich nur, das ist alles.“ Luca drehte sich auf die Seite, küsste Lyaena erneut, und strich mit seiner Hand ihre Hüfte entlang. „Du weißt, wie die Grimoire, und andere Katalysatoren der Hexen und Hexer von Vo Astur funktionieren?“
„Ja.“
„Gut, diese Tätowierungen sind etwas ähnliches, sie helfen dabei, die Zauber durch meinen Körper zu lenken, und lassen sie ihre Wirkung entfalten. Manche Tätowierungen sind von mir, zum Beispiel die an meinen Armen, oder die auf meinem Rücken... die Flügel zumindest.“
„Und die anderen?“
„Von meiner Mutter, sie hat viele Zauber gewirkt, die noch heute durch meinen Körper fließen.“
„Oh... tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen?“
„Ich weiß nicht, was du meinst. Ich verbinde keine schlechten Erinnerungen, mit diesen Zaubern, im Gegenteil, sie haben mir schon öfter das Leben gerettet.“ Erneut küsste er Lyaena, ehe er sie plötzlich fest in seine Arme schloss. „Ich liebe dich, Lyaena.“
„Das... das hast du schonmal gesagt.“ murmelte diese, und wurde ein wenig rot.
„Ich weiß, und ich bin froh, dass ich es getan habe.“ antwortete Luca, und lächelte glücklich. Sie blieben eine Weile so liegen, ehe Luca sich aufrichtete, und sein Hemd aufhob. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich dich nachhause bringe. Es ist schon spät, und wir wollen schließlich nicht, dass dein Vater eine Suchmannschaft durch die Stadt schickt.“ meinte Luca, und zwinkerte ihr zu, woraufhin Lyaena lachen musste, vor allem da sie sich sicher war, dass ihr Vater wirklich so weit gehen würde.
„Gute Idee, Teleya wird sich bestimmt auch schon Sorgen machen.“ Nachdem sie sich angezogen, und das Sofa ordentlich gemacht hatten, gingen sie über die Brücke, welche Luca mit einer erneuten Berührung der Rune versinken ließ. Zusammen gingen sie schließlich durch die menschenleeren Straßen, und näherten sich der Villa der Akashi, während sie sich unterhielten. Als sie nur noch eine Straße von der Villa entfernt waren, erhielt die fröhliche Stimmung jedoch einen jähen Dämpfer. Luca fing auf einmal an zu husten, und fasste sich an die Brust, während er auf ein Knie sank. „Luca! Ist alles in Ordnung?“ fragte Lyaena besorgt, und kniete sich neben Luca. Dieser wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, und die Akashi war der Meinung, dass sie Blut sehen konnte, war sich aber nicht ganz sicher.
„Alles in bester Ordnung, keine Sorge. Ich glaube, ich habe mich ein wenig erkältet, das ist alles.“
„Das ist Unsinn, und du weißt es.“ erklang plötzlich eine strenge, kalte Stimme hinter ihnen, die Lyaena zusammenzucken ließ. Aus einer nahen Seitengasse schälten sich zwei Gestalten, Rhael und Morrigan.
„Rhael...“ murmelte Luca, während er schwankend aufstand. „Du hast mir gerade noch gefehlt, was willst du.“
„Ich will, dass du mit Morrigan gehst, und zwar sofort. Du bist ein verdammter Vollidiot, du hättest das Ritual nicht abbrechen sollen, bevor sie fertig war.“
„Ich kann auch ohne...“ begann Luca, wirkte jedoch ziemlich kleinlaut, und zuckte zusammen, als Rhael ihn in einer, für Lyaena fremden Sprache anfuhr. Zögernd kam die Antwort von Luca, ebenfalls in der fremden Sprache. Rhael musterte Luca eine Weile lang finster, ehe er erneut etwas sagte, und Luca seufzte. „Schon gut, ich werde mit Morrigan gehen, sobald ich Lyaena nachhause gebracht habe.“
„Einen Moment bitte! Würde mir vielleicht jemand mal sagen, was hier eigentlich los ist?“
„Außer, dass Luca zu stolz, für sein eigenes Wohl ist?“ fragte Morrigan, mit einem traurigen Unterton in der Stimme. „Macht Euch keine Sorgen um ihn, Mylady. Es handelt sich um... Nebenwirkungen, verursacht von den Zaubern, die auf ihm liegen. Alle paar Monate muss er mit speziellen Zaubern, in Form eines Rituals behandelt werden, ansonsten werden die Nebenwirkungen schlimmer. An sich kein Problem, aber als ich das letzte mal das Ritual durchgeführt habe, kam es zu einem Streit, und er hat uns rausgeworfen... ich denke, das habt Ihr mitbekommen.“ Lyaena nickte. „Leider ist Luca zu stolz, und unnachgiebig. Er wollt einfach nicht zu uns kommen, aus Angst dass es aussah, als käme er angekrochen, um mich um Hilfe anzuflehen.“ Morrigan seufzte. „Wie auch immer, jetzt sind wir ja da, und können uns um ihn kümmern, es wird alles gut werden, das verspreche ich.“
„Du wirst jetzt mit Morrigan gehen, ich werde dafür sorgen, dass Lady Lyaena gut nachhause kommt.“ meinte Rhael kalt, und warf Luca einen wütenden Blick zu.
„Vergiss es Rhael, ich...“
„Schon gut, Luca.“ meinte Lyaena, und legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn zu beruhigen. „Es ist nicht mehr weit bis zu mir, ich bin mir sicher, dein Freund kann mich den restlichen Weg begleiten. Es scheint ihm wirklich wichtig zu sein, dass du mit Morrigan gehst.“
„Nein, ich habe dich heute eingeladen, ich sollte dich auch nach...“
„Luca!“ zischte Morrigan ihn plötzlich an, und stand neben ihm. Dieser sah sie kurz an, dann seufzte er.
„Schon gut, ich komme ja mit.“ murmelte er, ehe er sich an Lyaena wandte. „Tut mir leid, dass der Abend so enden musste.“
„Es ist schon in Ordnung, du kannst ja nichts dafür.“ meinte Lyaena, und lächelte ihn an. Luca erwiderte ihr Lächeln, dann wandte er sich ab, und folgte Morrigan in eine Gasse in der Nähe, welche die beiden auf schnellstem Wege zu Lucas Haus führen würde.
„Wollen wir dann, Lady Lyaena?“ fragte Rhael mit kalter Stimme, und Lyaena nickte. Zusammen gingen sie den restlichen Weg, und hielten einige Meter von der Villa der Akashi entfernt an.
„Weiter müsst Ihr mich nicht begleiten... Rhael, den restlichen Weg finde ich alleine.“
„Sehr gut, dann bleibt nur noch eine Sache zu klären.“
„Und die wäre?“
„Haltet Euch von Luca fern.“ meinte Rhael, und starrte sie mit einem feindseligen Blick an.
„W-was? Was soll das heißen?“
„Genau das, was ich gesagt habe. Redet nicht mehr mit ihm, trefft Euch nicht mehr mit ihm. Am besten wäre es, wenn Ihr seine gesamte Existenz einfach ignoriert.“
„Ach ja? Warum sollte ich das tun?“ fragte Lyaena, und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr gefiel es ganz und gar nicht, wie dieser Rhael mit ihr redete.
„Weil Ihr alles zunichte macht, was ich so lange vorbereitet habe!“ zischte der Mann sie an, und spuckte auf den Boden vor ihr. „Wisst Ihr, wie lange es gedauert hat, ihn wieder funktionstüchtig zu kriegen, nachdem, was im Norden passiert ist? Mehr als drei Monate! Ich musste ihm erst hoch und heilig versichern, dass sein Bruder noch am Leben war, damit er überhaupt noch weiterleben wollte, mehrmals! Dieses verdammte Loch der Depression, hat mich Monate zurückgeworfen. Jetzt funktionierte er endlich wieder wie er sollte, und dann kommt Ihr daher, und müsst Euch einmischen!“
„W-wie redet Ihr da eigentlich von Luca? 'Funktionstüchtig'? 'Jetzt funktionierte er endlich wieder'? Ihr redet ja fast so, als wenn Luca...“
„Ein Gegenstand wäre?“ fragte Rhael, und Lyaena nickte. Dann lief es ihr kalt den Rücken herunter, als sie das bösartige Grinsen im Gesicht des Mannes sah. „Vielleicht liegt es daran, dass er genau das ist? Er ist kein Mensch, Lady Lyaena. Er war vielleicht mal einer, bei seiner Geburt, aber das ist schon lange her. Inzwischen ist er die perfektionierte Waffe, des Blutenden Turms, das mächtigste Werkzeug, der Bladelli Familie. Er ist der Blutrote Todesengel, der dafür geboren wurde Angst und Schrecken auf den Schlachtfeldern Midgards zu verbreiten, eine Waffe, dafür geschaffen die Feinde seiner Familie niederzustrecken, und vollständig zu vernichten. Angetrieben, von nur zwei Emotionen. Unbändige Loyalität und Liebe zu seinem Bruder, und Hass, Hass auf alles, was auf dieser Welt wandert. Nachdem der Kult vernichtet wurde, gab es bereits einmal eine... Komplikation, bei Luca. Eine Komplikation, die ich mithilfe einiger Verbündeten innerhalb der Kirche... beheben konnte.“
„Wovon faselt Ihr da eigentlich die ganze Zeit?“ fauchte Lyaena, und wurde ziemlich wütend. Ihr ging es gehörig auf die Nerven, wie dieser Rhael hier mit ihr redete.
„Das ist unwichtig.“ meinte Rhael, und seufzte. „Ihr müsst nicht wissen, wovon ich rede. Lasst Euch nur eines gesagt sein, haltet Euch von Luca fern, sonst muss ich ein weiteres Problem beseitigen.“ mit diesen Worten verschwand Rhael in einer nahen Seitengasse, und ließ Lyaena alleine in den Straßen Naveas zurück.
Zuletzt geändert von Mimir am 1. September 2014 16:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Kawaii Kingdom (Aura Kingdom AAR mit Vanidar)
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Die Goldene Faust, Thera AAR
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 1. September 2014 16:33

36. Die Prinzessin von Candeo (Öffnen)
36. Die Prinzessin von Candeo


In Gedanken versunken schloss Lyaena die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich und sah sich wie weggetreten in dem dunklen Raum um. Langsam wich die Sorge um Luca und seine merkwürdigen Freunde, machte Platz für andere, nicht weniger düstere Gedanken, von dem unglaublichen Glücksgefühl als der Bladelli ihr seine Liebe gestanden hatte, war nur noch wenig geblieben. Sie hatte es tatsächlich getan, sie hatte Teregion hintergangen! Sie hatte ihren Verlobten mit dessen Feind betrogen, einem Mann, der ihrer Familie und Teregions Kindern Gaias nichts als Leid zugefügt hatte, aber daran hatte sie den ganzen Abend kein einziges Mal gedacht. Luca war liebenswürdig, aufmerksam und vor allem liebte er sie und zeigte es ihr auch. Teregion dagegen ignorierte sie, wenn er sie nicht gerade mit jemandem aus seinem Orden betrog. Lyaena hatte keine Ahnung was sie jetzt tun sollte. Sie fühlte etwas für Luca, mehr als nur Freundschaft oder gewöhnliche Zuneigung und ja, sie würde so weit gehen und sagen dass sie ihn liebte. Auch wenn der ganze Abend sie verwirrte, würde sie nichts daran ändern und genau das verwirrte sie nur noch mehr. Panik machte sich in Lyaena breit, raubte ihr den Atem und schnürte ihr den Hals zu. Hatte sie nur mit Luca geschlafen um sich an ihrem Verlobten zu rächen? Es gab nichts wichtigeres für sie als Teregion. Sie liebte ihn! Aber dann wäre sie einfach nur gemein gegenüber Luca, der sie vergötterte. Wenn sie aber die Verlobung löste und zu Luca ging...ihr Vater würde sie dafür nicht gleich enterben und rauswerfen, es würde sich nicht viel ändern, aber sie würde ihre erste Liebe aufgeben, den Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Es wäre einfacher wenn sie beide haben könnte, aber das war keine wirkliche Option. Was sollte sie nur tun? Egal wie sich entschied, sie würde jemanden verletzen den sie liebte.
Vollkommen fertig und restlos von ihrer guten Stimmung befreit, warf sie sich verzweifelt auf ihr Bett, das plötzlich zum Leben erwachte und begann sich gegen sie zu verteidigen. „Au! Au, verflucht, was soll das?“ rief Lyaena und sprang auf, als die Decke begann nach ihr zu schlagen und zu treten. Angespannt beobachtete sie das sich windende etwas in ihrem Bett, bis sie erleichtert aufatmete. Langsam schälte sich eine verschlafene Teleya aus dem Wirrwarr hervor und blinzelte sie müde an.
„Da bist du ja endlich Nee-chan...“ murmelte das blonde Mädchen und versuchte noch immer sich von den Decke zu befreien und von ihrem Schock zu erholen „Mach das bitte nie wieder, Nee-chan, ich dachte ein gigantisches Monster hat sich auf mich gesetzt, um mich zu zerquetschen, das war unheimlich. Ich hatte Todesangst.“
„T-teleya?“ sie blinzelte verwirrt und überging den Spruch mit dem gigantischen Monster lieber, sie war in Gedanken noch immer zu weit weg um überhaupt zu erfassen worüber Teleya redete „Was machst du hier in meinem Zimmer? Ich hatte dir doch verboten an meine Sachen zu gehen wenn ich nicht da bin.“
„Ja, ich weiß aber...naja ich...“ stockend brach Teleya ab, verkroch sich wieder unter die Decke und zog sie bis zum Kinn hoch „Ich habe mich mit Vater gestritten und wollte hier auf deine Rückkehr warten, außerdem findet er mich hier nicht, nicht solange du mich versteckst und beschützt. D-du beschützte mich doch oder?“
„Weiß nicht, vielleicht. Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“ Lyaena versuchte die Frage nicht zu genervt klingen zu lassen, denn sie sah Tränen in Teleyas Augenwinkeln, also musste es diesmal etwas ernsteres sein. Normalerweise kümmerte sie sich gerne um ihre kleine Schwester, aber im Moment schwirrten ihr andere Dinge im Kopf herum, da hatte sie nur wenig Geduld, um sich auch noch mit Teleyas kleinen Problemchen rumzuschlagen.
„Vater...ich habe mal wieder versucht ihn zu überreden mich auf die Magierakademie zu lassen, aber dieser alte Sturkopf gibt einfach nicht nach!“ Teleya schlug ärgerlich die Decke weg und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust, während sie versuchte einen taffen Eindruck zu machen, obwohl sie inzwischen am ganzen Körper zitterte, was ihrer älteren Schwester langsam wirklich Sorgen machte „Dabei war Mama doch eine großartige Magierin! Davon erzählt er ständig, sie war die beste Zauberin unserer Familie und ich könnte genauso stark werden wie sie! Ich bin begabt, sogar Teregion sagt das, ich bin sogar besser als Yuki und selbst ihr hat er es erlaubt, also warum nicht mir?“
„Ich weiß es nicht, aber vielleicht liegt es daran was passiert ist, als Yukis magische Begabung sich entwickelte.“ Eigentlich war Yuki so ziemlich das letzte woran sie gerade denken wollte, aber es half dabei sie von ihren langsam aufkeimenden Schuldgefühlen abzulenken und sie beruhigte sich langsam. Die Panik verschwand nach und nach je mehr sie versuchte sich auf Teleyas Problem zu konzentrieren. Ihre vollkommen aufgelöste und verzweifelte Schwester bot die perfekte Ablenkung, auch wenn das etwas herzlos klang. „Ihr wahres Ich als Botschafterin Gaias trat zum Vorschein, was nicht weiter schlimm war, aber sie ist durch die magische Überprüfung der Kirche gefallen. Sie stellte eine Gefahr dar, zumindest laut diesen idiotischen Templern. Vater will einfach nur nicht das dir etwas ähnliches passiert, das ist alles. Er versucht dich vor der Kirche zu beschützen, dafür solltest du ihm dankbar sein.“
„Aber das ist unfair! Ich bin kein Botschafter Gaias und daran wird sich auch nichts ändern. Meine magischen Kräfte sind bereits vor einer ganzen Weile erwacht, wenn ich ein Botschafter wäre, würde jetzt irgendein Eidolon neben mir schweben.“
„Wie auch immer, das ist es was Vater entschieden hat, und ich bezweifle, dass ich viel daran ändern kann, selbst wenn ich nach seinem Rücktritt zum Oberhaupt der Familie werde. Er wird trotzdem noch die wichtigsten Entscheidungen selbst treffen, zumindest solange es um dich geht, du weißt wie er ist.“ und ich habe keine Lust mich wegen jeder Kleinigkeit mit ihm anzulegen, fügte Lyaena in Gedanken hinzu. Ihre Schwester war ihr wichtig, aber ohne die Unterstützung ihres Vaters würde es schwer werden für sie und Teregion, immerhin hasste der Rest der Familie ihren Verlobten und würde ihn am liebsten so schnell wie möglich hinrichten oder wenigstens verbannen.
„Darum geht es mir auch gar nicht. Die ganze Sache mit der Magie, war ja nur der Beginn unseres Streits, danach ging es erst richtig los und er...er...“ das Mädchen brach ab und begann plötzlich zu Schluchzen, als sie die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigte und wieder normal reden konnte ohne dabei zu weinen, wodurch sie immerhin endlich Lyaenas Aufmerksamkeit besaß. „Vater hat beschlossen mich noch vor seinem Rücktritt zu verheiraten und zwar in zwei Monaten, sobald ich Vierzehn bin.“
„E-er hat was?“ Vorsichtig, damit Teleya nicht sofort wieder in Tränen ausbrach, versuchte Lyaena mehr zu erfahren. Jetzt dachte sie endgültig nicht mehr an Luca oder Teregion, fühlte sich sogar einen Moment schlecht, als sie sah wie fertig ihre Schwester war und verdrängte ihre eigenen Probleme für den Augenblick, sie konnte sich morgen noch damit befassen, jetzt zählte erst einmal Teleya. Sie konnte nicht glauben das ihr Vater einfach so eine so schwerwiegende Entscheidung treffen würde, noch dazu alleine, so etwas hatte er noch nie getan! Eigentlich hatte Kyosuke bisher noch niemals an eine arrangierte Hochzeit für eine seiner Töchter gedacht, sondern ihnen immer eingetrichtert das es ihre eigene Entscheidung war, ihre Entscheidung, und die ihres Herzens. „Und an wen will er dich verheiraten?“
„An Halos.“ flüsterte sie und senkte den Blick, um deprimiert die Bettdecke anzustarren. Wenn es wenigstens jemand gewesen wäre den sie mochte, aber Halos war für sie gleichbedeutend mit der Todesstrafe.
„Unseren Cousin, der im Norden die Truppen anführt, seit Vater hier ist?“ Lyaena blinzelte verwirrt und versuchte ein Bild zu dem Namen zu finden. Sie hatten so schrecklich viele Cousins und Cousinen. Ihr Großvater war sehr...aktiv gewesen in gewissen Bereichen und das sein ganzes Leben lang. Ihr Vater hatte sechs Geschwister gehabt, dazu noch einmal acht Halbgeschwister von verschiedenen Affären und Geliebten. Lyaena selbst besaß kaum noch Erinnerungen an Hayato Akashi, ihr Großvater hatte sie nur selten im Süden besucht, vermutlich war er zu beschäftigt damit gewesen sich durch ganz Midgard zu schlafen. Es hieß er hatte sich sogar mit Alfar und Makar eingelassen, warum auch immer man mit den Spitzohren oder Löwenmenschen das Bett teilen wollte. Umso erstaunlicher fand Lyaena es wie ernst ihr eigener Vater war, vermutlich hatte er sich irgendwann geschworen niemals so zu werden wie Hayato und das war ihm auch gelungen. Seit dem Tod ihrer Mutter vor zehn Jahren hatte er keine Frau mehr angerührt.
„Ja, genau der. Halos Akashi, der Sohn unseres ältesten Onkels und derzeitiger Befehlshaber unserer Truppen an der Grenze.“ Teleya murmelte das wie in Trance vor sich hin und wickelte sich verzweifelt wieder in die Decke ein, um sich zu verkriechen, in der Hoffnung, das weder ihr Vater noch Halos sie hier jemals fanden. Sie würde einfach in Lyaenas Zimmer bleiben, solange bis Halos starb, das konnte nicht mehr so lange dauern, immerhin war er uralt.
„Mach dir keine Sorgen, Teleya. Er kann dich nicht einfach so verheiraten, immerhin wird er bald in den Ruhestand gehen, er kann nichts mehr ohne mich entscheiden, zumindest nichts so wichtiges. Wenn ich mit ihm rede, dann wird er es sich anders überlegen. Vielleicht schicken wir dich einfach noch für ein paar Monate zurück in den Süden und sobald er sich endgültig zurückgezogen hat kannst du wieder nach Navea, aber heiraten wirst du sicher nicht, das verspreche ich dir.“ Lyaena setzte ihr überzeugendstes Lächeln auf und tatsächlich hörte ihre Schwester auf zu zittern. Für so etwas wie die Magierakademie hätte sie sich nicht mit ihrem Vater angelegt, aber das hier, war etwas anderes, dafür würde sie kämpfen wie ein Löwe. „Du wirst erst heiraten, wenn du jemanden findest den du über alles liebst, das schwöre ich dir und Vater wird es genauso sehen. Er war sicher nur wütend in dem Moment und hatte keine Lust mehr zu streiten, mehr nicht. Er wird nachgeben und diese albernen Pläne verwerfen.“
„Nein, das wird er nicht, niemals. Ich habe sein Gesicht gesehen als er es mir sagte und er wird nicht nachgeben, egal was du versuchst.“ setzte Teleya ihr Weltuntergangsgerede unbeeindruckt fort ihre Schwester wusste nicht wovon sie sprach, noch nie hatte ihr Vater ihr Angst gemacht, aber als er von den Hochzeit sprang war seine Stimme kalt und voller berechnender Überzeugung gewesen, er würde sie verheiraten und wenn es das letzte war was er tat „Wir haben uns angeschrien und ich wollte unbedingt auf die Akademie, dann ist er plötzlich ganz ruhig geworden. Ich dachte im ersten Moment schon das er mich endlich einmal zuhörte, aber er hat mich einfach nur angesehen, während ich versuchte ihm zu erklären wie gut ich auch ohne Ausbildung schon bin. E...er hat einfach durch mich durchgesehen und hing seinen eigenen Gedanken nach, so wie immer. Irgendwann unterbrach er mich dann und fing an mir ohne viele Worte zu erklären, dass ich bald heiraten werde. Er habe diese endlose Diskussion satt und würde dafür sorgen, dass es ein für alle mal vorbei ist mit dem ganzen Unsinn.“ und damit kamen die Tränen wieder zurück, auch wenn sie wenigstens nicht wieder so heftig schluchzte, Teleya war gut darin sich in etwas hineinzusteigern, sehr gut, aber das war Lyaena auch, eine Art Familienkrankheit „Vater denkt kein bisschen an mich oder an das was ich will, sondern nur daran, dass er in Zukunft seine Ruhe vor mir hat und sich nicht mehr streiten muss! Er wird mich nach Norden zu diesem zurückgebliebenen Idioten schicken, wo ich entweder eingehen oder bald von Alfar und Dämonen in Stücke gerissen werde!“
„Ganz so schlimm ist es im Norden nun auch wieder nicht, aber du hast recht, es ist kein Ort für dich und ich verstehe nicht was in Vater vorgeht. Die Front ist zu gefährlich für ein kleines Mädchen.“ versuchte sie weiterhin Teleya zu beruhigen, seufzte kurz und ließ sich dann neben der anderen Akashi auf dem Bett nieder „Wie alt ist Halos eigentlich? Ich weiß das er der Älteste von uns ist, aber ansonsten habe ich keine Ahnung von ihm.“
„Er ist fünfunddreißig.“
„Oh...“ allmählich verstand sie warum Teleya so durchdrehte, denn langsam aber sicher nahm das Bild eines ernsten, schlaksigen Mannes mit sehr kurzen dunkelblonden Haaren Gestalt an. Er war glattrasiert wie alle Akashi und sie erinnerte sich besonders an seine grauen Augen, allerdings nur ungern, denn sie mochte ihn nicht. Er hatte etwas kaltes, bedrohliches an sich und es hieß er beneidete Lyaena und Teregion weil er sich für den rechtmäßigen Erben der Familie hielt. Immerhin war sein Vater der Älteste gewesen, es hätte ihm zugestanden und nicht Kyosuke, aber kaum jemand mochte ihn, also war er stattdessen zum schleimen und arschkriechen übergegangen, anscheinend mit Erfolg, wenn Kyosuke ihm einer seiner geliebten Töchter anvertrauen wollte. „Ah ja genau, Halos. Ich erinnere mich endlich an ihn. Vaters treuer Wachhund. Woher kennst du ihn eigentlich? Ich dachte er kommt selten weiter nach Süden als bis nach Navea und auch dann nur wenn Vater ihn zwingt. Es heißt er lebt für den Krieg und den Kampf für unsere Familie.“ Und es hieß auch das niemand im Norden so brutal und rücksichtslos vorging wie die Einheit von Halos, es hieß sie benahmen wie Barbaren und der ständige Kampf für den Ruhm der Akashi hinter der Front hätte sie zu Tieren gemacht, woran Lyaena aber nicht glaubte. Sie hatte Halos selbst ein paar mal gesehen, furchteinflößend war er, aber kein Berserker, dafür war er viel zu ruhig und kriecherisch.
„Er hat Yuki und mich vor einem Jahr mal im Süden besucht um irgendwas für Vater zu erledigen und sein Besuch war schrecklich! Er hat nichts anderes gemacht als stumm und unheimlich dazusitzen und uns mit Blicken auszuziehen! Ich weiß nicht wovor ich mehr Angst habe, davor zu heiraten oder davor ausgerechnet jemanden wie ihn zu heiraten. Vater hat zwar gesagt das ich nach der Hochzeitszeremonie noch ein paar Jahre im Süden bleiben kann, während er alleine zurück in den Norden geht, aber ich glaube ihm nicht. Er benimmt sich seltsam, sehr seltsam, ansonsten würde er mich nicht an seinen Wachhund verschenken!“ es lief Teleya eiskalt den Rücken runter wenn sie an die Augen des Mannes dachte, er hatte damals schon so gewirkt, als wollte er sie am liebsten sofort heiraten, entweder sie oder Yuki, und anscheinend hatte er damit Erfolg gehabt, leider. Aber sie würde er trotzdem nicht kriegen, niemals, eher würde sie lernen wie man Dämonen beschwor und sie auf ihn hetzen. „Yuki und ich haben die ganze Zeit, während seines Besuches, damit verbracht uns vor ihm zu verstecken, aber wie soll ich mich vor jemandem verstecken mit dem ich verheiratet bin!? Ich könnte vielleicht zu Yuki gehen, genau, das ist die perfekte Idee! Du lenkst einfach die Wachen am Eingang ab, ich verschwinde, finde Yuki und dann wird Fenris diesen Halos zerfleischen, das wird toll! Wir müssen nur...“
„Teleya, ich verspreche dir, dass ich mit Vater reden werde und nicht zulasse dass er dich an Halos gibt, aber du musst dich jetzt erst mal wieder beruhigen, ja?“ unterbrach Lyaena den panischen Redeschwall ihrer Schwester als sie begann Kopfschmerzen zu kriegen, genau das was sie gebraucht hatte, noch mehr Probleme. Lyaena legte ihrer Schwester einen Arm um den Körper und zog sie sanft zu sich heran. Sofort vergrub Teleya ihr Gesicht in Lyaenas Schulter, während sie ihr über den Kopf strich. „Du musst dir keine Sorgen mehr machen, ich kümmere mich um alles und wenn ich schon dabei bin bringe ich dich auch gleich auf die Magierakademie, immerhin bin ich bald das Oberhaupt der Familie, also kann ich nicht zusehen wie eine von uns leidet.“
„Danke.“ flüsterte ihre Schwester mit gebrochener Stimme und es schien tatsächlich zu funktionieren, denn nach einer Weile löste Teleya sich von ihr, wischte sich die Tränen aus den Augen und strahlte Lyaena erwartungsvoll an „Ach ja, das habe ich ja ganz vergessen!“ plötzlich leuchteten Teleyas Augen auf und sie lächelte fröhlich, sie hatte etwas gefunden um sich abzulenken „Du warst im Theater, um dir ´Die Hexe und der Magier` anzusehen! Wie war es? War es so toll wie ich es mir vorstelle? Ich habe die Plakate gesehen und Leute darüber reden hören und wollte auch schon immer mal in ein magisches Theater, aber leider gibt es die nur in Navea...der Süden ist halt einfach schrecklich einschläfernd. Die Leute auf unserem Land sind furchtbar ernst und langweilig. Alles dreht sich nur darum den Ruhm unserer Familie zu mehren und dafür ein Leben lang zu arbeiten und Opfer zu bringen. Dort würde niemand jemals auf die Idee kommen Magie und vor allem Zeit für so etwas wie ein Theaterstück zu verschwenden, aber das weißt du ja selbst noch gut genug.“ Als Einzelkind wäre sie auf den Ländereien ihrer Familie wahnsinnig geworden. Die paar Monate, die Lyaena wieder in Navea war, hatten Teleya schon vollkommen gereicht. Ohne Yuki und Lyaena, war das Leben im Süden einfach nur schrecklich, sie brauchte ihre Schwestern, oder Teregion, mit ihm war auch alles perfekt gewesen. Wenn sie schon heiraten musste, sollte ihr Vater lieber jemanden wie Teregion für sie finden, dann würde sie aufhören sich dagegen zu wehren, sofort. „Also, wie war die Vorstellung?“
„Ganz nett, aber auch ziemlich langweilig um ehrlich zu sein, es war nichts besonders, zumindest nicht für mich.“ log Lyaena rasch, um ehrlich zu sein erinnerte sie sich kaum noch an die Vorstellung, das was danach folgte, hatte den ganzen vorherigen Abend verblassen lassen „Aber ich war ja auch schon öfter dort, als ich mit Teregion hier lebte. Tut mir übrigens leid das ich dich nicht mitgenommen habe, aber so kurzfristig konnte ich nur noch eine Karte auftreiben. Das nächste Mal gehen wir zusammen hin, versprochen.“
„Das ist nicht wahr, du warst nicht alleine da, sondern mir diesem Bladelli über den Teregion sich so gerne aufregt. Wie war noch gleich sein Name?“ Teleya tat einen Moment so als würde sie angestrengt nachdenken und ignorierte dabei Lyaenas erschrockenen Blick, zum Glück, denn Lyaena wirkte im Moment ziemlich ertappt „Ah ja genau, Luca hieß er. Ich habe gehört dass er ein brutaler Mörder sein soll der sich durch unsere Familie schlachtet, vielleicht nicht der beste Umgang für die Erbin der Akashi.“ ein wissendes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, was dazu führte das Lyaena am liebsten sofort gefragt hätte wie viel ihre Schwester wirklich wusste, oder ob sie nur gut raten konnte „Normalerweise würde ich das interessant und irgendwie aufregend finden, weil du es tatsächlich wagst dich Vater zu widersetzen, aber im Moment ist es eher...beunruhigend. Er ist gefährlich, das müsstest du besser wissen als jeder andere, immerhin hat er dich entführt und vor deinen Augen Akashi umgebracht!“
„W-was? Woher weißt du das mit Luca? Und woher weiß du das Luca mich damals entführt und in das Lagerhaus gebracht hat? Davon habe ich niemals jemandem etwas...“ Lyaena brach ab und starrte ihre Schwester eindringlich an, als ihr langsam ein beunruhigender Gedanke kam. Trotz ihres vorherigen Gespräches konnte sie nicht anders als wütend zu werden und ballte zornig die Fäuste, das konnte einfach nicht wahr sein! „Teleya! Versuchst du gerade meine Gedanken zu lesen?“
„Nur ein ganz kleines bisschen, viel konnte ich nicht wirklich sehen.“ gab sie zu und wich Lyaenas Augen schuldbewusst aus.
„Lass das! Vater hat dir verboten deine Magie bei anderen Leuten anzuwenden, vor allem bei Familienmitgliedern! Du darfst die Magie der Akashi nicht missbrauchen, das weißt du!“
„Keine Sorge, ich bin sowieso noch nicht besonders gut darin, leider. Vater hält nicht viel davon meine magische Begabung zu fördern. Er will lieber das ich still bin und nicht auffalle. Seit Yuki ist er vorsichtig geworden und nervig, leider.“ sämtliche Schuldgefühle fielen von Teleya ab und sie zuckte nur kurz mit den Schultern, es war ja keine Absicht gewesen, aber der geistige Schutz ihrer Schwester war so unendlich schwach, jeder mit ein bisschen Talent stolperte im Vorbeigehen einfach aus Versehen in ihren Kopf. Teleya hatte das aber bisher erst ein einziges mal mit Absicht gemacht, nämlich direkt nach ihrer Ankunft, als sie sämtliche Informationen über Lyaenas und Teregions gemeinsame Zeit in sich aufgesogen hatte. Die Versuchung war einfach zu groß gewesen und sie hatte nicht widerstehen können. „Außerdem ist es nicht meine Schuld dass du keinerlei Begabung für Magie hast, ansonsten könntest du meine kleinen Versuche leicht abwehren. Jeder Drittklassige Zauberer könnte das ohne Probleme.“
„Darum geht es nicht!“ rief Lyaena aufgebracht und hielt sich die Hände an den Kopf, als würde sie versuchen ihre Gedanken zu beschützen, was vollkommen sinnlos war „Ich will nicht, dass du in meinem Kopf bist und du weißt doch ganz genau das Vater dich dafür bestrafe würde, wenn er es erfährt. Er hat dir verboten diese besondere Magie einzusetzen, er hat es jedem aus unserer Familie verboten. Akashi dürfen diese Macht nur im Kampf einsetzen oder um Verräter und Spione aufzuspüren, alles andere wird er hart bestrafen und das weißt du!“
„Ich weiß, ich weiß. Aber was ist überhaupt los mit dir, Lyaena?“ Teleya blinzelte verwirrt und auch etwas verstört über den zornigen Ausbruch ihrer Schwester, mit so etwas musste man halt rechnen wenn man eine Akashi war. Yuki und sie hatten sich sogar einen Spaß daraus gemacht im Geist Kämpfe auszutragen in denen es nur darum ging in die Gedanken des anderen zu gelangen, aber Yuki war halt auch begabt gewesen. „Ich...ich habe doch nur ein paar Bilder aufgeschnappt, weil ich daran gedacht habe das es schön wäre das Theaterstück zu sehen, das ist alles. Es war nicht böse gemeint, es ist einfach so passiert!“
„Das bringt dir nichts Teleya, du hast gegen die Regeln der Familie verstoßen und dafür musst du bestraft werden.“ fuhr Lyaena mit gespielt kalter Miene fort, es schien nicht so als hätte ihre Schwester was von dem restlichen Abend bemerkt, aber es konnte nicht schaden Teleya für die Zukunft etwas Angst einzujagen, damit so etwas niemals wieder passierte. „Ich sollte am besten sofort zu Vater gehen und ihm davon erzählen.“
„T-tut mir leid... es war keine Absicht, aber es passiert manchmal einfach von alleine wenn ich mich nicht darauf konzentriere meine Magie zu unterdrücken!“ Panik schwang in Teleyas Stimme mit und damit stand sie wieder kurz davor in Tränen auszubrechen „Ich wollte deine Gedanken gar nicht sehen, aber es ist so schwer diese Magie zu kontrollieren. Sobald ich nicht aufpassen...passiert es einfach und ich bin in den Köpfen der Menschen um mich herum, egal ob ich will oder nicht. Ich wollte dich nicht verärgern, sondern nur das Stück sehen! Bitte, ich muss bald wieder in den Süden und versuche nur so viel von Navea zu sehen wie möglich. Also bitte...bitte erzähl Vater nichts davon! Du weißt ganz genau was er tun würde! Er würde meine Magie versiegeln, weil es mir nicht erlaubt war sie einzusetzen. Er wird mir meine Magie vollständig nehmen und nichts zurücklassen!“
„Ich weiß und genau deswegen sollte ich zu ihm gehen, damit du deine Lektion lernst und nicht mehr...“ Lyaena seufzte und hielt die gespielte Strenge nicht mehr aus, also setzte sie wieder ein Lächeln auf und versuchte mal wieder ihre Schwester zu beruhigen „Mach dir keine Sorgen, das werde ich nicht tun. Ich weiß doch wie viel dir an deiner Magie liegt, aber ich will dass du dich in Zukunft zusammenreißt und versuchst in deinem eigenen Kopf zu bleiben, ja?“
„Ich werde es versuchen, vielen Dank!“ Teleya umarmte sie stürmisch, ihre Magie war alles was noch hatte wenn sie wirklich diesen Halos heiraten musste, ohne würde sie endgültig durchdrehen „Es tut mir wirklich leid, ich werde mich ab jetzt zurückhalten.“
„Was hast du eigentlich alles gesehen?“ fragte Lyaena nach und versuchte dabei so unschuldig wie möglich zu klingen.
„Ähm, naja, das was ich bereits gesagt habe, mehr nicht. Du bist mit diesem Bladelli ins Theater gegangen, ihr habt euch hingesetzt und dann begann das Stück, weiter bin ich nicht gekommen.“
„Oh, na dann.“ murmelte Lyaena und verstummte sofort wieder. Wovor hatte sie überhaupt so viel Angst? Sollte sie nicht lieber offen zu Luca stehen? Immerhin hatte sie mit ihm geschlafen und wenn sie ihn mehr liebte als Teregion...daran wollte sie am besten gar nicht erst denken.
„Ich vermisse unsere Schwester.“ durchbrach Teleya plötzlich die Stille und Lyaena wusste sofort was sie meinte, sie vermisste Yuki auch und wünschte sich ihre Schwester könnte zur Hochzeit kommen.
„Yuki wäre sicher gerne gekommen.“
„Ja, sie wäre genauso aufgeregt gewesen wie ich weil Teregion heiratet...ähm ich meinte weil du heiratest.“ Teleya erwiderte den Blick ihrer Schwester mit einem zaghaften, vorsichtigen Lächeln. Als die Verlobung von Lyaena und Teregion bekannt wurde, hatte sie Yuki und Teleya damit für eine Weile gegen sich aufgebracht und die beiden hatten immer neue Pläne erfunden um sie zu ärgern, bis sie ihr verziehen hatten. Lyaena konnte immerhin nichts dafür das sie die Älteste war, aber trotzdem waren sie weiterhin neidisch gewesen. „Jedenfalls denke ich nicht, dass sie es sich entgehen lässt. Ganz egal wo sie jetzt ist oder wie es ihr geht, sie wird auftauchen, da bin ich mir sicher. Ich...“ unsicher sah Teleya sie an und wusste nicht ob sie das wirklich aussprechen sollte, aber vielleicht wurde es ja wahr wenn sie jemandem davon erzählte und Yuki hörte es, vielleicht saß Yuki unter dem Bett und hörte jedes einzelne Wort! Dann musste sie es hören. „Naja, ich wünsche mir manchmal nur einfach, dass sie mich mitgenommen hätte. Ich mochte Fenris auch und wir hätten gemeinsam auf eine Abenteuerreise durch Midgard gehen können, aber stattdessen hat sie mich einfach so verlassen um mit ihrem Eidolon zu verschwinden. Warum hat sie das getan? Warum hat sie mich nicht mitgenommen oder mich gebeten sie zu begleiten? Wir waren immer zusammen, schon unser ganzes Leben und dann lässt sie mich plötzlich zurück.“
„Sie ist nicht auf einer Abenteurerreise, sie schlägt sich durch die Wildnis um den Templern und dem Scheiterhaufen zu entkommen. Das ist kein Spiel und auch kein toller Urlaub, das ist tödlicher Ernst und wer weiß ob sie überhaupt noch lebt.“ Lyaena brach ab, als ihre Schwester sie aus großen Augen besorgt ansah, das hatte jetzt auch nicht wirklich dazu beigetragen die Stimmung anzuheben „Aber hey, lassen wir das, du solltest aufhören dich so runterziehen zu lassen. Hör auf dir so viele Sorgen zu machen, das bringt dich nicht weiter.“
„Stimmt, bald wird so ziemlich jeder wichtige Akashi des Reiches in Navea eintreffen und auf einige freue ich mich schon! Zum Beispiel auf die Zwillinge, falls Vater ihnen erlaubt zur Hochzeit zu kommen, ich mag sie, jedenfalls mehr als Halos, immerhin sind sie nicht so schrecklich verbohrt und ernst.“
„Ja, richtig...die Hochzeit.“ flüsterte Lyaena und drückte ihre Schwester ganz fest an sich, als müsste sich selbst damit einen Halt und Kraft geben. Bald würden Hunderte Menschen feiern wie sie jemanden heiratete, von dem sie nicht einmal sicher wusste ob sie ihn überhaupt noch liebte. Wie Luca sich dann wohl fühlen würde wenn die Akashi die Stadt in ein einziges großes Fest verwandelten? „Ich denke nicht das sie kommen werden, du weißt ja was Vater von ihnen hält, aber es wird sicher trotzdem sehr...interessant.“



Noch immer, oder eher schon wieder, schleppte Aleyandra sich durch die Sümpfe Candeo. Sie hatte den ganzen Tag in der Nähe der Tempelruine auf der Lauer gelegen und sich irgendwann sogar rein gewagt als nichts zu sehen war, aber ohne Erfolg. Die Ruine lag einfach nur trostlos und verlassen da, ohne ein einziges Zeichen von Leben oder einem versteckten Kult. Anscheinend waren die Sarpa allesamt ausgeflogen, vielleicht hatten sie sich auch einfach ein neues Versteck gesucht und kamen nicht mehr zu der Ruine zurück. Aleyandra seufzte genervt, das fing ja großartig an. Jetzt durfte sie den ganzen verfluchten Sumpf nach dem neuen Versteck des Kultes absuchen, die gesamte stinkende, blaue Hölle, solange bis sie durch Zufall über eine Horde Sarpa stolperte, ein Kinderspiel. Sie hatte keine Ahnung wo sie anfangen sollte, aber immerhin hatte sie Bel Chandra dazu überreden können mal wieder Kundschafter zu spielen. Alessa war leider derzeit...verhindert, da sie mit Merilee spielen oder reiten oder essen oder irgendetwas anderes machen war. Wie auch immer, Bel Chandra würde die Sarpa aufspüren und dann konnte sie morgen zuschlagen, mit etwas Glück.
Erschöpft brach sie durch einige blaue Sträucher und atmete als erstes tief ein. Vor ihr erstreckten sich die Wiesen und Ebenen, die einen Großteil von Süd-Midgard bedeckten. Sie hatte es nicht über sich gebracht ihr Lager mitten in den Sümpfen aufzuschlagen. Dadurch musste sie zwar weiter laufen, aber wenigstens konnte sie hier den Wind spüren und die Sümpfe lagen hinter ihr. Es war noch immer nicht die wundervollste Gegend der Welt, aber sie konnte damit leben. Mitten auf einer Wiese lag ihr Gepäck um eine ausgebreitete Decke verstreut und auf der Decke saß etwas, was Aleyandra beinahe das Herz stillstehen ließ. Neben der Tee trinkenden und Dangos essenden Saeca, hockte ein Mädchen in Saecas Alter. Sie trug ein einfaches weißes Kleid aus Seide und lächelte Aleyandra wissend an. Die schwarzen Haare wurden von weißen, hell leuchtenden Strähnen durchzogen. Ihr Hals wurde von schillernden grünen Schuppen bedeckt, die sich von da an weiter nach unten schlängelten und vermutlich auch weitere Teile ihres Körpers bedeckten. Doch ihr Gesicht wirkte vollkommen menschlich, wenn man einmal von den spitzen Reißzähnen absah die zum Vorschein kamen als sie lächelte und den seltsamen Augen. Die Iris war schwarz und gesprenkelt mit dunkelgrünen Punkten. Ansonsten wirkte ihr Gesicht anziehend, fast schon perfekt, dafür dass sie von Fischen abstammte. Als sie eine Hand hob um Aleyandra zuzuwinken, zeigten sich fast durchsichtige Schwimmhäute zwischen ihren Fingern.
„W-w-was macht die denn hier?“ stammelte Aleyandra entsetzt drauf los, aber als die Armani ihr fragende Blicke zuwarf, beruhigte sie sich wieder ein bisschen, oder versuchte es zumindest mit wenig Erfolg „Saeca, was ist hier los? Wer ist dieses Mädchen und warum um alles in der Welt bist du so unachtsam!? Ich sagte dir doch das du vorsichtig sein sollst und dich nicht aus dem Wald wagen darfst!“
„Oh, keine Sorge, sie ist harmlos. Ihr Name ist Azhara und sie ist die Prinzessin von Candeo. Eine echte Prinzessin!“ begann Saeca voller Stolz zu erzählen, sie waren noch keine zwei Tage hier und schon hatte sie sich mit einer Bewohnerin des Sumpfes angefreundet und noch dazu Tee bekommen, dafür gab sie sogar ein oder Dangos an das andere Mädchen ab, das Aleyandra noch immer nicht aus den Augen ließ „Was ist denn? Wieso starrst du sie so an?“
„Ach...nur so.“ murmelte Aleyandra verwirrt und zuckte erschrocken zusammen als die halbe Dämonin anfing zu sprechen.
„Ihr müsst Aleyandra sein, die Onee-chan von Saeca-chan.“ Azhara neigte den Kopf um eine respektvolle Verbeugung anzudeuten und zeigte bei ihrem Lächeln noch einmal ihre scharfen Zähne in voller Pracht „Verzeiht meinen unangemeldeten Besuch, aber ich lebe am Rand der Sümpfe und habe mich gefragt wer diese beiden niedlichen Reisenden sein könnten. Aber es war unangebracht einfach so in euer Lager einzudringen und das tut mir wirklich leid. Ich hoffe wir können trotzdem Freundinnen werden.“
„Was du nicht sagst...“
„Sie hat mir Tee mitgebracht und zwar aus dem Norden, so etwas habe ich noch nie getrunken!“ unterbrach Saeca aufgeregt die angespannte Stimmung zwischen den beiden anderen Mädchen. Sie schien gar nicht zu bemerken wie unangenehm es Aleyandra war ausgerechnet Azhara hier zu sehen.
„Der Tee schmeckt deutlich besser mit Dangos, schade das es hier in den Sümpfen normalerweise keine Dangos gibt und mit meinem Volk will kaum jemand handeln, aber weiter im Norden, jenseits der Grenzfestungen Süd-Midgards, habe ich einmal welche gegessen, aber selbst dort sind sie selten.“ erklärte Azhara, unbekümmert von Aleyandras aufdringlichem Starren „Ach ja, wollt Ihr auch welchen?“
„Was?“ Aleyandra wurde aus ihren Gedanken gerissen, aber stand noch immer völlig neben sich. Ihr Ziel befand sich direkt vor ihr. Die halbdämonische Brut der Sarpa, die Rebellin gegen die Kirche, die Anführerin der Fischmonster, aber sie konnte es einfach nicht übers Herz bringen ihre Pistolen zu ziehen und Azhara zu erschießen, nicht solange Saeca dabei war. Die Armani würde es nicht verstehen, nicht nachdem sie Dangos mit dem Monster gegessen und Tee getrunken hatte.
„Tee, ich wollte wissen ob Ihr etwas Tee möchtet oder die Dangos lieber so esst?“ fragte Azhara noch einmal freundlich nach und hielt plötzlich eine kleine Kanne und einen Becher aus Ton in der Hand „Ich würde den Tee probieren. Die Kräuter stammen alle hier aus den Sümpfen, es ist erstaunlich was man alles aus den Pflanzen hier machen kann, wenn man es schafft nicht von den Mücken gefressen zu werden.“
„Ähm ja, Tee klingt gut, schätze ich.“ antwortete Aleyandra leise und ließ sich neben Saeca auf die Decke sinken, wobei sie versuchte so viel Abstand wie möglich zu Azhara zu halten. Obwohl sie sich Mühe gab völlig normal zu wirken, war sie noch immer angespannt und ließ ihr Ziel keine Sekunde unbeobachtet. Auch den seltsamen blauen Tee rührte sie nicht an und verschmähte sogar die Dangos, was ihr immer wieder Seitenblicke von Saeca einbrachte, bis sie einfach ihr Essen zu der Armani schob, ohne dabei den Blick von der lächelnden Azhara abzuwenden. Ihr war schleierhaft was die Dämonin plante. Wollte sie sich mit Saeca anfreunden in der Hoffnung zu überleben? Der Plan könnte sogar funktionieren, denn Saeca war ihr sehr wichtig und Aleyandra würde vor den Augen er Armani niemals etwas tun um Saeca zu verärgern. Irgendwann musste die halbe Sarpa sich aber von Saeca entfernen und dann, würde sie zuschlagen.
Azhara und Saeca unterhielten sich noch eine ganze Weile über die Candeo Sümpfe, den Cactaraka Wald und die richtige Zubereitung von Dangos. Die beiden schienen sich perfekt zu verstehen, zu perfekt. Aleyandra erwischte sich dabei, wie sie einen kleinen Stich verspürte als Saeca und Azhara über irgendetwas lachten während sie nur stumm dasaß. Irgendetwas stimmte hier eindeutig nicht. Saeca unterhielt sich freundlich mit einem Dämon und anstatt diesen Dämon zu erschießen trank Aleyandra mit ihr Tee...langsam glaubte sie wirklich daran dass sie verrückt wurde, anders war diese eigenartige Halluzination nicht zu erklären. Zum Glück beendeten die beiden ihr Picknick irgendwann, vielleicht spürte Saeca ja wie unwohl sich ihre Freundin fühlte, oder es lag einfach daran, dass die Sonne langsam unterging. Alle drei erhoben sich und Saeca begann die übriggebliebenen Dangos einzusammeln, mit ihrem Mund. In der Zwischenzeit entfernten sich Aleyandra und Azhara ein Stück von ihr, um sich endlich einmal über etwas ernsteres zu unterhalten.
„Warum bist du hier, Dämon?“ zischte Aleyandra das Sumpfmädchen wütend an und musste sich zurückhalten um weiterhin eine halbwegs gefasste Miene zu wahren für den Fall das Saeca rübersah „Hast du nicht wenigstens den Anstand mich im Sumpf zu überfallen wie jedes anständige Monster anstatt mit meiner Freundin Tee zu trinken? Was soll das hier werden? Denkst du etwa wir werden die besten Freundinnen?“
„Nein, denn ich weiß wieso du hier bist, Aleyandra Moraevion.“ antwortete die Halbdämonin, ohne sich von ihr aus der Ruhe bringen zu lassen. Ihre Stimme klang noch immer so freundlich wie bei dem Gespräch mit Saeca, doch irgendwo zwischen diese Freundlichkeit hatte sich ein bedrohlicher Unterton geschlichen.
„Ach ja? Ist auch nicht schwer zu erraten, immerhin habe ich schon gesagt dass ich gegen dich kämpfen will, Dämon.“ knurrte Aleyandra, eine Hand drohend auf den Griff einer Pistole gelegt, die Dämonin sollte endlich verschwinden, sofort, dann konnte sie Azhara verfolgen und erledigen sobald sie außer Sichtweite waren „Woher wusstest du überhaupt wo Saeca und unser Lager sind?“
„Wieso sollte ich es denn nicht wissen?“ Azhara legte den Kopf ein wenig schräg und blinzelte sie verwirrt an, als wäre es die absurdeste Frage aller Zeiten „Ich kenne dich immerhin schon mein ganzes Leben lang und ich weiß auch was dein Auftrag hier in Candeo ist.“ die Halbdämonin zwinkerte und setzte ein freches Lächeln auf, als wäre das alles für sie nichts weiter als ein Spiel „Du bist hier, um über mich und mein dämonisches Blut zu richten. Um mich im Namen der heiligen Kirche zu ermorden, damit ich nicht länger versuchen kann die rechtmäßigen Ansprüche meines Volkes zu vertreten. Oder zumindest so etwas in der Art. Warum genau die Kirche mich tot sehen will spielt denke ich keine große Rolle, jedenfalls nicht mehr.“
„Da hast du recht und es ist mir auch egal.“ erwiderte Aleyandra, noch immer verwirrt und aufgewühlt, sie war es nicht gewohnt so lange noch mit ihrer Beute zu reden, Tee zu trinken und zu picknicken, das gefiel ihr nicht „Warum bist du hierher gekommen wenn du weißt das es mein Auftrag ist dich umzubringen? Wieso hältst du dich nicht weiterhin in den Sümpfen versteckt?“
„Ich wollte dich vorher sehen, mehr nicht. Es erschien mir richtig, außerdem wer weiß, vielleicht war das hier unsere große Chance einen Krieg um diese Sümpfe zu verhindern und unser beider Leben zu retten? Außerdem bin ich gespannt darauf, wie unser nächstes Treffen ausgehen wird, Aleyandra. Immer wieder habe ich in den letzten Jahren diesen einen Moment durchlebt, doch jetzt, da es endlich so weit ist, weiß ich noch immer nicht wie es ausgehen wird. Es gibt zu viele Variablen, zu viele unterschiedliche Visionen von dem was passieren wird, so viele, das selbst eine Sarpa sich nicht mehr sicher sein kann was die nächsten Tage bringen werden. Ich hoffe aber wir finden trotzdem eine Zukunft, in der keiner von uns beiden sterben muss.“
„Ich...ich habe schon von den seherischen Kräften der Sarpa gehört.“ antwortete Aleyandra vorsichtig, diese Azhara war die Tochter der mächtigsten Seherin und Schamanin der Sarpa und eines Dämons, ihre geistigen Kräfte mussten die jeder anderen Sarpa weit übersteigen und selbst den gewöhnlichsten Angehörigen dieses Volkes sagte man nach die Zukunft und das Schicksal zu lesen wie ein Buch, wobei die Bücher der Kirche gerne einmal übertrieben „Gibt es denn auch Visionen in denen ich dich nicht umbringe?“
„Die gibt es.“ lautete die überraschende Antwort der Sarpa und brachte damit Aleyandra dazu sie aus weit aufgerissenen Augen anzustarren, wenn man Aleyandra eine Möglichkeit bot das ganze ohne Blutvergießen zu beenden, dann würde sie es sich anhören, vermutlich „Aber darüber, werden wir reden sobald wir uns wiedersehen. Ich werde dich morgen erwarten und hoffe dass du dich nicht verspätest, in meinem Zeitplan ist kein Spielraum, wenn du mich töten willst, dann musst du es vor Sonnenuntergang tun, oder gar nicht.“
„Ich kann kommen wann immer ich will. Was sollte mich davon abhalten dich später in der Nacht noch zu erschießen? Ich brauche kein Sonnenlicht um mein Ziel zu treffen.“
„Da bin ich mir sicher, aber es gibt derzeit keinen Grund dir all meine Geheimnisse zu verraten, nicht solange noch immer eine kleine Chance besteht, dass du morgen an meinen Wachen scheiterst.“ die selbsternannte Prinzessin von Candeo seufzt theatralisch „Ich weiß, die Chance ist verschwindend gering, immerhin sind meine Wachen allesamt Idioten, ansonsten hätte ich mich nicht so leicht wegschleichen können, aber es ist möglich das sie mich überraschen und ausnahmsweise einmal fähig sind oder Glück haben. Glück ist generell eine furchtbare Angelegenheit, es kann sämtliche Vorhersagen vernichten und alles ins Chaos stürzen.“
„Und wenn sie das nicht schaffen? Wenn sie genauso versagen wie erwartet und ich morgen mit meinen Pistolen vor dir stehe?“
„Dann...“ Azhara brach lächelnd ab und legte einen Zeigefinger auf ihre Lippen als wollte sie diese für immer versiegeln „Dann werden wir sehen was Schicksal für uns bereit hält. Wir reden weiter, wenn es wirklich so weit ist und ich hoffe, dass wir einen friedlichen Weg finden beide unser Gesicht zu wahren ohne den anderen zu töten.“
„Sagst du das nur aus Angst vor oder...oder willst du wirklich keinen Krieg gegen die Kirche führen und den Frieden in Candeo wahren?“ murmelte Aleyandra nachdenklich, das klang alles sehr nach dem sinnlosen Gestammel eines Feiglings. Diese Azhara hatte bestimmt nur Angst und war zu schwach um sich zu verteidigen.
„Angst?“ die Sarpa blinzelte Aleyandra einen Moment lang verwirrt an, bevor sie anfing hell und laut zu lachen „Ich bin ein halber Dämon, das solltest du nicht unterschätzen, aber ich denke das bringt mir nicht viel gegen jemanden in dessen Adern Eidolonblut fließt. Das silberne Licht Serenas wird dich vor meinen dämonischen Kräften beschützen, aber wenn wir uns nicht einigen, werde ich trotzdem versuchen mich zu verteidigen. Ich werde gegen dich kämpfen und dich besiegen.“
„Mir ist egal wer deine Eltern waren, ich besiege dich trotzdem, im Namen der Kirche und der Kinder Gaias.“ und hauptsächlich weil ich ansonsten auf einem Scheiterhaufen lande, fügte sie stumm in Gedanken hinzu.
„Wir werden sehen.“ murmelte Azhara vor sich hin, bevor sie ihre Hand hob, Saeca zuwinkte und sich lauthals verabschiedete „Auf Wiedersehen Saeca-chan! Ich hoffe wir können bald wieder zusammen Dangos Essen!“
„Auf Wiedersehen Azhara Nee-chan! Und danke für den Tee!“ Saeca winkte ebenfalls begeistert, aber nur kurz, denn sie war noch immer damit beschäftigt aufzuräumen...oder eher fertig zu essen.
„Sie sollte lieber nicht erfahren weshalb du hier bist, es sieht so aus, als würde sie mich mögen.“
„Saeca mag generell so ziemlich jeden, das gehört zu ihrer Persönlichkeit. Es ist mir egal ob du dich mit ihr angefreundet hast, du bist noch immer ein Dämon und eine Ketzerin. Das Saeca dich sympathisch findet wird nichts an meinem Auftrag ändern, du bist und bleibst ein Monster.“
„Wirklich? Ich bin das Monster? Interessant.“ in den Augen der Halbdämonin funkelte es kurz und sie grinste frech, wobei sie wieder kleine, spitze Fangzähne offenbarte „Ich weiß das du Erfahrung hast, wenn es um die Vernichtung von Dämonen geht. Aber ich bin kein wehrloses, kleines Mädchen, das dich um ihr Leben anfleht. Ich bin nicht Yuki Akashi und lasse mich auch nicht unschuldig von dir abschlachten.“
„Unschuldig? Yuki war vieles, aber ganz sicher nicht unschuldig. Sie und ihre Bestie haben ein Dutzend Templer in Stücke gerissen.“ versuchte Aleyandra vergeblich sich zu verteidigen, warum musste sie andauernd wieder jemand an Yuki erinnern? „Woher weißt du von ihr? Sie wird ja wohl kaum in deinen Visionen aufgetaucht sein um sich dir vorzustellen, immerhin hat sie keine Zukunft mehr...leider.“
„Stell mir die Frage morgen noch einmal, vielleicht gebe ich dir ja dann eine Antwort darauf, vielleicht aber auch nicht, wir werden sehen.“ damit wandte sich die Halbdämonin von ihr ab und verschwand zwischen den Bäumen in dem seltsamen blauen Licht von Candeo und ließ eine ratlose Aleyandra zurück.
„Onee-chan, das ist vielleicht kein guter Zeitpunkt aber...“ Saeca war plötzlich an ihrer Seite aufgetaucht und hielt Aleyandra davon ab Azhara zu verfolgen „Wir müssen langsam mal über meine Belohnung reden.“
„B-belohnung?“
„Für Plan C!“ rief Saeca ungeduldig, sie hatte jetzt lange genug auf ihren großen Augenblick gewartet, hatte sich lange genug geduldet, aber irgendwann, war halt einfach mal Schluss „Du bist nur dank meinem Kostüm und meinem Plan wieder mit Naruz zusammen und als Belohnung ignorierst du mich anstatt mich in ein Meer aus Dangos zu werfen.“
„Tut mir leid Saeca. Ich bin dir wirklich dankbar, aber du musst langsam einmal lernen, dass...“ Aleyandra machte eine kurze Pause und starrte dabei fast schon ängstlich in die weit aufgerissenen grünen Augen, welche sie freudestrahlend anfunkelten. Es fiel ihr schwer weiterzusprechen solange Saeca so ein erwartungsvolles und fröhliches Gesicht mache, wie sollte sie zu diesem Strahlen streng sein? Das war unmöglich! Trotzdem versuchte Aleyandra sich zusammenzureißen. Sie holte tief Luft, wandte den Blick von Saecas großen Augen ab und sprach weiter „Du wirst nicht mehr Geld für Dangos kriegen als sonst auch, es tut mir leid, aber du musst lernen mit dem auszukommen was du hast und nicht so gierig zu sein.“
„K-k-keine Dangos...“ doch anstatt wie erwartet in Träne auszubrechen fing Saeca sich überraschend schnell wieder und lächelte Aleyandra hinterlistig an, es wurde Zeit für ihren genialsten Plan aller Zeiten „Ich glaube ich besitze eine Kleinigkeit die deine Meinung ändern wird, Nee-chan.“
„Ach? Und was soll das sein?“
„Eine Geisel.“ flüsterte Saeca mit einem drohenden Unterton. Langsam, ohne Aleyandra einen einzigen Moment aus den Augen zu lassen, ging sie zu ihrem Gepäck und kramte etwas hervor. Als Aleyandra erkannte worum es sich handelte stockte ihr der Atem und sie war bereit Saeca mit Dangos zu erschlagen. Es war ein großer Zeichenblock. Saeca präsentierte stolz die erste Zeichnung ihrer Onee-chan. Das Bild zeigte Aleyandra und Naruz vor einem Altar, beide festlich gekleidet und sie strahlten vor lauter Freude, während sie sich an den Händen hielten. „Ach ja, du und Naruz in eurem glücklichsten Augenblick. Ein schöner Anfang. Wollen wir weiter blättern und nachsehen was auf den anderen Seiten so zu finden ist? Vielleicht sollten wir auch nach Candeo zu Naruz gehen und die Bilder mit ihm zusammen ansehen.“
„W-wo hast du das her!?“ rief Aleyandra sofort und sprang auf Saeca zu. Sie liebte es zu zeichnen wenn sie nicht gerade Naruz nachstellte oder für Silberblatt arbeitete, aber sie hatte immer darauf geachtet die Bilder vor Saeca zu verstecken. Sobald Saeca auftauchte warf sie Bleistifte und Papier von sich und suchte nach Notfalldangos um die Armani abzulenken. Das erste Bild war noch harmlos, aber weiter hinten gab es einige die...seltsamer wurden, vor allem als sie herausfand das Kleidung viel zu anstrengend zu zeichnen war und die Bilder nicht wirklich verbesserte.
„Ach, das musst du wirklich noch fragen, Onee-chan?“ grinsend blätterte Saeca weiter und zeigte immer mehr Bilder mit Naruz. Aleyandra war froh das die harmlosesten Bilder alle ganz oben waren, so hatte sie immerhin noch etwas Zeit. „Ich habe unsere ganze Wohnung auf den Kopf gestellt um gute Dangolager zu finden. Dachtest du wirklich ich würde dabei niemals unter unserem Bett nachsehen?“
„Ich hatte gehofft das Versteck wäre zu...gewöhnlich für dich und es wäre dort sicher.“ murmelte Aleyandra und setzte langsam einen Fuß vor den anderen, sie wollte ihre Beute nicht verschrecken, sondern nur etwas näher herankommen um dann blitzschnell zuzuschlagen.
„War es auch, aber mir sind die guten Verstecke leider schon vor einer ganzen Weile ausgegangen, also musste ich improvisieren. Was meinst du wie überrascht ich war, als unter dem Bett schon eine Truhe stand! Schade nur das keine Dangos drin waren, aber der Inhalt war trotzdem sehr...interessant.“
„I-ich kann das erklären...irgendwie...“
„Selbstverständlich kannst du das und ich bin schon gespannt auf die Erklärung. Jedenfalls habe ich die Truhe natürlich sofort geöffnet, immerhin musste ich doch überprüfen ob es sich um ein Dangolager handelt!“
„Was um alles in der Welt sollte ich mit einem Dangolager anfangen!?“
„Dangos lagern natürlich.“ erklärte Saeca besserwisserisch bevor sie fortfuhr „Aber stattdessen fand ich eine weiße Stoffkatze, einen silbernen Ring, eine Unterhose, ein paar andere Kleidungsstücke, ein paar zusammengebundene schwarze Haarsträhnen und natürlich diese Kleinigkeit hier. Du kannst toll zeichnen, die ganze Welt sollte es sehen und sich daran erfreuen!“
„Es...es ist...also das ist nur...“ Aleyandra senkte den Blick und fuhr dann sehr viel kleinlauter fort „Das ist meine Naruztruhe.“
„Naruztruhe?“
„Darin bewahre ich alle Geschenke auf die er mir jemals gemacht hat. Der Ring ist aus Helonia und gehörte einem Piratenkapitän, und die Stoffkatze hat er mir am Anfang unserer Beziehung in Navea gekauft, ab da waren wir fest zusammen.“
„Und dann hat er dir als nächstes eine Unterhose geschenkt?“
„N-nein, die habe ich mir...ausgeliehen, als wir gemeinsam bei den heißen Quellen waren und...u-u-und zwar weil...w-weil...sein Geruch und...und...“ Aleyandra brach ab und hob kurz den Kopf, nur um ihn sofort wieder zu senken als sie Saecas Starren bemerkte „Sieh mich nicht so an, Saeca. Ich weiß selbst wie verrückt sich das alles anhört, aber ich brauche meine Naruztruhe, ansonsten wäre ich durchgedreht als er mit mir Schluss gemacht hat und ich...ich erinnere mich einfach gerne an unsere gemeinsame Zeit, seine Geschenke helfen mir dabei, die Geschenke und die...anderen Dinge.“
„Ich glaube er sollte wissen dass du ihn beklaut hast!“
„D-das darfst du nicht!“ versuchte Aleyandra panisch zu erklären, wenn Naruz davon erfuhr war alles was sie gerade erst erreicht hatte wieder vorbei, er würde sie für vollkommen durchgeknallt halten. „Naruz muss das nicht wissen. Außerdem wird er wütend, wenn er hört dass ich mir mal seine Pinguine...ausgeliehen habe. Wirklich nur ausgeliehen, denn er würde es merken wenn einer von ihnen für längere Zeit fehlt, leider.“ fügte sie enttäuscht hinzu, gerne hätte sie mehr Andenken an Naruz, aber eigentlich brauchte sie diese sowieso nicht mehr, immerhin war sie ja jetzt wieder mit ihm zusammen. Die Pinguine hatte sie gebraucht um ihr Zimmer kurz umzudekorieren und es so aussehen zu lassen als würde sie gemeinsam mit Naruz dort leben. „Und jetzt, bitte, gib mir den Block, das ist privat und geht dich nichts an.“
„Mhm, nein, ich denke es geht mich etwas an solange ich keine Dangos kriege. Also dann, wollen wir mal sehen was du so gezeichnet hast Onee-chan, ich wollte das schon immer mal, normalerweise hütest du die Zeichnungen ja wie einen Schatz und lässt mich nicht mal in ihre Nähe.“ Saeca begann aufgeregt das erste Blatt zurückzuschlagen und schnell zu blättern, sie wusste nicht wie viel Zeit ihr blieb bis Aleyandra endgültig die Geduld verlor und sie vielleicht mit Gewalt dazu brachte den Zeichenblock rauszurücken „Hey da ist ja sogar mal ein Bild auf dem du nicht mit Naruz drauf bist. Ist das...ist das Silberblatt? Wow, er sieht irgendwie viel niedlicher aus als in Echt, du bist wirklich gut. Er und Naruz liegen sich in den Armen, die Gesichter sind ganz nah beieinander und sie schauen sich tief in die Augen voller Zuneigung, das ist toll. Es wäre schön wenn die beiden sich vertragen könnten, dann hätten wir viel weniger Stress.“
„Ja ähm...das ist mein inniger Wunsch nach Versöhnung zwischen Silberblatt und Naruz. Ich will das die beiden gute Freunde werden, immerhin ist Naruz mein Freund und Silberblatt naja...so eine Art Freund, schätze ich und mein Großmeister. Es ist besser wenn die beiden sich verstehen.“ während Aleyandra leise Unsinn vor sich hin murmelte, blickte sie verlegen ihre Füße an und bereitete sich darauf vor Saeca anzugreifen falls sie noch weiter ihre Zeichnungen durchsuchte, aber die Armani schien die aufziehende Gefahr nicht zu bemerken, sondern blätterte weiter in dem Zeichenblock umher.
„Oh und auf dem Bild ringen die beiden zusammen. Ein kleiner Freundschaftskampf, wie nett, aber warum müssen sie dazu nackt sein und sich so eng aneinanderpressen?“
„Das ähm fördert den Zusammenhalt und die Freundschaft...habe ich gehört. Ist ein alter Brauch in Süd-Midgard.“
„Wa-wa-wa-wa-wa...“ die Armani stammelte sinnlos herum, als sie weitergeblättert hatte und zum nächsten Bild kam. Sofort lief Saeca hochrot an und konnte den Blick gar nicht mehr von der Zeichnung abwenden, sie hatte keine Ahnung was genau sie da betrachtete. „Warum kniet Silberblatt denn vor dem nackten Naruz und leckt an dessen...“
„Gib das sofort her!“ Aleyandra riss endgültig der Geduldsfaden, sie sprang vor und wollte der Armani den Zeichenblock entreißen, aber Saeca sprang leichtfüßig ein Stück zurück und lief mit Aleyandras Schatz über die Wiese davon. „Saeca! Komm sofort zurück!“ Eine Weile beschäftigten sie sich damit einander über die Wiese zu jagen, wobei Saeca sich als erstaunlich flink und schwer zu greifen erwies, egal was Aleyandra versuchte, sie bekam die Armani nicht zu fassen...sie könnte vielleicht auf Saeca schießen, aber das wäre etwas übertrieben, also gab sie schwer atmend auf. „Also gut, du kannst dir von Silberblatts Geld so viele Dangos kaufen, bis unser Wohnzimmer bis Oben hin voll ist, verstanden? Sobald uns dort der Platz ausgeht, hörst du auf. Ich werde Silberblatt sowieso um etwas Geld bitten müssen.“ Teregion gab ihr alles was sie wollte, was sie langsam etwas nervös werden ließ. Am Anfang ihrer Ausbildung hatte er eigentlich deutlich genug gemacht, dass sie eigentlich keinen persönlichen Besitz haben durfte und jetzt warf er ihr alles was sie sich wünschte nur so hinterher. Sie musste nur zu ihm gehen und fragen. „Ach ja, und noch etwas.“ Aleyandra ging langsam auf Saeca zu, die noch immer etwas angespannt wirkte und auf der Hut war falls man nur versuchte sie auszutricksen, aber anstatt der Armani den Block sofort zu entreißen, umarmte Aleyandra sie so fest sie konnte und lächelte glücklich. „Danke für das Kostüm und die Mühe die du dir gibst, Saeca. Ohne dich wäre ich wirklich verloren.“
„Ich weiß, Onee-chan, aber...das ist noch kein Grund mich zu erwürgen!“
„Stimmt, aber das du meine Sachen klaust schon.“ Aleyandra drückte immer fester zu und versuchte die Armani mit ihrer Herzlichkeit zu vernichten, als Strafe. Aber als Saeca wirklich langsam begann keine Lust mehr zu kriegen ließ sie los. „Ich möchte das du morgen wirklich im Lager bleibst und auf mich wartest, ganz egal was du siehst oder was passiert, verstanden? Wenn Azhara noch einmal auftaucht, dann ruf sofort nach Bel Chandra, sie wird dir helfen.“
„Bel Chandra? Wozu sollte ich dieses widerliche Eidolon, rufen nur weil eine Freundin mich besuchen will?“ in Saecas Augen zeigten sich Unverständnis und Ratlosigkeit, aber wenigstens legte sie den Zeichenblock zurück zum Gepäck, zum Glück, denn die Zeichnungen von Silberblatt und Naruz waren nur die Spitze des Eisberges gewesen.
„F-freundin?“
„Ja, Azhara-chan und ich haben Dangos gegessen und sie hat mir Tee gebracht, außerdem war ich noch nie mit einer echten Prinzessin befreundet!“
„Das...das freut mich für dich.“ erklang es gepresst von Aleyandra, die kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen schien. Saeca durfte Azhara nicht vertrauen, was würde passieren wenn die Halbdämonin es sich in den Kopf setzte Saeca zu ermorden oder zu entführen nur um ihr weh zu tun? „Aber es wird bald sehr gefährlich in den Sümpfen und ich möchte, dass du dich bedeckt hältst. Es gibt hier bösartige und gefährliche Monster, am besten wir verlegen das Lager noch weiter nach Süden, weit, weit weg von diesem schrecklichen Sumpf.“



Lyaena stand vor Lucas kleinem Haus und klopfte zaghaft an die Tür. Es war der nächste Tag, der Tag nach diesem eigenartigen Abend und sie hatte noch immer keine Ahnung wie es jetzt weitergehen sollte. Eigentlich hatte sie geplant sich erst mal um Teleyas Problem zu kümmern, als Ablenkung von Luca und ihrem Verlobten, aber leider war ihr Vater heute nicht da. Er war früh am Morgen aufgebrochen, um sich einige ihrer Besitzungen außerhalb von Navea anzusehen, also war Lyaena keine andere Wahl geblieben als sich mit sich selbst zu beschäftigen und sie hatte eine Entscheidung getroffen ohne sich wirklich zu entscheiden, oder so etwas in der Art. Sie zuckte erschrocken zusammen als sich die Tür öffnete, im Moment war sie generell etwas schreckhaft und hatte sich den ganzen Weg hierher über einfach nur schuldig gefühlt. Vielleicht wäre es besser gewesen nicht zu kommen und Luca einfach zu ignorieren? Aber sobald er in der offenen Tür auftauchte und sie anlächelte, ging es ihr wenigstens etwas besser, aber ein kleiner Rest ihres unguten Gefühls blieb.
„Lyaena!“ rief er überrascht und blinzelte sie an, er hatte nicht damit gerechnet sie so bald wiederzusehen.
„Ähm, darf ich reinkommen oder störe ich dich?“ fragte sie vorsichtig und versuchte seinen strahlenden Augen auszuweichen so gut es ging.
„Natürlich, das brauchst du gar nicht zu fragen und du störst niemals.“ er machte Platz und Lyaena huschte schnell an ihm vorbei in seine kleine Wohnung. Ohne sich dort großartig umzusehen, wandte sie sich sofort an Luca.
„Ich naja, ich wollte eigentlich nachsehen wie es dir geht. Der Abend war gestern so schnell zu Ende und es ging dir so schlecht als deine Freunde dich mitgenommen haben also...“
„Ach, das war gar nichts. Mir geht es schon wieder viel besser, aber es tut mir leid, dass ich dich nicht nach Hause bringen konnte, ich hoffe Rhael war nicht zu...nervtötend.“ unterbrach Luca sie sofort und versuchte sich an einem Lächeln. Langsam schwand seine großartige Laune die bei ihrem Anblick aufgekommen war, als ihm mehr und mehr aufging warum sie vermutlich hier war. Schnell versuchte er das Thema zu wechseln und nicht mehr über den letzten Abend zu reden. „Oh, willst du etwas Essen? Ich mache die beste Lasagne in ganz Navea, warte einfach hier einen Moment, ich gehe schnell in die Küche und koche uns etwas.“
„Nein, das wird nicht nötig sein. Ich bin eigentlich hier um...“ doch Luca ließ sich nicht beirren. Er stürmte an ihr vorbei in die kleine Küche und Lyaena war gezwungen ihm zu folgen „Hey, warte!“
„Mhm, ich habe nicht mit Besuch gerechnet, also wird es nicht einfach etwas vernünftiges zu kochen, aber ich werde mir Mühe geben.“ Luca ging lächelnd zu einem kleinen Schrank und sobald er ihn öffnete, schlug ihm kühle Luft entgegen während blaue Runen aufleuchteten und den Blick auf den Inhalt des magischen Kühlschranks offenbarten. Leider offenbarte das Licht nicht allzu viel, nur gähnende Leere und einen Teller auf dem eine unförmige, schwarze Masse lag, die vermutlich schon ein paar Jahre alt war „Mhm, was meinst du, kann man das noch essen wenn man es lange genug brät?“
„Keine Ahnung...aber es scheint lebendig zu sein.“ mehr ging Lyaena nicht auf seine Kochpläne ein „Bitte hör auf damit abzulenken, wir müssen wirklich reden, außerdem will ich nicht dass du mich aus Versehen vergiftest.“
„Na schön, dann werde ich halt nichts kochen, aber wir könnten Essen gehen. Ich kenne ein tolles Restaurant im Westviertel und...“
„Luca hörst du mich überhaupt?“ fragte Lyaena unsicher und dachte schon irgendeine Krankheit hätte ihn gestern nicht nur kurz außer Gefecht gesetzt, sondern ihm für immer sein Gehör geraubt und anscheinend auch seinen Verstand.
„Jap tue ich, aber jetzt zurück zum Essen. Wo willst du am liebsten hin? Ich liebe ja Gerichte die aus dem Norden stammen, aber ich schätze als Akashi willst du lieber in ein traditionelleres Restaurant, also sollten wir es weiter im Süden versuchen. Am besten in der Nähe des Marktes und bei der Nachbildung des Gaia Würfels.“ schon wieder stürmte an Luca an ihr vorbei, zurück in das zentrale Schlaf- und Wohnzimmer. Rasch schnappte er sich seine Jacke die über einem Stuhl hing und wollte schon auf die Straße hetzen, als Lyaena ihn am Arm packte.
„Lass das endlich sein, ich habe keinen Hunger.“ noch immer wich er ihrem Blick aus, was Lyaena langsam alles vergessen ließ was sie eigentlich sagen wollte „Luca! Ich will das du mir zuhörst!“
„Wenn du unbedingt willst.“ Der Bladelli gab endgültig auf und ließ missmutig die Schultern hängen, jetzt würde das kommen, was immer passierte „Also dann, bring es hinter dich, Lyaena. Sag mir was du zu sagen hast, das du den Abend nett fandest, aber es am besten ist, wenn wir uns nicht mehr sehen und dass du...“ weiter kam er nicht mit seinen deprimierten Worten, Lyaena hatte nämlich genug von seinem sinnlosen Gestammel. Sie hatte ihre Arme um ihn gelegt und küsste Luca leidenschaftlich. Nach einer Weile lösten sie sich voneinander, Lyaena mit einem glücklichen Strahlen und Luca mit einem unendlich verwirrten Gesichtsausdruck.
„Ich liebe dich, Luca.“ hauchte sie und sofort bekam Luca eine Gänsehaut als er es hörte, es würde eine ganze Weile dauern bis er in der Lage wäre sich wirklich bewusst zu werden was sie gerade gesagt hatte „Das war alles, was ich dir sagen wollte.“
Luca sah ihr eine Weile sprachlos in die Augen. Er hatte keine Ahnung was er antworten sollte, mit vielem hatte er gerechnet, aber nicht damit, dass sie seine Gefühle wirklich erwiderte. Bis eben hatte er angenommen dass er nichts weiter als eine Ablenkung von ihrem nervigen Verlobten war. Sobald er seine Starre überwunden hatte, legte er stürmisch seine Arme um Lyaena und trug sie zu seinem Bett hinüber. Während sie sich auszogen fiel Lyaena auf dass seine Tätowierungen in einem dunklen, roten Licht glühten. Ob das mit seinem Anfall von gestern zusammenhing? Aber viele Gedanken verschwendete sie daran nicht mehr, denn sie war immerhin genau deswegen hier, um nicht mehr zu denken.
Nach einer Weile lagen sie Seite an Seite auf dem Bett und in Lyaenas Kopf rasten die dämlichsten Gedanken umher. Sie hatte keine Ahnung was sie als nächstes tun sollte. Einmal Teregion zu betrügen war schon schlimm genug gewesen, aber ein zweites Mal ließ sie langsam ernsthaft an ihrer Liebe zweifeln. Wie konnte sie ihn so hintergehen wenn sie ihn liebte? Es fühlte sich gut und richtig an in Lucas Nähe zu sein, aber genau das war es, was sie nur noch mehr verstörte.
„Lyaena.“ flüsterte Luca irgendwann, auch wenn sich alles in ihm dagegen wehrte diese Frage zu stellen, aber er konnte die Sorge auf ihrem Gesicht deutlich sehen. Es war anscheinend doch nicht so einfach wie er gehofft hatte, denn von ihrem glücklichen Strahlen war nicht viel übrig. „Was ist mit dir?“
„I-ich weiß es nicht.“ antwortete Lyaena ehrlich und entschied sich dazu einfach offen mit ihm zu reden, es hatte keinen Sinn das was sie fühlte in sich hineinzufressen „Ich müsste mich eigentlich zwischen dir und Teregion entscheiden und eigentlich...eigentlich sollte mir diese Entscheidung leicht fallen. Teregion hat mich in den letzten Monaten wie Dreck behandelt, mich ignoriert, betrogen und abgewiesen aber...aber trotzdem...“ sie brach kurz ab, als sie sah wie Luca das Gesicht verzog und sprach trotzdem stockend weiter „trotzdem liebe ich ihn. Ich liebe Teregion und...und ich weiß ob ich...ich...“
„Ich verstehe.“ antwortete Luca erstaunlich gelassen und rang sich ein beruhigendes Lächeln ab, er war froh über jeden Augenblick den er mit ihr verbrachte, sie musste sich nicht so quälen „Ich will dich nicht dazu drängen eine Entscheidung zu treffen. Wir können auch einfach alles so lassen wie es im Moment ist, das macht mir nichts aus.“
„Doch das macht es! Und ich will mich entscheiden naja...v-vielleicht, aber ich brauche mehr Zeit dafür, bitte. Vielleicht wäre es am besten wenn wir...“ eigentlich wollte sie vorschlagen dass sie sich nicht mehr sehen sollten bis sie sich sicher war dass sie Teregion nicht mehr liebte, aber das konnte sie nicht. Sie war seit fast einem Jahr einsam gewesen und endlich gab es jemanden der sich für sie interessierte, sie ausführte, ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas und sie über alles liebte und sie musste trotzdem noch an Teregion denken. Auch ihr Verlobter war früher so gewesen, je freundlicher Luca sich verhielt, desto mehr erinnerte sie das nur an die glücklichen Jahre mit Teregion. „D-du hast recht. Lass uns...lass uns einfach alles so lassen wie es jetzt ist und vergessen dass ich verlobt bin, aber ich verspreche dir, dass ich mich entscheiden werde.“ als Luca den Mund aufmachen wollte um zu widersprechen, sprach sie schnell weiter. Er wollte ihr nur wieder sagen das sie sich Zeit lassen sollte, aber das konnte sie nicht! Sie hatte sich den ganzen Tag verrückt gemacht und sie wusste, dass sie bei ihrem nächsten Treffen mit Teregion einen Nervenzusammenbruch kriegen würde. Sie war nicht geschaffen für eine heimliche Beziehung...auch wenn es irgendwie aufregend war. Aufregend und verwirrend. „Ich wäre nicht hier, wenn ich dich nicht lieben würde, Luca, das musst du mir glauben. Ich wäre nicht einmal mit dir ins Theater gegangen oder zu dem Pavillon im See. Ich werde mich entscheiden, das schwöre ich dir, und zwar noch vor der Hochzeit.“



Während Lyaena ihre kleine Dreiecksbeziehung begann und in den Armen des Bladelli lag, stand am anderen Ende des Reiches ein zierliches Mädchen auf einer kleinen Insel inmitten des Sumpfes von Candeo. Um sie herum schwirrten Mücken über das seichte Wasser und riesige Insekten krochen durch die Gegend oder schwammen, aber auf ihrer kleinen, mit dunklem Gras bewachsenen, Insel rührte sich nichts. Die Einwohner des Sumpfes machten einen großen Bogen um ihre Herrin, denn hier herrschte sie. Azhara seufzte, als sie daran dachte, dass die Menschen weiter im Süden immer mehr und mehr von ihrem geliebten Sumpf zerstörten. Sie legten die Sümpfe trocken und vernichteten die blaue Idylle von Candeo nur um ihre kleine Siedlung am Rande von Candeo langsam aber sicher zu einer richtigen Stadt auszubauen. Die Sarpa hatten sich dieses Verhalten lange genug gefallen lassen, es wurde Zeit zu handeln und in diesem Moment war sie ihrer Mutter sogar irgendwie dankbar, auch wenn diese verfluchte Hexe ein unheiliges Bündnis geschlossen hatte. Am liebsten hätte Azhara ohne die Verbündeten ihrer verstorbenen Mutter gekämpft, ohne die heuchlerischen Alfar und den, den sie nur als Schattenritter bezeichneten. Am liebsten wäre sie nur mit ihrem Volk gegen die eindringenden Menschen gezogen um der Kirche zu zeigen wie stark ihr Volk war, dass sie mehr waren als tumbe Fischmonster, aber dazu würde es ohne die Hilfe des Nordens niemals kommen. Vielleicht würde die Yggdrasil Republik ihnen ja wirklich die versprochene Freiheit schenken sobald sie den Kirchenstaat in die Knie zwang. Wirklich überzeugt war Azhara bisher nicht von den Versprechen der Nordlinge, aber alles war besser als die Unterdrückung durch die Kirche von Gaia und die Menschen. Die meisten Leute behandelten die Sarpa wie stumpfe Monster, gefährliche Kreaturen die nur ans Fressen dachten...womit sie bei großen Teilen ihres Volkes auch recht hatte, aber es gab auch Ausnahmen. Bevor sie sich weiter in ihren trüben Gedanken an die Zukunft der Sarpa verlieren konnte, spürte sie hinter sich jemanden und sofort drehte sie sich aufgeregt um. Endlich! Er war wirklich gekommen!
„Vater!“ Ein fröhliches Strahlen erfüllte ihr ganzes Gesicht. Hinter ihr stand Luciano. Azhara sprang auf und fiel dem Vampir um den Hals, um ihn so fest sie konnte zu umarmen. Er wirkte hier im gedämpften, blauen Licht von Candeo noch unheimlicher mit seiner blassen Haut, den schwarzen Augen und seiner dämonischen Ausstrahlung, aber das hielt sie nicht davon ab ihn am liebsten nie wieder loszulassen. „Ich wusste du würdest noch einmal vorbeikommen um mich zu sehen! Danke! Ich dachte schon du kommst nicht mehr!“
„Ähm...ich, freue mich auch dich zu sehen, Azhara.“ Luciano versuchte sogar sich ein zaghaftes Lächeln abzuringen so gut es irgendwie ging. Er fand es noch immer seltsam, dass es tatsächlich jemanden gab der es wagte ihn einfach so zu umarmen anstatt einfach wegzurennen, vor allem jemand mit so viel magischer Energie das ihm jedes mal das Wasser im Mund zusammenlief wenn er sie sah. Am liebsten hätte er sich sofort auf sie gestürzt, egal ob sie ihn so glücklich anstrahlte oder nicht, sie quoll förmlich über vor Magie.
„Wenn wir gewonnen haben und Candeo zur Republik gehört kommst du doch sicher öfter vorbei oder?“ Azhara ließ ihn widerwillig los, aber sah ihn noch immer erwartungsvoll an. Der Vampir war alles was sie hatte, abgesehen von ihrem Volk, und er besuchte sie viel zu selten. Insgeheim wusste sie, dass sie ihm nichts bedeutete, aber redete es sich trotzdem gerne ein.
„Wir werden sehen wie sich die Dinge morgen entwickeln.“ murmelte Luciano ausweichend. Der Anblick seiner Tochter erinnerte ihn nur jedes Mal wieder daran, dass diese verfluchte Sarpa ihn ausgetrickst hatte. Sie war sehr mächtig gewesen und irgendwie war es ihr gelungen sich als Hel auszugeben indem sie seine Gedanken und Wahrnehmung manipulierte, ansonsten hätte er sich niemals mit ihr eingelassen, aber daran konnte er jetzt nicht mehr viel ändern. Immerhin war dieser halbsarpa Bastard noch zu etwas nütze. „Aber jetzt sollten wir uns alle auf unsere Aufgaben konzentrieren. Du hast hoffentlich nicht vergessen was du morgen zu tun hast?“
„B-bist du nur hier um über unseren Schlachtplan zu reden?“ fragte Azhara enttäuscht und senkte deprimiert den Blick „Und ich dachte du bist hier um mich zu sehen...“
„Natürlich, deswegen bin ich auch hier.“ versuchte der Vampir ihr halbherzig zu versichern, auch wenn er sich dabei nicht sonderlich viel Mühe gab „Aber im Moment, ist nichts wichtiger als unser Plan. Alles muss funktionieren, ansonsten könnte es sein das wir versagen und alle sterben, hast du das verstanden?“
„Ja, ja, ich weiß“ murmelte die Herrscherin von Candeo bedrückt „Meine Sarpa werden wie geplant zu Hunderten über die Menschen von Candeo herfallen und den Templern keine andere Wahl lassen als zu handeln. Sobald die Truppen der Kirche in eine Schlacht mit meinem Volk verwickelt sind habt ihr eure Ruhe, könnt euren Plan umsetzen und letztendlich zu uns stoßen um die Sümpfe von den Menschen zu befreien.“
„Richtig. Also bleib am besten einfach hier und lenke die Kämpfe mithilfe deiner Gedanken, ich weiß das es dich viel Kraft kostet, aber wenn du selber in die Schlacht ziehst und die Templer zu dir durchbrechen könnte der ganze Angriff in sich zusammenfallen.“ erklärte Luciano ihr geduldig, auch wenn er wusste dass sie ihre Aufgabe gut erfüllen würde. Er kümmerte sich vielleicht nicht um sie, aber sie würde alles für ihn tun und sich Mühe geben. Der Vampir drehte sich ohne ein weiteres Wort um und wollte verschwinden, aber seine Tochter hielt ihn von hinten an seiner Kleidung fest.
„W-warte bitte. Ich muss dich noch etwas fragen.“ als er sich mit einem zornigen Funkeln in den Augen umdrehte, ließ sie ihn so schnell wie möglich los und wich ein paar Schritte zurück, aber sprach trotzdem weiter „Können wir...also...kannst du unsere Vereinigung noch vollziehen bevor du dich dem Angriff auf den Tempel anschließt? Ich weiß, dass ich dann nicht mehr in der Lage wäre mein Volk anzuführen aber...“
„Jetzt? Du willst das wir das Ritual jetzt durchführen, so kurz vor der Schlacht?“ fragte er überrascht, noch nie hatte sich ein Opfer freiwillig angeboten und vor allem kein so...schmackhaftes. Azhara verfügte zwar auch selbst über große Kräfte, aber am wichtigsten an ihr war dass sie Magie in sich aufnehmen und auf Ewig speichern konnte. Nicht nur Magie von anderen Personen, sondern auch von ihrer Umgebung, von allem was lebte. Durch sie floss im Moment die gesamte Magie ihres Volkes und der Sümpfe, ganz Candeo floss durch ihre Adern und das ganze ließ sie im Laufe der Zeit zu einem wahren Leuchtfeuer der Magie werden, dem er sich nur schwer entziehen konnte. Er spürte bereits wie sein Verlangen stieg und drohte ihn zu überwältigen, aber er durfte nicht, noch nicht. „Es ist wichtig dass du deine magischen Kräfte für die Schlacht aufsparst. Selbst wenn du unsere...Vereinigung überleben solltest, wirst du danach zu geschwächt sein um die Geister der Sarpa zu lenken.“
„I-ich weiß aber...“
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Kleine.“ antwortete er und versuchte dabei irgendwie freundlich zu klingen, hoffentlich sah er nicht zu unheimlich dabei aus. Alles in ihm drängte den Vampir dazu sich auf sie zu stürzen und ihre Magie aufzusaugen bis nichts mehr als eine leere, tote Hülle übrig blieb. Ihr Anblick trieb in langsam aber sicher in den Wahnsinn, vor allem da sie sich anscheinend sogar auf die Vereinigung freute. Vereinigung...sie hatte ein nettes Wort dafür gefunden das er einfach nur ihre Magie fraß und sie aussaugte. „Konzentriere dich einfach auf das was vor dir liegt. Du willst doch nicht das die Templer uns besiegen und beide umbringen, oder?“
„Nein, das will ich nicht.“ flüsterte Azhara und als er sich wieder umdrehte um zu gehen hielt sie ihn nicht mehr auf „Ich weiß wie wichtig der Tempel dir ist aber...“ Der Vampir ging über das Wasser davon, um sich wieder um seinen Teil des Plans am anderen Ende der Sümpfe zu kümmern. Sobald er außer Sicht war begann Azhara ängstlich zu zittern. Ihr letzter Schutz verschwand gerade zwischen den Bäumen und dem blauen Licht. „Aber ich hatte gehofft, du bleibst an meiner Seite, um mich vor der silbernen Mörderin zu beschützen. Du wärst der einzige, der mich retten könnte, aber ich hätte es besser wissen müssen.“ Letztendlich war sie für ihn nichts weiter als ein Speicher für Magie, ein Vorratslager, das er eines Tages plündern und verschlingen würde, mehr nicht. Das sie seine Tochter war bedeutete dem Dämon wenig, es reichte gerade so damit er sich wenigstens beherrschte bis sie sich mit Magie vollgesogen hatte und eine noch bessere Mahlzeit abgab. Obwohl sie sich geschworen hatte ihrem Ende aufrecht entgegenzutreten, musste Azhara anfangen zu schluchzen. Es war alles so wie in ihre Visionen und mit jeder Sekunde die verging schwanden ihre Chancen. Doch sie konnte wenigstens noch ihrem Vater helfen seine Ziele zu erreichen. Sie musste sich zusammenreißen und die Schlacht gegen die Templer gewinnen. Nach einer Weile versiegten ihre Tränen und das Schluchzen erstarb langsam. Sie wusste, dass sie im Moment noch sicher war, zumindest so viel hatten die Visionen ihr verraten. Die Mörderin würde erst angreifen sobald der Angriff ihrer Sarpa schon begonnen hatte, also nicht vor dem morgigen Tag. Und selbst wenn sie kam, bestand noch immer die Möglichkeit sich zu einigen. Sie hatte Visionen gesehen in denen sie überlebte, aber deutlich mehr in denen die silberne Mörderin sie erschoss und keine in der sie den Kampf gewann.
Azhara atmete tief durch und ließ ihren Geist aus ihrem Körper heraus wandern um durch die Sümpfe zu streifen. Sie suchte ganz Candeo nach jeder einzelnen Sarpa ab, nach jedem Angehörigen ihres Volkes und drang in deren Geist ein. Keiner von ihnen war in der Lage sich ihrem Ruf und ihrer Kontrolle zu widersetzen. Schon bald brachen immer mehr Sarpa aus dem Wasser hervor oder schlängelten sich an die Insel heran. Hunderte der Fischmonster versammelten sich um die Insel und es würden noch den ganzen Tag mehr eintreffen aus den entlegensten Winkeln von Candeo. Sie alle waren ruhig und starrten ihre Herrin einfach nur an, denn Azhara hatte sich dazu entschieden, dass es leichter war sie selbst zu kontrollieren. Die Sarpa waren normalerweise nicht für eine richtige Schlacht geschaffen und würden nach wenigen Minuten wegrennen, aber das konnten sie jetzt nicht mehr. Azharas Geist war zu mächtig und brach den Widerstand eines ganzen Volkes nur mithilfe von Magie. Ihre Mutter und auch sie selbst hatten viel Zeit darauf verwendet die Magie der Sarpa auszudünnen, jede Seherin oder Schamanin der Sarpa musste in den letzten Jahren ihre magische Energie an den halben Vampir abgeben. Azhara hatte sich Mühe gegeben niemanden dabei zu töten, aber das war nicht leicht.
Zufrieden sah sie sich um. Es waren genug versammelt für eine erste Angriffswelle, später konnte sie noch immer die Hauptstreitmacht nachschicken sobald alle sich gesammelt hatten. Auf einen einzigen Gedanken von ihr hin setzten hunderte Sarpa sich in Bewegung. Schlängelten sich durch das Wasser in Richtung Süden davon und zum ersten Mal fühlte sie sich heute sicher. Der Anblick half ihr. Der Anblick ihrer eigenen Armee. Die silberne Mörderin sollte ruhig versuchen sie zu töten wenn sie in der Lage war Tausende Sarpa mithilfe ihres Verstandes zu kontrollieren. Doch so sehr Azhara auch versuchte sich selbst das einzureden, sie wusste bereits, dass die Mörderin sich nicht von ihren Sarpa aufhalten lassen würde. Sie hatte zu viele mögliche Varianten ihrer Zukunft gesehen, um sich auf die bloße Zahl ihrer Kriegerinnen zu verlassen. Ihr Vater hätte die silberne Mörderin besiegen können. Gegen den Vampir wäre sie machtlos gewesen, aber in keiner einzigen Zukunft aus ihren Visionen war er da geblieben um sie zu beschützen. Immer ging er um den Tempel anzugreifen und ließ sie zum sterben zurück. Es schien ihr Schicksal zu sein diesen Tag nicht zu überleben, aber sie klammerte sich weiterhin an einige Visionen, in denen alles gut wurde. Noch konnte sie gegen die silberne Mörderin gewinnen, sie war nicht schwach, sondern die Tochter eines Vampirs und der Hohepriesterin der Sarpa! Das Mädchen mit den seltsamen Haaren würde sicher verlieren, versuchte Azhara sich einzureden um sich Mut zu machen. Irgendwie würde sie es schaffen, ihre Visionen hatten ihr alles gezeigt was sie wissen musste und irgendwo gab es eine Möglichkeit ihr Schicksal zu verändern, sie musste diese Möglichkeit nur finden und danach greifen.
Zuletzt geändert von Vanidar am 7. September 2014 01:58, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 7. September 2014 01:45

37 - Die Schlacht von Candeo (Öffnen)
Kapitel 37 – Die Schlacht von Candeo:


Candeo war zwar die größte, menschliche Siedlung in den Sümpfen von Süd-Midgard, oder besser gesagt, an deren Rande, aber verglichen mit Städten wie Demarech, Vo Astur oder gar Navea, war es nicht mehr, als eine winzige Ansiedlung. Das größte Gebäude hier war mit Abstand das Hauptquartier der Smaragdgilde, welches sich am Rande der Siedlung befand, und auch dieses war, verglichen mit dem Hauptquartier der Saphirgilde in Navea, eher klein. Vor genau diesem Gebäude stand Cora, gekleidet in eine grüne Robe, einem Stab mit in der Spitze eingefügtem Smaragd in der Hand und einem freundlichen Lächeln im Gesicht, welches sie den beiden älteren Magiern schenkten, die neben der Eingangstür standen. Sie gehörten mit zu den letzten Magiern, die sich noch hier befanden, das Hauptquartier ihrer Gilde war eh immer spärlich besetzt, weil die meisten Magier durch ganz Midgard reisten um ihre Forschungen zu betreiben. Dazu kam, dass Luciano in den letzten Monaten immer mehr von ihnen ermordet hatte und dass die Kirche, ganz wie von Dârthallion geplant, die meisten der verbliebenen Magier nach Norden abgezogen hatte, um dort gegen die Sarpa vorzugehen. Cora musste sich beherrschen, um nicht das Gesicht zu verziehen als sie an die Schlangenwesen dachte, noch schlimmer als diese... Dinger war eigentlich nur die ekelhafte Harpyie, welche die Dämonen Pandämoniums hier in Candeo anführte. Sie war eine mächtige Erzdämonin und mochte durchaus in der Lage sein, ihren Auftrag hier zu erfüllen, aber Cora mochte sie trotzdem nicht, oder vielleicht gerade deswegen. Sie war dermaßen arrogant, dass Cora es nicht länger als ein paar Minuten in ihrer Nähe ausgehalten hatte, zum Glück musste sie nicht viel mit ihr zu tun haben, denn sie und der Professor hatten eine gänzlich andere Aufgabe hier in Candeo, eine Aufgabe, die Cora persönlich viel wichtiger fand, als irgendein dämliches, altes Portal zu öffnen um ein paar Dämonen zu beschwören. Sie war hier, um ein Buch aus dem Hauptquartier der Gilde zu entwenden, welches sich seit knapp zehn Jahren in der hiesigen Bibliothek befand. Dârthallion und der Schattenritter waren schon seit längerer Zeit daran interessiert, aber erst jetzt hatten sie herausgefunden, wo es sich befand. Cora wusste nicht genau, um was für ein Buch es sich handelte, aber mit dem Titel der Verfasserin, konnte sogar sie etwas anfangen; Erica Bladelli. Allerdings hatte sie erst von ihr gehört, nachdem sie zu den Alfar übergelaufen war, Dârthallion erwähnte sie des öfteren, er kannte sie zwar nicht, aber sehr wohl ihre Arbeit und er war ziemlich begeistert von dem, was die Verräterin vor ihrem Tod so geschafft hatte. Wenn sie ehrlich war, war Cora ein wenig neidisch auf die verstorbene Verräterin, weil Dârthallion nur Lob für sie und ihre Forschungen übrig hatte. Er munterte Cora zwar auch auf, nach ihren misslungenen Experimenten, von denen es in letzter Zeit immer mehr gegeben hatte, und ermutigte sie dazu, nicht aufzugeben und immer weiter zu machen, aber wirklich gelobt hatte er sie noch nie. Cora schüttelte kurz den Kopf, um nicht mehr daran zu denken und sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
„Willkommen zuhause, Schwester.“ sprach einer der beiden Magier sie schließlich an und musterte sie aufmerksam. „Wie war deine Reise?“
„Es freut mich, zurück zu sein, Bruder.“ meinte Cora und machte einen kleinen Knicks vor dem Magier. „Meine Reise war recht ereignislos, ich habe nicht gefunden wonach ich gesucht habe, also bin ich gekommen, um Zugang zur Bibliothek der Gilde zu beantragen. Ich glaube nämlich, dass sich in einem der Bücher dort genauere Informationen zum Ziel meiner Suche befinden.“
„Oh? Du weißt doch Schwester, nicht jeder darf einfach so auf die Bibliothek zugreifen, woran forschst du eigentlich zur Zeit?“
„Och, nichts besonderes. Hauptsächlich daran, wie man eine perfekte, menschliche Waffe schafft, einen perfekten, Homunkulus.“ Die beiden Magier sahen sie kurz verdutzt an. Dann lächelte einer von ihnen schwach, während der andere missmutig den Kopf schüttelte.
„Guter Scherz, Schwester. Du weißt doch, dass die Forschungen zu künstlichen Lebewesen verboten...“ bevor er weiterreden konnte schnellte Cora nach vorn und schlug ihren Stab in den Kehlkopf des rechten Magiers, ehe sie ihre linke Hand auf den anderen richtete und dessen magische Barrieren zerschmetterte, die kaum existent waren; wer rechnete auch damit, inmitten seiner Heimatstadt, von feindlichen Magiern angegriffen zu werden? Er schaffte es zwar noch seinen Stab auf Cora zu richten, aber dank der Armringe, die Dârthallion ihr geschenkt hatte, wirkte ihr Zauber weit schneller als der des Magiers, und der Mann ging in bläuliche Flammen auf. Cora zögerte keinen Augenblick, sie betrat das Gebäude und schlängelte sich durch die schmalen Korridore, bis sie an einer unscheinbaren, schwarzen Tür angelangt war. Nach Lucianos Informationen, war dies die Bibliothek der Smaragdgilde, blieb also nur zu hoffen, dass der Vampir sich nicht geirrt oder gelogen hatte. Sie sah sich kurz um, aber niemand war in der Nähe, natürlich nicht. Wahrscheinlich befanden sich außer den zwei, mittlerweile toten, Magiern vom Eingang nur ein halbes Dutzend anderer Gildenmitglieder hier, und die befanden sich bestimmt irgendwo im Gemeinschaftsraum oder den Schlafsälen. Vorsichtig öffnete Cora die Tür und warf einen Blick hinein, ehe sie den Raum betrat und die Tür wieder hinter sich schloss. Es war wirklich die Bibliothek und sie war weit größer, als sie es eigentlich erwartet hatte. Hier standen Dutzende Regale aneinander gereiht, jedes mit hunderten Büchern gefüllt. Dazu kamen scheinbar unendliche Glasvitrinen, mit alten Schriftrollen und Texten. Wie sollte sie hier das Buch finden, dass Dârthallion haben wollte? Das würde ewig dauern! Aber gut, sich zu beschweren würde nichts bringen, also ging Cora zu den Glasvitrinen und begann, sich die Texte anzusehen, die dort ausgestellt waren, allerdings fand sie nicht wirklich etwas, was ihr ein Seufzen entlockte. Sie wäre jetzt viel lieber in ihrem Hauptquartier, zusammen mit Dârthallion um an ihrem Projekt zu arbeiten. Oder noch besser; in Alfheim, um dort etwas mit dem Professor zu unternehmen. Sie musste unwillkürlich lächeln, als sie ihre Augen sah, die sich in der Vitrine spiegelten. Dârthallion hatte sie ihr persönlich eingesetzt, ein besseres Geschenk gab es einfach nicht! Wenn sie nur jeden Tag mit dem Alfar verbringen könnte, anstatt sich in irgendwelchen sumpfigen Gegenden rumzuschlagen und alten Büchern nachzujagen, wäre ihr Leben einfach nur perfekt.
„Huch? Wen haben wir denn hier?“ erklang auf einmal eine Stimme hinter Cora und diese fuhr sofort herum, während sie instinktiv zwei sensenartige Klingen aus silberner Energie in die Richtung schickte, aus der die Stimme kam. Dort stand eine junge Alfar mit kurzen Haaren, gekleidet in ein schwarzes Kleid mit weitem Ausschnitt und schwarzen, seidenen Handschuhen. Kurz bevor die Klingen die Frau erreichten, lösten sie sich einfach in Luft auf und die Alfar lächelte sie an. „Habe ich dich erschreckt? Deiner übertriebenen Reaktion nach zu urteilen dürftest du gar nicht hier sein, oder?“ Anstatt zu antworten begann Cora erneut einen Zauber zu wirken, bevor sie jedoch dazu kam deutete die Alfar mit einem Finger auf sie, woraufhin sich die Schatten in der Bibliothek aufrichteten und sich wie Fesseln um Coras Arme und Beine schlangen. Die Alfar kam langsam näher und musterte Cora mit neugierigen Blicken. „Du gehörst nicht zur Gilde, soviel steht fest, die wären nie im Leben in der Lage gewesen, solche Magie zu wirken, zumindest nicht die unfähigen Trottel, die noch hier sind. Wonach hast du gesucht? Wenn du es mir sagst, lasse ich dich am Leben, ich bin heute gut gelaunt.“ Cora zögerte kurz, dann stieß sie jedoch ein frustriertes Knurren aus, als sie merkte, dass sich die Fesseln nicht lösen ließen. Ihr Gegenüber schien eine weit mächtigere Magierin zu sein, als sie selbst, also wäre es am besten vorerst zu tun, was diese ihr sagte.
„Ich habe nach einem Buch gesucht, den konfiszierten Forschungsarbeiten von Erica Bladelli.“ murmelte sie leise, woraufhin die Alfar sie verdutzt anblinzelte, ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach.
„Es gibt wirklich seltsame Zufälle.“ meinte sie, während sie auf eines der Regale zuging, es eine Weile lang musterte und dann ein dickes Buch mit orangenem Einband herauszog. „Hier, das ist es.“ sagte sie und hielt Cora das Buch hin, während sich die Fesseln lösten.
„Woher wisst Ihr das?“ fragte Cora misstrauisch, nahm das Buch jedoch entgegen und blätterte ein wenig darin herum, es schien wirklich das richtige Buch zu sein. „Arbeitet Ihr hier?“
„Bei Gaia, nein! Ich würde mich niemals mit der Smaragdgilde abgeben!“ meinte die Alfar, sichtlich schockiert. „Aber um deine Frage zu beantworten: Ich werde ja wohl das Buch erkennen, das ich selber geschrieben habe.“
„Selber... geschrieben?“ Cora sah die Alfar eine Weile lang ungläubig an. „Macht Ihr Witze? Erica Bladelli ist tot, sie wurde vor zehn Jahren von der Kirche getötet. Selbst wenn nicht, sie war bestimmt keine Alfar.“
„Sagen wir die Kirche denkt, dass ich gestorben bin.“ meinte die Alfar belustigt. „Ich habe kurz vor meinem Tod einen Zauber entdeckt, der mir geholfen hat zu überleben... zumindest meinem Geist, mein Körper ist leider vorläufig verloren gegangen.“
„Ihr seid verrückt, so einen Zauber gibt es nicht!“ entfuhr es Cora, woraufhin Erica jedoch nur mit den Schultern zuckte.
„Ich brauche dich nicht zu überzeugen, was hätte ich auch davon? Viel wichtiger für mich ist; warum willst du meine Forschungsarbeiten? Ich war eigentlich auf dem Weg um jemanden zu besuchen, der sich hier in den Sümpfen befinden soll, als ich mein Buch gespürt habe. Ich dachte mir, bevor ich es hier in der Bibliothek versauern lasse nehme ich es lieber mit, aber ich brauche sie nicht, wenn du etwas damit anfangen kannst, werde ich sie dir überlassen.“
„Ich selber brauche sie nicht, sondern mein Meister; Professor Dârthallion.“
„Oh? Der verrückte Professor, den die Alfar 'Den Schlächter von Alfheim' nennen?“
„Er ist nicht verrückt! Er ist ein Genie, ein großartiger Magier und ein weitaus talentierterer Forscher, als Ihr je sein werdet!“ brauste Cora auf, was Erica jedoch nur erneut ein Lachen entlockte.
„Wie niedlich, das kleine Mädchen hat sich tatsächlich in den Professor verliebt. Aber egal, du sagtest, dass er die Forschungsarbeiten haben will? Der berühmte Dârthallion ist also an meinem bescheidenem Werk interessiert...“ Erica fuhr sich nachdenklich durchs Haar, ehe sie kurz nickte. „Ich habe mich entschieden, ich will den Professor treffen.“
„Wie bitte?“
„Ich will überprüfen, ob er meiner Forschung überhaupt würdig ist. Wie wirst du von hier entkommen? Du hattest doch wohl nicht vor, mit dem gestohlenen Buch durch ganz Candeo zu marschieren, oder?“
„Ich bin durchaus in der Lage ein Portal zu erschaffen!“
„Natürlich, entschuldige vielmals. Wie auch immer, gehe zu deinem Professor und sage ihm, ich will mich mit ihm treffen. Sagen wir in zwei Tagen, in den Ruinen nordwestlich von Candeo.“
„Warum wollt Ihr Euch nicht sofort mit ihm treffen?“
„Oh das würde ich liebend gerne, aber ich habe noch etwas zu erledigen, das weitaus dringender ist.“ Und ohne ein weiteres Wort ging die Alfar an Cora vorbei, die Tür zum Korridor hinaus und verschwand. Cora stand noch eine Weile lang da und starrte ihr ungläubig nach, ehe Schreie von der Straße her sie zurück ins hier und jetzt holten. Anscheinend hatte jemand die beiden toten Magier bemerkt, hatte ja auch lange genug gedauert. Schnell wirkte Cora ihren Zauber, woraufhin sich ein bläulich schimmerndes Portal vor ihr öffnete, durch das sie auch sogleich trat. Es gab einen kurzen Augenblick in dem Cora sich so fühlte als würde sie fallen, dann trat sie aus dem Portal und kam dort an, wo sie und der Professor Quartier bezogen hatte und... erstarrte. Während das Portal hinter ihr kurz aufleuchtete und verschwand, ließ Cora den Blick durch den Raum wandern. Sie befand sich in einer Tempelruine, irgendwo, tief in den Sümpfen. Diese alte Tempelanlage war eine heilige Stätte der Sarpa, welche diese ihren neuen Freunden aus der Republik zur Verfügung gestellt hatten. Cora befand sich gerade in der Schatzkammer der Ruine, wo sich eine hübsche Summe Gold befand, aber auch, und das war viel wichtiger, Reliquien und Artefakte der Sarpa, sowohl ihre eigenen, als auch welche, die sie anderen gestohlen hatten und von denen sie behaupteten, dass sie ihre waren. Was Cora dermaßen schockiert hatte waren die Leichen, welche sich hier in der Schatzkammer befanden. Ungefähr ein Dutzend Sarpa lagen hier auf dem blutigen Boden, so genau ließ es sich jedoch nicht sagen, da kaum eine der Leichen im Stück war, sondern über die gesamte Kammer verteilt wurde. In der Mitte der Kammer lag zudem die Leiche eines großen Dämons; eines Minotauren. Dieser war von der Succubi dazu abgestellt worden, den Sarpa zu helfen und auf die Relikte aufzupassen, besser gesagt auf ein einziges Relikt.
„Ah, Cora. Freut mich, dich zu sehen.“ erklang auf einmal die Stimme des Professors hinter ihr und Cora drehte sich um. Dârthallion kam lächelnd und, das war für Cora das wichtigste, unverletzt auf sie zu.
„Professor! Euch geht es gut!“ rief Cora, ließ das Buch fallen und umarmte Dârthallion, der zwar kurz das Gesicht verzog, als er das Buch auf dem Boden aufschlagen sah, die Umarmung jedoch erwiderte und Cora den Kopf tätschelte.
„Natürlich, du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen, Cora.“
„Aber... was ist hier passiert?“
„Das weiß ich leider nicht, ich bin erst kurz vor dir hier angekommen. Ich war in den Sümpfen und habe mir ein paar der giftigen Pflanzen angesehen, von denen es hier so viele geben soll. Als ich zurückkam, waren alle Wachen tot und die Axt war verschwunden.“ Coras Blick wanderte sofort zur Mitte der Kammer, wo eine Art kleiner Altar war. Dort lag eigentlich immer der klingenlose Schaft einer großen, zweihändigen Axt, von diesem war nun jedoch keine Spur zu sehen.
„Oh, oh... das ist nicht gut.“ murmelte Cora.
„Das kann man so sagen.“ meinte Dârthallion mit einem Seufzen. Der Schaft war eine der zwei 'Waffen' gewesen, welche die Alfar unter Dârthallions Kommando aus einem Armanidorf gestohlen hatten. Das Schwert hatte ihnen in Demarech bereits gute Dienste erwiesen, weshalb man den Verlust der Waffe, und der Alfar, die sie beschützen sollten, einigermaßen verkraften konnte; die Axt war jedoch eine andere Sache. Sie galt bei den Sarpa als größtes aller Heiligtümer, es war nicht zuletzt dieser Waffe zu verdanken gewesen, dass Azhara die Sarpa hinter sich versammeln konnte, mit der Axt in ihrem Besitz, galt sie schon bevor sie irgendetwas getan hatte, als eine Art Prophetin unter Ihresgleichen.
„Glaubt Ihr, die Templer haben uns gefunden und zugeschlagen?“ fragte Cora besorgt, doch Dârthallion schüttelte den Kopf.
„Die Templer sind zu sehr mit den Sarpa beschäftigt, um irgendwelche Expeditionen tiefer in die Sümpfe zu unternehmen, außerdem hätten die Templer nicht nur den wertlosen Axtschaft mitgenommen. Und sieh dir einmal die Leichen hier an, Templer... nein, Menschen, oder aber auch Alfar, sind zu so etwas nicht fähig. Was auch immer hier war und die Axt geholt hat, es muss ein wahrhaft furchterregendes Monster gewesen sein...“

Wenige Stunden zuvor:
Der lange Korridor vor der Schatzkammer war von Fackeln erleuchtet und vollkommen leer, nun, zumindest fast. Eine einzige Person stand vor der großen Doppeltür die in die Kammer führte und ging ungeduldig auf und ab. Bei ihr handelte es sich um niemand anderen als Saeca, die äußerst nervös und besorgt aussah, während sie auf etwas wartete. Plötzlich hielt sie an und ihr Blick wanderte nach rechts, wo Merilee wie aus dem Nichts erschienen war und Saeca fröhlich zuwinkte.
„Saeca! Schön dich zu sehen!“
„Meru-chan!“ rief Saeca glücklich und umarmte die Fee. „Du warst so lange weg, ich dachte schon, es ist etwas schief gelaufen!“ rief sie besorgt, während sie Merilee an sich drückte.
„Saeca, du bringst mich damit noch um.“ murmelte Merilee mit erstickter Stimme, woraufhin Saeca von ihr abließ. „Außerdem war ich nur zehn Minuten weg, du machst dir viel zu viele Sorgen, du weißt doch, ich kann auf mich selbst aufpassen.“
„Tut mir leid, Meru-chan. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir nicht um dich so viele Sorgen gemacht.“
„Sondern um Aleyandra?“ Saeca nickte.
„Onee-chan ist schon ganz früh aufgebrochen um Azhara-chan zu suchen, ich glaube, sie will wirklich gegen sie kämpfen. Also sage mir bitte, hast du Vajra gefunden? Wenn ja, sollten wir uns beeilen und sie holen, damit wir schnell zu Onee-chan können.“
„Machst du dir nicht ein bisschen zu viele Sorgen?“ fragte Merilee vorsichtig.
„Das letzte mal, als ich sie alleine gelassen habe, wäre sie fast gestorben! Hast du Vajra nun gefunden, oder nicht?“
„Ja, habe ich. Vajra befindet sich hinter der Tür hier, bewacht wird sie von einigen Sarpa und einem Minotauren.“
„Gut... dann wollen wir unser rechtmäßiges Eigentum mal zurückholen.“ meinte Saeca fröhlich und ging auf die Tür zu, zögerte jedoch sie zu öffnen und senkte den Blick. „Wenn ich es mir recht überlege...“ murmelte sie und drehte sich zu Merilee um, die neben ihr in der Luft schwebte. „Vielleicht sollten wir doch zu Onee-chan gehen und ihr helfen. Vajra können wir immer noch holen, die Axt wird schon nicht davonlaufen und Onee-chan...“
„Saeca, es ist deine Pflicht.“ meinte Merilee, während sie eine Hand auf Saecas Schulter legte. „Du wusstest von Anfang an, dass du nicht für immer mit Aleyandra zusammen sein kannst. Irgendwann wäre der Tag gekommen, an dem du zurückkehren musst, um die Artefakte in den Tempel zurückzubringen.“
„Ich weiß.“ antwortete Saeca, mit einem traurigen Unterton in der Stimme, woraufhin Merilee sich auf ihre Schulter setzte und über die Wange strich.
„Aber keine Sorge, wir müssen ja nicht sofort zurück, nachdem du Vajra geholt hast. Wir müssen eh noch warten, bis Analisa Kusanagi repariert hat, vorher können wir uns eh nicht blicken lassen. Solange können wir noch bei Aleyandra bleiben und wer weiß, vielleicht erlaubt der Hochschamane uns ja, nach getaner Arbeit wieder nach Navea zu gehen.“
„Ja... ja, du hast recht. Danke, Meru-chan.“ meinte Saeca und das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. „Also gut, lass uns Vajra retten.“
„Das ist die richtige Einstellung, faito, Saeca!“ feuerte Merilee ihre Freundin an, während diese die Tür öffnete und die Schatzkammer betrat. Kaum war sie im Raum, fiel Saecas Blick auch schon auf die Axt, oder besser gesagt den Schaft der Axt, der auf einem kleinen Altar in der Mitte der Kammer lag. Kurz darauf wurde der Blick auf die Waffe jedoch von einem gewaltigen Wesen verdeckt, dass sich der jungen Armani in den Weg stellte; ein Minotaur. Minotauren waren eine Dämonenart, die beinahe doppelt so groß war wie ein Mensch und einen fellbedeckten Körper hatte, mit Beinen die in Hufen übergingen und dem Kopf eines Stiers, aus dem gewaltige Hörner wuchsen. Dieser Minotaur hatte einen weißen Pelz und pechschwarze Augen, die Saeca aufmerksam musterten.
„Armani...“ brachte der Minotaur mit einem Schnauben hervor, während die Sarpa, welche sich ebenfalls in der Kammer befanden, Saeca näherten und lange Speere auf sie richteten. „Was macht eine Armani hier?“ fragte der Dämon, während Saeca immer weiter auf ihn zu ging und die Sarpa vollkommen ignorierte. Diese ließen die Armani passieren, nachdem sie ein bestätigendes Nicken vom Minotauren erhalten hatten.
„Ähm, hallo, Minotaurus-chan. Ich bin hier, um etwas zu holen, was mir gehört und mir gestohlen wurde. Und zwar die Axt, die da auf diesem Altar liegt. Würdest du sie mir bitte geben? Ich brauche sie wirklich ganz dringend.“ meinte Saeca, mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck und einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Der Minotaur starrte sie eine Weile lang ungläubig an und brach dann in grunzendes Gelächter aus.
„Du hast Humor, Armani.“ meinte er, ehe er den gewaltigen Kopf schüttelte. „Aber vergiss es, mein Auftrag ist es dafür zu sorgen, dass niemand an die Relikte hier kommt.“
„Aber Vajra gehört rechtmäßig mir! Sie wurde aus meinem Dorf gestohlen!“ kam es empört von Saeca, woraufhin der Minotaur jedoch nur mit den gewaltigen Schultern zuckte.
„Das ist mir egal. Wenn ihr Armani nicht richtig auf eure Artefakte aufpassen könnt, seid ihr selber Schuld, mein Problem ist es nicht. Ach ja, eine Sache noch...“ meinte der Dämon und hob eine riesige Streitaxt in die Luft. „Ich weiß zwar nicht, wie du uns gefunden hast, aber ich denke du kannst verstehen, dass wir nicht riskieren können, dass du die Kirche zu uns führst. Tut mir leid Kleine, es war recht mutig von dir hier einfach so aufzukreuzen, aber leider musst du jetzt sterben.“ Mit diesen Worten ließ der Minotaur seine Axt auf Saeca herabsausen. Kurz bevor sie jedoch Saecas Kopf traf, hielt die Klinge der Axt an und der Minotaur riss entsetzt die Augen auf. „Das ist... unmöglich.“ brachte er hervor und sein Blick wanderte zu seinem Handgelenk. Die Armani hatte seine Hand mitten im Schlag gepackt und den Angriff somit aufgehalten. Der Dämon versuchte verzweifelt seine Hand zurückzuziehen, schaffte es jedoch nicht. Das junge Mädchen ließ einfach nicht locker und der Minotaur konnte seine Hand nicht einmal einen Fingerbreit bewegen.
„Das ist natürlich schade, ich hatte eigentlich gehofft, das ganze ohne Gewalt zu regeln.“ meinte Saeca mit einem Seufzen und plötzlich war nichts mehr von dem fröhlichen, naiven Mädchen zu sehen, dass vor wenigen Augenblicken noch hier gestanden hatte. Stattdessen musterte sie den Dämon mit kaltem Blick.
„Bei Hel...“ flüsterte der Minotaur, als er sah, wie eine rötliche Aura aus Magie sich um die junge Armani bildete. „Du bist...“ weiter kam er jedoch nicht. Saeca drehte ihrer Hand mit einer schnellen Bewegung und es gab ein lautes Knacken, woraufhin der Dämon vor Schmerz aufschrie. Aus seinem Handgelenk ragte ein langer, dicker Knochen, während die Hand selber in einem seltsamen Winkel ab stand. Die Sarpa begannen panisch zu zischen und schlängelten mit ihren Speeren auf Saeca zu.
„Fresst, meine Kinder.“ murmelte die Armani und aus der rötlichen Energie, die sie umgab bildeten sich geisterhafte Wölfe, von denen ein rötlicher Schimmer ausging. Die Wölfe stürzten sich sofort auf die Sarpa, ignorierten die Waffen einfach und verbissen sich in den Kehlen Schlangenwesen, die regelrecht in Stücke gerissen wurden. Saeca ignorierte die Schreie und die umherfliegenden Gliedmaßen der Sarpa und ging auf den Altar zu. Auf dem Weg hielt sie kurz an, als sie direkt vor dem Minotauren stand, der sie einfach nur weiterhin panisch anstarrte. Saeca musterte ihn kurz mit kaltem Blick, ehe ihre Hand von einem rötlichen Schimmer umgeben wurde und sich direkt in den Brustkorb des Dämons bohrte. Als sie die Hand mit einer ruckartigen Bewegung wieder herauszog, hielt sie eine pulsierende, fleischige Masse in der Hand, die sie zur Seite warf, ehe sie weiter auf den Altar zuging. Inzwischen waren auch die Schreie der Sarpa verstummt und die geisterhaften Wölfe hatten sich in Luft aufgelöst.
„Meinst du nicht, du hast mal wieder ein wenig übertrieben?“ fragte Merilee, während sie sich das Blutbad in der Kammer ansah.
„Das hätte vermieden werden können, wenn sie mir die Axt einfach gegeben hätten! Es war nicht meine Schuld, Meru-chan!“ protestierte Saeca und war sofort wieder das kleine, hilflose Mädchen. „Ich hatte nun mal keine Zeit, ewig mit ihnen zu diskutieren, immerhin könnte es sein, dass Onee-chan schon bald meine Hilfe braucht!“
„Apropos Aleyandra... wie willst du ihr das ganze hier erklären?“
„Überhaupt nicht, ich werde sagen, ich habe die Axt gefunden.“
„Und das wird sie dir glauben?“
„Sie hat mir auch geglaubt, dass ich Kusanagi einfach so in einer Höhle gefunden habe! Gut... ich habe angefangen zu weinen, damit sie keine weiteren Fragen stellt, aber das musste ich tun! Wenn sie sich die Höhle angeguckt hätte...“
„Hätte sie die Leichen der Alfar gefunden.“
„Genau, also werde ich sie auch von hier fernhalten. Sie wird mir schon glauben, wenn ich ihr sage, dass ich es durch einen Zufall entdeckt habe.“
„Ja... jetzt wo du es sagst, sie ist ein wenig leichtgläubig.“
„Rede nicht schlecht über Onee-chan! Sie ist nett und eine großartige Künstlerin, außerdem ist ihre Liebe zu Naruz-senpai etwas...“
„Schon gut, schon gut! Immer mit der Ruhe.“ meinte Merilee seufzend, ehe sie hinzufügte „Du magst sie wirklich, oder?“ Saeca nickte heftig. „Das habe ich schon befürchtet... ich hoffe nur, dass du sie nicht eines Tages über deine Pflichten als Avatar stellst. Und jetzt lass uns zurück zum Lager gehen, du wirst schon sehen, mit Aleyandra wird alles in Ordnung sein...“

Einige Stunden später, Tempel der Gaia:
„Das sieht alles andere als gut aus.“ meinte Salvatore, als er und Naruz nach zweitägiger Reise am Tempel der Gaia angelangt waren und riss Naruz damit aus seinen Gedanken. Diese drehten sich um Aleyandra und darum, wie es wohl mit ihrem Auftrag in Candeo voranging. Sie hatte gesagt, ihr Ziel sei ein Dämon... könnte es etwa sein, dass sie den Auftrag erhalten hatte Jezebeth umzubringen? Die Erzdämonin, welche die Sarpa und Dämonen hier in den Sümpfen anführte? Er konnte nur hoffen, dass dem nicht so war, er wusste zwar, dass Aleyandra sich durchaus wehren konnte, aber gegen eine Erzdämonin hätte sie wahrscheinlich keine Chance, zumindest konnte Naruz sich nicht vorstellen, wie sie gegen so einen mächtigen Gegner kämpfen wollte. Wann immer er daran dachte, dass Aleyandra womöglich wirklich gegen die Erzdämonin kämpfte, endeten seine Überlegungen mit einer toten Aleyandra und einer triumphierend grinsenden Dämonin, weshalb Naruz Salvatore einigermaßen dankbar dafür war, dass er sich mal wieder zu Wort gemeldet hatte, auch wenn er Naruz die ganze Reise über vollgelabert hatte. Aber immerhin waren sie jetzt angekommen und Naruz richtete seinen Blick in die Richtung, in die Salvatore deutete. Der Tempel stand auf einer kleinen Insel festen Bodens, inmitten des Sumpfes, die wahrscheinlich mit Hilfe von Magie erschaffen worden war. Um ihn herum war eine Palisade errichtet worden und während der Tempel unbeschadet aussah, klafften in der Palisade riesige Löcher und der Boden war mit Leichen übersät, die meisten von ihnen Sarpa, doch auch einige Dämonen und Templer konnte man unter den Gefallenen erkennen.
„Anscheinend war Nairas Befürchtung doch nicht einfach nur Paranoia.“ sagte Naruz, mit kühler Stimme, während er von seinem Pferd abstieg. „Serif, Sigrun.“ flüsterte er, woraufhin die Eidolons neben ihm erschienen.
„Wir sind da, was ist los?“ fragte Serif sogleich, woraufhin Naruz nur zum Tempel nickte und seine Waffen zog.
„Ich bin mir nicht sicher, aber wir sollten vorsichtig sein.“ meinte Naruz, während er mit seinen Eidolons und Salvatore langsam auf den Tempel zuging.
„Hier liegen zu wenig Templer, das ist ein gutes Zeichen.“ meinte Salvatore, während sie durch eines der Löcher in der Palisade gingen... und sogleich abrupt anhielten, als sich ein halbes Dutzend Hellebarden auf sie richtete.
„Halt! Das sind keine Sarpa!“ erklang die Stimme einer Frau, ehe Naruz oder Salvatore etwas sagen konnten. Die Sprecherin schob sich auch sogleich zwischen den Templern hindurch, die vor den beiden Inquisitoren standen und ihre Waffen auf sie gerichtet hatten. Bei ihr handelte es sich um eine junge Frau in weißer Kleidung und mit langen, türkisfarbenen Haaren, die in ihrer Hand ein Katana hielt, die Art von Schwertern, welche man normalerweise bei den Armani fand. „Salvatore?“ meinte sie, als sie den Doni sah und sofort verfinsterte sich ihr Gesicht. „Wie schön, dass du auch schon gekommen bist! Wir haben uns seit mehreren Tagen mit Angriffen der Sarpa auseinandersetzen müssen, ohne Verstärkung, oder sonst irgendwelche Hilfe aus Candeo!“ fuhr sie ihn an und deutete auf das runde Dutzend Templer, welches mit ihnen im Vorplatz des Tempels stand. „Siehst du das? Das ist alles, was ich noch habe!“
„Auch schön dich zu sehen, Naira.“ meinte Salvatore, mit einem freundlichen Lächeln. „Tut mir leid, dass ich keine Leute schicken konnte. Aber wie es aussieht, ist ja alles nochmal gut gegangen. Also gut Naruz, wir können dann anscheinend wohl wieder abhauen.“
„Hast du vollkommen den Verstand verloren?“ fragte die Frau, bei der es sich allem Anschein nach um die Schwerttänzerin handelte, nach der Naruz suchte. „Du bleibst gefälligst hier und hilfst mit, wir sind noch lange nicht fertig. Ihr seid gerade rechtzeitig gekommen, um am richtigen Kampf teilzunehmen. Die Dämonen sind auf dem Weg, angeführt von Jezebeth, einer mächtigen Erzdämonin, eine Harpyie, wenn ich mich nicht irre.“
„Oh... ich wusste nicht...“
„Halt die Klappe, Salvatore.“ meinte Naruz genervt, woraufhin Nairas Blick zu ihm wanderte.
„Wir kennen uns noch nicht, oder? Mein Name ist Naira, ich bin Schwerttänzerin des Sonnenordens und wer bist du?“
„Ich bin Naruz, Inquisitor und Botschafter der Gaia, das sind meine Eidolons, Serif und Sigrun.“
„Ein Botschafter also? Das trifft sich gut, ich bin mir sicher, ihr werdet euch als äußerst nützlich erweisen können. Laut unseren Informationen besteht das kleine Heer, welches Jezebeth anführt aus einem Dutzend Dämonen der verschiedensten Arten und gut vier Dutzend Sarpa. Die letzten Angriffe haben gezeigt, dass sie es auf das Heiligtum abgesehen haben.“ meinte Naira und deutete auf die Tür, welche in den Tempel führte. „Dort drinnen führt eine Treppe nach unten, zum Heiligtum, und dort steht ein uraltes Artefakt, von dem selbst die Hexer und Hexen von Vo Astur nicht wissen, wozu es eigentlich gedacht ist. Aber die Sarpa haben versucht, es in ihre verfluchten Finger zu kriegen.“
„Wir vermuten, dass Jezebeth das Artefakt nutzen will, um ein Portal nach Pandämonium zu öffnen.“ sagte Naruz und sah sich um. „Ich denke es ist am besten, wenn wir dafür sorgen dass sie den Tempel überhaupt erst nicht betreten und wir sie hier draußen aufhalten.“
„Wenigstens ein Inquisitor, der vernünftig denken kann.“ meinte Naira seufzend und warf Salvatore einen missmutigen Blick zu.
„Übrigens, habt Ihr etwas von einem Vampir gehört?“ fragte Naruz, während Salvatore beleidigt das Gesicht verzog.
„Was? Vampir? Nein, weder ich noch einer meiner Männer hat einen Vampir gesehen.“
„Habt Ihr keine Späher, die das Heer der Dämonen beobachten?“
„Wie gesagt, wir sind nicht viele, ich kann niemanden als Späher entbehren und einen richtigen Schlachtplan wird es daher auch nicht geben, fürchte ich. Alles was wir über das Heer wissen, haben wir in den Kämpfen herausgefunden und von gefangenen Sarpa erfahren. Allerdings können wir ihnen keine weiteren Fragen mehr stellen, vor einigen Stunden sind sie einfach... gestorben, wir wissen nicht warum. Ich glaube aber, dass wir noch ein wenig Zeit haben, ehe die Dämonen hier aufkreuzen, wir sollten diese nutzen um uns vorzubereiten und ein wenig auszuruhen.“
„Eine gute Idee... außerdem wollte ich Euch noch etwas fragen, Lady Naira.“ meinte Naruz und bedeutete ihr, sich mit ihm ein wenig vom Rest der Anwesenden zu entfernen, woraufhin die Schwerttänzerin ihm auch folgte. Nachdem sie außer Hörweite der anderen waren, musterte sie ihn neugierig.
„Was wolltet Ihr nun von mir wissen, Inquisitor?“ fragte sie, während sie ihr Katana in seine Scheide steckte.
„Ich habe gehört, Ihr seid in der Lage mächtige Heilzauber zu wirken, stimmt das?“
„Ah... ja, das stimmt. Ich bin eine ziemlich schlechte Magierin, wenn es um offensive Zauber geht, aber meine Heilzauber gehören zu den besten, die es in Süd-Midgard gibt. Warum?“
„Weil ich eigentlich gehofft hatte, dass Ihr mir helfen könntet, sobald die ganze Sache hier vorbei ist. Ich möchte, dass Ihr mir einen Eurer Heilzauber beibringt.“
„Sobald die Sache hier vorbei ist? Ihr denkt wirklich, dass wir das ganze überleben?“
„Ihr etwa nicht?“ Naira sah sich kurz unsicher um, dann schüttelte sie den Kopf.
„Ich will ehrlich mit Euch sein; unser Gegner ist mächtiger als alles, was ich bisher gesehen habe. Ich denke, selbst die meisten Großmeister der Kirche hätten Probleme mit einem Erzdämon von Jezebeths Stärke. Wir sind schon so gut wie tot, der einzige Grund warum ich nicht abgehauen bin ist der, dass mein Pflichtgefühl größer ist als meine Angst vor dem Tod.“ Naira blinzelte verdutzt, als Naruz sie auf ihre Worte hin nur anlächelte.
„Wisst Ihr, mir ist es egal, wie stark der Gegner ist. Ich werde überleben und ich werde dafür sorgen, dass auch Ihr überlebt. Ich habe jemandem versprochen, dass ich von Euch einen Heilzauber lernen und zumindest versuchen werde, ihre Wunden zu heilen. Bevor ich das geschafft habe, werde ich nicht sterben.“
„Ihr seid ziemlich optimistisch.“ meinte Naira, lachte dann jedoch. „Wer ist diese Person, von der Ihr redet?“
„Meine Freundin, sie arbeitet auch für die Kirche und wurde im Laufe dieser Arbeit verletzt, ich habe Ihr versprochen, dass ich sie heilen werde.“
„Ah, ich verstehe. Ihr scheint sie sehr zu lieben, wenn Ihr für sie gegen einen Erzdämon antreten wollt.“
„Natürlich liebe ich sie... außerdem, ich wurde schon einmal von einem Dämon zusammengeschlagen und habe überlebt, ich bin mir sicher, ich schaffe das auch noch ein zweites mal.“ meinte Naruz, mit einem Lächeln im Gesicht.
„Ihr seid wirklich ein merkwürdiger Mensch.“
„Vielleicht, ich...“ bevor Naruz weiterreden konnte, zuckte er kurz zusammen und fasste sich an den Kopf.
„Naruz, ich bin es.“
„Aynaeth?“ frage Naruz laut, woraufhin Naira ihn verwirrt ansah.
„Ist mit Euch alles in Ordnung? Habt Ihr gerade Aynaeth gesagt? Kennt Ihr sie etwa?“
„Was? Oh, ähm ja, sie hat gerade telepathisch Kontakt zu mir aufgenommen... glaube ich zumindest, muss einer ihrer Grimoire sein.“
„Richtig geraten, übrigens brauchst du nicht laut antworten, sondern die Antwort einfach nur denken. Wie auch immer, ich wollte nur kurz sagen, dass die Sarpa ihren Angriff begonnen haben. Einige hundert von ihnen marschieren gerade jetzt auf die Reihen der Templer zu, ich werde mein bestes tun um sie zurückzuschlagen, aber sie gehen geordneter vor als sonst... fast so, als verständen sie etwas von Strategie und Taktik.“
„Ich verstehe. Salvatore und ich haben uns mit Naira getroffen und sie meint, Jezebeth sei wirklich hier. Sie marschiert mit ihren Dämonen auf den Tempel zu, vom Vampir fehlt jedoch jede Spur, wie es scheint. Also passe auf dich auf.“
„Du auch... ach ja, bevor ich es vergesse; es gibt da eine Kleinigkeit zu klären.“
„Und was?“
„Ich bin eine Hexe aus Vo Astur, ich darf eigentlich nicht so viel innerhalb vom Gebiet der Kirche zaubern, ich brauche die Erlaubnis eines hochrangigen Kirchenmitglieds, damit ich meine mächtigsten Zauber wirken darf... zum Beispiel die eines Inquisitors.“
„Ich verstehe, ich werde die Verantwortung für deine Taten übernehmen, sorge nur dafür, dass die Sarpa nicht die Templer überrennen.“
„Du kannst dich auf mich verlassen!“
mit diesen Worten zum Abschied trennte Aynaeth die Verbindung zwischen ihnen und Naruz wandte sich an Naira.
„Die Sarpa haben ihren Angriff im Norden von Candeo begonnen und marschieren gegen die Stellungen der Templer dort. Aynaeth und mein Team werden ihnen bei der Verteidigung helfen.“
„Ich verstehe... woher kennt Ihr eigentlich Aynaeth?“ fragte die Schwerttänzerin interessiert.
„Sie war meine... Lehrerin, oder irgendwie sowas, als ich in Navea angekommen bin.“
„Achso, übrigens befürchte ich, dass wir auch Besuch kriegen.“ meinte Naira und deutete nach rechts. Als Naruz sich dorthin drehte sah er auch, was die Schwerttänzerin meinte. Aus dem Nebel, der über den Sümpfen lag traten dutzende Gestalten und hielten direkt auf die Palisade zu. „Alle zu den Waffen! Die Dämonen sind hier!“ rief Naira und rannte zu ihren Templern. Naruz wollte ihr gerade folgen, als Serif an seiner Seite erschien.
„Partner!“
„Was gibt es?“
„Quelkulan, das Eidolon, dass als Jezebeths Haustier dient. Er hat uns bemerkt und Sigrun zu einem Kampf herausgefordert, sie befinden sich irgendwo über uns und kämpfen dort. Sigrun hat mir verboten, ihr zu helfen.“ Naruz fluchte leise.
„Also gut, dann komme mit mir, wir werden Naira und ihren Leuten helfen.“
„Wird gemacht, Partner!“ gemeinsam rannten, oder in Serifs Fall flogen, sie dorthin, wo Naira und ihre Templer bereits Aufstellung bezogen hatten. Als sie ankamen bemerkten sahen sie, dass das Heer der Dämonen ordentlich vor der Palisade stand und keinerlei Anstalten zu machen schien, anzugreifen. Stattdessen traten sie zur Seite und machten Platz für eine Gestalt, die sich nach vorn schob. Es handelte sich um eine hübsche Frau mit kurzen, blonden Haaren und goldenen Augen. Aus ihrem Rücken wuchsen zwei große, schwarze Flügel und an ihren Händen befanden sich lange, dünne Krallen, die aus ihren Fingerknöcheln wuchsen und über den Fingern lagen. Sie musterte die Menschen mit einem kalten, desinteressierten Blick und als sie Naruz sah, lächelte sie.
„Ich kümmere mich um den Inquisitor, ihr schaltet den Rest aus.“ sagte sie zu einem Dämon an ihrer Seite, der als Antwort nur kurz nickte. Ehe überhaupt jemand reagieren konnte, spreizte die Dämonin die Flügel und schoss nach vorn. Naruz schaffte es gerade noch seine Schwerter zu ziehen und einen Schlag der Krallenhände zu blockieren, der ihm wohl sonst den Oberkörper zerfetzt hätte. Sofort holte Naruz mit seinem Schwert aus und schlug nach dem Kopf der Harpyie, die seinen Schlag jedoch mit Leichtigkeit blockierte und ihm einen tritt in die Bauchgegend verpasste, der ihn einige Meter durch die Luft fliegen ließ. „Ich grüße dich, Inquisitor. Mein Name ist Jezebeth und ich werde dein Untergang sein.“ meinte die Dämonin, ehe sie erneut auf Naruz zuraste und ihn mit einem wahren Hagel von Schlägen eindeckte, die Naruz geradeso parieren konnte. Er hatte nicht einmal Zeit den Zauber seiner Schwerter zu benutzen und ihm war schon nach wenigen Sekunden des Schlagabtauschs klar, dass er der Erzdämonin hoffnungslos unterlegen war. Serif konnte ihm nicht helfen, der war gerade damit beschäftigt Naira den Rücken freizuhalten. Die Schwerttänzerin tänzelte mit anmutigen Bewegungen durch die Reihen der Gegner, wich ihren Schlägen aus und streckte sie mit einem Hieb nieder, während Serif dafür sorgte, dass sie nicht umzingelt wurde. Plötzlich sammelte sich dunkle Energie in der Handfläche der Harpyie und Naruz schickte schnell einen Strom seiner Magie in die Energie der Dämonin, woraufhin der Zauber, den diese gerade wirken wollte sich einfach auflöste. Die Harpyie kreischte kurz zornig auf, schoss dann jedoch erneut nach vorn. Aber anstatt wieder frontal anzugreifen, nutzte sie ihre Flügel und landete hinter Naruz auf dem Boden. Dieser ging in die Knie und kreuzte seine Schwerter hinter sich und merkte, wie etwas hartes auf die Klingen traf, kurz darauf traf ihn ein erneuter Tritt, dieses mal in der Seite, und er flog wieder durch die Gegend.
„Das ist nicht gut.“ murmelte Naruz, während er erschöpft keuchte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, er hatte noch nicht einmal fünf Minuten gekämpft und war schon vollkommen außer Atem, er hatte jedoch keine Zeit genauer darüber nachzudenken, sondern musste sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen, als die Harpyie erneut direkt vor ihm stand und ihre Klauen nach unten fahren ließ. Während er sich langsam aufrappelte und sich erneut der Dämonin entgegenstellte hoffte er nur, dass Aynaeth und die anderen es mit ihren Gegner etwas leichter haben würden, als er...

Aynaeth stand auf einem kleinen Hügel und überblickte das Schlachtfeld in den Sümpfen. Knapp einhundert Templer stellten sich hier einer dreifachen Übermacht von Sarpa, die unerbittlich auf die Reihen der Soldaten zuhielten. Nikodemus, Victoria und Anya befanden sich irgendwo in den vordersten Reihen und kämpften dort gegen die Schlangenwesen, aber Aynaeth konnte von ihrer Position sehen, dass es nicht reichen würde. Die Templer waren vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt worden, wer hätte auch damit rechnen können, dass die Sarpa plötzlich intelligent vorgingen? Man hatte eigentlich damit gerechnet, dass einhundert Templer reichen würden, um das riesige Heer der Sarpa aufzuhalten und nun reichte bereits die Vorhut der Sarpa aus, um die Truppen der Kirche aufzureiben. Kaum hatten die Templer das Schlachtfeld erreicht, waren dutzende Sarpa aus dem sumpfigen Boden gebrochen und über die Soldaten hergefallen. Nachdem man den Überfall abgewehrt hatte, konnte man gerade noch eine halbwegs vernünftige Formation einnehmen, ehe der Rest der Vorhut über sie hergefallen war.
„Grimm.“ sagte Aynaeth, während sie weiterhin das Schlachtfeld überblickte.
„Ja?“ fragte der Drache, der neben ihr in der Luft schwebte.
„Ich habe die Erlaubnis von Naruz bekommen, wir können loslegen. Hole Anya hier her, während ich alles vorbereite, wir werden sie brauchen.“
„Wird gemacht.“ meinte Grimm und verschwand von Aynaeths Seite, während diese anfing Runen in die Luft zu zeichnen und immer mehr Bücher wie aus dem Nichts neben ihr erschienen. Als schließlich zwei Dutzend Bücher um sie herum schwebten, flogen sie plötzlich in die Luft und verteilten sich um das Schlachtfeld herum und bildeten eine Art Ring, ohne dass die Sarpa sie bemerkten und selbst wenn, würden sie ein paar Bücher wohl kaum als Bedrohung einstufen. Schließlich schnippte Aynaeth mit den Fingern und silberne Blitze schossen aus den Grimoiren auf die Sarpa zu. Dutzende von ihnen wurden von den Blitzen gegrillt, aber die Schlangenmenschen ließen sich davon nicht beeindrucken. Anstatt zu fliehen, oder auch nur zu zögern, stürmten sie weiterhin auf die Reihen der Templer zu, die langsam aber sicher anfingen zu schwinden.
„Aynaeth, was gibt es?“ erklang plötzlich Anyas Stimme neben der Hexe und diese wandte sich um. Die junge Templerin stand direkt vor ihr, zusammen mit Nikodemus und Victoria. Ihre Rüstungen waren voll mit Blut der Sarpa und sie sahen sichtlich erschöpft aus. „Grimm sagte, es sei wichtig. Warum hast du uns abgezogen? Wir müssen den Männern helfen!“
„Richtig, und das können wir am besten, wenn du hier bist. Du musst die Magie der Bladelli einsetzen, Anya.“
„W-was? Aber...“
„Anya, vertraue mir und tue es einfach.“ Die Bladelli zögerte kurz, nickte dann jedoch und ging auf ein Knie, während sie ihr Schwert in den Boden vor sich steckte.
„Gaia, erhöre die Gebete deiner treuen Dienerin in diesen Stunden der Not! Deine Kinder sehen sich den Ausgeburten der Finsternis gegenüber und suchen in ihrer Verzweiflung nach Erlösung; ich flehe dich an, große Göttin, helfe deinen Kindern! Schicke uns die edelsten deiner Diener, auf dass sie uns von der Dunkelheit befreien können!“ sprach Anya mit lauter Stimme und schloss die Augen, während sich ein goldenes Licht um sie bildete. Kurz darauf erschien eine riesige Lichtgestalt in der Luft über Anya. Sie sah aus wie ein junger Mann mit edlen Gesichtszügen und großen, goldenen Flügeln von denen ein schillerndes Licht ausging und direkt auf das Schlachtfeld unter ihnen fiel.
„Was... ist das?“ fragte Nikodemus und sah die Lichtgestalt fragend an.
„Ein Schutzengel.“ antwortete Victoria, während sie Aynaeth einen nervösen Blick zuwarf. „Die Akashi haben ihre Magie, die den Geist des Gegners angreift, die Doni haben ihre Marionettenzauber und den Fluch des Longinus... und die Bladelli haben diese Schutzengel. Anya kontrolliert ihn momentan und macht unsere Truppen immun gegen finstere Magie. Ich frage mich nur, warum Aynaeth wollte, dass Anya ihn benutzt. Immerhin setzen die Sarpa keine... oh, oh.“ meinte sie und als Nikodemus Blick zu Aynaeth wanderte merkte er sofort, was sie meinte. In Aynaeths Hand war ein Buch mit schwarzem Einband erschienen und auf dessen Rücken die Zahl '001' zu sehen war.
„Das ist doch wohl nicht etwa...“ meinte er, mit einem nervösen Gesichtsausdruck und schluckte. Aynaeth nickte.
„Der 001. Verbotene Grimoire, dessen Benutzung in Vo Astur unter gewöhnlichen Umständen mit dem Tod bestraft wird; 'Der Splitter Dantallions'.“ murmelte die Hexe, während sie den Grimoire aufschlug und mit ihrer Hand auf das Schlachtfeld deutete. Kurz darauf stoppten die Kämpfe und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden, ob Mensch oder Sarpa richtete sich auf die Gestalt eines riesigen, schwarzen Löwen, der mitten auf dem Schlachtfeld erschienen war. Er ließ ein markerschütterndes Brüllen hören und löste sich dann in feinen, schwarzen Nebel auf, der über das Schlachtfeld waberte. Während die Menschen anfingen zu husten und in die Knie bringen, fingen die Sarpa an laut zu kreischen und plötzlich schossen schwarze Flammen aus ihren Augen und Mäulern. Dann verschwand der Nebel wieder und Aynaeth klappte das Buch zu, während zeitgleich die riesige Lichtgestalt in tausend kleine Splitter zerfiel und Anya die Augen öffnete. Eine ganze Weile lang war es still, dann begannen die Templer laut an zu jubeln. Grimm, Anya, Victoria und Nikodemus eilten jedoch besorgt zu Aynaeth, die, kaum hatte sie das Buch zugeschlagen, dort wo sie stand zu Boden gefallen war.
„Aynaeth! Ist alles in Ordnung?“ fragte Grimm besorgt, und stupste die Hexe an.
„Alles in Ordnung... zumindest halbwegs.“ murmelte die Hexe und richtete sich langsam auf. „Anya, sage den Templern, dass wir uns nach Candeo zurückziehen müssen. Das war nur die Vorhut der Sarpa, und ich habe zu viel Energie benutzt, um sie zu töten.“
„Wie hast du das eigentlich gemacht? Oder bessere Frage... was macht dieser Grimoire?“
„Er beschwört einen Teil von Dantallions Seele auf diese Welt; dem mächtigsten Eidolon, das je gelebt hat. Selbst ein Splitter seiner Seele könnte es mit Eidolons wie Tigerius Caesar oder Eligos aufnehmen, die Sarpa hatten nicht den Hauch einer Chance. Leider richtet sich seine Wut gegen alles, was kein Eidolon ist, also war es nötig, dass Anya unsere Truppen schützt, damit sie nicht auch zum Opfer des Grimoires wurden. Manche finden, dass die Magie der Bladelli nutzlos ist, und in einem Zweikampf mag das durchaus stimmen, aber in einer Schlacht ist die Macht der Schutzengel nicht zu unterschätzen.“
„Ich... verstehe. Und was machen wir jetzt?“ fragte Nikodemus.
„Wir ziehen uns nach Candeo zurück und hoffen, dass Naruz und dieser Salvatore irgendwie den Tag retten, viel mehr können wir nicht machen.“ Aynaeth hatte es endlich geschafft aufzustehen und sah auf das Schlachtfeld hinab, wo die Leichen der Sarpa lagen und sie seufzte. Ihr Zauber hatte nur funktioniert, weil der Vampir nicht hier gewesen war, also hatte Naruz allem Anschein nach recht gehabt und der Dämon beteiligte sich am Angriff auf den Tempel... allerdings hatte Naruz ihn in ihrem kurzen Gespräch vorhin nicht erwähnt, wo also steckte der Vampir?

...

Luciano lächelte, während er sich langsam dem bläulich schimmernden Kristall in der Mitte des Raums näherte. Der Kristall war ein uraltes Artefakt aus Zeiten, als die gefallenen Könige noch über die Welten geherrscht hatten. Mit seiner Hilfe würde es ein leichtes sein, ein Portal nach Pandämonium zu öffnen und Hels Heerscharen den Weg nach Candeo zu öffnen. Der Plan hatte funktioniert, Jezebeth hatte mit ihren Dämonen die Aufmerksamkeit der verbliebenen Verteidiger des Tempels auf sich gelenkt, weshalb das Heiligtum vollkommen unbewacht war... zumindest dachte Luciano das, bis er die Gestalt bemerkte, die sich an einen Pfeiler in der Nähe des Kristalls lehnte. Ein junger Mann mit blonden Haaren und grünen Augen, der eine weiße Robe trug, die mit silbernen Kreuzen dekoriert war. Seine Arme hatte er vor der Brust verschränkt und neben ihm lehnte ein Speer am Pfeiler. Lucianos Lächeln wurde noch breiter, als er die magische Energie des jungen Mannes sah, anscheinend würde er noch einmal gut speisen können, bevor er das Portal öffnete. Das Lächeln verblasste jedoch, als er merkte dass der Mann ihn anstarrte, obwohl er für das menschliche Auge eigentlich noch so gut wie unsichtbar sein sollte, in den Schatten der Pfeiler und dem schlecht beleuchtetem Heiligtum. Er hielt zwar nicht viel vom verrückten Alfar und seiner Assistentin, aber zumindest der von ihnen erfundene Tarnzauber war praktisch und gut gemacht. Um wen auch immer es sich bei diesem Inquisitor handelte, er war nicht untalentiert, also löste Luciano den Zauber und begrüßte den Mann.
„Was macht so ein junger Inquisitor wie du hier unten? Ich dachte, die Hunde der Kirche hätten ihre Leute abgezogen, um den Angriff von Jezebeth abzuwehren. Hat man dich hiergelassen, weil man dir nicht zutraut, im Kampf eine Hilfe zu sein?“ fragte er und zog sein Schwert aus der Scheide, was den Inquisitor jedoch nicht zu beeindrucken schien. Dieser kratzte sich nur kurz am Hinterkopf, während er sich vom Pfeiler löste.
„Nicht wirklich, eigentlich sollte ich auch da oben sein und bei der Verteidigung helfen. Aber ich hatte nicht wirklich Lust darauf, also habe ich mich für einen kleinen Spaziergang entschieden und mir gedacht, im Heiligtum wird mich schon keiner stören.“ Während er sprach, packte er den Griff seines Speeres und wirbelte ihn herum, so dass die Spitze auf den Boden zeigte.
„Oh, wirklich? Was für ein Pech du doch hast.“ meinte Luciano, mit einem gehässigen Grinsen im Gesicht. Egal ob der Inquisitor die Wahrheit sagte oder nicht, das hier würde sein letzter Spaziergang gewesen sein. Zu seiner Überraschung seufzte der Mann jedoch nur und zuckte mit den Schultern.
„Da hast du recht, ich habe wirklich Pech. Was mich zu einem Angebot führt, dass ich dir gerne machen würde. Wie wäre es, wenn du von hier verschwindest, ohne das Portal zu öffnen? Du überlebst und kannst dich wieder in deine geliebte Finsternis verkriechen und ich kriege keine Probleme. Wie findest du das Angebot?“
„Überaus freundlich, aber ich denke, ich werde ablehnen.“ meinte der Vampir, mit einem spöttischen Grinsen.
„Ich verstehe... meine Pechsträhne hört wirklich nicht auf.“ murmelte der Inquisitor... und schnellte plötzlich nach vorn, viel schneller als Luciano es einem Menschen zugetraut hätte. Er schaffte es gerade noch dem Stoß des Speeres auszuweichen, zumindest teilweise. Anstatt seinen Brustkorb zu durchbohren, ritzte die Klinge der Waffe ihm nur den Arm auf, was Luciano ein wütendes Zischen entlockte, vor allem als er merkte, dass die Wunde nicht sofort heilte, wie sie es eigentlich tun sollte. Der Inquisitor bewegte sich nicht, sondern starrte Luciano nur gelangweilt an, was den Vampir noch wütender machte. Allerdings beherrschte er sich, jetzt unüberlegt vorzustürmen, könnte schnell zu einem bösen Ende führen. Also zwang er sich ein Lächeln aufzusetzen, während er sich wieder an den Mann wandte.
„Da fällt mir ein, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Luciano Vladion, Fürst der Schreienden Burg und Graf von Pandämonium. Ich bin ein Vampir, aber das dürftest du ja gemerkt haben.“
„Du hast recht, wir haben uns wirklich nicht vorgestellt, mein Name ist Salvatore Doni, Erbe der Donifamilie... leider, und Träger des Gungnir, dem der Fluch des Longinus innewohnt.“ Erneut ließ Luciano ein wütendes Zischen hören. Was hatte er getan, dass er gerade jetzt, so kurz vor seinem Triumph, auf einen Doni treffen musste? Nun... gut, er konnte sich ein paar Sachen denken, mit denen er es eventuell verdient hatte, aber das spielte ja keine Rolle.
„Der Erbe einer Familie von Vampirjägern also, wie reizend. Eine Frage noch, was meinst du mit Pechsträhne?“
„Das ich tatsächlich auf einen Vampir treffe natürlich, oder besser gesagt, dass du tatsächlich so dämlich warst, hierher zu kommen.“ meinte Salvatore und tippte mit der Spitze des Speeres auf den Boden. „Ich hatte eigentlich gehofft, niemals gegen einen von euch kämpfen zu müssen, aber jetzt bleibt mir keine andere Wahl. Tust du mir einen Gefallen, Vampir? Sorge bitte dafür, dass es zumindest so aussieht, als wenn ich mich anstrengen musste.“ Ehe Luciano etwas sagen konnte, ging der Inquisitor wieder zum Angriff über und er merkte schnell, dass der Doni zwar überheblich war, aber leider auch nicht ohne Grund. Luciano hatte Mühe die Angriffe des Inquisitors zu parieren und konnte selber kaum zum Angriff übergehen, allerdings machte er sich keine Sorgen. Er war bereits öfters auf einen Gegner getroffen, der ihm im Schwertkampf überlegen war, letztendlich hatten sie aber alle verloren. So gut sie auch sein mochten, letztendlich wurden sie alle müde und erschöpften ihre Kräfte, während Luciano ohne Probleme tagelang kämpfen könnte, ohne ins Schwitzen zu kommen. Plötzlich schnellte die Speerspitze auf Lucianos Gesicht zu, der sich zur Seite beugen musste um dem Angriff zu entgehen und noch in der selben Bewegung schlug er mit seinem Schwert nach seinem Gegner. Dieser ließ den Speer jedoch so schnell herumwirbeln, dass der Schaft die Klinge des Vampirs zur Seite schlug. Sofort zog Salvatore den Speer zurück und stach nach dem Bein des Vampirs, der sein Schwert nach unten reißen musste um zu parieren. Kaum traf die Klinge des Speers auf das Schwert schoss die Hand des Inquisitors nach vorn und packte Luciano im Gesicht. Kurz darauf leuchtete ein goldenes Licht auf und Luciano schrie vor Schmerz, während er sich von Salvatore löste und nach hinten sprang. Er warf dem Inquisitor einen hasserfüllten Blick zu, während sein Gesicht, welches von Salvatores Zauber verbrannt worden war, schnell heilte. In diesem Moment hörte Luciano ein sirrendes Geräusch und warf sich zur Seite, merkte jedoch noch, wie ihn etwas an der Schulter traf. Schnell rollte er sich ab und richtete sich auf, ehe er mit der linken Hand nach seiner Schulter tastete, etwas zu packen bekam und daran zog. In seiner Hand hielt er einen abgebrochenen Armbrustbolzen, und den Schmerzen in seiner Schulter nach, war auch dieser mit dem Fluch des Longinus belegt worden. Luciano sah sich kurz um und sah beinahe sofort seinen neuen Gegner, oder besser gesagt seine neuen Gegner. Drei blonde Mädchen hatten sich zum Doni gesellt und hinter ihm Aufstellung bezogen und erst auf den zweiten Blick bemerkte Luciano, dass es sich bei den Mädchen nicht um Menschen handelte, sondern um... eine Art von Marionetten, die anscheinend vom Doni kontrolliert wurden. Die eine war ungefähr so groß wie ein zehnjähriges Mädchen und hielt eine Armbrust in der Hand, die zweite war mit einer riesigen Axt bewaffnet und sah aus wie ein Mädchen, dass vielleicht ein paar Jahre jünger als der Inquisitor war, ebenso wie die dritte, welche, wie der Doni, einen Speer in der Hand hielt. Ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Vampirs. Gegen jeden anderen Gegner hätten die Marionetten dem Inquisitor sicherlich einen Vorteil beschert, aber gegen einen Vampir waren sie eine Schwachstelle. Ohne zu zögern schoss Luciano nach vorn, zwar konnte der Doni ihm ausweichen, aber der war auch gar nicht Ziel des Angriffes gewesen. Der Vampir hatte es nämlich auf die Marionetten abgesehen, die der Inquisitor nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Luciano ließ sein Schwert fallen und packte zwei der Marionetten am Kopf, während er die dritte mit einem Tritt nach hinten schickte. Sofort begann er die Magie aus den Puppen zu saugen... und merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Bereits nach wenigen Augenblicken hatte er sämtliche Magie, die sich in den Marionetten befand ausgesaugt und es geschah nichts weiter. Normalerweise sorgte die Verbindung zwischen Magier und Marionette dazu, dass der Magier immer automatisch Energie in das Konstrukt leitete, damit es weiterhin funktionieren konnte, also konnte man eigentlich immer den Magier indirekt angreifen, indem man die Marionetten aussaugte, aber hier schien das nicht zu funktionieren. Die Magie, die er in den Marionetten gesehen und aufgesaugt hatte schienen nur einige schwache Schutzzauber gewesen zu sein. Schwache Schutzzauber, oder... ein Köder! Schnell ließ Luciano die Marionetten los und wollte nach hinten springen, kam jedoch nicht dazu. Die beiden Marionetten packten ihn an den Armen und hielten ihn mit einem unglaublich starken Griff fest, den man ihnen gar nicht zutrauen wollte. Ehe er noch etwas tun konnte, stand die dritte Marionette vor ihm und bohrte ihren Speer durch die Brust des Vampirs. Als dieser den Blick senkte bemerkte er, dass auch die Spitze von Salvatores Speer aus seiner Brust ragte. Der Doni stand hinter ihm und zog seine Waffe aus dem Rücken des Vampirs. Wie auf ein unsichtbares Signal zogen sich auch die Marionetten zurück, woraufhin Luciano zu Boden sank und ein Schwall Blut aus seinen Wunden schoss.
„Wie?“ fragte der Vampir und Blut trat aus seinem Mund, während er sich schwerfällig wieder aufrichtete. Seine Wunden waren tödlich, selbst für einen Vampir. Er hatte keine Angst vor dem Tod, er verspürte nur... Wut, auf sich selbst, weil er versagt hatte, bevor er Hel seinen Wert beweisen konnte, aber auch auf den Inquisitor, der anscheinend die ganze Zeit nur mit ihm gespielt und ihn ohne Probleme besiegt hatte. „Ich hatte schon mit den Doni zu tun... eure Marionetten funktionieren mit Magie, also... wie?“ meinte er, während er sein Schwert aufhob und den Inquisitor mit seinen schwarzen Augen anstarrte.
„Du hast recht, die anderen Doni benutzen willenlose Marionetten als Waffen im Kampf. Aber ich bin nicht wie die anderen Doni. Meine... 'Marionetten' bewegen sich ohne Befehle.“ Luciano sah den Inquisitor kurz verständnislos an, brachte dann jedoch ein Lachen hervor.
„Du... du hast Geister gebunden.“ meinte er, ehe er begann zu husten und erneut in die Knie sackte, von wo aus er Salvatore belustigte Blicke zuwarf. „Du tust mir leid Junge, Geister zu binden geht nie gut aus, früher oder später werden sie sich befreien und dann kann dich nichts vor ihrer Rache retten.“
„Dieses mal irrst du dich, ich habe keine Geister gebunden.“ meinte Salvatore mit einem Lächeln im Gesicht, während er eine Hand auf den Kopf der kleinsten der Marionetten legte. „Sie helfen mir freiwillig.“
„Du lügst, Menschen können nicht einmal mit Geistern kommunizieren, sie können sie lediglich beschwören und gefangen halten, mehr nicht.“
„Gewöhnliche Menschen vielleicht, aber es gibt Ausnahmen. Ich bin das, was man bei euch in Pandämonium 'Todesläufer' nennt.“ Luciano verzog das Gesicht, er hatte eigentlich gedacht, dass die Todesläufer schon lange ausgestorben waren. Bei ihnen handelte es sich um Menschen, seltener auch Alfar, die in der Lage waren Geister von Verstorbenen zu sehen, mit ihnen zu reden, oder sie gar zu berühren. „Oh, aber verrate es niemandem, das würde nur für Probleme sorgen.“ fügte Salvatore, mit einem Lächeln hinzu, während er sich am Kopf kratzte. Anstatt zu antworten sackte Luciano gegen einen nahen Pfahl und sank zu Boden. Nach einer Weile richtete er das Wort wieder an Salvatore.
„Du scheinst stärker zu sein, als dieser Naruz.“
„Findest du? Und woher kennst du Naruz?“
„Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß, dass der verrückte Alfar Interesse an ihm hat.“ murmelte Luciano schwach, ehe er erneut lachte. „Das wird ihm nicht gefallen. Ihr habt die Rollen falsch verteilt, du hättest dort oben sein sollen um gegen Jezebeth zu kämpfen, sie wird ihn töten, egal ob Dârthallion ihn will oder nicht.“
„Mhm, das bezweifle ich.“ meinte Salvatore unbeeindruckt, und stützte sich auf seinen Speer. „Er wird schwer verletzt werden, denke ich. Aber wenn ich eines gelernt habe, dann das Naruz nicht so leicht stirbt.“
„Du... du glaubst er könnte gegen eine Erzdämonin gewinnen? Du bist verrückt.“ mühsam richtete der Vampir sich wieder auf und festigte den Griff um sein Schwert. „Es ist Zeit, die Sache zu beenden.“ meinte er noch, ehe er wieder auf Salvatore losging, ohne dass seine Wunden ihn wirklich zu behindern schienen. Jede Bewegung schmerzte, aber das hieß noch lange nicht, dass er nicht mehr kämpfen konnte. Dieses mal schaffte er es auch tatsächlich den Doni in die Defensive zu zwingen, allerdings auch nur, weil er die Angriffe der Marionetten größtenteils ignorierte, und daher immer mehr Wunden davontrug. Dann sah Luciano seine Chance jedoch gekommen, Salvatore parierte einen Schlag seines Schwerts, indem er seinen Speer über seinen Kopf hielt, somit war die Waffe des Doni gebunden und Lucianos Hand fuhr sofort zur Kehle des Inquisitors. Wenn er ihn berührte, würde er ihm die Magie aussaugen können, vielleicht würde das sogar dafür sorgen, dass die Wunden, die der Fluch ihm zugefügt hatte heilten. Bevor er ihn jedoch erreichen hatte, hörte er ein kurzes, klackendes Geräusch und sein Blick wandte sich auf den Speer des Doni, der plötzlich in zwei Teile gespalten war. Der eine, etwas längere Teil, blockierte noch immer Lucianos Klinge, während der kürzere Teil sich in gerade diesem Moment in die Brust des Vampirs bohrte, dort, wo sein Herz schlug. Mit weit aufgerissenen Augen sackte der Vampir auf die Knie und starrte nur auf seine Brust, aus welcher die Waffe des Doni ragte.
„Luciano Vladion, hiermit verurteile ich dich im Namen der Inquisition zum Tode, für die Morde an hochrangigen Magiern der Smaragdgilde und Offizieren der Templer. Möge Gaia deiner Seele gnädig sein... also, falls ein Vampir so etwas hat, aber ich schätze, ihr landet eh alle in den tiefsten Ebenen von Pandämonium, also ist das ja egal.“ Während Salvatore sprach, trat die Marionette mit der Axt heran und enthauptete den Vampir, ohne zu zögern. Der kopflose Körper fiel nun endgültig zu Boden, während Blut den Boden des Heiligtums tränkte. „Mist.“ meinte Salvatore, während er den Körper betrachtete. Kurz darauf klappten seine Marionetten zusammen und fielen reglos zu Boden, während plötzlich drei Mädchen vor Salvatore erschienen. Bei der ersten handelte es sich um ein Mädchen, das vielleicht zehn Jahre alt war, sie hatte lange, weiße Haare und freundliche, blaue Augen. Das zweite Mädchen schien ungefähr sechs Jahre älter zu sein, als das erste hatte kurze, purpurne Haare und einen relativ zierlichen Körperbau, während das letzte Mädchen zwar auch in ihrem Alter zu sein schien, jedoch lange, blonde Haare hatte und vom Körperbau her weit erwachsener zu sein schien, als die anderen beiden.
„Was ist denn? Hast du einen Fehler gemacht?“ fragte das weißhaarige Mädchen fröhlich, während sie zu Salvatore schwebte, ihm von hinten die Arme um den Hals schlang und ihren Kopf auf seiner Schulter ruhen ließ.
„So ungefähr, ich hatte eigentlich gehofft, dass Vampire sich auflösen, sobald sie sterben. Jetzt muss ich irgendwie erklären, wie ich es geschafft habe einen Vampir zu töten... das wird schon wieder so stressig.“
„Ah, so wie letzte mal, als du diesen verrückten Mörder gefangen genommen hattest?“ fragte das Mädchen mit den purpurnen Haaren, während es im Schneidersitz vor Salvatore in der Luft schwebte.
„Genau.“
„Hattest du damals nicht den gefangenen Dämon freigelassen, damit du wieder unfähig und dämlich dastehst?“ fügte sie hinzu, ehe sie die Weißhaarige bemerkte und sich ihr Gesicht verfinsterte. „Verschwinde da gefälligst, Est!“
„Warum?“
„Weil das mein Platz ist!“
„Vergessen wir einen Moment lang, wessen Platz das ist, ja?“ warf Salvatore ein, ehe ein Streit entbrennen konnte. „Sagt mir lieber, warum ihr hier seid. Ich dachte wir waren uns einig, dass ihr in den Marionetten bleibt, wenn wir in der Öffentlichkeit sind.“
„Aber wir sind nicht in der Öffentlichkeit.“ warf das blonde Mädchen mit einem verwirrten Blinzeln ein.
„Es ist öffentlich genug, ihr wisst doch, dass es Probleme geben kann, wenn man rausfindet, dass ich mit Geistern zusammenarbeite.“
„Tut uns leid, Salvatore.“ kam es von allen drei gleichzeitig und sie sahen ziemlich niedergeschlagen aus, woraufhin der Doni seufzte.
„Ich weiß, es ist nicht leicht, dauernd in den Dingern zu stecken, aber leider ist das die einzige Möglichkeit, wie ihr mir helfen könnt, ohne dass jemand schwierige Fragen stellt.“
„Was ist mit Naruz?“ fragte das Mädchen namens Est, während sie sich von Salvatore löste und neben dem Mädchen mit den purpurnen Haaren schwebte.
„Was soll mit ihm sein?“
„Er wird doch wohl bemerkt haben, dass die Marionetten nicht mit Magie funktionieren.“
„Oh... ja, stimmt. Nun, er hat bisher nichts dazu gesagt, ich bin mir sicher, er wird mich fragen, wenn es ihn wirklich...“ Salvatore brach ab, als das blonde Mädchen eine Hand hob. „Hörst du was, Mashiro?“ sie nickte und Salvatore spitzte die Ohren. Kurz darauf hörte auch er es, von oben ertönten Jubelschreie und sie klangen nicht menschlich.
„Ich glaube Naruz ist am verlieren.“ sagte Mashiro und Salvatore lächelte.
„Sehr gut, wenn er am verlieren ist, passieren interessante Dinge. Also los, ab in die Marionetten, wir gehen nach oben und gucken, was da los ist.“

Der Schrei kam von Jezebeth, diese hatte es gerade geschafft Naruz Abwehr zu umgehen und hatte dem Inquisitor einen Hieb mit ihren Krallenhänden verpasst, woraufhin sie ein triumphierendes Kreischen hören ließ. Naruz hatte seine Schwerter fallen lassen und war in die Knie gegangen, während er eine Hand auf seine Seite presste. Dort klaffte eine große Wunde, aus der das Blut in Strömen floss.
„Alles in Ordnung, Partner?“ fragte Serif, der soeben an seiner Seite erschienen war und auch ziemlich mitgenommen aussah.
„Es geht schon.“ meinte Naruz mit einem schwachen Lächeln im Gesicht, doch er sah bereits an Serifs Blick, dass dieser sich nicht von ihm täuschen ließ. Langsam richtete Naruz sich wieder auf und nahm seine Schwerter in die Hände. „Serif?“
„Ja?“
„Hast du noch genug Kraft, für eine Seelenbindung?“
„Aber immer doch Partner, lass uns loslegen!“ meinte Serif und setzte sich auf Naruz Schulter, der sogleich fühlte, wie ihn die Energie seines Eidolons durchfloss. Er sah sich kurz um und merkte, dass der Kampf ganz gut lief, wenn man einmal davon absah, dass er gegen Jezebeth keine Chance hatte. Naira und ihre Templer hatten es sogar geschafft die Dämonen und Sarpa aus dem Hof zu verdrängen... nur von Salvatore war keine Spur zu finden, aber Naruz vermutete, dass der auch sein möglichstes tat, um den Tempel zu verteidigen. Man konnte sagen was man wollte, aber sobald es zur Sache kam, gab Salvatore sein bestes um der Kirche zu helfen.
„Dann wollen wir mal, Serif.“ mit diesen Worten schoss Naruz nach vorn, direkt auf die Harpyie zu. Diese parierte seinen ersten Schlag mühelos und holte dann selber zum Angriff aus, aber Naruz war schon wieder verschwunden und stand nun direkt hinter der Harpyie. Und zum ersten mal, im Laufe dieses Kampfes, landete Naruz einen Treffer. Zwar gelang es der Dämonin dem Schlag auszuweichen, aber Naruz schaffte es, ihr einen Schnitt am Oberarm zu verpassen. Die Dämonin wandte sich um, sah eine Weile lang ungläubig auf ihren blutenden Arm und lächelte dann.
„Du bist interessanter als ich dachte, Mensch. Der letzte, der es geschafft hat mich zu verletzen war Sheogh und er ist der stärkste von uns allen. Du hast dir meinen Respekt verdient.“ Ohne auf eine Antwort zu warten ging sie zum Angriff über, kurz vor Naruz musste sie jedoch anhalten und einen Schritt nach hinten springen um einem Tritt von Serif auszuweichen, woraufhin Naruz in die Flanke der Dämonin gelangen konnte, und ihr einen weiteren Schnitt verpasste, dieses mal an der Hüfte. Die Harpyie ließ ein wütendes Kreischen hören und deckte Naruz wieder mit einem wahren Hagel von Schlägen ein, denen dieser, trotz seiner dank Serif erhöhten Geschwindigkeit, nur mit großen Schwierigkeiten ausweichen konnte. Schließlich parierte er den Schlag einer Klauenhand mit seinem rechten Schwert und führte mit dem zweiten einen Stich nach vorn durch, der die Harpyie in der Schulter traf, dafür verpasste sie ihm jedoch einen Tritt gegen seine Wunde, woraufhin er schmerzerfüllt aufschrie und zu Boden ging, wodurch er eines seiner Schwerter verlor, das in der Schulter der Dämonin stecken blieb. Diese zog die Waffe hinaus und schleuderte sie zur Seite, während Naruz sich erneut aufrappelte.
„Langsam geht mir diese Dämonin wirklich auf die Nerven.“ murmelte Naruz und hielt sich die Seite, die noch immer stark blutete. Wenn das so weiterging, würde er noch verbluten, bevor er den Kampf mit Jezebeth zu einem Ende bringen konnte. Plötzlich verkrampfte sich alles in Naruz Inneren und er schrie erneut schmerzerfüllt auf, während er in die Knie ging und ein Schwall Blut aus seinem Mund schoss.
„Partner? Was ist los?“ fragte Serif und Panik machte sich in seiner Stimme bemerkbar. Naruz hätte ihm gerne geantwortet, nur leider konnte er es nicht. Zum einen wusste er selber nicht, was da gerade mit ihm los war, zum anderen war er viel zu sehr damit beschäftigt zu schreien, während sein Körper sich so anfühlte, als wenn er von Innen heraus verbrannte. Kurz erinnerte er sich wieder an die Träume, die er vor einigen Monaten gehabt hatte und daran, wie dunkles Feuer in seinen Mund gekrochen war um ihn von Innen heraus zu verbrennen, dann verschwanden die Schmerzen so plötzlich, wie sie aufgetaucht waren. „Naruz! Was ist mit dir?“ rief Serif und schwebte unruhig umher.
„Nichts, mir geht es gut.“ meinte Naruz, während er wieder aufstand und Serif anlächelte. „Alles in bester...“ Naruz verstummte plötzlich und das Lächeln in seinem Gesicht verblasste, während er seinen Kopf nach vorn drehte und Serif entsetzt die Augen aufriss. Direkt vor Naruz stand Jezebeth und starrte ihn aus ihren kalten, goldenen Augen an. Als sein Blick nach unten wanderte sah er, dass sich die rechte Krallenhand der Harpyie tief in seine Brust gebohrt hatte. Langsam zog die Dämonin ihre Hand hinaus und ein Strom Blut quoll aus der Wunde, über die weiße Inquisitorenrobe und rann zu Boden. Serif hatte aufgrund der Verletzung seines Botschafters inzwischen das Bewusstsein verloren und war zu Boden gefallen und auch Naruz sackte zu Boden, seinen Blick auf das Gesicht der Dämonin gerichtet.
„Inquisitor!“ Naruz hörte in weiter ferne die Stimme von Naira und sah verschwommen, wie die Frau sich vor ihn stellte und nach der Dämonin schlug, die mit einem Sprung nach hinten auswich.
„Du weißt gar nicht, wen du da vor dir hast, Mädchen.“ sprach die Dämonin und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Lass dir gesagt sein, der Tod dieses Mannes wird der Welt viel Leid ersparen.“ mit diesen Worten richtete sie ihre Hand auf Naira, die noch immer vor Naruz stand und schoss einen schwarzen Blitz auf sie ab, ohne dass Naruz es verhindern konnte. Ihn kostete es schon zu viel Kraft auch nur die Augen offen zu halten. Bevor der Strahl aus Energie die Schwerttänzerin jedoch treffen konnte, bildete sich eine Art Schild aus blauer Energie vor ihr und der Zauber der Dämonin zersplitterte in kleine Teile. „Was? Wer mischt sich ein?“ entfuhr es der Dämonin und Naruz sah noch, wie eine blonde Alfar in einem schwarzen Kleid sich in sein Sichtfeld schob, dann verschwamm alles und er schloss seine Augen.

Als er sie wieder öffnete, befand er sich in einem großen Zimmer, mit äußerst teurer Einrichtung. Er selber saß auf einem großen Himmelbett und starrte direkt auf einen großen Wandschrank, neben den mehrere Bücherregale aneinandergereiht waren. Er war jedoch nicht alleine, in einer Ecke des Zimmers saßen drei kleine Kinder auf dem Boden und unterhielten sich. Es waren zwei Mädchen und ein junge, das eine Mädchen hatte lange, spitze Ohren und langes, schwarzes Haar, sowie goldene Augen, was sie eindeutig zu einer Môrkalfar machte. Das zweite hatte lange rote Haare und braune Augen, und der Junge... Naruz erstarrte, als er ihn sah. Der Junge... sah genauso aus wie Naruz, als er jünger gewesen war! Was ging hier vor sich?
„So ist es gut, Morrigan. Wenn du jetzt noch die Magie direkt durch diese Punkte hier lenkst, wird der Zauber kein Problem mehr für dich sein.“ sagte der Junge gerade an das Alfarmädchen gewandt.
„Meinst du wirklich?“ Die Alfar und das andere Mädchen schienen beide ein wenig älter zu sein als der Junge und trotzdem schien er derjenige zu sein, der den beiden gerade Magie beibrachte.
„Natürlich, habe ich dir jemals etwas erzählt, was nicht gestimmt hat?“ Die Alfar schüttelte den Kopf.
„Nein, du hast mir immer die Wahrheit gesagt... danke! Ohne dich hätte ich den Zauber auch in zehn Jahren nicht hinbekommen.“
„Naruz? Kannst du mir auch helfen?“ Naruz und der Junge wandten zeitgleich den Kopf um, zum rothaarigen Mädchen das gerade gesprochen hatte. Sie hatte den Jungen gerade 'Naruz' genannt... aber das konnte nicht sein, er konnte sich nicht daran erinnern, jemals in so einer Situation gewesen zu sein.
„Aber immer doch, womit brauchst du Hilfe, Anya?“ Anya? Das war unmöglich! Das ganze musste ein vollkommen seltsamer Traum sein, ausgelöst durch den Blutverlust, während seines Kampfes mit Jezebeth, anders konnte er sich die Sache nicht erklären. Während der Junge, den die beiden Mädchen Naruz genannt hatten, der jungen Anya erklärte, wie sie ihr Problem lösen konnte, öffnete sich die Tür und ein älterer Junge trat ein, der Naruz ziemlich ähnlich sah, wenn man davon absah, dass seine Augen ausschließlich grün waren. Kaum hatte der Junge das Zimmer betreten, da sprang der kleine Naruz auch schon auf und rannte zu ihm hinüber. „Du bist wieder da! Wie war es in Navea? Hast du viel erlebt? Hast du jemanden kennengelernt? Eine Freundin gefunden?“ plapperte er darauf los, woraufhin der ältere Junge anfing zu lachen.
„Immer mit der Ruhe, Naruz. Es freut mich auch dich zu sehen, woah!“ entfuhr es ihm, als Naruz, Morrigan und Anya ihn gleichzeitig ansprangen, umarmten und zu Boden rissen.
„Du warst solange weg! Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr wieder!“ meinte die junge Anya, während sie ihr Gesicht im Mantel vergrub, den der Neuankömmling trug.
„Ich war doch nur zwei Monate weg, außerdem war Rhael doch hier um auf euch aufzupassen.“
„Rhael ist aber immer so streng! Außerdem könnte er unser Ururururururgroßvater sein und wirkt so, als wenn er noch nie in seinem Leben Spaß hatte!“ protestierte Morrigan, was dem Jungen erneut ein Lachen entlockte.
„Du solltest nicht so schlecht von deinem Bruder reden, Morrigan.“
„Warum nicht? Er ist immer so streng und gemein... ich hätte viel lieber dich als Bruder!“ Der Junge sagte zwar noch etwas, aber Naruz hörte es nicht mehr, stattdessen hörte er plötzlich die Stimme einer Frau, die ständig seinen Namen rief. Dann wurde alles weiß und Naruz fühlte sich, als würde er in einen tiefen Abgrund fallen, ehe er mit einem Aufschrei aufwachte.

„Inquisitor! Mit Euch ist alles in Ordnung!“ hörte Naruz die Stimme von Naira neben sich, während er sich verwirrt umsah. Er lag in den Schatten des Tempels und Serif befand sich direkt neben ihm, allerdings schien er noch immer ohnmächtig zu sein. Naira kniete neben ihm und starrte ihn einfach nur aus großen Augen an, während Sigrun mit dem Rücken zu ihm stand und Jezebeth im Blick behielt... die sich einen Schlagabtausch mit Salvatore und dessen Marionetten lieferte.
„Was... was ist hier los?“ fragte Naruz verwirrt und richtete sich auf, woraufhin er merkte, dass seine Wunden vollkommen verheilt waren.
„Das würde ich gerne von Euch wissen!“ entfuhr es Naira. „Ihr seid schwer verletzt zu Boden gegangen, dann habt Ihr angefangen blau zu leuchten und Eure Wunden begangen zu heilen. Dann ist auch noch diese seltsame Alfar aufgetaucht und hat uns beide vor dem Angriff der Erzdämonin gerettet und die Dämonen und Sarpa getötet, die noch hier waren... danach hat sie einen seltsamen Zauber auf Euch gewirkt und ist verschwunden, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Euer Eidolon hier dann plötzlich aufgetaucht und meinte, sie habe Quelkulan vertrieben, mehr wollte sie dazu nicht sagen.“
„Naruz!“
„Ja, Sigrun?“
„Salvatore wird nicht mehr lange durchhalten, er scheint schon am Ende seiner Kräfte zu sein. Wir sollten ihm helfen.“
„Ja... ich werde das machen.“ meinte Naruz und ging ein paar Schritte nach vorn.
„Was? Aber...“ begann Naira, doch Naruz hörte nicht auf sie, er war bereits verschwunden und stand plötzlich zwischen Salvatore und Jezebeth. Die Harpyie zischte wütend auf, als sie Naruz sah, während Salvatore erleichtert seufzte und zu Boden ging.
„Wurde auch Zeit, dass du aufwachst, ich weiß nicht, wie lange ich sie noch hätte aufhalten können.“
„Netter Versuch, Salvatore.“ meinte Naruz, und lächelte den Doni an. „Aber wenn du wolltest, hättest du sie töten können, nicht wahr?“
„Was? Du träumst wohl! Ich könnte mich nie im Leben mit einer Erzdämonin messen!“ sagte Salvatore und setzte seinen unschuldigsten Gesichtsausdruck auf.
„Ja... natürlich.“ Ehe Naruz noch etwas sagen konnte, raste Jezebeth auf ihn zu und schlug mit ihren Klauen nach Naruz Kopf, dieser wich jedoch mit einer schnellen Drehung aus und brachte ein wenig Distanz zwischen sich und die Dämonin. Kaum hatte er das getan merkte er, dass etwas überhaupt nicht stimmte. Er bewegte sich schneller als sonst und irgendetwas fühlte sich... anders an, er spürte förmlich, wie die Magie durch seinen Körper pulsierte, seine Magie. Früher hatte er sie nie so deutlich gespürt. Versuchsweise richtete er die Hand auf Jezebeth und wob einen Zauber, den er aus seinem Duell mit Mizore Vaas kannte, kurz darauf schossen dicke Eisspeere aus dem Boden und durchbohrten die Luft dort, wo Jezebeth noch wenige Augenblicke zuvor gewesen war. Erneut richtete die Dämonin die Hand auf Naruz und sammelte Energie für ihren Blitz aus dunkler Energie, doch dieses mal gelang es Naruz wieder den Zauber zu verhindern. Wieder ging die Dämonin mit ihren Klauen auf ihn los und verpasste ihm sogar einen Schnitt, quer über den Brustkorb, allerdings war die Wunde nicht sonderlich tief. Erneut holte die Harpyie aus, erstarrte jedoch, kurz bevor sie Naruz erreichte und sah zu Boden. Fesseln aus Eis hatten sich um ihre Beine geschlungen und hielten sie am Boden fest. Nun war es an Naruz, die Hand auf Jezebeth zu richten. Er sammelte Energie und schoss aus kürzester Distanz einen silbernen Blitz, auf die Harpyie. Es war der Zauber, den Serif einmal beim Kampf gegen Sonjuno eingesetzt hatte. Damals hatte der Zauber nicht wirklich funktioniert, aber hier traf er Jezebeth direkt in die Brust und riss ein riesiges Loch in ihren Oberkörper, woraufhin die Dämonin schreiend zu Boden ging. Langsam ging Naruz auf die Dämonin zu, die ihn aus ihren kalten Augen musterte und ein schwaches Lächeln aufsetzte.
„Ich... habe versagt, wie es aussieht.“ murmelte sie schwach, während sie versuchte sich aufzurichten. Naruz nickte.
„Allerdings, du wirst kein Portal öffnen und keine Dämonen beschwören, die Invasion von Candeo endet hier.“ Zu Naruz Überraschung begann die Dämonin zu lachen.
„Du verstehst mich falsch, es ging mir nie um Candeo, oder darum... das lächerliche... Portal zu öffnen. Ich... war hier um die Geburt... des Maou zu... verhindern. Wie ironisch... dass mein Eingreifen... erst dazu... geführt hat...“ Die Dämonin verstummte und ihre Augen wurden sofort leer; Jezebeth die Harpyie war gefallen und ließ einen vollkommen verwirrten Naruz zurück der versuchte zu verstehen, was die letzten Worte der Dämonin wohl bedeuten mochten.
Zuletzt geändert von Mimir am 14. November 2014 23:06, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 12. November 2014 20:29

38. Was die Zukunft bringt... (Öffnen)
38. Was die Zukunft bringt...


Vorsichtig schlich die junge Akashi durch die dunklen Flure und Gänge des weitläufigen, leerstehenden Anwesens. Die meisten Bewohner waren ausgeflogen und die Bediensteten schliefen tief und fest, leider half ihr das nicht dabei vernünftige Beute zu finden. Für die zahlreichen Gemälde und antiken Waffen an den Wänden hatte sie keinen einzigen Blick übrig. Das meiste davon war nichts wert, zumindest nicht für irgendjemanden außerhalb dieses Hauses. Es waren Bilder und Erbstücke der Bladelli, leider war es schon immer eine Soldatenfamilie gewesen und sie legten auf dem Schlachtfeld wenig wert auf unnötigen Prunk. Die Waffen gefallener Bladelli waren gut und praktisch, aber wurden entweder während des letzten Kampfes der toten Besitzer zerstört oder waren unscheinbar und von geringem wert. Niemand würde ein Vermögen für ein gutes Schwert bezahlen, aber für eine stumpfe, minderwertige Klinge die hübsch verziert war schon. Aber selbst die Wände voller Schätze wären, würde Severina Akashi sich nicht großartig darum kümmern. Etwas anderes erforderte im Moment ihre gesamte Aufmerksamkeit. Immer wieder musste sie ihrem Begleiter prüfende Blicke zuwerfen, damit er sich nicht unbemerkt absetzte, wie er es so oft tat. Sie wusste ganz genau, warum er sich ausgerechnet das Anwesen der Bladelli für diesen kleinen Raubzug ausgesucht hatte und es gefiel ihr nicht.
Ihr Begleiter, war Severin Akashi, ihr Zwillingsbruder und der größte Dieb von ganz Midgard, zumindest behauptete er das gerne. Sie beide hatten aschblonde Haare, ihre gingen bis zur Hüfte, während die ihres Bruders nicht einmal bis zu seinen Schultern reichten und sie trugen dunkle Mäntel die mit silbernen Stickereien verziert waren. Ihr Bruder hielt sich gerne für gutaussehend und vermutlich war er das auch, allerdings viel es Severina schwer das zu beurteilen, dafür sahen sie sich zu ähnlich. Man könnte sie auch als typische Akashi beschreiben, womit man vollkommen falsch liegen würde. Sie gehörten zum innersten Kreis der Familie und könnten mit ihren fast zwanzig Jahren leicht an einen Posten innerhalb der kirchlichen Streitmacht kommen. Kyosuke Akashi war zwar ihr Onkel, bedauerlicherweise, aber es war ihnen bereits vor einigen Jahren gelungen ohne die Hilfe der Familie zu überleben. Um genau zu sein, arbeiteten sie noch immer für die Akashi, allerdings nur für einen einzigen Akashi, nämlich ihren Cousin Teregion und die Kinder Gaias. Als einzige Akashi durften die Zwillinge dem Orden aus Attentätern beitreten, auch wenn sie bei ihrer Arbeit nie besonders viel Enthusiasmus an den Tag legten. Severina mochte es nicht zu töten und ihr Bruder überließ meistens ihr die Führung, also setzte Teregion die beiden eher für Spionage- und Aufklärungsmissionen ein, worin sie unschlagbar waren. Eigentlich verstießen sie derzeit gegen die Befehle ihres Großmeisters. Es hieß alle Kinder Gaias sollten Navea meiden, um nicht von diesem wahnsinnigen Luca Bladelli abgeschlachtet zu werden. Aber sie fürchteten sich nicht besonders vor Luca, solange sie zusammen waren, konnte sie niemand besiegen.
„Es wird Zeit das wir uns trennen.“ flüsterte ihr Bruder der Akashi plötzlich von der Seite aus zu, die daraufhin sofort mit den Augen rollte, genau auf diesen Satz wartete sie schon die ganze Zeit. Es war also endlich soweit, ihr eigenwilliger Zwilling begann wieder seltsam zu werden, sie hasste diese Momente. „Also dann, ich übernehme dieses Zimmer und ähm sagen wir alle anderen links von hier. Du kannst den rechten Flügel übernehmen, aber vergiss nicht dass wir nicht wissen wie viel Zeit wir haben. Es ist gut möglich das wir irgendwelche Zauber übersehen haben.“
„Ich weiß, ich weiß. Du musst mir das nicht immer wieder erklären, aber du wirst den linken Flügel, und vor allem dieses Zimmer, nur über meine Leiche betreten.“ erwiderte sie mit fester Stimme und hätte ihn am liebsten angeschrien, aber besann sich dann doch noch auf ihre Umgebung. Es war besser ihn später fertigzumachen, sie hatte wenig Lust nur wegen ihm im Gefängnis zu landen.
„Was? Warum? Hör auf irgendwelche schlechten Witze zu machen. Wir sollten uns beeilen, bevor uns doch noch irgendein Diener entdeckt, oder vielleicht sogar der alte Paolo selbst. Also los, lass uns anfangen nach etwas Wertvollem zu suchen.“
„Dafür ist noch mehr als genug Zeit und diese Diskussion muss sein, ansonsten gehen wir hier mit leeren Händen raus.“ fauchte Severina ihn an, verärgert über sein unschuldiges Lächeln und den ahnungslosen Tonfall „Du willst nur in dieses Zimmer weil es das von dem Bladelli Mädchen ist, richtig? Du willst ihre Sachen durchwühlen und mal wieder irgendetwas unheimliches anstellen, weil du glaubst verliebt zu sein, aber diesmal nicht. Ich lasse nicht zu dass du ihr Zimmer durchsuchst, ich kenne sie zwar nicht, aber kein Mädchen hat es verdient von dir ausspioniert zu werden, also übernehme ich den linken Flügel und dieses Zimmer und du den Rest, verstanden?“
„Aber ich...“ begann Severin vorsichtig, wurde aber sofort schroff von seiner Schwester unterbrochen, die inzwischen Mühe hatte weiterhin zu flüstern und sich zu beherrschen.
„Nein.“
„Nein?“ fragte er ungläubig nach und sofort sank seine Laune ins Bodenlose, als sie versuchte ihn herumzukommandieren. Er folgte ihren Befehlen, wenn sie sich auf einer Mission befanden, aber abseits von ihrer Arbeit für die Kinder Gaias hatte er das Sagen, das war schon immer so gewesen und er würde nicht zulassen dass sie ihn plötzlich herausforderte „Seit wann triffst du hier die Entscheidungen? Ich dachte dass ich hier...“
„Ich sagte Nein und dabei bleibt es auch.“ unterbrach sie ihn sofort wieder so energisch wie möglich, es wurde Zeit das er endlich einmal in seine Schranken gewiesen wurde „Also, verschwinde endlich und such nach etwas wertvollem, immerhin hast du selbst gesagt dass wir keine Zeit haben.“ Damit beendete Severina die Diskussion abrupt, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in dem Zimmer, was ihrem Bruder ein erstaunlich zufriedenes Grinsen entlockte, welches sie zum Glück nicht mehr sehen konnte.
Angespannt blickte sie sich in dem Zimmer um, jederzeit bereit ihre Magie heraufzubeschwören und magische Fallen abzuwehren. Anya Bladelli befand sich derzeit auf einer Reise, so viel wusste Severina, aber trotzdem musste es hier doch irgendeine Art von Abwehr gegen Eindringlinge geben. Es konnte nicht so einfach sein bei einer der drei großen Familien einzusteigen. Trotzdem passierte auch weiterhin nichts, als sie begann nach etwas von Wert zu suchen, was sich als schwierig herausstellte. Diese Anya lebte erstaunlich sparsam und einfach für das Mitglied eines großen Hauses. Es überraschte Severina, aber dadurch wurde ihr diese Anya nur noch mehr suspekt. Schon schlimm genug dass ihr Bruder ausgerechnet hier einbrechen wollte, selbstverständlich nicht ohne Hintergedanken, das konnte er nicht verbergen egal wie sehr er es versuchte. Schon seit sie von der bevorstehenden Hochzeit ihrer Cousine und der Reise nach Navea erfahren hatten, war Severin aufgeregt und kaum noch zu halten, die ganze Zeit schwärmte er von seiner perfekten Lady Bladelli. Sie war angeblich wunderschön, klug, anmutig, freundlich, bescheiden und noch vieles mehr. In den Beschreibungen ihres Bruders wurde Anya fast zu einer leibhaftigen Göttin erhoben und auf eine Stufe mit Gaia gestellt...wovon Severina langsam schlecht wurde. Seufzend wandte sie sich dem einfachen, schmalen Bett zu und hob lächelnd eines der Plüschtiere auf. Es waren niedliche, kleine Puppen in Gestalt von Pinguinen, und zwar ausschließlich Pinguine.
„Pinguine? Niedlich. Anya hat einen guten Geschmack.“ flüsterte sie lächelnd und legte das Stofftier vorsichtig zurück. Sie bezweifelte dass diese Stoffpinguine irgendwas wert waren, also schwand ihr Interesse bereits wieder. Als nächstes öffnete sie den groben Kleiderschrank und hätte beinahe vor lauter Schreck lauft aufgeschrien. Pinguine purzelten ihr entgegen und verteilten sich auf dem Boden. „Noch mehr Pinguine, toll...“ murmelte sie vor sich hin, während sie sich von dem Schock erholte. Beinahe hätte sie ihre Magie benutzt, um die angreifenden Pinguinpuppen zu Asche zu verbrennen oder gleich das ganze Zimmer in die Luft zu jagen, aber etwas anderes half ihr sehr schnell über diesen kleinen Erschrecker hinwegzukommen. Der Schrank war bis oben hin gefüllt mit Pinguinstofftieren. Sie waren praktisch überall und bildeten ein Meer aus blauem, weichen Stoff und kleinen schwarzen Knopfaugen, die sie anklagend anstarrten. „Warum um alles in der Welt hat dieses Mädchen so viele Pinguine? Das ist doch unnormal.“ Ihr Bruder war an eine Verrückte geraten, aber das hatte er auch nicht anders verdient. Vielleicht konnte sie ihn ja dazu überreden sich in ein Pinguinkostüm zu werfen und damit vor Anya aufzutauchen, dann könnte sie sich wenigstens auch etwas amüsieren. Während in ihrem Kopf Bilder von Severin in einem möglichst lächerlichen Kostüm umherschwirrten, wühlte sie sich durch die schiere Masse auf Plüschtieren. Was sie dahinter fand, irritierte sie noch viel mehr als die Pinguine. Es waren verschiedene Uniformen, Hosen und Hemden, aber vor allem die seltsame Unterwäsche verwirrte Severina endgültig. So etwas würde eher ihr Bruder oder jeder andere Mann besitzen. „Oh...für ein Mädchen trägt sie ziemlich seltsame Sachen, aber naja, wenn sie wirklich so toll aussieht wie Severin immer behauptet kann sie sicher alles tragen.“ flüsterte sie und ein leiser Hauch von Zweifel schwang inzwischen in ihrer Stimme mit. Etwas stimmte an dem Zimmer nicht. Anya war die Enkelin von Paolo. Niemals würde sie in so einem unscheinbaren Zimmer leben und auch wenn sie Templerin war, musste es hier trotzdem irgendwo ein Kleid geben. Mit einem viel zu lauten Fluch auf den Lippen, trat sie einen der Pinguine durch die Gegend und stand kurz davor ihren Zorn an den unschuldigen Puppen auszulassen. „Mist, dieser Idiot hat mich reingelegt! Das hier ist nicht das Zimmer von Anya Bladelli. Ich wusste ich hätte mir den verdammten Grundriss auch mal ansehen sollen.“ Severina seufzte genervt und ließ sich eingeschnappt zwischen die ganzen Pinguine auf den Boden sinken. Ihre Lust am stehlen war endgültig zerschmettert, hier gab es sowieso nichts, vermutlich gehörte das Zimmer irgendeinem durchgeknallten Diener. „Toll, also alles wie immer. Er kriegt was er will und ich muss mich mit den ´Schätzen` irgendeines trotteligen Verwandten oder Dieners begnügen. Hier finde ich niemals genug Geld, aber Hauptsache er kann in der Unterwäsche seiner neuen Flamme wühlen und uns mal wieder lächerlich machen. Das wird er mir büßen.“
Einige Zimmer weiter, war ihr Bruder in der Zwischenzeit damit beschäftigt sich mit einem zufriedenen Lächeln im richtigen Zimmer von Anya Bladelli umzusehen. Viel aufwendiger und prunkvoller als bei dem Pinguinfanatiker sah es hier allerdings auch nichts aus, außerdem gab es weniger Plüschtiere. Ein geräumiger Kleiderschrank und einige kleinere Kommoden säumten die ansonsten nackten Wände. Auf den Schränkchen standen ein paar Bilder, die Anya mit ihrem Team oder mit irgendwelchen Verwandten zeigten und er nahm sich eine Weile Zeit um sie genau zu untersuchen. Vielleicht fand er auf einem der Bilder einen Hinweis auf seine Konkurrenz. In der Nähe von Anya musste es nur so von Verehrern wimmeln. Aber damit würde er sich beschäftigen wenn es so weit war. Seufzend ging Severin zu dem breiten Himmelbett auf dem einige Plüschtiere saßen und ließ sich darauf nieder. Entspannt legte er den Kopf auf das rote Kissen und betrachtete die Decke, während er nachdachte. Normalerweise würde hier sein Ziel liegen und friedlich schlafen, und genau das machte die Situation so toll für ihn.
Ihr eigentliches Ziel war bereits voll und ganz aus seinem Kopf verdrängt. Er hatte Vertrauen in seine Schwester, sie würde schon irgendwo was brauchbares auftreiben, darin war sie gut. Anfangs jammerte sie zwar immer, aber am Ende kam sie jedes mal mit einem kleinen Schatz zurück, um ehrlich zu sein, war sie viel besser darin als er, denn er ließ sich viel zu leicht von anderen Dingen ablenken. Von wichtigen Dingen! Aber leider brachten sie ihm kein Geld ein, was sich bei ihren weiteren Plänen als kleines Problem herausstellen könnte. Doch wichtigere, höhere Ziele erwarteten ihn in diesem Raum. Reichtum war vergänglich und ohne jegliche Bedeutung, aber die Macht der Liebe und vor allem Besessenheit die ihn antrieb, würde niemals vergehen!
Nach einer Weile erhob er sich widerwillig und begann damit die Schränke und Schubladen zu durchwühlen. Er fand einiges an Geld und etwas Schmuck, nicht viel, aber er sah wertvoll genug aus, um mit Leichtigkeit eine lohnende Beute darzustellen. Vermutlich waren es irgendwelche Familienerbstücke und damit kamen sie für ihn nicht mehr in Frage. Er konnte dem Mädchen das er liebte nicht die Ersparnisse oder den Schmuck ihrer Mutter stehlen, das wäre unhöflich und vor allem ziemlich gemein. Wenn sie das jemals erfuhr, dann könnte das eines Tages vielleicht ihre Beziehung belasten. Als Enkelin des Oberhaupts der Bladelli, kannte er Anya schon seit Ewigkeiten, oder genauer gesagt, er hatte sie ab und zu gesehen, aber bildete sich gerne ein sie zu kennen, obwohl sie nie ein Wort miteinander gewechselt hatten. Normalerweise gab er sich mit flüchtigen Bekanntschaften zufrieden wenn es um Frauen ging, aber es wurde Zeit das zu ändern. Während er sich durch Schubladen wühlte, freute er sich in Gedanken schon auf Anyas Rückkehr nach Navea. Die Hochzeit von Lyaena war das beste was ihm passieren konnte, er wollte schon lange wieder mal in die Hauptstadt, um sein Glück bei der rothaarigen Bladelli zu versuchen.
„Uh, da ist es ja, mein neuer Schatz.“ hauchte er leise und wirkte so, als würde er mit einer unsichtbaren Person neben sich sprechen. Wenn es eines gab, was die Zwillinge noch lieber taten als zu stehlen, dann war es Selbstgespräche zu führen. Irgendwie merkten sie es nie, sobald sie in sinnlose Monologe abschweiften, denn sie waren es gewohnt immer zusammen zu sein und wenn sie sich einmal für kurze Zeit trennen mussten, redeten sie fortlaufend mit der Luft, um eine Art Ersatz für die gähnende Leere zu erschaffen. Mit einem siegessicheren Grinsen wühlte er sich achtlos durch die Schublade nach der er die ganze Zeit gesucht hatte, bis er endlich etwas fand, das ihn zufriedenstellte. Ganz egal was seine Schwester fand, alleine damit konnte dieser kleine Einbruch bereits als voller Erfolg verbucht werden. Triumphierend hielt er ein schwarzes Seidenhöschchen in die Luft. Schritt eins seines Plans war ein voller Erfolg. „Ich wusste ich finde dich wenn ich nur lange genug suche, letztendlich konntest du mir nicht entkommen auch wenn du es versucht hast. Jetzt brauche ich nur noch deine Besitzerin. Schade dass sie im Moment auf einer Reise ist. Ich hatte mich schon so darauf gefreut mit Anya auszugehen, ich bin einer ihrer größten Bewunderer, weißt du?“ plapperte er fröhlich drauf los, ohne sich darum zu kümmern dass sein Gesprächspartner nur ein Stück Stoff war, er hatte schon mit seltsameren Dingen geredet wenn seine Schwester nicht da war, außerdem würde dieses Stück Stoff in seiner und Anyas Hochzeitsnacht noch eine gewisse Rolle spielen. „Vielleicht könnten wir ja mal zu Dritt einen Abend verbringen. Ich bin sicher du stehst Anya perfekt, hoffentlich ist sie nicht sauer wenn ich dich ausborge, aber ich brauche etwas um mehr über sie zu erfahren.“
Er dachte einen Moment darüber nach wie seltsam sich das anhörte, vielleicht übertrieb er es mit seiner Besessenheit auch etwas, aber Anya schwirrte schon eine ganze Weile im Kopf des Zwillings umher. Es reichte ihm langsam sich mit langweiligen Geliebten aus der Provinz rumzuschlagen, was er brauchte war eine echte Lady aus einer der angesehensten Familien des Landes. „Gut, das ich dich brauche um mehr über sie zu erfahren, ist gelogen, eigentlich brauche ich nur ein Geschenk das mich nichts kostet. Weißt du, meine Schwester hat es sich aus irgendeinem Grund in den Kopf gesetzt auf diesen dämlichen Ball unserer Onkels zu gehen und will dringend ein neues Kleid, selbst mich will sie in Schale werfen und wir waren noch nie gut darin zu sparen, also sind wir auf diesen kleinen Beutezug angewiesen. Severina würde es mir nie verzeihen wenn ich unser weniges Geld so verschwende, also wirst du bald auf einem etwas anderen Weg zu deiner Besitzerin zurückkehren.“ Der Ball war ihm ein Dorn im Auge Er hatte keine Ahnung warum Kyosuke ihn nicht leiden konnte. Vielleicht hatte es etwas mit seiner Leidenschaft für hübsche Frauen zu tun, oder damit das er lieber ein Dieb war als sich mit den anderen Akashi zu beschäftigen, möglicherweise lag es auch daran das er gerade mit einem Stück Stoff redete, so oder so, sein Onkel übertrieb vollkommen. Wer unheimliche Typen wie Halos zu seinen engsten Vertrauten zählte, den konnte Severin nicht wirklich ernst nehmen. Es wurde sowieso Zeit das der alte Mann endlich abtrat und Platz für Teregion machte. Liebend gerne hätte er den Ball ignoriert, aber Severina freute sich aus unerfindlichen Gründen tatsächlich auf diesen Abend und er mochte es sie glücklich zu sehen. Wenn es ihm gelang seinem Onkel aus dem Weg zu gehen, konnte es sogar tatsächlich in halbwegs vernünftiger Abend werden. Mit etwas Glück, und genug Wein, konnte es vielleicht sogar der Abend werden auf den er bereits sehr lange wartete und für den er sogar Anya vergessen würde. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Mit einem verträumten Lächeln im Gesicht ging er zur Tür und öffnete sie, tief in Gedanken versunken. Erschrocken riss Severin die Augen auf, als ihn im Flur bereits jemand erwartete. Vor ihm stand eine hochgewachsene Frau mit rosa Haaren und einem Tuch vor dem Gesicht. Ohne Vorwarnung trat sie nach ihm und rammte einen ihrer schweren Stiefel gegen seine Brust. Severin wurde durch das Zimmer geschleudert, bis er gegen die Wand prallte. Der Tritt raubte ihm den Atem und er fühlte sich, als hätte ihn ein Hammerschlag getroffen. Verwirrt versuchte er aufzustehen, aber gab es sofort auf, als er den stechenden Schmerz in seiner Brust spürte. Stattdessen warf er sich schnell zur Seite. Neben sich hörte er wie der Stiefel der Wahnsinnigen auf den Stein krachte. Scharfkantige Steinsplitter flogen ihm entgegen, als er sich sich die Arme vors Gesicht hielt und instinktiv seine Magie gegen die unbekannte Angreiferin schickte. Die Spitzen seiner Finger zerflossen zu flüssigem Silber und rasten auf die Frau zu, welche keinerlei Anstalten machte auszuweichen. Das Silber breitete sich immer weiter um sie aus, spann die Angreiferin ein, bis sie in einem Kokon aus waberndem Metall gefangen war. Zufrieden betrachtete er sein Werk. Das Silber mochte zwar flüssig aussehen, aber es war härter als Stahl und würde sich verfestigen sobald die Frau versuchte es zu berühren. Aus dem silbernen Gefängnis gab es kein Entkommen...in der Theorie. Langsam schob sich ein Handschuh durch den silbernen Kokon, ohne dass sich sein magisches Metall auf die Hand stürzte und sie in Stücke riss oder zumindest aufhielt. Immer mehr von der seltsamen Frau schob sich unversehrt durch den Kokon und Severin ging ein Licht auf. Es gab nur einen Grund, warum seine Magie nicht funktionierte: Sein Gegner war kein Mensch.
Mit einem Fluch auf den Lippen sprang er auf, biss vor Schmerz die Zähne zusammen und rannte zur Tür. Für so einen Gegner brauchte er seine Schwester, ihre Magie wirkte viel besser wenn sie gemeinsam kämpften und ohne ihre Schmetterlinge war sein bisschen Silbermagie nicht genug um ein Eidolon zu besiegen. Das Eidolon würde er nicht mehr lange brauchen um sich endgültig zu befreien und Severin atmete erleichtert auf, als er ein paar Gänge weiter mit seiner Schwester zusammenstieß.
„Du! Wie kannst du es...!“ begann sie wütend sobald sie ihn sah, aber er schnitt ihr das Wort ab.
„Keine Zeit, wir müssen verschwinden.“ Wie um seine hastigen Worte zu unterstreichen, flog ein Wurfmesser an seinem Ohr vorbei und er konnte Schritte hinter sich hören. Ohne sich um die Verwirrung seiner Schwester zu kümmern, ergriff er ihren Arm und zog sie hinter sich her. Es war am besten nicht zu kämpfen, auch wenn er nicht an ihrem Sieg zweifelte, aber durch die Kampfgeräusche würde auch noch der faulste Wächter aufmerksam und würde die Stadtwache oder Hohetempler benachrichtigen. Immerhin lag das Anwesen mitten im Militärbezirk und gehörte einem hochrangigen Mitglied der kirchlichen Armee. Zum Glück gab das Eidolon sich damit zufrieden das Haus zu verteidigen und sie zu verjagen.
„Ich glaube wir haben es abgehängt.“ Erklang es erleichtert von Severin, als sie in einer abgelegenen Gasse nahe des Militärbezirks endlich stehen blieben. Seine Schwester wirkte vollkommen verwirrt und sah ihn überrascht an. Er hatte sich bisher keine Sekunde Zeit genommen um ihr zu erklären wovor sie eigentlich auf der Flucht waren. „Hoffen wir dass die Bladelli uns ihren Schoßhund nicht auf den Hals hetzen. Ich bin hier um mich zu amüsieren und nicht um zu kämpfen. Bist du wenigstens auf etwas wertvolles gestoßen?“
„Nein, nur nutzloses Zeug und ein paar sehr...seltsame Dinge.“ antwortete Severina perplex und wartete einen Moment darauf, dass ihr Bruder vielleicht doch noch erklärt was überhaupt los war. Sie hatte eine starke magische Präsenz hinter sich gespürt und sich darauf verlassen, dass ihr Bruder schon wusste was er tat. „Und wir hätten bleiben und kämpfen sollen. Ich bin noch immer ziemlich enttäuscht von den Sicherheitsvorkehrungen der Bladelli. Für eine drei drei Großen Familien wirken sie ziemlich schwächlich und dumm. Jeder Idiot kann bei ihnen einsteigen.“
„Ach, findest du, ja?“ fragte ihr Bruder mit diesem sarkastischen Unterton in der Stimme den sie so sehr hasste und fasste sich dabei an die Seite, wobei er kurz zusammenzuckte. Er öffnete seinen dunklen Mantel, schob sein Hemd hoch und verzog das Gesicht. „Meine Rippen behaupten das Gegenteil, sie sagen mir das die Villa gut genug gesichert ist, um selbst uns in die Flucht zu schlagen und das gelingt nicht jedem.“
„Ich sagte jeder kann dort einbrechen, davon unversehrt wieder rauszukommen, habe ich nichts gesagt.“ sagte sie ohne einen Hauch von Mitleid und streckte ihm frech die Zunge raus, auch wenn sie besorgt einen schnellen Blick auf seine Rippen warf. Er würde es überleben, was auch immer ihn angegriffen hatte. „Und die paar Kratzer hast du dir mehr als verdient für deine Unachtsamkeit. Du bist sowieso viel zu unbekümmert geworden, seit wir wieder in Navea sind. Die Häuser sind hier besser geschützt, die Stadtwache ist wenigstens ab und zu mal wach und hier ist das Hauptquartier der Hohetempler, was heißt, dass es genug Leute gibt, die uns einen harten Kampf liefern könnten. Wenn man uns hier erwischt, sind wir vielleicht nicht in der Lage uns freizukämpfen, aber genau das müssten wir versuchen, denn eine andere Möglichkeit würde uns nicht bleiben.“ schloss Severina, wobei ihr Bruder schon wieder genervt das Gesicht verzog. Eben wollte sie noch kämpfen und jetzt war er der Böse weil er gekämpft hatte. Normalerweise dürfte das gar kein Problem sein, ein Akashi konnte sich ein paar winzige Sünden wie einen kleinen Diebstahl leisten und auf den Rückhalt der Familie hoffen, aber Kyosuke Akashi hasste ihren Bruder und würde sich eher für seine Hinrichtung als seine Freilassung einsetzen.
„Wie auch immer. Da nächste mal sind wir vorsichtiger, aber wer konnte denn schon damit rechnen dass ein verfluchtes Eidolon das Anwesen bewacht? Die Bladelli haben derzeit keine Botschafter Gaias in ihren Reihen, also woher kommt dieses Mistvieh?“
„Tja woher auch immer die Bladelli dieses Eidolon haben, jetzt wissen wir es und werden uns von diesem Haus fernhalten. Wenn du mehr Informationen zu deiner neuen Freundin willst, dann habe ich einen Rat für dich: Frag sie! Damit erreichst du mehr, als damit einfach bei ihr einzubrechen und in ihren Sachen zu wühlen.“ Ein abfälliges ´Pfff` war alles was ihr Bruder darauf erwiderte, er mochte seine Strategie sein neues Ziel vorher auszukundschaften und dachte gar nicht daran etwas zu ändern, wenn nötig würde er für Anya dieses Eidolon mit den rosa Haaren umbringen oder dabei sterben. Severina warf ihm plötzlich einen bohrenden, geradezu lauernden Blick zu. Wenn er auf ihre Frage gleich die richtige Antwort gab, würde sie sich um seine Verletzungen kümmern und ihn gesund pflegen. Gab er die falsche Antwort...dann würde sie ihm noch mehr Knochen brechen und es genießen. „Und? Hattest du mehr Glück als ich? Bitte sag mir das du etwas gefunden hast das wir zu Geld machen können, ich habe Hunger und noch eine Nacht in diesem Drecksloch überlebe ich nicht.“
„Ähm, ja, also was das angeht...“ der Akashi zwang sich zu einem gequälten Lächeln und verdeckte vorsichtshalber seine gebrochenen Rippen mit seinen Armen, um sich vor einem Überraschungsangriff zu schützen „Lustige Geschichte, ich habe ihren Schmuck gefunden und auch genug Geld aber dann wurde ich ähm abgelenkt und habe es vergessen.“
„Oh, hat dich dieses brutale Eidolon überfallen bevor du in der Lage warst es einzustecken?“
„So etwas in der Art, schätze ich.“
„Severin?“
„Ja, geliebte Schwester, die mich niemals wegen so einer Kleinigkeit umbringen würde?“ fragte er und versuchte dabei so einschmeichelnd wie möglich zu wirken.
„Ich kann sehen was du da in der Hand hältst und bin nicht dumm.“ flüsterte sie leise und ballte die Fäuste, während er voller Panik versuchte seine Beute verschwinden zu lassen. Es erforderte ihre gesamte Selbstbeherrschung, um sich nicht sofort auf ihn zu stürzen und ihm noch ein paar Verletzungen zuzufügen. Er wusste wie wichtig der Ball ihres Onkels für sie war und dass sie kein Kleid hatte, aber statt sich einmal zusammenzureißen, musste er in der Unterwäsche dieser Bladelli rumwühlen. „Du hast unsere Beute vergessen weil du an Anya gedacht hast, richtig?“
„Musst du diese Frage wirklich noch stellen? Hast du etwa vergessen wie sie auf den Bildern aussah die ich dir gezeigt habe? Sie ist eine Schönheit die ihresgleichen sucht. Eine begabte Schwerttänzerin, ein leuchtender Rubin inmitten der öden, farblosen Templer und noch dazu, ist sie eine Seltenheit, ein einzigartiges Sammlerstück und so ziemlich das einzige das mir noch fehlt um mein Leben perfekt zu machen.“
„Wovon redest du schon wieder?“
„Ist das nicht eindeutig?“ fragte ihr Bruder und sah sie an, als wäre sie geistig zurückgeblieben und er der normale von ihnen „Sie ist eine weibliche Bladelli! Die sind unfassbar selten! Es gibt im Moment nur Anya, nur eine einzige weibliche Bladelli. Nur ein einziges Mädchen in ganz Midgard mit diesen wundervollen Haaren, dieser perfekten Haut, den perfekten Brüsten und dieser anmutigen Figur. Nur ein einziges Mädchen, nur eines, und ich werde es erobern, für Ruhm und Ehre der Akashi...und um meine Sammlung zu vervollständigen.“
„Fängst du schon wieder mit dieser dämlichen Sammlung an?
„Meine Sammlung ist nicht dämlich und mir fehlt nur noch eine Bladelli, dann habe ich ein schönes Mädchen aus jeder wichtigen und unwichtigen Adelsfamilie von Navea, den anderen Städten des Reiches und von Vo Astur gehabt. Weißt du was das bedeutet?“
„Dass du einen Knall hast und jemand dich endlich von deinem Leid erlösen sollte?“ keifte Severina und stand kurz davor ihn zu beißen. Während er seine Sammlung vervollständigt hatte, war sie vollkommen unerfahren was Liebschaften und Männer anging. Er liebte es sie damit aufzuziehen, obwohl es sie eigentlich nicht störte. Sie musste sich nicht in jeder Stadt einen Geliebten halten, sondern kam sehr gut alleine zu recht.
„Das sagst du nur weil du neidisch bist. Immerhin habe ich es bald geschafft meine Sammlung zu perfektionieren.“
„So ganz stimmt das aber nicht. Dir...naja...dir...dir...“ unruhig brach sie ab und lief tatsächlich rot an, was Severin sofort dazu brachte zu Grinsen. Er wusste wie man sie von ihrer unbegründeten Wut ablenkte „Dir fehlt noch immer eine schöne Akashi für deine Sammlung. Warum kümmerst du dich nicht erst einmal darum und holst dir die Bladelli später? Falls du sie dann überhaupt noch willst, vielleicht verliebst du dich ja in die Akashi und brauchst dann Anya gar nicht mehr, vielleicht vergisst du Anya sogar auf der Stelle...“
„Ja ja, was auch immer. Hübsche Akashimädchen gibt es an jeder Ecke, sie sind praktisch überall und damit langweilig, aber Anya, ist etwas besonderes. Ich habe gehört es gibt nichts wundervolleres als ein Bladelliweibchen unter sich zu haben, oder auf einem, sie können manchmal sehr leidenschaftlich und feurig sein. Hast du jemals von Erica Bladelli gehört? Sie wäre sicher ebenfalls perfekt für meine Sammlung gewesen. Schade das sie tot ist.“
„War das nicht diese irre Verräterin die sich mit den genauso irren Alfar eingelassen hat?“
„Genau die, und ich habe gehört, dass sie eine Schwarze Witwe war. Sie hat die Männer mit denen sie geschlafen hat danach umgebracht und gefressen um ihre Macht zu stärken und aus purer Freundlichkeit, denn der Anblick ihrer unvergleichlichen Schönheit soll diese armen Idioten in den Wahnsinn getrieben haben, bis sie nur noch sabbernde Hüllen waren. Klingt das nicht wundervoll?“
„Wo hörst du diesen ganzen Mist eigentlich immer? Wir sind fast immer zusammen, ich würde es mitkriegen wenn jemand dir solche haarsträubenden Geschichten erzählt, immerhin bin ich nicht taub.“
„Anscheinend doch, jedenfalls will ich diese Bladelli haben und ich werde sie auch kriegen. Bisher habe ich es immer geschafft, bei Anya wird es nicht anders sein, darauf wette ich. Ihre raue Bladellischale wird schmelzen sobald sie meinem Charme gegenübersteht, sie wird die Maske der zurückhaltenden Lady Bladelli aufgeben und sich von mir in eine Welt voller Leidenschaft, Liebe und Glück führen lassen. Sobald sie wieder in der Stadt ist, wird nichts mich davon abhalten können sie zu kriegen!“ rief Severin so laut er konnte, ohne sich um ihre Umgebung zu kümmern und reckte siegessicher die Faust in die Luft. Damit war das ganze für ihn geklärt und er wollte sich aus dem Staub machen, aber seiner Schwester war inzwischen leider wieder eingefallen warum sie eigentlich wütend war.
„Und was mache ich jetzt!?“ rief sie zornig und fuhr mit ihren Händen über den enganliegenden Mantel. Das war ja alles ganz nett wenn man durch dunkle Gassen kroch, aber sie wollte sich auf dem Ball nicht blamieren, nicht schon wieder. Sie wollte aussehen wie alle anderen Akashimädchen die dort auftauchten, mit einem prunkvollen Ballkleid, Schmuck und einem überlegenen Lächeln auf den Lippen. „Wir wollten doch eigentlich den Familienschmuck der Bladelli verkaufen, damit ich mir ein neues Kleid für den Ball unseres Onkels leisten kann. Soll ich jetzt etwa in diesen Fetzen dort auftauchen? Der alte Mann hasst uns so schon und du weißt was Teregion uns in der Einladung geschrieben hat, wir sollten einen guten Eindruck hinterlassen, dann ist es leichter für Kyosuke uns nicht umzubringen und ich habe keine Lust auf dem Ball zu sterben, verstanden?“
„Ach, du siehst das viel zu verbissen Severina. Der alte Mann ist viel zu schwach um uns zu töten. Außerdem...“
„Außerdem was?“ fragte sie vorsichtig nach als er sie nur verträumt anstarrte und wich misstrauisch ein paar Schritte zurück. Etwas am Klang seiner Stimme gefiel ihr ganz und gar nicht.
„Außerdem kannst du einfach das hier anziehen.“ unverblümt hielt er ihr das schwarze Seidenhöschen von Anya Bladelli unter die Nase und setzte ein breites Grinsen auf „Es würde dir perfekt stehen und mehr musst du nicht tragen, um sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden für dich zu gewinnen.“
„D-d-d-d-du...“ sie stammelte eine Weile vor sich hin, bevor sie zum Schlag ausholte und ihm eine Ohrfeige verpasste, die allerdings nicht ausreichte um ihm das anzügliche Grinsen vom Gesicht zu wischen „Willst du wirklich das ich dich umbringe? Es gibt niemanden der dich vermissen würde. Ein einziger Zauber und von dir bleibt nichts weiter übrig als Asche.“
„Ach beruhige dich, ich finde schon genug Geld für dein albernes Kleid und du würdest mir niemals etwas antun.“
„Wieso bis du dir da so sicher?“
„Aus einem ganz einfachen Grund. Weil du unsterblich in mich verliebt bist.“ erwiderte Severin mit inbrünstiger Überzeugung.
„W-w-w-was?“
„Vielleicht hast du recht und ich sollte die Bladelli für eine Weile vergessen, immerhin ist sie im Moment sowieso weit weit weg. Vielleicht sollte ich mich wirklich vorerst auf eine Akashi konzentrieren und ich weiß auch schon ganz genau welche Akashi ich auswählen würde.“ langsam ging er auf sie zu und Severina stand stocksteif da und starrte ihn nur an. Mit einem Lächeln das er für verführerisch hielt und das seltsamerweise meistens funktionierte, blieb er direkt vor ihr stehen und sah ihr in die Augen. „Also, gehen wir zurück in diese erbärmliche Kopie eines Gasthauses, damit du mir bei meiner Sammlung helfen kannst. Ich weiß dass du schon viel zu lange darauf wartest, aber heute Nacht könnte deine große Stunde kommen, du musst diese einmalige Gelegenheit nur ergreifen und Ja sagen!“
„Komm mir nicht zu nahe du idiotischer Perversling!“ schrie sie ihn an und versuchte nach ihm zu schlagen, wobei sie in ihrem Zorn aber nicht genau zielte und er leicht ausweichen konnte. Schon wieder machte er sich über sie lustig! Dabei...dabei würde sie sein Angebot sogar annehmen wenn es ernstgemeint wäre, aber sie konnte an dem Funkeln in seinen Augen erkennen dass er sich nur mal wieder einen Scherz mit ihr erlaubte. „Ich hasse dich! Idiot!“
„Das bezweifle ich.“ erwiderte er mit einem wissenden Lächeln und es wurde noch breiter, als er sah, wie Severina verlegen den Blick abwandte.
„I-ist jetzt auch egal. Viel wichtiger ist wo wir Geld her kriegen. Ich habe keine Lust ein neues Ziel zu suchen, am Ende geht das auch wieder schief und wir haben die Stadtwache oder die Templer am Hals. Also, was machen wir jetzt?“
„Ah, das ist leicht. Am besten wir statten unserem lieben Cousin Silberblatt mal wieder einen Besuch ab, er erwartet sicher sowieso dass wir uns bei ihm melden und er hat immer irgendwo Geld rumliegen. Ich habe schon einen perfekten Plan um ihn auszutricksen.“
„Lass mich raten...“ Severina vergaß für einen Moment ihren heißglühenden, ewigen Hass auf ihren Bruder und tat so, als würde sie angestrengt nachdenken „Ich soll mal wieder so tun als würde ich auf ihn stehen, ihm um den Hals fallen, versuchen ihn zu verführen und irgendwie abzulenken während du ihn bestiehlst?“
„Ich weiß, ich verlange viel von dir und es ist ein großes Opfer, aber ich weiß auch, dass du es voller Freude in deinem Herzen tun wirst. Außerdem geht es um dein Kleid, ich kann so gehen wie ich jetzt bin, selbst wenn ich die besten Kleider von ganz Navea trage wird unser Onkel mich noch davonjagen.“
„Oder wir fragen Silberblatt einfach nach etwas Geld, immerhin ist er unser Cousin und unser Großmeister. Solange du dich nicht völlig daneben benimmst, wird er unsere Bitte nicht ablehnen. Also reiß dich wenigstens für ein paar Tage zusammen, verstanden? Ich will unbedingt auf den Ball und du wirst mir das nicht ruinieren.“ Damit machte sie sich auf den Rückweg zu ihrer Unterkunft und fügte etwas versöhnlicher und leiser hinzu „Und ich hasse dich noch immer, du Idiot...“



Nicht weit entfernt von den räuberischen Zwillingen, stand eine andere Akashi einem viel größeren Problem als dem Kauf eines neuen Kleides gegenüber, genauer gesagt drei Problemen: Luca, Teregion und Kyosuke. Alle drei hatten es irgendwie geschafft sich gleichzeitig in der Villa der Akashi einzufinden und sie hatte keine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Ihr Vater sollte eigentlich noch außerhalb von Navea sein, Teregion müsste arbeiten und Luca...naja, zumindest an seiner Anwesenheit war sie Schuld. Lyaena wollte sich nicht immer in seiner kleinen Wohnung verkriechen, sondern ihn auch einmal in die Villa einladen, vielleicht um zu versuchen etwas für ihn zu kochen, oder ihn aus Versehen zu vergiften. Bisher war ihr Plan noch nicht wirklich aufgegangen, aber noch war der Abend nicht vorbei, sie musste nur ein ruhiges Plätzchen in der Villa finden. Der Großteil der Zimmer stand sowieso meistens leer, das gigantische Anwesen war eigentlich nicht dafür gemacht dort zu wohnen, sondern diente als Versammlungsort für sämtliche Akashi falls sie in Navea waren. Bald würden die ersten Hochzeitsgäste eintreffen und es würde hier nur so vor Akashi wimmeln, die Lyaena und Teregion den ganzen Tag voller Neid mit Blicken durchbohrten. Im Garten würde es vor der Hochzeit ein Fest nach dem anderen geben und die weitläufigen Säle im Westflügel würden vor lauter Akashi aus allen Nähten platzen. Noch vor kurzem hätte sich Lyaena auf diese Zeit gefreut, die Zeit kurz vor ihrer Hochzeit, in der sie Teregion unmöglich aus dem Weg gehen konnte und in der ihr Verlobter plötzlich beschlossen hatte sich mit ihr zu beschäftigen, zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Er suchte nach ihr, aber Lyaena fühlte sich unwohl bei dem Gedanken mit ihm zu reden. Im Moment wusste sie nicht einmal, ob sie in der Lage wäre ihm in die Augen zu sehen. Bisher gelang es ihr ganz gut zu verdrängen dass sie Teregion betrog, aber das würde nicht mehr funktionieren sobald sie vor ihm stand.
„Weißt du, wenn es gerade unpassend ist kann ich auch einfach wieder gehen oder wir verschwinden gemeinsam und...“ unruhig lehnte Luca sich an die Wand und betrachtete die angespannte Akashi, wäre sie nicht so wundervoll, wäre er jetzt vermutlich abgehauen, aber so blieb er und versuchte sich an die Eigenarten der Akashi zu gewöhnen. Dabei hatte der Abend recht gut angefangen. Als sie im Eingangsbereich des Anwesens ankamen, war alles wie ausgestorben gewesen und sie hatten sich auf den Weg zu Lyaenas Zimmer gemacht...das bereits belagert wurde und zwar von Teregion. Also mussten sie so schnell wie möglich zurück ins Erdgeschoss verschwinden, wo Kyosuke ihnen jetzt den Weg versperrte, alles in allem eine großartige Situation, zu der es niemals gekommen wäre wenn sie, wie Luca vorgeschlagen hatte, einfach bei ihm geblieben wären.
„Pssssst, sei ruhig, Luca.“ zischte Lyaena und lugte vorsichtig um die Ecke in eines der Esszimmer. Ihr Vater ging nachdenklich in dem Raum auf und ab, wobei er sich immer wieder nervös umsah. Vermutlich wollte er ihr genauso aus dem Weg gehen wie sie ihm und zwar zu recht. Wenn sie ihren Vater in die Finger bekam würde es einen heftigen Streit geben, so viel war sicher. Niemals würde Lyaena zulassen dass er ihre kleine Schwester gegen deren Willen verheiratete und das wusste er, vermutlich versuchte er deshalb die selbe Taktik anzuwenden wie Teregion, Flucht und versuchen das Problem zu ignorieren bis es sich von alleine löste. Problemen aus dem Weg zu gehen schien irgendwie in der Familie zu liegen und Lyaena bildete da keine Ausnahme. Sie würde Luca hier ungesehen durchkriegen und gleichzeitig diesen Abend nicht für einen Fehlschlag erklären, dafür war sie viel zu stur, sie würde es noch irgendwie schaffen das der Tag nich völlig verschwendet gewesen war. „Ich habe dich für diesen Abend eingeladen und es ist mir vollkommen egal ob die beiden hier herumschleichen, du bist trotzdem mein Gast und wir werden zusammen einen schönen Abend verbringen, selbst wenn wir dabei sterben, hast du das verstanden? Und wir werden diesen Abend hier verbringen, bald gehört dieses Anwesen immerhin mir, also lasse ich mich nicht einfach so vertreiben wie ein gewöhnlicher Einbrecher.“
„Ah, und warum müssen wir dann durch das Haus schleichen als wären wir Einbrecher?“ murmelte Luca und fand das ganze langsam etwas nervtötend. Wenn sie so dringend nicht mit ihm gesehen werden wollte, war es vielleicht wirklich am besten wenn er wieder verschwand. Sie hätten genauso gut irgendwo Essen gehen oder bei ihm Zuhause bleiben können, dann müsste er jetzt wenigstens nicht mit Teregion Verstecken spielen. Ihm machte ihr Verhalten nicht wirklich etwas aus, er war es mehr oder weniger gewohnt, aber von ihr hatte er trotzdem etwas mehr erwartet, zumindest ein bisschen.
„Na schön, hier kommen wir nicht weiter.“ seufzte Lyaena nach einer Weile schicksalsergeben und gab vorerst auf sich durchs Erdgeschoss in den derzeit nahezu leeren Westflügel durchzuschlagen. Ihr Vater blockierte den einzigen Durchgang auf dieser Ebene und es sah leider nicht so aus, als würde er sich in nächster Zeit von hier wegbewegen, eher im Gegenteil, er ließ sich gerade gemütlich in einem der Sessel nieder und streckte die Beine von sich. Sie wusste dass er sich nur selten eine Auszeit von seiner Arbeit gönnte, aber wenn er es tat, dann bewegte er sich so schnell nicht wieder. „Versuchen wir es halt noch einmal im ersten Stock, vielleicht hat Teregion ja inzwischen aufgeben und ist abgehauen.“ versuchte sie sich selbst etwas Zuversicht einzureden. Auf Teregion zu treffen dürfte schlimmer sein als auf ihren Vater. Kyosuke würde immerhin keinen Kampf mit Luca anfangen.
„Warte mal. Wenn Teregion seinen Posten vor deinem Zimmer verlassen hat, müsste er dann nicht hier vorbeigekommen sein? Immerhin ist direkt hinter uns die Treppe.“
„Mach dich nicht lächerlich, es gibt mehr als genug Treppen hier, er wird sicher nicht unsere nehmen...hoffe ich zumindest.“ lautete Lyaenas schnippische Antwort, womit sie Luca dazu brachte verwirrt die Stirn zu runzeln. Er hatte keine Ahnung davon wie das Anwesen aufgebaut war. Im Moment könnte er von hier aus nicht einmal aus den Ausgang finden. Hier zu leben musste die Hölle sein. Als wäre man in einem Irrgarten gefangen, eingesperrt mit dem wahnsinnigen Anführer eines Attentäterordens der einen durch die unheimlichen Gänge jagte, großartig. „Vertrauen wir einfach auf unser Glück und jetzt los, wir haben nicht ewig Zeit, aber bei Gaia, bitte sei leise.“ Damit setzte sie sich in Bewegung und schlich die Treppe hoch. Luca biss die Zähne zusammen und schluckte eine Erwiderung herunter. Wenn sie ihm nicht bei ihrem letzten Besuch versichert hätte dass sie ihn liebt, hätte er inzwischen ernsthafte Zweifel daran ob sie ihn vielleicht nur ausnutze weil ihr Verlobter sie ignorierte, aber so gelang es ihm noch diese Zweifel erfolgreich zur Seite zu schieben, noch.
Schweigend gingen sie Seite an Seite die Treppe hoch und Luca fragte sich ob die Stimmung zwischen ihnen noch angespannter und seltsamer werden konnte. Lyaena fühlte sich im Moment nicht wohl in ihrer Haut und diese Stimmung färbte auf ihn ab. Wenigstens etwas ging an diesem Tag nicht schief, der Flur vor Lyaenas Zimmer war leer. Von Silberblatt war weit und breit nichts zu sehen.
„Gut, er ist weg.“ durchbrach Luca erleichtert die drückende Stille zwischen ihnen. Endlich. Das alberne Versteckspiel war vorbei und sie konnten anfangen den Abend zu genießen. Mit einem zögerlichen Lächeln wandte er sich an die angespannte Akashi. „Also dann, gehen wir in dein Zimmer oder in den Westflügel? Mir persönlich ist es ja egal, aber ich glaube nicht dass wir hier auf Dauer sicher sind. Irgendwann wird er sicher...“ Mit einem leisen Fluch auf den Lippen brach er ab und warf Lyaena einen raschen Blick zu. Am Ende des langen Ganges, irgendwo in den undurchdringlichen Schatten, hörten sie Schritte. Eine Weile glaubte er schon dass Lyaena inzwischen alles egal war und sie hier stehen bleiben würden, aber dann siegte die Angst vor einer Konfrontation mit Teregion.
„Schnell, rein da!“ zischte Lyaena und riss hastig eine Tür neben ihnen auf. Unsanft stieß sie den überraschten Luca in das Zimmer, sprang hinter ihm her und zog die Tür hinter ihnen zu. Sie kannte den Klang dieser Schritte. Als sie noch auf ihrem Landanwesen in Süden gelebt hatte, lag sie oft die ganze Nacht wach und hatte auf den Klang seiner selbstsicheren Schritte gewartet. Damals war er immer zu ihr gekommen und sie zogen die ganze Nacht im Mondlicht durch die Gärten. Seltsam, dass sie sich jetzt vor den selben Schritten fürchtete und die Flucht ergriff. Müde lehnte sie sich an die Tür. Sie hatte sich wirklich auf den Abend mit Luca gefreut, aber von dieser Freude war nichts übrig geblieben, nur Erschöpfung und Angst. „Das war knapp, viel zu knapp für meinen Geschmack. Beinahe hätte er dich gesehen und dann hättet ihr vermutlich das ganze Anwesen in Schutt und Asche gelegt.“
„Ach Unsinn, ich muss mich nicht sofort mit ihm prügeln nur weil er mir zufällig über den Weg läuft.“ wehrte Luca zuversichtlich ab, wobei er versuchte beruhigend zu Lächeln. Als Lyaena ihm aber einen warnenden Blick zuwarf, lenkte er ein, vielleicht hatte sie nicht ganz unrecht. Er konnte Silberblatt nicht ausstehen. Schon im selben Raum mit diesem Idioten zu sein ging ihm auf die Nerven, ein Kampf wäre unausweichlich, alleine schon wegen Lyaena. „Na schön, sagen wir ich hätte zumindest nicht mit voller Kraft gekämpft, dein Zuhause wäre sicher gewesen...mit etwas Glück, dem Segen der Göttin und wenn der Kampf nicht so lange dauert. Meine Magie kann manchmal etwas unberechenbar sein, aber ich...“
„Luca, ich liebe dich, aber wenn du mein geliebtes Anwesen in eine rauchende Ruine verwandelst, werde ich dir das niemals verzeihen und dich eigenhändig erwürgen, verstanden?“ Die Akashi setzte bei ihren Worten ein hinreißendes Lächeln auf, aber der kühle, ernste Unterton in ihrer Stimme ließ Luca nervös schlucken, sie meinte das ernst. Etwas eingeschüchtert von ihrem stechenden Blick nickte er nur hastig und wich ein paar Schritte zurück. Irgendwie war sie heute in einer ziemlich miesen Stimmung und es war besser sich nicht mit ihr anzulegen. Die Anwesenheit ihres Vaters und Verlobten schien Lyaena gerade in den Wahnsinn zu treiben. Vorsichtig legte sie ein Ohr an die Tür, während sie eine angestrengte, konzentrierte Miene aufsetze.
„Großartiger Abend.“ murmelte Luca vor sich hin und nahm sich zum ersten Mal die Zeit sich in dem Zimmer umzusehen und sofort stockte ihm der Atem. Er war in der Hölle gelandet, oder eher in der rosaroten Plüschhäschenhölle. Inmitten dieses Augen zerstörenden Wahnsinns, lag ein blondes Mädchen friedlich im Bett und schlief, ohne sich groß um die Eindringlinge zu kümmern. „Ähm...Lyaena?“
„Nicht jetzt, du machst zu viel Lärm, wie soll ich da hören ob er schon weg ist? Außerdem könnte er uns bemerken wenn du dich nicht zusammenreißt, also sei bitte still.“ zischte sie und war dabei deutlich lauter als er.
„Ähm ja, das ist ja alles toll, aber dort liegt jemand und vielleicht sollten wir leiser reden, damit sie nicht aufwacht.“ flüsterte Luca, aber mit dieser Offenbarung gelang es ihm nicht einmal Lyaenas Aufmerksamkeit zu erlangen. Es störte die Akashi nicht weiter, dass sie nicht alleine waren. Vorsichtig zeigte er auf das schlafende Mädchen und fuhr noch leiser fort. „Da wir gerade dabei sind, wer ist das?“
„Oh, das ist nur meine Schwester, Teleya. Ignorier sie einfach, sie hat einen sehr festen Schlaf. Solange man sich nicht auf sie drauf setzt wacht sie nicht auf.“
„Gut zu wissen.“ murmelte Luca, während er vorsichtig wieder in Richtung Tür schlich und versuchte das Mädchen nicht durch plötzliche Bewegungen zu wecken „Und was machen wir jetzt?“
„Wir warten. Er wird schon irgendwann weggehen.“ versicherte Lyaena rasch und lauschte wieder an der Tür. Um Teleya machte sie sich keine Sorgen, sie kannte ihre Schwester und nichts war in der Lage das Mädchen aufzuwecken. Nach einer Weile atmete sie erleichtert aus und wenigstens ein Teil der Anspannung fiel von ihr ab. „Alles klar, ich glaube er ist abgehauen. Er wird sich im Rest des Hauses umsehen, am wahrscheinlichsten im Garten, weil er weiß wie gerne ich mich dort aufhalte. Das gibt uns genug Zeit um zu verschwinden.“ Kaum hatten sie das Zimmer verlassen, als Lyaena auch schon stehen blieb und sich an d ie Wand lehnte anstatt schnell zu verschwinden. Luca wollte sie zum weitergehen bewegen, aber gab sofort auf, als er die Tränen in ihren Augen schimmern sah. „Das beste Date aller Zeiten, findest du nicht? Es könnte nicht besser laufen, außer wenn wenigstens irgendetwas funktioniert hätte anstatt...“ deprimiert brach Lyaena mit erstickter Stimme ab „Es tut mir leid, dass der Abend so furchtbar für dich ist. Am liebsten würde ich einfach mit dir lachend durch das Haus gehen, ohne Angst haben zu müssen, aber ich...ich...ich weiß nicht was ich tun soll. Diese ganze Situation ist so...seltsam. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Ich mag dich, nein, ich liebe dich aber dann...dann ist da noch Teregion und...“ Ein Hauch von Verzweiflung hatte sich in ihre Stimme geschlichen, bei dem sich Lucas schlechte Laune sofort in Luft auflöste „Was ich hier mache ist so unfair und gemein dir gegenüber. Du musst mich hassen.“
„Mach dir keine Sorgen, ich werde diesen Abend schon irgendwie überleben. So schlimm war er ehrlich gesagt gar nicht.“ meinte Luca mit einem aufmunternden Lächeln. Sie hatte eigentlich mit allem recht was sie sagte. Es gefiel ihm nicht wie dieser Abend abgelaufen war und er hatte kein Interesse daran sich zu verstecken, aber wenigstens tat es ihr leid.
„W-wirklich?“ hoffnungsvoll hob Lyaena den Kopf und sah ihn vorsichtig an, fast so, als wäre seine freundliche Stimme nur eine Falle. In ihren Gedanken, spielte sich bereits eine dramatische Szene ab, in der Luca sich über ihr Verhalten beschwerte, sie anschrie und einfach wegging, um sich nicht mehr von ihr durch die Gegend schleifen zu lassen. Sie könnte es verstehen. Ihr würde es auch wehtun, wenn er sie vor seiner Familie verstecken und die gesamte Beziehung geheim halten würde.
„Naja, ich habe deine Schwester kennengelernt. Du hast mich durch dein Zuhause geführt, mir alles gezeigt und dann hast du mich deinem Vater vorgestellt, irgendwie. Wir sind zumindest an ihm vorbeigegangen und...na schön, der Abend war furchtbar.“ schloss Luca mit einem leisen Lachen.
„Ich wusste es...“
„Aber, das ist mir egal.“ lächelnd nahm er sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Es funktionierte sogar, zumindest brach sie nicht in Tränen aus, was er als Fortschritt betrachtete.
„Danke. Ich hatte Angst du würdest mich nicht verstehen.“ flüsterte Lyaena und es gelang ihr tatsächlich sich ein Lächeln abzuringen. Auch wenn Luca nicht wütend war, wurde es trotzdem langsam Zeit diesen schrecklichen Abend zu beenden. Sie wollte nur vorher noch wissen was Teregion von ihr wollte. Wenn er sich so große Mühe gab sie aufzuspüren, dann musste es wichtig sein. „Schleiche dich nach draußen und geh nach Hause. Ich komme später nach, aber vorher muss ich mich um meinen Verfolger kümmern. Wenn Teregion sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kann er sehr hartnäckig sein und ich will nicht das er bei seiner Suche das ganze Haus auf den Kopf stellt und meine Schwester aufweckt.“
„Na schön, aber lass mich nicht zu lange warten und sag Teregion das er eine Nervensäge ist.“ antwortete Luca und löste sich widerwillig von ihr. Es gefiel ihm nicht sie hier alleine zu lassen. Trotzdem respektierte er ihre Bitte und machte sich daran aus dem Haus zu schleichen, auch wenn er dabei alles andere als umsichtig vorging. Letztendlich hielt er das Rumgeschleiche dann doch nicht mehr aus. Lyaena blieb in dem Gang stehen und wartete. Nach einer Weile tauchte Teregion tatsächlich wieder auf und lächelte sie erleichtert an. Alleine das Lächeln hätte fast schon gereicht damit Lyaena sich über seinen Anblick gefreut hätte, aber dann fiel ihr wieder sein Verhalten in den letzten Monaten ein und ihre Miene verhärtete sich.
„Ah, da bist du ja endlich, Lyaena.“ begrüßte er sie und klang dabei wirklich so, als würde er sich darüber freuen sie gefunden zu haben „Ich habe schon überall nach dir gesucht. Wo warst du die ganze Zeit?“
„Ich ähm...ich habe mir nur den großen Saal angesehen, um mir vorzustellen wie ich ihn am besten dekorieren kann. Alles muss perfekt sein und Vater ist keine große Hilfe bei den Vorbereitungen, du weißt ja wie er ist. Er kündigt gerne irgendwelche großen Projekte und Feiern an, aber wenn es dann darum geht irgendetwas dafür zu tun, schiebt er die Arbeit auf mich ab.“ Das war sogar nicht einmal gelogen. Ihr Vater hasste es wirklich bei den Vorbereitungen zu helfen oder sich um die ganzen anfallenden Kleinigkeiten zu kümmern. So musste sie weitermachen, schoss es Lyaena zufrieden durch den Kopf. Einfach immer die Wahrheit sagen, ohne wirklich die Wahrheit zu verraten, darin war sie besser als im richtigen Lügen. „Wieso hast du mich eigentlich gesucht?“
„Um den Abend mit dir zu verbringen natürlich. Ich habe die Diener angewiesen im Garten ein Abendessen für uns vorzubereiten, ich dachte dass wir zusammen essen könnten und uns dabei...unterhalten.“ Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er musterte sie ernst. Normalerweise fiel es ihm nie schwer sie zu finden, eher im Gegenteil. Normalerweise musste er sich vor Lyaena verstecken, damit sie nicht die ganze Zeit hinter ihm herlief und ihm auf die Nerven ging. „Es gibt vieles worüber wir vor der Hochzeit noch reden müssen, dringend.“
„Oh, und ich dachte schon wir reden erst wieder miteinander wenn wir vor dem Altar stehen.“
„Ich weiß dass du unzufrieden bist mit mir und ich kann es auch verstehen, aber es ging nicht anders. Es gab viel zu erledigen und vieles, dass du noch nicht weißt. Ich hatte keine Zeit für dich, aber das ist jetzt anders. Lass uns in den Garten gehen, damit ich dir alles erklären kann und...“
„Nein, danke. Heute Abend habe ich keine Zeit.“ unterbrach Lyaena ihn schnippisch und freute sich innerlich, als Teregion genervt das Gesicht verzog. Sie war so oft in seiner Position gewesen und endlich konnte sie es ihm einmal heimzahlen. Es fiel Lyaena schwer sich an die vielen Abendessen zu erinnern, die sie für Teregion vorbereitet und die er ignoriert hatte. Jetzt konnte er sehen wie es war ignoriert zu werden. Sollte er ruhig versuchen sich Mühe zu geben, dafür war es jetzt zu spät und seine Entschuldigungen konnte er auch für sich behalten. Viel wichtiger war, dass sie ihn abwimmelte um zu Luca zu gehen. „Du hast vielleicht nichts mehr zu tun, aber ich muss noch viel zu viel erledigen, immerhin trifft bald unsere ganze Verwandtschaft in der Stadt ein und irgendjemand muss sich ja darum kümmern das es während der Hochzeit keine Toten gibt.“
„Wenn du keine Toten willst, hättest du die Zwillinge nicht einladen dürfen. Ich bin mir nicht sicher ob Severin eine Begegnung mit deinem Vater überleben würde.“
„Ich mag Severina, sie ist vernünftiger als ihr Bruder und ich weiß dass sie ihn unter Kontrolle halten kann, manchmal. In der Einladung stand dass die beiden sich benehmen sollen und auch, dass ich sie wieder offiziell in die Familie aufnehme, nach Vaters Rücktritt und solange sie nichts anstellen.“ meinte Lyaena mit einem etwas fragwürdigem Anflug von Optimismus. Die Zwillinge würden irgendetwas anstellen, das taten sie immer, auch wenn es Severina hinterher immer leid tat. Die beiden waren einfach nicht in der Lage sich wie zivilisierte Menschen zu benehmen. Es gab sogar Gerüchte innerhalb der Familie, dass die Zwillinge nicht nur Partner bei ihren Diebstählen waren. Cousins wurde oft genug verheiratet, aber bei Geschwistern hörte die Toleranz der Akashi auf. „Aber wie auch immer, egal ob es Tote geben wird oder nicht, ich habe noch viel zu tun. Vater halst mir die gesamten Vorbereitungen auf und zwar nicht nur für die Hochzeit, sondern auch für die Feste die er davor geplant hat. Ehrlich gesagt glaube ich das er es langsam übertreibt.“
„Ja, ja, was auch immer. Schick eine Dienerin oder irgendeine der Wachen um das alles zu erledigen. Du musst hören war ich dir zu sagen habe, es ist wichtig.“
„Mhm, vielleicht schicke ich ein anderes Mal die Diener, wenn es um unwichtigere Dinge geht. Heute muss ich mich noch um...um den Wein kümmern und ich brauche auch noch ein paar Blumen und noch irgendetwas anderes. Alles sehr, sehr wichtige Angelegenheiten, die ich nicht einfach verschieben kann nur weil dir langweilig ist und du nicht alleine essen willst.“
„Aber...“
„Auf Wiedersehen.“ unterbrach ihn Lyaena brüsk und schob sich so schnell sie konnte an ihm vorbei. Ihr Herz schlug ihr vor lauter Aufregung bis zum Hals. Noch nie hatte sie Teregion einfach stehen gelassen oder eine Einladung von ihm abgeschlagen. Zumindest für den Moment fühlte es sich toll an mal auf der anderen Seite zu stehen und ihm eine Abfuhr zu erteilen, aber später würde es ihr sicher noch leid tun.
In der Zwischenzeit polterte Luca fröhlich durch das Anwesen, ohne sich Gedanken darum zu machen erwischt zu werden. Auf seiner Suche nach einem Ausgang, rannte er irgendwann in einen überraschten Kyosuke
„Was machst du hier?“ fragte das Oberhaupt der Akashi und rechnete im ersten Moment mit einem Angriff, bevor er erkannte wer vor ihm stand. „Du bist Paolos Enkel.“ Es war eine Feststellung, keine Frage, und keine besonders begeisterte. Aus seiner Stimme war deutlich Misstrauen herauszuhören und er war jetzt erst recht auf der Hut. Ihm wäre es am liebsten diese alberne Fehde zu begraben, aber er wusste nicht ob die Bladelli das genauso sahen, also war er lieber vorsichtig
„Ähm, Eure Tochter hat mich eingeladen. Nur ganz kurz, um von mir zu hören, ob ich diese eine Sache erledigt habe.“ murmelte Luca vor sich hin und klang dabei alles andere als überzeugend. Ihm fiel keine bessere Ausrede ein, leider. Er hätte vorsichtiger sein müssen. Um sich selbst machte er sich keine Sorgen, aber Lyaena würde dadurch zu einer Entscheidung gezwungen und das wollte er im Moment lieber vermeiden. Sie schien sich unsicher zu sein, auch wenn sie versuchte das zu überspielen und so tat als würde es sie nicht weiter kümmern ihren Verlobten zu hintergehen. Wenn man sie jetzt zu einer Entscheidung zwang, dann war Luca sich nicht sicher wie es ausgehen würde, am besten alles blieb so wie es im Moment war, und er war glücklich solange er nicht zu viel darüber nachdachte.
„Tatsächlich? Ich dachte diese ganze Angelegenheit wäre erledigt gewesen.“
„Sie wollte nur wissen, ob die Informationen hilfreich für mich waren.“
„Und? Waren sie das?“
„Ja, danke. Ich weiß, dass ich mich bei den Akashi nicht unbedingt beliebt gemacht habe, aber ich habe nur versucht meine Familie zu verteidigen und die wenigen Menschen in dieser Stadt, die mir etwas bedeuten.“ Luca räuspere sich etwas verlegen und wand sich unter den prüfenden Blicken des Akashi. Was sollte er jetzt noch sagen? Immerhin redete er mit dem Oberhaupt der Familie, die er für den Mord an seinem Freund und den anderen Bladelli verantwortlich. Als ihm nichts mehr einfiel, versuchte er sich aus dem Staub zu machen. „Am besten ich gehe jetzt. Verzeiht die Störung.“
„Warte, du kannst noch nicht gehen.“ erklang die feste, befehlsgewohnte Stimme des Akashi und zwang Luca tatsächlich dazu zu bleiben.
„Kann ich nicht?“
„Deine Mutter ist Erica Bladelli, die Verräterin, die den Blutenden Turm anführt.“ stellte Kyosuke fest und Luca blinzelte ihn verwirrt an. Er wusste selbst wer seine Mutter war.
„Angeführt hat. Sie ist tot und zwar schon seit Jahren.“
„Ach ja? Ist sie das?“ der Akashi ging auf ihn zu und musterte ihn argwöhnisch „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Du kennst die Magie meiner Familie und weißt, dass es uns möglich ist in den Verstand und den Geist eines anderen Menschen zu blicken. Ich möchte deine Erlaubnis, deinen Kopf zu durchsuchen, nach etwas, dass deine Mutter dort versteckt hat. Ich kann es deutlich vor mir sehen. Erica Bladellis Magie ist mir nicht unbekannt und ich kann dir helfen es loszuwerden, was immer sie in dir versteckt hat.“
Luca versteifte sich augenblicklich bei diesen Worten. Er hatte bisher nur von der Magie der Akashi gehört, aber sie noch nie am eigenen Leib erfahren. Es gab genug Dinge in seinem Kopf, die er lieber für sich behalten würde, angefangen bei seinem Verhältnis mit Kyosukes Tochter. Andererseits beunruhigten ihn die Worte des Akashi, er konnte sich gut vorstellen dass sie wahr waren. „Und was wenn das nur ein Trick ist um in meinen Gedanken zu lesen?“ fragte er und hielt sich bereit jederzeit die Flucht zu ergreifen.
„Wenn ich das will, kannst du mich sowieso nicht davon abhalten. Ich könnte hier und jetzt in deinen Kopf eindringen, ohne dass du etwas dagegen tun könntest. Außer vielleicht mich in die Luft zu jagen, aber dann könnte nicht einmal dein Großvater dich noch retten.“ Ohne weitere Worte, streckte Kyosuke einen Arm aus. Lucas Besorgnis hatte sich damit kein bisschen gelegt, trotzdem ließ er es geschehen. Im schlimmsten Fall konnte er den Akashi noch immer wirklich in die Luft jagen, auch wenn ihm das mehr Probleme bereiten würde als alles was sich in seinem Kopf befand. Die Hand des Akashi legte sich leicht auf seine Stirn und Kyosuke schloss die Augen. Eine Weile geschah nichts, was Luca dazu brachte unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten. Es gefiel ihm nicht keinerlei Kontrolle über das zu haben was gerade passierte. Er hatte nicht einmal die geringste Ahnung was der Akashi gerade mit ihm anstellte. Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch seinen Kopf, nur kurz, aber stark genug um ihn überrascht aufstöhnen zu lassen. Ein schwarzer Blitz zuckte über Kyosukes Arm und noch im selben Moment zog er rasch seinen Arm zurück. In der Hand des Akashi ruhte ein kleiner, schwarzer und längliche Kristall, den er aus Lucas Kopf gezogen hatte. Kyosuke legte den Kristall umsichtig auf einem Tisch ab und lächelte dem verwirrten Luca zu. „Weißt du was das ist?“
„Nein, ich habe keine Ahnung.“ Luca schüttelte den Kopf und rieb sich die Stirn, er hatte nicht einmal einen Kratzer, obwohl sich gerade ein Kristall aus seinem Schädel gebohrt hatte.
„Es ist ein Teil von Erica´s Seele.“
„E-ein Teil ihrer Seele?“ Ein eiskalter Schauer lief über seinen Rücken. Das passte wirklich zu seiner Mutter. Sie hatte viele Experimente an ihm durchgeführt und nicht alle hatte er verstanden oder den Sinn dahinter erkannt, selbst heute noch nicht.
„Egal, darum musst du dir jetzt keine Sorgen mehr machen. Ich werde den Kristall in die Obhut der Kirche übergeben und zerstören lassen. Danke für deine Hilfe. Auch wenn sie tot ist, sollten wir kein Risiko eingehen und ihr jeden Weg verbauen jemals wieder ins Leben zurückzukehren. Übrigens, wird es bald einen Ball in diesem Anwesen geben, ich verkünde dort meinen Rücktritt.“
„Ich ähm habe davon gehört.“ sagte Luca verwirrt, als anscheinend irgendeine Art von Reaktion von ihm erwartet wurde. Der plötzliche Themenwechsel brachte ihn erst recht durcheinander.
„Natürlich werden Vertreter aus allen großen Familien eingeladen, also auch du, aber das wird das letzte mal sein, dass du dieses Anwesen betrittst. Ich weiß dass du sicher nicht Schuld am Verrat deiner Mutter bist und dir das Vertrauen der Kirche im Norden erkämpft hast, aber du solltest dich trotzdem lieber von meiner Tochter fernhalten. Sie wird bald eine der mächtigsten Personen von ganz Midgard und das letzte was sie jetzt gebrauchen kann ist ein Mörder als Freund, noch dazu ein Mörder der sie entführt und ihre Verwandten umgebracht hat.“ Davon dass er Lyaena entführt hat wusste eigentlich niemand, außer Lyaena, und die hatte es niemandem erzählt, wofür er ihr noch immer dankbar war, auch wenn es nicht viel änderte. Kyosuke Akashi wollte seinen Tod nicht und auch kein weiteres Blutvergießen. „Glaube lieber nicht dass ich das alles vergessen habe. Ich weiß warum du es getan hast und dass du diesen Krieg nicht begonnen hast, aber ich werde sicher nicht dulden das sie sich mit jemandem trifft an dessen Händen das Blut unserer Familie klebt.“
„Und welchen Sinn hat dann die Einladung zum Ball?“ entgegnete Luca energischer und aufgebrachter als er eigentlich wollte. Kyosuke zog überrascht eine Braue hoch und Luca riss sich wieder zusammen. Wenn er sich weiterhin so auffällig verhielt, konnte er gleich hinausschreien dass er Lyaena liebte.
„Paolo hat dich aus irgendeinem unverständlichen Grund zu seinem Erben ernannt, auch wenn ich nie verstehen werde wieso. Aber andererseits bin ich vielleicht der letzte Mensch, der Paolo dafür verurteilen sollte, immerhin bin ich dabei das gleiche zu tun wie er.“
„Das beantwortet nicht meine Frage.“
„Doch, das tut es. Du wirst eines Tages zum Anführer der Bladelli aufsteigen und damit zum wichtigsten Verbündeten meiner Tochter und auch von Teregion werden. Und jetzt, kannst du gehen.“



Inmitten der Sümpfe von Candeo, stand die Sarpapriesterin Azhara auf der kleinen, mit Gras überwucherten, Insel auf der sie sich von dem Vampir verabschiedet hatte. Nachdem ihre Armee vollständig versammelt war, ließ sie die Sarpa auf die Templer los um die kirchlichen Streitmächte abzulenken. Bisher funktionierte auch alles nach Plan. Ihre erste Angriffswelle wurde zwar abgewehrt, aber alleine die Vorhut hatte bereits gereicht um die Templer zu erschöpfen. Sie sah durch die Augen ihrer Kriegerinnen, kontrollierte ihren Geist und schickte sie unerbittlich gegen die Reihen der Templer. Keine von ihnen floh oder kümmerte sich um selbst schwerste Verletzungen. Die Menschen mussten ihre Sarpa in Stücke hacken oder mit Magie verbrennen bevor sie endgültig aufgaben und starben. Es war ein Kampf den die wenigen Templer nicht gewinnen konnten. Sobald ihre magische Verstärkung erschöpft war, würden die Sarpa sie überrennen. Auch wenn die Anwesenheit einer Hexe Azhara überrascht hatte, aber ändern würde es letztendlich nichts.
„Du bist endlich gekommen.“ sagte Azhara plötzlich und zwang sich zu einem selbstbewussten Lächeln, während sie sich langsam umdrehte. Hinter ihr stand Aleyandra, mit gezückten Pistolen.
„Bringen wir es einfach hinter uns und lassen das sinnlose Gerede, ja?“ erwiderte Aleyandra mit ausdrucksloser Stimme. Je schneller der Kampf begann, desto weniger Zeit hatte sie um an sich selbst zu zweifeln, also riss sie ohne Vorwarnung ihre Pistolen hoch und zielte auf den Kopf der halben Sarpa. Helle Lichtblitze rasten auf Azhara zu, um sie in Stücke zu reißen und zu durchbohren, wie bei Yuki Akashi, aber diesmal versagte Aleyandras Magie. Die Dämonin reckte den Lichtstrahlen gelangweilt eine Hand entgegen und saugte sie in sich auf, als wäre es die harmloseste Magie der Welt.
„Deine Magie schmeckt außergewöhnlich.“ sagte Azhara und leckte sich dabei genüsslich über ihre Finger „Bitte, schieß noch einmal auf mich, ja? Ich bin hungrig.“
„Verdammt...“ zischte Aleyandra und senkte ihre Pistolen. So kam sie nicht weit. Wenn sie mit ihrer eigenen Kraft nicht gewinnen konnte, dann mussten ihre Eidolons herhalten. „Bel Chandra! Ich brauche deine Hilfe!“ Sofort tauchte neben ihr eine genervte Bel Chandra auf. In Kämpfen mochte Aleyandra es sogar ihr Eidolon zu rufen, immerhin trug die launische Elfe dann ihre Rüstung und lief nicht vollkommen nackt umher um alle mit ihrer Schönheit zu beeindrucken.
„Muss das schon wieder sein? Ich habe wichtigeres zu tun, außerdem hasse ich die Sümpfe.“ murrte Bel Chandra und stand kurz davor wieder zu verschwinden. Die Mücken waren nicht gut für ihre perfekte Haut.
„Sei still und greif sie an!“ rief Aleyandra energisch, aber als sie den todbringenden Blick des Eidolons sah schluckte sie nervös und erinnerte sich daran dass Bel Chandra stärker war als sie „I-ich meinte...könntest du mir bitte helfen und mich retten? D-danke.“
„Schon etwas besser.“ Bel Chandra nickte kurz versöhnlich und wandte sich dann endlich Azhara zu, wobei ihre Augen vor Begeisterung aufleuchteten „Oh, eine Vampirin und eine Sarpa gleichzeitig, eine interessante Mischung. Wir beide werden viel Spaß miteinander haben. Wollen wir mal zusammen ausgehen wenn das alles vorbei?“ Bel Chandra ließ Azhara keine Zeit zu antworten, sondern hob ihre riesigen Kampffäuste und machte sich bereit auf die Sarpa loszustürmen, aber plötzlich erstarrte sie mitten in der Bewegung. Ihr erwartungsvolles Grinsen fiel in sich zusammen und wurde durch eine ausdruckslose Maske ersetzt. Plötzlich drehte sie sich zu der verunsicherten Aleyandra um und ließ ihre Fäuste auf sie niedergehen, aber bewegte sich dabei langsam und stockend. Erschrocken sprang ihre Herrin zur Seite und tat das, was sie immer tat wenn ihr Eidolon sie nervte: Sie schrie Bel Chandra wütend an.
„Was soll das du verrückte Elfe!? Hast du endgültig den Verstand verloren oder ist dir nur wieder langweilig!?“ Aber die Elfe reagierte nicht, sondern starrte sie nur wortlos an. Irgendetwas stimmte nicht. „B-bel Chandra? Hallo? Ist alles in Ordnung mit dir? Hör zu, ich wollte dich nicht beleidigen und...“
„Ich bezweifle dass sie dich hören kann und selbst wenn, wird sie dir nicht antworten.“ warf Azhara ein, die das Schauspiel aus der Ferne teilnahmslos beobachtet hatte.
„Was hast du mit ihr gemacht?“
„Nichts besonders schwieriges, ich habe nur ihren Verstand und ihren Körper übernommen. Bel Chandra wirkt vielleicht beeindruckend, aber sie ist nicht gerade das mächtigste Eidolon der Welt und ganz sicher nicht das Eidolon mit der größten Willensstärke. Ihren Geist zu übernehmen war leicht, immerhin hasst sie dich und ist insgeheim froh darüber sich gegen dich wenden zu dürfen, sich zu rächen für alles was du ihrem Bruder Fenris angetan hast. All dieser Hass auf dich, die Sorge um Fenris, der vor Trauer über den Verlust von Yuki wahnsinnig geworden ist, das alles, mach sie zu einem leichten Ziel für meine Kraft.“ Kaum hatte Azhara ausgeredet, als Bel Chandra sich auch schon wieder in Bewegung setzte. Diesmal bewegte sie sich schneller und sicherer, als würde Azhara sich langsam an den Körper der Elfe gewöhnen. Aleyandra versuchte panisch auszuweichen, aber eine der Fäuste streifte ihre Schulter und riss sie von den Beinen. Benommen schüttelte sie den Kopf und nahm aus den Augenwinkeln die Bewegungen des Eidolons wahr.
„Bel Chandra, verschwinde wieder!“ rief Aleyandra schnell, als das Eidolon erneut auf sie losgehen wollte und wenigstens das funktionierte noch. Bel Chandra löste sich in Luft auf und Aleyandra atmete erleichtert auf. Ein Kampf gegen das Eidolon wäre so ziemlich das letzte was sie wollte, aber damit war ihr eine weitere Möglichkeit genommen. Ihr blieb nur noch Alessa...aber wenn selbst Bel Chandra im Kampf gegen diese Azhara versagte, dann würde Alessa nicht weit kommen. „Du wusstest dass ich sie zurückrufen kann. Warum hast du nicht einfach meinen Verstand übernommen und dafür gesorgt das ich mich selbst besiege?“
„Ich...ich dachte daran aber...“ zum ersten mal wirkte Azhara verwirrt und schien neben sich zu stehen anstatt so zu tun als wäre sie vollkommen überlegen, sie wirkte auf einmal fast schon kleinlaut „Meine Visionen haben mir verraten das ich sterbe wenn ich versuchen sollte deinen Geist zu übernehmen. Irgendetwas an dir ist anders und im Gegensatz zu dir weiß ich auch was.“ meinte Azhara und lächelte tatsächlich wieder, als sie Aleyandras verwirrte Miene sah, aber erklärte sich nicht weiter „Ich kenne deine Vergangenheit und deine Zukunft. Ich weiß, dass du keine eiskalte Mörderin bist, sondern eine Sklavin der Kirche. Man hat dich gezwungen für diese Verbrecher zu arbeiten. Ich dagegen, lasse dir die Wahl. Verschwinde aus Candeo und dir wird nichts passieren, das schwöre ich. Ich habe kein Interesse an deinem Blut, alles was ich will ist die Templer aus meiner Heimat zu verjagen.“
„Als könntest du mich besiegen. Wir haben gerade erst angefangen. Magie, Eidolon, meine Pistolen. Ich brauche das alles nicht um gegen dich zu gewinnen. Wenn ich dich nicht töte, werden noch mehr Templer und Soldaten von deinen Sarpa in Stücke gerissen. Ich muss...“
„Immer eine Ausrede für einen kaltblütigen Mord parat. Du bist wirklich genauso, wie ich es mir vorgestellt habe!“ unterbrach sie Azhara sofort und so abfällig wie sie konnte. Dann begann sie mit übertrieben unschuldiger Stimme Aleyandra nachzuäffen, was diese langsam richtig wütend machte. Zum Glück konnte sie nicht auf ihren Blutrausch zurückgreifen, ansonsten wäre sie spätestens jetzt ausgerastet. „Ich hatte keine Wahl! Ich musste das wehrlose, kleine Mädchen töten. Ansonsten hätte sie mich...gehen lassen und sich sogar um meine Verletzungen gekümmert! Sie war eine Bestie, ein Dämon. Sie, nicht ich! Ich bin unschuldig, es war ein Befehl, ich konnte mich nicht widersetzen!“ Als Aleyandra zornig die Fäuste ballte hörte Azhara auf und sah sie fragend an „Und? Was hast du jetzt vor, Mörderin? Du kannst nicht gegen mich gewinnen.“
„Ich werde aber auch nicht verlieren.“ zum ersten Mal seit Beginn des Kampfes, stahl sich so etwas wie ein Lächeln auf ihr Gesicht „Du bist unfähig Magie einzusetzen und etwas mit der gesammelten Macht anzufangen. Letztendlich bist du nichts weiter als ein einziger großer Energiespeicher, nutzlos und schwach, sobald dein Gegner sich nicht von deiner angeblichen Macht beeindrucken lässt.“
„Du liegst falsch, aber keine Angst, ich werde dir zeigen das ich mehr bin als nur ein Speicher für Magie.“ erklärte Azhara gelangweilt. Azhara streckte mit einem triumphierenden Grinsen die Hände aus und schickte Aleyandra ein paar Feuerbälle entgegen, die direkt vor ihr explodierten. Aleyandra wurde von der Explosion über die Wiese geschleudert und Flammen versengten ihre Kleidung und ihre Haare. So war das nicht geplant gewesen. Sie hatte gehofft das Azhara nur über defensive Magie verfügte und zu mehr nicht in der Lage war. „Es stimmt, niemand hat mir beigebracht Magie einzusetzen. Aber ich lerne schnell, vor allem wenn es nötig ist um zu verhindern das meine Heimat zu einem zweiten Navea wird.“
„Wovon redest du da?“ fragte Aleyandra um Zeit zu gewinnen und wich nervös ein paar Schritte zurück. Wenn Azhara immun gegen Magie war und sie jetzt auch noch selbst einsetzen konnte, dann wusste Aleyandra nicht mehr weiter, also konnte sie genauso gut erst einmal eine kleine Unterhaltung führen und dabei einen Plan schmieden. Außerdem verwirrten sie die Worte der Dämonin. Ihre Recherche war nicht besonders gründlich abgelaufen, aber immerhin wusste sie das Nötigste über die Region und niemand wäre verrückt genug hier eine Großstadt zu errichten. Es gab sogar Pläne Candeo ganz aufzugeben, immerhin gab es hier nichts, außer das eine relativ unwichtige Handelsroute vorbeiführte. Unruhig durchwühlte sie so unauffällig wie möglich ihre Taschen, vielleicht sollte sie es mit einem simplen Plan versuchen, mit etwas ganz einfachem, so einfach, dass sie sich gerade dafür verfluchte, dass sie nicht schon früher darauf gekommen war.
„Ich rede davon, dass die Menschen gekommen sind um mein Volk auszulöschen und Candeo in eine trostlose Wüste aus Stahl und Stein zu verwandeln!“ zischte Azhara aufgebracht und rang eine Weile nach den richtigen Worten um dem Menschen begreiflich zu machen worum es ihr ging, aber dann gab sie auf. Menschen verstanden ihr Volk nicht, sie kamen nur um zu zerstören. Die Zukunft gehörte den Alfar, den Dämonen und den Sarpa, aber für die Menschheit würde schon bald kein Platz mehr sein. „Lassen wir dieses dämliche Gerede. Ich lasse dir ein letztes mal die Wahl. Verschwinde von hier oder ich werde dich töten.“
„Das hättest du tun sollen, als du es noch gekonnt hast.“ entgegnete Aleyandra erstaunlich zuversichtlich. Erneut hob sie eine ihrer Pistolen und zielte auf die halbe Vampirin. Unbeeindruckt stellte Azhara sich dem Geschoss, in der Erwartung die Magie dahinter einfach aufzusaugen, aber stattdessen fraß sich die Kugel aus einfachem Blei in ihre Brust. Aleyandra hatte auf Magie verzichtet und auf einfache Geschosse zurückgegriffen. Ächzend ging die Sarpa in die Knie. Aus dem Einschussloch floss schwarzes, zähes Blut, das sich gähnend langsam auf ihrer Kleidung ausbreitete. Langsam und siegessicher ging Aleyandra auf sie zu. „Und? Glaubst du noch immer, dass du mich töten kannst.“
„Das wollte ich nie...“ erklang es zischend von Azhara, die sich kaum beeindruckt zeigte von der Verletzung. Ihr Atmen ging schneller und sie zuckte vor Schmerzen zusammen sobald sie sich bewegte, aber eine Kugel reichte nicht aus um einen Dämon zu töten. Leider war sie nur ein halber Dämon und ihre Selbstheilungskräfte würden Tage brauchen um die Wunde zu schließen.
„Ich bin überrascht dass du noch lebst, aber es macht keinen Unterschied. Eine Kugel in den Kopf wird selbst für einen Dämon ausreichen.“ redete Aleyandra weiter und richtete die zweite Pistole direkt auf Azharas Stirn „Aber nur so aus Interesse. Was meintest du damit, dass du niemals vorhattest mich zu töten?“
„Ich kenne deine Vergangenheit und deine Zukunft, Moraevion.“ flüsterte Azhara und begann zu zittern, als das kühle Metall der Waffe ihre Haut berührte. So oft hatte sie diese Szene als Außenstehende in ihren Visionen beobachtet, aber den genauen Ablauf des Kampfes hatte sie nie gesehen, ansonsten hätte sie dem verfluchten Mädchen die Kugeln abgenommen. „Ich weiß alles über dich und deswegen...habe ich Mitleid mit dir, das ist alles.“
„D-du hast mich aus Mitleid verschont?“ fragte Aleyandra verwirrt.
„Ja, denn ich glaube, nein, ich weiß, dass du nicht freiwillig hier bist und am liebsten hätte ich einfach mit dir und den Einwohnern von Candeo über einen Rückzug der Menschen verhandelt.“
„Glaubst du denn wirklich, dass du mit einer Bestie und Dämonin wie mir verhandeln kannst?“
„Warum nicht? Ich bin immerhin selber ein Dämon, zumindest zur Hälfte und ich weiß wie sehr dich der Mord an Yuki Akashi noch immer quält, wie sehr es dich zerfrisst und wie sehr du es hasst unschuldiges Blut an deinen Händen zu haben, vor allem wenn du eine Wahl hast.“
„Habe ich das denn? Könnte ich dich einfach so gehen lassen?“
„Natürlich. Du hast die Wahl, auch wenn es dir nicht so vorkommt. Letztendlich zählen nicht die Befehle der Kirche oder deines Großmeisters, sondern deine eigenen Entscheidungen."
„Ich lasse dich gehen, und was dann? Der einzige Grund, aus dem mich die Kirche akzeptiert, ist meine Arbeit für die Kinder Gaias. Wenn ich dich verschone, was wird dann aus mir?“ Aleyandras Stimme wurde immer leiser und sie dachte ernsthaft darüber nach. Naruz würde das Mädchen sicher gehen lassen. Er würde ihr befehlen die Sarpa zurückzurufen und dann mit ihr Frieden für Candeo aushandeln und damit Erfolg haben. Am Ende müsste niemand sterben und alles wäre gut, vermutlich hätte er sogar noch ein paar schöne Nächte mit der Sarpa. Bei ihren letzten Aufträgen hatte sie diese Gedanken noch nicht gehabt, aber jetzt...zwischen ihr und Naruz war endlich wieder alles so wie es sein sollte, das wollte sie nicht wieder riskieren. Naruz Eidolon konnte noch immer diesen Kampf beobachten und ihm alles berichten. „Sag es mir, was würde dann passieren?“
„Wenn du...wenn du mich am Leben lässt, dann wird man dich in Navea nicht mit offenen Armen empfangen. Die Kirche wird dich für dein Versagen hart bestrafen wollen, denn deine Existenz ist ihnen sowieso ein Dorn im Auge, zumindest manchen von ihnen. Wärst du nicht Teil der Kinder Gaias, hätten sie dich schon längst vernichtet und dein Großmeister setzt sich dafür ein dich am Leben zu lassen, solange du Erfolge erzielst. Versagst du auch nur ein einziges mal, ist das in ihren Augen bereits ein Zeichen Gaias dafür, dass die Göttin deine Arbeit für die Kirche nicht gutheißt und damit auch deine gesamte Existenz. Die magische Überprüfung der Templer verlangt sowieso schon seit deiner Ankunft in Navea deinen Tod und es gibt genug hochrangige Kirchenmitglieder die dieser Überprüfung blind vertrauten, wie zum Beispiel bei Yuki. Sie hinterfragen die Magie nicht, die Gaia ihnen einst schenkte und vertrauen dem Urteil dieses kleinen Tests ohne zu zögern oder nachzudenken.“
„Moment. Yukis Test wurde manipuliert!? Willst du mir das damit sagen?“
„Merkst du das jetzt erst?“ fragte Azhara und begann leise zu lachen, womit sie aber sofort wieder aufhörte als der Schmerz die ganze Sache nicht mehr ganz so lustig erscheinen ließ „Und so etwas hat mich besiegt...“
„Woher weißt du das? Woher kannst du das überhaupt wissen? Das lässt sich nicht mit deinen Visionen erklären oder mit dämonischer Magie!“ rief Aleyandra aufgebracht, aber ließ tatsächlich ihre Pistole ein Stück sinken. Gerne würde Aleyandra an eine Lüge glauben. An die hasserfüllte Dämonin, die kurz vor ihrem Ende noch versucht sich ihr Leben durch Lügen und Zwietracht zu erkaufen, aber Yuki Akashi, hatte niemals schuldig gewirkt, nur verängstigt und hilflos.
„Willst du wirklich lieber darüber reden als über deine Zukunft? Und ich dachte du interessierst dich nur für dich selbst.“
„Ich habe keine Lust auf diese Spielchen, Dämonin. Ich weiß selbst was die Zukunft mir bringt sobald ich dich gehen lasse, den Tod, und weiter nichts, also erspare mir dein Gerede.“
„Ah, damit liegst du nicht ganz richtig, Aleyandra Moraevion. Du wirst nicht auf einem Scheiterhaufen enden oder hingerichtet werden, denn es gibt zwei Männer, die dich über alles lieben und retten würden. Sie würden niemals zulassen dass die Kirche dich bestraft, nur weil du nicht mehr töten willst. Beide würden ihr Leben riskieren um dich zu retten, selbst wenn sie dafür gegen sämtliche Templer und Magier der Kirche kämpfen müssen.“
„Zwei? E-es gibt zwei Menschen die so weit für mich gehen würden?“
„Naruz und dein Großmeister.“
„Naruz und Silberblatt.“ flüsterte Aleyandra und ihre Stimmt wurde brüchiger. Sie hatte immer gehofft, dass Naruz sie wirklich liebte und so weit für sie gehen würde. Er hatte es zwar immer behauptet, aber ironischerweise glaubte sie den Worten der Dämonin mehr als seinen, dafür hatte er sie schon zu oft enttäuscht. „Würden sie es schaffen mich zu retten? Nein, warte, das ist es nicht was ich wissen will. Viel wichtiger ist ob sie es überleben würden. Ich will nicht das einer von für mich stirbt.“
„Oh ja, die Flucht gelingt. Es variiert, wem es letztendlich gelingt dich zu retten, aber du wirst nicht auf einem Scheiterhaufen enden und keiner deiner Retter wird sein Leben verlieren, beruhigt dich das?“ fragte Azhara und versuchte unter Schmerzen sich wieder auf die Beine zu kämpfen, aber sofort setzte sich die Mündung der Pistole wieder an ihren Kopf und sie gab es auf und sprach stattdessen weiter, noch immer in der Hoffnung ihre Zukunft zu verändern „Aber jede Vision hält eine unterschiedliche Zukunft für die Zeit nach der Flucht bereit. Manchmal stellt die Kirche euch irgendwann, aber in den meisten Fällen gelingt es dir zu entkommen und du ziehst mit einem der beiden durch Midgard. Eine Weile bist du damit glücklich, du scheinst deine Arbeit für die Kinder Gaias hinter dir lassen und ein normales Leben führen zu können. Seite an Seite mit jemandem, den du liebst und der sich für dich das mächtigste Reich der Welt zum Feind gemacht hat. Es wird nach einer Weile einfacher der Kirche zu entkommen, je weiter ihr nach Norden zieht und euch aus dem Einflussbereich der Templer entfernt. Irgendwann werdet ihr sogar aufhören jeden Tag ängstlich über die Schulter zu blicken und euch in einem kleinen, namenlosen Dorf niederlassen. Abgeschieden und weit entfernt von der Vergangenheit. Aber...“
„Aber?“ fragte Aleyandra sofort nach. Sie hatte an den Lippen der Sarpa gehangen und mochte das Aber am Ende ganz und gar nicht, es ruinierte alles.
„Aber das kurze Glück, wäre nicht von Dauer. In diesem Punkt sind alle Visionen gleich, wenn du Navea und der Kirche den Rücken zukehrst, dann werden dich früher oder später die Schrecken deiner Vergangenheit einholen. Die Dämonen, die um dich herum lauern, werden wieder erwachen und nach dir greifen, und egal was du versuchst, du wirst ihnen niemals entkommen.“
„I-ich weiß nicht was du meinst.“ log Aleyandra und versuchte nicht an das zu denken was Azhara meinte. Das waren bloß Träume, nichts weiter.
„Du weißt genau wovon ich rede. Ich rede von dem Ort aus deinen Träumen. Wenn du dich gegen die Kirche wendest, werden deine schlimmsten Alpträume wieder Wirklichkeit und verschlingen dich. Du wirst zurück in die Vergangenheit gerissen, die du so verzweifelt zu vergessen versuchst.“
„Warum sagst du mir das alles?“ fragte Aleyandra verwirrt und spürte wie sie begann zu zittern. Sie redete nicht über ihre Träume, sie dachte nicht an sie und wenn doch dann...dann spürte sie tief in sich eine unbändige Furcht, die alles andere verdrängte. Die Pistole vor Azharas Kopf begann unkontrolliert zu zittern. Niemals durften die Träume wahr werden, sie würde alles tun um das zu verhindern. „Warum...warum lügst du nicht einfach und sagst mir das was ich hören will? Warum lügst du mir nicht eine glückliche Zukunft vor wenn ich dich verschone?“
„Eine Art Berufskrankheit, schätze ich. Es ist mir unmöglich zu lügen, wenn es um meine Visionen geht, auch wenn ich es versuche.“ Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit. Eine einzige Lüge, würde reichen um Aleyandra im Moment zu überzeugen. Es musste nicht einmal eine gute Lüge sein, denn Aleyandra wollte angelogen werden. Sie bettelte förmlich darum eine Ausrede zu haben nicht mehr töten zu müssen und gleichzeitig ihrer Vergangenheit zu entkommen, aber so funktionierte es leider nicht. „Aber trotzdem besteht eine Chance dass du trotzdem glücklich wirst.“
„A-aber du sagtest dass deine Visionen...“
„Meine Visionen zeigen nur mögliche Zukünfte, sie sind unpräzise und verwirrend. Ich habe vielleicht 1000 Zukünfte gesehen, aber es kann auch noch Tausende geben die ich nicht kenne und in denen alles gut wird.“ versuchte Azhara verzweifelt ihre Visionen schön zu reden. Sie konnte nicht lügen, aber wenigstens versuchen die Wahrheit genug zu verdrehen um Aleyandra zu überzeugen.
„Und in wie vielen Visionen, in denen du überlebst, hast du mich glücklich oder lebendig gesehen? Gab es auch nur eine einzige Vision, in der ich nicht am Ort meiner Albträume lande?“
„Nein.“ flüsterte Azhara ohne es zu wollen. So schnell sie konnte sprach sie weiter „Aber das muss nichts bedeuten! Es gibt irgendwo eine Zukunft in der wir beide überleben, das weiß ich. Du musst nur den Mut haben es zu versuchen und etwas riskieren!“
„Ich...ich kann nicht wieder zurück an diesen Ort, niemals.“ erwiderte Aleyandra leise und bedrückt. So unterschiedlich waren sie sich gar nicht, die halbe Dämonin und sie, die sich inzwischen selbst für eine Art Dämon hielt. Sie beide wollten nicht kämpfen.
„Es besteht eine Chance auf eine Zukunft in der wir beide am Leben bleiben!“ fuhr Azhara hastig fort und in ihrer Stimme schwang inzwischen so etwas wie Hoffnung mit, sie hatte die leisen Zweifel in Aleyandras Augen gesehen und machte sich wieder Hoffnung diesen Tag zu überleben. „Ich weiß, alles was ich gesagt habe klang nicht danach, aber ich habe nicht jede mögliche Zukunft gesehen. Irgendwo existiert eine Zukunft für uns beide. Eine kleine Chance, ja, aber sie existiert!“
„Eine Chance...“ hauchte Aleyandra gedankenverloren vor sich hin. Ja, das hier wäre ihre Chance zu beweisen, dass sie noch immer menschlich war. „Eine winzige Chance.“ Mehr gab es nicht. Eine winzige Chance und das Risiko an dem Ort ihrer Träume zu landen und Naruz niemals wieder zu sehen. War es das wert? Sie hob den Kopf und sah die verzweifelte Azhara eine Weile an. „Das reicht mir nicht.“ Und mit diesen Worten jagte sie dem Mädchen eine Kugel in den Schädel.
Zuletzt geändert von Vanidar am 15. November 2014 17:02, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 15. November 2014 13:53

39 - Tod des Mantikors (Öffnen)
Kapitel 39 – Tod des Mantikors:


Es war der Tag nach dem Kampf gegen Jezebeth. Naruz, Salvatore, Naira, Serif und Sigrun saßen an einem Tisch, den man in den Vorhof des Tempels gestellt hatte, und diskutierten die Geschehnisse des vergangenen Tages. Nachdem die Harpyie getötet worden war, hatte man sich vorerst darauf konzentriert die Verwundeten zu heilen, und behelfsmäßige Barrikaden aufzubauen, für den Fall, dass die Dämonen zurückkamen. Das Heilen ging schneller als erwartet voran, dank Naruz und Naira. Der Inquisitor hatte sich nur einmal einen von Nairas mächtigsten Heilzaubern angesehen, und ihn danach ohne Probleme selbst gewirkt, was die Schwerttänzerin ernsthaft verwirrte. Er hatte sie zwar vor dem Kampf darum gebeten, ihm einen ihrer Heilzauber beizubringen, aber Naira hätte nie gedacht, dass es reichen würde ihm den Zauber ein einziges mal zu zeigen.
„Also... weiß einer von euch, was überhaupt los ist?“ fragte Naruz die anderen, die allesamt schwiegen und nicht ganz wussten, was sie darauf antworten sollten. „Ich meine, ich hatte nie Talent für Magie, und konnte nicht einmal simple Zauber wirken, warum schaffe ich es plötzlich Nairas Heilzauber einzusetzen, oder Serifs Eidolonmagie?“
„Vielleicht bist du ein halbes Eidolon, und erst gestern ist deine wahre Macht entfesselt worden.“ meinte Salvatore.
„Hat wirklich niemand eine Idee, oder Vorschläge?“ fragte Naruz, der es wie der Rest der Anwesenden hielt, und den Doni ignorierte.
„Vielleicht...“ begann Naira zögerlich und sah Naruz in die Augen. „Also... ich bin mir nicht sicher, aber es könnte sein, dass Siegel auf dir lagen.“
„Siegel? Aynaeth hat mir einmal davon erzählt. Es sind magische Gefäße, die im Körper einer Person eingepflanzt werden, um dort etwas zu verstecken, nicht wahr? Ich habe gehört, die Spione der Alfar nutzen diese Siegel gerne und oft. Sie versiegeln wichtige Informationen mit Hilfe von Magie in ihrem Körper, oder im Körper eines nichtsahnenden Menschen, und transportieren diese so.“
„Richtig.“ sagte Naira und nickte. „Aber theoretisch beschränkt es sich nicht auf Informationen, man könnte so ziemlich alles im Körper einer Person versiegeln, sogar physische Gegenstände. Und vielleicht könnte man diese Siegel auch dazu nutzen, um die Magie einer Person zu blockieren, und verhindern, dass sie ihr volles Potenzial entfalten können. Die Akashi wissen vielleicht mehr darüber, das ganze geht mehr in ihre Richtung von Magie.“ Naruz dachte kurz nach, und schüttelte dann sachte den Kopf.
„Ich glaube eher weniger, dass es Siegel sind, das hätte ich gesehen.“
„Gesehen? Was meinst du damit?“
„Oh, du wusstest es ja noch nicht. Aynaeth hat mir kurz vor meinem ersten, richtigen Auftrag als Inquisitor durch eine Art Ritual ein Artefakt verliehen, ein Auge Pandämoniums. Seither kann ich die Struktur eines Zaubers sehen, daher kann ich sofort erkennen, wie ein Zauber gewoben wird, und wo sich die Magie manifestiert, was es mir auch erlaubt, einen Zauber zu sabotieren und unbrauchbar zu machen.“ erklärte Naruz.
„Ich verstehe, aber das heißt trotzdem nicht, dass du die Siegel sehen würdest.“
„Wie bitte?“
„Hat Aynaeth es dir nicht erkl... natürlich nicht, es ist Aynaeth, ich bin überrascht, dass sie dir überhaupt gesagt hat, was das Artefakt macht. Das Auge Pandämoniums erlaubt es dir sämtliche Magie zu sehen, mit zwei Ausnahmen; erstens, du kannst keine Zauber sehen, die du selber gewirkt hast.“ Jetzt wo Naira es sagte viel Naruz ein, dass er tatsächlich noch nie einen Zauber gesehen hatte, den er selber wirkte... was aber auch daran lag, dass er nie wirklich Magie benutzte. „Und zweitens, du kannst keine Zauber sehen, die auf dir liegen. Du kannst natürlich erkennen, wenn jemand einen Zauber wirkt, und ihn auf dich legen will, aber Magie, die schon vorher auf dich gewirkt hatten, oder die du nicht siehst, wenn sie benutzt werden, kannst du nicht erkennen.“
„Warte, dass soll dann also heißen, dass irgendjemand einen Zauber auf Naruz gewirkt hat, um seine Magie zu versiegeln? Wer sollte das getan haben? Und wann? Und warum?“ fragte Salvatore, woraufhin Naira jedoch nur mit den Schultern zucken konnte. Sie hatte keine Ahnung, es erschien ihr auch seltsam, dass jemand die Magie des Inquisitors versiegeln sollte, aber es war die einzige Erklärung für dessen plötzlich stärkerer Magie, die ihr einfiel.
„Ich glaube...“ begann Serif, verstummte jedoch, als Sigrun ihm einen warnenden Blick zuwarf.
„Überlege dir gut, was du jetzt sagst, Serif.“ meinte die Valkyre kühl.
„Wisst ihr etwas darüber?“ fragte Naruz seine Eidolons, die sich eine Weile lang ansahen. Serif starrte Sigrun so lange drängend an, bis diese schließlich seufzte und mit den Schultern zuckte.
„Also gut, wenn es unbedingt sein muss, sag ihm, was du glaubst. Aber gib mir nicht die Schuld, wenn du dafür Ärger kriegst.“ meinte die Valkyre.
„Wunderbar, jetzt wo ihr euch einig seid, könnt ihr mir vielleicht sagen, worum es geht.“ murmelte Naruz genervt.
„Tut mir leid Partner, bin ja schon dabei.“ sagte Serif, und räusperte sich, ehe er begann. „Also, fangen wir mit dem an, was mich am meisten an der ganzen Sache stört; du kannst meine Magie benutzen. Es gibt viele Eidolons, wie Shirayuki, Aelius und Merilee, die gewöhnliche Magie der Menschen nutzen, aber dann gibt es andere Eidolons, wie mich, die spezielle Magie benutzen, über die ausschließlich dieses Eidolon verfügt, niemand sonst kann diese Magie nutzen. Meine Blitze sind so eine spezielle Magie. Selbst wenn du die Magie sehen kannst, dürftest du nicht in der Lage sein, meine Zauber zu wirken. Es geht gegen sämtliche Regeln der Magie, und genau das könnte der Grund dafür sein, dass deine Magie versiegelt wurde. Ein Botschafter der Gaia, der über so viel magische Energie verfügt wie du jetzt, und der sämtliche Regeln der Magie ignoriert, ist viel zu gefährlich, um ihn einfach so rumlaufen zu lassen.“
„Einen Moment bitte.“ meinte Naruz und hob eine Hand, um Serif zu unterbrechen. „Du redest zwar davon, dass es gegen die Regeln der Magie geht... aber dein spezieller Zauber ist doch im Prinzip nichts anderes, als Blitzmagie, gemischt mit ein wenig Lichtmagie.“
„D-darum geht es nicht!“ rief Serif. „Gut, man könnte versuchen meine Magie irgendwie zu kopieren, oder eine schwächere Version davon zu erstellen, aber niemals könnte man exakt den selben Zauber benutzen, den... egal, du weißt schon, worauf ich hinaus will.“ sagte der Feeerich und seufzte. „Wie auch immer, Punkt zwei, der mich stört. Die Siegel die auf dir lagen... Sigrun und ich hätten sie spüren müssen, immerhin sind wir mit dir verbunden. Es gibt nur zwei Möglichkeiten; erstens, Gaia selbst hat deine Magie versiegelt, was ich allerdings bezweifle. Gaia würde sich nie im Leben einmischen, nur weil ein Mensch geboren wurde, der Eidolonmagie wirken kann, eher im Gegenteil. Sie würde die Chance nutzen, um den Menschen zu beobachten und zu sehen, was er so anstellt. Bleibt noch die zweite Möglichkeit; Uriel. Ihre Siegelzauber sind äußerst mächtig, und sie sind ihre eigene, spezielle Magie, so wie meine Blitze. Ich glaube, weder Sigrun noch ich könnten sie spüren, selbst wenn sie auf uns selbst gewirkt worden wären.“
„Uriel... das war doch das Eidolon, dass dieses äußerst... fragwürdige Kleid angezogen hatte, oder?“
„Genau.“
„Warum sollte sie meine Magie versiegeln? Und warum solltest du Ärger kriegen, wenn du mit mir darüber redest?“
„Es ist nicht sicher, dass ich Ärger kriege, aber wenn Uriel wirklich deine Magie versiegelt hat, dann war es wahrscheinlich auf Befehl von Aelius hin, warum auch immer. Jedenfalls ist das die plausibelste Erklärung, die ich für die ganze Sache hier habe.“ schloss Serif, und zuckte mit den Schultern. Eine Weile lang schwiegen alle, dann seufzte Naruz, und zog einen Brief aus seiner Tasche hervor.
„Also gut, wie dem auch sei, Serif! Ich habe einen Auftrag für dich... und für Sigrun auch. Sigrun, bitte gehe ins Himmelsreich, und siehe nach ob du dort herausfinden kannst, was Jezebeth mit 'Maou' gemeint hat, das lässt mir keine Ruhe.“
„Glaubst du wirklich, dass ich dort etwas finden werde?“ fragte die Valkyre skeptisch. Naruz zuckte mit den Schultern.
„Irgendwo muss man ja anfangen zu suchen... ich selbst werde es bei Saeca probieren.“
„Bei... Saeca? Das hilflose, kleine Mädchen, dass ständig in Aleyandras Nähe rumhängt?“ fragte Serif ungläubig.
„Genau die. 'Maou' klingt nach einem Wort, aus der Sprache der Armani, deshalb kann sie mir vielleicht weiterhelfen.“
„Nun gut, ich werde mich sofort auf den Weg machen. Passt auf euch auf.“ meinte Sigrun, und war kurz darauf einfach verschwunden.
„Kommen wir zu dir, Serif. Bringe diesen Brief hier nach Navea. Es ist ein Bericht über das, was hier im Tempel geschehen ist, Salvatore hat ihn gestern noch geschrieben... auch wenn ich einige Dinge korrigieren musste.“ meinte Naruz, und lächelte den Doni zu, der eine Grimasse schnitt.
„Ach komm schon Naruz... nimm den Ruhm doch einfach an! Du bist ein Held! Der Schlächter einer Erzdämonin! Und eines Vampirs! Einhändig! Mit verbundenen Augen!“
„Wie gesagt, ich habe den Bericht korrigiert. Ich will dir immerhin nicht das Rampenlicht stehlen, Salvatore.“ Der Doni seufzte lauthals.
„Vielen Dank, jetzt muss ich wieder Stunden damit verbringen, allen klar zu machen, dass ich so unglaublich viel Glück hatte... es war schon schwer genug, dich davon zu überzeugen.“ murmelte Salvatore.
„Du hast mich keinesfalls überzeugt.“
„Warte... das habe ich laut gesagt?“
„Wie auch immer, Serif. Nimm den Brief, und bringe ihn zum Hauptquartier der Inquisition. Je schneller sie wissen, was hier vorgefallen ist, desto besser. Außerdem habe ich ihnen geschrieben, dass sie ein Expertenteam schicken sollen, die sich um das Artefakt im Tempel kümmern können, es ist zu gefährlich, um es einfach so hierzulassen.“
„Verstanden, bin schon auf dem Weg, Partner.“ sagte Serif, nahm den Brief, und verschwand ebenfalls.
„Übrigens, die Schlacht um Candeo wurde gewonnen.“ sagte Naruz, an Naira gewandt. „Sigrun hat mir vor dem Treffen gesagt, dass die Anführerin der Sarpa besiegt wurde.“ meinte Naruz, und lächelte. Aleyandra hatte es geschafft, und sie war am Leben, außerdem war die Gefahr für Candeo vorbei. Selten war Naruz so erleichtert gewesen, wie in dem Augenblick, in dem Sigrun ihm sagte, dass Aleyandra es geschafft hatte.
„Wirklich?“ Die Schwerttänzerin atmete erleichtert auf. „Gaia sei Dank! Wir können also wieder halbwegs beruhigt schlafen... ich werde sofort den Männern davon berichten!“ rief Naira, sprang auf, und ging zum Tempel hinüber, wo die überlebenden Templer untergebracht worden waren. Naruz sah ihr traurig nach, als sie zum Tempel ging. Fünf Templer hatten den Kampf gegen die Dämonen überlebt, zwar wurden sämtliche Angreifer erledigt, aber trotzdem hatte die Kirche schwere Verluste erlitten.
„Ich werde dann auch mal...“ begann Salvatore, und war im Begriff aufzustehen, hielt jedoch inne, als Naruz seinen Blick zu ihm wandte.
„Sag mal, Salvatore...“
„Ja?“
„Wann hattest du eigentlich vor, mich deinen Freundinnen vorzustellen?“ fragte Naruz, und lächelte den Doni an, der Naruz verwirrt anblinzelte.
„W-welche Freundinnen?“ stotterte der Inquisitor, und zum ersten mal in seinem Leben, war seine Ratlosigkeit nicht gespielt. Er hatte zwar erwartet, dass Naruz wusste, dass die Marionetten nicht mit Magie funktionierten, aber er sagte 'Freundinnen', was bedeutete... dass Naruz sie sehen konnte!
„Oh, er hat uns erwischt.“ meinte das Mädchen mit purpurnen Haaren, das die ganze Zeit über an Salvatores Rücken gehangen hatte, mit dem Kopf auf seiner Schulter.
„Er ist nicht so dumm, wie du dachtest.“ fügte die weißhaarige Est hinzu, die auf Salvatores Schoß saß, und sah nach oben, in das Gesicht des Doni.
„Müssen wir dich jetzt umbringen?“ fragte das blonde Mädchen namens Mashiro, und blinzelte Naruz fragend an.
„Nein! Wir werden ihn nicht umbringen! Das ist überhaupt erst alles passiert, weil ihr nicht in den Marionetten geblieben seid!“ rief Salvatore und seufzte. Aber gut, früher oder später musste so etwas ja passieren.
„Woher sollten wir denn wissen, dass der Typ uns sehen kann?“ fragte das Mädchen auf Salvatores Rücken beleidigt.
„Es geht nicht um ihn, sondern im Allgemeinen darum, dass euch jemand sehen könnte!“
„Salvatore?“
„Ja, Naruz?“
„Lenke nicht vom Thema ab, wer sind diese drei Mädchen? Da weder Naira, noch meine Eidolons sie bemerkt haben, nehme ich einmal an, dass sie keine normalen Menschen sind?“
„Ähm... ja, nicht ganz.“ Salvatore zögerte einen Augenblick, zuckte dann jedoch mit den Schultern. „Gut, jetzt wo du sie gesehen hast, kann ich dir auch gleich alles verraten. Aber vorher musst du mir schwören, dass du niemandem sagst, was ich dir gleich erzähle, kannst du das tun?“ fragte der Doni, mit ungewöhnlich ernster Stimme, und musterte Naruz.
„Natürlich, ich verspreche es dir.“ sagte dieser, woraufhin Salvatore zufrieden nickte.
„Also gut, ich vertraue dir, Naruz. Diese drei Mädchen sind Geister, die Blonde, mit dem leicht verwirrten Blick ist Mashiro Akashi, das weißhaarige Mädchen ist Est Valerion, und die letzte im Bunde ist Sanae Yui.“
„Moment... hast du gerade 'Geister' gesagt?“
„Richtig, du verstehst also, warum ich nicht will, dass du etwas hiervon weitersagst.“ Naruz nickte. Die Kirche war ziemlich streng, wenn es um Zusammenarbeit mit Geistern, Dämonen, oder ähnlichen Kreaturen ging. Wenn sie rausfand, dass Salvatore mit Geistern arbeitete, könnte das ernste Konsequenzen für ihn haben, und für die drei Mädchen.
„Hey... du bist doch das Mädchen, dass auf dem Fest von Tougou Akashi war, und dauernd um die Fruchtecke getigert ist!“ entfuhr es Naruz, und er deutete auf Sanae.
„Warte... du konntest sie auf dem Fest von Tougou sehen?“ Salvatore wirkte nun ernsthaft verwirrt. „Aber... da hattest du noch nicht dein Artefakt!“
„Und?“
„Das... das würde bedeuten, dass du von Natur aus dazu begabt bist Geister zu sehen, so wie ich... was bist du eigentlich?“
„Wie soll ich diese Frage verstehen?“
„Nun, ich komme aus einer uralten Familie, die schon immer recht bekannt dafür war, Leute wie mich hervorzubringen... du hingegen bist irgendein Typ aus Skandia! Wieso kannst du Geister... weißt du was? Vergiss es, es hat eh keinen Sinn, sich zu fragen wie oder wieso, bei dir ist einfach so vieles seltsam.“ meinte der Doni seufzend, und Schweigen kehrte ein. „Hast du schon einmal von meinem Onkel gehört? Pierro Doni?“ fragte Salvatore plötzlich, als Naruz gerade fragen wollte, ob er noch einmal mit seiner Erklärung fortfahren würde, und der Botschafter musste eine Weile lang angestrengt überlegen. Er hatte zumindest versucht, sich die zehn wichtigsten Personen der großen Familien einzuprägen... mit mittelmäßigem Erfolg.
„Ich bin mir gerade nicht sicher... aber war er derjenige, der vor vier Jahren hingerichtet worden ist?“
„Genau der, weißt du auch warum?“
„Leider nicht, ich bin schon froh, dass ich mich an den Namen erinnern konnte.“ meinte Naruz, und zuckte mit den Schultern.
„Ah... also gut, um es kurz zu machen; er war ein Serienmörder. Vor beinahe fünfzehn Jahren wurde er zum Kleriker des Mondordens ernannt, nach seiner Ernennung begann er seinen Posten und Status als Mitglied der Doni auszunutzen, um Mädchen zu entführen und zu ermorden. Er hat sich Mädchen mit großem, magischen Potenzial ausgesucht, an ihnen experimentiert, und danach entsorgt. Niemand hat ihn jemals erwischt, oder auch nur verdächtigt... bis ich einmal zufällig in sein Zimmer gestolpert bin, das war vor vier Jahren.“ Salvatore hielt kurz inne und Wut verzerrte sein Gesicht, als er fortfuhr. „Ich dachte erst, ich traue meinen Augen nicht, als ich drei junge Mädchen in seinem Zimmer sitzen saß, es war das erste mal, dass ich Geister gesehen habe musst du wissen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht einmal, dass ich ein Totenläufer war... so nennen die Dämonen übrigens Leute, die Geister sehen können, ich schätze, du bist auch einer.“ Erneut zuckte der Doni mit den Schultern. Es war ein unglaublich großer Zufall, dass Naruz ebenso wie er in der Lage war, mit Geistern zu interagieren. Normalerweise gab es alle vier bis fünf Dekaden einen Totenläufer, wenn überhaupt. Zwei in der selben Generation zu haben war an sich schon etwas besonderes, dass sie dann auch noch befreundet waren und sich gut kannten... das grenzte schon an dem, was man für einen Zufall halten konnte. „Wie auch immer, ich sah also die drei hier im Zimmer sitzen und, nachdem ich mich von meinem Schock erholt hatte, begann ich, mit ihnen zu reden. Es stellte sich ziemlich schnell heraus, dass mein Onkel sie entführt, an ihnen experimentiert und danach ermordet hatte. Warum genau habe ich nie herausgefunden, aber ich vermute, es ging einfach darum, dass er die Magie der Mädchen in sich aufnehmen wollte, so wie Vampire es tun.“ Salvatore schüttelte mit dem Kopf. „Als wenn so etwas jemals funktionieren würde. Selbst wenn er die Magie bekommen hätte, nach wenigen Tagen hätte sie angefangen, seinen Körper zu verzehren und ihn zu töten. Dank ihrer Hilfe gelang es mir dann, meinem Onkel eine Falle zu stellen, und ihn dabei zu erwischen, wie er versuchte die Tochter eines reichen Händlers zu entführen. Er wurde festgenommen und kurz darauf hingerichtet, ich wurde als Lohn für meine Taten zum Inquisitor ernannt. Eigentlich war nun alles in Ordnung, und die drei konnten ihren Frieden finden... aber aus irgendeinem Grund sind sie hiergeblieben, um mir zu helfen.“ beendete Salvatore seine Erklärung.
„Natürlich, ohne uns würdest du dauernd in irgendwelche Schwierigkeiten geraten.“ meinte Est, schloss die Augen und lehnte sich zurück, während Salvatore ihren Kopf streichelte.
„Du bist gemein, Est.“ sagte der Doni, lächelte jedoch dabei. „Übrigens, wo wir gerade so ruhig hier sitzen und uns unterhalten, wie geht es dir, Naruz?“ fragte Salvatore, und richtete seinen Blick auf Naruz' Brust. „Ich meine, es passiert nicht jeden Tag, dass eine Harpyie einem ihre Krallen in die Brust bohrt. Hat es wehgetan?“
„Nein, es war ein unglaublich angenehmes Gefühl, ich kann dir nur empfehlen, es selber einmal zu versuchen.“ antwortete Naruz, mit vor Sarkasmus triefender Stimme, und rollte mit den Augen, während er sich unbewusst an der Brust kratzte. Mitten auf seinem Brustkorb prangte nun ein dickes Narbengewebe, Naira hatte ihm angeboten, es zu entfernen, aber Naruz hatte abgelehnt.
„Ich glaube, er meint das nicht ernst.“ sagte Mashiro, an Salvatore gewandt.
„Ähm... ja, ich weiß. Naruz ist ein äußerst sarkastischer Mensch.“ meinte dieser. „Und unglaublich lustig, er sagt auch öfters, dass er mich nicht mag, und dass ich ein Idiot bin... halt die üblichen Scherze unter Freunden.“
„Warte... du denkst, dass sind Scherze?“ fragte Naruz, und grinste breit, als er sah, wie Salvatore ihn aus wässrigen Augen anstarrte.
„Warum bist du immer so gemein zu mir, Naruz? Ich habe so viel für dich getan.“
„Wie bitte? Bislang hast du mir eine gewaltige Narbe auf dem Rücken verpasst, und mir Unmengen an unnötiger Arbeit aufgehalst, und mir Probleme bereitet.“
„Eines Tages wirst du verstehen, dass alles zu deinem besten war.“ sagte Salvatore, voller Überzeugung.
„Wenn du meinst.“ sagte Naruz und seufzte. Es war nicht immer leicht, mit Salvatore, aber immerhin wurde es nie langweilig.

Die beiden Inquisitoren unterhielten sich noch eine ganze Weile lang, bis Naruz plötzlich die Hand hob, und einen Monolog von Salvatore, über die Vorteile von Speeren gegenüber Schwertern beendete.
„....paaaaaai....“ hörte Naruz ganz schwach, aus der Ferne.
„Hast du das auch gehört?“ fragte er, an Salvatore gewandt.
„Hm? Ob ich was gehört habe? Nein, ich glaube nicht.“ antwortete dieser, und spitzte die Ohren.
„....iiiiiiii....“
„Warte... doch, da ist etwas. Muss aber verdammt weit weg sein, ich kann es kaum hören.“ sagte Salvatore und sah sich suchend um.
„Naruz, Vorsicht! Direkt hinter dir!“
„Aynaeth?!“ entfuhr es Naruz verdutzt, als er die Stimme in seinem Kopf hörte.
„Richtig, und jetzt pass auf, ansonsten...“ was genau Aynaeth sagen wollte, bekam Naruz nicht mehr mit, da der Doni ihn ablenkte.
„Ah! Das muss es sein!“ sagte Salvatore, und deutete auf einen Punkt hinter Naruz. Dieser stand auf und drehte sich um, um zu sehen, was der andere Inquisitor meinte.
„Senpaaaaaaiiiiii!“ Naruz riss verdutzt die Augen auf, als er sah, was da auf ihn zukam, es handelte sich um niemand anderen als... Saeca! Die Armani rannte in vollem Tempo auf ihn zu, mit Tränen in den Augen.
„Saeca? Was machst du denn...“ weiter kam er nicht. Als die Armani nur noch zwei Meter von ihm entfernt war, sprang sie einfach auf ihn zu, umklammerte ihn, und riss ihn über den Tisch hinweg zu Boden, wo die beiden einige Meter rollten, ehe sie liegen blieben. Die Armani presste Naruz fest an sich, und dieser befürchtetet, dass sie gerade dabei war ihm sämtliche Knochen zu brechen.
„Senpaaaaaaiiiiii, du lebst!“ rief Saeca, und drückte noch fester zu.
„Aber... vielleicht... nicht mehr... lange...“ keuchte Naruz, und versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien. Allerdings hatte es keinen Sinn, Saeca war viel stärker, als Naruz es ihr jemals zugetraut hätte, und ließ sich einfach nicht abschütteln, also blieb ihm keine Wahl als zu warten, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte, und ihn freiwillig losließ.
„I-ich bin so froh dich lebend zu sehen, Naruz-senpai.“ meinte Saeca, und rieb sich die Tränen aus den Augen.
„Ich bin auch froh dich zu sehen, Saeca.“ sagte Naruz, nachdem er wieder Luft bekommen hatte, richtete sich zu einer sitzenden Position auf, und legte seine Hand auf den Kopf der Armani, die vor ihm saß. „Aber wenn du mir eine Frage erlaubst... was machst du hier?“ fragte Naruz. Die Frage beantwortete sich jedoch schon von selbst, als Naruz an der Armani vorbei sah, in die Richtung aus der sie gekommen war. Anya, Nikodemus, Victoria und Aynaeth kamen auf ihn zu, begleitet von Naira und... Aleyandra! Sie lief den anderen voraus, und erreichte den Botschafter als erste... nun gut, als erste nach Saeca.
„Naruz...“ flüsterte sie, als könne sie nicht glauben, ihn vor sich zu sehen, ehe sie ihm um den Hals fiel und wieder zu Boden riss.
„Aleyandra, was...“ begann Naruz, verstummte jedoch, als Aleyandra ihr Gesicht gegen seinen Brustkorb drückte und anfing zu weinen. Anstatt etwas zu sagen, schlang er seine Arme um Aleyandra, und drückte sie fest an sich. Kurz standen auch sein Team und Aynaeth neben ihnen, und schienen fieberhaft zu überlegen, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Aynaeth starrte die beiden Botschafter einfach nur mit ihrem emotionslosen Gesichtsausdruck an, während Anya, Nikodemus und Victoria peinlich berührt in die Gegend starrten.
„Du lebst...“ murmelte Aleyandra nach einer Weile, hob ihren Kopf und schenkte Naruz das strahlendste Lächeln, dass dieser je gesehen hatte.
„Natürlich lebe ich, ich lasse mich nicht so leicht umbringen.“ meinte Naruz und erwiderte ihr Lächeln. „Vielleicht sollten wir aber erstmal aufstehen, bevor wir diese Unterhaltung fortführen.“ sagte er, und Aleyandra nickte, ließ ihn jedoch nicht los. Überhaupt schien es momentan so, als wenn sie Naruz nie wieder loslassen würde. Während die beiden aufstanden, näherte sich Salvatore ihnen.
„Hallo Aleyandra! Ich lebe übrigens auch noch, also vielleicht könnte ich ja auch... argh!“ Der Doni begann laut zu keuchen und zu husten, fasste sich an den Hals und ging zu Boden, unter den fragenden Blicken der anderen Anwesenden. Wahrscheinlich dachten alle, dass Salvatore mal wieder irgendwelchen Blödsinn machte. Naruz hingegen musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen, denn er hatte genau gesehen, wie Sanae den Inquisitor in den Kehlkopf geboxt hatte, als dieser auf Aleyandra zuging.
„Also, was geht hier vor sich? Was sollte diese übertriebene Reaktion von Saeca? Und warum dachtet ihr, ich sei tot?“
„Musst du das wirklich fragen?“ entfuhr es Anya, ehe sonst jemand antworten konnte, und sie trat einen Schritt auf Naruz zu. Sie schien ernsthaft wütend zu sein, weshalb Naruz vorsichtshalber ein paar Schritte zurück trat. „Wir waren im Kampf gegen die Sarpa gebunden, sie stürmten auf die Mauern von Candeo zu, und waren kurz davor durchzubrechen, und dann verliert Aynaeth plötzlich den Kontakt zu dir, und Grimm kann auch nicht mehr mit Serif reden, weil der in eine Art Koma gefallen ist! Der einzige Grund, der uns dazu einfallen wollte war, dass du gestorben bist! Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Ich dachte schon...“ Plötzlich verstummte Anya, räusperte sich, und fuhr dann weit ruhiger fort. „Wie auch immer, wir dachten alle, dass du tot wärst. Aus irgendeinem Grund haben sich die Sarpa dann zurückgezogen, dabei standen sie kurz vor dem Sieg! Wir haben die Soldaten in Candeo gelassen, für den Fall dass die Sarpa zurückkommen, und haben uns dann direkt auf den Weg hierher gemacht, da der Tempel ja weit wichtiger für die Pläne des Feindes war. Kurz darauf ist uns Aleyandra über den Weg gelaufen, sie meinte, dass sie dich spürt, aber wir waren uns nicht sicher, ob das nicht vielleicht eine Falle der Dämonen war, also haben wir beschlossen, uns die ganze Sache erst einmal anzusehen, bevor Aynaeth mit dir Kontakt aufnimmt, und dabei irgendwie von Dämonen angegriffen wird.“ Anya beendete ihre Erklärung und seufzte, lächelte Naruz dann aber an. „Aber hier scheint ja alles in Ordnung zu sein.“
„Hast du die Erzdämonin getötet?“ fragte Aynaeth, und ging zu Naruz und Aleyandra hinüber.
„Ja... wenn auch unter seltsamen Umständen.“ meinte Naruz, und auf Aynaeths fragenden Blick hin erklärte er ihr alles, was geschehen war, ließ seinen merkwürdigen Traum jedoch aus.
„Oh... versiegelte Magie, daran habe ich nie gedacht.“ murmelte die Hexe. „Und eine Alfar? Das ist wirklich seltsam.“
„Ich habe auch schon überlegt, wer sie sein könnte, oder was sie will, aber... Saeca? Ist alles in Ordnung?“ fragte Naruz, als er merkte, dass die Armani ihn anstarrte, und zu überlegen schien.
„Was? Oh... nein, nein, alles in Ordnung, Naruz-senpai.“ sagte sie und lächelte. „Mich interessiert es übrigens auch, wer diese Alfar sein könnte.“
„Das spielt doch jetzt keine Rolle.“ meinte Aleyandra, und lehnte ihren Kopf an Naruz' Arm. „Wichtig ist, dass sie dir das Leben gerettet hat. Es ist mir egal, wer oder was sie ist, du lebst, und das ist alles was zählt.“ Aynaeth nickte zustimmend.
„Aleyandra hat recht...“ die Hexe zögerte kurz, und bedeutete Naruz dann mit einer Geste, den Kopf ein wenig zu senken. Als Naruz und Aynaeth auf Augenhöhe waren, hatte die Hexe plötzlich einen Keks in der Hand, und stopfte ihn Naruz in den Mund, ehe sie ihm den Kopf tätschelte. „Gute Arbeit, das ist die Belohnung dafür, dass du die Erzdämonin besiegt hast.“ sagte sie. Dieser überlegte kurz, ob er protestieren sollte, ließ es dann jedoch bleiben. Wahrscheinlich war dies Aynaeths Art, Erleichterung zu zeigen. „Und... was ist mit dem Vampir?“ fragte sie kurze Zeit später, und wirkte ziemlich nervös.
„Ich habe ihn getötet!“ rief Salvatore stolz, und grinste breit. Aynaeth sah ihn eine Weile lang an, blinzelte, und tätschelte dann erneut Naruz' Kopf.
„Gut gemacht.“ murmelte sie.
„Hey! Ignoriert mich nicht!“ rief Salvatore, jedoch ohne Erfolg.
„Danke, Aynaeth.“ sagte Naruz, nachdem er den Keks heruntergeschluckt hatte. „Aber ich glaube, du vergisst jemanden.“ Die Hexe legte den Kopf schief, und sah Naruz fragend an.
„Wen denn?“
„Was glaubst du, warum die Sarpa sich zurückgezogen haben?“ fragte Naruz, woraufhin sein Team und Aynaeth ratlose Blicke wechselten. „Ihre Anführerin wurde getötet.“ meinte Naruz nach einer Weile des Schweigens.
„W-warte... du weißt davon, Naruz?“ fragte Aleyandra, sichtlich nervös.
„Natürlich.“ meinte der Inquisitor, und lächelte Aleyandra an. „Ich habe Sigrun darum gebeten, mir zu erzählen, wie der Kampf gegen die Sarpa ausgegangen ist, und dabei hat sie auch erwähnt, dass du gegen die Hohepriesterin der Schlangenwesen gewonnen hast.“
„Oh... du hast also die Sarpa vertrieben?“ fragte Aynaeth, ehe Aleyandra Naruz antworten konnte, und starrte der anderen Botschafterin direkt in die Augen.
„Ähm... also... ich schätze... ja, habe ich.“ sagte Aleyandra, die inzwischen im Mittelpunkt des Geschehens stand, wobei sie sich nicht gerade wohl fühlte. Aynaeth zögerte eine Weile lang, dann griff sie jedoch in einen Beutel, der an ihrer Hüfte hing und zog einen großen Keks hervor. Eine Weile lang schien sie mit sich zu ringen, dann hielt sie Aleyandra jedoch den Keks hin, wenn auch mit einem wehmütigen Gesichtsausdruck.
„Für dich.“ murmelte die Hexe. Aleyandra sah diese einfach nur verwirrt an, und warf Naruz einen fragenden Blick zu. Dieser nickte, und beugte sich zu Aleyandra, um ihr ins Ohr zu flüstern.
„Aynaeth teilt so gut wie nie ihre Süßigkeiten, du solltest annehmen.“
„Ah, ich verstehe.“ antwortete Aleyandra und nahm Aynaeth den Keks ab.
„Gut gemacht.“ sagte die Hexe, und streichelte Aleyandras Kopf, die davon ziemlich überrascht war, und eine Zeit lang einfach nur verwirrt aussah. Dann zeichnete sich jedoch ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht ab. Das hier war ganz anders, als ihr Empfang nach ihrer ersten Mission. Insgeheim hatte sie schon befürchtet, dass Naruz wieder wütend auf sie sein würde, weil sie die Sarpa umgebracht hatte, aber dem war nicht so, er schien sogar recht stolz auf sie zu sein, wenn sie seinen Gesichtsausdruck richtig deutete. Und als wäre das noch nicht genug, trat nun auch noch Anya nach vorn, und hielt Aleyandra ihre Hand hin. Die Botschafterin musterte die Templerin kurz, schlug dann jedoch ein.
„Vielen Dank dafür, dass du uns geholfen hast. Ohne dich hätten die Sarpa vielleicht Candeo überrannt. Du hast damit vielen Menschen das Leben gerettet.“ sagte Anya und lächelte Aleyandra an.
„Ähm... ja, gern geschehen.“ murmelte Aleyandra, und schien förmlich zu strahlen. Besser hätte der Auftrag in Candeo für sie gar nicht laufen können!
„Ich weiß, dass es noch viel zu tun gibt, aber ich möchte euch darum bitten, Aleyandra und mich kurz alleine zu lassen.“ sagte Naruz plötzlich, an die anderen gewandt.
„Was? Oh... natürlich... wir... ähm, sehen mal nach den Templern, die noch im Tempel sind.“ sagte Anya, und ging mit Nikodemus, Saeca, Naira und Victoria in Richtung des Gebäudes.
„Ich habe noch etwas zu erledigen, ich komme vielleicht erst heute Abend wieder.“ sagte Salvatore plötzlich.
„Ach? Was hast du schon für wichtige Dinge zu tun?“ fragte Naruz scherzend. Jedoch verblasste sein Lächeln, als er die ernste Miene des Doni bemerkte. Er hatte Salvatore noch nie so gesehen, selbst als er gegen Jezebeth gekämpft hatte, wirkte der Doni nicht so konzentriert und ernst, wie er es jetzt tat. „Ist etwas passiert, Salvatore?“
„Nein, es gibt nur eine Kleinigkeit, die mir keine Ruhe lässt. Keine Sorge, es wird schon nichts wichtiges sein.“ meinte der Inquisitor, und ohne eine weitere Erklärung, rannte er davon, dicht gefolgt von seinen Marionetten. Nun waren nur noch Aynaeth, Aleyandra und Naruz übrig.
„Ähm... Aynaeth?“
„Mhm?“
„Ich würde gerne etwas... privates mit Aleyandra besprechen. Also denkst du, es wäre möglich, dass du...“
„Ah... gut, ich gucke mir mal das Artefakt im Tempel an.“ murmelte die Hexe und zuckte mit den Schultern. Somit waren Naruz und Aleyandra endlich allein.
„Was gibt es?“ fragte Aleyandra, und wirkte schlagartig wieder nervös. Würde er ihr jetzt Vorwürfe machen, weil sie nicht versucht hatte, einen Weg zu finden um die Sarpa zu retten?
„Ich habe doch erwähnt, dass ich die Dämonin mit Magie besiegt habe.“ begann Naruz, und Aleyandra nickte. „Ich weiß noch nicht, warum ich plötzlich Magie nutzen kann. Vielleicht war sie versiegelt, wenn ja, weiß ich nicht, warum man sie versiegelt hat... aber das ist jetzt auch egal.“ sagte er, und strich Aleyandra eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin mir sicher, dass ich deine Verletzungen heilen kann.“ sagte er plötzlich, und Aleyandra riss die Augen auf. Er hatte zwar versprochen, einen Weg zu finden, aber Aleyandra hätte nicht gedacht, dass es ihm wirklich gelingen würde, immerhin hatte sogar die Heilmagie der Eidolons versagt! „Allerdings muss ich sagen, dass ich den Zauber, den ich benutzen will, noch nie zuvor ausprobiert habe, also bin ich mir nicht sicher, wie gut er funktioniert, oder ob es eventuelle Nebenwirkungen gibt... wenn du also lieber warten willst, bis ich Zeit hatte ihn auszuprobieren, dann...“ Aleyandra schüttelte den Kopf, und lächelte Naruz an.
„Ich vertraue dir.“ meinte sie, und umarmte Naruz. „Wenn du denkst, dass du es schaffst, bin ich mir sicher, dass es dir gelingen wird.“
„Aleyandra...“ Naruz lächelte ebenfalls. Er an ihrer Stelle, hätte sich wahrscheinlich nicht vertraut, und lieber gewartet, bis man sich sicher sein konnte, dass der Zauber überhaupt funktionierte. Aber wenn Aleyandra der Meinung war, dass er es versuchen sollte... „Also gut, dann werde ich anfangen.“ meinte er schließlich, und schob Aleyandra ein Stück von sich. Eine Weile lang passierte nichts, dann erschienen plötzlich zwei kleine Drachen aus Magie in der Luft, zwischen ihm und Aleyandra. Der eine Drache war pechschwarz, der andere schneeweiß. Auf eine Geste von Naruz hin, begannen sie, um Aleyandras Kopf herumzufliegen. Für das normale Auge, geschah nichts weiter, Naruz konnte jedoch sehen, wie eine Art feiner, dunkler Nebel aus Aleyandras Narben in ihrem Gesicht aufstieg, und vom dunklen Drachen aufgesogen wurde. Naruz hatte zwei Zauber kombiniert, einmal den mächtigen Heilzauber, den er von Naira hatte, und einmal einen Zauber, der dazu diente Gifte und Flüche zu neutralisieren, nur für den Fall, dass noch immer ein Rest der schädlichen Magie Valerius' in Aleyandra steckte. Der weiße Drache begann nach und nach zu verschwinden, er bestand vollkommen aus heiliger Magie, und schickte diese nach und nach in Aleyandras Wunden. Langsam begannen die Narben sich zu schließen, Fleisch und Haut legte sie über die Stellen, wo das ätzende Gift sie vollkommen entstellt hatte, und auch die Narben auf ihrem Körper begannen sich zu schließen. Aleyandra zuckte bei dem Gefühl zusammen, es war nicht gerade angenehm, aber es tat auch nicht wirklich weh, alles in allem, war es erträglich. Plötzlich waren beide Drachen verschwunden, und Naruz lächelte Aleyandra nervös an. „Ich... ich glaube das wars. Deine Wunden müssten jetzt geheilt sein, aber...“
„Naruz?“ fragte Aleyandra nervös, als er einfach nichts mehr sagte, und sie aus leeren Augen ansah. „Naruz, ist alles in Ordnung?“
„Ja... ja, alles ist gut. Mir war nur ein wenig... schwindelig.“ murmelte Naruz.
„Du hast mir wirklich einen Schrecken eingejagt! Du hast einfach aufgehört zu sprechen, ich dachte schon, du brichst zusammen!“ sagte Aleyandra, und Naruz lachte kurz auf.
„Ah, tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist. Aber gut, wie ich gerade sagen wollte; du müsstest deine Illusionszauber auflösen, um zu sehen, ob es wirklich funktioniert hat. Denkst du, du könntest das tun?“ fragte er. Aleyandra zögerte. Wenn es nicht funktioniert hatte... dann würde Naruz wieder ihr schrecklich entstelltes Gesicht sehen, und das wollte sie auf jeden Fall vermeiden, auch wenn er behauptete, dass es ihn nicht störte. Andererseits, hatte sie nicht eben gerade gesagt, dass sie ihm vertraute? Also holte sie tief Luft, und löste ihre Zauber auf. Naruz sah zu, wie die Runen, welche nur für ihn sichtbar waren, sich langsam auflösten... und nichts geschah. Oder besser gesagt, für das menschliche Auge, gab es keinen Unterschied zu sehen! Sein Zauber hatte funktioniert.
„U-und?“ fragte Aleyandra nervös.
„Es hat funktioniert.“ sagte Naruz, ging auf sie zu, und umarmte Aleyandra. „Hier, siehst du?“ meinte er, und zog eines seiner Schwerter aus der Scheide, damit Aleyandra dort ihr Spiegelbild sehen konnte. Sie zögerte erst, und traute sich nicht wirklich, der Aufforderung nachzukommen. Schließlich siegte jedoch die Neugier, über ihre Furcht, und richtete ihren Blick auf die Klinge von Naruz' Schwert. Als sie sah, wie ihr Gesicht, ihr richtiges Gesicht, zurück starrte, konnte sie es erst nicht glauben. Eine ganze Minute lang, sah sie einfach nur auf ihr Spiegelbild, und fuhr sich ungläubig über das Gesicht, bis Naruz seine Waffe schließlich wieder wegsteckte.
„Danke.“ flüsterte Aleyandra, und vergrub ihr Gesicht in Naruz' Mantel. „Danke... ich...“
„Schon gut.“ meinte Naruz, mit sanfter Stimme, und schloss sie fester in den Arm. „Ich habe es dir versprochen, oder nicht?“ fragte er, als Aleyandra ihren Blick hob, und Naruz direkt in die Augen sah.
„Ja... ja, das hast du.“ meinte sie, lächelte fröhlich, und rieb sich die Tränen aus den Augen. Ehe Naruz etwas sagen konnte, stellte Aleyandra sich auf die Zehenspitzen, und küsste ihn. „Danke für alles.“ sagte sie erneut, als sie sich von ihm gelöst hatte.
„Du brauchst dich nicht zu bedanken, Aleyandra. Ich würde dir immer helfen, egal in was für Schwierigkeiten du steckst.“ meinte Naruz. Eine Weile lang standen die beiden einfach nur schweigend, Arm in Arm im Vorhof des Tempels, bis schließlich Naira zu ihnen kam.
„Entschuldigt mich ihr zwei, ich will ja nicht stören, aber Serif ist zurückgekehrt.“
„Schon?“ fragte Naruz überrascht, er hätte nicht gedacht, dass sein Eidolon schon wieder genug Kraft hatte, um sich in so kurzer Zeit nach Navea, und wieder zurück zu begeben.
„Ja, und er bringt eine Nachricht aus dem Hauptquartier der Inquisition.“ meinte Naira, und ihr finsterer Gesichtsausdruck, ließ Naruz nichts gutes ahnen. „Der Inquisitor Naruz, und Inquisitor Salvatore sollen sofort nach Navea zurückkehren, und dort auf weitere Nachrichten der Großinquisitoren warten. Bis es soweit ist... sind Team Mantikor, und Team Hydra aufgelöst.“
„Was?!“ entfuhr es Naruz, und er starrte Naira ungläubig an. „Wenn das ein Scherz sein soll...“
„Ist es leider nicht.“ erklang plötzlich Serifs Stimme, und er erschien direkt neben Naruz, während Team Mantikor und Aynaeth aus dem Tempel kamen. „Dein Team ist vorerst aufgelöst... aber deinen Rang als Inquisitor behältst du.“
„Was soll dieser Blödsinn? Wir haben den Tempel beschützt, und als Lohn werden wir aufgelöst?“
„Ich weiß auch nicht, was das soll. Sie wollten mir nicht mehr sagen, und meinten, sie müssen sich erst beraten. Angeblich wird es ein Treffen der drei Familien, mit dem Erzbischof und der Inquisition geben, wo über das weitere Vorgehen besprochen wird.“ erklärte Serif.
„Das ist ungerecht! Das können sie nicht einfach so machen!“ rief Anya empört, und die anderen Teammitglieder schienen ganz ihrer Meinung zu sein.
„Was machen wir jetzt, Naruz?“ fragte Nikodemus. Leider wusste Naruz selber nicht so ganz, was sie jetzt tun sollten. Ihnen wurde befohlen nach Navea zurückzukehren, von den Großinquisitoren persönlich... also hatten sie nicht wirklich eine andere Wahl, als genau das zu tun.
„Als aller erstes, werden wir auf Salvatore warten.“ meinte Naruz schließlich.
„Jetzt wo du es sagst... wo ist er?“ fragte Anya und sah sich um. „Typisch, wenn man ihn mal braucht, ist er nicht da.“
„Er meinte, dass er noch etwas wichtiges erledigen muss, aber er wollte spätestens heute Abend wieder zurück sein. Wie gesagt, wir warten auf ihn, und machen uns dann auf den Weg nach Navea. Wir haben nicht wirklich eine andere Wahl. Aber glaubt mir, sobald wir da sind, werde ich herausfinden, was dieser Schwachsinn soll, das verspreche ich euch.“ sagte Naruz, an sein Team gewandt. Sie sahen zwar nicht wirklich zufrieden aus, was Naruz auch nachvollziehen konnte, aber sie widersprachen ihm nicht. Was er sagte, war eigentlich ihre einzige Option, wenn sie sich nicht mit der Inquisition anlegen wollten. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zurückzulehnen, und darauf zu warten, dass Salvatore wiederkam, wo auch immer dieser sich gerade herumtrieb...

Während Naruz die schlechte Nachricht aus der Hauptstadt erhielt, fand nicht allzu weit vom Tempel entfernt, ein äußerst interessantes Treffen statt. Mitten im Sumpf, unter einem großen Baum, stand Dârthallion, mit Cora an seiner Seite, und gemeinsam schienen sie auf jemanden zu warten. Dieser 'Jemand' tauchte auch kurze Zeit später auf. Die junge, blonde Alfar, der Cora im Hauptquartier der Smaragdgilde begegnet war, trat plötzlich aus den Schatten eines anderen Baumes hervor, auch wenn Cora schwören könnte, dass sie kurz zuvor noch nicht dort gewesen war.
„Professor Dârthallion, nehme ich an?“ fragte die Alfar, als sie direkt vor den beiden stand, und musterte den Professor interessiert.
„Richtig, und ihr seid... Erica Bladelli?“ fragte der Angesprochene, und strich sich über das Kinn. Nachdem Schock über die gestohlene Reliquie, hatte Cora ihm von ihrer Begegnung mit der angeblichen Erica Bladelli erzählt, und dass diese sich mit ihm treffen wollte. Eigentlich sollte das Treffen erst Morgen stattfinden, und an einem ganz anderen Ort, aber nach der Niederlage der Sarpa und Dämonen, wollte Dârthallion so schnell wie möglich von hier verschwinden, weshalb er einige seiner Homunkuli durch die Sümpfe geschickt hatte, mit dem Auftrag die Bladelli zu finden, und ihr so eine magische Botschaft zukommen zu lassen.
„Genau, als erstes möchte ich sagen, dass es mir überhaupt nicht gefallen hat, dass Ihr plötzlich den Treffpunkt und die Zeit geändert habt.“ meinte die Alfar kühl. „Allerdings muss ich zugeben, dass Eure Homunkuli ziemlich gut waren, ich habe selten so gute Arbeit gesehen.“
„Vielen Dank, das freut mich zu hören.“ sagte Dârthallion und verbeugte sich vor der Alfar. Als er den missmutigen Blick seiner Assistentin bemerkte, lachte er kurz auf. „Übrigens, dieses nette Mädchen hier ist Cora, sie ist meine Assistentin, ihr kennt euch ja bereits.“
„In der Tat, sie ist eine recht fähige Magierin.“
„Sie war es, die mir mit den Homunkuli geholfen hat, die Euch gesucht haben.“
„Oh?“ Erica zog eine Augenbraue in die Höhe, und trat einen Schritt auf Cora zu. Sie musterte das Mädchen eine Weile lang, ehe sie lächelte. „Sie erinnert mich an jemanden... hast du zufälligerweise Familie, die für die Inquisition arbeitet?“ Cora zuckte zusammen, sie wurde nicht gerne daran erinnert.
„Ja, meine Tante ist eine Inquisitorin, warum?“
„Sie war beim Überfall auf mein Anwesen dabei, und hat einige von meinen Kreationen getötet. Ich war alles andere als erfreut... aber wie es scheint, hast du weit mehr Respekt vor den Forschungsarbeiten von anderen, als sie.“
„Ähm... danke?“ murmelte Cora, die nicht ganz wusste, ob sie das als Kompliment nehmen sollte.
„Entschuldigt, Lady Bladelli, aber wir haben nicht viel Zeit. Unsere Pläne hier sind gescheitert, und ich würde gerne verschwinden, bevor die Templer uns finden. Warum wolltet Ihr Euch mit mir treffen?“ fragte Dârthallion, und lenkte damit die Aufmerksamkeit von Erica wieder auf sich.
„Ah, natürlich. Ich möchte Euch meine Hilfe anbieten.“ Der Alfar verengte die Augen, bei diesen Worten.
„Ihr seid die Anführerin des Blutenden Turms... warum solltet Ihr der Republik helfen wollen?“ Erica schnaubte verächtlich.
„Wen interessiert schon, ob im Norden der Adel, oder das einfache Volk herrscht? Der Turm ist ein Mittel zum Zweck, mehr nicht.“
„Ein Mittel zu welchem Zweck?“ Die Augen der Alfar schienen förmlich zu strahlen, als sie fortfuhr.
„Mein Ziel ist es, etwas zu erschaffen, was noch niemandem sonst gelungen ist, eine perfekte Waffe... nein, Waffe ist das falsche Wort. Mein Ziel ist es eher... einen Gott zu erschaffen. Ein Wesen so mächtig, dass niemand es jemals bezwingen kann! Eine Kreatur, die den perfekten Homunkulus in den Schatten stellt, und dass die Macht der stärksten Eidolons neben sich verblassen lässt! Was ich erschaffen will, ist ein Wesen, dass sich mit Gaia selbst messen kann!“ verkündete Erica, woraufhin die anderen beiden sie einfach nur anstarrten.
„Das... das könnt Ihr nicht ernst meinen.“
„Oh doch, ich meine es sogar sehr ernst... aber darüber können wir uns später noch unterhalten.“ meinte die Alfar, und kehrte Cora und Dârthallion den Rücken zu. „Wir haben nämlich Besuch.“
„Was?“ entfuhr es Dârthallion, er konnte nichts spüren. Hatte es wirklich jemand geschafft, sich zu ihnen zu schleichen? Nein, das war unmöglich. Drei Homunkuli bewachten die Gegend, sie würden jeden Eindringling zerfleischen, bevor er hierher kam... in der Theorie zumindest. In der Praxis, schien es eher weniger gut zu funktionieren.
„Ach, lasst euch nicht von mir stören.“ Ein junger Mann, der Kleidung nach ein Inquisitor, trat hinter einem Baum hervor, und lächelte die Anwesenden fröhlich an. In seiner Hand hielt er einen Speer, und hinter ihm glitten drei Marionetten durch den Sumpf. „Bitte, fahrt fort.“ meinte er, ehe er ohne Vorwarnung nach vorn schoss, und Erica seinen Speer durch die Brust jagte. „Ich bin äußerst interessiert daran, was die Frau, die Naruz gerettet hat, hier mit einer Verräterin und einem verrückten Professor zu besprechen hat.“ sagte der Mann, plötzlich mit ernster Miene und einem kalten Gesichtsausdruck. Er zog den Speer aus der Brust der Alfar, die aufkeuchte und in den Sumpf fiel. „Zu dumm, dass ich sie töten musste, aber sie war eindeutig die gefährlichste von euch dreien... wie auch immer, ihr zwei kommt jetzt schön ruhig mit nach...“ meinte Salvatore, verstummte dann jedoch und warf sich zur Seite, gerade noch rechtzeitig, um einem Blitz aus dunkler Magie zu entgehen, der aus dem Sumpfwasser geschossen kam.
„Hey, Junge... das hat wehgetan.“
„Oh, na wunderbar.“ murmelte Salvatore genervt, als er sah, wie die Alfar aufstand, ohne sich großartig um die klaffende Wunde in ihrer Brust zu kümmern. Sie warf dem Inquisitor einen ziemlich zornigen Blick zu, während das Loch in ihrer Brust anfing sich zu schließen, auch wenn es nicht ganz gelingen wollte, dank des Fluchs, der Gungnir innewohnte. „Wisst Ihr, das sieht sehr unappetitlich aus.“ meinte Salvatore, während er beobachtete, wie sich das Fleisch der Alfar hin und her bewegte, im Versuch die Wunde irgendwie zu verschließen.
„Haltet euch raus, der Junge gehört mir!“ zischte die Alfar, an Dârthallion und Cora gewandt. Der Professor zuckte lediglich mit den Schultern.
„Ich bin ein Forscher, ich kämpfe nicht.“ meinte er, außerdem hätte er so die Gelegenheit, die berühmte Erica Bladelli einmal kämpfen zu sehen... auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass sie nie wirklich für ihre Kampfkraft bekannt war. Natürlich war sie eine brillante Forscherin und Magierin, aber das musste in einem richtigen Kampf nichts heißen. Erica schleuderte erneut blitzartige, schwarze Magie auf den Doni, der diesen jedoch relativ leicht auswich.
„Sanae.“ sagte Salvatore, woraufhin sich eine seiner Marionetten, die mit dem Speer, in Bewegung setzte. Erica ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, sie führte eine herrische Geste mit ihrer Hand aus, wodurch eine riesige Wand aus schwarzen Flammen auf die Marionetten und den Doni zuraste.
„Oh, Lady Bladelli, übertreibt Ihr es nicht ein wenig?“ fragte Dârthallion belustigt, der es gerade so geschafft hatte, sich und Cora in Sicherheit zu bringen.
„Nicht jetzt! Dieser Inquisitor hat es gewagt, diesen wunderschönen Körper zu verletzen! Wer weiß, wann ich noch einmal einen wie diesen hier finde! Er wird dafür bezahlen!“ rief die Alfar zornig.
„Vielleicht, aber allem Anschein nicht damit.“ kommentierte der Professor belustigt, und deutete auf den Doni. Dieser schien sich nicht wirklich um die Flammen zu kümmern, aus gutem Grund wie sich zeigen sollte. Sobald die Flammen ihn erreichten, wechselten sie die Farbe und wurden golden, ehe sie verschwanden. Erica holte tief Luft, langsam nervte sie die ganze Sache. Eigentlich wollte sie sich hier nur mit dem Professor unterhalten, und sehen, ob der ihr irgendwie bei ihren Forschungen helfen konnte, oder ob er und sein Herr sie vielleicht sogar unterstützen wollten. Dann wurde das Treffen von einem Inquisitor gestört, und zu allem Überfluss auch noch von einem Doni, so wie es aussah.
„Du bist der Erbe der Doni Familie, oder?“ fragte sie, woraufhin Salvatore sie überrascht ansah.
„Haben die Marionetten mich verraten?“
„Eher die Sache mit den Flammen... das Kreuz an deinem Mantel, das ist doch das Kreuz des Longinus, nicht wahr? Die Familienreliquie der Doni. Ich habe gehört, sie kann dunkle Magie neutralisieren... angeblich wurde sie von einer Urahnin der Bladelli angefertigt.“
„Du weißt ziemlich viel über Reliquien.“ meinte Salvatore und seufzte.
„Es war Teil meiner Forschungen, ich weiß auch, dass Aria Bladelli im Gegenzug von ebenfalls etwas bekommen hat, ein Schwert, das Menschen sowohl heilen, als auch töten kann.“
„Du weißt eindeutig zu viel über Reliquien, wer bist du?“ Anstatt zu antworten, ging die Alfar erneut zum Angriff über... oder zumindest wollte sie es. Jedoch spürte sie plötzlich eine überwältigende Präsenz, die sie dazu brachte innezuhalten, auch dem Inquisitor schien es so zu gehen. Plötzlich öffnete sich ein dunkles Portal mitten zwischen den Kontrahenten, und eine Gestalt in schwarzer Rüstung trat hervor.
„Dârthallion... wie kommt es, dass du ständig in Schwierigkeiten steckst, wenn ich dich irgendwo hinschicke?“ fragte der Schattenritter an den Professor gewandt, der kurz schluckte.
„Ähm... ich kann das erklären... irgendwie...“ begann er, verstummte jedoch, als der Schattenritter ihm einen warnenden Blick zuwarf.
„Wer ist die Frau?“
„Das ist Erica Bladelli, mein Lord.“
„Die Anführerin des Blutenden Turms, deren Forschung dir als Inspiration dient?“
„Richtig, mein Lord. Wie es scheint, will sie sich uns anschließen.“
„Oh? Wir werden sehen... sie kann mitkommen, und dann versuchen mich zu überzeugen.“
„Wie überaus nett von Euch, Lord Schattenritter.“ meinte Erica, mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht.
„Lady Bladelli, das ist nicht besonders klug.“ flüsterte Dârthallion, aber es war schon zu spät. Der Schattenritter stand plötzlich direkt vor Erica, und sein Schwert trennte ihren Körper waagerecht in der Mitte. Der Oberkörper klatschte in den Sumpf, und kurz darauf fiel auch der Unterkörper um.
„Ich hätte mehr von der Magierin erwartet, die von der Kirche so gefürchtet wird.“ kommentierte er trocken, dann fiel sein Blick auf Salvatore. „Und du bist? Ah, ein Inquisitor. Bist du hier, um mich festzunehmen?“ Salvatore sah den Schattenritter kurz an, und fing dann an zu lachen.
„Wie bitte? Hier um Euch festzunehmen? Nie im Leben, ich habe nur nach streunenden Sarpa gesucht, nach der Schlacht, und bin auch schon wieder weg.“ plapperte er drauf los, lächelte, und versuchte ruhig zu bleiben. Er spürte, wie mächtig sein Gegner war... wenn es hier zum Kampf gegen ihn kommen würde, könnte das sehr schnell, sehr unschön für ihn werden. „Vor allem, weil ihr zwei noch einiges zu besprechen habt... entschuldigt mich jetzt.“ meinte er, und rannte im nächsten Augenblick davon. Ehe der Schattenritter auch nur darüber nachdenken konnte ihn zu verfolgen, merkte er, wie etwas sein Bein packte. Als er den Blick senkte, sah er wie Erica Bladelli sich an ihm festkrallte. Die Augen der Alfar leuchteten ihn zornig an, und Blut lief aus ihrem Mund.
„Hat dir niemand Manieren beigebracht?“ fragte sie, was den Ritter dazu veranlasste die Stirn zu runzeln.
„Das ist... ungewöhnlich. Mordred tötet sonst alles, was es berührt.“ meinte er, eher zu sich selbst, als zur Magierin.
„Auch Dinge, die schon lange tot sind? Und irgendeiner von euch soll mir endlich aufhelfen! Das ist doch lächerlich! Du da, Cora! Sammele meine Beine auf! Vielleicht kann man diesen Körper hier noch irgendwie retten!“ giftete Erica, und schien äußerst ungehalten zu sein.
„Interessant.“ murmelte der Schattenritter, ehe er sich an Dârthallion wandte. „Nimm sie mit, ihre Magie scheint... Potenzial zu haben.“
„Jawohl, mein Lord.“ meinte der Professor, und ging zu Erica hinüber. „Ihr habt Glück, noch am Leben zu sein.“ flüsterte er ihr zu, als er ihr aufhalf und dachte darüber nach, wie er sie jetzt eigentlich tragen sollte.
„Wisst ihr was? Lasst den Körper einfach hier liegen.“ murmelte Erica genervt. „Schickt einfach einen Boten zu mir. Er soll den Wald, in der Nähe von Skandia betreten, früher oder später wird er mich schon finden. Es kostet mich langsam zu viel Kraft, diesen Körper am Leben zu erhalten.“
„Wie bitte?“ fragte der Professor erneut, erhielt jedoch keine Antwort mehr. Die Augen der Alfar verdrehten sich, und sofort begann sie sich drastisch zu verändern. Das Fleisch schien zu verschwinden, und die Haut zu verschrumpeln, bis Dârthallion schließlich nichts weiter, als das Skelett einer Alfar in den Händen hielt, mit einem schwarzen Kristall im Kopf. „Faszinierend... wirklich faszinierend.“ murmelte er, entfernte den Kristall, und ging zu Cora hinüber. „Diese Frau ist wirklich etwas für sich.“
„Dârthallion!“ Der Alfar zuckte zusammen, als er den Ruf des Schattenritters hörte. So schnell sie konnten, rannten er und Cora zu ihrem Herren und folgten ihm durch das Portal. Als es sich schloss und verschwand, war im Sumpf nichts weiter übrig geblieben, als das halbierte Skelett der Alfar...

Zur selben Zeit in Navea:
Luca stand auf einem abgelegenen Übungsplatz im Militärbezirk von Navea. Es war ein äußerst kleiner Platz, der kaum benutzt wurde, weil er so abgeschieden von allen anderen Plätzen lag. Genau genommen war Luca sich nicht einmal sicher, ob überhaupt jemand von der Existenz dieses Platzes wusste. Er war vollkommen überwuchert, und Büsche versperrten teilweise den Weg, und verdeckten die Sicht auf den Platz. Der Bladelli war nicht alleine hier, sondern mit Retia, der Magierin aus der Smaragdgilde. Sie stand ungefähr fünf Meter von ihm entfernt und warf ihm einen nervösen Blick zu.
„Bist du... bist du dir sicher, dass wir das tun sollten?“
„Keine Sorge, es wird schon alles gut gehen.“ beruhigte Luca sie und lächelte.
„Aber was, wenn es nicht funktioniert, und ich dich ausversehen treffe?“
„Ich bin äußerst widerstandsfähig, außerdem habe ich vollstes Vertrauen in meinen Zauber.“ meinte Luca. „Und jetzt fang an, ich bin bereit.“
„Also gut... aber denke dran, du hast es so gewollt.“ murmelte die Magierin, ehe sie ihre Hände auf Luca richtete. Sofort begann der Boden zu wackeln, und einige Steine lösten sich aus der Umzäunung des Übungsgeländes. Langsam schwebten sie zu Retia hinüber. „Ähm... gut, dann los.“ meinte sie, wenig enthusiastisch, und schickte die Steine mit einer Geste in Lucas Richtung. Ein halbes Dutzend Steine schoss mit hoher Geschwindigkeit auf den Bladelli zu, dieser zuckte jedoch nicht einmal mit der Wimper. Als die Steine ungefähr zwei Meter von ihm entfernt waren, gab es ein lautes Krachen, und die Steine zersplitterten in hunderte Einzelteile, die in alle Richtungen davonflogen... außer geradeaus, auf Luca zu. „Das... das ist unglaublich!“ rief Retia. „Jeder normale Schutzzauber, wäre unter der Wucht zusammengebrochen, egal was für ein Magier ihn gewirkt hätte!“ Luca lächelte schwach.
„Oh, aber er ist zusammengebrochen.“
„Was?“
„Um genau zu sein, sind drei Schichten des Zaubers zersplittert, die restlichen haben jedoch standgehalten.“
„Ah... ich verstehe, der Zauber besteht also eigentlich aus mehreren Zaubern, die einander verstärken?“ fragte Retia, sichtlich beeindruckt. Natürlich gab es viele Magier, die mehrere Schutzzauber wirkten, um Angriffe aufzuhalten, aber das war etwas anderes. Die Zauber dieser Magier, funktionierten nacheinander, sobald der erste Schutzzauber durchbrochen war, kam der nächste, und dann der übernächste, und so weiter. Lucas Zauber hingegen war anders, seine Zauber wirkten gleichzeitig, sie waren zu einem großen, magischen Schutzwall gebunden... ein wenig, wie eine Phalanx von Kriegern, die sich mit ihren Schilden gegenseitig schützten.
„Genau, und das ist noch nicht alles, pass auf.“ meinte Luca, und deutete mit seiner Hand, auf eine nahe, heruntergekommene Strohpuppe. Erst geschah nichts, dann flog die Puppe jedoch nach hinten, als wenn sie gerade von einer riesigen, unsichtbaren Faust getroffen wurde, und klatschte gegen einen nahen Baum.
„Was hast du... warte! Du kannst die Position des Schutzzaubers verändern?“ Luca nickte.
„Dieser Zauber ist im Prinzip nichts weiter, als ein richtiger, magischer Schild. Man kann Angriffe mit ihm abwehren, ihn im Notfall aber auch dazu nutzen, um seinen Gegner damit anzugreifen.“
„Ich verstehe, und wenn du... oh, hallo.“ meinte Retia plötzlich, und verbeugte sich. Luca drehte sich verwirrt um, und verengte die Augen, als er sah, wer dort stand. Es war Andre, der Hochgeneral der Kirche.
„Hochgeneral, wie kann ich Euch helfen?“ fragte Luca, und verneigte sich leicht, während Andre ihn und Retia musterte.
„Ich habe gespürt, wie in der Nähe Magie gewirkt wurde, und wollte sehen, was es damit auf sich hat. Aber wie es scheint, habt ihr nur geübt.“
„Ah ja... tut mir leid, Hochgeneral, wir hätten vielleicht vorher etwas sagen sollen.“ meinte Luca und kratzte sich am Kopf. Ihm war gar nicht in den Sinn gekommen, dass jemand ihr kleines Experiment, bemerken, und möglicherweise für einen Kampf halten könnte.
„Luca Bladelli... wer hat dir von diesem Platz erzählt?“
„Wie bitte?“
„Dieser Übungsplatz, er liegt extra so weit Abseits, und überwuchert. Es ist mein persönlicher Trainingsort.“ meinte Andre, und lächelte den Bladelli kurz an.
„Oh... das wusste ich nicht, ich dachte... ähm... vielleicht sollten wir lieber gehen.“ murmelte Luca, und warf einen Blick zu Retia, die inzwischen an seiner Seite stand.
„Hm, Ihr seid... Retia Forveas?“ Die Magierin nickte. „Ich verstehe, dann müsst Ihr die Enkelin von Luvion sein. Richtet Eurem Großvater einen Gruß von mir aus, wenn Ihr ihn mal wieder seht.“
„Natürlich, Hochgeneral. Großvater redet oft von Euch, und von der Zeit, wo Ihr gemeinsam für die Kirche gekämpft habt.“ Andre nickte abwesend, und richtete seinen Blick dann wieder auf Luca.
„Lord Bladelli, wie wäre es mit einem Übungskampf?“ fragte er, und plötzlich öffnete sich ein kleines, golden leuchtendes Portal vor dem Hochgeneral. Dieser griff mit beiden Klingen hinein, und zog zwei Schwerter aus goldenem Licht hervor. Er warf eines davon zu Luca, der die Waffe reflexartig auffing. Zu seiner Überraschung, war die Klinge genauso schwer, wie ein gewöhnliches Schwert. Als er mit seiner Hand über die leuchtende Klinge fuhr, zuckte er zusammen. Sie strahlte eine äußerst unangenehme Wärme aus, zwar verbrannte er sich nicht an ihr, aber es tat trotzdem weh. „Diese Schwerter sind extra für den Übungskampf gedacht.“
„Das ist also die Magie des Hochgenerals.“ murmelte Luca, mehr zu sich, als zu Andre. Er hatte gehört, dass Andre in der Lage war, Waffen aus Licht zu beschwören, mit den verschiedensten Eigenschaften, auch wenn er diese Magie nicht mehr nutzte, seit die Schmiedin Analisa ihm Excalibur geschenkt hatte. „Aber ich fürchte, ich muss ablehnen, ich bin nicht besonders gut im Kampf mit dem Schwert.“ meinte Luca lächelnd.
„Oh? Ich verstehe.“ sagte Andre, und schoss dann ohne Vorwarnung auf Luca zu. Schneller, als dass das menschliche Auge folgen konnte, schlug er mit seinem Schwert aus Licht nach Lucas Kopf. Ehe Retia wusste, wie ihr geschah, packte Luca sie an der Schulter, zog sie an sich, und wirbelte er herum, um dem Angriff des Hochgenerals zu entgehen.
„Ist alles in Ordnung, Retia?“ fragte Luca lächelnd. Das Gesicht der Magierin war nur wenige Zentimeter von dem von Luca entfernt, und als sie sich dessen bewusst wurde, lief sie ein wenig rot an.
„Ähm... ja, alles gut.“ murmelte sie, als Luca sie losließ.
„Sehr gut, warte hier, es scheint so, als wenn...“ Andre ließ Luca nicht einmal ausreden. Kaum war Retia ein paar Schritte weggegangen, und somit aus der Gefahrenzone, stand der Hochgeneral schon wieder vor Luca und schlug nach dessen Kopf. Dieses mal parierte Luca den Schlag mit seiner Klinge, und lächelte den Hochgeneral schwach an. „Das war aber gemein, Hochgeneral, ich sagte doch, ich bin kein guter Schwertkämpfer.“ meinte er, und im nächsten Augenblick lösten die beiden sich voneinander.
„Natürlich nicht, selbst einige meiner Hohetempler hätten Probleme damit gehabt, den Angriffen zu entgehen.“ sagte Andre, und lächelte ebenfalls. Luca antwortete nicht, stattdessen ging er nun zum Angriff über. Sein Stich zielte genau auf den Brustkorb des Hochgenerals, dieser wich jedoch schnell aus, und schlug nach Lucas Rücken, weshalb der Bladelli sich zu Boden werfen und abrollen musste, um dem Angriff zu entgehen. Andre trat einen Schritt nach vorn, um Luca erneut anzugreifen, stoppte dann jedoch und sprang nach hinten, kurz darauf explodierte der Boden dort, wo Andre gerade gestanden hatte, und schleuderte einiges an Staub auf. Andre verzog leicht das Gesicht. Die Explosion wäre nicht gefährlich gewesen, also schien der Bladelli sich noch immer daran zu halten, dass es nur ein Übungskampf war, trotzdem hätte Andre nicht gedacht, dass er schon so früh auf Magie zugreifen würde.
„Guter Versuch, aber...“ begann Andre, wurde jedoch von Luca unterbrochen. Dieser schien gar nicht erst damit gerechnet zu haben, dass seine explosive Falle funktionierte. Stattdessen schoss er plötzlich aus der Staubwolke hervor, und schlug nach Andres Kopf. Dieser schaffte es geradeso den Schlag zu parieren. „War das nicht ein wenig hinterhältig, für eine harmlose Übung?“ fragte Andre. Luca zuckte lediglich mit den Schultern.
„Wenn man einem überlegenden Gegner hat, muss man nun einmal alles tun um zu gewinnen, meint Ihr nicht auch?“ Ehe Andre antworten konnte, wurde der Kampf der beiden unerwartet unterbrochen.
„Luca!“ Der Bladelli wandte sich verwirrt um, als er jemanden seinen Namen rufen hörte, und war umso überraschter, als er sah, dass es Tsubaki war. Das Eidolon durfte eigentlich nicht die Villa der Bladelli verlassen... wenn sie hier war, dann musste etwas wichtiges passiert sein.
„Tsubaki? Was ist los?“ fragte er, und merkte wie sich das Schwert in seiner Hand auflöste.
„Lord Paolo hat mich geschickt, du sollst sofort zu ihm kommen.“ meinte das Eidolon. „Er sagt, er muss über etwas wichtiges mit dir reden, es duldet keinen Aufschub.“
„Was will der alte Mann jetzt schon wieder?“ fragte Luca und seufzte genervt. „Aber gut, ich will mich nicht beschweren, immerhin hat er mich dadurch vor einer Niederlage bewahrt.“ fügte er hinzu, und drehte sich wieder zu Andre um. „Tut mir leid, Hochgeneral, aus dem Übungskampf wird wohl nichts mehr.“ Andre nickte.
„Vielleicht ein anderes mal, du solltest Paolo nicht warten lassen.“
„Natürlich, vielen Dank, Hochgeneral, der kurze Kampf, war äußerst lehrreich.“ meinte Luca, und verneigte sich. „Retia?“
„J-ja?“ fragte die Magierin, die Luca die ganze Zeit angestarrt und seinen Kampf beobachtet hatte. Sie hatte von ihrem Großvater viel über Andre gehört, und hätte nicht gedacht, dass Luca sich so lang gegen ihn behaupten konnte.
„Wir sehen uns Morgen in der Gilde, ist das in Ordnung?“
„Was? Oh... ja, natürlich. Auf Wiedersehen, Luca.“ Der Bladelli winkte zum Abschied, ehe er zusammen mit Tsubaki davonging.
„Sag mal, wie kommt es eigentlich, dass ein Wachhund wie du, rausgelassen wird?“ fragte Luca scherzend. Retia konnte noch hören, wie das Eidolon eine wütende Antwort gab, dann waren die beiden außer Hörweite.
„Ein interessanter Mann... wusstet Ihr, dass Paolo Bladelli nach einem geeigneten Kandidaten sucht, der ihn als General ersetzen kann?“ fragte Andre, an Retia gewandt, die vollkommen überrascht darüber war, dass der Hochgeneral sie ansprach.
„Was? Ähm, nein, wusste ich nicht.“
„Ich bin mir sicher, wenn Paolo ihm ein wenig beibringt, kann einmal ein guter Marschall aus ihm werden, stark genug ist er ja. Übrigens, Lady Retia, ich habe von Paolo gehört, dass Luca noch nicht vergeben ist, und dass noch nach einer geeigneten Ehefrau für den Erben der Bladellifamilie gesucht wird.“ meinte er, und lächelte, als die Magierin rot anlief, und anfing zu husten.
„W-w-was? W-warum? Wer... wieso...“ stotterte sie los, was den General endgültig zum Lachen brachte. Ihm war nicht entgangen, wie die Magierin Luca angesehen hatte, sowohl vor, als auch während des Kampfes. Anscheinend lag er mit seiner Vermutung nicht ganz falsch.
„Ich wünsche euch viel Glück, versucht es einfach mal.“ mit diesen Worten ging der Hochgeneral davon, und ließ eine vollkommen perplexe Magierin zurück, der noch den restlichen Tag lang Andres Worte im Kopf herumschwirrten.

Cactaraka Wald:
Währenddessen bahnte sich im Cactaraka Wald eine ganz neue Katastrophe für Navea an... auch wenn es vielleicht nicht viele als Katastrophe sehen wollten. Mitten im Wald saß eine äußerst seltsame Gruppe von Reisenden an einem Lagerfeuer. Eine der Personen, war ein junges Mädchen mit schulterlangen, braunen Haaren, das mit einer gelben Schleife geschmückt war. Auf ihren Schultern saßen zwei Kolibris, einer links, einer rechts. Der Kolibri auf der rechten Schulter hatte ein rot-schwarzes Federkleid und wirkte recht pummelig, der auf der linken Seite hatte blau-silberne Federn, wirkte ansonsten jedoch wie ein normaler Kolibri.
„Wie lange dauert es noch, bis wir in Navea sind?“ fragte das Mädchen, mit aufgeregter Stimme.
„Noch knapp zwei Wochen, wenn es in dem Tempo weitergeht.“ murmelte der dickere Kolibri, und öffnete ein Auge, anscheinend hatte er gerade geschlafen. „Ich verstehe noch immer nicht, warum wir nicht einfach Magie benutzen, um dorthin zu kommen.“
„Weil es den ganzen Sinn der Reise zunichte machen würde! Nicht wahr, Shiina?“ meinte das Mädchen, an eine der anderen Reisenden gewandt. Bei dieser handelte es sich um ein Mädchen mit langen, blauen Haaren, der Katzenohren aus dem Kopf wuchsen, außerdem ragte ein blauer Katzenschwanz, unter ihrem Rock hervor. In ihren Armen hielt sie einen schwarzen Kater, der zu schlafen schien. Shiina nickte.
„Wir reisen wie normale Menschen, um zu sehen, wie es ist, als Mensch zu leben.“ sagte sie, und das braunhaarige Mädchen nickte zustimmend.
„Genau. In Navea wird es bald ein großes Fest geben, und wir werden dort so viel Spaß haben wie noch nie!“ rief sie enthusiastisch.
„Und gerade das macht mir Sorgen.“ murmelte der dicke Kolibri. „Das letzte mal, als du richtig viel Spaß hattest, ist ein Kontinent im Meer versunken.“
„Ach ja... das war lustig.“
„Nein! Nein, war es nicht! Und du hast mir versprochen, so etwas nie, nie, nie wieder zu machen!“
„Tch, schon gut, du Spielverderber.“ murmelte das Mädchen, und wirkte ein wenig beleidigt. „Sag doch auch mal etwas dazu, Vanidar.“ meinte sie, an den anderen Kolibri gewandt.
„Hm? Was soll ich schon sagen?“
„Findest du auch, dass der Untergang des Kontinents so schlimm war?“
„Ich fand es nicht weiter tragisch, ist nicht viel verloren gegangen. Soweit ich weiß, lebten dort eh größtenteils Pinguine.“
„Und gerade das war ein tragischer Verlust! Jetzt ermutige sie nicht auch noch! Sonst kann es sein, dass bald die nächste Landmasse spurlos untergeht!“
„Ach, du bist einfach nur ein Spielverderber, und noch immer wütend, weil du einen so dicken Kolibrikörper bekommen hast, schade eigentlich, dabei warst du früher immer so dünn.“
„Ich bin nicht dick!“
„Bitte was? Du bist der fetteste Kolibri, den ich je gesehen habe!“
„Willst du dich mit mir anlegen? Komm ruhig her!“ zeterte der dicke Kolibri, und hüpfte auf der Schulter des Mädchens auf und ab.
„Ach ja? Vielleicht mache ich es ja! Hm?! Was sagst du dann? Na? Na?“ rief der Kolibri namens Vanidar, flatterte in die Luft, und landete ebenfalls auf der rechten Schulter. „Na? Jetzt bin ich hier? Was willst du jetzt...“ ehe er aussprechen konnte, verpasste der andere Kolibri ihm einen Schlag mit seinem Flügel. „Oh... ohoho! Das wirst du bereuen, na warte!“ Vanidar schraubte sich mit seinen Flügeln in die Luft, und verpasste dem anderen Kolibri einen Tritt, der diesen fast von der Schulter fallen ließ.
„Aha, ich sehe, du hast also doch noch ein wenig Mut! Aber warte nur, wenn ich mit dir... hey!“ rief der dicke Kolibri empört, als ihn die letzte der Reisenden am Kragen packte, und von der Schulter der Braunhaarigen zog. Auch sie hatte braune Haare, allerdings um einiges kürzer. Ihr Gesicht wirkte recht ausdruckslos, und in ihrer Hand hielt sie ein Buch, in das sie bis eben vertieft gewesen war. Außerdem wuchs ihr ein Paar schwarzer Flügel aus dem Rücken, und ihre Augen hatten unterschiedliche Färbungen. Während ihr rechtes rot leuchtete, erstrahlte ihr linkes in einem hellen Grün.
„Ihr macht zu viel Lärm.“ murmelte sie vorwurfsvoll.
„Aber dieser verrückte da hat angefangen! Er...“ begann der dicke Kolibri, verstummte jedoch, als er dem Mädchen in die Augen sah.
„Tu mir einen Gefallen, sei still ja? Lass dich nicht von ihm provozieren... bitte.“
„Ähm.. wenn du das so sagst... dann... natürlich.“ murmelte der Kolibri, woraufhin das Mädchen schwach lächelte, und mit einem Finger über seinen Bauch strich, woraufhin der Kolibri zufrieden piepste.
„Ja... ist auch besser so für dich!“ rief Vanidar triumphierend, und schmiegte sich an die Wange des Mädchens mit der Schleife. Diese zog eine Augenbraue hoch, und schnippte ihn dann davon. Vanidar landete mitten auf der Katze in Shiinas Schoß, und rappelte sich auf. „Autsch, das war gemein... Shiina, warum ist sie immer so gemein zu mir?“
„Ich bin mir sicher es bedeutet, dass sie dich eigentlich richtig gern hat.“ meinte das Katzenmädchen, und streichelte Vanidars Kopf.
„Mir reicht es, wir haben lange genug gewartet, wir brechen wieder auf!“ rief das Mädchen mit der Schleife und sprang auf.
„Was? Aber wir haben das Lager vor zehn Minuten aufgebaut!“ rief der dicke Kolibri protestierend.
„Halt die Klappe und hilf beim aufräumen, Mimir! Es geht weiter!“ meinte das Mädchen enthusiastisch, was den Kolibri seufzen ließ. Er hoffte nur, dass Navea Unterhaltung genug bot, um diese wandelnde Naturkatastrophe zu vergnügen, ansonsten sah er ziemlich schwarz für die Stadt... und für ganz Midgard.
Zuletzt geändert von Mimir am 3. Dezember 2014 12:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 2. Dezember 2014 21:45

Ruhe und Frieden für alle (Öffnen)
40. Ruhe und Frieden für alle


Sie hielten sich bereits einige Wochen in Navea auf, als Severina´s Bruder endgültig den Verstand verlor. Zumindest glaubte sie das, während er sie durch die Straßen der Stadt schleifte, bis sie auf einem kleinen Marktplatz nahe des nördlichen Tores ankamen.
„Also, was willst du mir zeigen? Wenn es nicht unglaublich wichtig und toll ist, dann wirst du leiden...furchtbar leiden.“ nuschelte sie schlaftrunken vor sich hin, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Wo immer sie waren, es war furchtbar, denn sie war wach und das zu einer Tageszeit, die für sie den Tod bedeuten konnte. Severin hatte sie aus dem Bett gerissen, nachdem sie erst eine Stunde Schlaf hatte. Er lebte nur noch, weil sie zu fertig war um ihn in Stücke zu reißen, aber sobald sie richtig wach war, sollte er lieber so schnell wie möglich das weite suchen.
„Sie ist endlich da!“ rief ihr Bruder aufgeregt in ihr Ohr und zeigte mit seinem Arm auf irgendetwas mitten auf dem Marktplatz.
„Was? Wer is wo?“ fragte sie müde und rieb sich erschöpft die Augen. Sie hatte die ganze Nacht über versucht Geld für den Ball aufzutreiben und war nicht in der Stimmung für seine verdammten Spielchen. Lustlos folgte ihr Blick seinem Arm. Ein genervtes Seufzen entwich ihren Lippen und sie stand kurz davor ihrem Bruder das dämliche, fröhliche Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, am besten mit einer kräftigen Ohrfeige, oder indem sie die Straße in die Luft jagte. An einem der Stände, stand Anya Bladelli. Sie trug eine Templerrüstung und hatte eine Art Reisetasche geschultert. Gegen ihren Willen war die Akashi etwas beeindruckt von ihrem Bruder. Anya musste gerade erst wieder in der Stadt angekommen sein und schon hatte Severin sich auf ihre Fährte geheftet. Er war verrückt, aber immerhin erstaunlich gut darin verrückt zu sein. „Oh...du meinst die dumme Bladelli...“ murmelte Severina gelangweilt vor sich hin und wollte sich sofort aus dem Staub machen, als der andere Akashi sich an ihrer Schulter festklammerte.
„Oh nein, du bleibst schön hier. Ich bin für dich in das Anwesen der Bladelli und ein halbes Dutzend anderer Häuser eingebrochen, nur weil du unbedingt Prinzessin auf dem nutzlosen Ball spielen willst. Dafür schuldest du mir etwas!“
„Moment! Du warst nur mit bei den Bladelli und standest selbst da nur im Weg rum! Alle anderen Einbrüche musste ich selbst erledigen! Wenn ich mich auf dich verlassen hätte, müsste ich nackt zum Ball gehen, also tu nicht so als würde ich dir etwas schulden, klar?“ zischte sie ihn zornig an und schlug seine Hand weg. Leise flüsterte sie wütend vor sich hin, als sie in ihrem Halbschlaf erkannte dass sie nur hier war um ihm bei einem seiner dämlichen Pläne zu helfen: „Idiot.“
„Wie auch immer, ich brauche deine Hilfe.“ fuhr Severin nach ihrem kleinen Ausbruch unberührt fort, wobei er jedes einzelne ihrer Worte ignorierte. So nahe an seinem Ziel zu sein, ließ keinerlei Platz mehr für andere Gedanken zu. Er schien nicht einmal zu bemerken in was für einer Gefahr er sich befand falls er seine Schwester noch weiter reizte. „Anya ist eben erst in der Stadt angekommen, und du wirst mir dabei helfen ihr einen perfekten Empfang zu bereiten. Ich habe dank meiner zahlreichen und genialen Verbindungen und Informanten natürlich sofort davon erfahren dass sie hier vorbeikommen wird und es ist an der Zeit endlich loszulegen!“
„Du meinst, du hast die ganze Zeit am Nordtor gewartet und die Augen offen gehalten, für den Fall dass deine Angebetete endlich aus Candeo zurückkehrt, richtig?“ würgte Severina seine Begeisterung sofort ab, damit konnte er sie nicht beeindrucken. Wenn er nicht bald damit anfing sich bei ihr für die Störung und sein durchgedrehtes Verhalten zu entschuldigen war er erledigt. „Da wir gerade dabei sind, woher weißt du überhaupt von ihrem Auftrag in den Sümpfen? Ich bin mir ziemlich sicher dass die Inquisition nicht alles was sie macht in die Welt hinausschreit. Wie bist du an die Informationen zu ihrer Mission gekommen?“
„Ich habe meine Quellen und jetzt hör auf langweilige Fragen zu stellen. Auf uns beide wartet unsere eigene, wichtige Mission!“
„Was immer du sagst, ich werde dir nicht dabei helfen die hässliche Bladelli um den Finger zu wickeln.“ beharrte Severina stur auf ihrem Standpunkt und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
„Na schön, meinetwegen.“ murmelte Severin enttäuscht und ließ endlich von ihr ab. Dauernd beschwerte sie sich dass er viel zu wenig mit ihr gemeinsam unternahm und dann lud er sie endlich einmal zu einer tollen Mission ein, und es war ihr wieder nicht recht. Dabei wollte er sich Mühe geben sie in seinen Plan mit einzubeziehen. Aus Plan A, Entführung, wurde damit schon mal nichts mehr. Alleine war er nicht in der Lage ein Ablenkungsmanöver zu starten und gleichzeitig die Bladelli zu schnappen, dafür bräuchte er einen Partner. Also blieb ihm nur die langweilige Variante übrig, Anya einfach um ein Date bitten, auch wenn es öde war. „Dann bleib einfach hier stehen, ja? Die Begleiter der Bladelli haben sich über den Markt verteilt, ich glaube sie überlegen was sie gemeinsam zum Abendessen kochen wollen mit dem sie ihre Rückkehr feiern oder so. Jedenfalls ist sie im Moment alleine, also perfekt für uns...für mich.“ fügte er schnell hinzu, als seine Schwester ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Rasch machte er sich auf den Weg zu Anya, bevor Severina ihm noch einen todbringenden Zauber entgegen schleudern konnte. Seine Schwester blieb in der Zwischenzeit am Rand des Marktplatzes stehen. Jetzt war sie einmal wach, außerdem wollte sie um nichts in der Welt verpassen wie ihr Bruder von der Bladelli einen Korb bekam.
Während seine Schwester mit langsam mehr und mehr Belustigung zusah, wie er sich an seine Beute heranschlich, wurde Severin immer aufgedrehter je näher er der Bladelli kam. Sie war genau so, wie er sie sich vorgestellt hatte, die zweitschönste Frau die er jemals gesehen hatte. Dafür war ihm selbst der Zorn seiner Schwester recht. Severin atmete tief durch und setzte sein strahlendes Lächeln auf sobald er direkt vor Anya stand, welche die Waren des Händlers betrachtete und ihn anfangs gar nicht beachtete.
„Guten Tag, Anya...ich meinte ähm...Lady Bladelli.“ korrigierte er sich schnell, als er merkte, dass es vielleicht etwas unhöflich wirken könnte sie gleich in seinem ersten Satz zu duzen.
„Mhm, was?“ Anya blinzelte verwirrt und drehte sich zu ihm um. Unruhig musterte sie ihn und wartete darauf dass er irgendetwas sagte um sich vorzustellen oder zu sagen was er wollte. Aber Severin starrte sie nur wie verzaubert an, während sie unbehaglich unter seinen Blicken zusammenschrumpfte. „V-verzeihung, aber kennen wir uns?“
„Natürlich, immerhin sind wir Seelenverwandte.“ antwortete der Akashi rasch, sobald er sich von dem bezaubernden Klang ihrer Stimme erholt hatte. Höflich deute er eine Verbeugung an. „Mein Name ist Severin Akashi. Ein Neffe von Kyosuke, dem Oberhaupt der Familie, und außerdem Mitglied der Kinder Gaias, von denen Ihr sicher bereits viel gehört habt.“
„Ja, das habe ich, leider.“ antwortete Anya erstaunlich kühl und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. Sie kannte nicht viele Kinder Gaias, eigentlich nur Aleyandra, aber das reichte ihr schon.
„Großartig!“ rief Severin ohne auf ihr ´leider` einzugehen oder es überhaupt wahrzunehmen. Er war viel zu sehr damit beschäftigt sich in ihrem Anblick zu verlieren. Da sie jetzt Freunde waren, verzichtete er auf eine höflichere Anrede und ging langsam weiter auf sie zu, bis Anya aufgrund der Menschenmenge in ihrem Rücken kein Fluchtweg mehr blieb. „Dann ist ja alles geklärt. Also, wollen ausgehen? Ich kenne ein nettes kleines Lokal im Südviertel, direkt daneben ist auch ein Gasthaus in das wir uns nach dem Essen zurückziehen können, um uns zu lieben.“
„W-w-was?“
„Mhm ja, du hast natürlich recht. Die Restaurants im Südviertel sind viel zu billig und um ehrlich zu sein schmeckt es dort grauenhaft. Wie wäre es mit dem Westviertel? Allerdings musst du dir dann ein Restaurant aussuchen, ich kenne mich in der Gegend leider nicht besonders gut aus.“ plapperte der Akashi weiter vor sich hin. Zum Glück war es ihm gelungen seiner schlafenden Schwester das Geld, welches sie für den Ball gesammelt hatte, abzunehmen. Damit sollte er in der Lage sein seiner Angebeteten einen schönen Abend zu bereiten.
„Warum sollte ich mit dir essen gehen? Niemals!“ rief Anya verstört und versuchte sogar sich irgendwie durch die Menschenmenge zu zwängen, welche sich aber als erstaunlich undurchdringlich herausstellte.
„Natürlich, das ist kein Problem für mich.“ erwiderte Severin gönnerhaft, aber bevor Anya erleichtert aufatmen und sich wieder beruhigen konnte, fuhr er auch schon fort und zeigte dass er sie völlig falsch verstanden hatte „Es ist wirklich besser uns gleich ein Zimmer zu suchen und unsere Liebe zu feiern. Danach können wir noch immer essen gehen. Um ehrlich zu sein, ich wusste ja, dass du das gleiche für mich empfindest, aber ich hätte niemals erwartet dass wir so schnell zur Sache kommen würden. Andererseits sind wir füreinander bestimmt, also sollten wir uns nicht lange mit Kleinigkeiten und Gerede aufhalten, richtig?“ er unterbrach seinen Redeschwall kurz, um auf eine Antwort der schockierten Anya zu warten, aber sie sah ihn nur aus weit aufgerissenen Augen an. „Am besten wir verschwinden von hier, bevor deine lästigen Reisegefährten zurückkehren und uns noch den Tag vermiesen.“ Plötzlich stand er neben Anya und hakte sich bei ihr ein „Also dann, gehen wir.“
„L-l-l-l-lass m-mich l-los...“ stotterte Anya verwirrt. Mit Annäherungsversuchen kam sie nicht klar, normalerweise hatte sie keine Verehrer die sich an sie ranwarfen und versuchten sie zu verführen. Unsicher wie sie in so einer Situation reagieren sollte, versuchte sie ihn von sich weg zu stoßen, aber statt zu verschwinden, legte er plötzlich seine Arme um ihre Hüfte und zog sie mit erstaunlich viel Kraft an sich heran. Anya war nicht schwach, immerhin war sie eine Kriegerin, aber gegen ihn kam sie nicht an, so sehr sie auch versuchte sich seinem Griff zu entwinden.
„Keine Sorge, sobald wir alleine sind, musst du nicht mehr so tun als würde dir das nicht gefallen, Anya.“ hauchte Severin lächelnd und zog sie gewaltsam so nah an sich heran wie er konnte. Leider verhinderte die kühle Rüstung dass er etwas von ihrem warmen, weichen Körper spüren konnte, aber der Rüstung würden sie sich später eh entledigen. Während Anya verzweifelt versuchte zu entkommen, beugte er sich zu ihr vor und kam ihrem Gesicht immer näher, um sie zu küssen. Er hatte ihre Lippen fast erreicht, als er unterbrochen wurde.
„Hey! Was machst du da?“ rief plötzlich eine zornige Männerstimme hinter ihm. Genervt drehte er sich um und rollte mit den Augen. Großartig, Konkurrenz. Hinter ihm waren die Leute aus Anyas Team versammelt, die anscheinend damit fertig waren den Markt unsicher zu machen. Er kannte die meisten davon von den Bildern in Anyas Schlafzimmer, abgesehen von einem Mädchen mit kurzen, weißen Haaren und einem jungen Mann mit blonden Haaren und einem Speer. Gesprochen hatte ein Mann mit schwarzen Haaren in einer Inquisitorenrobe, er musste der Anführer von Anyas Team sein und starrte ihn mit Zorn in den Augen an als er sah wie Anya noch immer versuchte sich seinem Griff zu entwinden. „Wer bist du überhaupt?“
„Wer ich bin?“ fragte der Akashi und klang dabei ehrlich überrascht, so überrascht, dass sogar Naruz sich kurz fragte ob er ihn nicht vielleicht doch kennen müsste. „Ich bin natürlich Anyas Freund. Hat sie mich nicht erwähnt? Wir sind praktisch verlobt und wollen nur ihre Rückkehr nach Navea feiern, also hau ab du räudiger, kleiner Köter und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.“
„Nein! Das sind wir nicht und ich habe dich noch nie zuvor gesehen du Wahnsinniger!“ schrie Anya ihn an und während er mit Naruz beschäftigt war gelang es ihr tatsächlich sich von ihm zu lösen. Schnell, beinahe schon panisch, sprang sie von ihm weg und tastete nach ihrem Schwert, was Severin kalt ließ. In jeder Beziehung gab es einmal Streitereien und Tiefpunkte, das würden sie gemeinsam überwinden sobald sie erst einmal alleine waren.
„Ich habe keine Ahnung wer du bist, aber wenn du dich nicht sofort bei ihr entschuldigst, werde ich...“ begann Naruz drohend, aber kam nicht weit, als von dem Akashi nur leises, abfälliges Gelächter zu hören war.
„Ach sei still. Ich habe keine Angst vor einem dämlichen Inquisitor. Ihr seid alle unfähig und nutzlos, also hau ab und lass mich endlich mit Anya alleine. Siehst du nicht wie sehr deine Anwesenheit sie stört? Hau endlich ab.“
„Du hast es so gewollt.“ murmelte Naruz vor sich hin. Seit seinem Kampf in den Sümpfen war er in der Lage Magie zu benutzen, als wäre eine Art Damm gebrochen, welcher bisher seine gesamte Macht zurückgehalten hatte. Das hier war die erste Gelegenheit seine neuen Kräfte einmal auszuprobieren. Abschätzend betrachtete er seinen grinsenden Gegner. Der Perversling machte nicht viel her, dafür musste er sich nicht einmal anstrengen. Naruz streckte dem Akashi einen Arm entgegen und ein beunruhigendes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Das war vielleicht etwas übertrieben, aber zu sehen wie dieser Idiot Anya belästigte ließ Naruz Blut kochen. Blaue Blitze umspielten seine Hand, zuckten von dort aus über seinen ganzen Arm und pulsierten immer heller, bis das grelle, hellblaue Licht die gaffenden Zuschauer auf dem Marktplatz blendete. Im nächsten Moment zuckten die Blitze nach vorne. Ohne dass er sich bewegte, rasten sie auf den noch immer grinsenden Akashi zu, dabei legte Naruz genug Kraft in den Angriff um ein Loch in die Brust seines Feindes zu brennen. Aber sein Zauber sollte das Ziel niemals erreichen. Direkt vor Severin erschien wie aus dem Nichts ein schwarzer Schild, so groß wie ein Mensch und überzogenen mit einem Muster aus dunkelblauen, schillernden Punkten. Naruz Speer aus Blitzen traf auf die glatte Oberfläche und wurde von dem eigenartigen Objekt absorbiert. „Was...?“ Er starrte den Schild an, der so leicht seine Attacke gefressen hatte, wobei er verwirrt seine Hand senkte. Es war kein echter Schild, sondern er schien aus vielen kleineren Einzelteilen zu bestehen, die ihn irgendwie an...Schmetterlinge erinnerten. Naruz wich wieder ein paar Schritte zurück, während die Wand aus Schmetterlingen sich auflöste in einen wild umherfliegenden Schwarm. Die Tiere waren größer als seine Handflächen und umschwirrten den Akashi schützend. Hin und wieder zuckten Blitze über ihre Flügel, die sehr an seinen eigenen Zauber erinnerten. Hinter dem Schild kam eine junge Frau mit langen blonden Haaren zum Vorschein, die dem seltsamen Typen fast zum verwechseln ähnlich sah. Im Gegensatz zu ihm, wirkte sie allerdings ruhiger und gab sich Mühe freundlich zu wirken, damit das ganze nicht eskalierte. Schon jetzt hatte sich eine Ansammlung von Schaulustigen um sie versammelt, in halbwegs sicherem Abstand, und das breitete sich immer weiter aus. Bald würde jeder auf dem Marktplatz ihrem Kampf zusehen und Severina wollte Verletzte unbedingt vermeiden, dafür würde ihr Onkel sie einsperren oder ihnen ihre Magie nehmen.
„Verzeiht uns, Inquisitor. Es tut mir wirklich leid, euch gestört zu haben, es wird nicht wieder vorkommen, dafür sorge ich. Und meinem Bruder tut es auch leid, richtig?“ sagte das blonde Mädchen leise und in versöhnlichem Tonfall, wobei sie einen entschuldigenden Blick zu Anya warf, an dem man sofort erkennen konnte dass sie es ernst meinte.
„Nein, mir tut es nicht leid.“ kam es sofort von einem verärgerten Severin, woraufhin sich der Stiefel seiner Schwester schmerzhaft in seinen Fuß bohrte. Er warf ihr einen säuerlichen Blick zu, bevor er mit einem abfälligen Ton in der Stimme fortfuhr. „Gut, vielleicht ein bisschen. Bist du jetzt zufrieden, Inquisitor? Dann ist ja alles toll und jetzt verschwinde Kleiner, ich würde gerne meine Unterhaltung mit Lady Bladelli fortsetzen, ohne das irgendwelcher Abschaum uns belästigt. Schlimm genau dass jemand wie du es überhaupt wagt uns anzusprechen während wir dabei sind uns kennenzulernen.“ Während seine Schwester kurz davor stand in Ohnmacht zu fallen bei seinen Worten, hielt Severin inne und überlegte kurz was das dämlichste an seiner kleinen Rede gewesen war. Vermutlich das Wort „Kleiner“. Immerhin war Naruz ein Stück größer und wirkte alles andere als eingeschüchtert von der puren Arroganz des Akashi.
„Dein Bruder hat eine Freundin von mir angegriffen und belästigt. Ich werde ihn dafür nicht einfach so davonkommen lassen. Also wenn du bitte aus dem Weg gehen könntest...“ wandte Naruz sich an sie und versuchte dabei sogar freundlich zu klingen. Das Mädchen konnte nichts dafür so einen Idioten als Bruder zu haben, aber wenn es sich unbedingt mit ihm anlegen wollte, blieb ihm keine andere Wahl als sie ebenfalls zu besiegen.
„Tut mir wirklich leid, Inquisitor.“ erklang es leise von Severina und in ihrer Stimme schwang tatsächlich so etwas wie Bedauern mit. Es gab keinen Grund für sie sich zu bekämpfen, letztendlich standen sie als Inquisition und Kinder Gaias auf der selben Seite, aber sie konnte nicht einfach zusehen wie jemand Severin etwas antat. „Mein Bruder ist ein Idiot und hat es nicht anders verdient, aber ich lasse nicht zu dass er verletzt wird.“
„Dann willst du also gegen mich kämpfen?“ fragte Naruz langsam, während er mit einem Anflug von Neugier die Schmetterlinge mit dem Artefakt in seinem Auge betrachtete „Interessant. Die Schmetterlinge sind echt, richtig? Sie bestehen nicht aus Magie.“ Tatsächlich gelang es den eigenartigen Schmetterlingen Naruz für einen kurzen Augenblick von seinem Zorn abzulenken. Es waren gewöhnliche Lebewesen, jedenfalls fast.
„Ja, das sind sie. Die Schmetterlinge stammen aus dem Süden, von den Ländereien unserer Familie und ich bin mit ihnen aufgewachsen. Es sind Vampirfalter. Mächtige Magie zieht sie an und sie schließen sich oft Magiern der Akashi an. Sie umschwirren Magier wie Motten das Licht, außerdem sind sie in der Lage Magie in sich aufzunehmen. Es heißt Zauber die einmal auf sie gewirkt wurden, bleiben für immer mit ihnen verflochten, manche von ihnen sind sogar in der Lage Zauber zu speichern und später wieder abzugeben.“ beendete Severina ihre kleine Erklärung stolz. Diese Schmetterlinge waren ihr als Kind immer gefolgt, als sie noch im Süden lebte. Daran hatte sich schnell gezeigt dass sie magische Kräfte besaß und sobald diese sich zeigten, hatte sie jeden Tag Zauber auf die Schmetterlinge gelegt. In diesen kleinen Tierchen steckte ein Großteil ihrer Kraft. Manche von ihnen speicherten Zauber von befreundeten Magiern, ehemaligen Feinden die genau wie Naruz versucht hatten ihre Schmetterlinge mit Magie zu besiegen oder von anderen Kindern Gaias. Vielleicht konnte sie den Inquisitor damit abschrecken. „Willst du deine eigene Magie kosten?“
„Das jagt mir noch immer keine Angst ein.“ erwiderte Naruz, während er darüber nachdachte ob er einfach die Zauberformeln auf den Schmetterlingen verändern und zerstören sollte. Aber das Mädchen hatte Anya oder ihm nichts getan und er wollte nicht vorschnell ihr gesamtes magisches Lebenswerk vernichten, nur weil ihr Bruder verrückt war. Außerdem faszinierten ihn die dicht gewobenen Zauber auf den Flügeln, welche die Schmetterlinge miteinander verbanden und sie alle zu einem einzigen, großen und über Jahre hinweg gewirkten Zauber formten der den ganzen Schwarm erfüllte.
„Hast du wirklich vor an so einem Ort gegen uns beide zu kämpfen?“ fragte sie und versuchte sich an einem Lächeln das sie für gefährlich und draufgängerisch hielt. In Wahrheit musste sie an sich halten um ihre Angst nicht zu zeigen. Sie war schon immer gut darin gewesen eine Situation oder einen Gegner perfekt einzuschätzen und genau deswegen, würde sie am liebsten die Beine in die Hand nehmen. Ihre Schmetterlinge waren großartig gegen jede Art von Magie und hatten sogar den ein oder anderen offensiven Zauber gespeichert, normalerweise reichte das zusammen mit den kämpferischen Fähigkeiten ihres Bruders, aber sie konnte spüren, dass ihr Gegner sich diesmal nicht so leicht beeindrucken lassen würde. „Mein Bruder hat nicht nur ein großes Maul, er ist auch ein ausgezeichneter Magier und Schwertkämpfer. Gemeinsam sind wir unschlagbar. Wenn wir hier einen Kampf starten und dabei unsere ganze Kraft einsetzen, werden viele Unbeteiligte verletzt. Um genau zu sein, werden wir dafür sorgen dass während unseres kleinen Kampfes so viele von diesen gaffenden Idioten um uns herum draufgehen wie möglich. Es wäre am besten wenn du uns einfach gehen lässt, ansonsten wird hier bald Blut fließen.“
„Ihr wollt wirklich in aller Öffentlichkeit Zivilisten ermorden?“ fragte Naruz interessiert nach, wobei ein leiser Hauch von Spott in seiner Stimme mitschwang.
„W-wenn es n-nötig ist.“ antwortete Severina und wunderte sich dabei über das leichte Zittern in ihrer Stimme. Normalerweise brachte sie während eines Kampfes nichts so leicht aus der Ruhe, das beunruhigte selbst ihren Bruder, der sich langsam ebenfalls mit dem Gedanken anfreundete zu verschwinden, aber leider nur sehr sehr langsam.
„Am besten wir lassen sie gehen.“ mischte sich der blonde Mann mit dem Speer ein und legte beruhigend seine Hand auf Naruz Schulter, die dieser genervt wegschlug.
„Naruz, vielleicht sollten wir lieber kein Risiko eingehen.“ schloss das Mädchen mit den weißen Haaren sich an, die bisher nur teilnahmslos dreingeblickt hatte „Wir sind gerade erst zurückgekehrt und haben in letzter Zeit genug gekämpft, findest du nicht auch, Naruz?“
„Hey, was mischt ihr euch da ein? Wenn dieser Idiot einen Kampf haben will, dann...“ rief Severin ungeduldig, aber wurde zum Glück unterbrochen, als seine Schwester ihm eine Hand auf den Mund presste und ihn wütend anfunkelte.
„Halt die Klappe du Trottel.“ zischte sie verzweifelt und zog ihn ein Stück von Naruz weg „Oder willst du dass er uns beide umbringt?“
„Wer? Dieser Hampelmann? Vor dem habe ich keine Angst.“ zischte er sofort zurück, ohne vorher über seine Worte nachzudenken, wie immer. Zum Glück waren das weißhaarige Mädchen und der andere Inquisitor damit beschäftigt auf auf den unheimlichen Typen einzureden, damit bekam er ihren kleinen Streit und die weiteren Beleidigungen nicht mit.
„Hast du keine Augen im Kopf? Dieser Typ ist gefährlich! Wenn wir uns mit ihm anlegen wird er uns in der Luft zerfetzen!“
„Pah! Den schaffe ich sogar alleine.“
„Wer hat das Kommando während unserer Aufträge und Kämpfe?“ fragte sie ungeduldig und funkelte ihn so zornig an wie sie konnte.
„Tz...“ machte Severin trotzig, aber als er ihr in die Augen sah entdeckte er nichts als tödlichen Ernst. Normalerweise machte er was immer er wollte, doch er hatte gelernt sich auf ihr Gespür zu verlassen. „Wenn du sagst dass er gefährlich ist, dann ist er gefährlich.“ murmelte Severin enttäuscht vor sich hin und warf einen zögerlichen Blick zu dem Inquisitor zurück „Aber wir könnten ihn trotzdem besiegen, wenn wir ernst machen.“ Damit ließ er es dann zum Glück auch endlich bleiben und verstummte.
„Ja, ja, was auch immer. Machen wir uns endlich aus dem Staub.“ flüsterte Severina und sie atmete erleichtert auf, als er ihr widerwillig folgte. Die Schaulustigen machten ihnen rasch Platz und Severina beeilte sich so schnell sie konnte mit ihrem Bruder im Schlepptau von diesem Ort zu verschwinden, bevor der Inquisitor sie in Stücke riss.
Währenddessen versuchten Naruz Freunde ihn weiterhin davon abzubringen gegen die Zwillinge zu kämpfen und auch wenn sie seinen Kampfeswillen wohl nicht brechen konnten, lenkte es den Inquisitor immerhin lange genug von den Akashi ab.
„Hey! Kommt sofort zurück!“ rief Naruz ihnen empört hinterher, sobald er bemerkte dass die beiden Akashi dabei waren, sich aus dem Staub zu machen.
„Lass sie einfach, Naruz. Was zählt ist das sie weg sind und ich glaube nicht dass sie Anya noch einmal belästigen.“ warf Salvatore hastig ein und versperrte seinem Freund so schnell er konnte den Weg und die Sicht auf die fliehenden Zwillinge.
„Tz, diese verdammten Feiglinge.“ zischte Naruz genervt vor sich hin. Dabei war ihre Reise von Candeo nach Navea so friedlich verlaufen, abgesehen vielleicht davon das jeder außer Aleyandra und Saeca miese Laune hatte dank der letzten Neuigkeiten von der Inquisition. Vor allem Naruz´ Nerven waren sowieso schon bis zum zerreißen gespannt, da hatte er keine Geduld für irgendeinen perversen Störenfried. Er konnte noch immer die Magie in sich spüren, die darauf drängte nach Außen zu dringen und eingesetzt zu werden. Er wollte kämpfen, aber letztendlich gab er mit einem schicksalsergebenen Seufzer auf. Sie hatten noch nicht einmal ihre Sachen zurück in das Anwesen der Bladelli gebracht oder sich ausgeruht, jetzt sofort einen Kleinkrieg gegen die Akashi oder Kinder Gaias anzufangen würde nicht viel bringen. Am wichtigsten war so schnell wie möglich mit irgendwem aus der Inquisition zu sprechen, damit er endlich wusste was los war. Missmutig wandte er sich an Anya, die noch immer etwas neben sich stand und nicht wusste wie sie mit der Situation umgehen sollte. „Alles in Ordnung, Anya? Hat er dir was getan?“ fragte Naruz besorgt nach, aber anstatt einer Antwort, sah Anya ihn nur kurz an. Die Umarmung des Akashi und sein Versuch sie zu küssen schienen sie mehr mitgenommen zu haben als er dachte, denn plötzlich stürmte sie auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Anya vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter und drückte sich an ihn so fest sie konnte. Unsicher was er tun sollte hob Naruz die Arme und warf den anderen einen hilfesuchenden Blick zu, bevor er seine Hände auf ihre Schultern legte und darauf wartete dass Anya sich beruhigte. „Ähm...gern geschehen, schätze ich.“ sagte Naruz verlegen, während der letzte Rest seines Zorns endgültig verrauchte.
„Ich ähm...“ Anya löste sich lächelnd von ihm und blickte ihn eine Weile vollkommen verdattert an, bevor ihr klar wurde was sie gerade getan hatte. Auf der Stelle lief ihr Gesicht rot an und sie wandte sich so schnell sie konnte von ihm ab. Anya versuchte ihre nächsten Worte so fest und sicher wie möglich klingen zu lassen, aber letztendlich gelang es ihr nicht das Zittern aus ihrer Stimme zu verdrängen. „Warum hast du dich eingemischt?“ fuhr sie ihn an als ihr nichts anderes einfiel um ihre Verlegenheit zu überspielen „Ich kann auf mich selbst aufpassen und hätte ihn alleine davongejagt!“ Bevor der überraschte Naruz etwas erwidern konnte, wurden sie zum Glück unterbrochen.
„Was macht ihr zwei da eigentlich?“ erklang plötzlich Aleyandras Stimme direkt neben ihnen. Das weißhaarige Mädchen hatte alles von der Seitenlinie aus beobachtet nachdem sie Saeca wieder einfangen konnte. Anscheinend waren sie gleich nach ihrer Ankunft in Navea in der Nähe eines Dangolagers vorbeigekommen, was die Armani sofort in Hochstimmung versetzt hatte. Es gab kein Halten mehr für sie nach den Wochen in der Wildnis, in denen sie ihre Dangos einteilen und vor Aynaeth verstecken musste. Aleyandra hatte nicht alles gesehen, aber die Umarmung war ihr nicht entgangen und sie Widerstand gerade so dem Drang die Fäuste zu ballen und Anya wütend anzufauchen, aber stattdessen blieb sie ruhig und wartete.
„E-es ist nicht so wie es aussieht.“ kam es rasch von Naruz, der nervös schluckte und versuchte die Situation irgendwie zu retten. Er wusste wie eifersüchtig Aleyandra sein konnte. Erst vor einigen Monaten hätte sie Anya fast erwürgt nur weil diese sich mit Naruz gut verstand. Naruz wollte gar nicht erst wissen was Aleyandra ihr jetzt für eine Umarmung antun würde.
„Sicher? Ich finde es sieht so aus als hättest du eine gute Freundin vor einem lüsternen Perversling gerettet und ihr einfach nur geholfen. Aber...“ Aleyandra brach ab und legte nachdenklich einen Zeigefinger an ihre Lippen, während sie so tat als würde sie angestrengt darüber nachdenken „Aber wenn es nicht das ist wonach es aussieht, was ist es dann?“ ein belustigtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie sich tatsächlich dazu durchrang die Umarmung zu verzeihen „Muss ich mir etwa Sorgen machen?“
„Naja, vielleicht ist es dann doch das wonach es aussieht.“ lenkte Naruz überrascht ein, der von ihrer Reaktion vollkommen verwirrt war.
„Gut.“ Aleyandra hakte sich, noch immer lächelnd, bei Naruz ein, legte den Kopf auf seine Schulter und ignorierte das kurze aufblitzen von Neid in Anyas Augen. Es gefiel ihr. Früher hätte diese ganze Szene sie rasend vor Eifersucht gemacht und sie hätte mit ihrem Verhalten nichts erreicht außer Naruz zu verschrecken, aber das war jetzt alles anders. Hoffte sie zumindest. Im Moment war sie sich noch nicht sicher wie lange ihre gutmütige Stimmung gegenüber Anya anhalten würde. Eifersüchtig war sie noch immer, aber es war am besten das für sich zu behalten. „Und jetzt lass uns endlich von hier verschwinden. Ich kann es kaum erwarten wieder mit dir in Navea zu leben, so wie früher.“



Nervös und angespannt sah Lyaena sich immer wieder unsicher um, sie wollte versuchen Silberblatt so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Heute war kein guter Tag, genauer gesagt, würde sie am liebsten die Beine in die Hand nehmen und so schnell wie möglich von hier verschwinden. Nachdem sie Teregion abgewiesen hatte um sich mit Luca zu treffen, war er jeden Tag damit beschäftigt sie zu belagern. Irgendwann gelang es ihr nicht mehr ihrem Verlobten aus dem Weg zu gehen und ihr gingen die Ausreden aus, vor allem da sie keine besonders gute Lügnerin war. Also blieb ihr keine andere Wahl mehr, als sich auf ein Abendessen mit ihm einzulassen, egal wie wenig sie davon hielt. Alles was sie jetzt noch tun konnte war zu versuchen den Abend so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Sie war bereits viel zu spät dran, weil sie hoffte dass Teregion die Geduld verlor und vielleicht einfach abhaute, aber das konnte sie erst wissen wenn sie sich wirklich auf den Weg machte. Mit einem verzweifelten Seufzen schlurfte sie letztendlich doch noch deprimiert durch die Gänge des Anwesens in Richtung Garten. Sie war lange genug davongelaufen, auch wenn sie sich gerne noch etwas vor ihm versteckt hätte. Wenn sie in seiner Nähe war, viel es Lyaena schwer ihre Schuldgefühle zu unterdrücken und sie hasste diese Gefühle.
Weit kam sie allerdings nicht. Schon nach wenigen Metern stolperte sie in eine andere Akashi. Eine ihrer Cousinen, Theresia. Die beiden knallten in ihrer Eile zusammen, wobei Lyaena schwören könnte dass ihre Cousine absichtlich in sie hineingerannt war. Auch wenn der Zusammenprall alles andere als heftig war, ließ Theresia sich mit einem leisen Aufschrei zu Boden sinken, wobei sie einen Stapel von Papieren auf dem Boden verteilte. Lyaena kniete sich hastig hin und half dabei die Blätter einzusammeln. Noch immer vollkommen verwirrt von dem plötzlichen Auftritt ihrer Cousine, reichte sie Theresia die Papiere und verdiente sich damit ein dankbares Lächeln. Lyaena war zufrieden mit sich selbst, aber jedes mal wenn ihr Theresia über den Weg lief, begann sie damit ihren eigenen Körper und so ziemlich alles an sich zu hassen. Theresia war etwa in ihrem Alter und fast gleichgroß, die langen blonden Haare waren bei ihr eher golden und viel dunkler als die der meisten Akashi. Aus großen, freundlichen rehbraunen Augen sah sie Lyaena blinzelnd an und rückte näher an sie heran. Plötzlich presste sie sich an Lyaenas Körper und sah ihr mit Tränen in den Augen ins Gesicht.
„D-danke...S-e-n-p-a-i.“ das letzte Wort hauchte die junge Frau und sprach es so langsam wie möglich aus, wobei sie jeden einzelnen Buchstaben extra stark betonte. Lyaena wusste nicht genau warum, aber ihr lief das Blut in die Wangen, als jedes einzelne Wort von der wunderschönen Akashi mit endlosen Verheißungen lockte. Unsicher was sie sagen sollte senkte Lyaena den Kopf, um nicht mehr in dieses fröhlich strahlende Gesicht blicken zu müssen, aber das machte alles nur noch schlimmer. Die obersten Knöpfe von Theresia´s weißer Bluse waren geöffnet und mit `die obersten` meinte Lyaena fast alle. Theresia gab damit den Blick frei auf ihre üppigen, weichen Brüste, die sich noch fester an Lyaenas eigene drückten und die Situation für die arme Akashi nur noch verschlimmerten. Theresias Hände wanderten über Lyaenas Hüften und sie näherte sich ihrem Gesicht. Nach einer Weile voll mit betretenem Schweigen, sprach Theresia flüsternd weiter. „Ich wusste schon immer, dass du das Zeug zu einem wahren Helden hast, schon seit wir uns das erste mal begegnet sind wusste ich, dass du etwas besonderes bist und wir zusammen gehören. Vielleicht sollten wir diesen Ort verlassen, damit ich dir angemessen...danken kann, Senpai. Ich werde alles für dich tun, was immer du von mir verlangst.“
„Wa-wa-wa-wa-wa...“ stammelte Lyaena vor sich hin, weil sie keine Worte rausbrachte um auch nur annähernd zu beschreiben wie sich gerade fühlte. Verwirrt stolperte sie von der anscheinend vollkommen durchgedrehten Theresia weg, um eine sichere Distanz zwischen sich und die blonde Kopie einer leibhaftigen Succubus zu bringen.
„Ach, krieg dich wieder, Lyaena. Ich will nichts von dir, keine Angst.“ beruhigte die andere Akashi sie nach einer Weile, aber nicht ohne sich vorher die Zeit zu nehmen um die Situation ausgiebig zu genießen. Plötzlich, von einem Moment zum nächsten, war von ihrem naiven Lächeln und dem freundlichen Gesicht nicht mehr viel geblieben und sie grinste Lyaena zufrieden an. Selbst ihre Augen wirkten jetzt nicht mehr fröhlich, sondern strahlten die kalte Zufriedenheit und Arroganz aus, die Lyaena von ihrer Cousine kannte. „Obwohl ich nicht abgeneigt wäre, wenn du zufällig mal Lust hast deinen Horizont etwas zu erweitern. Es muss doch einschläfernd sein die ganze Zeit nur einen einzigen Mann zu haben, noch dazu einen so langweiligen wie Silberblatt. Wenn du also für ein paar aufregende und zwanglose Experimente zu haben wärst, dann...“
„Nein!“ wehrte Lyaena so schnell sie konnte ab und wich vorsichtshalber einen Schritt zurück. Sie kannte ihre Cousine gut genug um zu wissen dass man sich manchmal lieber von ihr fernhalten sollte, vor allem wenn sie gute Laune hatte. „Was sollte das überhaupt? Du warst für einen Moment wie ausgewechselt, ich habe dich Anfangs gar nicht erkannt. Es war, als wärst du eine völlig andere Person! Bist du vielleicht krank?“
„Ach, ich übe nur etwas für meinen neuen Auftrag. Eigentlich hatte ich gehofft irgendeinen Diener zu finden und es am ihm auszuprobieren, aber du gehst auch, schätze ich.“ Theresia warf ihr einen kritischen, prüfenden Blick zu und beschloss es für heute gut sein zu lassen. Die Rolle gefiel ihr sowieso nicht besonders und schon bald musste sie diesen Unsinn oft genug spielen, da konnte sie auch noch eine Weile sie selbst sein. Ein erwartungsvolles Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken, während sie Lyaena ungeduldig anstarrte. „Und? Wie fandest du meine Vorstellung? War ich gut, sehr gut oder außergewöhnlich und genial?“
„Ich würde sagen es war gut.“ meinte Lyaena nach einer Weile nachdenklich, was ihre Cousine dazu brachte schockiert die Augen aufzureißen. Kritik an ihren Schauspielkünsten verkraftete Theresia nicht, immerhin war es ihr Markenzeichen sofort in jede beliebige Rolle schlüpfen zu können. Man könnte sagen sie war eine Art...freischaffende Attentäterin. Ihre Magie erlaubte es ihr nahezu unsichtbar zu werden und sie konnte hervorragend mit Giften umgehen. Sie war das vierte Kind ihrer Eltern gewesen und diese hatten sich schon sehr früh dazu entschieden Theresia zu einer Mörderin auszubilden. Es hatte früher einige solcher Attentäter in den Reihen der Akashi gegeben. Sie waren notwendig für das Überleben der Familie und dienten dazu ihre Feinde innerhalb der Kirche zu beseitigen, man nannte sie die schwarzen Akashi. Allerdings war Theresia derzeit die einzige von ihnen, da es dank den Kindern Gaias und den ruhigeren Zeiten kaum noch einen Grund für ihre Existenz gab. Theresia wurde für Aufträge eingesetzt von denen die Kirche nichts wissen durfte, oder die zu brutal waren um die Erlaubnis des Erzbischofs zu erhalten. Lyaena hatte trotzdem keine Angst vor ihr. Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Oberhaupts, war es den schwarzen Akashi verboten Familienmitglieder anzurühren. „Tut mir leid, aber du hast dich viel zu aufdringlich benommen. Wenn du lieb und naiv rüberkommen willst, dann sollte Er den ersten Schritt machen, während du dich zurückhältst und wartest. Am besten du ignorierst ihn oder lächelst ihm nur hin und wieder zu, ansonsten sollte er von sich aus darauf kommen wie toll du bist. So...so mache ich das jedenfalls.“ schloss Lyaena stockend und fragte sich wie viel Unsinn sie eigentlich gerade von sich gegeben hatte. Verführung gehörte nicht gerade zu ihren Spezialgebieten.
„Meinst du? A-aber ich habe mich extra zurückgehalten! Normalerweise würde ich ganz anders vorgehen! Zum Beispiel würde ich mich nackt in sein Bett schleichen und auf ihn warten, das funktioniert erstaunlich gut. Dachte nur es wird mal Zeit für eine kleine Veränderung und so schlecht war es nicht! O-oder?“
„Mag sein, aber es ist trotzdem noch nicht perfekt gewesen. Am besten du machst erst mal ein paar Knöpfe an der Bluse wieder zu. Kein Mann steht darauf wenn du halbnackt herumläuft!“
„Mhm ich bin mir nicht so sicher ob du damit recht hast.“ Theresia dachte kurz über Lyaenas Worte nach und beschloss dann sie zu ignorieren. Lyaena war ein nettes Mädchen und Theresia mochte ihre Cousine, aber sie hatte keine Ahnung davon wie man das Herz eines Mannes für sich gewann. Silberblatt hatte man ihr vorgesetzt und er war freiwillig zu ihr gekommen, um genauer zu sein hatte er sie verführt und nicht umgekehrt. Von daher war es am besten sie in diesem Punkt zu ignorieren. „Wir werden sehen wie mein neues Ziel so ist.“ meinte sie diplomatisch, um Lyaena nicht zu sehr in Verlegenheit zu bringen, das hatte sie heute schon genug getan.
„Worum geht es eigentlich bei deinem neuen Auftrag? Ist es etwas besonderes und kannst du mir davon erzählen?“ bohrte Lyaena neugierig nach. Sie hörte erstaunlich gerne Geschichten über Theresia´s Arbeit, vermutlich hauptsächlich weil ihr eigenes Leben als Kyosukes behütete Tochter meistens sterbenslangweilig war. Als sie noch im Süden gelebt hatte, war es eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen gewesen jeden noch so unwichtigen Besucher den ganzen Tag lang zu verfolgen und auszufragen, sonst gab es schließlich auch nicht viel zu tun.
„Och, nichts so besonderes. Dein Vater hat nur eine kleine Bitte an mich gerichtet. Als er mich vorhin zu sich rief, dachte ich im ersten Augenblick es wäre endlich so weit!“ ein verträumter Ausdruck schlich sich auf Theresias Gesicht und Lyaena rollte genervt mit den Augen, jetzt ging das wieder los. Theresia hatte viele Fehler, aber nur einer ging ihrer Cousine wirklich auf die Nerven: ihre übertriebene Verehrung für Kyosuke Akashi. Kyosuke musste sich mehr als einmal schon gegen Verführungsversuche der hübschen Attentäterin verteidigen. „Du weißt nicht was ich alles dafür geben würde dass er mich zu seiner Geliebten macht.“ Theresias unbegründete Euphorie wich so schnell wie sie gekommen war und ließ nichts weiter als Enttäuschung zurück „Leider gehört er zu den wenigen, seltenen Exemplaren der Gattung Mann, die sich nicht viel aus Frauen machen. Er arbeitet lieber, leider.“
„Leider?“
„Was soll ich sagen. Ich habe eine Schwäche für ihn. Er ist...“ Theresia brach sofort ab und stöhnte genervt auf, als hinter Lyaena Schritte zu hören waren „Oh nein, was macht der Idiot denn hier?“ Während sie sich unterhalten hatten, hatte sich der ungeduldig wartende Teregion zu ihnen gesellt und stand jetzt ruhig neben Lyaena, die so aussah als würde sie am liebsten ihr Heil in der Flucht suchen. Nicht nur dass sie mit ihrem Verlobten essen musste, jetzt würde sie auch noch in eine blutige Schlacht zwischen zwei Erzfeinden hineingezogen.
„Silberblatt.“ begrüßte ihn Theresia kühl und spie seinen Namen förmlich aus, als wäre er eine schreckliche Beleidigung.
„Theresia.“ erwiderte Teregion, genauso kalt und angewidert. Lyaena fühlte sich als wäre sie zwischen zwei wilden Raubtieren eingekeilt, die gerade dabei waren sich an die Kehle zu gehen.
„Wie geht es dir und deinem Haufen von Versagern, Silbi? Heute schon eine Menge Papierkram erledigt? Papier ist wirklich ein schrecklicher Feind, pass auf dass du dich nicht schneidest und verblutest, das wäre eine Schande für die Ehre unserer Familie.“ provozierte Theresia sofort und meinte damit die Kinder Gaias, von denen sie nicht viel hielt.
„Danke, mir geht es bestens.“ erwiderte der Großmeister und schaffte es tatsächlich sich zu einem Lächeln zu zwingen, auch wenn es um seine Mundwinkel herum gefährlich zuckte „Immerhin musste ich heute noch nicht die Beine für irgendeinen fetten Priester breit machen, nur um ihm dann im Schlaf eine giftige Nadel in den Nacken zu jagen.“
„Natürlich nicht. Dazu wärst du auch gar nicht in der Lage. Selbst fette Priester haben erstaunlich hohe Ansprüche und du wärst ihnen viel zu öde.“
„Wenigstens diene ich der Göttin nicht, indem ich für Geld Mitglieder der Kirche ermorde. Im Gegensatz zu meinen Kindern Gaias bist du nicht viel besser als eine Dämonin, die für etwas Gold selbst Gaia umbringen würde wenn sie die Gelegenheit dazu erhält, solange der Preis stimmt, natürlich.“
„Oh tut mir leid dass ich deinen kleinen, harmonischen Haufen aus Heiligen und ewigen Jungfrauen beleidigt habe. Ich weiß ja, dass die Kirche und eure heilige Aufgabe für euch über allem anderen steht, sogar über etwas Spaß, aber mit dem Wort kannst du sicher sowieso nichts anfangen.“ Theresia zwinkerte ihrer Cousine zu und überging Teregion vorerst vollkommen, die einfachste Art ihn zu reizen war ihn zu ignorieren, das hasste er mehr als alles andere „Wie ist es so mit einem Heiligen verlobt zu sein? Muss ziemlich langweilig sein, soweit ich aus eigener Erfahrung weiß sind Heilige selten aufregend, außer wenn man sie tötet, dann sind sie toll. Ach ja, wenn du willst, kannst du jederzeit zu mir kommen, mein Angebot steht noch.“
„T-tut mir leid, aber ich muss ablehnen.“ murmelte Lyaena mit hochrotem Gesicht vor sich hin, auch wenn es ihr gefiel zu sehen dass Teregion bei den Worten von Theresia tatsächlich kurz zusammenzuckte.
„Wie du meinst. Ich hatte sowieso nicht mit einer vernünftigen Antwort gerechnet. Letztendlich bist und bleibst du seine kleine hörige Sklavin, bis an dein Lebensende.“
„I-ich...“
„Das muss dir nicht peinlich sein, wirklich nicht. Wenn du dein tristes Leben unbedingt mit diesem elenden...“
„Wolltest du nicht irgendwohin und noch etwas erledigen?“ unterbrach Silberblatt sie unwirsch, wobei er sich zwischen die beiden jungen Frauen stellte. Lyaena war in letzter Zeit schon rebellisch genug, auch ohne Theresia´s Ermunterungen. Eine zweite Theresia konnte er im Moment am aller wenigsten gebrauchen, schon gar nicht als Verlobte.
„Nein, ich denke nicht. Um ehrlich zu sein gefallen mir unsere kleinen, trauten Unterhaltungen von mal zu mal besser. Wer weiß, vielleicht kann ich dich eines Tages sogar mal länger als ein paar Minuten ertragen.“ bevor er etwas erwidern konnte, sprach sie hastig weiter und ihre nächsten Worte überschlugen sich fast vor lauter Aufregung, sie strahlte ihn sogar fröhlich an, was Teregion etwas Angst einjagte „Ach ja, willst du ein leckeres Bonbon, Silbi?“
„Was?“
„Ein Bonbon. Du weißt schon, etwas leckeres, tolles mit viel Zucker das unglaublich süß schmeckt. Es ist soooooo süß und wundervoll, dass es dich mit Sicherheit umhauen wird. Los, probiere es!“ mit einem Lächeln das kein Wässerchen trügen konnte, holte sie von irgendwoher einen kleinen Beutel hervor und hielt Silberblatt ein rundes, rosa Bonbon unter die Nase.
„N-nein danke, ich habe nicht vor heute zu sterben.“ wehrte Teregion hastig ab und wurde tatsächlich ganz blass im Gesicht. Alleine bei dem Gedanken daran eines von Theresia´s todbringenden Bonbons zu essen lief es ihm kalt den Rücken runter. Verglichen damit, waren die Gifte von jemandem wie Valerius vollkommen harmlos. Irgendwann, meistens sehr sehr schnell, kamen sie bei ihren Streitereien immer an dem Punkt an, an dem Theresia versuchte ihn zu ermorden. Wäre Lyaena nicht hier, würde sie vermutlich auf ihn losgehen und versuchen ihm das Bonbon mit Gewalt in den Mund zu zwängen.
„Bedauerlich, dabei hatte ich gehofft dich endlich loszuwerden.“ Theresia klang traurig und deprimiert, aber ihre Laune besserte sich sofort wieder, als sie genüsslich das Bonbon verschlang und sich damit ein glückseliges Lächeln auf ihr Gesicht zauberte „Weiß gar nicht was du hast, die sind doch köstlich. Eines Tages bringe ich dich dazu sie zu essen, du verpasst wirklich etwas, Silbi.“
„Bezweifle ich. Eher stelle ich mich zehn Erzdämonen zum Kampf als eines deiner widerlichen Bonbons anzurühren.“ blieb Silberblatt eisern, auch wenn es wirklich hieß dass Theresia´s Bonbons vermutlich die besten der Welt waren. Leider gab es niemanden der lange von dem einzigartigen Geschmack reden konnte bevor sein Blut zu kochen begann und er innerlich verbrannte, während sich zerstörerische Säure durch seine Adern fraß.
„Tz, Spielverderber. Was meinst du, Lyaena? Kann ich dich mit ihm alleine lassen ohne dass er deine Ehre beschmutzt oder soll ich bleiben und die Anstandsdame für das junge Paar spielen?“ fragte Theresia keck und zwinkerte der stummen Lyaena zu, die versuchte sich aus allem rauszuhalten und den Streit wortlos ertrug bis die beiden genug hatten „Ach, warum frage ich überhaupt? Normalerweise müsste man sich Sorgen machen, aber was soll ein Heiliger schon mit einem hübschen, jungen und willigen Mädchen anfangen?“ sie streckte Silberblatt die Zunge raus, über dessen Finger unwillkürlich magische Blitze zuckten, ein sicheres Zeichen für Theresia zu verschwinden. Vielleicht könnte sie ihn besiegen wenn sie ihn aus dem Hinterhalt angriff oder ihm eine Falle stellte, aber selbst da war sich die Attentäterin nicht sicher. Also war es am besten abzuhauen bevor der Streit endgültig eskalierte, je näher Kyosukes Abdankung rückte, desto gefährlicher wurde es für sie sich mit Teregion anzulegen, leider. Nach der Hochzeit musste sie für immer darauf verzichten...und das machte sie jetzt schon traurig. Deprimiert seufzend drehte sie sich um und winkte ihrer Cousine über die Schulter noch kurz zu. „Wir sehen uns Lyaena und pass auf den kleinen Silbi auf. Manchmal können selbst Heilige denken sie wären Männer.“
„Ich hasse sie...“ flüsterte er genervt vor sich hin und ballte die Fäuste „Wie kann dein Vater sie nur die ganze Zeit über tolerieren? Sie ist ein Schandfleck inmitten unserer eigenen Familie und eines Tages wird sie...ach lassen wir das, er wird schon wissen was er tut, hoffe ich jedenfalls.“ Silberblatt schüttelte nachdenklich den Kopf und versuchte seine nervige Cousine aus seinen Gedanken zu verdrängen.
„Also ich mag Theresia. Sie war immer nett zu mir und meinen Schwestern.“ verteidigte Lyaena ihre Cousine schwach, wobei sie sich nicht viel Mühe gab. Theresia konnte sich selbst verteidigen, genau das mochte Lyaena so an der jungen Frau. Theresia war das komplette Gegenteil von ihr, nicht so schwach, unsicher und ängstlich.
„Wie um alles in der Welt kannst du sie mögen!?“ rief Silberblatt empört und sah sie an als wäre sie eine Schwerverbrecherin „Sie ist eine doppelzüngige Hexe, eine verräterische Mörderin, eine...“ misstrauisch brach Teregion ab, als Lyaena in schallendes Gelächter ausbrach. Ach ja, deswegen mochte sie Theresia natürlich auch, es gelang ihr Silberblatt so wundervoll aufzuregen. „Warum lachst du?“
„Ach, nur so.“ gluckste Lyaena vor sich hin und schenkte ihm tatsächlich ein ehrliches Lächeln. Die ganze Sache mit Theresia hatte sie daran erinnert wie es früher war, als es nur sie, Teregion und ihre Familie gab. Es verdrängte für den Moment die Gedanken an Luca, wenn auch nicht für lang. „Also dann, gehen wir?“
Ihr Verlobter führte sie zum Garten, wobei seine Laune mit jedem Schritt besser wurde. Um genau zu sein, hatte sie ihn so nicht mehr gesehen seit sie gemeinsam auf ihrem Landsitz im Süden gewesen waren. Er beschwerte sich noch einmal kurz über Theresia, aber ließ es dann bleiben und versuchte sein bestes, um freundlich zu ihr zu sein, auch wenn er darin etwas aus der Übung war. Sobald sie im Garten ankamen, verschlug es Lyaena den Atem. Silberne, magische Lichter glitzerten in den Bäumen und Büschen, waren über den ganzen Karten verteilt und schwebten sogar über ihren Köpfen. Es wirkte, als wäre der Sternenhimmel näher an sie herangerückt und würde nur wenige Zentimeter über ihren Köpfen schweben. Überall zwischen den magischen Sternen lächelten sie strahlend weiße Orchideen an, ihre Lieblingsblumen. Der ganze Garten erstrahlte in Silber und Weiß. „Gefällt es dir?“
„Es ist...nett, denke ich.“ versuchte Lyaena so kühl und abweisend wie möglich zu reagieren. Nur weil er den Garten ein bisschen schön gemacht hatte, rechtfertigte es noch lange nicht wie er sie behandelt hatte, redete sie sich ein. „Könnte etwas weniger Licht sein, das ist alles viel zu grell und die Blumen...das sind viel zu viele, der Gestank ist widerlich.“
„Tut mir leid.“ murmelte Teregion verwirrt und ließ es dabei bleiben. Er verlor kein Wort mehr über den Garten, sondern setzte sich an den Tisch und wartete lustlos bis sie Platz genommen hatte. Diener brachten ihnen Essen. Nach einer Weile schien Silberblatt wieder zu versuchen freundlich zu sein und begann wieder und wieder damit Lyaena in ein Gespräch über irgendwelches belangloses Zeug zu verwickeln, aber es funktionierte nicht.
„Na schön, du hast offensichtlich kein Interesse daran dich mit mir zu unterhalten.“ brach es genervt aus ihm heraus, als sie bereits bei der Nachspeise angekommen waren und Lyaena noch immer kein Wort gesagt hatte.
„Wirklich? Woran hast du das bloß gemerkt, Teregion? Normalerweise brauchst du doch Monate, um mal auf etwas zu reagieren was ich mache.“ zischte Lyaena ihn überraschend aufgebracht an. Das alles hier, es machte sie einfach nur wütend. Es zeigte ihr nur, dass Teregion durchaus in der Lage war sich Mühe zu geben, zumindest wenn er es wollte. Und genau da lag das Problem. Monatelang hatte er sich keine Mühe gegeben, im Gegenteil. Er hatte sie ignoriert und war ihr aus dem Weg gegangen, er war regelrecht vor ihr geflüchtet!
„Wie auch immer, wir müssen uns darüber unterhalten, ob du willst oder nicht.“ fuhr er unerschrocken fort, egal wie wütend sie ihn anfunkelte, er musste dieses Gespräch jetzt endlich einmal führen, zu lange hatte er es schon vor sich hergeschoben „Erinnerst du dich an die Geschichte über das weißhaarige Mädchen mit dem ich befreundet war und das in einem Außenposten im Norden ein schreckliches Ende fand?“
„Ich erinnere mich daran. Was soll damit sein?“
„Vergiss es am besten so schnell wie möglich wieder. Das war alles gelogen und ich habe es nur gesagt weil du mich genervt hast und dringend eine Antwort wolltest.“ antwortete er ehrlich, zu ehrlich, denn seine Verlobte zuckte bei dem Wort ´genervt` zusammen und funkelte ihn sogar noch zorniger an als zuvor. ´Genervt? Genervt!?` schoss es ihr durch den Kopf und sie musste an sich halten um ihn nicht anzuschreien. Sie war seine Verlobte, sie hatte das Recht etwas über ihn zu erfahren.
„Ach, wirklich?“ fragte Lyaena trocken und ließ ihre Kuchengabel klirrend und so laut wie möglich auf den Teller fallen. Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Eigentlich wollte sie nicht mehr dazu sagen, aber dann brach es doch aus ihr heraus und sie konnte ihre angestaute Wut nicht mehr länger zurückhalten. „Was für eine Überraschung! Dabei bin ich es doch von dir gewohnt sonst immer nur die Wahrheit zu hören, die reine, unverfälschte Wahrheit! Es ist etwas total neues dass du mich anlügst! Schließlich bist du so offen, ehrlich und freundlich zu mir als wärst du mein Verlobter...oh, Moment. Du bist mein Verlobter...tut mir leid, ich hatte das in den letzten Monaten vergessen.“
„Kein Grund gleich auszurasten.“
„Kein Grund? Kein Grund! Wann soll ich deiner Meinung nach denn sonst ausrasten!? Wenn du mich zum tausendsten mal belogen hast? Seit wir uns kennen, hast du mir nichts als Lügen über dich erzählt! Es ist mir immer egal gewesen wie düster deine Vergangenheit vielleicht war, ich würde dir alles verzeihen, zumindest früher.“
„Ja, ich habe dich belogen.“ sagte Teregion achselzuckend und ohne ein wirkliches Anzeichen von Schuld, was beinahe dafür sorgte das Lyaena wieder laut wurde, aber der kurze Wutausbruch hatte sie bereits vollkommen verausgabt. Sie war es nicht gewohnt wütend zu sein und brauchte noch etwas Übung darin, ihr Zorn flaute zu schnell ab, vor allem wenn es um jemanden ging den sie liebte.
„Das ist alles? Mehr hast du nicht dazu sagen? Das ist deine gesamte Verteidigung?“ begleitet wurden ihre ungläubigen Worte von einem abfälligen Schnauben.
„Was soll ich dazu sonst noch sagen?“ fragte Teregion sie plötzlich neugierig, was sie völlig aus dem Konzept brachte. Eigentlich sollte jetzt die Stelle kommen, an der er sich bei ihr entschuldigte, versuchte sein Verhalten zu erklären und sie um Verzeihung anflehte...aber darauf konnte sie wohl lange warten. „Wenn du mich wirklich liebst, dann wirst du mir vielleicht verzeihen dass ich so lange brauchte um dir die Wahrheit zu sagen, denn was eine Sache angeht habe ich niemals gelogen.“ Teregion lächelte sie an, es war kein gewöhnliches Lächeln, sondern er lächelte so, wie damals, als sie sich zum ersten mal trafen. Damals hatte sein Lächeln noch seine Augen erreicht, während sie jetzt dabei meist kalt und eisig blieben. Dass er noch in der Lage war so zu Lächeln verjagte endgültig ihre Wut und sie schrumpfte in sich zusammen. Als er dann mit sanfter Stimme weitersprach, war sie fast wieder so zahm wie eh und je. „Ich habe dich wirklich geliebt als ich es dir damals im Garten deines Vaters gesagt habe und ich hoffe, dass ich es auch jetzt noch immer tue. Lass mich dir einfach meine Geschichte erzählen, danach hast du bis zur Hochzeit noch immer genug Zeit, um mich zu hassen oder die Verlobung zu lösen. Was vielleicht sogar am besten wäre, denn ich kann nicht versprechen, dass ich dich niemals wieder verletze.“
„Erzähl.“ flüsterte Lyaena vorsichtig und schluckte nervös. Die Verlobung lösen...sie hatte seit sie mit Luca zusammen war ein oder zwei mal daran gedacht, aber trotz Teregions Verhalten nie wirklich ernsthaft. Dass er dieses Thema jetzt so offen ansprach verunsicherte sie erst recht.
„Dein Vater hat dir bereits einiges erzählt, aber was du noch nicht weißt, ist der Grund für den Verrat meiner Eltern und wie dieser aussah.“ begann Teregion langsam, wobei er ihr in die Augen blickte und sich zu einer Art Lächeln zwang „Mein Vater ist heute bekannt unter dem Namen ´Schattenritter` aber früher...früher führten wir ein glückliches Leben in Navea, auch wenn meine Eltern gerne darüber scherzten dass sie ihr überwältigendes magisches Potential verschwendeten. Trotzdem waren sie zufrieden damit, bis meine Mutter, Tylia, eines Tages plötzlich das Bewusstsein verlor. Damals verstand ich noch nicht wirklich was vor sich ging, aber sie war krank, sehr krank. Es war eine Krankheit die so selten war, dass selbst die besten Heiler und Magier des Landes noch nie etwas von ihr gehört hatten. Manche behaupteten sogar es wäre keine einfache Krankheit, sondern ein magischer Fluch, erschaffen von Reinhardts Vater, dem Oberhaupt der Akashi, als Rache dafür dass meine Eltern sich nicht um die Akashi oder das Ansehen der Familie scherten. Andere behaupteten es wäre eine Strafe Gaias, weil meine Eltern ihre übermächtige Magie verschwendeten anstatt damit der Kirche zu dienen. Was immer es war, es fraß sich durch den Körper meiner Mutter, nicht schnell und plötzlich, sondern schleichend und über Jahre hinweg. Es ist schwer zu erklären, aber anscheinend vertrug sie keinen Kontakt mit Magie. Jedes mal wenn sie einen Zauber wirkte oder jemand in ihrer Nähe Magie benutzte, reagierte ihr Körper darauf und erschuf bösartige Tumore und Geschwüre. Die Heiler versuchten sie zu entfernen, aber sie kamen jedes mal zurück, noch mehr, noch schneller und pumpten tödliche Gifte durch ihr Blut. So ging es über einige Jahre. Jahre in denen meine Mutter immer schwächer und zerbrechlicher wurde. In dieser Zeit wuchs in ihrem gebrechlichen Geist eine weitere Krankheit heran, eine Krankheit des Geistes, und sie infizierte meinen Vater damit. Die beiden waren unzertrennlich, in ganz Navea gab es damals kein Paar dass sich mehr liebte als die beiden und seine Unfähigkeit Tylia zu helfen raubte ihm den Verstand.“
Damit brach er ab und wich plötzlich ihren neugierigen Blicken aus. Als er eine Weile nichts mehr sagte, durchbrach sie ungeduldig das trostlose Schweigen. Sie wollte ihn einerseits nicht verschrecken, aber gleichzeitig auch wissen wie es weiterging, zu selten öffnete er sich ihr. „Wie ging es weiter?“
„Sie verfluchten alle Heiler und Magier, und jagten sie davon. Dann begannen sie selbst sich mit dem Gebiet der Medizin vertraut zu machen und zwar auf...ihre eigene Art und Weise.“ eine Weile rang Teregion nach Worten, während er versuchte das ganze zu erklären ohne sie sofort zu verschrecken. Langsam, über jedes Wort vorher nachdenkend, fuhr er fort, als Lyaenas Ungeduld fast schon greifbar zwischen ihnen schwebte und ihn zu erschlagen drohte „Regeln bedeuteten ihnen nicht viel, genauso wie Gesetze. Sie wussten dass sie die mächtigsten Magier des Landes waren und ihnen niemand etwas vorschreiben konnte, also vertrauten sie auf ihre eigene Macht. Anfangs plünderten sie Friedhöfe, um frische Leichen aufzugraben und an ihnen die Grundlagen der Medizin zu erlernen, aber tote Körper genügten ihnen irgendwann nicht mehr als es darum ging ihre Heilmagie zu perfektionieren. Die beiden schlossen sich in ihrem Wahn mit einem Mörder namens Valerius zusammen. Gemeinsam machten sie Jagd auf die Bürger Naveas. Sie brachten ihre...ihre Versuchsobjekte mit zu uns nach Hause, sperrten sie in den Keller ein und verwandelten ihn in ihr...Labor.“
„A-aber...w-w-wieso...“ begann Lyaena stotternd und strich sich nervös die Haare aus dem Gesicht. Um sich abzulenken und selbst etwas Zeit zum nachdenken zu geben, ließ sie ihm keine Gelegenheit seine Geschichte schnell fortzusetzen. „Wenn sie ihre Opfer mit nach Hause brachten, dann hast du es doch sicher bemerkt, oder?“ fragte sie vorsichtig nach und hoffte darauf dass ihr Verlobter das Ganze auf der Stelle verneinen würde, aber stattdessen nickte er nur kurz und ihre Kinnlade klappte nach unten. Ohne ihm Zeit zu geben sich zu erklären, redete sie weiter auf ihn ein. „Warum bist du nicht zu meinem Vater oder den Templern gegangen und hast ihnen sofort davon berichtet!?“ Sofort kam sie sich dumm vor wegen ihrer Frage. Wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, hätte er es sicher getan.
„Das habe ich versucht.“ antwortete Teregion schnell, bevor sie in ihrer Hysterie wieder dazu kam ihn zu unterbrechen. Er hatte noch nie mit jemandem über diese Zeit geredet, nicht einmal mit ihrem Vater. Kyosuke hatte alles was er wissen wollte mithilfe seiner Magie aus Teregions Kopf gerissen, aber wirklich darüber zu reden war etwas anderes „Zu dem Zeitpunkt, als ihr Wahnsinn endgültig eskalierte, war ich 14 Jahre alt und besuchte die Magierakademie hier in Navea. Es dauerte nicht lange bis ich herausfand was sich im Keller befand, es war auch nicht schwer, denn sie gaben sich keine Mühe es vor mir zu verheimlichen. Stattdessen belegten sie mich mit Zaubern, um mir ihren Willen aufzuzwingen und mich unter Kontrolle zu halten. Ich ging zur Akademie, ich aß und ich schlief, zu mehr war ich nicht in der Lage. Sie kontrollierten mich wie eine Marionette, jeden Schritt den ich machte. Ein halbes Jahr lang ging es so. Ihre Experimente wurden immer brutaler und immer mehr Menschen verschwanden in unserem Keller, während sie erfolglos nach einem Heilmittel suchten. Jeden Tag wollte ich aufstehen und zu den Templern oder unserer Familie rennen, um ihrem Treiben ein Ende zu bereiten, aber ihre Zauber hielten mich zurück, und alles was ich tun konnte war zu warten und den Schreien der Gefolterten zu lauschen.“
„Das klingt schrecklich.“ murmelte Lyaena schaudernd vor sich hin. Sie konnte sich nicht vorstellen wie es war die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren, noch dazu für so eine lange Zeit.
„Irgendwann, wurden sie zum Glück unvorsichtig.“ fuhr Teregion mit einem schwachen Lächeln fort, als er sich daran erinnerte wie es sich angefühlt hatte, als sein Geist zum ersten mal seit Monaten nicht mehr vernebelt war und von fremden Gedanken kontrolliert wurde „Sie steigerten sich in ihre Forschungen hinein und vergaßen mich vollkommen, genauso wie die Zauber, die eigentlich meinen Geist fesseln sollten. Irgendwann waren die Zauberformeln so sehr geschwächt, dass es mir gelang mich ihrer Kontrolle zu entziehen. Es war als würde ich aus einem Alptraum aufwachen. Sobald sie abgelenkt waren mit ihrem neusten...Fang, schlich ich mich aus dem Haus und rannte ins Militärviertel. Anschließend musste ich eine halbe Ewigkeit auf Andre einreden, aber dann stürmten die Templer das Haus, auch wenn selbst der Hochgeneral mir nicht wirklich glauben wollte. Erst als sie den Keller betraten und die Überreste der Experimente, waren sie überzeugt von meiner Geschichte, aber da war es bereits zu spät. Das zögerliche Vorgehen der Templer gab meinen Eltern genug Zeit sich abzusetzen, nur Valerius fiel ihnen in die Hände.“ und wenigstens Valerius hatte seine Strafe erhalten, fügte er in Gedanken hinzu. Wenigstens etwas, aber es reichte noch lange nicht um ihn alles vergessen zu lassen was seine Eltern getan hatten. Es würde erst enden, wenn die beiden für ihren Verrat bezahlten, das hatte er sich geschworen. „Ich weiß nicht genau warum, aber während Andre und seine besten Männer noch unser Haus durchsuchten, stürmten die beiden kurzerhand das Hauptquartier der Templer um mich mitzunehmen. Sie erneuerten die Zauber und gaben sich der Hoffnung hin gemeinsam als Familie ein neues Leben im Norden beginnen zu können. Damit begann unsere Flucht.“ eine längere Pause folgte „Hast du dich jemals gefragt warum der Großteil der Akashi mich so sehr hasst und verabscheut?“
„Nein, nicht wirklich.“ murmelte Lyaena nachdenklich. Das alles über Teregions Eltern zu hören war etwas viel auf einmal, vor allem da ihr Vater die beiden noch als freundliche, nette Menschen hingestellt hatte, dadurch hatte Lyaena gehofft dass der Verrat von Teregions Eltern nicht so schlimm war und sie vielleicht gute Leute waren...Hoffnungen die Teregion mit seiner Geschichte gründlich zerschmettert hatte. Sie wollte etwas sagen, aber war im Augenblick viel zu verwirrt, um auf seine Worte großartig einzugehen, obwohl sie sich diese Frage in der Vergangenheit schon oft genug gestellt hatte. Selbst als sie noch auf dem Landsitz im Süden lebten hatten die anderen Mitglieder der Familie ihm meistens nichts als Missachtung und oft sogar blanken Hass entgegengebracht.
„Nicht nur die Templer nahmen damals unsere Verfolgung auf, sondern auch unser Großvater, gemeinsam mit den besten Magiern und Kriegern unserer Familie.“ erklärte Silberblatt, auch wenn er bemerkte dass Lyaena noch immer in ihren eigenen Gedanken versunken war. Er wollte dieses furchtbare Gespräch endlich hinter sich bringen. „Fast alle unsere Onkeln und Tanten, genauso wie deine Eltern. Die besten ihrer Generation, und es gelang ihnen tatsächlich uns aufzuspüren. Wir kamen nicht weit bis die Einheit der Akashi uns einholte, aber obwohl sie viele waren und ausgezeichnet kämpfen konnten, reichte es nicht um gegen meine Eltern anzukommen.“ Teregion schloss kurz die Augen und vor ihm lief noch einmal der Kampf zwischen der Elite der Akashi und seinen Eltern ab. Es war ein Gemetzel gewesen, ein Gemetzel an ihrer eigenen Familie, an Menschen die er sein Leben lang gekannt hatte und trotzdem zeigten seine Eltern keine Gnade, außer bei einem. „Gemeinsam waren sie unbesiegbar. Kein Magier konnte es mit ihrer vereinten Macht aufnehmen, wenn sie zusammen kämpften, dann hätten sie selbst Gaia vernichten können. Ich sah wie die Akashi einer nach dem anderen fielen, bis nur noch Kyosuke übrig war. Mein Vater mochte seinen Halbbruder und verschonte ihn, aber dafür musste dein Vater schwer verletzt mit ansehen, wie seine Geschwister und deine Mutter unter den Zaubern meiner Eltern einfach...schmolzen. Der Kampf war kurz und brutal, und am Ende, blieb von den besten unserer Familie nichts weiter übrig als Asche.“
„D-das wusste ich nicht.“ Lyaena schüttelte sprachlos den Kopf und auf einmal verstand sie den Hass der anderen Akashi auf Teregion. Sie hatte immer die Geschichte ihres Vaters geglaubt, der behauptete ihre Mutter wäre auf einer Mission der Kirche gestorben. Ihre Mutter war eine ausgezeichnete Magierin gewesen und arbeitete für die Inquisition. Die meisten wichtigen Akashi, waren Cousins von Lyaena und Teregion. Sie alle hatten ihre Eltern an die wahnsinnigen Eltern Silberblatts verloren, kein Wunder dass sie ihn hassten und für deren Tod verantwortlich machten.
„Das ist noch nicht alles.“ fuhr Teregion nach einer Weile fort, als sie noch immer nichts dazu sagte und nur vor sich hinstarrte „Nach dem Kampf gegen die anderen Akashi, setzten wir unsere Reise nach Norden fort. Irgendwann ließen wir uns für eine Weile in einer Hafenstadt an der Grenze zum Reich der Alfar nieder. Vor den Templern fürchteten sie sich nicht wirklich und glaubten ihre Spuren gut verwischt zu haben. Bald begannen sie dort ihre Experimente fortzusetzen, denn die Krankheit meiner Mutter wurde immer schlimmer, vor allem nach dem Kampf gegen die Verfolger, bei dem sie großen Mengen Magie ausgesetzt war. Zu den vielen Menschen die sie in der Zeit einfingen, gehörte auch eine Familie aus Vo Astur. Hexer, die planten Midgard zu erkunden. Sobald sie diese Leute eingefangen hatten, entwickelten meine Eltern erstaunlich viel Interesse an der Familie und führten die meisten Experimente an ihnen durch, gingen sogar so weit sie mit ihrer inzwischen sehr mächtigen Heilmagie am Leben zu erhalten um sie so oft wie möglich zu untersuchen. Jedenfalls...“ Teregion bemerkte dass sie wieder an seinen Lippen hing und anscheinend keinerlei Vorwürfe machen wollte weil seine Eltern Schuld waren am Tod ihrer Mutter. Es überraschte ihn, denn genau aus dem Grund hatte er so lange geschwiegen. „Ähm, jedenfalls...hatten sie auch eine Tochter. Ein niedliches, aufgewecktes Mädchen mit roten Augen und langen, weißen Haaren, mit der ich mich schnell anfreundete. Immerhin waren wir beide Gefangene dieser Monster. Du kennst das Mädchen vielleicht, sie hat mit mir geübt, an dem Tag, als du zurück nach Navea gekommen bist.“
„Diese...wie hieß sie?“ fragte Lyaena und konnte sich beim besten Willen nicht an den Namen erinnern. Sie erinnerte sich an das Mädchen, hauptsächlich aus Eifersucht, aber an mehr nicht.
„Sie heißt Aleyandra.“ half Teregion ihr und seine Miene verdüsterte sich, als er an Aleyandra dachte. Er hatte sie für tot gehalten, so viele Jahre hatte er geglaubt dass sie irgendwo im Norden zugrunde gegangen war und dann tauchte sie plötzlich wie aus dem Nichts vor den Toren der Stadt auf. „Sie erinnert sich an nichts mehr und hat keine Ahnung von ihrer Vergangenheit.“
„Dann musst du es ihr erzählen! Sie wird wissen wollen was passiert ist und was mit ihrer Familie ist oder woher sie kommt!“
„Nein, das kann ich ihr nicht antun.“ erwiderte er leise und zum ersten mal wirkte er schuldig, fast so, als fühlte er sich verantwortlich für alles was Aleyandra passiert war „Ihre Eltern starben nach einer Weile durch die Behandlung meiner Eltern und danach benutzten sie Aleyandra und deren Bruder für ihre Experimente. Es ist besser, wenn sie sich nicht wieder an diese Zeit erinnert, sondern einfach ihr Leben weiterlebt und hofft, dass ihr Gedächtnis niemals wieder zurückkehrt.“ Teregion atmete erleichtert auf, als er das alles hinter sich gebracht hatte und sprach jetzt schnell weiter, er überschlug sich fast dabei, weil er endlich fertig werden wollte und das alles wieder vergessen konnte „Als die Templer unter der Führung deines Vaters uns letztendlich fanden, flohen meine Eltern über die Grenze ins Reich der Alfar. Aleyandra und ihren Bruder nahmen sie mit, aber mich ließen sie diesmal zurück, weil sie vermuteten, dass ich mich schon wieder ihrer Kontrolle entzogen hätte und die Templer immer wieder auf ihre Fährte führen würde. Also beschlossen sie das Risiko zu vermeiden und ließen mich zwischen den Leichen und Überresten ihrer Experimente zurück, bis dein Vater mich fand und nach Süden brachte, auf ein abgelegenes Anwesen der Familie. Dort blieb ich, bis wir uns trafen, das ist alles.“ beendete er seine unendlich lange Geschichte endlich und sah sie erwartungsvoll an.
„Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll.“ sagte sie leise und fühlte sich mit der Menge an Informationen überfordert. Dazu schwirrte noch Luca die ganze Zeit in ihrem Kopf herum und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Teregion tat ihr leid wegen seiner Vergangenheit, aber gleichzeitig hatte sie sich erst vor kurzem geschworen ihn für sein Verhalten auf Ewig zu hassen.
„Das musst du auch nicht, aber du solltest versuchen endlich wieder einen klaren Kopf zu kriegen, das ist wichtig.“ durchbrach er plötzlich ihre wirren Gedanken und schreckte sie auf. Teregion versuchte seinen Worten mit einem Lächeln die Spitze zu nehmen, aber Lyaena zuckte trotzdem zusammen. Wusste er dass sie an Luca dachte? Wusste er von Luca? Dieser Gedanke plagte sie seit sie mit Luca zusammen war und ließ sie nicht einmal mehr schlafen, kein Wunder, dass sie ihm nicht hochkonzentriert zuhören konnte. Doch ihr Verlobter schien ihre Unsicherheit nicht zu bemerken und sprach unbekümmert weiter. „Es wird bald nötig sein einige wichtige Entscheidungen zu treffen. Dein Vater und ich planen einen Angriff auf den Schattenritter, um ihn endgültig zu vernichten. Wie viele Männer von der Nordfront uns letztendlich folgen werden lässt sich nicht genau vorhersagen. Kommt darauf an wie viel Zeit uns noch für die Vorbereitungen bleibt. Aber bisher rechnen wir damit dass neun von zehn Soldaten an der Front auf unseren Befehl hin marschieren werden sobald wir das Versteck des Schattenritters ausfindig machen konnten.“
„Wenn all unsere Soldaten und alle die uns folgen wollen gegen den Schattenritter marschieren, was wird dann aus der Front? Wie sollen sie die Verteidigungslinie gegen die Alfar halten? Ich kann mir nicht vorstellen dass mein Vater sich so einen absurden Plan ausgedacht haben soll.“ murmelte Lyaena vorsichtig und fragte sich wie ihr Vater so etwas nur tun konnte. Jeder wusste dass die Alfar nur auf eine Gelegenheit warteten, eine Schwachstelle in der Verteidigung und ihr Vater wollte ihren schlimmsten Feinden diese Schwachstelle auf einem silbernen Tablett servieren. Hasste er den Schattenritter wirklich so sehr, dass er die Gefahren des Angriffs absichtlich übersah?
„Keine Sorge, wir haben Vorkehrungen dafür getroffen.“ versuchte Silberblatt beschwichtigend sie zu beruhigen „Wir sind immerhin nicht alleine an der Front. Die Templer halten die besten und wichtigsten Verteidigungsstellungen, unter anderem die große Festung von Nudaka. Sobald wir und unsere Anhänger abgezogen sind, wird es vielleicht schwierig einen Großangriff der Alfar abzuwehren, aber nicht unmöglich. Diese Stellungen lassen sich leicht verteidigen. Wir sind seit Monaten damit beschäftigt die Kirche dazu zu bewegen die Stellungen auszubauen. Und falls das nicht reicht, dann sind immernoch die Truppen der Bladelli und Doni im Hinterland bereit sich jederzeit in Bewegung zu setzen. Selbst wenn jeder einzelne Alfar gegen die Verteidigungsstellungen marschiert, werden sie nicht in der Lage sein durchzubrechen. Selbst wenn sie ihr gesamtes Volk bewaffnen und all ihre Magie einsetzen, können sie höchstens eine Bresche in unsere Verteidigung schlagen, aber besitzen nicht die nötigen Truppen um weiter ins Landesinnere vorzudringen oder die gesamte Front aufzurollen.“
„Wissen der Erzbischof und der Hochgeneral von diesen Plänen?“ fragte sie leise, noch immer nicht überzeugt davon. Ihr Vater dankte bald ab und das bedeutete sie musste diesen Angriff befehligen, sie musste diesen Plan in die Tat umsetzen und das jagte ihr Angst ein.
„Natürlich nicht. Der Kampf gegen den Schattenritter ist allein unsere Angelegenheit. Er gehört uns, den Akashi, und nicht den Templern oder dem Erzbischof. Der Schattenritter stirbt durch meine Hand oder die eines anderen Akashi, alles andere ist für uns inakzeptabel. Aber egal was die Kirche davon hält, unser Cousin, Halos, wird nach den Hochzeitsfeierlichkeiten das Kommando im Norden übernehmen. Er hat den Befehl erhalten sich vorerst ganz normal zu verhalten und die Verteidigung zu übernehmen, so wie es dein Vater die letzten Jahre über getan hat. Außerdem soll Halos versuchen einige Kommandanten der Templer auf unsere Seite zu ziehen und Angebote in den Norden an die Sanknie Allianz schicken und so viele Söldner wie möglich anheuern. Wenn wir den Schattenritter mitten in feindlichem Gebiet stellen und besiegen wollen, brauchen wir jeden einzelnen Soldaten den wir kriegen können.“ er beendete seine Ausführungen über den Plan und warf ihr einen durchdringenden Blick zu, mit dem er versuchte sie einzuschätzen, denn er wusste in letzter Zeit nicht mehr wirklich was er von Lyaena halten sollte „Dein Vater weiß dass ich manchmal vielleicht etwas zu...übermütig sein kann, vor allem wenn es um den Schattenritter geht. Er hat Vorkehrungen getroffen damit ich nicht einfach beim ersten winzigen Hinweis auf den Aufenthaltsort unseres Feindes blind losmarschiere. Wir wissen dass dieser Angriff gefährlich werden kann, vor allem wenn er fehlschlägt. Es ist zwar unwahrscheinlich dass die Front ohne unsere Truppen sofort zusammenbricht, aber wir werden kein Risiko eingehen wenn es sich vermeiden lässt. Halos und unsere Truppen werden sich erst in Bewegung setzen, wenn wir beide gemeinsam den Befehl dazu geben. Erst wenn wir uns einig sind dass der Angriff erfolgreich durchgeführt werden kann, werden die Männer marschieren. Dein Vater und alle Akashi setzen ihr ganzes Vertrauen ins uns und das dürfen wir nicht durch unser kindisches Gezänk enttäuschten. Verstehst du das, Lyaena?“
„Ja...das tue ich.“ flüsterte sie und wurde dabei aschfahl. Das war nichts was sie im Moment hören wollte! Sie war dabei die Familienrache an dem Schattenritter zu vernichten mit ihrer egoistischen Affäre, da musste sie nicht auch noch hören dass sie eine Rolle in dem Plan spielte, sie zusammen mit Teregion. Ihr Vater war wirklich fest davon überzeugt dass sie zusammen Rache nehmen konnten, es ihnen gelang die Akashi zu neuem Ruhm zu führen, aber sie selbst war sich nicht einmal sicher ob sie ihn heiraten konnte. So schnell sie konnte sprang Lyaena auf, während Panik sich in ihr breit machte. Sie musste zu Luca, bevor sie noch nach all dem Gerede von Teregion nachgab und wieder ihren Hass auf ihn vergaß, denn darin war er gut. „Ich muss weg. Wir sehen uns...“
„Warte!“ Teregion stand ebenfalls auf, auch wenn er verwirrt war von ihrem Verhalten „Ich war noch nicht fertig. Wir müssen nicht verheiratet sein, um diesen Plan umzusetzen, das ist es was ich dir sagen wollte. Der Angriff und die Vernichtung des Schattenritters werden stattfinden, ganz egal ob wir ein Paar sind oder nicht. Wenn du die Verlobung also wegen meines Verhaltens lösen willst, dann kannst du es ohne schlechtes Gewissen tun. Aber ich...“ er sah sie traurig an, ein Blick, bei dem sich ihr Magen zusammenzog und sie sich erst recht wieder schuldig fühlte „Ich bereue was ich dir angetan habe und schwöre, dass ich seit diesem...Vorfall, keine andere Frau mehr angerührt habe. Es hat dich gekränkt dass ich dir seit deiner Rückkehr aus dem Weg gehe, aber das mache ich nur weil...weil ich ein Mistkerl war. Ich war furchtbar zu dir und habe mich nicht getraut dir unter die Augen zu treten, nicht mit dem Wissen dass ich unsere Liebe verraten und dich verletzt habe. Deswegen habe ich mich in Arbeit vergraben und versucht dir aus dem Weg zu gehen.“
„I-i-ich...i-ich m-muss gehen, s-s-sofort.“ stotterte Lyaena mit rasendem Herzen vor sich hin, als er auf sie zuging um sie zu umarmen. Sie wusste, sobald sie in seinen Armen lag und er sie küsste, würde sie alles vergessen und sich sofort wieder in ihn verlieben. Sie musste verschwinden, zu Luca, so schnell wie möglich. Lyaena warf ihm einen letzten, entschuldigenden Blick zu und dann ergriff sie förmlich die Flucht.
„Was war das denn schon wieder?“ fragte sich Silberblatt leise und die deprimierte Miene die er eben noch aufgesetzt hatte und der verliebte Blick verschwanden auf der Stelle. Sie hatte ihm alles abgekauft was er gesagt hatte, aber anscheinend war es nicht genug gewesen. Vielleicht sollte er sich von Theresia Schauspielunterricht geben lassen. Wer hätte gedacht dass es so schwer werden würde sie wieder einzuwickeln, schoss es ihm durch den Kopf, während er leise etwas vor sich hin murmelte „Jetzt ist sie endgültig durchgedreht.“



Ein paar Tage nach ihrer eigenartigen Rückkehr nach Navea, lagen Aleyandra und Naruz auf seinem Bett in der Villa der Bladelli und faulenzten. Viel mehr hatten sie sowieso nicht zu tun. Naruz wusste noch immer nichts neues von der Inquisition und Aleyandra wartete auf neue Aufträge. Die beiden lagen unter einer dünnen Decke und Aleyandra hatte sich an ihn gekuschelt, während sie auf ihm lag, wobei sie immer wieder einnickte auf seiner Brust.
„Ein wunderschöner Tag.“ durchbrach Aleyandra plötzlich flüsternd die Stille, nachdem sie mal wieder für ein paar Minuten geschlafen hatte. Sanft schmiegte sie sich an ihn und schnurrte zufrieden als er mit der Hand durch ihre Haare fuhr. Das war perfekt. So oft hatte sie sich in den letzten Monaten vorgestellt wie es wäre endlich wieder mit Naruz zusammen zu sein. „Es ist schön einfach mal Zeit miteinander zu verbringen.
„Mhm, ja.“ kam es nach einer Weile langsam von dem abgelenkten Naruz, der gar nicht daran dachte sich zu entspannen.
„Selbst damals, während meiner Ausbildung, konnten wir niemals so viel Zeit miteinander verbringen, ist das nicht einfach perfekt Naruz?“
„Ja, ich denke schon.“ antwortete er ohne nachzudenken, aber schüttelte dann sofort genervt den Kopf und wäre am liebsten aufgesprungen um unruhig in seinem Zimmer auf und ab zu laufen. „Nein, es ist weit davon entfernt perfekt zu sein.“ Sofort brachte er Aleyandra dazu enttäuscht zu Seufzen, da war es wieder. Das Gejammer über die Auflösung seines Inquisitorenteams. So sehr Naruz sich auch bemühte, er bekam keinerlei Informationen von der Kirche was die Zukunft seines Teams anging. Man hatte ihm nur befohlen sich in Navea aufzuhalten und zu warten, mehr nicht. „Wenn ich bloß wüsste was sie vorhaben. Es macht mich verrückt keine Ahnung zu haben was als nächstes mit meinem Team passieren wird! Aber niemand will mir etwas verraten.“
„Du machst dir viel zu viele Sorgen über diesen unwichtigen Kram. Vergiss den ganzen langweiligen Unsinn doch einfach mal für eine Weile, ja?“ murmelte Aleyandra, noch immer etwas schläfrig, vor sich hin und war sofort schlagartig wach, als sie ihre eigenen Worte bemerkte. Aus irgendeinem Grund nahm Naruz seine Arbeit als Inquisitor ernst und mochte das was er tat sogar. Sie dagegen konnte mit seinem Gejammer nicht viel anfangen, geschweige denn es nachvollziehen. Aber sie hatte sich eigentlich geschworen seine unerklärliche Begeisterung für die Kirche nicht zu verurteilen, zumindest nicht offen und laut.
„W-was? Unwichtiger Kram?“ verunsichert und fast schon empört nahm er die Hand von ihrem Kopf, was Aleyandra dazu brachte ein kurzes, wütendes Fauchen auszustoßen „Du findest meine Arbeit ist...unwichtiger Kram?“
„Nein, das meinte ich nicht! Du leistest natürlich großartige Arbeit, immerhin hast du in Candeo eine Erzdämonin erledigt und diesem Schattenritter und seinen Handlangern sicher einen harten Schlag verpasst. Es gibt keinen besseren Inquisitor in der Kirche, das wissen der Erzbischof und Hochgeneral auch.“ antwortete sie versöhnlich und so hastig wie möglich, auch wenn es ihr nicht wirklich gelang bei einem, für sie, so unwichtigem Thema lange ernst zu bleiben.
„Vielleicht, aber ich war es nicht, der Candeo gerettet hat.“ Naruz lächelte sie an, wobei ihr Herz vor Freude einen Sprung machte. Es war das erste mal, dass er etwas gutes über ihre Arbeit für die Kinder Gaias sagte. Das erste und vermutlich letzte mal. „Das warst alleine du. Ich habe mich mit meinem Team...meinem ehemaligem Team unterhalten. Es gelang ihnen und den Templern zwar die ersten Vorstöße der Sarpa abzuwehren, aber gegen Ende kamen die Schlangenkriegerinnen zu Tausenden aus dem Sumpf gekrochen. Sie hielten direkt auf die verstreuten und erschöpften Templer zu, und dann, ganz plötzlich, zogen sie sich zurück. Ohne einen Laut von sich zu geben oder noch jemandem ein Leid zuzufügen, rannten sie zurück in den Sumpf, und das alles nur, weil du ihre Anführerin erledigt hast.“
„D-das...h-hat Sigrun dir eigentlich den ganzen Kampf beschrieben?“ fragte Aleyandra vorsichtig nach, dabei versuchte sie die Besorgnis aus ihrer Stimme zu verdrängen so gut es ging.
„Nein, das darf sie nicht mehr. Aelius dreht durch wenn sie so leichtfertig mit mir über ihre Arbeit redet, aber ich wollte wenigstens wissen ob du in Sicherheit warst. Sigrun wollte mir nur sagen wie der Kampf ausging, aber ich bin sicher du hast dich toll geschlagen gegen die Schlangenhexe.“
„Ja, das habe ich. Es...es war gar nicht so schwer.“
„Tja, wie auch immer. Mir wurde zur Belohnung für meinen Sieg mein Team genommen und womit hat der große Silberblatt dich für deine Heldentat belohnt?“
„Er ähm...“ Aleyandra brach verlegen ab und traute sich nicht das Thema anzusprechen. Naruz reagierte allergisch auf ihren Großmeister und sie wollte lieber nicht über etwas reden, was nur wieder zu einem Streit führen würde.
„Ja? Was hat er dir gegeben?“ Auch wenn er die Frage anfangs neckisch gemeint hatte, mischte sich jetzt langsam echte Neugier in seine Stimme. Die Kirche musste sie dafür belohnen, immerhin war es das einzig nette was sie jemals getan hatte...was er ihr natürlich niemals offen ins Gesicht sagen würde. „Komm schon, er muss dich irgendwie belohnt haben! Du hast verhindert das eine ganze Stadt von menschenfressenden Schlangenmonstern ausradiert wurde und eine Armee der Templer gerettet!“
„Er hat mir ein Kleid geschenkt.“ flüsterte sie und sie schloss kurz verträumt die Augen, als sie an das prächtige Ballkleid dachte und die Einladung zum Ball der Akashi, die ein Bote ihr gestern gebracht hatte.
„Ein Kleid? Das ist alles?“
„E-es ist ein Ballkleid und zwar ein sehr schönes und teures. Dazu haben die Akashi mir etwas Schmuck geliehen. Nichts besonderes glaube ich, aber wenn du willst kann ich es dir vor dem Ball noch zeigen. Bisher kam ich noch nicht dazu alles auszupacken und anzuprobieren.“ sofort färbten sich ihre Wangen rosa und sie würde am liebsten im Boden versinken wenn sie an ihre hilflosen Versuche dachte das aufwendige Kleid anzuziehen. Dabei hätte sie beinahe sich selbst und Saeca umgebracht. Erst Bel Chandra konnte sie dann letztendlich aus diesem Ungetüm befreien, womit die Elfe auch endlich einmal zu etwas gut war. „Ich...ich hatte noch nie echten Schmuck oder so ein Kleid.“
„Wozu? Ich meine...du wirst sicher toll aussehen in den Sachen, aber warum hat Silberblatt dir das alles gegeben? Er will dich doch hoffentlich nicht auf irgendein Fest oder so einladen, oder?“ Naruz warf ihr einen misstrauischen Blick zu, der Aleyandra lustigerweise gefiel. Es war interessant zur Abwechslung einmal Naruz eifersüchtig zu sehen, ein Anblick, an den sie sich gewöhnen konnte.
„Naja, nicht nur mich, sondern uns beide...genauer gesagt mich und eine Begleitung. Wir wurden zum großen Familienball der Akashi nächste Woche eingeladen! Ist das nicht großartig?“
„Toll...“ murmelte Naruz gelangweilt und versuchte gar nicht erst seine mangelnde Begeisterung zu verbergen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ein ganzer Abend, eingesperrt in einem stickigen Saal voller betrunkener Akashi und Silberblatt der nur darauf wartete sich Aleyandra zu schnappen. Etwas schöneres konnte er sich gar nicht vorstellen. „Erklärt noch lange nicht warum er dir ein Kleid schenkt und noch dazu ein so teures...“
„Weil ich kein K-kleid für so einen Anlass besitze.“ antwortete sie und senkte verlegen den Blick. Er war dank seiner Nähe zu den Bladelli sicher schon auf vielen solcher Veranstaltungen gewesen, aber sie kannte so etwas nicht und sah dem Ball fast schon mit kindlicher Freude entgegen. Leise fuhr sie langsam und nachdenklich fort. „Ich möchte wirklich gerne auf den Ball gehen und dort tanzen, auch wenn ich keine Ahnung habe wie man tanzt. Ich hatte gehofft du weißt vielleicht wie das geht oder jemand aus deinem Team kann es uns beibringen. Immerhin will ich nicht dass wir uns zwischen den ganzen Adeligen blamieren.“
„Tja, da wirst du jemand anders fragen müssen. Ich habe keine Ahnung wie man tanzt und will es auch gar nicht wissen. Anya müsste etwas davon verstehen, immerhin kommt sie selbst aus einer der großen Familien und war sicher schon auf solchen Veranstaltungen.“
„Großartig!“ rief sie sofort und strahlte ihn an „Dann bitten wir sie uns Tanzunterricht zu geben, ja?“
„Kannst du gerne machen, aber alleine.“ schmetterte Naruz schroff ab „Ich habe nicht vor Tanzen zu lernen, weil ich nicht bei Silberblatts kleinem Spießrutenlauf mitmachen werde. Wenn du willst frage ich jemanden aus meinem Team, ob irgendwer mitgehen möchte oder du fragst Saeca, die freut sich sicherlich. Aber ich, werde dort nicht auftauchen, niemals.“
„D-du willst mich nicht begleiten? Ich hatte gehofft wir können zusammen auf den Ball gehen, a-als P-p-paar.“
Aleyandra legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzublicken und ihn mit Tränen in den Augen anzusehen. Verzweifelt seufzte er und fragte sie wie er aus der Sache rauskam ohne dass Aleyandra anfing zu weinen oder ihn hasste. „Worum geht es überhaupt bei dem Ball?“ fragte er um Zeit zu gewinnen.
„Naja, es ist ein Fest der Akashi und das Oberhaupt der Familie wird dort seinen Rücktritt verkünden. Kyosuke Akashi wird sich in den Ruhestand auf irgendein Anwesen weit im Süden zurückziehen, damit geht das Oberkommando über die Truppen der Familie und ihr gesamter Besitz an seine Tochter, Lyaena. Ich glaube du hast sie noch nicht kennengelernt oder? Sie war bei den Bladelli zu Besuch, aber ich glaube an dem Abend hatten wir beide eine Verabredung und du konntest sie nicht sehen. Aber egal, sie ist jedenfalls ganz nett, glaube ich. Jedenfalls, ist sie Silberblatts Verlobte und die beiden werden bald heiraten. Damit übernimmt er dann die Führung über die Akashi, also ist es ein sehr wichtiger Tag für ihn, seine Verlobte und die Akashi.“
„Großartig, also ein ganzer Abend zu ehren des neuen Oberhaupts der Akashi und damit auch für Silberblatt. Heißt ich kann mir den ganzen Abend über seine Beleidigungen anhören, zusehen wie er mich jedes mal anfunkelt sobald ich auch nur in deiner Nähe bin, während hunderte von seiner widerlichen Art um uns herumschwirren. Klingt perfekt.“
„Du übertreibst vollkommen! Es wird ein wundervoller Abend. Wir können tanzen, essen und trinken auf Kosten von Silberblatt und uns amüsieren.“
„Das können wir auch ohne irgendeinen dummen Ball auf dem wir uns mit Akashi rumschlagen müssen.“
„I-ich dachte nur...“ Aleyandra biss sich schnell auf die Zunge und brachte sich zum Glück rechtzeitig zum Schweigen. Mühsam schluckte sie ihre nächsten Worte herunter. Sie wollte ihm kein schlechtes Gewissen einreden nur um ihn am Ende doch irgendwie zu dem Abend zu zwingen. „Ich hatte nur gehofft wir könnten gemeinsam hingehen, das ist alles. Aber wenn du nicht willst, dann gehe ich halt alleine und nerve dich nicht mehr damit.“ sanft strich sie mit einer Hand über seine Brust und schmiegte sich wieder an ihn „Tut mir leid, ich weiß, dass du gerade ganz sicher keine Nerven für so etwas hast. Ich hätte nicht damit anfangen dürfen, aber ich hatte gehofft die Nachricht würde dich ablenken und freuen.“
„Würde es ganz sicher nicht. Ich habe andere Probleme als diesen Unsinn. Silberblatt hat sicher nichts gutes im Sinn und das weißt du auch. Er wird mich den ganzen Abend nur beleidigen und inmitten der gesamten Akashi-Familie kann ich ihn schlecht umbringen...also wird der Abend eine einzige Hölle.“ Naruz seufzte genervt und hoffte das Thema damit hinter sich lassen zu können, nie im Leben würde er auf das Fest von Silberblatt gehen, außer vielleicht um ihm den Hals umzudrehen. „Lassen wir das, reden wir lieber wieder über wichtigere Dinge. Wie zum Beispiel die Dankbarkeit der Kirche und wie es jetzt mit meinem Team weitergehen wird.“
„Glaub mir, mit dem Thema wirst du auch nicht glücklich, denn ich habe dazu nur eins zu sagen: Du bist ein Idiot.“
„Was?“
„Du bist ein Idiot.“ wiederholte Aleyandra und versuchte ihre Enttäuschung über seine Ablehnung zu überspielen „Wieso machst du dir so viele Sorgen über deinen Posten? Die Kirche wird halt neue Teams für die Inquisition gründen, warum ist doch egal, und mit etwas Glück befördern sie dich auf einen ungefährlichen, friedlichen Posten irgendwo hier in Navea. Am besten einer bei dem du viel verdienst und die Stadt nie wieder verlassen musst. Oder noch besser, sie schicken dich für deine Heldentaten in den Ruhestand. Schenken dir noch einen schönen, großen Beutel Gold für deine Leistung und lassen dich ziehen, wäre das nicht toll?“
„T-toll? Was soll daran toll sein!? Warum sagst du so etwas überhaupt?“
„Ich kann dich einfach nicht verstehen, das ist alles. Warum willst du unbedingt für die Kirche arbeiten? Was für einen Sinn macht es, sich in Lebensgefahr zu begeben für etwas woran man nicht einmal glaubt? Was bringt es dir, dein ganzes Leben im Dienst dieser Betrüger und Idioten zu verschwenden anstatt es einfach aus vollen Zügen zu genießen? Es gibt keinen Grund für dich der Kirche zu dienen wie ein höriger Sklave. Was soll dieses ganze Inquisitorengehabe überhaupt? Du kannst einfach aus dem Dienst der Kirche austreten wann immer du willst und ich habe noch nie verstanden warum du den ganzen Unsinn weiter mitmachst.“
„Was soll ich deiner Meinung nach sonst mit meinem Leben anfangen?“
„Was immer du willst!“ rief Aleyandra plötzlich aufgeregt und ihre Augen begannen vor Begeisterung zu strahlen. Es ging nicht in ihren Kopf, wieso Naruz freiwillig für die Kirche kämpfte, während sie selbst alles dafür tun würde genau diesem Leben für immer zu entkommen. „Besonders jetzt, nachdem deine magischen Kräfte erwacht sind! Du kannst tun und lassen was immer du willst! Die ganze Welt liegt dir zu Füßen und wartet nur darauf dass du deine Träume verwirklichst, anstatt dich mit dem langweiligen Mist der Kirche rumzuschlagen.“
„Und was ist wenn das hier bereits mein Traum ist? Ich mag es den Menschen zu helfen, außerdem weißt du dass ich gegen Dämonen kämpfen will. Ohne die Kirche und vor allem die Inquisition, würde das ganze Reich von Dämonen überrannt werden.“
„Und? Wozu das alles?“ fragte Aleyandra verwirrt nach und hob den Kopf um ihm einen verständnislosen Blick zuzuwerfen „Das was du gesagt hast, ist ja alles ganz nett, naiv und niedlich, aber wozu soll es gut sein? Was bringt es dir dein Leben für einen Haufen Unbekannter zu riskieren? Lass die Templer oder irgendwelche anderen Narren das erledigen und lebe dein Leben!“
„Musst du diese Frage wirklich noch stellen nachdem du in Candeo dein eigenes Leben riskiert hast um meine Freunde und die Templer zu retten? Das was du dort getan hast, ist doch genau das gleiche!“
„Ist es das?“ fragte sie nachdenklich und betrübt. Sie hatte keinen einzigen Gedanken an die Menschen in Candeo oder Naruz Freunde und die Templer verschwendet. Es ging ihr nur darum niemals wieder an dem Ort ihrer Träume zu landen. Sie würde ihr Leben für niemanden wegwerfen, außer für Naruz. „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich keinen Finger mehr für die Kirche krümmen. Ich würde mich einfach umdrehen und verschwinden, ohne noch ein einziges mal zurückzublicken.“
„Heißt das du würdest aufhören für die Kirche zu kämpfen, selbst dann wenn du die Chance hättest Leben zu retten?“ fragte Naruz zögerlich nach und fühlte sich plötzlich unwohl in seiner Haut. In diesem Punkt schien Aleyandra das genaue Gegenteil von ihm zu sein und es verwirrte ihn dass er nach all der Zeit die sie sich jetzt kannten noch immer so wenig über sie wusste. Aleyandra redete generell nie über sich wenn sie zusammen waren, sondern versuchte stattdessen ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
„Ich würde keine Sekunde zögern diese verfluchte Stadt hinter mir zu lassen.“ antwortete Aleyandra wie aus der Pistole geschossen und ohne eine Sekunde darüber nachzudenken „Es gibt nur zwei Dinge, die mich an diesem furchtbaren Ort halten. Die Drohungen der Kirche und du. Ohne wäre ich schon längst in Vo Astur oder vielleicht würde ich Midgard bereisen, gemeinsam mit Saeca. Das würde sicher viel mehr Spaß machen, als für diese Aasgeier der Kirche zu arbeiten.“
„In Helonia hast du noch ganz anders geredet. Damals meintest du, dass du unbedingt in Navea leben wolltest. Als Magierin in den Diensten der Kirche.“
„Das war die alte Aleyandra. Die Aleyandra, die sich nichts schöneres und größeres vorstellen konnte als Helonia zu verlassen und in das große, prächtige Navea zu ziehen. Aber...die alte Aleyandra ist tot.“ ihre Stimme wurde dabei immer leiser und gedämpfter
„Das ist schade, die alte Aleyandra hat mir gefallen.“ meinte er, aber lächelte sofort als er merkte wie sie sich anspannte und fuhr sanft fort „Aber ich mag die neue Aleyandra sowieso lieber.“
„W-wirklich?“
„Ja, natürlich.“ versicherte Naruz ihr so schnell er konnte, bevor sie seine Zweifel spüren konnte. Die neue Aleyandra hatte ihre Vorteile, immerhin hatte sie während der Reise zurück nach Navea sogar versucht sich mit seinen Freunden anzufreunden. „Du wirkst...anders als damals. Du bist nicht mehr so traurig und deprimiert, du lächelst häufiger, wirkst selbstsicherer und ich glaube du bist auf einem guten Weg deine Eifersucht endgültig zu überwinden.“ Vor allem der letzte Punkt verwirrte ihn noch immer.
„Bist du dir da sicher?“
„Naja, erst vor ein paar Tagen lag ein hübsches Mädchen in meinen Armen und du hast nicht einmal mit der Wimper gezuckt.“ meinte er mit einem leisen Lachen.
„Keine Sorge. Ich werde nicht ausrasten nur weil du dich mit Anya oder einem anderen Mädchen unterhältst, jedenfalls nicht mehr.“
„Siehst du? Genau deswegen mag ich die neue Aleyandra. Auch wenn diese Frage vielleicht seltsam rüberkommt aber...warum? Versteh mich nicht falsch, ich bin froh darüber. Aber warum stört es dich plötzlich nicht mehr?“
„Weil du mich liebst natürlich.“ erwiderte sie als wäre die Antwort doch völlig offensichtlich und bedachte ihn mit einem Blick als wäre er etwas schwer von Begriff.
„Das habe ich vorher auch schon, trotzdem hast du mir kein bisschen vertraut und mich sogar verfolgt, wie ein Schatten. Und...“
„Wie gesagt, das war die alte Aleyandra.“ unterbrach sie ihn schroff und für einen Moment glaubte er genau diese alte Aleyandra wieder durchschimmern zu sehen, aber dann strahlte sie ihn plötzlich mit einem breiten Lächeln an „Und jetzt, sei endlich still und entspann dich etwas, damit du nicht mehr über die Inquisition nachdenken musst.“
„Du redest doch die ganze Zeit ununterbrochen!“
„Dann sollten wir eine bessere Beschäftigung für meinen Mund finden, meinst du nicht auch?“ Aleyandra lächelte keck und ohne auf seine überraschten Blicke zu achten, kroch sie unter die Decke und verschwand. Weit kam sie nicht, während sie sich an seiner Hose zu schaffen machte, denn plötzlich und ohne anzuklopfen, öffnete jemand langsam die Tür. Anya schob vorsichtig ihren Kopf hinein und als sie sah das er anscheinend alleine war, folgte der Rest von ihr.
„Hallo Naruz. Ich wollte dich etwas fragen und...“
„Das ist vielleicht gerade kein guter Zeitpunkt.“ unterbrach Naruz sie und musste sich dazu zwingen eine gefasste Miene zu behalten.
„W-wieso denn?“ Anya starrte ihn verwirrt an. Sie musste ihn für verrückt halten.
„Sagen wir, ich habe Besuch...oder so etwas in der Art zumindest.“ Während Naruz noch überlegte wie er es erklären sollte, schlüpfte Aleyandras Kopf unter der Decke hervor.
„Oh, hallo Anya, schön dich zu sehen.“ nuschelte sie ohne ein Anzeichen von Verlegenheit und musste grinsen als sie sah wie Anya hochrot anlief.
„T-t-tut mir...“ Anya versuchte verzweifelt nach Worten zu ringen, aber sie wurde nur noch mehr rot im Gesicht und brachte kein einziges Wort mehr raus.
„Hast du eigentlich nicht gelernt anzuklopfen? Ich weiß es ist praktisch dein Haus, aber das ist kein Grund unhöflich zu sein, richtig Naruz?“
„Nicht wirklich. Es ist mitten am Tag und wir sind Freunde, sie kann ruhig reinkommen wenn sie will.“ antwortete Naruz versöhnlich und versuchte damit Anya etwas zu helfen die Situation zu überspielen.
„Vielleicht wusste sie ja das ich hier bin und hofft mitmachen zu können?“
„Hör auf sie zu ärgern, Aleyandra, das ist nicht nett.“ murmelte Naruz ihr erstaunlich genervt zu, als er sah wie unwohl Anya sich in ihrer Haut fühlte. Aleyandra ließ als Erwiderung nur ein beleidigtes „Pff“ hören. Natürlich schlug er sich auf Anyas Seite, das tat er immer. Normalerweise würde sie jetzt noch etwas dazu sagen oder wütend und eifersüchtig werden sobald Anya weg war, aber sie lächelte nur und schmiegte sich mit einem zufriedenen Schnurren an Naruz. Dann mochte er Anya halt, das machte ihr nichts mehr aus. „Also, warum bist du hier, Anya?“
„T-t-t-theaterkarten.“ stammelte sie vor sich hin, aber unter den verständnislosen Blicken der beiden schrumpfte sie sofort wieder in sich zusammen. Es dauerte eine Weile bis es ihr gelang sich zu sammeln, aber dann sprach sie so ruhig wie sie im Moment konnte weiter. „Ich habe von meinem Großvater zwei Theaterkarten bekommen, aber ich war da schon sehr oft und wollte fragen ob du sie vielleicht möchtest, Naruz. Die Karten sind für eine Vorstellung nächste Woche. Normalerweise ist das magische Theater immer schon ausgebucht und wenn man in eine der Vorstellungen möchte muss man schon Monate im voraus die Karten kaufen, aber viele Gäste haben abgesagt, vor allem welche aus den großen Familien, weil an dem Abend der Ball der Akashi ist und sie dass vor ein paar Monaten noch nicht wussten.“
„Am Ballabend? Tatsächlich?“ fragte Naruz interessiert nach und ein siegessicheres Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Mit diesem Grinsen wandte er sich an Aleyandra, die nur enttäuscht aufstöhnte und wusste was jetzt kommen würde. „Also, dann gehen wir zusammen ins Theater, ja? Lassen wir den Ball einfach Ball sein, du warst immerhin noch nie im Theater.“
„Oh nein, so leicht lasse ich mich nicht von dem Ball abbringen, ich will unbedingt hin.“ beharrte Aleyandra trotzig, auch wenn sie dann versöhnlicher fortfuhr „Warum gehst du nicht zusammen mit Anya ins Theater? Du hast deutlich genug gemacht, dass du nicht mit auf den Ball kommst, also kannst du dich auch genauso gut etwas amüsieren. Ich nehme Saeca mit oder jemanden aus deinem Team.“
„Großartige Idee! Ich bin dabei!“ rief Naruz erleichtert und lächelte Anya dankbar zu. Seine rasche Antwort verdüsterte Aleyandras Laune allerdings sofort wieder. Dass er nicht mitgehen wollte, das konnte sie akzeptieren, aber seine Antwort war so schnell gekommen und hatte so überzeugend geklungen, dass sie sich langsam frage ob Naruz Entscheidung wirklich an Silberblatt lag, oder ob er nur nicht mit ihr zusammen sein wollte und lieber Zeit mit Anya verbrachte. Aleyandra schüttelte kurz benommen den Kopf. Nein! Das waren die Gedanken der alten, schwachen Aleyandra, aber sie war jetzt nicht mehr unsicher, hatte sie sich zumindest geschworen. Anya und Naruz beredeten noch irgendetwas wegen ihrem Theaterbesuch, aber Aleyandra hörte den beiden schon gar nicht mehr zu. Sie hatte die Augen geschlossen und war dabei, langsam aber sicher, in einen ruhigen, friedlichen Schlaf zu entgleiten.
Zuletzt geändert von Vanidar am 6. Dezember 2014 03:58, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 5. Dezember 2014 00:22

41 - Paolos Geständnis (Öffnen)
Kapitel 41 – Paolos Geständnis:


Es war bereits spät am Abend, und Naruz hatte mal wieder äußerst schlechte Laune. Seitdem sein Team aufgelöst wurde, war dies immer öfter der Fall gewesen, und das Gespräch mit Aleyandra am Tage zuvor hatte nicht wirklich dazu beigetragen, seine Stimmung zu heben. War das, was er tat wirklich so falsch? War es etwa schlimm, dass er anderen Menschen helfen wollte?
Nein, ist es nicht. Du tust genau das richtige. Alles was du tust, ist richtig, es gibt kein falsch, oder böse. Nur das, was du tun willst. Naruz verzog das Gesicht, kaum dass er diese Worte in seinem Kopf vernahm. Die Stimme war ihm nicht unbekannt, er wusste nicht, woher sie kam, oder wer dahinter steckte, aber in letzter Zeit hörte er sie immer öfter, und sie schien kein anderes Ziel zu haben, als ihn in seinen Vorhaben zu bestätigen und ihm zu versichern, dass alles was er tat, vollkommen normal und richtig war. Zum ersten mal hatte er die Stimme gehört, als er und die anderen nach Navea zurückgekehrt waren. Als er auf dem Marktplatz mit den Akashi aneinandergeraten ist, meldete sich die Stimme zum ersten mal zum Wort, und sagte ihm, dass der Akashi es verdient hatte, für sein Verhalten eine Abreibung zu kriegen. Insgeheim war Naruz froh, dass Salvatore und Aynaeth ihn zurückgehalten hatten, ansonsten wäre die Situation vermutlich eskaliert. Bislang hatte er niemandem von der Stimme erzählt, nicht einmal Aleyandra oder Serif. Sie würden ihm eh nicht helfen können, wahrscheinlich würden sie eher denken, dass er verrückt wurde. Trotzdem gefiel es ihm nicht, er hatte von sich aus ein paar Bücher angesehen und versucht, einen Bericht über ähnliche Vorfälle zu finden, aber nein. Es gab anscheinend noch nie jemanden, der ebensolche Stimmen gehört hatte... zumindest niemanden, der noch bei gesundem Verstand war. Er seufzte, es hatte keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Am besten wäre es, die Stimme einfach zu ignorieren. Gleichzeitig war es auch das leichteste. Leider hatte er an diesem Abend ein weiteres Problem; Paolo Bladelli. Ursprünglich wollte Naruz den Abend mit Aleyandra verbringen, musste ihr dann jedoch kurzfristig absagen, als Paolo ihn zu sich bestellt hatte. Es war das erste mal gewesen, dass Naruz Tsubaki begegnet war, dem Eidolon, welches der Bladellifamilie diente. Eigentlich hatte Naruz ablehnen wollen, aber Tsubaki meinte, dass es äußerst dringend war, mit einem Unterton, der keinen Zweifel daran zuließ, dass sie notfalls versuchen würde, ihn eigenhändig zu Paolo zu schleifen. Darauf wollte er es nicht ankommen lassen, und so stand er nun also vor dem Büro des alten Bladelli, zu seiner Überraschung, war er jedoch nicht der einzige. Aus einem Seitengang kam Anya, und blieb verdutzt stehen, als sie Naruz sah.
„Naruz? Was machst du denn hier?“ fragte sie überrascht.
„Paolo wollte mit mir reden, er meinte, es sei dringend.“
„Wirklich? Das hat er mir auch gesagt... er meinte, ich solle ihn heute Abend in seinem Büro treffen.“ Sie legte den Kopf schief, und dachte nach. „Habe ich mich vielleicht im Tag geirrt? Nein, er hat eindeutig 'heute Abend' gesagt.“ murmelte sie vor sich hin.
„Lord Paolo erwartet Euch bereits.“ erklang plötzlich eine Stimme hinter den beiden, und als sie sich umdrehten sahen sie Tsubaki, die vor ihnen auf dem Boden kniete.
„Uns beide?“ fragte Naruz.
„Genau, der letzte Gast ist bereits anwesend.“
„Der letzte Gast?“ fragten Anya und Naruz gleichzeitig.
Das Eidolon zögerte eine Weile, und wirkte schlagartig nervös. „Es... ist besser, wenn Lord Paolo es Euch persönlich sagt. Die Sache ist so schon kompliziert und schwierig genug.“ Naruz warf Anya einen unsicheren Blick zu, die zuckte jedoch nur mit den Schultern.
„Also gut, wenn du meinst.“ murmelte er, an Tsubaki gewandt und klopfte an die Tür, wenn auch mit einem äußerst miesen Gefühl.
„Herein.“ kam es aus dem Zimmer, und Naruz öffnete die Tür. Paolo saß hinter seinem Schreibtisch, und starrte zur Tür. Er wirkte äußerst nervös, so hatte Naruz ihn noch nie zuvor gesehen. Anya anscheinend auch nicht, das schloss Naruz zumindest, aus ihrem Stirnrunzeln. Dem Schreibtisch gegenüber standen drei Stühle, auf einem von ihnen saß bereits eine Person, mit dem Rücken zur Tür. Naruz konnte zwar nur die kurzen, schwarzen Haare der Person sehen, trotzdem lief ihm ein Schaudern über den Rücken. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, kam ihm die Person bekannt vor... nein, das war nicht ganz richtig, sie umgab eher eine Aura, die Naruz kannte, oder die er glaubte zu kennen.
„Was soll das, Paolo? Ich dachte, du wolltest wieder versuchen mich dazu zu überreden, bei dieser neuen Einheit mitzumachen, wen hast du denn noch eingeladen?“ fragte der Fremde ungehalten, und bei seiner Stimme wich Naruz einen Schritt zurück und fasste sich an die Stirn.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Anya besorgt, woraufhin Naruz schwach lächelte und nickte.
„Ja... alles bestens.“ sagte er, auch wenn es ihm in Wahrheit vorkam, als würde sein Schädel jeden Augenblick explodieren.
„Diese Stimme... Anya?“ der Unbekannte erhob sich von seinem Stuhl, und drehte sich um.
„Bitte, was auch immer du jetzt denkst, bleibe ruhig, ich kann das alles erklären.“ sagte Paolo schnell, aber weder Naruz, noch der Fremde schenkten ihm Beachtung, sie starrten sich einfach nur ungläubig an. Naruz blinzelte verwirrt, es kam ihm vor, als wenn er in einen Spiegel sehen würde, einen Spiegel, der ihm sein 'Ich' in ein paar Jahren zeigte. Die Gesichtszüge waren ein wenig strenger, als bei ihm, die Augen waren einfach nur grün, und die Frisur anders, abgesehen davon, sah der Fremde jedoch genauso aus wie er! Sogar die Größe stimmte ungefähr. Anya schien auch nicht glauben zu können, was sie da sah, ihr Blick wanderte zwischen den beiden hin und her, ehe sie Paolo einen fragenden Blick zuwarf. Dieser sagte jedoch nichts. Er biss auf seine Unterlippe und richtete den Blick auf seinen Schreibtisch, während der Fremde einen Schritt auf Naruz zuging, man könnte eher sagen, auf ihn zu taumelte, und langsam eine Hand nach dem Inquisitor ausstreckte, als wolle er ihn berühren. Er hielt sich jedoch zurück, die Hand mitten in der Luft, und starrte ihn einfach nur an.
Schließlich blinzelte er sachte, und sagte dann nur ein einziges Wort, mit einer fragenden Stimme. „Naruz?“ Er flüsterte den Namen nur, doch der Angesprochene hörte es so deutlich, als wenn der Fremde geschrien hätte... nur dass er nicht wirklich ein Fremder war. Kaum hörte Naruz seinen Namen erklang ein Geräusch, als wenn ein Spiegel zerbrechen würde. Vor Naruz' innerem Auge blitzten Bilder und Szenen aus seiner Kindheit auf; wie er als kleiner Junge mit Willie spielte, Sheila, die ihm die Haare wusch, die Kinder des Schmieds, mit denen er sich am Hafen herumtrieb. Die Bilder verblassten, nein, zersprangen, und wurden durch andere ersetzt. Naruz, wie er an einem Schreibtisch saß, und in einem dicken Buch las. Anya, die sich mit einer jungen, schwarzhaarigen Alfar stritt. Wieder Naruz, der zwei Drachen, geformt aus Magie durch die Luft fliegen ließ und dabei zufrieden lächelte. Das junge Alfarmädchen... Morrigan, die verzweifelt versuchte die geheimen Zauber ihrer Familie zu wirken. Dann wieder Anya, die ihm einen vollkommen verbrannten Kuchen präsentierte. Plötzlich der Fremde, wie er mit Naruz auf einer weiten Wiese mit einem Ball spielte. Wieder der Fremde, sie saßen zusammen mit Anya und Morrigan an einem Tisch und aßen. Der Fremde, wie er mit Naruz in einer Bibliothek saß und dicke Grimoire durchwälzte. Vereinzelte Bilder von Anya schimmerten hindurch, doch immer öfter er; der Fremde. Sein Freund. Sein... Bruder. Auf einmal veränderten sich die Bilder, wurden düsterer. Eine weinende Anya, neben den Leichen von zwei Templern. Der Bruder, mit ausdruckslosem Gesicht, der einen Diener tötete. Eine Frau, mit langen, schwarzen Haaren und einem freundlichen Gesicht, die irgendwelche Schriftzeichen und Linien auf den Körper des Bruders zeichnete, sie in seine Haut einbrannte. Und dann... dann er selbst. Er lag auf einer Art Altar, festgebunden, und die Frau stand über ihm gebeugt. Ein Schwert formte sich aus dunkler Energie, sie rammte es durch seinen Brustkorb, er schrie auf, und unbewusst fuhr seine Hand, seine echte Hand, an seine Brust. Eine Tür bricht auf; Templer stürmen herein. Die Frau dreht sich um, zu spät. Ihr Mann liegt tot auf dem Boden. Paolo Bladelli, er rammt ihr ein Schwert durch die Brust. Dann eine dunkle Gestalt, die Naruz nicht erkannte, die ihm jedoch trotzdem vertraut vorkam. Urplötzlich endete die Flut an Erinnerungen, mit dem Bild eines Eidolons; Uzuriel, im Tempel der Sonne, die irgendeinen Zauber wirkt. Die Bilderflut endete, und Naruz war wieder im Hier und Jetzt. Er kniete schwitzend auf dem Boden, Anya hockte neben ihm, und rüttelte an seiner Schulter, der Fremde hockte vor ihm. Nachdem die Bilder verschwunden waren, wusste Naruz nicht länger, was in seinem Kopf nun echt war, und was nicht. Aber eine Sache war da, ein Name, der so deutlich hervor schien, wie nie etwas zuvor. Naruz hob den Blick, und sah dem Mann, sich gegenüber, in die Augen, ehe er flüsternd den Namen aussprach.
„Lu... ca? Luca?“
„Du erinnerst dich..“ murmelte der Fremde... sein Bruder ungläubig, ehe sich seine Miene aufhellte, und Tränen aus seinen Augen traten. „Du erinnerst dich!“ rief er, und legte Naruz seine Hände auf die Schultern. Dieser war zu erschöpft um sich dagegen zu wehren, aber er wollte es auch gar nicht. Er kannte Luca, auch wenn es das erste mal, seit zehn Jahren war, dass sie einander gesehen hatten. „Nein... das ist unwichtig. Viel wichtiger ist; du lebst!“ sagte Luca fassungslos und schüttelte den Kopf. „Und Anya... dir geht es auch gut.“ fügte er hinzu, und richtete den Blick auf Anya, die noch verwirrter dreinblickte als Naruz.
„Ähm... ja... du bist Luca, mein Cousin, oder? Was geht hier vor sich?“ Bei diesen Worten versteinerte sich Lucas Miene, so als wenn er gerade an etwas erinnert worden war, und er stand auf. Langsam drehte er sich zu Paolo um, und wirkte dabei äußerst angespannt und bedrohlich.
„Das ist eine gute Frage, Großvater.“ knurrte er, und schlagartig umspielten rote Blitze seinen Körper. „Was geht hier vor sich?“ fragte er, und betonte jedes Wort einzeln. Klang er eben gerade noch erleichtert und fröhlich, war seine Stimme nun voller Hass. „Er trägt eine Inquisitorenrobe. Er ist ein Inquisitor! Würdest du mir das vielleicht erklären, Paolo?“
„Luca, beruhige dich.“ meinte Paolo und hob beschwichtigend die Hände.
„Oh, ich bin vollkommen ruhig, Großvater.“ zischte Luca zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Ruhiger geht es gar nicht, unter diesen Umständen.“ er trat einen Schritt auf den Schreibtisch zu, und die Luft um ihn herum schien zu knistern. „Zehn Jahre, Paolo. Zehn lange, verdammte Jahre, in denen ich eure Drecksarbeit gemacht habe. Zehn Jahre, mit Tod und Vernichtung. Zehn Jahre, ohne ihn überhaupt zu sehen. Zehn verdammte Jahre, dafür, dass er aus den Angelegenheiten der Kirche herausgehalten wird!“ während Luca sprach, wurde seine Stimme immer lauter, und gegen Ende hin war sich Naruz sicher, dass Naleya und Aynaeth ihn sogar in ihrer Bibliothek hören konnten. „Wie lange?“
„Was meinst du?“
„Du weißt ganz genau, was ich meine!“ schrie Luca, und schleuderte eine rote Energiekugel in eine Ecke des Raumes, wo sie ein Bücherregal mit einem lauten Knall in Kleinholz verwandelte. „Wie lange arbeitet er schon für die Inquisition? Zwei Wochen? Drei?“ Paolo zögerte lange mit seiner Antwort. Erst, als Luca kurz davorstand, erneut etwas zu zerstören, erhob er das Wort.
„Fast zehn Monate.“ sagte er. Luca starrte ihm fest in die Augen, und Naruz konnte einfach nicht anders, als Respekt vor dem alten Bladelli zu haben. Denn dieser hielt Lucas Blick stand; ein Blick, der wohl jeden anderen dazu gebracht hätte schnellstens die Flucht zu ergreifen.
„Zehn Monate.“ Luca schien die Worte geradezu auszuspucken. „Und wann hattest du vor, mir etwas davon zu sagen? Na? Wann hattest du vor, mir zu sagen, dass ich vollkommen umsonst zehn Jahre, in der Hölle auf Erden verbracht habe?!“
„Es tut mir leid.“
„Es... tut dir leid?“ fragte Luca ungläubig. Naruz war inzwischen zumindest wieder ein wenig zu Kräften gekommen, und stand mit Anyas Hilfe auf.
„Was geht hier eigentlich vor?“ flüsterte sie dem Inquisitor zu.
„Ich... bin mir nicht ganz sicher. Das werden wir Paolo fragen müssen. Eines ist jedoch sicher. Der Mann dort, Luca... er ist mein Bruder.“
„Was?!“ entfuhr es Anya, und sie wich einen Schritt vor Naruz zurück. „Das kann doch nicht...“
„Er sagt die Wahrheit.“ warf Paolo ein. Dann richtete er seinen Blick auf Luca. „Ich weiß, dass ich dir... euch allen, etwas schreckliches angetan habe, mit der ganzen Sache. Erlaubst du mir, die Sache zu erklären?“ fragte er. Luca zögerte. Sein Blick wanderte immer wieder zu Naruz und Anya. Letztendlich holte er tief Luft, woraufhin die roten Blitze verschwanden, und er setzte sich auf den Stuhl. Anya und Naruz ließen sich zögernd auf den anderen beiden Stühlen nieder.
„Dann lass deine Erklärung hören, Paolo!“ fauchte Luca, während er einen abfälligen Blick auf Naruz' Robe warf. „Und ich hoffe für dich, dass sie gut ist, ansonsten kann ich für nichts garantieren.“

Paolos Blick wanderte zwischen den dreien umher, ehe er seufzte.
„Tsubaki?“ Das Eidolon erschien sofort im Zimmer. In den Händen hielt sie zwei Tassen, in denen Tee zu dampfen schien. Sie stellte die Tassen vor Anya und Naruz auf den Tisch, ehe sie wieder verschwand. „Dieser Tee besteht aus... medizinischen Kräutern. Sie helfen dabei, einem ganz besonderem Zauber entgegenzuwirken, der das Gedächtnis des Betroffenen verändert.“ er lächelte Naruz schwach an. „Die Mischung hast du erfunden, genauso wie den Zauber, gegen den er helfen soll.“
„Bitte was?“ fragte Anya, und musterte Paolo misstrauisch. „Naruz kann erst seit kurzem Magie benutzen, wie kann er da einen Zauber erfunden haben?“
„Trinkt, dann werde ich euch alles erklären. Der Tee schaltet die alten, vergessenen Erinnerungen nur frei. Ihr werdet jemanden brauchen, der euch hilft sie zu ordnen, oder einfach etwas Zeit, um es selbst zu tun. Meine Geschichte wird dabei helfen. Auch wenn ich befürchte, dass der Kontakt mit Luca zumindest bei Naruz schon einen Teil des Zaubers gebrochen hat.“ Naruz und Anya warfen sich kurz einen Blick zu, dann tranken sie den Tee. Er war vollkommen geschmacklos, am ehesten könnte man sagen, dass er... warm schmeckte. Nachdem sie getrunken hatten, fühlte Naruz sich ziemlich benebelt, und er schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, doch es half nicht wirklich. Die Bilder von eben schwirrten wieder durch seinen Kopf, wenn auch nicht so deutlich und dominierend, wie zuvor. Anya schien es ähnlich zu ergehen, sie stöhnte leise auf, und griff sich an den Kopf.
„So, sie haben getrunken. Jetzt fang an.“ meinte Luca ungeduldig, und Paolo nickte.
„Natürlich... fangen wir am besten ganz vorne an. Als ich zwanzig Jahre alt war, traf ich eine Frau, ihr Name war Taela, und sie war eine mächtige Magierin der Rubingilde. Wir arbeiteten lange zusammen im Dienste der Kirche, ehe wir letztendlich heirateten. Gemeinsam bekamen wir zwei Kinder; einen Sohn den wir Alessio nannten, und eine Tochter. Ihren Namen dürfte ein jeder von euch kennen.“
„Erica.“ flüsterte Luca. Der Name ließ Naruz und Anya zusammenzucken, und in ihren Köpfen zeichnete sich das Bild einer jungen, hübschen Frau mit langen, schwarzen Haaren ab.
„Richtig. Alessio trat den Templern bei, und heiratete bald darauf eine aus ihren Reihen, gemeinsam bekamen sie eine Tochter.“ Paolos Blick wanderte zu Anya.
„Meine Eltern... ich erinnere mich.“ murmelte diese, und schüttelte kurz darauf den Kopf. „Besser gesagt, ich kann mich ungefähr erinnern.“
„Keine Sorge, mit der Zeit, wird der Rest der Erinnerungen auch noch kommen.“ meinte Paolo mit sanfter Stimme, ehe er fortfuhr. „Was die wenigsten Menschen wissen; ich hatte...“ Paolo zögerte eine Weile, ehe er den Blick senkte. „Ich hatte eine... Affäre, mit einer jungen Inquisitorin. Als Taela das herausfand ist sie durchgedreht, verständlicherweise. Sie hat Maeja angegriffen, so hieß die Inquisitorin. Maeja gelang es den Angriff abzuwehren, jedoch verletzte sie dabei Taela tödlich. Sie starb. Zu dieser Zeit stand ich kurz vor meiner Beförderung zum Großmarschall, und ich wollte... ich wollte nicht, dass dieser Skandal alles zunichte macht, wofür ich mein Leben lang gearbeitet hatte. Also wurde die Sache vertuscht, Taela ist offiziell von Alfar ermordet worden, Maeja spurlos verschwunden. In Wahrheit habe ich Maeja in ihre alte Heimat gebracht, ein kleines Dorf an der Südküste, weit weg von aller Politik, und allen, die sie wiedererkennen könnten.“
„Skandia.“ sagte Naruz plötzlich, und Paolo nickte zustimmend.
„Nach ein paar Jahren heiratete sie einen der dortigen Fischer, ich habe gehört, sie war glücklich.“ murmelte Paolo, ehe er den Kopf schüttelte. „Aber darum geht es jetzt nicht. Wie schon gesagt, kaum jemand wusste, was damals vorgefallen war, eine Person fand es jedoch heraus; Erica. Als sie die Wahrheit herfuhr, herausfand, warum ihre Mutter gestorben ist, sagte sie nur eines zu mir 'Du wirst kriegen, was du verdienst'. Ich hatte damals nichts gesagt, sondern sie einfach ignoriert. Kurz darauf trat sie der Obsidiangilde bei, und begann ihre Karriere als Magierin. Unser Verhältnis war fortan unglaublich schlecht, ich habe sie ignoriert, und sie mich. Ich fürchte, dass dies der Grundstein für die Katastrophe war, die uns ereilen sollte. Vier Jahre später heiratete Erica einen Magier der Saphirgilde, und gemeinsam zogen sie in ein Schloss in den Bergen, dass sie sich hatte bauen lassen. Dort kam auch mein erstes Enkelkind zur Welt; Luca Bladelli. Ein paar Jahre später, wurde dann Anya geboren, und kurz darauf kam Erica zu ihrem Bruder, und erzählte ihm die Wahrheit, über den Tod von Maeja. Alessio konnte es erst nicht glauben, als ich jedoch bestätigte, dass Erica die Wahrheit sagte, wandte auch er sich von mir ab. Er zog mit seiner Frau und Anya in das Schloss von Erica, wo diese mittlerweile auch einen Alfar und dessen kleine Schwester aufgenommen hatte. Ein Veteran aus dem Bürgerkrieg der Alfar, behauptete sie, und das stimmte auch so ungefähr. Es dauerte nicht lange, ehe man Lucas Vater tot auffand, ermordet von einem Agenten der Alfar, hieß es. Mir wurde natürlich sofort bewusst, dass Erica hinter dieser Aussage steckte, und dass sie nur dazu da war, um mir eins auszuwischen, ich hätte allerdings niemals erwartet, dass sie ihren eigenen Ehemann umbringen würde.“
„Warum tat sie das?“ fragte Naruz. Zu seiner Überraschung war es nicht Paolo, sondern Luca der antwortete.
„Weil ich eine Enttäuschung war.“ meinte er, mit einem bitteren Lächeln. „Sie war eine perfekte Magierin, eine der mächtigsten, welche die Obsidiangilde je gesehen hatte! Und ich konnte kaum Magie nutzen. Natürlich war mein Vater Schuld, also wurde er für seinen Fehler bestraft.“
„Und nicht allzu viel Zeit verstrich, ehe Erica erneut heiratete.“ griff Paolo den Faden auf. „Sie bekam ihr zweites Kind; das Kind, welches sie sich immer gewünscht hatte, einen perfekten, mächtigen Magier.“ Naruz lief ein eiskalter Schauer den Rücken herunter. Er wusste, was Paolo gleich sagen würde, aber er wollte es noch immer nicht wahrhaben. „Sie nannte ihren zweiten Sohn Naruz.“
„Warte... das heißt, wir sind Cousins?“ fragte Anya überrascht, und ihr Blick wanderte zu Naruz. Bevor jedoch jemand antworten konnte, nickte sie jedoch. „Das... ergibt Sinn.“
„Was meinst du?“ fragte Naruz, und Anya zuckte zusammen.
„Also... ähm...“ druckste sie herum, und lief ein wenig rot an. „Nicht lachen, ja?“
„Natürlich nicht.“
„Seid... seid wir uns begegnet sind hatte ich irgendwie das Gefühl, als wenn es irgendeine Art von... Verbindung zwischen uns gibt, etwas, dass wir gemeinsam haben. Du warst nicht einfach irgendein Fremder, sondern jemand, den ich kannte.“ Zu Anyas Überraschung lachte Naruz nicht. Im Gegenteil, er nickte.
„Ich weiß, was du meinst. Du wirktest immer so... vertraut. Auf dem Marktplatz, vor ein paar Tagen, als der Akashi dich belästigt hat... ich wollte dich einfach beschützen, nicht weil du in meinem Team, oder eine Freundin bist, sondern... ach, ich weiß auch nicht.“ murmelte Naruz und zuckte mit den Schultern, dabei entging ihm, wie Anya knallrot wurde, und den Blick schnell zu Paolo wandte.
„A-also... wie ging es weiter?“ fragte sie, mit höherer Stimme als gewöhnlich, was sowohl Luca, als auch Paolo schmunzeln ließ. Lucas Lächeln verblasste jedoch sofort, als er seinen Großvater sah, und wurde durch eine Maske des Hasses ersetzt.
„Gut, Naruz wurde geboren, und Erica erreichte ihr Ziel, zumindest halbwegs. Was keiner von uns wusste war, dass Erica angefangen hatte finstere Magie zu studieren. Sie begann Dämonen zu beschwören, und ihrem Willen zu unterwerfen, und sie begann an Luca zu experimentieren. Ich weiß bis Heute nicht, was sie alles getan hat, aber was auch immer es war, es hat Luca zu einem hervorragenden Soldaten gemacht.“
„Worauf ich nicht stolz bin.“ presste dieser zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Das habe ich auch nie behauptet, ich erzähle lediglich was passiert ist.“ meinte Paolo. „Alessio merkte jedoch schließlich, was vor sich ging. Vor allem, als immer mehr Dämonen begannen, durch die Gänge des Schlosses zu schleichen. Letztendlich sah Erica keine andere Möglichkeit mehr, als ihren Bruder und dessen Frau zu ermorden. Leider gab es zwei Zeugen dieser Tat; einen Diener und Anya. Der Diener wurde schnell von Luca getötet, auf Ericas Befehl hin.“ Luca runzelte verwirrt die Stirn.
„Wovon redest du da? Das ist nie passiert. Ich habe das erste mal im Norden getötet.“ Nun war es an Paolo, verwirrt auszusehen.
„Was? Aber... du warst derjenige, der es mir gesagt hatte. Damals, während der Anhörung vor der Inquisition.“
„Anhörung? Oh... ja, natürlich. Ich erinnere mich.“ murmelte Luca, klang allerdings nicht sehr überzeugend. Paolo musterte ihn misstrauisch, fuhr dann jedoch mit der Geschichte fort.
„Jedenfalls kam Naruz hinzu, als Erica den Befehl gab auch Anya zu töten. Um das zu verhindern, veränderte er ihr Gedächtnis. Sie dachte fortan, ihre Eltern wären bei einem Unfall gestorben.“ Während Paolos Geschichte waren die Bilder in Naruz' Kopf immer klarer geworden. Sie ordneten sich, und langsam aber sicher, konnte er sich wieder an alles erinnern, was damals geschehen war. Ehe sein Großvater weiter sprechen konnte, drehte Naruz sich zu Anya, und senkte seinen Kopf.
„Es tut mir leid.“
„W-was? Was soll das plötzlich?“ fragte Anya, die schon verwirrt genug von ihren zurückkehrenden Erinnerungen war, als dass sie mit Naruz' Verhalten etwas anfangen konnte.
„Dein Gedächtnis... es tut mir leid, dass ich deine Erinnerungen verändert habe. Ich weiß, dass du dadurch auch einiges verloren hast, Dinge, die deine Eltern betrafen. Es tut mir leid, dass ich dir diese Augenblicke genommen habe, aber... ich wollte nicht, dass sie auch noch dich umbringt.“ meinte Naruz, und Luca meinte förmlich sehen zu können, wie Anyas Kopf zu dampfen begann. „Ich hoffe, du kannst mir...“
„A-ach, sei einfach still!“ rief sie, und presste Naruz eine Hand auf den Mund. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, du warst damals... keine Ahnung, acht oder so! Lass... lass uns einfach weiter Paolo zuhören, ja?“
„Bist du dir sicher? Ich...“
„Ja! Ganz sicher! Bitte, Großvater, erzähl weiter.“ meinte Anya, beinahe schon flehentlich.
„Es gibt nicht mehr allzu viel zu erzählen, der Rest ist eigentlich allgemein bekannt. Durch einen... anonymen Tipp, erfuhr ich die Wahrheit über Alessios Tod, und darüber, was Erica getan hatte. Ich stürmte das Schloss, mit drei Dutzend Templern. Wir schlugen uns durch Gänge voller Dämonen und... wandelnder Leichen, ehe wir eine Art Ritualkammer erreichten, in der wir Erica und Naruz fanden. Es sah so aus, als wenn Erica einen Dämon beschwören wollte, indem sie Naruz opferte, zum Glück konnten wir es gerade noch so verhindern. Ich habe Erica eigenhändig getötet, allerdings gelang es ihr zuvor noch eine meiner Nichten schwer zu verletzen und zu verfluchen. Der Fluch trieb sie in den Wahnsinn, und ein Jahr später, war sie einfach spurlos verschwunden. Noch heute weiß niemand, was aus ihr geworden ist.“ Paolo holte tief Luft, dann kam er zu dem Teil, der anscheinend am schwersten für ihn war. „Nach Ericas Tod, brachten wir Luca und Naruz nach Navea, wo die Inquisition, und Erzbischof Belenus über die Zukunft der beiden berieten. Manche sagten, es sei zu gefährlich Naruz am Leben zu lassen. Er sei ein zu mächtiger Magier, und er könne jederzeit in die Fußstapfen seiner Mutter treten. Zwei Dinge retteten damals Naruz' Leben; zum einen, dass Luca sich bereit erklärte der Inquisition zu dienen, um zu beweisen, dass sie nichts mit Ericas Plänen zu tun hatten, und ihr niemals folgen würden. Dies war der Moment, in dem Luca zu den Erben Valquez' kam. Die zweite Sache war mein Eingreifen. Ich brachte Naruz in den Sonnentempel, und rief die Eidolons dort um Hilfe an. Die Wächterin des Himmels antwortete meinem Ruf, und sie versiegelte Naruz' Magie. Dadurch war er keine Gefahr mehr. Abschließend änderte er... ändertest du dein eigenes Gedächtnis.“ Paolo sah Naruz tief in die Augen. „Du hast alles verändert, du meintest, es sei dazu da, die Inquisitoren vollkommen zufriedenzustellen. Und damit Luca, nachdem er von den Erben kommt, ein gewöhnliches Leben führen kann. Denn, wenn du dich nicht einmal mehr an ihn erinnern kannst, könnte die Kirche ihn auch nicht als ein Druckmittel gegen dich verwenden, oder versuchen ihn zu benutzen, um dich zu manipulieren.“ Nachdem Paolo geendet hatte, herrschte eine lange Zeit schweigen. Es wurde jedoch letztendlich von Luca gebrochen.
„Schön, du hast die Geschichte erzählt, aber eines hast du vergessen.“ sagte er, und Wut schwang erneut in seiner Stimme mit. „Warum arbeitet Naruz für die Inquisition?“
„Das... war etwas, was niemand von uns hervorsehen konnte.“ Paolo seufzte. „Maeja konnte keine Kinder kriegen, also brachte ich Naruz zu ihr, und ihrem Ehemann, damit sie sich um ihn kümmern konnten. Er sollte fernab von Navea aufwachsen, und sein neues Leben führen. Wir konnten nicht ahnen, dass er ein Botschafter der Gaia ist.“
„Du bist ein Botschafter?“ entfuhr es Luca ungläubig, und er richtete den Blick auf Naruz.
„Ja... bin ich. Ich habe zwei Eidolons; Serif und Sigrun. Ich werde sie dir bei Gelegenheit vorstellen.“ meinte Naruz, und lächelte schwach. Allerdings erwiderte Luca das Lächeln nicht, er sah überhaupt nicht glücklich aus, was sowohl Naruz, als auch Paolo verwunderte. Naruz hatte noch viel zu verdauen, und viele Gedanken zu ordnen, ehe er sich über die Wiedervereinigung mit seinem Bruder freuen konnte. Luca hingegen müsste eigentlich überglücklich sein; immerhin war es sein größter Wunsch gewesen, wieder mit seinem Bruder vereint zu werden. Allerdings sah er so aus, als wenn er diesen Wunsch am liebsten zurücknehmen würde.
„Was hat das mit der Inquisition zu tun?“ fragte Luca.
„Als ich zum Botschafter erwacht bin, gab es noch jemand anderen... einen Bekannten von mir, der ebenfalls ein Botschafter wurde. Allerdings war er anders, korrupt, und ist zu einem Dämon geworden. Ich musste ihn töten.“ erklärte Naruz, mit schwacher Stimme. „Danach befürchtete ich, dass ich selber zu seinem Dämon werden könnte, und bin praktisch geflohen, auf der Suche nach etwas, dass die Verbindung zwischen mir und meinen Eidolons trennen kann. Über Umwege führte mich das nach Navea, wo ich erneut gegen einen Dämon kämpfen musste. Nachdem ich zweimal gesehen habe, was für einer Bedrohung die Menschen dieser Welt ausgesetzt waren, konnte ich einfach nicht länger ruhig bleiben. Ich wollte helfen. Ich wollte die Menschen vor den Dämonen beschützen, und so bin ich bei der Inquisition gelandet.“
„Es tut mir leid, Luca.“ warf Paolo ein. „Ich weiß, ich hatte dir versprochen, ihn von der Kirche fernzuhalten... aber er wollte beitreten, Belenus hielt es auch für eine gute Idee.“
„Du hättest ihn ablehnen können!“ fauchte Luca. „Nein; du hättest ihn ablehnen müssen, das schuldest du mir!“ Paolo öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Luca brachte ihn mit einer Geste zum verstummen. „Sag nichts, das alles ist jetzt eh egal.“ Er drehte sich zu Naruz und lächelte schwach. „Du hattest deine Gedanken verändert. Jetzt, wo du dich wieder an alles erinnern kannst, ist wieder alles in Ordnung. Du kannst die Inquisition verlassen und...“
„Nein.“ sagte Naruz, mit einer Kälte in der Stimme, die ihn selbst überraschte. Aber so langsam bekam er genug von der ganzen Sache. Schön und gut, dass Aleyandra und Luca sich um ihn sorgten, aber sie hatten sich verdammt nochmal nicht in seine Entscheidung, in Sachen Inquisition einzumischen! Das war ganz allein seine Sache!
Das stimmt, sie sollten dich unterstützen, und nicht versuchen, dich davon abzuhalten. Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln, wischte Naruz die Stimme bei Seite, auch wenn sie recht hatte.
„Wie bitte? Was soll das heißen, 'nein'?“ fragte Luca ungläubig. „Weißt du, was ich durchgemacht habe, um...“
„Luca, wir sind Brüder, das weiß ich. Aber... ich weiß es noch nicht einmal eine Stunde. Und schon versuchst du, dich in mein Leben einzumischen. Ich brauche Zeit, um das alles zu verkraften.“ sagte Naruz, in besänftigendem Tonfall. „Eines, kann ich dir jedoch versprechen; ich werde die Inquisition nicht verlassen. Nichts wird mich daran hindern, weiterhin anderen Menschen zu helfen.“
„Naruz! Du weißt nicht, wovon du redest! Die Inquisition hilft Menschen ebenso wenig, wie die Kinder Gaias es tun!“ fauchte Luca und sprang aus seinem Stuhl auf. „Glaube mir, ich habe es gesehen; ich weiß, wie die Inquisition...“
„Ach ja? Ich auch!“ Naruz war nicht minder aufgebracht, als Luca, und er stand ebenfalls auf. „Ich weiß, dass die Inquisition fragwürdige Dinge getan hat, und noch immer tut. Aber das lässt sich ändern! Man kann alles ändern!“
„Falsch, es gibt Dinge, die kann man nicht ändern! Ich habe zehn Jahre lang gelitten, um dich von der Kirche fernzuhalten, und was machst du? Du rennst freiwillig zu ihnen!“
„Ich habe dich nie darum gebeten, für mich zu leiden!“ schrie Naruz, und das brachte Luca zum verstummen. „Und das gilt nicht nur für die Sache mit der Kirche! Auch damals, bei unserer Mutter!“
„W-wovon redest...“
„Dachtest du, ich habe nie etwas mitbekommen? Ich weiß, dass die Experimente für mich gedacht waren! Sie waren überhaupt nicht für dich geeignet, weswegen du unter den Nebenwirkungen leiden musstest, aber du hast es ohne zu klagen getan! Warum? Wegen mir! Hast du dabei auch nur einmal daran gedacht, wie sich jemand fühlt, der jemand anderen an seiner Statt leiden sieht? Ich habe mich schuldig gefühlt, zurecht! Es war meine Schuld gewesen! Du bist einfach zu versessen darauf, anderen zu helfen... zu versessen darauf, mich zu beschützen, ohne zu überlegen, ob es nicht besser wäre, mir die Entscheidung zu überlassen!“ Nachdem Naruz geendet hatte, starrte Luca ihn eine Weile lang an, ehe er ohne ein Wort zur Tür ging. Dort blieb er stehen, und warf einen Blick über die Schulter.
„Ich werde nicht zulassen, dass du für die Inquisition arbeitest.“ meinte er, mit kalter Stimme, ehe sein Blick zu Paolo wanderte. „Und ich will nichts mehr von dieser dämlichen Einheit hören!“ fügte er zischend hinzu, ehe er davon stürmte.
„Luca... warte!“ rief Naruz, und wollte ihm folgen, wurde jedoch von Tsubaki aufgehalten, die ihm den Weg versperrte. „Weg da, ich muss mit ihm reden. Ich... ich wollte das nicht so sagen. Ich muss mich entschuldigen.“ Naruz seufzte. Er konnte sich erst seit kurzem wieder an Luca erinnern, seine Gefühle waren vollkommen durcheinander. Trotzdem hatte er seine Erinnerungen wieder; er wusste, wie Luca fühlte und dachte, und auch, dass sie vor einer langen Zeit unzertrennlich gewesen waren. Seine Erinnerungen und Gefühle verwirrten ihn, und zwar vollständig.
„Lass ihm Zeit.“ sagte Paolo, und zog damit die Aufmerksamkeit auf sich. „Schlafe eine Nacht darüber, ordne deine Gedanken, dann sprich wieder mit ihm.“ Der Bladelli senkte kurz den Blick, ehe er leise hinzufügte: „Und... wenn du es schaffen solltest... dann vergib mir.“ Naruz musterte seinen Großvater eine Weile lang.
„Ich weiß, dass du nicht Schuld bist, nicht direkt. Meine Mutter war verrückt und böse. Du solltest eher Luca um Vergebung bitten.“ mit diesen Worten schob Naruz sich an Tsubaki vorbei zur Tür. „Ich... ich brauche frische Luft, keine Sorge, ich werde Luca nicht folgen.“
„Naruz, eine Sache noch.“ Der Inquisitor drehte sich noch einmal um, und Paolo sah ihm direkt in die Augen. „Komme Morgen zur Mittagszeit zum Hauptquartier der Hohetempler. Das Treffen der Familien und der Inquisition ist vorüber, ein Entschluss wurde getroffen, wenn es um Team Mantikor geht. André wird dich persönlich davon informieren.“
„Und du kannst es mir nicht jetzt sagen?“
„Es wurde mir verboten.“
Naruz schnaubte. „Wir sehen uns Morgen.“ sagte er, ehe er das Zimmer verließ, und kurz darauf die Villa. Anya blieb alleine mit Paolo und Tsubaki zurück, und sah sich verwirrt um.
„Ich... ähm... ich glaube, ich gehe... besser schlafen.“ sagte sie und sah Paolo fragend an. Dieser nickte.
„Ja, das wäre vielleicht am besten.“
„Gute Nacht, Großvater.“
„Gute Nacht Anya, denke gut über das nach, was du soeben erfahren hast.“
„Das werde ich.“
„Und eines noch; du begleitest Naruz Morgen zu André, und bring auch den Rest von Team Mantikor mit... und die Hexe.“
„Aynaeth?“
„Genau die. Und jetzt, schlaf gut.“ Paolos Tonfall ließ keinen Zweifel übrig, dass das Gespräch beendet war, also schlich Anya zu ihrem Zimmer, ließ sich auf ihr Bett fallen und schloss die Augen. Jedoch schlief sie nicht ein; sie saß beinahe die ganze Nacht wach und dachte über das nach, was Paolo gerade offenbart hatte. Und als sie das Bild ihrer Eltern sah, die blutüberströmt auf dem Boden lagen, und die Erinnerungen, an diesen Tag zurückkamen, begann sie zu weinen.

Naruz streifte währenddessen durch die Gassen des Militärviertels, in der Nähe der Villa und ging seinen eigenen Gedanken nach. Er konnte noch immer nicht ganz fassen, dass er einen Bruder hatte... ganz davon zu schweigen, dass seine Mutter eine Verräterin, und er ein 'perfekter Magier' sein sollte. Hinzu kam, dass die Frau, die er bislang für seine Mutter gehalten hatte, nicht einmal mit ihm verwandt, sondern einfach eine Affäre seines Großvaters gewesen war. Naruz war dermaßen mit den Erinnerungen, und dem gehörten beschäftigt, dass er nicht merkte, wie er beobachtet wurde. Auf einem Dach, ganz in der Nähe, hockte eine Gestalt und beobachtete ihn. Es war ein junger Mann, mit schwarzen Haaren, in deren Mitte ein roter Streifen verlief, allerdings konnte man aufgrund eines großen Strohhuts nicht allzu viel von ihnen sehen. Er trug eine schwarze Robe die seinen gesamten Körper bedeckte, und die von einem dicken, weißen Seil festgebunden wurde. An diesem Seil hing auch ein Krug, in dem eine klare Flüssigkeit schwappte, die streng nach Alkohol roch. Auf dem Gesicht des Mannes, zeichnete sich ein breites Grinsen ab, und er folgte Naruz' Spaziergang mit seinen eisblauen Augen. In seiner rechten Hand hielt er eine blutrote Sense, deren Schneide im Mondlicht glänzte. Trotz alledem war sein linker Arm das ungewöhnlichste, an diesem Mann. Denn an Stelle eines Arms, hatte er dort einen großen, schwarzen Flügel, auf dem rote Federn seltsame Muster bildeten.
„Das ist er.“ sagte er, an eine Gestalt gewandt, die vor ihm in der Luft schwebte. Ein junges Mädchen, mit kurzen, braunen Haaren und schwarzen Flügeln, deren Augen unterschiedliche Farben hatten; eines war rot, das andere grün.
„Hm?“ fragte sie, und blinzelte den Mann verwirrt an. In ihrer Hand hielt sie ein kleines Buch, in dem sie bis eben gelesen hat.
„Der da unten, der junge Mann. Er ist es. Ihn suchen wir, jetzt hilf mir, damit wir es hinter uns bringen können, du hast der ganzen Sache immerhin zugestimmt.“
„Habe ich?“fragte das Mädchen und legte den Kopf schief.
„Ja! Hast du!“ seufzte der Mann genervt. „Gut, du hast gelesen, ich habe dich was gefragt, und du hast 'mhm' gesagt, und das zählt als Zustimmung, also los! Danach kannst du auch weiterlesen.“
„Oh... gut. Ich bereite alles vor, fang an.“ murmelte das Mädchen, woraufhin der Mann zufrieden nickte und vom Dach sprang.
Naruz, der noch immer vollkommen in seinen Gedanken versunken war, staunte nicht schlecht, als plötzlich ein Mann vor ihm auf dem Boden landete.
„Was zum... wer bist du?“ entfuhr es ihm überrascht. Der Fremde lächelte ihn an, nahm seinen Hut vom Kopf und verbeugte sich tief vor Naruz.
„Mein Name spielt keine Rolle, wichtig ist nur, dass ich hier bin um zu helfen.“
„Um zu helfen?“ fragte Naruz misstrauisch, und bereute es, nicht seine Schwerter mitgenommen zu haben. Er hatte äußerst schlechte Erfahrung, mit verrückten Fremden, die ihn Nachts auf der Straße ansprachen. Das letzte mal endete es damit, dass ihn jemand umbringen wollte, nur weil er mit Aleyandra zusammen war... wo er genauer darüber nachdachte; was war eigentlich aus dem Vollidioten geworden? Er hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, oder von ihm gehört. Vielleicht hatte er ja aufgegeben, weil ihm die 'neue Aleyandra' nicht gefiel? Naruz lächelte bei der Vorstellung. Selbst er war ziemlich überrascht gewesen, von Aleyandras neuer Art, und ihrer scheinbar fehlenden Eifersucht. Genaugenommen war ihm das sogar ein wenig unheimlich erschienen, normalerweise machten Menschen schließlich keine so rapide Änderung durch. Und wenn er das schon so empfand, wie würde das erst ein Verrückter...
„Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?“ Ah ja, wo er gerade bei Verrückten war...
„Tut mir leid, könntet Ihr das vielleicht wiederholen?“ fragte Naruz, während er sich innerlich auf einen Angriff wappnete.
„Von mir aus, hör mir aber dieses mal genau zu, Junge. Ich bin hier, um zu helfen. Um dir zu helfen, wenn du es genau wissen willst. Wenn du meine Hilfe annimmst, wirst du niemals wieder in Furcht davor leben müssen, dass du...“ weiter kam der Fremde nicht. Naruz spürte, wie sich über ihm Magie sammelte, ein Zauber wurde gewoben. Instinktiv sprang Naruz zur Seite, und richtete den Blick nach oben. Dort schwebte ein Mädchen mit... Flügeln? Warte... jetzt, wo Naruz den Mann mehr als nur flüchtig musterte, sah er, dass dessen linker Arm ebenfalls ein Flügel war... und dass er eine Sense in der Hand hielt. Wie war ihm das bis eben entgangen? Das Mädchen trug ähnliche Kleidung wie der Mann, ein Hinweis darauf, dass sie zusammengehörten, falls es das überhaupt noch brauchte. Naruz richtete die Hand in den Himmel, und kurz darauf ließ sich das Mädchen zu Boden sinken, sie landete neben dem Mann auf dem Boden. „Was ist los?“ fragte dieser verwirrt. „Bist du etwa schon fertig?“
„Nein.“
„Wie bitte?“
„Er hat den Zauber vernichtet.“
„Er hat was?“
„Den Zauber vernichtet, kann ich jetzt gehen?“
„Natürlich nicht!“
„Oh... schade.“
Der Mann seufzte, und wandte sich wieder an Naruz. „Hör mir zu, wir wollen dir nichts tun. Lass Ri hier einfach deine Magie versiegeln, und wir verschwinden wieder, in Ordnung?“
„Ja... nein, vergiss es. Ich lasse ganz bestimmt nicht irgendwelche seltsamen Leute, meine Magie versiegeln. Vor allem nicht, wenn sie keinen vernünftigen Grund nennen.“
Der Mann zuckte mit den Schultern. „Wie du willst, dann eben auf die andere Art.“ Naruz war sich ziemlich sicher, nicht geblinzelt zu haben, trotzdem hatte er verpasst, wie der Mann sich bewegt hatte. Er stand einfach plötzlich vor ihm, und holte mit seiner Sense aus. So schnell wie möglich sprang Naruz zurück, und entging geradeso noch dem Schlag, der ihn wahrscheinlich in zwei Hälften geteilt hätte.
„Serif, Sigrun!“ rief Naruz, es geschah jedoch nichts.“
„Das hat keinen Sinn, deine Eidolons können nicht eingreifen.“ sagte der Mann, der plötzlich hinter Naruz stand. Erneut sprang Naruz zur Seite, ehe er einen Blitz aus blauer Energie auf den Mann abschoss. Der Angriff sollte ausreichen, um ein faustgroßes Loch in seine Brust zu stanzen, aber das geschah nicht. Der Blitz wurde immer langsamer und... hielt einfach an. Er blieb einfach in der Luft vor dem Mann schweben, ehe er verschwand. Bevor er sich jedoch darüber wundern konnte, hörte Naruz ein Knistern, und warf sich zur Seite. Ein Blitz durchbohrte die Luft dort, wo er eben noch gestanden hatte. Als er sich kurz umdrehte, sah er wie das Mädchen einen weiteren, schwarzen Blitz in der Hand hielt, und Anstalten machte, ihn auf Naruz zu schleudern. Sie warf den Blitz, und Naruz stutzte... dann warf er sich zur Seite, und entging knapp dem Angriff.
„Was geht hier vor sich?“ fragte er verwirrt.
„Was genau meinst du damit?“ es war die Stimme des Mannes, die antwortete. Also wanderte Naruz' Blick wieder zu ihm, und er sah, wie rote Feuerkugeln den Kopf des Mannes umschwirrten, der seine Sense geschultert hatte. So sehr Naruz sich auch anstrengte; er konnte keine Magie erkennen... aber das war unmöglich! „Tut mir leid, dass es soweit kommen musste, ich wollte es ohne Blutvergießen lösen.“ sagte der Mann, dann schossen die Feuerkugeln direkt auf Naruz zu. Dieser stampfte auf dem Boden auf, woraufhin sich die Steine der Straße erhoben, und einen Schild gegen die Flammen bildeten, zumindest sollten sie das. Anstatt jedoch eine undurchdringliche Wand zu bilden, klafften plötzlich große Löcher in der Steinwand, welche die Feuerkugeln durchließen. Die Kugeln trafen Naruz, dank seiner Robe fing er jedoch nicht an zu brennen, wurde jedoch von der Wucht des Aufpralls zurückgeschleudert. Noch nie in seinem Leben, war er so dankbar für die Schutzzauber der Robe gewesen, wie in diesem Augenblick. „Es tut mir leid.“ sagte der Mann erneut, der plötzlich direkt über Naruz stand, und mit seiner Sense ausholte. Kurz bevor er zuschlagen, und Naruz' Leben ein Ende setzen konnte, sprach dieser ein Wort aus, dass ihm die Stimme in seinem Kopf plötzlich zuflüsterte.
„Mimir!“ rief er, und der Mann stoppte, vollkommen perplex.
„Was... woher...“ begann er, schüttelte dann jedoch den Kopf, und schlug mit der Sense zu, allerdings hatte Naruz dadurch genug Zeit geschunden, um auszuweichen. Er rollte über den Boden, und sprang auf die Beine, dann meldete sich wieder die Stimme in seinem Kopf.
Du kannst gewinnen. Finte von vorne, er wird von links angreifen, sie schleudert ihren Blitz von oben. Naruz fragte nicht, woher die Stimme das wusste, oder was hier überhaupt los war, er reagierte einfach. Als der Mann erneut vor ihm auftauchte, drehte er sich sofort nach links, und stand plötzliche Aug in Aug, mit dem Sensenträger, der entsetzt die Augen aufriss, als er merkte, dass Naruz seine Finte durchschaut hatte. Naruz packte die Waffe seines Gegners, und hob ihn über sich in die Luft, in genau dem Moment, indem ein Blitz herabsauste. Kurz bevor er den Mann traf, löste der Blitz sich jedoch auf. Naruz ließ die Sense los, und sprang einen Schritt nach hinten, überrascht, dass er plötzlich die Kraft hatte, einen Mann mühelos emporzuheben.
„Was war das?“ fragte das Mädchen, dass der Fremde 'Ri' genannt hatte.
„Ich habe ein sehr, sehr mieses Gefühl bei der Sache. Bislang hatte ich keine Spur davon gesehen, aber ich glaube, er ist es.“
„Das ist schlecht, oder?“
„Sehr schlecht. Junge; ich habe mich in dir geirrt. Es reicht nicht, deine Magie zu versiegeln. Du musst sterben.“
„Warum sagen mir das ständig irgendwelche seltsamen Typen?“ murmelte Naruz. Außerdem fragte er sich, was das für eine Stimme war. Anscheinend half sie ihm jetzt also im Kampf... war es vielleicht Demir? Hatte der Weltenwanderer eine Möglichkeit gefunden, mit ihm zu kommunizieren, ohne dass er erst fast sterben musste? Falls ja, war das schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung.
Sie fürchten dich, das ist gut! Zeige ihnen, warum sie... dieses mal half die Stimme Naruz nicht weiter. Ehe sie weitere Anweisungen geben konnte, standen sowohl das Mädchen, als auch der Mann vor ihm. Die Sense sauste direkt auf seinen Kopf zu, während des Mädchen mit einer Art Dolch nach seiner Kehle stieß. In genau dem selben Augenblick, rissen die beiden jedoch die Augen auf, und brachen ihren Angriff ab. Die Sense fegte über Naruz' Kopf hinweg, während der Mann zur Seite hüpfte, und das Mädchen flog in die Luft, wodurch der Dolch nur die Robe ein wenig aufritzte. Es dauerte nicht lange, bevor Naruz sah, was seine Angreifer abgelenkt hatte. Ein gewöhnlicher, schwarzer Kater, mit grünen Augen stand mitten auf der Straße, und schien den Mann anzustarren.
„Ähm... das ist nicht, wonach es aussieht.“ sagte der Mann, und gestikulierte mit seiner Sense. Er warf einen kurzen Blick auf die Waffe, und versuchte dann, sie hinter seinem Rücken zu verstecken.
„Ich bin unschuldig.“ sagte das Mädchen, vollkommen desinteressiert, und schien tief in ein Buch versunken. „Mimir hat gesagt, er wird mir schlimme Dinge antun, wenn ich nicht mitkomme.“
„Das ist gelogen!“ rief der Mann empört, schien jedoch unter dem Blick des Katers zu schrumpfen. „Ich wollte nur... du siehst doch sicher auch ein... Shiina würde niemals... aber... ich will doch nur... es könnte...“ Der Kater starrte ihn solange an, bis er endgültig verstummte, dann erschien eine Gestalt, wie aus dem Nichts hinter ihm. Ein weiteres Mädchen, dieses hatte lange, blaue Haare, trug einen kurzen Rock und eine weiße Bluse und hatte... Katzenohren, die aus ihrem Kopf wuchsen. Naruz schüttelte ungläubig den Kopf. Hiernach würde ihn nichts mehr überraschen.
„Ihr kommt sofort wieder zurück. Sie ist ziemlich wütend auf euch.“
„W-weiß sie, was wir hier machen?“
„Nein, sie denkt nur, dass ihr unterwegs seid und ohne sie Spaß habt. Sollte sie erfahren, was hier passiert ist...“
„Bitte verrate mich nicht!“
„Du wirst dafür bezahlen müssen.“
„Alles was du willst!“
„Also gut, ich sage nichts.“ das blauhaarige Mädchen nickte zufrieden, dann warf sie Naruz einen Blick zu. „Tut mir leid, nimm es dem Idioten hier nicht übel, er wollte wirklich nur helfen.“ Ehe Naruz auch nur ein Wort sagen konnte, waren die drei Gestalten und der Kater verschwunden, nichts deutete darauf hin, dass sie jemals dagewesen waren, und auch die Umgebung sah nicht so aus, als wenn hier eben ein Kampf gewütet hätte. Plötzlich erschienen Serif und Sigrun neben Naruz.
„Was gibt es, Partner?“
„Was?“ fragte Naruz verwirrt.
„Wie, 'was'? Du hast uns gerufen.“
„Das war vor einer halben Ewigkeit!“
Die Eidolons sahen sich verwirrt an. „Ähm, Naruz?“ begann Sigrun vorsichtig. „Du hast uns eben gerade gerufen, wir sind sofort erschienen.
„Wie bitte? Aber ich...“ Naruz blinzelte ungläubig, und schüttelte den Kopf, als er merkte, wie die beiden ihn besorgt anstarrten. „Schon gut, ich... ich habe mich irgendwie geirrt... es ist alles in Ordnung. Ihr könnt wieder gehen.“
„Bist du dir sicher? Dir scheint es nicht besonders gut zu gehen.“
„Ja, alles super. Ich... ich gehe jetzt zurück zur Villa, schlafen. Wir reden Morgen wieder.“ Damit wandte Naruz sich ab, und ging zurück zur Villa der Bladelli.
„Sigrun?“
„Ja?“
„Irgendetwas stimmt hier nicht.“
„Danke, darauf wäre ich nie gekommen.“
„Wir sollten rausfinden, was hier los ist, so schnell wie möglich.“
„Wenn du nur das offensichtliche sagen willst, halte gleich den Mund.“ murrte die Valkyre, seufzte dann jedoch. „Aber du hast recht, ich werde Aelius fragen, ob er weiß was hier los ist. Er beobachtet Naruz immerhin des öfteren.“
„Gute Idee, und ich werde ein wenig darüber schlafen, vielleicht fällt mir dabei ja was ein.“
„Alles beim alten also.“ Serif hörte diese Worte nicht mehr. Er war bereits verschwunden, und hatte Sigrun alleine zurückgelassen. Die Valkyre musterte die Gasse, in der sie sich befand noch einmal genauestens, zuckte dann jedoch mit den Schultern, und verschwand ebenfalls. Im nächsten Augenblick hatte sie, ebenso wie Serif, vergessen, was so eben passiert war, und auch, dass sie mit Aelius reden wollte. Nur wenige Augenblicke später lag Naruz in seinem Bett, und dachte darüber nach, was Paolo ihm eben gerade erzählt hatte. An den Kampf, und die seltsamen Gestalten, konnte er sich schon gar nicht mehr erinnern.

Somit war Luca also der letzte, der noch wach war und durch die Stadt wanderte, nachdem Paolo seine Geschichte erzählt hatte. Um genau zu sein hatte er aufgehört, ziellos durch die Stadt zu streifen. Stattdessen stand er nun im dunklen Gang einer Villa, vor einer Tür und fragte sich, was er hier eigentlich machte. Einen Augenblick lang zögerte er, dann klopfte er jedoch leise an. Keine Reaktion. Er klopfte erneut an, dieses mal ein wenig lauter, aber darauf bedacht, niemand anderem im Haus aufzuwecken. Ein wenig später hörte er schlurfende Schritte hinter der Tür, die kurz darauf nach Innen aufschwang.
„Was gibt es?“ murmelte eine schlaftrunkene Lyaena. Ihr blondes Haar war durcheinander und sie trug lediglich ein Nachthemd, anscheinend hatte sie bereits geschlafen, oder stand kurz davor, als Luca gekommen war. Die Akashi rieb ihre Augen, erkannte dann aber im nächsten Augenblick, wer da vor ihr stand. „Luca!“ entfuhr es ihr überrascht, und der Bladelli legte sich einen Finger auf die Lippen. Lyaena beruhigte sich ein wenig und senkte ihre Stimme. Es wäre wahrscheinlich wirklich nicht allzu gut, wenn sie das ganze Haus mit ihren Rufen aufweckte. „Luca.“ dieses mal flüsterte sie. „Was machst du denn hier? Weißt du wie spät es ist?“
„Ja... es tut mir leid.“ Irgendetwas schien nicht zu stimmen. Luca wirkte vollkommen aufgewühlt und durcheinander, so hatte Lyaena ihn schon lange nicht mehr gesehen.
„Ist etwas passiert?“ fragte sie besorgt.
„Das kann man so sagen. Hast du... hast du Zeit für einen kleinen Spaziergang?“ Luca zwang sich zu einem Lächeln.
„Spaziergang? Um diese Zeit?“
„Du hast recht, es ist spät... ich komme Morgen wieder, tut mir leid für die Störung.“
„Warte!“ zischte Lyaena, und packte den Bladelli am Arm, als der sich gerade abwandte und gehen wollte. „So war das nicht gemeint... warte einen Augenblick, ja? Ich muss mir nur etwas anziehen.“ mit diesen Worten verschwand Lyaena in ihrem Zimmer, ein paar Minuten später kam sie wieder, dieses mal ordentlich gekleidet.
„Danke.“ murmelte Luca und lächelte, dann gingen die beiden den Gang hinunter, zum Eingangsbereich der Villa.
„Wie bist du eigentlich hier rein gekommen?“ fragte Lyaena, und ahnte schlimmes. Wenn Luca aufgebracht war... „Du hast nicht die Tür... ähm... kaputtgemacht, oder?“
Luca blinzelte Lyaena verständnislos an, ehe ihm aufging, was sie fragen wollte, dann lachte er, und musste sich zurückhalten, damit es nicht zu laut wurde. „Oh, keine Sorge. Der Tür geht es gut. Ich kann Schlösser knacken, so ganz umsonst war meine Zeit im Norden dann doch nicht.“
„So ganz umsonst?“ fragte Lyaena verwirrt. Schlagartig verfinsterte sich Lucas Miene wieder.
„Ja... ich erzähle es dir gleich.“ Gemeinsam gingen die beiden durch die dunklen Straßen Naveas, bis sie einen Ort erreichten, der Lyaena nur allzu bekannt vorkam. Es war der See, mit den Pavillons. Der Ort, an dem Luca ihr seine Liebe gestanden hatte. Dieses mal schien er jedoch nicht auf die Insel gehen zu wollen, er setzte sich einfach auf eine Steinbank in der Nähe, und Lyaena ließ sich neben ihm nieder. Der Bladelli sagte nichts, und Lyaena hielt es für besser, ihn nicht zu drängen. Sie war zwar ein wenig verärgert darüber, aus dem Schlaf gerissen, und durch die halbe Stadt geschleppt worden zu sein, aber sie wusste, dass Luca das nicht tun würde, wenn er keinen guten Grund dazu hätte. Sie rückte näher an ihn heran, und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Luca zuckte kurz zusammen, da er die Berührung nicht erwartet hatte, lächelte dann jedoch schwach, und legte seinen Arm um Lyaenas Hüfte. Dann fing er an zu sprechen. „Ich... ich habe meinen Bruder getroffen.“ sagte er, und atmete hörbar aus. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte.
„Was? Dein kleiner Bruder, den du unbedingt treffen wolltest?“ fragte Lyaena und Luca nickte. „Das ist doch wunderbar! Ich freue mich für...“ begann sie lächelnd, verstummte jedoch, als sie Lucas Gesichtsausdruck sah.
„Nein, nichts ist wunderbar.“ sagte der Bladelli mit bitterer Miene. „Paolo hat mich belogen, die Inquisition, die Kirche... alle!“ entfuhr es ihm plötzlich, und er ballte die Fäuste. „Dieser verdammte Bastard wusste davon, er wusste es! Und er hat mir kein verdammtes Wort gesagt!“ Als er Lyaenas verwirrtes Gesicht sah, beruhigte er sich ein wenig. „Tut mir leid, ich wollte nicht...“
„Schon gut, aber wie wäre es, wenn du mir erzählst was passiert ist? Ich fürchte nämlich, dass ich dir nicht ganz folgen kann.“ Lyaena lächelte und legte ihm eine Hand auf sein Bein, woraufhin Luca tief Luft holte.
„Ja... ja, du hast recht... natürlich.“ murmelte er. „Also gut, mein Bruder heißt Naruz Bladelli und wie du weißt, ist er eigentlich nur mein Halbbruder... aber das spielt keine Rolle.“
„Warte! Naruz? Den Namen habe ich schon einmal gehört.“
„Das wundert mich nicht.“ Luca ließ ein trockenes Lachen hören. „Denn wie ich herausfinden musste, ist er ein Inquisitor. Er arbeitet für die Kirche! Als wir nach dem Tod meiner Mutter nach Navea gebracht wurden, da hat Paolo mir etwas versprochen. Er hat mir gesagt, er würde meinen Bruder von der Kirche fernhalten, dafür, dass ich zu den Erben gehe. Zehn verdammte Jahre habe ich im Norden gekämpft. Dann bin ich seit ein paar Monaten wieder im Süden, und muss herausfinden, dass mein Bruder bereits seit fast einem Jahr in der Inquisition dient. Das sind Monate, in denen Paolo wusste, dass mein Bruder hier für die Kirche arbeitet! Aber trotzdem hat er mich noch meine Zeit im Norden dienen lassen! Dieser verfluchte... wie auch immer. Mein Bruder hatte damals jedenfalls sein Gedächtnis, und das unserer Cousine verändert, damit sie das alles vergessen. Anscheinend ist mein Bruder aber ein Botschafter Gaias, und so führte eines zum anderen, und er trat der Kirche bei; trotz verändertem Gedächtnis, oder vielleicht gerade deswegen.“
„Ich verstehe, dass du wütend auf Paolo bist... aber warum bist du bei mir? Solltest du nicht lieber mit deinem Bruder reden? Ihr habt euch immerhin lange nicht mehr gesehen, es gibt doch bestimmt viel nachzuholen, oder?“ Auf einmal bekam Lucas Gesicht einen gequälten Ausdruck.
„Das... das ist das andere Problem.“ Der Bladelli seufzte und legte den Kopf in den Nacken. „Weißt du, ich habe mir in den Jahren öfters ausgemalt, wie unser erstes Treffen nach meiner Rückkehr wohl verlaufen würde. In keinem einzigen dieser Szenarien, hatte ich damit gerechnet, dass wir uns streiten, und ich wütend aus dem Haus stürme. Wir hatten uns nie gestritten... ich weiß auch nicht, was in ihn gefahren ist.“
„Ihr habt euch gestritten?“
Luca nickte. „Ja... es ging um die Inquisition. Naruz er... er weigert sich, die Inquisition zu verlassen! Selbst jetzt, nachdem er sein Gedächtnis wiedererlangt hat! Er sagt, er will Menschen beschützen.“ Luca ließ ein Schnauben hören. „Und von mir verlangt Paolo, dass ich ihn dabei unterstütze.“
„Ist das nicht gut so?“ fragte Lyaena.
„Was?“ Luca starrte sie ungläubig an. „Wie kann das gut sein? Nach allem, was ich getan habe, damit er nicht zum Spielzeug der Kirche wird...“
„Und das hast du gut gemacht, denn er ist doch kein Spielzeug der Kirche geworden, oder nicht? Nach allem was du gesagt hast, und nach allem, was ich in letzter Zeit über ihn gehört habe, ist er der Inquisition freiwillig beigetreten. Wenn es sein Wunsch ist, Menschen zu helfen und sie zu beschützen, was ist daran so falsch?“
„Du klingst schon wie er.“ murmelte Luca.
„Vielleicht, aber ich finde, wenn es sein Wunsch ist für die Inquisition zu arbeiten, dann solltest du das respektieren.“
„Aber... die Arbeit als Inquisitor kann gefährlich sein!“ entfuhr es Luca, und damit sprach er das aus, was er vor seinem Bruder nicht sagen wollte. „Wenn er nur Papierkram erledigen würde, meinetwegen, das könnte ich akzeptieren, aber er arbeitet draußen, er jagt Dämonen! Das... was ist?“ fragte Luca verwirrt, als er Lyaenas Lächeln sah.
„Es geht dir gar nicht darum, dass du die letzten zehn Jahre als verschwendet ansiehst, oder? Deine einzige Sorge ist, dass deinem Bruder etwas passieren könnte, was vorher war, spielt keine Rolle für dich... zumindest nicht in Zusammenhang mit Naruz, oder?“
„Ich... ich will einfach nicht, dass ihm etwas passiert, das muss er doch verstehen, oder?“
Lyaena nickte, sagte dann jedoch „Aber was ist, wenn er genauso über all die anderen, fremden Menschen denkt, wie du über ihn? Was, wenn er sie genauso sehr schützen will, wie du ihn?“ Luca zögerte. Darüber hatte er nie wirklich nachgedacht. „Hast du mir nicht immer gesagt, er sei ein mächtiger Magier? Da kann er doch wohl auf sich selbst aufpassen. Und wenn du bei ihm bist, könntest du ihn auch beschützen.“ während Lyaena sprach, setzte sie sich auf Lucas Schoß, so dass sie ihm direkt in die Augen sehen konnte, ohne den Kopf verdrehen zu müssen. „Außerdem könntest du dabei helfen, Unschuldige zu retten.“
„Das ist mir egal.“
„Das stimmt nicht, und du weißt es.“ sagte Lyaena, mit strenger Miene. „Du denkst nur, dass du niemals jemanden beschützen könntest, nicht wahr? Du denkst, dass du nur dazu da bist, Dinge zu zerstören.“ In Lyaenas Kopf schwirrten die Worte, die dieser Rhael zu ihr gesprochen hatte, darüber, wie Luca nichts weiter war, als eine Waffe, geschaffen um zu vernichten. Sie schüttelte sachte den Kopf. Wer auch immer Rhael war, er irrte sich, Luca war weit mehr als das. Das wusste sie, und das wusste auch Luca... und wenn nicht, würde sie dafür sorgen, dass er es erkannte.
„Ich...“
„Rede mit deinem Bruder.“ sagte Lyaena, ohne Luca ausreden zu lassen. „Versuche ihn zu verstehen, und renne nicht einfach davon. Denke an all das gute, dass du tun könntest, wenn du mit ihm zusammenarbeitest, und sage bloß nicht, das interessiert dich nicht.“ Luca schwieg eine Weile lang, dann brach er in ein lautes, befreiendes Lachen aus.
„Bei Gaia... du kennst meinen Bruder besser als ich, wie es scheint.“
„Nein, ich bin nur nicht zu stur, um mich in andere Menschen hineinzuversetzen.“ antwortete sie lächelnd.
„Vielleicht... ach... der ganze Streit war sowas von dämlich.“ murmelte Luca.
„Einsicht ist der erste Schritt in eine bessere Richtung. Wenn du...“ weiter kam Lyaena nicht, denn Luca beugte sich plötzlich nach vorn, und küsste sie. Als er sich von ihr löste, strich er ihr mit einer Hand lächelnd durchs Haar.
„Danke Lyaena... danke für alles. Du bist immer für mich da, wenn ich dich brauche.“
„N-natürlich bin ich das.“ murmelte die Akashi, und legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb. Sie schloss müde die Augen, ehe sie, leicht lächelnd, sagte: „Selbst wenn du mich mitten in der Nacht aus dem Bett reißt.“
Luca hustete. „Ähm, ja... tut mir leid, das kommt nicht wieder vor.“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich etwas dagegen habe.“ sagte Lyaena und gähnte. „Allerdings hätte ich nie erwartet, dass ich dich einmal dazu bringen muss, deinem Bruder zu helfen... du wirst ihm doch helfen, oder?“
Luca zögerte eine Weile, nickte dann jedoch. „Ich werde Morgen zu André gehen... es gibt viel, worüber ich mit Naruz reden muss. Viel zu viel.“ Erneut strich er durch Lyaenas Haar, dann sagte er: „Noch einmal danke. Es ist spät, und du musst ziemlich müde sein.“
„Ach was, überhaupt kein Problem.“ murmelte die Akashi und schaffte es geradeso ein weiteres Gähnen zu unterdrücken, was Luca lächeln ließ.
„Komm, ich bringe dich zurück zur Villa. Nicht, dass noch jemand denkt, ich hätte dich ent...“ Luca brach ab, und seine Hand verkrallte sich in seinem Hemd, direkt über seinem Herzen.
„Luca? Alles in Ordnung?“ Lyaena hatte nur die plötzliche Bewegung des Bladelli mitbekommen, und merkte erst jetzt, dass er sich an die Brust fasste.
„Oh ja, alles bestens. Nur eine kleine Nebenwirkung, von den Zaubern meiner Mutter. Manchmal... hm, wie kann ich es am besten sagen? Manchmal 'drückt' die Magie gegen meinen Körper, als wenn sie heraus will. Es tut ein wenig weh, aber es ist nichts schlimmes.“
„Ich verstehe.“ meinte Lyaena, warf Luca aber trotzdem noch einen besorgten Blick zu.
„Ich meine es ernst, es ist wirklich alles in Ordnung. So etwas passiert ein mal alle paar Monate, nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.“ Auf einmal war er unheimlich froh, dass Lyaena so müde war, denn sonst hätte sie wahrscheinlich gemerkt, dass er log. Kyosuke mochte einen Teil von Ericas Seele aus ihm entfernt haben, warum auch immer sie etwas davon in ihm eingepflanzt hatte, aber er hatte nicht die Zauber zerstört, die auf Luca lagen. Und eben jene Zauber hatten eben auf etwas reagiert, sie wurden urplötzlich verstärkt, als wenn sie aus einem ewig langen Schlaf erwacht wären. Und dafür hatte Luca nur eine Erklärung; seine Mutter lebte. Gut, er wusste bereits seit einiger Zeit, dass Erica noch immer am Leben war, aber nun schien sie endgültig zurück zu sein. Sie hatte ihren alten Körper wieder. Anscheinend hatte Rhael recht gehabt; er und Morrigan hatten es auch ohne Luca geschafft, den Ort ausfindig zu machen, an dem ihre Magie untersucht wurde. Einerseits war Luca froh, dass er nun nicht mehr in die ganze Situation hereingezogen werden konnte, andererseits war es nun für ihn an der Zeit, sich Sorgen zu machen. Denn Paolos Geschichte hatte auch ihm etwas zu denken gegeben; es gab einige Dinge, über den Angriff auf Ericas Villa und die vorhergegangenen Wochen, an die er sich nicht richtig erinnern konnte... und auch die ersten Monate seiner Zeit im Norden, waren bestenfalls schwammig, wenn er es sich recht überlegte. Irgendetwas stimmte nicht, so viel war klar. Aber er würde herausfinden was, und zwar am besten, bevor die Magie in seinem Körper ihn endgültig zu Grunde richtete.
„Luca? Hörst du mich?“
„Hm? Oh, Verzeihung. Ich habe nachgedacht. Was gibt es, Lyaena?“
„Du siehst traurig aus, bist du dir ganz sicher, dass alles in Ordnung ist?“ Einen Augenblick lang zögerte Luca und überlegte, ob er ihr vielleicht lieber die Wahrheit sagen sollte, ließ es dann jedoch bleiben. Es hätte keinen Sinn, sie unnötig zu beunruhigen.
„Sehr sicher, und jetzt hör auf, dir so viele Sorgen zu machen. Komm, gehen wir, ich denke, du brauchst den Schlaf noch mehr als ich.“ sagte Luca, und damit war das Thema für ihn beendet. Gemeinsam gingen sie zurück zur Villa der Akashi, und vor dem Haus verabschiedete Luca sich von Lyaena. Als er sich einige Straßen weit entfernt hatte, blieb er stehen und zog sein Hemd nach oben, um die Tätowierungen auf seinem Körper zu betrachten. Sie leuchteten in einem dunklen Rot, zwar schien es nicht durch seine Kleidung, aber es war dennoch ein äußerst intensives Leuchten. Er sollte vielleicht einmal mit Naruz darüber reden, immerhin war dieser schon immer der bessere Magier von ihnen gewesen. Naruz würde vielleicht eine Möglichkeit finden um... Luca unterbrach diesen Gedankengang mit einem Kopfschütteln. Jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Morgen würde er sich mit Naruz bei den Hohetemplern treffen, hören was André zu sagen hatte, und sich danach bei Naruz entschuldigen, alles andere konnte warten.

Am nächsten Morgen stand Naruz vor der Tür von Andrés Büro, und wartete ungeduldig unter den misstrauischen Blicken der sechs Hohetempler, die hier Wache standen. Neben Naruz standen Anya, Victoria, Nikodemus und Aynaeth, die ebenso ungeduldig und nervös aussahen wie er. Bevor er gegangen war, hatte Naruz noch einmal mit Aleyandra geredet, und ihr gesagt dass er sich mit ihr treffen würde, sobald er mit André geredet hatte. Sie wartete solange mit Saeca und Naleya in der Bibliothek der Bladelli, und sie hatte Naruz versprochen darauf aufzupassen, dass die junge Armani nicht wieder überall Dango versteckte. Naleya hatte sich dazu bereiterklärt, damit zu helfen. Langsam fragte sich Naruz, wie lange die angehende Hexe eigentlich noch in Navea bleiben wollte. Eigentlich hätte sie schon längst wieder nach Vo Astur reisen sollen, aber sie hatte es irgendwie immer wieder geschafft, ihre Zeit in der Hauptstadt zu verlängern. Immerhin verstand sie sich gut mit Saeca, und konnte die Armani davon abhalten, zu viel Unsinn zu machen.
„Hallo... Naruz.“ Naruz zuckte zusammen, als er die Stimme hinter sich hörte und wirbelte herum. Vor ihm stand Luca, in Begleitung eines jungen Mädchens, mit schulterlangen, schwarzen Haaren und braunen Augen.
„Oh... hallo Luca.“ murmelte Naruz, und senkte den Blick. Er hatte es im Laufe der Nacht zumindest geschafft, seine Gedanken halbwegs zu ordnen, was allerdings nur dazu führte, dass er sich noch mieser dafür fühlte, wie er mit Luca gesprochen hatte. Anya schien es ähnlich zu gehen wie Naruz, zumindest wenn es um ihre Erinnerungen ging. Allerdings hatte sie den ganzen Tag schon nicht mit Naruz geredet, sondern dauernd den Kopf abgewandt, wenn er versucht hatte mit ihr zu reden, stattdessen unterhielt sie sich gerade leise mit Victoria und Nikodemus. Naruz hob seinen Kopf und sah Luca direkt in die Augen. Gleichzeitig öffneten sie den Mund, um etwas zu sagen, allerdings kam keiner von ihnen dazu.
„Du bist also Naruz?“ fragte das Mädchen mit strahlenden Augen, und trat einen Schritt nach vorn.
„Was? Ähm... ja, der bin ich. Und du bist...?“
„Mein Name ist Retia, ich bin eine Magierin der Smaragdgilde, und ein großer Fan von dir!“
„Du bist was?“
„Luca hat mir so viel über deine Magie erzählt, darüber, was du alles getan hast! Es ist eine unglaubliche Ehre, einmal mit dir reden zu können!“ schwärmte das Mädchen und schüttelte Naruz' Hand. „Ich hoffe, du zeigst mir einmal einen deiner Zauber! Oh! Vielleicht der, mit den Drachen, von dem Luca erzählt hat! Oder...“
„Ist das deine Freundin, Luca?“ fragte Naruz, und diese Worte reichten, um das Mädchen hochrot anlaufen zu lassen. Sie verstummte, und drehte langsam den Kopf zu Luca um, der lächelte.
„Sie ist eine Freundin, sie hat mir bei einem meiner Zauber geholfen.“
„Einem deiner Zauber? Willst du etwa sagen, du kannst noch mehr, als Dinge in die Luft zu jagen?“ fragte Naruz erstaunt, woraufhin Luca eine entrüstete Miene aufsetzte.
„Aber natürlich! Du solltest wissen, dass ich kurz davor stehe, einen Schutzzauber...“ er verstummte, als er merkte wie Naruz ihn anlächelte.
„Es tut gut, dich wieder zu sehen, Luca.“ meinte er, und legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid wegen Gestern.“
„Ja... mir auch. Ich... ich sollte zumindest versuchen, dich zu verstehen und deine Meinung zu respektieren.“
„Und ich hätte nicht so über dein Opfer reden sollen, ich bin dir wirklich dankbar für das, was du getan hast.“
„Ähm... wer ist das?“ fragte Nikodemus plötzlich und ging auf Luca zu, zusammen mit Victoria und Aynaeth.
„Der Erbe der Bladellifamilie, wenn ich mich nicht irre.“ murmelte Victoria, und rückte ihre Brille zurecht.
„Zwei Naruzse?“ fragte Aynaeth und legte ihren Kopf schief.
„Nicht ganz. Das ist Luca Bladelli... mein Bruder.“
„Du hast einen Bruder? Davon hast du noch nie was erzählt.“ meinte Nikodemus erstaunt.
„Du bist ein Bladelli? Davon hast du noch nie was erzählt.“ sagte Aynaeth gleichzeitig, wenn auch mit weit weniger Emotion in der Stimme, als Nikodemus.
„Es ist eine lange Geschichte, aber ja. Wie es scheint, bin ich ein Bladelli, und Luca ist mein Bruder. Ich konnte mich bislang nicht daran erinnern, wegen eines Zaubers, und... ach, das ist jetzt unwichtig. Ich erzähle euch später alles darüber.“
„Das erklärt aber so einiges.“ Victoria nickte wissend. „Anya hat nämlich so unzusammenhängendes Zeug gemurmelt, aber jetzt ergibt es einen Sinn. Irgendwas über 'verbrannte Kuchen' und die 'erste, große...'“ Anya brachte ihre Freundin zum verstummen, indem sie ihr lächelnd einen Arm um den Hals legte und zudrückte.
„So, Victoria. Das reicht, für heute hast du genug geredet.“ sagte Anya lächelnd. „Schlafe jetzt erstmal ein wenig.“
„Oh, heute ist ja schon einiges los hier.“ Salvatore Doni betrat gerade den Vorraum von Andrés Büro, was die Hohetempler stöhnen ließ. Nicht etwa, weil es langsam voll wurde, davor waren sie gewarnt worden. Nein, der Grund war eher, dass es Salvatore war. Er hatte nicht gerade einen guten Ruf bei den Templern. „Was ist passiert, Anya? Hat Victoria mal wieder fast gesagt, dass du in...“ Auch den Doni brachte Anya äußerst geschickt und unauffällig zum Schweigen, indem sie Aynaeth das Buch aus der Hand riss, dass diese gerade gelesen hatte, und es Salvatore ins Gesicht feuerte. „Ah! Bei Gaia, hast du den Verstand verloren?!“ rief der Doni empört, fing das Buch, bevor es ihn treffen konnte, und schmiss es auf den Boden. „Nur weil ich...“
„Sal-va-to-re...“ Der Doni zuckte zusammen, als er die tonlose Stimme hörte, die jedoch kurz davor zu stehen schien, vor Wut zu explodieren. Die Blicke aller Anwesenden wanderten zu Aynaeth, die dem Doni einen vernichtenden Blick zuwarf.
„J-ja, Aynaeth?“
„Was glaubst du, was du da gerade mit dem Buch getan hast?“
„W-was? Ich... ähm...“ vorsichtig hob Salvatore das Buch auf, staubte es ab, und polierte es mit seiner Inquisitorenrobe, ehe er sich ehrfürchtig vor Aynaeth verbeugte und ihr das Buch präsentierte. „H-hier, so gut wie neu. Kommt nie wieder vor.“ murmelte er, und die Hexe nickte zufrieden. Luca lachte.
„Wie ich sehe, hast du gute Freunde gefunden.“
„Kann man so sagen. Gut, und dann ist da noch Salvatore.“
„Hey!“
„Aber mit ihm kann man leben, so halbwegs zumindest.“ Naruz unterhielt sich ein paar Minuten lang mit Luca, hauptsächlich über Salvatore, und alle möglichen Dinge, die schiefgelaufen waren, und für die der Doni Verantwortung trug. Dann wurde das Gespräch der beiden abrupt beendet, als die Tür zum Vorraum erneut aufflog, und eine Gestalt hinein stürmte.
„Tut mir leid, dass ich spät dran bin!“ rief eine junge Frau, mit beinahe goldenen Haaren, und rehbraunen Augen, die ins Zimmer gerannt kam. In ihrem Mund hatte sie... eine Brotscheibe, und in ihren Armen hielt sie einen Haufen Papier. Sie raste geradewegs durch den Raum, und stieß dann plötzlich mit Luca zusammen, woraufhin beide zu Boden gingen. Irgendwie hatte die Frau es geschafft, so auf Luca zu landen, dass ihre Brüste beinahe in Lucas Gesicht waren, während sie ihm von oben herab in die Augen starrte. „Oh... Verzeihung, Naruz-senpai. D-das tut mir wirklich leid! Das wollte ich nicht.“ meinte sie schockiert, und richtete sich ein wenig auf. Sie rückte von Luca herunter, und ließ sich von ihm helfen, die Papiere aufzusammeln. „Vielen Dank. Ich habe schon viel über dich gehört, und...“
„Ja... ähm, tut mir leid, aber ich bin nicht Naruz.“
„Was?“ sagte die Fremde, und blinzelte ungläubig. Ihre Stimme klang auf einmal überhaupt nicht mehr verletzlich und ängstlich, sondern ein wenig... arrogant? Sie schien das auch selbst bemerkt zu haben, denn als sie fortfuhr, klang sie wieder, wie nach dem Zusammenstoß. „I-ich meine, was soll das heißen?“
„Ganz einfach; mein Name ist nicht Naruz. Ich bin Luca Bladelli, sein Bruder.“
„Bruder?“
„Hallo, ich bin Naruz... Naruz Bladelli, wie es scheint.“ meinte Naruz, der die ganze Situation äußerst komisch fand. Die Frau starrte ihn eine Weile lang an, ehe sie rot anlief, und sich vor ihm verneigte.
„T-tut mir leid, Senpai... ich dachte... ähm... tut mir leid.“ beendete sie ihre Entschuldigungen murmelnd.
„Schon gut, kein Problem.“ sagte Naruz lachend. „Vielleicht sagt Ihr erst einmal, wer Ihr überhaupt seid.“
„Natürlich. Ich bin Theresia Akashi... du kannst mich ruhig Theresia nennen. Ich bin deine neue Assistentin.“
„Meine... was?“
„Oh... ohhhhh! Ich meinte natürlich; ich wurde hierher gerufen, weil der Hochgeneral mir einen neuen Auftrag erteilen wollte.“
„Ah ja... natürlich.“
„Stimmt es, dass du einen Erzdämon getötet hast?“ fragte Theresia plötzlich, drückte Anya ihre Papiere in die Hand, und klammerte sich an Naruz' Arm, der dadurch gegen ihre Brüste gedrückt wurde. „Dazu noch Jezebeth, die mächtige Harpyie?“
„Ähm... ja, ich schätze, das stimmt.“ murmelte Naruz, dem das ganze ein wenig unheimlich wurde. Er war nur froh, dass Aleyandra das ganze nicht sehen konnte. Sie würde das wahrscheinlich falsch verstehen und... Naruz brach diesen Gedanken ab. Nein, Aleyandra hatte sich geändert. Sie war nicht mehr so wie früher, sie würde nicht grundlos eifersüchtig werden. Das hatte sie bereits unter Beweis gestellt. Vorsichtig versuchte Naruz seinen Arm, aus Theresias Griff zu befreien, was jedoch nur dazu führte, dass er irgendwie noch fester gegen sie gepresst wurde. Erst jetzt bemerkte er, dass die Bluse der Akashi ziemlich weit aufgeknöpft war. „Ähm... Eure... deine Bluse. Sie ist, ähm, offen.“ meinte er, und wandte den Blick ab.
„Was? Oh!“ rief die Akashi erschrocken, und knöpfte sie schnell zu. „Das ist mir...“
„Rate wer es ist!“ erklang auf einmal eine laute Stimme, und brachte die Akashi zum verstummen. Naruz blinzelte verwirrt. Diese Stimme... sie kam ihm verdammt bekannt vor. Aber das konnte nicht sein... oder doch? Sowohl er, als auch Theresia drehten sich um, und Naruz stöhnte auf, als seine Befürchtungen bestätigt wurden. Hinter Luca stand ein weiterer Neuankömmling und hielt dem überraschten Bladelli die Augen zu; eine junge Frau, ungefähr in Naruz' Alter, mit kurzen, violetten Haaren, und einem Lolli im Mund. Sie trug einen sehr kurzen Rock, ein viel zu langes Hemd und kniehohe Strümpfe, an ihrer Hüfte hing zudem ein Schwert.
„Mizore!“ entfuhr es Naruz und Aynaeth gleichzeitig.
„Was?“ Die Botschafterin blinzelte verwirrt, sah an Luca vorbei, und ihr Blick viel auf Naruz. „Naruz? Aber wer...?“ Sie nahm ihre Hände von Lucas Augen, umrundete ihn, und starrte ihm eine Weile in die Augen, ehe sie lächelte. „Ah! Mein Fehler, ich habe dich verwechselt!“ mit diesen Worten rannte sie zu Naruz, stieß Theresia unsanft zur Seite, und umarmte Naruz. „Wusste ich doch, dass was mit den Haaren nicht stimmte.“ meinte sie, und versuchte Naruz zu küssen. Dieser schaffte es jedoch, sich irgendwie aus ihrem Griff zu winden, und legte ihr eine Hand auf den Kopf.
„Ja... freut mich dich zu sehen, Mizore.“ murmelte er. Was machte die Schwerttänzerin hier? Schön und gut, dass Aleyandra weniger eifersüchtig war, als früher, aber bei Mizore dürfte es selbst ihr schwerfallen, die Ruhe zu bewahren.
„Ich habe alles gehört! Du hast Candeo gerettet, zusammen mit dem seltsamen Mädchen, dass du in Demarech gerettet hast! Shirayuki meinte, dass es ein unglaublicher Kampf gewesen sein muss.“
„Ja, kann man so sagen. Wo ist sie eigentlich?“ fragte Naruz, als er das Eidolon nirgendwo erkennen konnte.
„Sie ist noch im Himmelsreich, und erledigt dort etwas für mich, sie wird bald zu uns stoßen.“
„Ah ja, und was machst du hier?“
„Das... weiß ich noch nicht genau. Meine Mutter hat mir befohlen, mich hier zu melden. Der Hochgeneral, soll angeblich alles weitere erklären.“
„Wunderbar, alle sind da.“ Die Tür zu Andrés Büro stand offen, und der Hochgeneral musterte sie alle der Reihe nach. „Tretet ein.“ sagte er, und ging in das Zimmer, dicht gefolgt, von sämtlichen Personen, die im Vorraum waren, außer den Wachen. Während sie das Zimmer betraten, stellten sich diejenigen, die einander noch nicht kannten untereinander vor. Dann brachte Naruz alle zum schweigen, indem er das Wort ergriff.
„Also; warum sind wir hier?“ fragte er.
André wartete eine Weile, ehe er antwortete. Dann sagte er jedoch: „Wie bereits gesagt wurde, gab es ein Treffen zwischen den Großinquisitoren, den Familien und dem Erzbischof. Dabei wurde über die Ereignisse in Candeo geredet, und Beschlüsse gefasst. Als aller erstes möchte die Kirche sämtlichen ihrer Diener danken, die dabei geholfen haben, Candeo zu retten. Auch denen, die gerade nicht anwesend sind.“ meinte der Hochgeneral, und etwas an seinem Blick sagte Naruz, dass er von Aleyandra wusste, und dass insbesondere sie damit gemeint war. „Als nächstes; der Schattenritter wird zum obersten Feind der Kirche erklärt. Er hat versucht mit einem Heer aus Dämonen Candeo zu erobern, und eine Invasion der Alfar vorzubereiten, das lässt sich nicht länger ignorieren.“
„Wartet, der Schattenritter war in Candeo?“
„Ups.“ meinte Salvatore, und er kratzte sich am Hinterkopf. „Habe ich ganz vergessen zu erwähnen. Ich habe ihn gesehen, als ich meine... Angelegenheiten erledigt hatte.“
„Und du hieltest es nicht für...“ Naruz schüttelte den Kopf. „Später. Wie geht es weiter, Hochgeneral?“
„Der dritte Beschluss der Versammlung; die Teams der Inquisition, Mantikor und Hydra, werden mit sofortiger Wirkung aufgelöst, und unter neuen Namen, mit neuen Mitgliedern, neu gegründet.“ Ein Proteststurm entbrannte. Anya, Victoria und Nikodemus riefen alle durcheinander. Salvatore sagte zwar nichts, runzelte jedoch misstrauisch die Stirn.
„Ruhe!“ rief Naruz, woraufhin die anderen tatsächlich still wurden.
„Aber Naruz, du kannst doch nicht...“ begann Anya, verstummte jedoch, als Naruz ihr einen strengen Blick zuwarf.
„Lass den Hochgeneral ausreden. Verzeihung, Lord André.“
„Keine Sorge, ich kann die Reaktion Eurer Freunde verstehen. Also gut, der vierte Beschluss; eine neue Einheit wird gegründet, deren einzige Aufgabe es ist, den Schattenritter und seine Diener ausfindig zu machen, und sie zur Strecke zu bringen. Wir nennen sie, 'die Schattenjäger'. Diese Einheit wird vom Paladin angeführt, und untersteht dessen direktem Befehl. Der Paladin selbst, ist lediglich dem Erzbischof und mir Gehorsam schuldig.“
„Paladin? Die Kirche hatte seit über vierhundert Jahren keinen Paladin mehr.“ meinte Naruz.
André nickte zustimmend. „Das ist richtig, aber jetzt hat sie wieder einen.“ Der Hochgeneral erhob sich von seinem Stuhl. „Naruz Bladelli; aufgrund Eurer Taten, während der Schlacht von Candeo, ernenne ich Euch hiermit zum Paladin der Kirche. Die Verantwortung eines Paladins ist das Finden, und das Vernichten der gefährlichsten Feinde der Kirche. Nehmt Ihr diese Ehre an?“ Naruz war sprachlos. Er hatte mit vielem gerechnet, aber ganz gewiss nicht damit. Er sollte zum Paladin ernannt werden? „Nun? Was sagt Ihr?“
„Ich... nehme an.“ sagte er, noch immer vollkommen überwältigt von der Situation.
„Sehr gut. Hört nun Euren ersten Befehl, Paladin! Ihr übernehmt die Kontrolle, über die neugegründeten Schattenjäger, Eure Aufgabe ist es, den Schattenritter zu finden, und ihn zur Strecke zu bringen. Euch stehen alle Mittel der Kirche zur Verfügung. Die Armeen und Agenten der Templer und Inquisition hören auf Euren Befehl! Enttäuscht uns nicht.“
„Das werde ich nicht, Lord André.“ meinte Naruz, und verbeugte sich tief vor dem Hochgeneral. Dieser nickte.
„Sehr gut, dann zu den weiteren Befehlen... Nikodemus Starkas, Victoria Courtis, Ihr werdet hiermit zu Templern befördert, und den Schattenjägern überstellt. Ihr dient fortan dem Paladin.“
„Jawohl, Hochgeneral!“ riefen die beiden, und salutierten.
„Theresia Akashi; Ihr werdet fortan als Assistentin für den Paladin arbeiten.“ Andrés Blick wanderte zu Naruz. „Ich fürchte, dies werdet Ihr nicht ablehnen können. Es ist ein ausdrücklicher Wunsch der Akashi, für ihre Zustimmung, für diese Einheit. Und selbst dann, ist es weniger eine Zustimmung, als eine... Akzeptanz.“
„Ich verstehe, und ich habe kein Problem damit, Theresia in meiner Einheit zu haben.“
„Ich werde dich nicht enttäuschen!“ rief die Akashi voller Enthusiasmus, und presste sich an Naruz. „Du wirst sehen, es gibt keine bessere Assistentin als mich!“
„Salvatore Doni!“ fuhr André fort, ehe Naruz auf die Akashi reagieren konnte. „Du...“
„Warum werde ich als einziger respektlos angeredet?“ fragte Salvatore missmutig, wurde jedoch ignoriert.
„Du wirst zum Großinquisitor ernannt, und dienst als rechte Hand des Paladins. Sollte der Paladin irgendwie verhindert sein, übernimmst du seine Verantwortungen, verstanden?“
„Muss ich wirklich...“
Verstanden?“
„Ja, Sir!“
„Luca Bladelli, Anya Bladelli, Mizore Vaas, Retia Luroc. Ihr werdet zu Hohetemplern ernannt, und den Schattenjägern überstellt. Einwände?“
„Keine, Lord André.“ kam es von allen gleichzeitig.
„Sehr gut, dann zuletzt... Lady Aynaeth Vaas. Die Kirche bittet Euch darum, den Schattenjägern beizutreten. Sie werden eine Expertin in Sachen Dämonologie gebrauchen können.“
„Ich nehme das Angebot an.“ Naruz dachte einen Augenblick lang, er habe sich verhört. Aynaeth wollte freiwillig... arbeiten? Irgendetwas stimmte hier überhaupt nicht.
„Lord Paladin.“ sagte André plötzlich an Naruz gewandt.
„Ja?“
„Sämtliche Mitglieder der Schattenjäger, die nicht in Eurem Team waren, wurden von mir persönlich ausgesucht, außer Lady Akashi. Ein jeder von ihnen verfügt über mächtige Fähigkeiten, die eine echte Bereicherung für Eure Aufgabe sein dürften.“
„Daran zweifle ich nicht.“
„Ihr seid vorerst alle entlassen. Euer Hauptquartier wird weiterhin die Villa der Bladelli sein?“
„Ja.“
„Dann schlage ich vor, dass Ihr Euch vorerst dorthin zurückzieht, und Euch miteinander bekannt macht. Morgen werde ich einen Boten zu Euch schicken, dieser wird Euch Zugriff, zu den wichtigsten Informationen über den Schattenritter geben. Vergesst nicht, es ist Eure oberste Priorität ihn zu finden; sollte Euch dies nicht gelingen, stört seine Pläne, so gut es geht.“
„Jawohl, Sir.“ Mit diesen Worten verließen Naruz und der Rest das Büro. Paladin! Ein Rang, den es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben hatte, und der eigentlich nur an Beschützer der Kirche verliehen wurde... Naruz konnte es noch immer nicht glauben. Genauso wenig, wie dass zwei zufällige Begegnungen mit dem Schattenritter nun dazu führten, dass er die Jagd auf ihn leitete. Trotzdem lächelte er zufrieden. Mit dieser Beförderung hatte er einiges an Macht gewonnen, Macht die er nutzen konnte um... er schüttelte müde den Kopf, als er merkte, was er da für einen Unsinn dachte. Wichtig war nur, dass er endlich etwas tun konnte, um den Schattenritter aufzuhalten. Demarech, Candeo... es schien so, als wenn er etwas großes plante, Naruz wusste nur noch nicht was. Aber darüber würde er sich später Gedanken machen können. Jetzt sollte er erst einmal zur Villa zurückkehren, und Aleyandra die guten Nachrichten überbringen... er konnte nur hoffen, dass Aleyandra sie ebenfalls als 'gut' empfinden würde.
Zuletzt geändert von Mimir am 12. Dezember 2014 23:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Kawaii Kingdom (Aura Kingdom AAR mit Vanidar)
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Die Goldene Faust, Thera AAR
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 12. Dezember 2014 21:16

42. Streit, Liebe, Streit und mehr Liebe (Öffnen)
42. Streit, Liebe, Streit und mehr Liebe


Das gesamte Anwesen der Bladelli, welches vor etwa einem Jahr noch zum Großteil leer stand, sprühte inzwischen geradezu vor Leben. Nach dem Gespräch mit Andre hatten die Schattenjäger und die Bladelli sich in das Anwesen zurückgezogen, da es ihr altes und neues Hauptquartier war, würden die Mitglieder hier leben. Paolo Bladelli schien nichts dagegen zu haben, im Gegenteil, er freute sich über den Anblick und beobachtete die vielen Leute, die in seinem Haus umherliefen, sich unterhielten und darauf warteten das Naleya mit dem Essen fertig wurde. Außer dem alten Bladelli, beobachtete noch jemand anders das bunte Treiben, allerdings mit deutlich schlechterer Laune. Aleyandra lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand. Seit Naruz von Andre zurückgekommen war und man ihr alles erklärt hatte, hatte sie mit niemandem mehr gesprochen. Naruz schien sich sowieso nicht für sie zu interessieren und der Rest konnte ihr gestohlen bleiben. Dabei hatte sie so große Hoffnungen in das Treffen ihres Freundes mit dem Hochgeneral gesetzt. Es wäre großartig gewesen wen man Naruz aus der Kirche entlassen hätte, für was auch immer, das war ihr egal. Aber leider beschloss der Erzbischof ihn stattdessen zu belohnen und Aleyandra zu bestrafen. Ihr gegenüber, ein ganzes Stück entfernt, saßen Anya, Naruz und Luca zusammen. Sie unterhielten sich über ihre gemeinsame Kindheit und die Erinnerungen die langsam wieder zurück an die Oberfläche ihrer Gedanken traten.
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sich in diesem Moment mit Paolo der letzte der verfluchten Bande zu ihnen gesellte. Eine große, glückliche Familie. Aleyandra spürte einen Kloß in ihrem Hals, der ihr die Luft abschnürte und sie fast zu ersticken drohte. Der Anblick sollte eigentlich harmonisch, fast schon idyllisch wirken, und für alle anderen die den Bladelli zusahen, wirkte es wahrscheinlich auch so, aber nicht für Aleyandra. Das einzige was sie fühlte war brennende, unerträgliche Eifersucht. Sofort fühlte sie sich schuldig und wandte betreten den Blick ab. Eigentlich sollte sie ich für Naruz freuen, weil er seine Erinnerungen und seine Familie wieder zurück hatte, weil er wieder mit seinem Bruder zusammen war und mit allen die ihm jemals etwas bedeutet hatten, aber sie konnte es nicht. So sehr sie es auch versuchte, es gelang ihr nicht sich für ihn zu freuen. Dass sie beide keine Familie mehr besaßen, hatte sie in Aleyandras Augen noch enger aneinander gebunden. Sie brauchten keine Geschwister, Cousinen oder Großväter, sondern nur einander. Sie waren ihre eigene, kleine Familie gewesen und zumindest für Aleyandra, hätte das auch für immer so bleiben können, es hatte ihr gereicht. Aber jetzt gehörte Naruz auf einmal zu dieser Familie, er war an diese Menschen gebunden...vielleicht sogar mehr als an sie. Plötzlich besaß er eine Familie und sie fühlte sich nur noch wie das fünfte Rad am Wagen bei dem Anblick.
Gerade wollte sie den Mut aufbringen zu Naruz und seiner Familie zu gehen, als sich zur gleichen Zeit jemand dazu entschloss eine Unterhaltung mit ihr anzufangen und zwar ausgerechnet die einzige Anwesende, die Aleyandra mehr Sorgen bereitete als Naruz plötzliche Verwandtschaft mit den Bladelli. Mizore. Ausgerechnet Mizore! Was hatte sie bei den Schattenjägern zu suchen? Mit allem würde sie zurechtkommen, mit allem außer Mizore! Wie sollte sie weiterhin Naruz vorspielen nicht eifersüchtig zu sein wenn Mizore jeden Tag in seiner Nähe war? Wenn sie sogar im selben Haus lebten! Aleyandra warf der Schwerttänzerin einen düsteren, wütenden Blick zu, aber Mizore ließ sich davon nicht aufhalten und gesellte sich unerschrocken neben Aleyandra. Dabei wirkte sie, als würde sie eine Unterhaltung mit einer guten, alten Freundin anfangen und nicht mit ihrer größten Feindin, womit sie Aleyandra nur noch mehr reizte, der es nicht so gut gelang ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Noch bevor Mizore den Mund öffnete um etwas zu sagen, ballte Aleyandra bereits die Fäuste. Sie hatte noch nie ein Wort mit Mizore gewechselt, aber sie hasste sie jetzt schon.
„Es ist schon seltsam, oder?“ fragte die Schwerttänzerin beiläufig, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten „Ich habe mir Naruz nie wirklich als Familienmenschen vorgestellt, aber es passt irgendwie zu ihm, findest du nicht auch? Wir hatten leider nicht viel Zeit miteinander, aber er wirkt wie ein mitfühlender, fürsorglicher Mensch, aber das muss ich dir ja nicht sagen. Jedenfalls ist es selbstverständlich dass er seine Familie liebt, seine Familie und seine Einheit. Ich bin sicher er würde für jeden Schattenjäger hier im Raum in den Tod gehen, ohne zu zögern. Sogar für diese neue Akashi.“ Mizore legte eine kurze Pause ein und lächelte Aleyandra freundlich an, was diese erst recht aufbrachte „Ach ja, und für dich sicherlich auch, wenn er einen guten Tag hat.“
„Er würde mich immer retten, egal ob ich in seiner albernen Einheit bin oder nicht, aber was dich angeht bin ich mir nicht so sicher.“ behauptete Aleyandra großspurig. „Glaube ja nicht ich weiß nicht was du hier willst. Du glaubst Naruz und du könntet zusammen sein, nur weil er dich damals ein paar Nächte lang ausgenutzt hat um mich zu vergessen. Aber weißt du was? Das wird diesmal nicht funktionieren, denn er muss nicht mehr mit irgendwelchen zufälligen Schlampen ins Bett springen um nicht an mich denken zu müssen. Jetzt hat er mich wieder und braucht dich nicht. Wenn du wirklich ernsthaft denkst jemals wieder eine Nacht mit ihm verbringen zu können, dann bist du einfach nur dumm.“ Aleyandra versuchte so arrogant und überzeugt wie möglich zu klingen, während sie ein überlegenes Lächeln aufsetzte, mit dem sie Zuversicht ausstrahlen wollte „Naruz liebt mich mehr als alles andere.“
„Oh ja, ich weiß. Er denkt irgendwie, dass er es dir schuldig ist nett zu dir zu sein weil du so zerbrechlich bist und auf dich aufpassen muss, aber irgendwann wird er merken, dass es mehr im Leben gibt, als sich immer nur um deine Probleme zu kümmern, dass es auch darum geht Spaß zu haben. Naja, wir werden sehen wie die ganze Sache aussieht sobald wir auf der Jagd nach dem Schattenritter sind und er nicht mehr aus Mitleid alles tun muss was du willst. In Demarech habe ich jedenfalls gelernt das Naruz durchaus weiß was das Wort Spaß bedeutet.“ Mizore zwinkerte ihr kurz zu, woraufhin Aleyandra angewidert das Gesicht verzog „Ich freue mich schon darauf mit ihm durch Midgard zu reisen. Wir sind zwar eine recht große Gruppe, aber es wird sicher genug Gelegenheiten geben etwas Zeit mit ihm alleine zu verbringen.“ sagte sie und verschwand ohne darauf zu warten das die inzwischen völlig verunsicherte Aleyandra sich eine Erwiderung ausdenken konnte. Aleyandra warf einen missmutigen Blick zu Naruz und seiner Familie, seufzte und gab ihre Pläne auf zu ihm zu gehen. Mizore hatte den letzten Rest an guter Laune endgültig vernichtet, wenn sie jetzt mit Naruz redete, würde das nur in einem einzigen Desaster enden. Eine Weile schmollte sie noch vor sich hin, während die Versammlung der Bladelli um Naruz sich langsam zerstreute, um sich mit den anderen Gästen und Mitgliedern der Einheit zu beschäftigen. Vor allem Luca schien sich Mühe zu geben die Freunde seines Bruders kennenzulernen. Irgendwann kam er auf seinem kleinen Rundgang durch Naruz Freundeskreis auch zu Aleyandra.
„Hallo.“ begann er mit einem freundlichen Lächeln und stellte sich so höflich vor wie es ihm bei seinem aufgedrehten Verhalten im Moment möglich war. Wieder bei seinem Bruder zu sein, sorgte dafür dass er sich wieder fühlte wie vor knapp zehn Jahren, als er noch nicht der sogenannte 'Todesengel der Bladelli' war, sondern einfach ein ganz normaler Junge, der mit seiner Familie Spaß hatte. "Man hat uns noch nicht vorgestellt. Ich bin Luca Bladelli."
„Mein Name ist Aleyandra Moraevion. Naruz hat mich sicher erwähnt.“
„Nein, eigentlich nicht. Wir haben uns ja gerade erst wiedergesehen, also hatte Naruz erst Zeit mir schnell alles über die wichtigsten Dinge in seinem Leben zu erzählen. Aber...“ unter ihrem finsteren Starren stockte er kurz und fragte sich was für einen Fehler er gerade wohl begangen hatte. Es waren doch etwas viele neue Leute auf einmal und es viel ihm schwer den Überblick zu behalten, wenigstens wusste er das sie nicht zu den Schattenjägern gehörte. „Aber ich bin sicher er hätte dich noch irgendwann erwähnt. Also, wer bist du? Eine Freundin von meinem kleinen Bruder oder gehörst du auch zu den Hexenschwestern aus Vo Astur?“
„Weder noch, ich bin nicht eine Freundin, sondern seine Freundin, seine feste Freundin.“ antwortete Aleyandra mit stolzgeschwellter Brust, aber das hielt nicht lange an, denn plötzlich prustete Luca los und brach in schallendes Gelächter aus „Was gibt es da zu lachen?“
„Ach nichts, du bist nur schon die Dritte, die das von sich behauptet.“ meinte Naruz Bruder grinsend und seine Augen leuchteten sie belustigt an.
„D-dritte?“
„Ja, seine Assistentin von den Akashi hat das gleiche zu mir gesagt, obwohl sie ihn erst seit ein paar Stunden kennt. Ach ja, und diese Schwerttänzerin und ihr Eidolon sehen das genauso und behaupten Naruz wäre ihr fester Freund. Wenn man das Eidolon mitrechnet bist du sogar schon das Vierte Mädchen, das behauptet seine Freundin zu sein.“ Lucas Lachen ebbte etwas ab und wurde zu einem belustigten Glucksen, das Aleyandras Herz fast zum zerspringen brachte. War es so witzig das sie und Naruz ein Paar waren? „Ich habe keine Ahnung was hier los ist, aber ich kann es mir gut vorstellen.“ Das alles erinnerte ihn viel zu sehr an ihre Kindheit. Naruz war schon immer heftig umkämpft gewesen bei den Mädchen, wenigstens daran hatte sich wohl nichts geändert.
„Nein, du verstehst das falsch! Die anderen lügen und sind bloß durchgeknallt! Ich bin wirklich seine Freundin!“
„Du klingst fast so überzeugend wie die Schwermeisterin und ich würde dir das normalerweise auch sofort glauben, wenn du die Erste wärst, die von sich behauptet mit ihm zusammen zu sein. Aber so glaube ich langsam dass mein Bruder einfach jemand ganz bestimmtes will anstatt euch und ich weiß auch genau wen.“ Luca nickte beiläufig in die Richtung von Naruz. Sein kleiner Bruder war gerade dabei sich lachend mit einer glücklich lächelnden Anya zu unterhalten. Verschwörerisch zwinkerte Luca Aleyandra plötzlich zu und senkte etwas die Stimme. „Die beiden waren schon immer für einander bestimmt, auch wenn sie sich noch immer etwas dagegen sträuben. Aber ich glaube eines Tages wird Anya ihm sagen was sie wirklich für ihn empfindet und dann wird mein Bruder sie in die Arme schließen, küssen, und niemals wieder loslassen. Glaube mir, ich kenne ihn, er liebt sie genauso sehr wie sie ihn und wenn die beiden einmal zusammen sind, werden sie für immer unzertrennlich sein.“
„Ja, das klingt...toll.“ murmelte Aleyandra verwirrt, sie musste hier weg und zwar schnell, bevor sie noch einen Streit mit einem dieser furchtbaren Bladelli anzettelte oder Mizore die Augen auskratzte „Verzeihung, aber ich muss an die frische Luft...ich glaube...ich glaube mir wird schlecht.“ Damit flüchtete sie vor dem verwunderten Luca, der nur kurz mit den Schultern zuckte und sich fragte ob er irgendwo in dem Anwesen noch mehr angebliche Freundinnen seines Bruders finden konnte. Weit kam sie nicht, denn schon wenige Meter von der Villa entfernt hörte sie plötzlich wie jemand hinter ihr angerannt kam. Als sie sich umdrehte machte ihr Herz für einen kleinen Moment einen freudigen Hüpfer, es war Naruz. Aber selbst das er ihr gefolgt war um sie zurückzuholen reichte nicht um ihre Laune wieder zu bessern.
„Wo willst du hin?“ fragte er sie, fröhlich lächelnd, und reichte ihr seine Hand, um sie zurück zur kleinen Feier der Schattenjäger zu bringen „Du kannst nicht einfach so verschwinden, wir müssen noch weiter feiern! Komm schon, heute ist ein großartiger Tag, immerhin bin ich jetzt Paladin und alle meine Freunde sind in meiner neuen Einheit.“ als sie das nicht aufzumuntern schien warf er ihr einen entschuldigenden Blick zu „Tut mir leid, ich habe Andre gefragt ob er dich bei uns aufnehmen kann, aber er sagte das wäre nicht möglich. Wegen...naja, wegen der magischen Überprüfung und weil du für die Kinder Gaias arbeiten musst und so weiter. Aber ich bin sicher wir...“
„Ich kann das nicht.“ flüsterte Aleyandra plötzlich und wich vor ihm zurück.
„Was kannst du nicht?“
„Ich kann nicht dabei zusehen wie du dein Leben für diese verfluchte Kirche wegwirfst.“ Naruz blinzelte sie verwirrt an und wusste nicht wirklich was er darauf erwidern sollte, aber sie sprach eh schnell weiter und traute sich dabei nicht ihm in die Augen zu sehen „In ein paar Monaten, bist du tot.“ behauptete Aleyandra und bei der eisigen Kälte in ihrer Stimme lief es Naruz kalt den Rücken herunter. Auf der Stelle gelang es ihr seine gute Laune restlos zu zerschlagen und sein fröhliches Lächeln fiel in sich zusammen. „In ein paar Monaten, spätestens einem halben Jahr, liegst du auf irgendeinem namenlosen Schlachtfeld, während die Dämonen des Schattenritters die Leichen deiner lächerlichen Einheit fressen bis nichts mehr von euch übrig ist. Wenn du dich mit dem Schattenritter anlegst, bist du so gut wie tot.“
„Woher willst du das wissen? Jetzt da meine Magie endlich funktioniert und meine Erinnerungen langsam zurückkehren, bezweifle ich das jemand mich so leicht besiegen könnte, ganz egal ob es der Schattenritter ist oder einer seiner Dämonendiener. Ich kann ihn besiegen.“
„Nein, das kannst du nicht. Ich weiß nicht viel über den Schattenritter, aber mein Gefühl sagt mir das er kein Gegner für dich ist.“ Für sie war Naruz noch immer der hilflose, angehende Botschafter Gaias dem sie beibringen musste zu fliegen und dessen magische Macht gegen Null ging, und das würde er auch immer bleiben.
„Dann willst du das ich meinen Posten aufgebe? Das ich noch am selben Tag zurücktrete, zu Andre gehe und ihm sage das er sich jemand anders suchen muss um das Leben von Tausenden Menschen zu retten?“
„Nein, ich will, das du deinen neuen Posten benutzt um Druck auf die Kirche auszuüben. Bringe sie dazu mich gehen zu lassen, damit ich nicht mehr für sie arbeiten muss und sobald du das geschafft hast kannst du deinen Posten aufgeben. Lassen wir diesen ganzen Unsinn hinter uns, die Kirche, den Schattenritter, die Kämpfe. Wer braucht das schon? Lass uns gehen, ansonsten werde ich...ansonsten werde ich unsere Beziehung beenden! Eher trenne ich mich von dir, als mit anzusehen wie du für diese Verbrecher in den Tod gehst. Bleibst du Paladin, werde ich dich so oder so verlieren und vielleicht ist es besser dich jetzt gehen zu lassen als in ein paar Monaten deine Überreste begraben zu müssen. Ich weiß wie lächerlich meine Drohung für dich klingen muss, aber es ist alles was ich habe.“ Aleyandra lächelte ihn traurig an „Vermutlich reicht das nicht damit du dich für mich entscheidest, aber es ist alles was ich habe.“
„Du...du willst dich von mir trennen?“ fragte Naruz nach und trotz der eigentlich ernsten Situation musste er an sich halten um nicht zu grinsen, das war einfach zu absurd.
„Ja, das werde ich. Ich habe keine Ahnung ob ich es kann, aber wenn du dich für die Kirche und Navea entscheidest, werden wir uns niemals wiedersehen.“ behauptete Aleyandra mit zittriger Stimme die keinerlei Überzeugung mehr ausstrahlte. Es war eine leere Drohung, aber eine bessere fiel ihr nicht ein. „Du musst mir nicht jetzt antworten.“ fuhr sie ihm hastig dazwischen, als er den Mund öffnete „Ich lasse dir Zeit, damit du dir deine Antwort überlegen kannst. Wenn du dich für mich und die Freiheit entscheidest, dann hole mich morgen Abend vor Sonnenuntergang ab. Wir gehen gemeinsam zum Ball, haben einen schönen Abend und planen unsere Flucht von diesem furchtbaren Ort. Aber wenn du lieber als Paladin den Schattenritter jagen möchtest als mit mir zusammen zu sein, dann...dann...“ verzweifelt verstummte Aleyandra und wandte sich schnell ab, damit er nicht sehen konnte wie ihr die Tränen in die Augen stiegen „Sei einfach da, bitte.“ hauchte sie noch zum Schluss, bevor sie davon eilte, bevor sie doch noch schwach wurde und sich auf der Stelle bei ihm entschuldigte.



Einen Tag später, stand Aleyandra unsicher vor einem großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und zupfte immer wieder nervös an dem Kleid oder ihren Haaren herum. Sie fühlte sich unwohl in dem silbernen Ballkleid. Es hatte auf den ersten Blick und in der Schachtel sehr viel schlichter und einfacher gewirkt, fast so wie ihre normalen Kleider, nur in Silber, aber da hatte sie sich gründlich geirrt.
„Ich sehe merkwürdig aus.“ flüsterte sie unsicher und strich über den fließenden, glatten Stoff. Um ihren Hals hing eine silberne Kette mit einem großen Rubin, eingefasst in Silber. Ach ja, und es gab noch sehr viel mehr Silber, Silber und Silber...ich liebe Silber. Rote Runen zierten den silbernen Stoff und es wirkte, als wäre dieses Kleid nur für sie gemacht worden, denn es passte perfekt zu ihr, was Aleyandra nur noch mehr beunruhigte.
„Du siehst toll aus, Onee-chan!“ widersprach Saeca aufgeregt und sah sie aus großen Augen bewundernd an. In dem Ballkleid wirkte ihre Onee-chan wie eine Prinzessin, auch wenn die Armani sonst nicht viel mit der Mode Naveas anfangen konnte. „Das Kleid und der Schmuck stehen dir großartig, als wäre beides extra für dich gemacht worden. Silber und Rot, genau deine Farben, etwas besseres könntest du gar nicht tragen! Wenn Naruz dich in dem Kleid sieht, werden ihm die Augen herausfallen und er wird dich augenblicklich heiraten!“
„Ja...Naruz.“ damit ging Saecas Versuch sie aufzumuntern eindeutig nach hinten los. Naruz Namen zu erwähnen war ein Fehler gewesen und Aleyandra war jetzt endgültig am Boden zerstört. Er war noch immer nicht hier, dabei hätten sie sich schon längst auf den Weg machen müssen.
„Glaubst du wirklich es war klug Naruz zu so einer Entscheidung zu zwingen? Er wird dabei sicher nicht mitspielen und ihn in die Ecke zu drängen kann schnell schiefgehen. Am Ende, naja, am Ende stehst du wieder alleine da, weil du dich mit ihm gestritten hast und das will ich nie wieder erleben. Also was hast du dir dabei gedacht, Onee-chan?“ fragte Saeca zaghaft nach, wobei sie rasch von Aleyandra wegsprang, nur zur Sicherheit.
„Ich musste es tun.“
„Naruz liebt dich über alles, das wissen wir beide, aber er wird nicht seine Familie, seine Freunde und seine Arbeit für die Kirche aufgeben. Ich glaube er...“ Saeca zögerte unsicher. Sie wollte ihre Onee-chan nicht noch deprimierter erleben, aber noch hatte Aleyandra die Chance einfach zu Naruz zu gehen und sich zu entschuldigen „Ich glaube nicht das er hier auftauchen wird.“
„Er wird kommen.“ behauptete Aleyandra steif und wandte sich von dem Spiegel ab, besser wurde es eh nicht, ganz egal wie lange sie ihr Spiegelbild anstarrte „Er muss.“ flüsterte sie mit einem Hauch von Verzweiflung zu sich selbst. Sie waren jetzt schon zu spät zum Ball, aber sie konnte erst gehen wenn Naruz kam und das würde er! In dem Moment, klopfte es plötzlich an der Wohnungstür. Damit gab es für Aleyandra kein Halten mehr. Sie stürmte auf dem Zimmer in Richtung Flur so schnell das Kleid es ihr erlaubte. Mit strahlendem Gesicht riss sie die auf und fiel dem Besuch um den Hals ohne sich groß die Mühe zu machen ihn vorher anzusehen „Naruz! Endlich! Ich...“ verwirrt brach sie ab, als sie merkte das sie nicht Naruz umarmte, sondern den verlegenen Nikodemus. Sofort ließ sie ihn los und starrte ihn auffordernd an.
„Nikodemus!? Was machst du hier?“ rief sie und für einen kurzen Augenblick blitze Zorn in ihren Augen auf, aber dann fing sie sich wieder. Er schien nur der Bote zu sein und welche Nachricht auch immer er brachte, er war nicht dafür verantwortlich. Aleyandra räusperte sich und versuchte es etwas freundlicher. „Ich meine...ich wollte nicht unhöflich sein und freue mich dich zu sehen, Nikodemus, aber warum bist du hier? Eigentlich habe ich unseren neuen, großartigen Paladin erwartet, oder ist er zu beschäftigt damit Mizores Schatten zu jagen?“
„Naruz ist mit Anya ins Theater gegangen.“
„Ich verstehe.“ flüsterte Aleyandra enttäuscht zu sich selbst, Saeca lugte hinter ihrem Rücken hervor und hielt sich bereit um ihre Onee-chan aufzufangen falls sie vor Schock in Ohnmacht fiel, aber ganz so sehr traf es sie dann doch nicht. Letztendlich hatte sie nichts anderes erwartet, auch wenn sie auf etwas anderes gehofft hatte.
„Er hat mich zu dir geschickt, um dir etwas auszurichten.“ fuhr der frischgebackene Templer hastig fort „Es würde ihn sehr freuen, wenn du noch einmal über deine Entscheidung nachdenken würdest. Was auch immer du tust, Naruz wird dich immer lieben und hofft, dass du ihn als Paladin akzeptierst und ihm in seinem Kampf gegen den Schattenritter zur Seite stehst. Wenn er könnte, würde er nichts lieber tun als sofort dein Angebot anzunehmen und Navea verlassen, aber er hat eine Aufgabe erhalten und wird sie auch erfüllen. Irgendjemand muss dem Schattenritter und seinen Dämonen die Stirn bieten, aber sobald der Kampf vorbei ist, wird er mit dir die Kirche verlassen, falls du es dann noch willst. Er hat lange mit sich gerungen und du bist für ihn das wichtigste auf der Welt, aber er kann nicht einfach alle die ihr Vertrauen in ihn setzen enttäuschen. Falls du ihn wirklich verlassen willst, wird er dich vermissen und auf dich warten. Außerdem hat er mir noch das hier mitgegeben.“ Nikodemus hielt ihr ein Stück Papier entgegen, welches sie düster musterte als wäre es eine tödliche Giftschlange mit der er sie umbringen wollte „Eine Theaterkarte, für die Vorstellung. Sie fängt in einer Stunde an.“ schloss Nikodemus seinen kleinen Vortrag ab und wartete geduldig darauf das sie die Karte nahm.
Aber Aleyandra tat ihm den Gefallen nicht, dabei sollte es sie eigentlich glücklich machen. Die Karte war ein Friedensangebot. Naruz bot ihr an, ihren Wutausbruch und alles was sie gesagt hatte zu verzeihen, es zu vergessen, aber das reichte ihr nicht. Mit kalter Stimme fuhr sie unerbittlich fort und schlug die Theaterkarte zur Seite. „Sag deinem Herren, dass ich kein Interesse daran habe mit ihm ins Theater zu gehen. Wenn er mich vermisst und mit mir zusammen sein will, dann soll er seinen Posten aufgeben, aber anscheinend ist das zu viel verlangt. Wenn er seinen Posten mehr liebt als mich, dann...“
„Ich denke nicht dass er das tut.“ unterbrach Nikodemus sie sofort und versuchte seinen Paladin zu verteidigen so gut er konnte.
„Woher willst du das wissen?“
„Er wird nur Paladin bleiben bis er den Schattenritter und die Bedrohung für uns beseitigt hat. Sobald der Kampf vorbei ist, wird er sicher nichts lieber tun als mit dir die Kirche zu verlassen. Ich denke das er jetzt erst recht den Schattenritter so schnell wie möglich aufspüren und besiegen will, nur um wieder mit dir zusammen zu sein und nicht weil er an seinem Posten hängt. Er tut das weil er dich liebt, denn er beschützt nicht nur die Menschen hier, sondern vor allem dich.“
Aleyandra blinzelte ihn an. Er hatte tatsächlich erreicht das ihre Wut ein bisschen verrauchte, leider war Naruz eh nicht hier, also konnte sie ihn nicht anschreien. Müde zwang sie sich zu einem Lächeln, stellte sich auf die Zehenspitzen und Nikodemus einen kurzen Kuss auf die Wange. „Danke, das war nett. Ich hoffe du hast recht damit, das hoffe ich wirklich, aber wenn ich für ihn so unwichtig bin, dann brauche ich Naruz nicht. Mehr habe ich nicht dazu zu sagen.“ damit entließ sie ihn mit einem überraschend strahlenden Lächeln „Und jetzt lass uns bitte alleine, wir müssen uns auf den Ball vorbereiten.“ Sobald er sich verabschiedet hatte und verschwunden war, rechnete Saeca damit das Aleyandras Lächeln augenblicklich in sich zusammenfiel, aber stattdessen wurde es nur noch breiter, womit sie der Armani langsam Angst einjagte.
„I-ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, alles ist bestens. Naruz hat seine Entscheidung getroffen und jetzt wird es an der Zeit das ich meine Drohung umsetzte. Von jetzt an bin ich wieder zu haben.“ meinte sie und schaffte es tatsächlich zu reden ohne sofort in Tränen auszubrechen, auch wenn ihr Lächeln langsam immer unheimlicher und gezwungener wirkte „Und der erste Schritt auf diesem neuen Weg, ist natürlich mir einen neuen Freund zu suchen. Was könnte dafür besser geeignet sein als ein Ball voller reicher Adeliger? Allerdings habe ich jetzt keine Begleitung mehr...“ als ihr einfiel das sie alleine zum Ball musste wurde ihre angeblich gute Laune etwas getrübt, aber dann kam ihr ein genialer Gedanke, der beste den sie seit langsam hatte „Obwohl, vielleicht habe ich doch noch jemanden.“
„Warum siehst du mich so an, Nee-chan?“ Saeca wich nervös zurück, während Aleyandra sie anstrahlte und langsam auf sie zuging.
„Ach, nur so.“ antwortete Aleyandra mit einem gefährlichen Grinsen „Besitzt du zufällig ein Kleid?“



„Oh nein, wir sind zu spät!“ beschwerte sich Aleyandra, als die beiden sich endlich unter die versammelten Akashi im großen Saal des Anwesens mischten. Inmitten der Akashi und Gäste, standen Lyaena, Teregion, Kyosuke, Teleya und ein Mann mittleren Alters mit kurzen blonden Haaren und einem Dreitagebart in einer dunklen Uniform. Kyosuke hatte gerade seine Rede beendet, in welcher er seinen Rücktritt verkündete und die Verlobung zwischen Teleya und dem Mann namens Halos bekanntgab, leider war es Aleyandra nur gelungen das Ende zu hören. Dank Naruz waren sie viel zu spät. Neben ihr folgte eine verlegene Saeca, die sich erstaunt in dem gewaltigen Saal umsah. Sie hatte in der Stadt schon kleinere Plätze gesehen. Unsicher zuckte sie zusammen, als ihr auffiel wie viele Blicke sich verwundert auf sie richteten. Letztendlich war es Aleyandra doch nicht gelungen die Armani in ein Kleid zu zwängen. Stattdessen trug sie ein Festgewand aus ihrer Heimat, dort nannte man es Kimono und sie fand daran absolut nichts seltsames oder besonders, aber trotzdem starrte jeder das fremdländische Mädchen in dem dunkelblauen Gewand an als wäre sie eine Kuriosität. Aleyandra gefiel es mit ihrer Armanifreundin Aufsehen zu erregen, aber Saeca wollte sich am liebsten nur hinter ihrer Onee-chan verstecken.
„Die Akashi sind seltsam.“ murmelte Saeca vor sich hin, als immer mehr mit dem Finger auf sie zeigten. Kyosukes Rede war vorbei und man sah sich nach einem neuen Zeitvertreib um, da kam die Armani gerade recht.
„Was meinst du damit?“ fragte Aleyandra ahnungslos nach, während sie die Blicke ignorierte.
„Ach, nichts.“ nuschelte Saeca hastig. Eigentlich wollte sie noch viel mehr sagen, aber jetzt da der kurze und unspektakuläre Auftritt des ehemaligen Oberhaupts vorbei war, richtete sich die Aufmerksamkeit der versammelten Akashi und Gäste auf zwei andere Personen. Einige gingen zu Lyaena, um sie zu beglückwünschen oder sich einfach nur mit ihr zu unterhalten, aber dem Großteil von ihnen, fiel langsam auf das Saeca sich in ihrer Mitte aufhielt. Einige von ihnen näherten sich ihr lächelnd, begrüßten sie freundlich, stellten sich vor und wollten wissen woher sie kam, wer sie war und sie es schaffte so unglaublich toll und niedlich auszusehen obwohl sie nur einen Bademantel trug. Hilfesuchend warf Saeca ihrer Onee-chan einen Blick zu, aber diese trat lächelnd den Rückzug an, winkte der Armani noch kurz zu und lachte dann leise. Saeca würde heute Abend sicher nicht langweilig werden, jetzt war es an der Zeit das sie selbst sich nach dem umsah was sie hier wirklich am meisten wollte: Wein, sehr, sehr viel Wein und noch mehr Wein.
„Aleyandra!“ rief jemand hinter ihr, als es ihr gerade gelungen war sich ein Glas Wein zu sichern. Silberblatt kam mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu, von seiner Verlobten war weit und breit keine Spur mehr zu sehen „Es freut mich das du gekommen bist. Du siehst hinreißend aus.“ meinte er mit einem leisen, warmen Lachen. So gut gelaunt hatte sie ihn selten erlebt, aber das überraschte sie nicht wirklich. Ab dem heutigen Abend war er der Verlobte des neuen Oberhaupts, was ihm absolut nichts brachte bis zur Hochzeit, aber immerhin konnte Lyaena jetzt theoretisch die Familie anführen und damit erweiterte sich auch Teregions Macht beträchtlich. Erwartungsvoll blickte er kurz an ihr vorbei, als würde er nach jemandem Ausschau halten. „Naruz wollte wohl nicht mitkommen?“
„Nein, dieser Idiot geht lieber mit Anya ins Theater als einen Abend mit mir zu verbringen.“ murmelte Aleyandra missbilligend vor sich hin und musste an sich halten um ihren Zorn zu unterdrückten so gut es ging, damit sie nicht das Weinglas in ihrer Hand zerbrach, es knirschte bereits gefährlich und würde einen weiteren Anflug von Zorn nicht überleben. „Aus irgendeinem Grund hat er es sich in den Kopf gesetzt, dass du ihm den ganzen Abend auf den Geist und ihn beleidigen würdest, darauf hatte er keine Lust.“
„Absurd.“ Teregion versuchte so zu tun als wäre er empört, aber in Wahrheit, hätte er genau das getan.
„Ja, ich weiß. Es ist lächerlich, als wäre wirklich jemand so kindisch den ganzen Abend so einen Unsinn zu machen, dabei ist der einzige, der sich hier kindisch benimmt, Naruz. Ich wette unser großer Paladin will einfach nur lieber seine Zeit mit seinem tollen, neuen Harem...Verzeihung, mit den Schattenjägern, verbringen.“ ihre Augen versprühten zornige Funken und in ihrem Blick lag etwas, das beinahe selbst Silberblatt in die Flucht geschlagen hätte. Das Wort Harem war ihr zwar nur zufällig herausgerutscht, aber wenn sie genauer darüber nachdachte, dann fand sie es ziemlich passend für Naruz neue Einheit.
„Du musst sehr stolz auf ihn sein.“
„Warum sollte ich?“ fragte Aleyandra verdutzt nach, als ihr kein einziger Grund einfiel warum sie stolz auf diesen Verräter sein sollte. Er hatte sich mit seinem neuen Harem gegen sie verschworen, darauf konnte sie nicht stolz sein.
„Er ist der erste Paladin seit einigen Jahrhunderten. Das ist eine große Ehre für ihn.“ Warum auch immer die Kirche einen dahergelaufenen Idioten zum Paladin ernennen sollte, fügte er genervt in Gedanken hinzu und sein Lächeln verlor einiges von seinem Strahlen. Naruz stand damit im Rang über ihm, zumindest bis er Lyaena heiratete, und das gefiel ihm gar nicht, ganz und gar nicht. Wenn der Paladin ihm etwas befahl oder seine Mitarbeit verlangte, musste er theoretisch gehorchen...aber lieber würde er sich in ein Schwert stürzen.
„Eine große Ehre?“ das letzte Wort spie Aleyandra angewidert aus, woraufhin Silberblatt überrascht eine Augenbraue hochzog. Anscheinend war er nicht der einzige dem Naruz Aufstieg nicht gefiel, immerhin etwas. „Lassen wir das, ja? Ich möchte nicht über diesen Verräter und seine kleinen Sklaven reden, die sind mir egal.“ Damit schob sie sämtliche Gedanken an Naruz zur Seite, was ihr nur mit einem weiteren sehr sehr großen Schluck Wein gelang, und fing an so freundlich zu lächeln wie es ihr im Moment möglich war. „Ich möchte mich noch einmal bei dir für das Kleid und den Schmuck bedanken, Groß...Teregion.“ Aleyandra trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, als sie ihn mit seinem Namen ansprach, das war sie nicht gewohnt. Schnell folgte der nächste und vorerst letzte Schluck Wein, denn ihr Glas war leer. Wehmütig starrte sie in ihr leeres Weinglas und Traurigkeit übermannte sie, jetzt musste sie das Gespräch so schnell wie möglich beenden und am besten gleich ein ganzes Weinfass finden. Hauptsache es war genug um ihre Gedanken an Naruz darin zu ertränken. Nachdem Aleyandra sich von dem Verlust ihres kostbaren Weines erholt hatte, fuhr sie leise fort. „Tut mir leid, es ist schwierig das einfach so abzulegen und Euch...dich, ganz normal anzureden. Außerdem fühlt es sich irgendwie seltsam an. Aber wie auch immer. Vielen Dank für alles, auch wenn ich schon den ganzen Abend Angst habe den Schmuck irgendwie zu verlieren. Die Edelsteine, das Silber...und außerdem kann ich Magie in jedem dieser Stücke fühlen. Das ganze muss ein Vermögen wert sein. Ich habe mich Anfangs gar nicht getraut irgendetwas davon anzufassen.“
Anstatt zu antworten, streckte er eine Hand nach ihr aus und seine Finger fuhren sanft über den Rubin. Ein verträumtes Lächeln stahl sich auf Teregions Lippen, als er das Schmuckstück betrachtete. Er hätte sich niemand besseren vorstellen können um es zu tragen, niemanden, nicht einmal Lyaena hätte es so gut gestanden. Das Rot war so strahlend wie das in Aleyandras Augen und das Silber glänzte wie ihr Haar. „Dieser Anhänger gehörte meiner Mutter.“ flüsterte er, tief in Gedanken versunken und gefangen in Aleyandras Anblick „Es war ein Erbstück ihrer Familie, zumindest hat sie das immer behauptet, auch wenn ihr das niemals jemand geglaubt hat. Ihre Familie stammte aus einfachen Verhältnissen, sie wuchs in Armut auf. Wer täglich ums Überleben und etwas zu Essen kämpft, hat für gewöhnlich keine Schätze rumliegen. Aber woher immer sie ihn hatte, er steht dir. Vielleicht solltest du ihn behalten? Ich habe keine Verwendung dafür und Lyaena steht rot nicht, außerdem habe ich so ein Gefühl das sie im Moment sowieso keine Geschenke von mir annehmen würde.“
„A-aber ich kann den Anhänger doch nicht einfach...“ Aleyandra verstummte, als sein Lächeln nur noch breiter wurde und er ihr gar nicht zuhörte. Er wirkte im Moment nicht so, als könnte man vernünftig mit ihm reden. Am besten sie gab ihm den ganzen Schmuck in ein paar Tagen wieder, wenn er sich wieder wie ihr Großmeister Silberblatt benahm.
„Du siehst umwerfend aus. Es wäre eine Schande wenn du dich zurechtgemacht hast nur um mies gelaunt in irgendeiner Ecke zu stehen und Wein zu trinken. Wollen wir tanzen? Ich...“ Silberblatt stockte unsicher, als die Armani plötzlich wieder neben Aleyandra auftauchte und ihn kurz zornig anfauchte, als wäre er ein bedrohlicher Dämon. Völlig aus dem Konzept gebracht wich er vor der wütenden Wildkatze aus dem Dschungel zurück. Die Armani verunsicherte ihn, er wusste nie wie er mit ihr umgehen sollte, vor allem wenn sie sich so aufführte als würde er Aleyandra jeden Moment etwas antun. „Ähm...es freut mich dich hier zu sehen, Saeca. Wie gefällt es dir hier in Navea und auf dem Fest?“ versuchte er höflich zu bleiben trotz ihres zornigen Starren. Zornig knurrte sie ihn an und schien kurz davor zu stehen den Großmeister zu beißen „Also...nicht so gut?“
„Vielleicht solltest du lieber gehen, Teregion. Ich muss mich mal mit Saeca unterhalten, alleine.“
„Ja...“ erwiderte Silberblatt und die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber trotzdem zog er sich unter Saecas wütenden Augen vorerst zurück, bis die Wachsamkeit der Armani endlich nachlassen würde, denn lange konnte diese ihren neuen Verehrern sowieso nicht mehr entkommen. Schon jetzt hing wieder eine ganze Traube aus Akashi an ihr.
„Saeca, das war nicht nett! Du kannst dich nicht so verhalten, ansonsten musst du zurück nach Hause gehen, verstanden?“ wies Aleyandra sie streng zurecht, dabei hätte sie gerne getanzt und sich dabei vorgestellt es wäre Naruz „Tut mir leid, aber er ist mein Großmeister. Ich bin auf ihn und seine Fürsprache angewiesen, ansonsten bleibe ich für den Rest meines Lebens bei den Kindern Gaias. Außerdem hat er uns zum Ball eingeladen und mir das Kleid gegeben. Sogar den Schmuck...“ sobald sie an den Schmuck dachte, brach Aleyandra nervös ab. Auch wenn Silberblatt niemals wirkliche Annäherungsversuche unternommen hatte, wusste sie mit ziemlicher Sicherheit das er gerne mehr wäre als nur ihr Großmeister. Viel zu viele von den Regeln, die er ihr beim Eintritt in die Kinder Gaias erläutert hatte, galten nicht für sie und er war immer bereit für sie eine Ausnahme zu machen, worum auch immer es ging. Er schenkte ihr Geld wenn sie es wollte, eine schöne Wohnung in einem der besseren Teile der Stadt und sie musste viel seltener Aufträge annehmen als andere Kinder Gaias. Meistens hatte sie wochenlang ihre Ruhe, oft musste sie sogar zu ihm kommen und nach Arbeit fragen, damit sie eine Ausrede hatte um Naruz zu verfolgen. Es war zu offensichtlich was er wollte um es zu übersehen und wenn Naruz sie nicht mehr wollte, wäre er die nächstbeste Partie die sie kriegen könnte, mit etwas Glück wäre er sogar ihre Gelegenheit die Kirche zu verlassen.
Während Saeca schmollte weil ihre Onee-chan sie kurz für ihr Verhalten ausgeschimpft hatte, versuchte Aleyandra ernsthaft über eine Beziehung mit Silberblatt nachzudenken. Er behandelte sie gut und hatte sie vor der Hexe Anya und dem Scheiterhaufen gerettet. Auch wenn er sich gegenüber Naruz nicht gut verhielt, mochte sie ihn trotzdem. Vielleicht konnte es wirklich nicht schaden etwas mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Mit einem deprimierten Lächeln schüttelte sie den Kopf. Nein, das sollte sie nicht tun und sie konnte es auch nicht. Das einzige was sie tun konnte war irgendwie diesen Abend zu überstehen ohne in Tränen auszubrechen und dann auf Naruz zu warten...oder darauf das sie schwach wurde und ihm nachgab, was vermutlich nicht lange dauern würde. Jetzt mochte sie noch wütend sein, aber sobald der Wein nicht mehr wirkte, würde sie die nächsten Tage damit verbringen sich die Augen auszuweinen und von Saeca trösten zu lassen. Was danach kam...das wusste sie bereits ganz genau und es gefiel ihr nicht. Sie würde zu Naruz kriechen und ihn um Verzeihung anflehen, spätestens sobald die Träume wieder anfingen sie jede Nacht an diesen schrecklichen Ort zu entführen. Schon jetzt wusste sie das sie ihn brauchte, aber vielleicht ging es ihm ja ähnlich? Vielleicht litt er genauso wenn sie nicht da war und verzweifelte gerade! Bei diesem, ziemlich weit hergeholten und unwahrscheinlichen, Gedanken gelang es Aleyandra ihre Phase der Depression zu überwinden. Es bestand die Chance das Naruz diesmal zu ihr kam. Eine kleine Chance nur, aber sie war da, irgendwo! Ein breites Lächeln stahl sich auf Aleyandras Lippen, als sich vor ihrem geistigen Auge eine Szene abspielte in der Naruz sie auf Knien anflehte ihn nicht zu verlassen. Mit dieser Illusion konnte sie ihren endgültigen Zusammenbruch immerhin noch um ein paar Stunden aufschieben. Ein falsches Lächeln aufgesetzt, machte sie sich auf mehr Wein zu suchen, damit sie sich weiterhin einrede konnte das alles gut wurde.
Besorgt betrachtete Silberblatt sie etwas später am Abend von Weitem, als Aleyandra, bereits etwas angetrunken, durch die Akashi stolperte, immer auf der Suche nach Wein. Das letzte mal als er sie betrunken erlebt hatte, war nach der Trennung von Naruz gewesen, damals hatte sie versucht sich umzubringen...was ihn dazu brachte sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen bis sie wieder nüchtern war. Das Naruz nicht hier war gefiel ihm, obwohl es neue Probleme mit sich brachte wenn die beiden sich trennten. Hoffentlich war es ein erstes Anzeichen dafür das diese zum Untergang verdammte Beziehung endgültig kurz davor stand zu scheitern. Wenn es so weit war, musste er Aleyandra nur irgendwie dazu bringen sich nicht zu erschießen.
„Wer ist sie?“ begann Kyosuke plötzlich und riss seinen Schwiegersohn damit aus dessen Starre, was Silberblatt kurz das Gesicht verziehen ließ. Er hatte eine halbe Ewigkeit einfach nur alleine mitten im Saal gestanden und jede Bewegung Aleyandras verfolgt. Dabei hatte er ausgesehen wie ein Idiot.
„Mhm, was? Wen meinst du?“ versuchte er sich ahnungslos zu geben, auch wenn ihm das schwer fiel, immerhin folgten seine Augen noch immer Aleyandra, unfähig sich von ihrem Anblick zu lösen.
„Das weißt du ganz genau, Teregion. Ich meine das Mädchen mit den langen, weißen Haaren, das du schon den ganzen Abend verträumt anstarrst als wärst du ein verliebter Narr und würdest am liebsten sofort mit ihr vor den Traualtar rennen.“ Kyosukes Lächeln nahm seinen Worten die Spitze und er zwinkerte ihm belustigt zu „Ich hoffe du hast keine Affäre mit ihr, dann müsste ich dich bestrafen und darauf hat so kurz vor der Hochzeit niemand Lust.“
„Keine Sorge, sie ist bereits vergeben und hat nur Interesse an einem einzigen Mann, den sie sicher niemals betrügen würde.“ Silberblatt gab sich große Mühe bei diesen Worten nicht zu offensichtlich enttäuscht oder deprimiert zu klingen, aber es gelang ihm nicht besonders gut, also fuhr er rasch fort bevor Kyosuke ihm doch noch eine Standpauke hielt „Sie ist die Freundin unseres neuen, großartigen und ruhmreichen Paladins.“
„Ah, ich verstehe. Ist der Paladin heute Abend zufällig auch hier? Ich bin mir nämlich ziemlich sicher dass er anders aussah.“
„Keine Ahnung wo er ist, vermutlich hatte er nur keine Lust auf den Ball. Der Paladin ist kein Freund unserer Familie und schon gar nicht von mir oder meinem Orden. Das Mädchen gehört zu meinen Leuten, was ihn noch immer zu stören scheint. Es würde mich nicht wundern wenn er bald anfängt seine neue Macht gegen uns zu benutzen. Wenn wir nicht vorsichtig sind, wird er unseren Plänen im Weg stehen, außerdem kann er unsere Suche nach dem Versteck meines Vaters behindern.“
„Ich mache mir keine Sorgen um den Schoßhund von Andre und Belenus.“ erwiderte Kyosuke unbekümmert, aber sie beide wussten das er es nicht war. Einen anderen Grund um ausgerechnet Theresia zu den Schattenjägern zu schicken konnte es nicht geben, er machte sich Sorgen. „Auch wenn es unglücklich ist das die Versammlung sich gegen uns entschieden hat. Unglücklich, aber auch vorhersehbar. Der verdammte Bladelli liegt dem Erzbischof ständig in den Ohren und die Doni interessieren sich sowieso nur für sich selbst, bedauerlich.“
„Und was hast du vor wegen den Schattenjägern? Sie...“
„Sie ist eine Moraevion, richtig?“ unterbrach sein Onkel ihn plötzlich. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung und plötzlich hatte sich jegliche Unbekümmertheit aus Kyosukes Stimme gestohlen.
„Ja, woher weißt du das? Ich habe niemals von ihr erzählt.“
„Ich bin nicht blind, Teregion. Das solltest du übrigens niemals vergessen.“
„Keine Sorge, das werde ich nicht.“ erwiderte Silberblatt zerknirscht und wandte den Blick ab, als er bemerkte wie sein Onkel ihn prüfend musterte.
„Aber egal was sie ist, das geht mich sowieso nichts an. Viel wichtiger ist: vertraust du ihr?“
„Mhm, denke schon.“ antwortete er nachdenklich, während er in Wahrheit keine Ahnung hatte wie die Antwort auf diese Frage lautete. Bisher wurde ihre Loyalität zum Orden noch nie auf die Probe gestellt und er wusste das Aleyandra alles andere als glücklich mit der Arbeit für die Kirche war, aber andererseits hatte sie bisher jeden Auftrag ausgeführt „Sie macht was ich ihr sage, jedenfalls meistens, manchmal kann sie etwas schwierig sein und...“
„Ja, ja, das ist mir alles egal. Ich will nur wissen ob sie loyal zu uns und deinem Orden steht. Gehört ihr Herz den Kindern Gaias?“ das zögerliche Nicken seines künftigen Schwiegersohns überzeugte Kyosuke zwar nicht wirklich, aber trotzdem war es einen Versuch wert, viel zu verlieren hatten sie damit eh nicht „Ich will mit ihr reden. Bring sie raus in den Garten, da haben wir unsere Ruhe. Außerdem geht es niemanden etwas an, was wir zu besprechen haben.“
„Ich kümmere mich darum.“ erwiderte er leise und runzelte verwirrt die Stirn, während er sich fragte was sein Onkel plante. Auch wenn er es lieber vermieden hätte die beiden zusammenzubringen, machte er sich auf den Weg zu Aleyandra, welche inzwischen an einem Tisch saß und sich an eine Flasche Wein klammerte wie eine Ertrinkende an das rettende Stück Treibholz. Sie schien ihn nicht sofort zu bemerken, sondern starrte mit verklärtem Blick in Richtung Tanzfläche. „Amüsierst du dich noch immer, Aleyandra?“
„Es geht.“ nuschelte Aleyandra müde. Sie hatte Wein noch nie besonders gut verkraftet und ließ eigentlich die Finger davon, aber heute war sie dank Naruz so deprimiert das es sie nicht mehr kümmerte. Eigentlich hätte die Armani auf sie aufpassen sollen, aber Saeca trieb sich irgendwo herum und wurde zum Spielball der Akashi, deren eigenartiges Interesse für die Armani immer mehr zunahm je länger der Abend wurde. Inzwischen musste Saeca sich einer wahren Schar von Verehrern und Bewunderern erwehren, die von ihrem Mut beeindruckt waren in nichts weiter als einem seltsamen Bademantel zu einem Ball zu gehen. „Gib mir noch eine Stunde alleine mit eurem wunderbaren Wein und ich werde mich wirklich amüsieren, falls Saeca mich nicht vorher entführt...oder ich sie vor den anderen Gästen retten muss.“
„Ich glaube du wirst den Wein erst einmal eine Weile alleine lassen müssen. Mein Onkel würde gerne mit dir sprechen.“
„W-was?“ stammelte Aleyandra nervös drauf los und wurde damit endgültig aus ihrem tranceartigen Zustand gerissen „K-kyosuke Akashi w-will mich sehen? Der Kyosuke Akashi?“
Silberblatt zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln, das ihn selbst kaum überzeugen konnte und versuchte sie zu beruhigen, irgendwie. „Ja, genau das ist sein Name. Hab keine Angst, er beißt nicht, sondern möchte dir nur eine Frage stellen.“
Aleyandra wagte sich nicht zu widersprechen und erhob sich schwankend, wobei sie die Weinflasche umwarf. Mit einem letzten, bedauernden Blick auf die Weinflasche, die langsam über den Tisch rollte, folgte sie Silberblatt durch die Menschenmenge in den leeren Garten. Lyaena hing sehr an ihrem Garten und wollte nicht das irgendwelche betrunkenen Gäste scharenweise durch ihre Blumen stapften oder alles vollkotzten, also war der Zutritt für den Großteil der Anwesenden und für jeden der nicht in dem Anwesen lebte verboten. Der Garten war hell erleuchtet. Magische Lampen und Laternen hingen an den Bäumen und tauchten ihn in ein warmes, sanftes Licht. Zum Glück mussten sie nicht weit gehen, denn Aleyandra fühlte die Wirkung des Alkohols bereits und wusste nicht wie lange es ihr noch möglich war einen Fuß vor den anderen zu setzen ohne sich zu blamieren. Kyosuke wartete am Rand einer kleinen Wiese ungeduldig auf sie. Ohne Aleyandra Zeit zu lassen sich vorzustellen oder überhaupt irgendetwas zu sagen, begann er unwirsch drauf los zu reden.
„Wir alle möchten so schnell wie möglich zurück zum Fest und nicht den ganzen Abend mit Arbeit ruinieren, also bringen wir es schnell hinter uns.“ begann er und musterte sie so ernst das Aleyandra flau im Magen wurde. Hilfesuchend warf sie einen Blick zu ihrem Großmeister, der nur neben ihr stand und versuchte möglichst unbeteiligt zu wirken. „Du hast sicherlich schon von der neuen Einheit der Kirche gehört, von den Schattenjägern und ihrem Paladin. Ich brauche dich um...“
„Leider habe ich davon gehört, auch wenn ich es niemals wissen wollte.“ murmelte Aleyandra und zuckte erschrocken zusammen, als sie bemerkte, das sie den Akashi unterbrochen hatte. Ihre Wangen färbten sich rosa, während sie verlegen den Blick senkte. Der Wein ließ ihre Zunge locker werden und sie vergessen dass sie vor einer der mächtigsten Personen des Landes stand.
„Gut, schön für dich. Hast du noch irgendetwas zu sagen?“ fuhr Kyosuke mit einem bedrohlichen Unterton fort der alles was er sagte fast schon zu einem zornigen Knurren werden ließ. Normalerweise wäre er freundlicher, selbst wenn irgendwer ihn unterbrach, aber er fand diesen ganzen Abend schon furchtbar genug. Seine Stellung in der Familie und seinen Posten in der kirchlichen Armee aufzugeben, kam einem öffentlichen Eingeständnis seiner Schwäche gleich. Viele Akashi bemerkten es vielleicht nicht, aber den Oberhäuptern der großen Familien dürfte es nicht entgehen, immerhin war er noch keine 50 und viel zu jung um sich in den Ruhestand zurückzuziehen. Paolo Bladelli war deutlich älter und führte seine Familie noch immer an, kämpfte sogar weiterhin für die Kirche gegen die Alfar.
„T-tut mir schrecklich leid.“
„Schon gut, ich bin heute Abend nur leicht reizbar. Ich sollte eine treue Dienerin unserer Familie nicht so behandeln.“ meinte der Akashi etwas versöhnlicher, auch wenn er noch immer über die Unterbrechung verstimmt war. Er wollte nur noch das Fest hinter sich bringen und am besten so früh wie möglich sämtliche Gäste rauswerfen. „Also, zurück zum eigentlichen Thema: der Paladin. Teregion meinte das du seine Freundin bist, darum möchte ich dich im Namen der Akashi und Kinder Gaias darum bitten alles was du an Informationen über die Aktivitäten und Pläne der Schattenjäger herausfinden kannst sofort an uns weiterzuleiten.“
Aleyandra riss erstaunt die Augen auf und war plötzlich wieder hellwach. Ein schneller Blick zu Silberblatt und dem weiterhin bedrohlichen Ton in Kyosukes Stimme, zeigten selbst ihr ziemlich deutlich das es sich nicht um eine einfache Bitte sondern um einen ausdrücklichen Befehl handelte. Als Kind Gaias war sie auf die Unterstützung der Akashi angewiesen, mehr oder weniger. Wenn sie sich gegen die Befehle von Kyosuke stellte konnte er sie der Inquisition oder den Templern überlassen und die verbannten Botschafter welcher bei einer magischen Überprüfung versagten. Nervös schluckte Aleyandra und versuchte das Zittern in ihren Händen unter Kontrolle zu bringen. Sie sollte Naruz ausspionieren, das musste sie ihm sagen, sofort! Doch noch während dieser Gedanke durch ihren Kopf zuckte, fiel ihr wieder ein das sie Naruz ja eigentlich meiden wollte bis er wieder Vernunft angenommen hatte. Wenn man es so betrachtete, war es generell unwahrscheinlich das sie besonders viel über Naruz Pläne herausfinden konnte, trotzdem gefiel ihr der Gedanke nicht ihn zu verraten. Aleyandra schrumpfte unter Kyosukes bedrohlichem Starren mehr und mehr zusammen, je länger sie brauchte um sich eine Antwort zu überlegen. Letztendlich entschied sie sich dafür einfach zuzustimmen, solange Naruz und sie sich sowieso stritten, konnte es ihr ja eigentlich egal sein, irgendwie. „Ich werde Euch berichten was ich kann und versuchen herauszufinden was die Schattenjäger planen, Herr.“ antwortete sie endlich leise und obwohl sie sich einredete sich nicht schuldig fühlen zu müssen wurde sie augenblicklich blass und wirkte wie in dem fahlen Licht wie ein Geist.
„Ich wusste du würdest uns nicht enttäuschen.“ Kyosuke nickte zufrieden und machte eine beiläufige Handbewegung in Richtung Anwesen „Du kannst jetzt zurück auf den Ball gehen, wenn du Informationen für uns hast, dann leite sie einfach an Teregion weiter, er wird sich um alles kümmern.“
„Danke, Herr.“ entgegnete Aleyandra knapp und drehte sich rasch um. Kyosukes Interesse an ihr war sofort verschwunden und er beachtete nicht mehr wie sie beinahe durch den Garten rannte, aber ihr Großmeister folgte ihr. Plötzlich hielt Teregion sie am Arm fest und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was ihre Laune immerhin wieder etwas hob. „Du musst seinen Befehl nicht befolgen. Es tut mir leid wenn er dich in eine unangenehme Situation bringt. Ich werde mit ihm reden, mach dir keine Gedanken darum, ja?“ Aleyandra nickte ihm dankbar zu und gewann wieder etwas Farbe zurück, aber wollte trotzdem noch immer so schnell wie möglich verschwinden. Sobald er sie losließ, zischte sie an ihm vorbei und verschwand aus dem Garten.
Während Aleyandra zurück in den Festsaal ging und sich wieder auf die Suche nach Saeca machte, um den Ball am besten sofort fluchtartig zu verlassen bevor sie noch tiefer in irgendwelche politischen Intrigen hineingezogen werden konnte, befand Teleya sich am anderen Ende des Saals und wurde von Sekunde zu Sekunde hysterischer. Sie saß an einem der Tische am Rand der Tanzfläche, vor ihr stand noch immer der volle Teller, den sie schon seit einer Stunde nicht einmal beachten oder anrühren wollte. Es war ihr unmöglich an diesem schrecklichen Abend auch nur einen einzigen Bissen runterzukriegen. Der Grund dafür saß direkt neben ihr und grinste sie die ganze Zeit über an, ihr neuer Verlobter. Halos zeigte kein Interesse daran sie auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen seit sie offiziell verlobt waren, sondern benahm sich so als wäre sie bereits seine Frau. Bisher gelang es ihr ziemlich gut den Mann zu ignorieren, indem sie ihn einfach anschwieg und versuchte seine gesamte Existenz auszublenden.
Am liebsten würde sie in Tränen ausbrechen wenn sie daran dachte Halos heiraten zu müssen. Sie konnte eine fantastische Magierin werden wenn man sie an die Akademie hier in Navea ließ oder zu einem guten Magier zur Ausbildung schickte, aber stattdessen würde man sie wegsperren nur weil ihr Vater es sich aus irgendeinem Grund in den Kopf gesetzt hatte sie von Magie und der Kirche fernzuhalten. Als sie neben ihrem Vater stand und vor der ganzen Familie ihre Verlobung bekanntgegeben wurde, hatte sie sich so tapfer wie möglich gegeben. Das hatte sie ihrer Schwester versprochen. Im Gegenzug, hatte Lyaena feierlich geschworen sie den ganzen Abend über vor Halos zu beschützen, sie niemals mit ihm alleine zu lassen, immer in ihrer Nähe zu bleiben damit ihr...Verlobter, nicht auf dumme Gedanken kam. Aber trotz all dieser Versprechen und Schwüre, was sie jetzt doch alleine mit ihm. Anfangs fragte die Akashi sich noch ob sie etwas falsch gemacht hatte als die Verlobung öffentlich gemacht wurde, aber ihr fiel nichts ein. Teleya war lächelnd vor die versammelten Akashi getreten und sich nicht öffentlich gegen die Verlobung gesträubt, sie hatte ihren Teil des Schwurs eingehalten, aber trotzdem musste sie sich jetzt mit Halos alleine rumschlagen.
Schreckhaft zuckte Teleya zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf ihr Bein legte. Ruckartig bewegte sie ihren Kopf zur Seite, um den grinsenden Akashi erschrocken anzusehen. Halos hatte unbemerkt seinen Stuhl näher an sie herangerückt und saß jetzt direkt neben ihr. Außer ihnen gab es niemanden mehr der im Moment an den Tischen auf dieser Seite des Saales saß, die meisten tanzten oder unterhielten sich oder streiften durch den Rest des Hauses nur um Lyaena zu nerven, die sich am nächsten Tag darum kümmern musste alles wieder aufzuräumen. Aber das war gerade nicht ihr dringendstes Problem. Anstatt die Hand sofort wieder zurückzuziehen als er sah wie Teleya in sich zusammenschrumpft, wanderte sie weiter über den Stoff und legte sich auf ihre Oberschenkel, während Teleya anfing am ganzen Körper zu zittern unter seinen Berührungen. Je mehr sie zu zittern begann, desto breiter und fröhlicher wurde sein Grinsen und mit seiner anderen Hand strich er sanft über ihren Arm.
Am liebsten hätte sie ihren Teller genommen, ihn Halos ins Gesicht geknallt und ihn angeschrien bevor sie weglief, aber sie hatte ihrer Schwester versprochen sich den Abend über zu benehmen und im Gegensatz zu Lyaena hielt sie ihre Versprechen. Immer verzweifelter warf sie hilfesuchende Blicke zu ihrer älteren Schwester, aber genauso gut hätte sie die Wände um Hilfe anflehen können. Kein einziges mal sah Lyaena zu ihr herüber, sie schien Teleya und deren Situation vollkommen vergessen zu haben. Stattdessen unterhielt sie sich lachend mit einem jungen, schwarzhaarigen Mann in den Farben der Bladelli. Teleya kannte ihn aus den Gedanken ihrer Schwester und am liebsten würde sie wütend zu ihnen gehen um die Unterhaltung zu beenden. Selbst an so einem Tag musste sie mit diesem Typen flirten. Allerdings, befand Teleya sich nicht unbedingt in der Position den aufdringlichen Bladelli zu verjagen. Ihr Verlobter wirkte nicht so als würde er sie in naher Zukunft gehen lassen, also blieb ihr keine große Wahl als wütend mit anzusehen wie Lyaena sich weiterhin mit dem Bladelli amüsierte. Leider war von Teregion weit und breit nichts zu sehen, ansonsten hätte er den Unsinn vielleicht beenden können. Bevor sie sich noch mehr über Lyaenas Verhalten aufregen konnte, schloss Halos Hand sich um ihre Hüfte und er beugte sich zu ihr herüber.
„Du siehst etwas blass aus, Teleya.“ durchbrach er plötzlich die Stille und seine Stimme jagte ihr noch immer Angst ein, sie klang genauso lüstern wie die Blicke die er ihr zuwarf „Geht es dir nicht gut? Ist dir unwohl?“ fragte er mit vorgetäuschter Besorgnis und wer immer ihn hörte musste zumindest denken das er sich wirklich echte Sorgen um seine neue Verlobte machte und sie nicht nur ärgern wollte „Kein Wunder, hier in diesem stickigen Raum, vollgestopft mit Leuten, kann einem ja nur schlecht werden. Wir sollten uns für eine Weile in den Garten zurückziehen.“
„N-nein, d-d-danke.“ lehnte Teleya stammelnd ab und wurde nur noch bleicher als sie sich vorstellte mit ihm ganz alleine sein zu müssen „E-es gefällt mir hier sehr gut, wir müssen nicht unbedingt...“
„Du hast recht, wir müssen nicht, aber du wirst immer blasser und blasser. Wenn das so weiter geht, siehst du bald aus wie eine wandelnde Leiche. Komm, lass uns etwas frische Luft schnappen.“ damit stand Halos auf ohne darauf zu warten das sie antwortete und zog das Mädchen hinter sich her, die einen letzten verzweifelten Blick zu Lyaena warf und damit nicht mehr erreichte als die tausend Mal davor.
Sobald sie sich im Garten befanden, sorgte wenigstens die kühle Nachtluft und der Duft der Blumen dafür das sie sich wieder etwas beruhigte, vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen. Hier draußen sah die Welt schon gleich fiel besser aus.
„Es gefällt mir hier.“ sagte Halos plötzlich und rieb sich über sein stoppeliges Kinn, während er sich im Garten umsah. Sie waren alleine, ansonsten traute sich niemand sich mit Lyaena anzulegen.
„Ja, meine Schwester hat sich Mühe mit dem Garten gegeben, auch wenn sie jedem Gast eingeschärft hat hier ja nichts anzurühren. Vermutlich würde sie durchdrehen wenn sie uns ihr findet, sie liebt ihre Blumen über alles und...“ verdutzt verstumme Teleya, als Halos sich plötzlich blitzschnell auf sie zubewegte. Sie wollte davonlaufen, zurück in den Saal, aber noch bevor sie reagieren konnte war er bei ihr und legte eine Hand auf Teleyas Stirn. Sie spürte wie sämtliche Kraft aus ihren Gliedmaßen wich und selbst ihre Stimme versagte ihr den Dienst, als sie um Hilfe schreien wollte. Teleyas Körper fiel in sich zusammen, lag schlaff in seinen Armen und sie starrte ihn aus vor Schrecken geweiteten Augen unbeweglich an.
„Endlich. Wir sind alleine.“ flüsterte er zufrieden und nahm die Hand von ihrem Kopf, die Magie die er gewirkt hatte reichte erst einmal aus um sie für eine Weile ruhigzustellen „Ich dachte schon kurz das ich wirklich warten muss bis wir aus Navea verschwinden. Das hätte ich nicht ertragen, immerhin will ich Zeit mit meiner schönen kleinen Braut verbringen und du sicher auch mit mir, richtig?“ Unsanft ließ er sie ins Gras fallen und betrachtete sie kurz von Oben herab, dann ging er neben Teleya in die Knie. Hilflos sah Teleya mit an wie er lächelnd über ihr Kleid strich und der erste Gedanke der im Moment ihren Kopf durchzuckte, war der an ihre Schwester. Warum hatte Lyaena ihr nicht wie versprochen geholfen? Sie liebte ihre ältere Schwester, sie war zwar eifersüchtig auf Lyaena, aber liebte sie trotzdem, doch das würde sie ihr niemals verzeihen. Halos schob sanft den Saum ihres Kleides Stück für Stück nach oben, aber bevor er weit kam und sie endgültig verzweifeln konnte, wurde ihr Verlobter von einem silbernen Blitz in die Seite getroffen und davongeschleudert.
„Halos. Ich wusste das du so etwas versuchen würdest, du kranker Vollidiot.“ eine Gestalt schälte sich aus den Schatten, die gleichen silbernen Blitze um spielten seine Arme und er warf einen verächtlichen Blick auf die vor Schmerzen zusammen gekrümmte Gestalt. Sofort atmete Teleya erleichtert auf, es war Teregion.
„Ah, Silberblatt, auch das noch.“ benommen schüttelte Halos den Kopf, während er sich mühsam erhob „Du weißt das ich dich für diesen Angriff eigentlich töten sollte, oder?“
„Du? Mich töten? Und wie willst du das anstellen, Abschaum?“ zischte er den anderen Akashi an.
„Du kennst meine Magie.“ presste Halos unter Schmerzen hervor, die Körperhälfte, welche den Blitzen ausgesetzt gewesen war, rauchte noch immer und der Geruch von verbranntem Fleisch stieg Teleya in die Nase, während die Wirkung des Zaubers nachließ, weil Halos sich nicht mehr auf sie konzentrierte. Sobald sie ihre Beine wieder spüren konnte sprang Teleya auf und verkroch sich hinter Silberblatts Rücken. „Du weißt das ich deinen Geist zerschmettern und töten könnte, ohne das du in der Lage wärst etwas dagegen zu tun.“
„Ja, das könntest du. Aber das ist mir egal. Du darfst diese Magie nicht gegen Familienmitglieder anwenden, außerdem bin ich mir ziemlich sicher es sowieso zu überleben. Letztendlich ist dein Zauber nicht so genial und stark wie du gerne denkst.“ Zu schnell für Teleyas Augen raste Silberblatt plötzlich nach vorne, auf Halos zu, und umklammerte dessen Handgelenke mit beiden Händen. Bevor der andere Akashi sich irgendwie wehren konnte, jagte Silberblatt mit einem erstaunlich grausamen Lächeln noch mehr seiner Blitze durch den Körper ihres Cousins „Wir haben ein Problem, Halos.“ flüsterte er nach einer Weile freundlich, als die Blitze endgültig versiegten und Halos wie eine halb verbrannte Puppe vor ihm kniete, den Mund weit geöffnet und ins Nichts starrend. „Ich hatte gehofft du würdest dich benehmen, aber dass du dein Wissen um Kyosukes Zustand ausgenutzt hast um Teleya heiraten zu dürfen, hätte mich gleich vor deiner Bosheit warnen müssen. Du wirst damit nicht zufrieden sein, richtig? Du wirst weiterhin Unruhe stiften und den Gesundheitszustand unseres Onkels schamlos ausnutzen.“
„Ich nutze ihn aus?“ fragte Halos röchelnd und lachte spöttisch, woraufhin Silberblatt ihn aber trotzdem losließ, damit Halos sich mit Heilzaubern selbst versorgen und die Verbrennungen heilen konnte. „Das kommt ausgerechnet von dir!?“
„Vielleicht tue ich es auch, aber wenigstens vergreife ich mich nicht an seiner Tochter nur weil mir seine Entscheidungen nicht passen. Also, ich sage dir jetzt was als nächstes passieren wird und wenn du dich nicht ganz genau daran hältst, dann werde ich dich in einen Haufen Asche verwandeln. Hast du das verstanden, Halos?“
„Warum sollte ich Angst vor dir haben? Du wirst mich nicht töten und riskieren den Zorn unseres Onkels auf dich zu ziehen, nicht jetzt, so kurz vor deiner Hochzeit mit Lyaena."
„Vergisst du nicht etwas?“ fragte Silberblatt und seine Stimme knisterte bedrohlich, so bedrohlich, das er selbst Teleya Angst einjagte, die sich noch immer aus allem heraushielt und teilnahmslos zusah „Ich habe meine Kinder Gaias und von denen ist jeder bereit auf meinen Befehl hin zu töten. Sie stellen keine Fragen nach ihrem Ziel oder kümmern sich um deine Abstammung, außerdem sind einige von ihnen ausgezeichnet darin ihre Spuren zu verwischen.“
„Und was willst du dann von mir?“
„Ganz einfach. Du wirst dich Teleya nicht mehr nähern bis zur Hochzeit und direkt nach der Zeremonie, verschwindest du zurück in den Norden und trittst deinen Posten an der Grenze an. Teleya bleibt hier, in Navea, wo du ihr nichts tun kannst. Gibt es ein Problem damit, Halos?“
„Nein, ich denke nicht.“ zischte Halos, als er sich genug geheilt hatte um wieder halbwegs vorzeigbar auszusehen. Teregion hatte darauf geachtet ihn nicht zu sehr zu verletzten, sondern nur ein wenig Schmerzen zuzufügen. „Du solltest vorsichtig sein, Teregion. Eines Tages wirst du mich und die Truppen im Norden brauchen, wenn du so weiter machst werden wir nicht für dich, sondern gegen dich marschieren wenn es so weit ist.“
„Wenn du so lange überlebst.“ murmelte Silberblatt und sah dem anderen Akashi nachdenklich hinterher. Halos übernahm bald das Kommando über die Armee der Akashi und die gesamte Verteidigung im Norden, es war nicht klug gewesen ihn so zu demütigen und zu reizen.
„Danke!“ rief plötzlich Teleya, die sich endlich von ihrem Schock erholt hatte und sprang weinend auf ihn zu. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht an seiner Brust und würde ihn am liebsten niemals wieder loslassen „Danke! Danke! Danke!“
„Es ist alles in Ordnung, er ist weg und bis zur Hochzeit wird er nicht mehr in deine Nähe kommen, das verspreche ich dir.“
„M-muss ich ihn wirklich heiraten?“ Teleya hob den Kopf und blickte ihn hoffnungsvoll an. Reichte dieser Vorfall denn nicht um zu zeigen das sie Halos nicht heiraten konnte?
„Leider, aber danach musst du ihn niemals wiedersehen.“ versuchte er sie zu beruhigen und lächelte die Akashi ermutigend an „Dein Vater wird auf dieser Hochzeit bestehen. Selbst jetzt noch hat er den meisten Einfluss in der Familie und deine Schwester kann sich nicht einfach gegen ihn stellen. Sie muss weiterhin tun was er sagt, weil er den größeren Rückhalt innerhalb der Familie besitzt, kaum jemand würde sich gemeinsam mit ihr gegen einen Befehl eures Vaters stellen und jeder weiß das Kyosuke die Familie noch immer eine Weile aus dem Schatten heraus führen wird. Aber in ein paar Jahren, wenn die Position deiner Schwester gefestigt ist, lassen wir dich einfach scheiden. Und bis dahin werden wir schon einen Weg finden damit du zur Magierin ausgebildet wirst.“
„Dann muss ich ihn trotzdem diese Jahre als meinen...meinen...meinen Ehemann...“
„Nein, das musst du nicht. Halos geht direkt nach der Hochzeit in den Norden und dort wird er bleiben, für eine sehr, sehr lange Zeit. Und mit direkt nach der Hochzeit, meine ich noch während der Hochzeit. Er wird Ja sagen und dann sofort verschwinden.“
„Danke.“ flüsterte sie und beruhigte sich tatsächlich wieder. Es war zwar nicht perfekt, doch wenigstens musste sie Halos niemals küssen oder wirklich seine Frau sein, das war ein Anfang „A-aber warum hat er das überhaupt getan? Warum hat er...warum hat er versucht mich zu...warum? Ich habe mir den ganzen Abend Mühe gegeben und mich benommen und gelächelt und alles getan was Lyaena wollte. Warum...“
„Er ist neidisch auf deine Schwester und hasst deinen Vater, das ist alles. Es ist nichts persönliches, du hast nichts falsch gemacht, aber er würde alles tun um Lyaena zu treffen und wusste das sie eigentlich auf dich aufpassen wollte. Dir etwas anzutun, während sie nur wenige Meter entfernt feiert, wäre das größte für ihn gewesen.“
„A-aber wieso!? Was haben meine Schwester und mein Vater ihm denn getan!?“
„Halos ist der Sohn von Kyosukes ältestem Bruder, also deinem ältesten Onkel und dem eigentlichen Erben der Familie, zumindest rein theoretisch. In der Erbfolge unserer Familie zählte meistens nur Leistung, aber Halos Vater ging trotzdem immer davon aus uns eines Tages anzuführen und hat seinem Sohn von klein an eingeimpft das er eines Tages Oberhaupt der Familie sein wird. Allerdings starb Halos Vater bevor er wirklich das Oberhaupt werden konnte und da Halos noch zu jung war, erhielt dein Vater die Ehre unsere Familie anzuführen.“
„Dann sieht Halos sich als wahres Oberhaupt? Aber warum vertraut mein Vater ihm dann!? Wenn er so gemein und gefährlich ist, warum darf er mich dann heiraten oder die Truppen anführen?“
„Glaube mir, ich habe ihn schon oft genug vor Halos gewarnt, aber in dem Punkt ist er uneinsichtig.“ Außerdem ist Halos manchmal erstaunlich schlau, fügte Teregion in Gedanken hinzu. Kyosuke war durch seine Krankheit leicht zu beeinflussen, solange man davon wusste, und Halos und Kyosuke hatten sehr viel Zeit gemeinsam im Norden verbracht. Solange Kyosuke in der Nähe war, benahm Halos sich vorbildlich und auch seine Leistungen im Kampf gegen die Alfar sprachen für ihn. Wenn jetzt Teleya und er mit dieser Geschichte zu Kyosuke gingen...würde dieser ihnen niemals glauben, sondern es als billigen Versuch abtun die Hochzeit zu verhindern. „Komm, gehen wir zurück auf den Ball und tanzen, ja? Ich bin sicher du hast heute Abend noch nicht getanzt und es ist eine Schande den Abend so mies enden zu lassen.“ Strahlend hakte Teleya sich bei ihm ein und lief rot an während er sie zurück in den Saal und zur Tanzfläche begleitete. Aber leider sollte aus ihrem Tanz nichts werden, denn in diesem Moment betraten zwei neue Gäste den Saal, die sofort Silberblatts ungeteilte Aufmerksamkeit genossen.
Es waren Severin und Severina. Die Zwillinge stolzierten Arm in Arm in den Ballsaal, daran alleine war noch nichts besonderes, aber plötzlich beugte Severin sich zu ihr herüber und küsste sie. Jeder der die Szene mit ansah hielt in dem Moment den Atem an, denn es war alles andere als ein harmloser oder freundschaftlicher Kuss, sondern die beiden küssten sich lang und innig. Silberblatt blinzelte verwirrt und ließ Teleya los. „Was um alles in der Welt...?“ flüsterte er verwundert zu sich selbst, als die beiden sich nicht um die erstaunten Blicke scherten, sondern lächelnd auf ihn zukamen.
„Sind das nicht die Zwillinge? Was machen sie da?“ fragte Teleya neugierig und hatte immerhin für einen Moment vergessen was im Garten passiert war, das hier interessierte sie im Moment deutlich mehr.
„Keine Ahnung.“ murmelte Teregion genervt vor sich hin. Es war ein Fehler gewesen die Zwillinge jemals in seinen Orden aufzunehmen. Aber die beiden waren treu und mochten ihn, was man nicht über viele Akashi sagen konnte. „Geh schon einmal zur Tanzfläche. Ich komme gleich nach, aber vorher muss ich noch jemanden umbringen.“ Damit ließ er sie alleine zurück um den Zwillingen entgegenzugehen.
„Großmeister.“ Severina neigte demütig den Kopf und er konnte erkennen das es wenigstens ihr leid tat das die beiden mal wieder alle in Aufruhr versetzen mussten.
„Silberblatt.“ begrüßte ihn Severin weniger förmlich und grinste noch immer überglücklich übers ganze Gesicht. Er machte keine Anstalten seine Hand von Severinas Hüfte zu nehmen, sondern zog sie sogar noch weiter zu sich heran.
„Was soll das hier werden, Severin?“
„Was genau meinst du, Silberblatt?“ antwortete der Zwilling unbekümmert mit einer Gegenfrage und grinste ihn weiterhin nur an. Erst als seine Schwester sich kurz räusperte seufzte er schicksalsergeben und machte sich daran alles zu erklären, so gut es ihm im Moment möglich war, denn eigentlich wollte er nur vor Freude Luftsprünge machen und Severina sofort wieder küssen und danach noch mal und den ganzen Abend lang. Seine Lippen schienen noch immer zu vibrieren und er fuhr sich beiläufig mit den Fingerspitzen darüber. „Das ganze ist etwas schwierig zu erklären, aber ich werde es mal versuchen. Also, Severina und ich...“ von einem Moment zum nächsten gefror sein Lächeln und er funkelte quer durch den Saal, während seine Freude von unbändigem Zorn verdrängt wurde. Mitten unter den Akashi, deren Verwandte er abgeschlachtet hatte als wären sie Vieh, stand Luca Bladelli und tat so als würde er dazugehören. „Was macht der denn hier?“
„Als Erbe seines Hauses ist es Lucas gutes Recht hier zu sein. Aber das ist im Moment völlig egal! Du wolltest gerade erklären was das alles soll.“
„Luca Bladelli...dieser Bastard wagt es wirklich sich hier zu zeigen?“ zischte Severin und ignorierte ihn noch immer. Seine Schwester legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm und klammerte sich fast schon an ihn, damit er nicht plötzlich losstürmte und einen Kampf anfing. „Er hat Norena ermordet.“ fügte Severin düster hinzu. Norena war ebenfalls ein Kind Gaias gewesen und eine Freundin der Zwillinge, bis Luca sie in einem Duell erschlug und ihren Kopf als Trophäe durch die halbe Stadt trug „Dafür wird er bezahlen, nicht heute, nicht hier, aber bald. Ich hatte sowieso gehofft ihm zu begegnen wenn wir in der Stadt sind. Sobald wir ihn das nächste mal sehen, werde ich ihn töten, das schwöre ich.“ versprach er hochtrabend. Normalerweise würde seine Schwester sofort versuchen ihm diesen albernen Racheplan auszureden, aber sie schien viel zu sehr damit beschäftigt zu sein ihn von der Seite aus verträumt anzuhimmeln.
„Du wirst ihn nicht anrühren, hast du das verstanden?“ zischte Teregion ihn ungeduldig an und stand kurz davor noch weiter darüber zu reden was alles passieren würde wenn die Zwillinge es wagten den brüchigen Frieden zwischen Bladelli und Akashi störten, aber dann fiel ihm wieder ein warum er eigentlich sauer war „Und jetzt vergiss endlich den dämlichen Bladelli, um ihn werde ich mich noch früh genug kümmern. Sobald die Zeit gekommen ist, wird er kriegen was er verdient, versprochen. Erkläre mir lieber was das da werden soll.“ Silberblatt zeigte auf Severina, die sich noch immer stumm an ihren Bruder klammerte, vor allem aber, meinte er den Kuss. Noch immer waren die meisten Blicke im Saal erstaunt auf sie gerichtet. Jeder der die Zwillinge auch nur flüchtig kannte, wusste das sie Geschwister waren und der Rest konnte es von alleine erkennen, außer man war blind.
„Mhm, was?“ gähnend langsam wandte Severin den Blick von Luca ab. Der Hass auf den Mörder, der mit all seinen Taten auch noch ungeschoren davonkam, war zu groß und drohte ihn zu überwältigen. Wäre der heutige Abend nicht so wichtig für ihn...für sie beide, dann hätte er sich sofort auf den Bladelli gestürzt. „Oh, ach ja, richtig. Tut mir leid, der Anblick dieses Abschaums hat mich kurz abgelenkt, deswegen bin ich noch nicht dazu gekommen es dir zu sagen. Severina und ich werden heiraten, wir sind verlobt und zwar seit etwa...einer Stunde.“
„Bist du wahnsinnig geworden!?“
„Es war meine Idee.“ warf Severina zaghaft ein, womit sie nicht einmal log, aber wenn sie gewusst hätte wie unangenehm es werden würde sich vor allen so zu zeigen, hätte sie es sich vielleicht noch einmal überlegt.
„Das glaube ich dir nicht.“ erwiderte Silberblatt trocken und funkelte Severin an, aber dieser grinste noch immer nur
„Doch, doch. Es war wirklich ihre Idee.“ versicherte Severin ihm, auch wenn er selber noch nicht so genau realisiert hatte wie es dazu gekommen war „Wir haben uns für den Ball fertig gemacht und ich habe mal wieder meine üblichen ´Witze` gemacht. Du weißt schon, die angeblichen Witze die ich fast jeden Tag mache.“
„Das du Severina für die schönste Frau der Welt hältst und auf der Stelle aufhören würdest dir dauernd neue Freundinnen zu suchen sobald sie deine Liebe erwidert?“ fragte Silberblatt vorsichtig nach, als Severin wieder nur anfing verträumt ins Nichts zu starren. So etwas in der Art sagte Severin tatsächlich andauernd, aber niemand nahm es jemals ernst, bisher hatte Teregion angenommen diese Sprüche waren nur dazu da um seine Schwester zu ärgern, was auch immer gut funktioniert hatte.
„Richtig. Aber diesmal, hat sie Ja gesagt! Kannst du dir das vorstellen? Sie hat JA gesagt!“ rief Severin glücklich und ignorierte die Blicke der Umstehenden, er war im Moment zu sehr auf Wolke sieben um irgendwen anderes als Severina wahrzunehmen „Naja, zumindest fast. Severina hat eingewilligt mit mir zusammen zu sein, aber nur, wenn wir heiraten. Sie will das wir mit dem Segen der Familie und unseres Onkels heiraten, nur dann wird sie meine Liebe erwidern und auf Ewig mit mir zusammen sein. Ist das nicht großartig?“
„Nein, ist es nicht.“ murmelte Teregion und hielt sich die Hand vors Gesicht, als er sich vorstellte das er diese Katastrophe irgendwie wieder ausbaden musste sobald Kyosuke es bemerkte. Wenigstens bekam er Verstärkung. Lyaena hatte sich endlich von Luca Bladelli gelöst, das erste mal diesen Abend, und gesellte sich mit großen Augen zu ihnen, als sie sah wie die Zwillinge sich verliebt in die Augen sahen.
„Bist du verrückt geworden, Severin?“ fragte sie ihn die eine Frage, die so ziemlich jeden von ihnen gerade interessierte.
Diesmal war es an Severina zu antworten, auch wenn sie dabei sehr viel zurückhaltender und zaghafter wirkte als ihr Bruder. So hatten weder Teregion noch Lyaena sie jemals erlebt. Normalerweise erteilte sie ihrem Bruder Befehle und übernahm die Führung, während er ihr nur folgte und nur aus der Reihe tanzte um hübsche Frauen aufzugabeln. „Beruhige dich Lyaena. Es ist alles in Ordnung. Wir beide sind jetzt verlobt und...“
„Still! Da kommt er.“ unterbrach Teregion sie nervös, als Kyosuke wieder auf der Bildfläche auftauchte „Hört zu ihr beiden verliebten Trottel. Haltet einfach den Mund und tut so als wären die beiden Küsse einfach nur ähm irgendeine Art merkwürdiger Unfall. Ihr seid gestolpert und mit den Mündern zusammengeprallt. Das ist gut, damit erkaufen wir euch vielleicht genug Zeit für die Flucht und verschaffen euch einen Vorsprung.“ Teregion warf einen schnellen Blick auf Severins Hand, die noch immer um Severinas Hüfte lag und unbemerkt immer tiefer gewandert war „Und bei Gaia, lass endlich deine Schwester los und versuche gar nicht erst die Sache mit dem Kuss zu wiederholen solange unser Onkel zusieht, oder er lässt deinen Kopf aufspießen.“
Severin zeigte sich unbeeindruckt von Teregions kleiner Rede. Er war Feuer und Flamme für die Forderung seiner Schwester und das schon seit sie diesen Vorschlag gemacht hatte. „Das wird nicht möglich sein. Ich muss es ihm sagen und um seinen Segen für die Hochzeit bitten. Das ist ein wichtiger Teil unserer Abmachung.“ Bei diesen Worten warf Severina ihm ihr strahlendstes Lächeln zu und führte ihn damit endgültig in den Untergang. Ohne weiter auf Lyaena und Teregion zu achten, gingen sie Arm in Arm ihrem Onkel entgegen.
„Er ist so gut wie tot.“ murmelte Teregion vor sich hin, während er den Zwillingen besorgt hinterher blickte. Wenigstens wirkten sie glücklich während sie zu ihrer eigenen Hinrichtung marschierten.
„Severina, es freut mich dich wiederzusehen. Du bist viel zu selten bei uns.“ begrüßte Kyosuke das Mädchen sofort mit einem warmen Lächeln, anscheinend gehörte er zu den wenigen die noch nicht mitbekommen haben was zwischen den Zwillingen vor sich ging. Trotzdem betrachtete er ihren Bruder mit einem Blick als wäre er ein widerliches Insekt „Severin...“
„Es freut uns hier zu sein, verehrter Onkel.“ begann Severin erstaunlich höflich und deutete sogar eine Verbeugung an. Überrascht hob Kyosuke eine Augenbraue und war für einen Moment sprachlos. So freundlich und respektvoll war Severin nicht mehr gewesen seit er sprechen konnte. „Es freut uns sogar noch mehr, da wir diesen feierlichen Anlass nutzen möchten um etwas zu verkünden. Ich hoffe es ist uns erlaubt, auch wenn wir etwas zu spät kommen. Severina und ich, sind verlobt. Wir werden noch in den nächsten Wochen heiraten, wenn wir Euren Segen und Eure Zustimmung erhalten.“ damit endete Severins kurze Rede, über die er trotzdem sehr lange nachdenken musste. Immerhin war er es nicht gewohnt respektvoll zu sein und viel länger würde er diese Farce sicher nicht aufrecht erhalten. Als er bemerkte wie ihr Onkel sie noch immer nur stumm ansah, fuhr er hastig fort, während sein Herz ihm plötzlich bis zum Hals schlug. Von seinen nächsten Worten hing alles ab. „Wir wussten schon immer, dass wir zusammengehören und früher oder später heiraten und unsere eigene Familie gründen würden, aber es hat lange gebraucht bis wir uns diese Liebe wirklich eingestehen konnten. Selbst jetzt, da wir beide ganz klar wissen was wir füreinander empfinden, möchten wir nicht ohne die Erlaubnis und den Wohlwollen der Familie...“
„Hast du endgültig den Verstand verloren, du nutzloser Haufen Dreck?“ unterbrach Kyosuke ihn mit einem bedrohlichen Knurren und geballten Fäusten. Erst hatte er das ganze für einen Witz gehalten, aber dieser Unruhestifter fragte ihn tatsächlich ob er einfach so seine Schwester heiraten durfte.
„Warum fragt mich das heute jeder? Bin mir ziemlicher sicher das ich heute nicht verrückter bin als gestern oder letztes Jahr.“ erwiderte Severin mit einem nervösen Lächeln, während er versuchte den Ärger seines Onkels zu überspielen „Um ehrlich zu sein finde ich, dass ich heute den ersten klaren Tag seit langem habe und...“ Kyosukes Arm zuckte nach vorne und seine Hand schloss sich um Severins Schädel. Sofort sandte er seine Magie aus, um den Verstand des anderen Akashi anzugreifen und ihm Schmerzen zuzufügen die selbst den härtesten Krieger zum schreien bringen würden. Eine Schmerzenswelle nach der anderen jagte durch seinen Körper, begann im inneren von Severins Schädel und breitete sich von dort immer weiter aus, bis die Schmerzen jede Faser seines Körpers durchdrangen.
„Seit Jahren, bereitest du der Familie nichts als Schande und Scham mit deinem zügellosen und peinlichen Verhalten.“ flüsterte Kyosuke düster und schlug verächtlich den Arm seines Neffen zur Seite, als dieser schwach versuchte sich loszureißen. Plötzlich flog neben seinem Kopf ein Schmetterling vorbei. „Severina.“ sein Kopf ruckte zur Seite und er starrte die junge Magiern an, welche von dutzenden Vampirfaltern umgeben war, bereit ihren Bruder jederzeit zu verteidigen falls es nötig wurde. Vermutlich konnte er sich auch selbst befreien, aber ein Angriff auf Kyosuke...das würden die Akashi ihnen niemals verzeihen, also hielten die Zwillinge ihre Magie zurück. Als ihr Onkel weitersprach war seine Stimme voller Enttäuschung und er wandte den Blick von der Magierin ab. „Von deinem Bruder erwarte ich nichts anderes als Schwachsinn, er ist ein Idiot, aber dich habe ich immer für vernünftig gehalten. Dein einziger Fehler, war schon immer deine Liebe zu deinem Bruder, aber ich hätte niemals gedacht das du so weit gehen würdest, das du mir in den Rücken fallen würdest, nach allem was ich für dich und diesen Versager getan habe.“ mit einer weit ausholenden Bewegung schleuderte Kyosuke Severin davon. Der junge Akashi schlug nahe des Ausgangs auf dem Steinboden auf und blieb stöhnend liegen. Mit geballten Fäusten erhob er sich. Wenn er jetzt kämpfte, würden die anwesenden Akashi ihn und seine Schwester in der Luft zerreißen, außerdem fühlte sein Kopf sich noch immer an als würde er gleich explodieren. In der Zwischenzeit richtete sich Kyosukes Aufmerksamkeit voll und ganz auf Severina. „Wie oft hast du mich schon angefleht deinen nutzlosen Bruder aus irgendeiner Zelle zu holen weil er mal wieder beim stehlen erwischt wurde? Wie oft habe ich seinen Kopf für dich vor dem Galgen gerettet? Oder dir angeboten dir Land oder einen Posten in der Kirche zu erhalten?“
„Öfter als ich zählen kann.“ erwiderte Severina leise und ihre Stimme zitterte, wenn sie an die Macht dachte die Kyosuke haben musste, auch wenn von den Anwesenden nur Teregion wusste das von dieser Macht nicht viel geblieben war „Ich will nicht respektlos sein und bin dir dankbar für alles was du getan hast. Ich...“
„Ach ja? Und so dankst du mir dafür? So erwiderst du meine Nachsicht und Fürsorge!“ rief Kyosuke und die Schmetterlinge schwirrten plötzlich unruhig umher. Sie krachten beinahe ineinander und wirkten panisch, als wollten sie am liebsten sofort vor dem Akashi fliehen.
„Ich kann nichts dafür das ich ihn liebe!“ langsam stieg Zorn in Severina auf und Blitze zuckten zwischen den Flügeln der Vampirfalter umher. Sie wartete seit so vielen Jahren auf diesen Augenblick, den Augenblick, in dem sie und Severin endlich zusammen sein konnten, als Paar. Das würde sie sich von niemandem zerstören lassen.
„Nach dem Tod eurer Eltern, habe ich dafür gesorgt das man sich um euch kümmert.“
„Und dafür sind wir dir auch dankbar, Onkel.“ warf Severin ein, dem es inzwischen gelungen war die Schmerzen in seinem Kopf abzuschütteln oder zumindest zu ignorieren „Wir sind dir dankbar für alles was du getan hast und wollten nicht respektlos sein, aber unsere Liebe kannst du nicht verhindern, egal was du tust.“ Severin eilte durch den Saal, packte seine Schwester am Arm und zog sie hinter sich her „Komm, wir gehen. Vergessen wir diesen alten Narren.“
„Warte!“ rief Kyosuke und tatsächlich blieb Severin stocksteif stehen. Einen Moment wartete der junge Akashi und im nächsten, schleuderte Kyosuke ihm auch schon einen Zauber entgegen, eine unsichtbare Welle aus purer magischer Energie, die gegen ihn prallte und ihn aus dem Saal schleuderte. Seine Schwester rannte ihm besorgt nach um sich um seine möglichen Verletzungen zu kümmern, aber sehr zu Kyosukes Bedauern war er nicht in der Lage mehr zu tun. Ein paar Quetschungen und der ein oder andere gebrochene Knochen waren nicht genug. Er konnte spüren wie seine Beine begannen zu zittern und er wurde von einem Moment auf den anderen aschfahl. Erschöpft wandte er sich an Teregion. „Kümmere dich um die Gäste, überspiele das ganze einfach so gut es geht und sorge dafür das Lyaena nicht einfach verschwindet. Sie hat in letzter Zeit die Angewohnheit zu den unpassendsten Zeiten zu verschwinden, aber heute Abend geht es um sie.“
„Verstanden.“ antwortete Teregion wie aus der Pistole geschossen, erleichtert das die Zwillinge noch am Leben waren. Unsicher warf er einen kurzen Blick zum Ausgang „Und was soll ich mit den Zwillingen machen?“
„Das interessiert mich nicht! Schaff die beiden hier weg und zwar sofort.“ zischte Kyosuke und kehrte ihm den Rücken zu „Ich will sie nicht mehr sehen und niemals wieder von ihnen hören, sag den beiden Narren das sie für die Akashi gestorben sind und sie sollten froh sein dass ich ihnen ihre Magie und ihr Leben lasse.“
„Severina auch?“ fragte Silberblatt unruhig nach. Kyosuke hasste vielleicht Severin, aber dessen Schwester war bei den Akashi und auch bei Kyosuke selbst immer beliebt gewesen. Selbst jetzt noch gab es niemanden in dem Ballsaal, der Severina nicht leiden konnte.
„Wenn sie unbedingt bei den Verrücktheiten ihres Bruders mitspielen will, dann ist sie keinen Deut besser als er und verdient es nicht länger ein Teil dieser Familie zu sein, sag ihr das.“ damit verschwand Kyosuke und machte sich auf den Weg in sein Zimmer um zu schlafen. Selbst dieses bisschen Magie war schon zu viel für ihn, er brauchte Ruhe.



Später am Abend, stolperte Severin zerschlagen durch die Tür in ihr kleines Quartier in einem Gasthaus am Rand der Stadt. Seit der Begegnung mit dem verfluchten Eidolon der Bladelli war er schon angeschlagen genug, aber als sein Onkel ihn durch den Saal geschleudert hat, half das seinen gebrochenen Rippen nicht wirklich. Hinter ihm folgte seine Schwester und er drehte sich gar nicht erst zu ihr um, sondern stolperte weiter in Richtung Schlafzimmer. Sie hatten den ganzen Rückweg über kein einziges Wort gewechselt. Wütend und enttäuscht von seiner erbärmlichen Vorstellung, ließ Severin sich auf das Bett fallen, während Severina sich ins Bad verzog um das Kleid loszuwerden.
„Großartig.“ murmelte er mit einem Anflug von Verzweiflung vor sich hin „Ich habe versagt. Das war meine einzige Chance sie für mich zu gewinnen.“ zornig auf sich selbst starrte er an die Decke „Ich Vollidiot! Idiot! Idiot! Idiot! Id...“
„Hast du etwas gesagt, Severin?“
„Nein, nichts!“ rief er rasch, als ihm auffiel das er immer lauter geworden war „Idiot.“ zischte er ein letztes mal die Decke an und war so wütend auf sich selbst, dass er sich am liebsten aus dem Fenster stürzen würde. Dabei hatte er wirklich versucht sich Mühe zu geben, damit alles funktionierte, aber sein Onkel hatte ihm keine Chance gelassen sich zu erklären oder zu überzeugen. Severin setzte ein gequältes Lächeln auf, als er an die Hochstimmung dachte, mit der er zum Ball gegangen war, davon war nichts geblieben. Am Ende war er wie ein geprügelter Hund mit eingezogenem Schwanz abgezogen, hatte vollkommen versagt.
Eine Weile blieb er so alleine liegen und hing seinen düsteren Gedanken nach, die von einem Leben als einsamer Einsiedler auf einem Berg bis hin zu Selbstmord reichten. Das alles erschien ihm eine gute Lösung. Er hatte den Zorn eines der mächtigsten Männer des Landes auf sich gezogen, sich die ganze Familie zum Feind gemacht und noch dazu nicht das Mädchen bekommen das er liebte. Irgendwann hörte er leise Schritte, als seine Schwester das Zimmer betrat. „Es tut mir leid, Severina. Ich habe es nicht geschafft deine Forderungen zu erfüllen.“ flüsterte er und traute sich nicht sie dabei anzusehen, aus Angst nichts als Ablehnung und Enttäuschung zu sehen, weil er nichts erreicht hatte.
„Ach, was solls..“ erklang ihre Stimme aus Richtung der Tür und sie gab sich Mühe belustigt und ruhig zu klingen, aber Severin wusste, dass sie es nur spielte, oder zumindest glaubte er es. Bisher weigerte er sich noch immer sie anzusehen „Weißt du, du musst dich nicht schuldig fühlen. Der alte Mann kümmert mich nicht, soll er geifern und Verbannung schreien so viel er will. Ich brauche nicht seine Erlaubnis und Zustimmung um zu wissen das ich eine Akashi bin, es wird sich nichts ändern.“ Aber diese Worte überzeugten weder sie noch ihn. Sie beide wussten, dass sich sehr wohl so einiges ändern würde, sehr viel sogar. Der letzte Akashi der vom Oberhaupt verbannt wurde, war der Schattenritter gewesen, nachdem er als angeblicher Erbe und mächtigster Magier des Landes galt und man sah ja wie das letztendlich endete. Ab jetzt mussten sie vorsichtig sein. Sollten sie Kyosuke noch ein einziges mal auf die Füße treten, könnte er versuchen drastischere Maßnahmen, als eine simple Verbannung aus der Familie, zu unternehmen. Mit etwas Pech hetzte er ihnen Theresia auf den Hals oder die Templer sobald sie mal wieder etwas stehlen mussten...oder eher wollten.
„Ich soll mich nicht schuldig fühlen? Ich hatte die Chance dich zu heiraten und habe es vermasselt, wie soll ich mich da nicht schuldig fühlen? Anstatt glücklich auf dem Ball zu tanzen und unser Leben als Familie zu planen, habe ich den Zorn aller Akashi auf uns gezogen. Selbst falls wir ohne die Hilfe von Kyosuke einen Priester finden der bereit ist uns zu trauen, wird unser Onkel uns das niemals vergeben. Sobald wir so etwas tun, können wir uns eigentlich auch gleich selbst umbringen und das nur weil ich ein Idiot bin.“
„Wenn jemand Schuld daran ist, dann bin ich es.“ wehrte seine Schwester sofort entschieden ab „Ich hätte dir nicht so eine Forderung stellen sollen, das war bescheuert von mir. Es war klar das unser Onkel so reagieren würde, ich hätte dich nicht in so eine Situation bringen sollen. Es tut mir..“
„Nein, sag nicht so etwas.“ unterbrach er sie so schnell er konnte. Bei dem Gedanken an den Moment, an dem Severina ihre Forderung stellte, spürte er für einen Moment tatsächlich wieder dieses Glücksgefühl in sich aufsteigen. Es gelang ihm sogar glücklich die Decke anzulächeln. „Vor der ganzen Familie und dem alten Mann zu sagen dass ich dich liebe und will das du meine Frau wirst, war das...das beste Gefühl das ich jemals hatte und es hat sich angefühlt, als würde ich zum ersten mal in meinem Leben etwas tun mit dem ich zufrieden und glücklich bin. Ich bereue nicht es getan zu haben, nur, das es nicht funktioniert hat. Mir tut es leid, dass ich deine Forderung nicht erfüllen konnte.“
„Du bist wirklich ein Idiot.“ sagte Severina nach einem kurzen Moment der Stille und plötzlich fing sie an leise zu lachen „Du bist ein Idiot, aber ich liebe dich.“ Noch bevor er auf diesen Satz reagieren konnte, lag sie plötzlich auf ihm und sah ihm verliebt in die Augen. Sofort lief Severin rot an und versuchte seine Hände so weit wie möglich von sich zu halten. Erst jetzt merkte er das sie nicht im Bad gewesen war um sich umzuziehen, sondern sich einfach nur ausgezogen hatte. Nackt lag sie auf ihm und er konnte die wundervolle Wärme ihres Körpers durch den dünnen Stoff spüren. „Und heute, hast du mir bewiesen, dass du mich auch liebst. Nur mich, und nicht irgendeine Hure oder Anya, sondern mich und das war alles, was ich jemals wollte. Der Segen unserer Familie oder eine große Hochzeit wie sie Lyaena und Silberblatt feiern interessieren mich nicht, es hat mich nie interessiert. Ich wollte nur wissen ob du mich so sehr liebst wie du immer behauptest.“
„Bist du dir sicher?“ fragte er mit trockenem Mund, während er vollkommen neben sich stand und sie nur wie hypnotisiert aus großen Augen anstarrte „Wenn du zu unserem Onkel gehst um dich zu entschuldigen und behauptest das alles wäre meine Idee gewesen und wir kein Paar werden, dann wird er dir vielleicht vergeben, letztendlich mag er dich.“
„Das ist mir egal. Solange ich mit dir zusammen sein kann, ist mir alles andere egal.“ schmetterte sie seinen Vorschlag mit einem abfälligen Schnauben ab. Als er nichts darauf erwiderte, umfasste sie seine linke Hand und führte sie langsam zu ihrer Hüfte. Zum ersten mal strichen seine Finger über ihre nackte Haut und ein wohliger Schauer fuhr über ihren Körper, als sie auch nur daran dachte was als nächstes passieren würde „Als ich wollte, dass du dich mit unserem Onkel und der ganzen Familie anlegst um mich zu heiraten, hast du es ohne zu zögern getan. Du hast sofort zugestimmt und warst Feuer und Flamme, ohne Angst zu haben oder meinen Wunsch in Frage zu stellen. Du hast es einfach...getan, als wäre meine Bitte das normalste auf der Welt für dich, als wäre unsere Liebe kein Verbrechen gegen Gaia oder die Gesetze der Kirche.“
„Siehst du es so? Als Verbrechen und gegen den Willen der Göttin? Wenn du so darüber denkst, dann sollten wir es lieber nicht tun. Letztendlich ist es noch immer In...“
„Was ist los mit dir, Severin?“ unterbrach sie ihn hastig, bevor er noch weiter auf ein Thema eingehen konnte. Sie wollte das I Wort so lange wie möglich umgehen, es am liebsten gar nicht erwähnen „Ich dachte, du würdest dich ohne zu zögern auf mich stürzen, wenn ich mich dir schon um den Hals werfen muss damit du mich endlich nimmst.“ Obwohl sie versuchte sich so zu geben, als wäre es das normalste auf der Welt das sie zusammen waren, machte auch sie nichts weiter und blieb regungslos auf ihm liegen. Es hatte sie ihre ganze Überwindung gekostet so weit zu gehen, den Rest musste entweder ihr Bruder tun, oder das ganze hier würde schnell mit peinlichem Schweigen enden anstatt zu einer leidenschaftlichen Liebesnacht zu führen. Severin wollte sie, das erkannte sie leicht an seinem Blick, aber er fürchtete sich davor den ersten Schritt zu machen. Stattdessen lag er nur da und starrte sie an, ohne zu wissen wie er sich verhalten sollte. Bei seinem verwirrten Verhalten stahl sich plötzlich ein belustigtes Lächeln auf Severinas Lippen, mit dem sie versuchte ihre eigene Unsicherheit zu überspielen, aber vor allem, weil es sie wirklich amüsierte. Normalerweise war er Frauen gegenüber nicht so scheu, eher im Gegenteil. Er hatte schon viele Freundinnen oder Geliebte gehabt, sehr viele, und hatte keine länger als ein paar Tage ertragen bevor er sich neue suchte. Das er jetzt ihr gegenüber so anders war, betrachtete Severina einfach mal als gutes Zeichen. „Es ist ganz einfach: Liebst du mich oder nicht?“
„Ich liebe dich.“ entgegnete er mit fester Stimme und wurde langsam mutiger. Seine andere Hand legte sich ebenfalls auf ihre Hüfte und er küsste sanft ihren Hals
„Und ich liebe dich, das ist alles was zählt.“
„Aber...“ unsicher hörte er auf seine Hände zu bewegen oder ihren Hals zu liebkosen, als er sich wieder für einen Augenblick fing.
„Willst du jetzt wirklich weiter darüber reden, oder mich endlich küssen?“ fragte sie keck und wurde immer unruhiger. Ewig konnte es so nicht weitergehen, entweder er traute sich endlich den letzten, alles entscheidenden Schritt zu gehen, der sie von Geschwistern zu einem Paar machte, oder sie hatten sich umsonst mit ihrem Onkel angelegt. Gerade als sie noch etwas sagen wollte, legte Severin eine Hand auf ihren Hinterkopf und küsste sie.



Etwa zur selben Zeit, oder auch etwas später wen interessiert das schon, wankte Aleyandra durch die dunklen Straßen nahe ihrer Wohnung. Saeca hatte alle Hände voll damit zu tun zu verhindern das die betrunkene Aleyandra den Weg schaffte ohne alle paar Meter umzufallen und versuchte sie so gut es ging zu stützen. Sie waren nicht mehr weit von ihrem Zuhause entfernt, als Aleyandra plötzlich anhielt. Noch bevor Saeca fragen konnte was los war, sah ihre Onee-chan sie mit einem verträumten Ausdruck im Gesicht an und lächelte.
„Saeca.“ flüsterte sie müde und entwand sich plötzlich dem Griff der Armani, um sich sanft an sie zu schmiegen und dabei leise zu schnurren „Naruz hat mich verraten und verlassen, aber wenigstens habe ich noch dich, Saeca. Du würdest mich niemals verraten oder alleine lassen, richtig? Du bist nicht so widerlich wie dieser treulose Idiot, der mich für einen wertlosen Titel und ein paar unwichtige Freunde einfach wegwirft.“ Eine Weile sah sie der verwirrten Saeca tief in die Augen und dann, ganz plötzlich und ohne Vorwarnung, bewegte ihr Kopf sich nach vorne und Aleyandras Lippen legten sich sanft auf die der Armani, um sie zu küssen. Saeca riss erschrocken die Augen auf, aber leistete keinerlei Widerstand, während Aleyandra sie noch einmal küsste. Als sie sich endlich von der Armani löste, schien Saecas Kopf zu rauchen und sie war hochrot im ganzen Gesicht. „Ich liebe dich.“ hauchte Aleyandra und lehnte sich lächelnd mit geschlossenen Augen an die Hauswand, um nicht auf der Straße zu landen weil ihre Beine ihrem Willen nicht gehorchten.
„Wa...wa...wa...wa...was...“ stammelte Saeca vollkommen verloren und überfordert vor sich hin, während sie sich von Aleyandra wegdrehte, damit diese ihre Verlegenheit nicht bemerkte. Wie in Trance führte sie die Finger an ihre Lippen und strich darüber, als müsste sie sich davon überzeugen das es gerade wirklich passiert war. Aleyandra hatte sie gerade...Onee-chan hatte sie geküsst und gesagt dass sie sie liebte...das war zu viel für die arme Armani. Erst verfolgte sie der halbe Adel von Navea den ganzen Abend lang und jetzt das, was sollte sie jetzt tun? Irgendwann beruhigte sie sich wenigstens wieder ein kleines bisschen und drehte sich langsam wieder um, wo sofort der nächste Schock auf sie wartete. Aleyandra war verschwunden! „O-o-onee...?“ fragte sie noch immer stammelnd in die Nacht hinaus „Onee-chan!?“ rief sie diesmal und drehte sich dabei panisch im Kreis, aber egal wie sehr sie auch suchte, Aleyandra blieb spurlos verschwunden, denn sie hatte noch etwas wichtiges zu erledigen.



Naruz lag friedlich in seinem Bett und schlief, als er plötzlich ein lautes Poltern hörte, welches ihn unsanft aus seinen Träumen riss. Blinzelnd schlug er die Augen auf. Das erste was ihm auffiel als er aus dem Bett stieg, war das sein Fenster weit offen stand. Als er im Halbschlaf und noch immer völlig durcheinander zum Fenster schlurfen wollte um es wieder zu schließen, stolperte er über etwas weiches am Boden und knallte fast mit dem Kopf gegen die Wand. Leise fluchend versuchte er das eigenartige Bündel am Boden zu identifizieren. Als es im nicht gelang, murmelte er leise einen Zauber, um sein Zimmer in sanftes Tageslicht zu tauchen. Vor ihm lag Aleyandra, sie hatte sich mitten in seinem Zimmer auf dem Teppich zusammengekauert. Sobald es hell wurde, öffnete sie blinzelnd die Augen und setzte sich hin, während sie sich müde die Augen rieb.
„Abend.“ murmelte sie verschlafen, obwohl sie nur weniger als eine Minute geschlafen hatte, und ignorierte das erstaunte Starren von Naruz. Sie trug noch immer ihr Ballkleid und den Schmuck, aber am auffallendsten war im Moment eher der strenge Geruch von Alkohol, sehr viel Alkohol. Erstaunlicherweise gelang es ihr noch normal zu sprechen (was nicht daran liegt das ich gerade zu faul bin jedes ihrer Worte zu verstümmeln...doch, ehrlich gesagt schon), auch wenn bei jedem Wort überschwängliche Begeisterung in ihrer Stimme mitschwang, die sich Naruz nicht wirklich erklären konnte. „Es ist Tag! Die Sonne ist aufgegangen! Aber warum? Wieso? Weshalb? Wo bin ich überhaupt?“ Verwundert sah sie sich in dem Zimmer um, bis ihr Blick auf ihn fiel. Sie schien eine Weile zu brauchen um ihn zu erkennen. „Oh, Naruz, du bist es. Was machst du hier auf dem Ball und wieso ist der Ball nicht vorbei wenn es morgens ist?“
„Aleyandra? Was machst du hier? Solltest du nicht naja...schlafen? Und zwar Zuhause.“
„Wie soll ich schlafen ohne dich?“ fragte sie und klang dabei als wäre seine Frage das dämlichste auf der Welt „Jedes mal wenn ich ohne dich die Augen schließe, zerbricht meine ganze Welt. Ich falle durch ein schwarzes Loch durch Wahnsinn und Blut, bis ich am Ort der Schmerzen lande.“ diesen sinnlosen Worten folgte ein hysterisches Kichern, während Aleyandra schwankend aufstand. Naruz stand im Zimmer herum und wusste nicht wirklich was er tun sollte, während sie durch das Zimmer stolperte. Aleyandra hatte Probleme damit sich auf den Beinen zu halten. Unsicher stieß sie immer wieder gegen seinen Schrank, das Bett, die Tür und die Kommode. Es wirkte fast so als würden die Möbel sie wie einen Spielball zwischen sich hin und her werfen. Das ganze ging eine Weile so weiter, bis ihr wieder einfiel das Naruz noch immer da war. „Du!“ rief sie plötzlich und zeigte mit dem Zeigefinger anklagend auf ihn. Er zuckte erschrocken zusammen und fürchtete das sie das ganze Haus aufweckte „Ich habe auf dich gewartet! Du bist nicht gekommen obwohl es bedeutete das ich dich verlasse und für immer hasse! Wieso bedeute ich dir so wenig!? Wieso hasst du mich so sehr du Idiot? Das werde ich dir niemals verzeihen! Niemals! Ich werde dich ewig hassen weil du dich gegen mich entschieden hast um mit deinem neuen Harem durch die Gegend zu ziehen und sie alle flachzulegen! Und wenn du glaubst das ich wieder zu dir zurückkrieche und mich für alles entschuldige, dann bist du dümmer als ich dachte, denn das wird niemals passieren! Niemals! Hast du mich verstanden? Es ist vorbei, für immer!“ Aleyandras Lippen bebten während sie ihn anschrie und Naruz starrte sie nur sprachlos an, so einen Ausbruch war er von der „neuen“ Aleyandra nicht mehr gewohnt und wusste nicht wie er darauf reagieren sollte, aber zum Glück wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Noch bevor er etwas sagen oder tun konnte, lief Aleyandra auf ihn zu. Erst befürchtete er nach diese Worten einen Angriff, aber stattdessen fiel sie ihm um den Hals und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter, während sie begann haltlos zu Schluchzen „Ich liebe dich und es tut mir leid das ich dich vor diese Entscheidung gestellt habe. Bitte, sei nicht böse auf mich, bitte.“ Tränen tränkten den Stoff seines Ärmels und sie murmelte immer weiter Entschuldigungen vor sich hin. Noch immer schweigend umarmte er sie und zog Aleyandra näher zu sich heran, bis sie aufhörte am ganzen Körper zu zittern.
„Du darfst nicht für die Kirche arbeiten.“ flüsterte Aleyandra und löste sich ein wenig von ihm um Naruz ins Gesicht zu sehen. Ihre Augen waren rot und noch immer rollten Tränen über ihre Wangen „Du bist ein guter Mensch, du willst anderen helfen und wirklich etwas bewegen, genau deswegen darfst du nicht für die Kirche arbeiten. Du bist kein Werkzeug, so wie ich, du bist ein Mensch und zwar ein guter und...gut und ein Mensch und kein Werkzeug...nicht arbeiten für die Kirche, nicht.“ Als sie begann sich zu wiederholen runzelte Naruz verwirrt die Stirn, denn er hatte keine Ahnung wovon sie redete.
„Ich weiß dass du auch ein guter Mensch bist.“ murmelte Naruz und dachte über ihre Worte nach.
„Nein! Du weißt gar nichts! Du hast keine Ahnung, Naruz!“ rief sie wieder viel zu laut und löste sich endgültig von ihm, um wieder nervös in seinem Zimmer herumzutorkeln „Du weißt nicht was ich getan habe! Sie war unschuldig.“
„Wer?“
„Yuki war unschuldig! Irgendjemand hat die magische Überprüfung manipuliert!“ sofort brach sie wieder in Tränen aus und schluchzte noch lauter. Inzwischen war sogar dem verschlafenen Naruz klar worum es ging und er war endgültig hellwach. War sie deswegen so reizbar wenn es um die Kirche ging? „Sie war kein Dämon...kein Monster...keine Bedrohung. Es gab dort nur ein Monster und das war ich, das bin ich!“
„Wir sollten dich in Zukunft dringend vom Wein fernhalten.“
„Hast du mir nicht zugehört!?“ schrie sie ihn verzweifelt an „Sie war unschuldig!“
„Ich weiß und ich habe es schon immer geahnt, deswegen bin ich nicht besonders überrascht. Sigrun hat mir genug berichtet, damit ich weiß das sie nur ein harmloses Mädchen war.“
„A-aber warum...?“ So schnell wie ihr hysterisches Verhalten gekommen war verschwand es wieder und sie sah ihn vollkommen verwirrt an. Verloren stand sie in der Mitte des Zimmers, wusste nicht was sie tun sollte, oder was sie hier überhaupt machte, sie fühlte sich einfach nur hundeelend. Sie musste einen erbärmlichen Eindruck auf ihn machen im Moment, zerbrechlich, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen. „Warum hast du mich dann zurückgenommen? Wieso hast du mir verziehen und mich nicht umgebracht weil ich ein schrecklicher Dämon bin? Ich bin ein Monster. Warum...warum...warum redest du überhaupt mit mir? Wie kannst du mich lieben, mich küssen, mich umarmen, überhaupt in meiner Nähe sein, wenn ich nichts weiter bin als blutrünstiger Abschaum und...“
„Hör auf damit, bitte, hör auf, Aleyandra.“ flüsterte er ihr eindringlich ins Ohr und drückte sie fester an sich „Ich weiß nicht welcher Dämon von dir Besitz ergriffen hat als du Yuki getötet hast, aber ich weiß, das es nicht die Aleyandra war die ich kenne, die einzige Aleyandra die zählt. Ja, Yuki war unschuldig und du wirst dich dein Leben lang für ihren Tod verantwortlich fühlen, aber das bist du nicht. Es war dieser Dämon, dieser Blutrausch und den hat Tigerius versiegelt. Ich kann die Zauber sehen die auf dir liegen, sie werden dafür sorgen das dieses...Ding, niemandem mehr etwas antun kann. Ich liebe dich, auch wenn ich dich manchmal nicht verstehe.“
„Das ich deine Schattenjäger als Harem bezeichnet habe tut mir leid, das wollte ich nicht.“ flüsterte sie, als sie sich endlich wieder zu beruhigen schien „Aber ich ertrage es nicht das Mizore zu ihnen gehört, das ist zu viel.“
„Mizore? Was soll mit ihr sein? Ich dachte du hast deine Eifersucht überwunden und bist nicht mehr wütend nur weil irgendwelche Mädchen mit mir befreundet sind.“
„Das bin ich auch nicht...nicht mehr so sehr, aber...“ Aleyandras Wangen färbten sich rosa und sie wandte den Blick ab, so viel zu ihrem Plan ihre Eifersucht nicht mehr zu zeigen „Das mit ihr ist einfach etwas anderes. Mit Anya komme ich zurecht, immerhin gehört sie zur Familie...irgendwie, also muss ich keine Angst mehr vor ihr haben. Die Akashi ist viel zu aufdringlich und selbst ein Blinder kann sehen dass sie etwas von dir will, aber ich weiß genau das sie nicht dein Typ ist und du sie niemals anrühren würdest, richtig?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, die ihr vermutlich ohnehin nicht gefallen würde, fuhr sie fort bevor er zu Wort kommen konnte. „Aber Mizore ist anders. Du hast mir ihr geschlafen.“
„Da waren wir nicht zusammen und ich...“
„Du hast mit ihr geschlafen, egal ob wir zusammen waren oder nicht, du hast mit ihr geschlafen.“ unterbrach Aleyandra ihn mit einem leisen, wenig bedrohlichen, Knurren „Mit ihr und ihrem Eidolon, und zwar oft. Ich weiß das ihr praktisch eine Woche lang, jede Nacht, nichts anders gemacht habt als zu Dritt Spaß zu haben und sie will dich noch immer, das kann ich an ihren Augen sehen. Sie will dich besitzen und wird dabei vor nichts zurückschrecken, aber das weißt du selbst ganz genau. Doch das ist nicht das schlimmste an der ganzen Sache. Weißt du was das schlimmste daran wäre, falls du doch wieder mit ihr oder irgendeinem anderen Mädchen schläfst?“
„Hast du mir nicht zugehört? Ich habe dir doch gerade gesagt dass ich...“ fuhr Naruz aufgebracht fort, als ihr sinnloses Gemurmel begann ihn zu nerven. Wie oft musste er ihr noch versichern das er sie niemals betrügen würde? Und dabei hatte er gehofft dass sie diesen Unsinn endlich hinter sich gelassen hatten.
„Ich würde es dir verzeihen...ich würde dir alles verzeihen, ganz egal was du machst. Vermutlich wäre ich wütend auf Mizore, Anya oder die Akashi, aber nicht auf dich und ich könnte es niemals übers Herz bringen dich zu verlassen, ganz egal wie mies du mich behandelst.“ mit erstickter Stimme brach sie ab und sofort verrauchte das bisschen Zorn, welchen Naruz bei ihren Worten empfunden hatte. Sie wirkte im Moment einfach nur deprimiert und verletzlich, darauf konnte er nicht wütend sein, nicht während sie ihn mit Tränen in den Augen ansah. „Das klingt unglaublich schwach und dumm, nicht wahr?“ flüsterte sie deprimiert weiter „Ich bin erbärmlich sobald es um dich geht. Ich würde alles dafür tun in deiner Nähe sein zu dürfen, alles.“
„Du bist nicht schwach.“ sagte er sanft, nachdem er sie eine Weile angesehen hatte und begann aufmunternd zu lächeln „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung was du bist oder was in dir vorgeht, das habe ich noch nie wirklich verstanden. Aber ich weiß, dass du weder schwach, noch erbärmlich oder böse bist. Ich glaube du brauchst einfach nur eine Weile Ruhe. Ein paar Monate in denen mal nichts schief geht, in denen du niemanden für die Kirche töten musst oder wir uns streiten. Das ist alles was du brauchst und irgendwann werden wir beide diese Zeit für uns haben, sobald wir den Schattenritter besiegt haben, das verspreche ich dir.“
„Es tut mir leid, Naruz. Ich wollte dich nicht zu einer Entscheidung zwingen und wenn du dir wirklich sicher bist, dass du als Paladin eine Chance gegen den Schattenritter hast dann werde ich dich dabei unterstützen so gut ich kann.“
„Ich bin mir sicher.“ entgegnete er mit fester Stimme und klang so zuversichtlich das er sich sogar selbst fast überzeugt hätte.
„Gut. Dann herzlichen Glückwunsch zu Eurem neuen Posten, Paladin Bladelli.“ Aleyandra löste sich wieder von ihm und versuchte umständlich zu salutieren, wobei sie sich fast ein Auge ausstach und Naruz zum Lachen brachte, dann fiel ihr wieder ein das sie derzeit Probleme hatte alleine zu stehen und stolperte zurück in seine Arme „Um ehrlich zu sein, war ich vielleicht...möglicherweise, nur etwas eifersüchtig und habe gar kein Problem mit dieser ganzen Paladinsache.“ fügte sie murmelnd und peinlich berührt hinzu „Als ich dich mit deiner Familie und deiner Einheit gesehen habe fühlte ich mich einfach nur...ausgeschlossen, als würde jetzt ein neuer Abschnitt deines Lebens beginnen in dem es keinen Platz für mich gibt. Außerdem hat dein Bruder nicht einmal gewusst das wir zusammen sind und gedacht ich scherze oder lüge. Er hält mich sicher für verrückt.“
„Du warst also nur wütend weil...ich dich nicht sofort meinem Bruder vorgestellt habe?“ fragte er belustigt nach und auch das letzte bisschen Ärger wegen ihres Streits löste sich in Luft auf. Als Aleyandra langsam nickte und dabei verlegen auf den Boden starrte, musste er plötzlich anfangen zu lachen.
„D-das ist nicht witzig!“ stammelte Aleyandra mit hochrotem Gesicht „Du hast mir nur schnell gesagt dass du jetzt ein Paladin und noch dazu ein Bladelli bist, danach hatte deine...Familie dich schon entführt und ich musste alles von deiner neuen Einheit erfahren. Dabei hatte ich...hatte ich...ich hatte gehofft du stellst mich deinem Bruder vor allen als deine Freundin vor, damit jeder von ihnen weiß, dass wir zusammengehören. Das ist alles was ich wollte und du hast es nicht getan. Du hast es noch niemals getan. Mich einfach als deine Freundin vorgestellt, meine ich. Dabei ist es alles was ich will.“
„Das tut mir leid.“ murmelte Naruz nachdenklich. Wenn er so darüber nachdachte, hatte er sie wirklich noch nie als seine feste Freundin vorgestellt, sondern meistens eher als...so eine Art Freundin „Aber ich hatte gerade erfahren das ich ein Bladelli bin und meinen Bruder wiedergesehen.“
„Ich weiß und ich fühle mich schrecklich weil ich dir das Wiedersehen mit deiner Familie durch meinen Egoismus kaputt gemacht habe! Ich habe alles für dich ruiniert anstatt mich für dich zu freuen. Kannst du mir verzeihen dass ich so dumm war?“
„War? Ich wette wir haben genau den gleiche Streit in ein paar Wochen noch mal, spätestens dann, richtig?“ meinte er, noch immer belustigt und lächelnd, aber als er ihr ernstes Gesicht sah nickte er und fuhr ernster fort „Ja, ich verzeihe dir. Natürlich verzeihe ich dir. Du weißt genau, dass ich dir immer verzeihe wenn du mal wieder...“ plötzlich bemerkte er, das er mit sich selbst redete. Sobald er gesagt hatte das er ihr verzieh, waren Aleyandra die Augen zugefallen und sie lag regungslos in seinen Armen „Aleyandra?“ fragte er unsicher nach, doch erhielt als Antwort nur sinnloses Gebrabbel. Sie war eingeschlafen, sobald sie sich sicher war dass er sie nicht rauswerfen würde. Vorsichtig löste er sich etwas von dem schlafenden Mädchen und legte seine Arme um sie. Er führte sie langsam durchs Zimmer und ließ Aleyandra sanft auf sein Bett sinken. Sobald er sie zudeckte, kuschelte sie sich mit einem niedlichen Lächeln ein und schnurrte zufrieden wie eine kleine Katze. Lächelnd setzte er sich neben sie aufs Bett, strich ihr sanft über die Wange und war erleichtert sie wiederzusehen. Die Drohung sich von ihm zu trennen...er hatte versucht es sich nicht anmerken zu lassen, aber seit dem Streit am vorherigen Tag, hatte er die ganze Zeit über nur miese Laune gehabt, aber sie jetzt neben sich liegen zu sehen beruhigte ihn wieder. Nur eines trübte den friedlichen Anblick. Die Stimme in seinem Kopf, die sich immer wieder fragte, ob Aleyandra den ganzen Ärger überhaupt wert war.
Zuletzt geändert von Vanidar am 14. Dezember 2014 17:55, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 14. Dezember 2014 15:45

43 - Das Kapitel der Verschiebungen (Öffnen)
Kapitel 43 – Das Kapitel der Verschiebungen:


„Ich muss zugeben, das hier habe ich nicht erwartet.“ sagte Naruz überrascht und sah sich um. Er befand sich in dem 'Raum', in dem er sich immer mit Demir unterhalten hatte, aber dann auch wieder nicht. Es war zwar noch immer das selbe, dunkle Zimmer, aber der Tisch fehlte, ebenso wie der Weltenwanderer. Während Naruz langsam vorwärts ging merkte er, dass noch einige andere Dinge nicht stimmten. Der Raum hier schien... instabil zu sein, er konnte erkennen wie an manchen Stellen die dunklen Wände und der Boden zu wabern schienen, wie eine magisch erschaffene Illusion, die jeden Augenblick zusammenfallen könnte. Nach einigen Schritten kam Naruz am Ende des Raumes an, und stand vor einer der Wände. Als er jedoch eine Hand ausstreckte um diese zu berühren, schien der ganze Raum sich um ihn zu drehen, und plötzlich befand die Wand sich hinter Naruz, vor ihm befand sich wieder der Raum, dieses mal jedoch mit einer Art Podest in der Mitte. Er runzelte die Stirn und ging vorsichtig auf das Podest zu. Langsam fragte er sich, ob Demir langweilig geworden war, und ob das hier seine Art war, einen Scherz zu machen. Als er beim Podest angekommen war musterte Naruz es eine Weile lang und richtete dann seinen Blick nach oben. Was er dort sah ließ ihn stutzen. Ein Tisch und zwei Stühle hingen kopfüber von der Decke, und auf einem der Stühle saß eine Gestalt, die ganz gewiss nicht Demir war und winkte ihm zu. Misstrauisch stieg Naruz auf das Podest und wieder schien sich der gesamte Raum um ihn zu drehen, dieses mal jedoch um einiges länger als zuvor. Nachdem endlich alles wieder stehen blieb, sah Naruz dass sich direkt vor ihm der Tisch, mitsamt der Stühle und dem Fremden befand. Vorsichtig hob er den Blick und sah das Podest, welches von der Decke zu hingen schien. Bedeutete das jetzt, dass er kopfüber von der Decke hing? Oder hing er zuvor kopfüber von der Decke? Und was war davor, als er die Wand berührt hatte? Je länger Naruz darüber nachdachte, desto mehr begann sein Kopf zu schmerzen, also ließ er es einfach bleiben und ging auf den Tisch zu. Dort stand nicht, wie er es aus diesen Träumen gewohnt war, wenn man es denn Träume nennen konnte, ein Schachbrett, sondern... etwas das Naruz noch nie zuvor gesehen hatte. Die Tischplatte hatte die Form eines Dreiecks und war in viele, kleine Hexagons aufgeteilt. Das obere Drittel des Tisches wurde durch eine Art Miniaturmauer vom Rest getrennt, auf den Wehrgängen standen kleine Spielfiguren die Bogenschützen, Schwertkämpfer, Katapulte, Ballisten und Magier darstellten. Vor der Mauer standen ähnliche Figuren, jedoch in einer anderen Farbe. Naruz setzte sich auf den leeren Stuhl und ließ seinen Blick dann zum Fremden wandern. Dieser ähnelte einem jungen Mann, vielleicht zwei oder drei Jahre jünger als Naruz, mit kurzen, blonden Haaren, violetten Augen und einer Art Geweih, die aus seinem Kopf wuchs. Wobei 'Geweih' vielleicht nicht der richtige Ausdruck war, es sah zwar danach aus, schien jedoch aus Holz und Ästen zu bestehen, trotzdem wuchs es direkt aus dem Kopf des Fremden, daran gab es keinerlei Zweifel. Auch seine Kleidung wirkte seltsam, er trug ein violettes Hemd aus Seide und eine purpurrote Hose, ebenfalls aus Seide. An seinem rechten Handgelenk befand sich eine Kette aus Gold, die jedoch viel zu groß war und herunterzurutschen drohte. Der Fremde stützte sein Kinn auf seine linke Faust und beobachtete Naruz aufmerksam, ehe er ein strahlendes Lächeln sehen ließ, sich aufrichtete, und in die Hände klatschte.
„Willkommen, Naruz!“ rief er, mit einer hellen, freundlichen Stimme. „Ich freue mich, dich endlich einmal zu treffen, bislang kam es ja leider nie dazu.“
„Ähm, ja. Die Freude ist ganz meinerseits, schätze ich.“ murmelte Naruz und sah sich um. Wurde er vielleicht verrückt? Das wäre eine ziemlich gute Erklärung für das ganze hier. Andererseits, ihm waren schon so einige, seltsame Dinge passiert, das hier hatte vielleicht irgendwie eine ganz natürliche Erklärung. Er bezweifelte es zwar, aber zu hoffen würde schon nicht schaden.
„Oh, Verzeihung, du kennst mich natürlich nicht. Wie überaus unhöflich von mir, ich hatte nur schon so lange nichts mehr mit anderen Personen zu tun. Ich bin Asmodäus, manche nannten mich einen Dämon, manche einen Engel, einer nennt mich einen verdammten Bastard... aber du, du darfst mich einen Freund nennen.“ sagte der Fremde und breitete die Arme aus, woraufhin Naruz ihn ungläubig anblinzelte.
„Du bist... ein Dämon?“
„Ah ja, hätte mir denken können, dass dieser Teil hängen bleibt. Ja, ich bin ein Dämon, und dann auch wieder nicht. Demir hat dir doch von seiner seltsamen Fähigkeit erzählt, oder? Dieses Fressen von Seelen, und so weiter.“
„Ja, ich glaube ich kann mich daran erinnern.“
„Sehr gut, ich bin eine der unglücklichen Seelen, die er verschlungen hat. Und nicht nur das, ich war auch sein allererstes Opfer.“ Asmodäus machte eine Pause, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und tippte mit einem Finger auf die Armlehne seines Stuhls. „Sag mir, was hältst du von Demir?“
„Wie bitte?“ Naruz war auf diese Frage überhaupt nicht vorbereitet gewesen.
„Was hältst du von Demir? Vertraust du ihm? Magst du ihn?“
„Ich schätze... er ist in Ordnung? Ich weiß nichts über ihn, aber er hat mein Leben gerettet.“
„Hat er das? Meinst du nicht eher, er hat sein Leben gerettet?“ fragte der Dämon, und stützte seinen Kopf auf seine rechte Hand, während er Naruz beobachtete, um sich dessen Reaktion nicht entgehen zu lassen.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was du von mir willst, oder was du versuchst mir zu sagen.“ sagte Naruz seufzend und lehnte sich im Stuhl zurück. „Fange am besten ganz von vorne an, du sagtest du bist ein Dämon, aber auch, dass das nicht so ganz stimmt. Warum?“
„Ganz einfach, ich bin ein Dämon, allerdings stamme ich nicht aus Pandämonium, sondern von einer vollkommen anderen Welt. Meine Heimat hieß Cordius.“
„Die Welt, aus der Demir kommt? Dort gab es auch Dämonen?“
„Oh ja, allerdings waren wir ganz anders, als diese... Kreaturen, mit denen ihr euch rumschlagen müsst. Wir waren einfache Wesen, geboren aus den Emotionen von Menschen, und das war auch unsere Nahrung. Wo auch immer besonders starke Emotionen herrschten, haben wir uns niedergelassen und davon gelebt, es war eine schöne, friedliche Zeit.“
„Warte, Menschen? Hast du gerade 'Menschen' gesagt?“ fragte Naruz und sah Asmodäus misstrauisch an.
„Du hast richtig gehört, Menschen. Nun, so ganz stimmt das nicht. Es waren nicht direkt Menschen, aber sie sahen euch ähnlich. Ähnlicher als den anderen Rassen, die ich im Laufe der Jahrhunderte gesehen habe. Was hat Demir dir über die Weltenwanderer erzählt?“
„Das sie eine kriegerische Rasse waren, von den Göttern ihrer Welt geschaffen, als letzte und perfekte Rasse von Cordius.“
Asmodäus nickte. „Ich verstehe, hat er auch gesagt, dass er der Herrscher dieser Rasse war?“
„Wie bitte? Nein, davon hat er nichts gesagt. Soweit ich mich erinnere meinte er, dass er zwar ein berühmter und mächtiger Krieger war, aber kein Herrscher.“
Der Dämon schnaubte. „Natürlich sagt er so etwas. Ich weiß, dass er dir etwas gezeigt hat, was war es?“
„Den Untergang von Cordius.“
„Tatsächlich? Auch, dass er seine Welt absichtlich vernichtet hatte?“
Naruz riss die Augen auf. „Was hast du da gerade gesagt?“
Asmodäus ließ ein leises Lachen hören. „Ah, natürlich hat er den Teil verschwiegen, es sieht ihm ähnlich, diesem Intriganten Mistkerl. Also gut, ich fange ganz von vorne an, also höre gut zu:
Demir war einst ein mittelklassiger Magier, nichts besonderes, er stand ständig im Schatten seiner jüngeren Schwester. Trotzdem war er noch immer mächtiger, als die 'Menschen', die Cordius bewohnten. Sein Aufstieg, der Aufstieg des Tyrannen, begann als er eines Tages ein ganzes Dorf voller wehrloser Menschen abgeschlachtet hatte. So viel Leid, Verzweiflung, Angst und Wut hatte es selten auf Cordius gegeben, wie an diesem Ort. Denn bis zur Ankunft der Weltenwanderer, war es eine friedliche Welt. Da ich nun einmal ein Dämon bin, und mich auch von negativen Emotionen ernähre, ging ich zum Dorf und geriet dort direkt in eine Falle. Demir tötete mich, aus dem Hinterhalt und verschlang meine Seele, und dadurch auch meine Magie. So ist er zu einem Wesen geworden, das sich zum Herrscher der Weltenwanderer aufschwingen, und sie gegen die Götter Cordius' führen konnte!“ während er sprach wurde die Stimme des Dämons immer lauter, bis Naruz glaubte, seine Wut körperlich spüren zu können. „Nachdem die Götter gefallen, und Demir der Herrscher von Cordius war, rebellierte der Großteil der Weltenwanderer gegen ihn, und die rebellischen Magier begannen, einen Zauber zu weben, der Demir hätte vernichten können. Leider kam es nie dazu. Ich muss leider gestehen, dass ich ihm geholfen habe den Zauber unschädlich zu machen, da ich nicht meine Existenz vollständig beendet sehen wollte. Aber hätte ich gewusst, was er danach tat, hätte ich ihn sterben lassen.“ Asmodäus brach ab und schüttelte traurig den Kopf.
„Was ist passiert?“ Die Geschichte des Dämons hatte Naruz' Interesse geweckt. Er hatte Demirs Geschichte geglaubt, so halbwegs zumindest, aber er hatte immer gespürt, dass der Weltenwanderer ihm etwas verheimlichte, auch wenn er nicht gedacht hätte, dass es mit dem Untergang von Cordius zusammenhing.
„Er hat den Zauber umgewandelt, und damit die Magie der gesamten Welt in sich aufgenommen. Dadurch wuchs seine Macht enorm, aber... nun, du weißt was hier bei euch mit einem Menschen geschieht, der seine Magie verliert. Cordius erging es ebenso, und Demir schaffte es geradeso mit einigen Getreuen von der Welt zu fliehen.“ ein bösartiges Grinsen zeichnete sich auf Asmodäus' Gesicht ab. „Aber ich habe mich gerächt. Ich habe Cordius gerächt! Ich habe den Zauber manipuliert, so dass Demir von seinen Gefolgsleuten getrennt wurde und auf einer anderen Welt landete. Seither war er dazu verdammt von einer Welt zur anderen zu ziehen, immer auf der Suche nach Seinesgleichen. Bis eines Tages etwas... seltsames passiert ist.“ sagte Asmodäus und lächelte. „Eines Tages erschien Demir in Pandämonium, mit einem Heer, dass er auf einer anderen Welt ausgehoben hatte, und führte einen Krieg, gegen die Dämonen dort. Es sah schlecht aus, sehr schlecht sogar, bis sich die Anführerin der Dämonen dazu gezwungen sah, ein uraltes... wie heißen sie noch gleich? Eidolons? Sie ließ ein uraltes Eidolon frei, ein Wesen namens Nidhöggr. Er kämpfte gegen Demir und schaffte es, das feindliche Heer zu vernichten, allerdings starb er während der Schlacht. Demir hatte ihn getötet und wollte seine Seele in sich aufnehmen, aber ich kam dem Tyrannen zuvor, ich habe Nidhöggr gerettet, so halbwegs zumindest.“ Asmodäus deutete auf das Geweih, dass aus seinem Kopf ragte. „Ich habe Nidhöggrs Seele Zuflucht gewährt, und ihn somit vor Demir gerettet. Dadurch geschah jedoch etwas unvorhergesehenes, wir wurden einfach aus Pandämonium gerissen, und landeten in Midgard. Inmitten eines Tempels, vor uns kniete ein alter Priester. Die Magie, die durch Demirs Auftauchen um sich schlug, hatte den armen Mann verflucht und in ein Monster verwandelt, wahrlich eine tragische Geschichte.“
„Sonjuno!“ rief Naruz überrascht und Asmodäus nickte.
„Ganz genau. Ich glaube, der Priester hatte nichts böses vorgehabt, sondern einfach seine Göttin um Rat gebeten, oder etwas in der Art, aber durch einen dummen Zufall tauchte Demir auf, und wurde in Sonjunos Seele gesperrt, wenn auch nur für kurze Zeit.“
„Warte, du willst mir sagen, Demir und der Dämon, gegen den ich im Tempel gekämpft habe, waren ein und dieselbe Person?“ fragte Naruz, woraufhin der Dämon den Kopf schüttelte.
„Nein, nicht ganz. Wundert es dich denn nicht, wie leicht es war Sonjuno zu töten? Nichts gegen dich, aber du warst ein einfacher Mensch, nur ein wenig schneller als gewöhnlich. Du hattest keinerlei Magie, und doch hast du einen Dämon getötet, den vor dir niemand bezwingen konnte, und deswegen weggesperrt wurde.“
„Das... macht irgendwie Sinn.“ murmelte Naruz und dachte darüber nach. „Es stimmt, ich wurde zwar fast getötet, aber angeblich hatte Sonjuno mehrere Marschälle und Inquisitoren getötet, als er zum Dämon wurde. Dafür war er vielleicht wirklich ein wenig schwach.“
„Das lag daran, dass du gegen ihn gekämpft hast, als Demir sich von seiner Seele getrennt hatte. Als das Gefängnis, in dem der Dämon eingesperrt war, zersprang, trennte sich Demir von Sonjuno und ließ sich in einem neuen Körper nieder.“ Asmodäus deutete auf Naruz. „Und zwar in dir.“
„In mir? Das kann nicht...“
„Wann ist Demir dir zum ersten mal begegnet?“
Naruz überlegte kurz, dann riss er die Augen auf. „Als... als ich gegen Sonjuno gekämpft habe.“ sagte er schließlich.
„Genau, und jetzt die Frage aller Fragen: Warum sollte ein mächtiges Wesen wie Demir dir dabei helfen, zu überleben? Was interessiert es ihn, der so viele Welten unterworfen und gegen unzählige, mächtige Gegner gekämpft hat, ob du lebst oder stirbst? Die Antwort ist einfach; er steckt in deiner Seele fest, und wenn du stirbst, erwischt es ihn ebenfalls. Er muss dich am Leben erhalten, damit er selbst nicht stirbt.“

Eine Weile lang sagte keiner von ihnen etwas. Naruz dachte die ganze Zeit nach, und überlegte, ob es nicht irgendetwas in der Geschichte des Dämons gab, dass widersprüchlich wirkte, oder keinen Sinn ergab. Aber ihm fiel nichts ein. Wenn man daran glaubte, dass Demir ein Wesen war, dass Seelen verschlingen und in ihnen wohnen konnte, dann war die Geschichte durchaus glaubwürdig und logisch.
„Also ist das alles hier in meinem Kopf?“ fragte Naruz schließlich, und machte eine Geste, die den ganzen Raum mit einbezog. „Falls ja, kann ich kontrollieren was hier passiert?“
„Oh nein, so einfach ist es nicht. Wir sind zwar in deinem Kopf, zumindest so ungefähr, aber wir sind auch in meiner Seele, oder besser gesagt in Demirs. Wenn deine Seele ein Meer ist, wäre dieser Ort hier eine kleine Insel, inmitten des Ozeans.“
„Warum hat Demir mir das vorenthalten? Welchen Grund hätte er dafür? Und warum ist er nicht hier?“
„Er ist nicht hier, weil ich seine Seele momentan unterdrücke.“ sagte Asmodäus lächelnd. „In Candeo, diese seltsame Alfar... was auch immer sie getan hat, es hat Demirs Herrschaft über meine Seele geschwächt. Eine ganze Zeit lang waren wir gemeinsam hier, bis es mir schließlich gelang ihn zu unterdrücken, um einmal ungestört mit dir zu reden. Leider wird er bald wieder mächtig genug sein, um gleichzeitig mit mir zu existieren. Sobald er es schafft, meine Herrschaft über diesen Ort zu brechen, wird er wahrscheinlich das Gespräch stören und dich aufwachen lassen, damit ich dir nicht noch mehr von der Wahrheit erzählen kann. Wenn es darum geht, warum er es dir vorenthalten hat... nun, ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich glaube, er will sich deiner Seele bemächtigen. Wenn er deine Seele verschlingt, dürfte auch dein Körper verschwinden und Demir nimmt deinen Platz ein. Danach wird er wahrscheinlich ein kleines Königreich für sich starten und damit anfangen diese Welt zu erobern.“ Asmodäus zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hatte er auch nur keine Lust dir alles zu sagen, wer weiß? Ich bin leider kein Experte, wenn es um bösartige Tyrannen geht.“
„Und was willst du von mir?“ fragte Naruz und beugte sich ein wenig nach vorn.
„Wie bitte? Was meinst du?“
„Du hast gesagt, du freust dich mich zu treffen. Heißt das nicht, dass du etwas von mir wolltest?“
Asmodäus lachte erneut. „So misstrauisch! Aber das ist gut, so wird es Demir schwerer fallen, dich zu überwältigen. Ich habe tatsächlich etwas wichtiges mit dir zu besprechen. Demir hat während eures Aufenthalts in Candeo etwas wichtiges in Erfahrung gebracht, es dir jedoch vorenthalten. Es ist eine wichtige Information, die den Schattenritter betrifft.“
In Naruz Augen blitzte etwas auf. Informationen über den Schattenritter? Das war zu gut um wahr zu sein. „Und was willst du dafür? Selbst wenn du anders bist als die Dämonen Pandämoniums, kann ich mir nicht vorstellen, dass du einfach aus Herzensgüte solche Geschenke machst.“
Zu Naruz' Überraschung schüttelte Asmodäus jedoch den Kopf. „Ich verlange nichts im Gegenzug dafür. Ich möchte dich lediglich um etwas bitten. Sollte der Tag kommen, an dem Demir aus deinem Körper entkommt, könnte die Möglichkeit bestehen, dass ich hierbleiben kann, anstatt mit ihm zu gehen. Ich möchte dich darum bitten, mir, sollte es soweit kommen, zu erlauben zu bleiben. Hier gefällt es mir weit besser, und du nutzt mich nicht dazu aus, um böses zu tun, im Gegensatz zu Demir.“
„Das ist alles?“
„Das ist alles. Außerdem... nun, ich verfüge über viel Wissen, sehr viel Wissen sogar, dank Nidhöggr auch über diese Welt. Ich könnte dir damit helfen, allerdings müsstest du für weitere Hilfe einen Preis bezahlen.“
„Was für einen Preis?“
Asmodäus zuckte mit den Schultern. „Das kommt auf die Situation und das Wissen an, dass du verlangst. Vielleicht sollst du nur jemanden überglücklich machen, damit ich selbst hier noch einmal Glück 'schmecken' kann. Vielleicht auch etwas anderes, wer weiß? Du musst natürlich nicht meine Hilfe annehmen wenn du nicht willst. Ich bin vollkommen machtlos musst du wissen, ohne deine Erlaubnis, kann ich so gut wie nichts tun.“
Naruz dachte eine ganze Weile lang über das Gehörte nach. Was Asmodäus sagte klang verlockend, und wenn er wirklich nichts als Gegenleistung für seine Hilfe wollte... dann wäre doch nichts dabei, zu akzeptieren, oder? Bevor er sich jedoch auf eine Antwort festlegte, hatte Naruz noch eine wichtige Frage zu stellen. „Du sagtest, dass Dämonen auf Cordius aus Emotionen geboren wurden, nicht wahr?“
„Das stimmt. Und die Emotion aus der wir geboren wurde, schmeckt am besten für uns. Je mehr die anderen Emotionen mit unserer 'Geburtsemotion' zu tun haben, desto besser schmecken sie. Je weiter sie sich entfernen, umso schrecklicher ist ihr Geschmack.“
„Aus was wurdest du geboren?“
„Oh...“ der Dämon rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und sah in eine andere Richtung.
„Ja?“
„Ähm... also, das ist mir jetzt peinlich... aber gut... st.“ Das letzte Wort wurde so leise ausgesprochen, dass Naruz es nicht verstehen konnte.
„Wie bitte? Was hast du gesagt?“
Asmodäus warf ihm einen vernichtenden Blick zu, ehe er die Augen schloss, rot anlief und rief: „Lust! Ich wurde aus Lust geboren! Zufrieden?! Als ich erschienen bin waren gerade zwei Menschen dabei... also... ähm... ja... du kannst dir schon denken, was los war.“ murmelte Asmodäus vor sich hin. Naruz starrte ihn eine Weile lang ungläubig an, dann brach er in lautes Lachen aus.
„Wirklich? Das heißt also, wenn jemand lüstern ist, dann... schmeckt dir das besonders gut?“
„Oh natürlich, lach ruhig! Mach dich über den armen Dämon lustig! Aber ja, du hast recht! Außerdem Liebe, Liebe schmeckt mir auch besonders gut. Können wir aber nun zurück zum eigentlichen Thema kommen?“
„Was? Oh ja, natürlich.“ meinte Naruz und wurde wieder ernster. „Ich... werde darüber nachdenken. Ich würde gerne hören, was Demir zu der ganzen Sache zu sagen hat, bevor ich mich für irgendetwas entscheide.“
„Natürlich, die Gelegenheit mit ihm zu sprechen wird sich schon noch ergeben. Wie auch immer. Kommen wir nun zu dem, was Demir dir vorenthalten wollte: Er hat herausgefunden, was der Schattenritter in Demarech getrieben hat. Sagt dir der Begriff 'Würfel der Gaia' etwas?“
„Natürlich. Angeblich hat Gaia damit die Welt geschaffen.“
„Genau, und nicht nur das, es gibt auch Kopien davon... man könnte sie vielleicht als Prototypen bezeichnen. Sie sind bei weitem nicht so mächtig wie das Original, aber mächtig genug, damit Gaia sie mit ihrer Magie versiegelt und weggesperrt hat. Der Schattenritter hat einen dieser Prototypen gefunden, und das Siegel der Göttin vernichtet, welche den Würfel beschützen sollte.“
„Wie bitte? Das ist unmöglich!“ warf Naruz protestierend ein. „Selbst wenn der Schattenritter mächtig ist, er könnte nie im Leben den Zauber einer Göttin brechen!“
Asmodäus nickte zustimmend. „Ja, aber was, wenn nicht er den Zauber gebrochen hat? Oder besser gesagt, was wenn seine Magie mit der eines anderen Gottes vermischt wurde, um durch das Siegel zu brechen?“
„Ein anderer Gott? Aber wie...“ Naruz verstummte, als ihm ein Gedanke kam. Es klang zwar ein wenig albern, aber... was wenn Saeca die Wahrheit gesagt hatte? Die junge Armani hatte ihm auf dem Rückweg von Demarech die Geschichte vom zerbrochenen Schwert erzählt, dass sie mit sich herumtrug, dass es angeblich von einem Gott geschmiedet worden war, und sie es zerstört in einer Höhle fand. „Kusanagi.“
„Richtig!“ rief Asmodäus begeistert und klatschte. „Der Schattenritter hat es irgendwie geschafft, das Schwert Kusanagi, geschmiedet vom Gott Vanidar, in die Finger zu kriegen und er hat es benutzt um den Würfel der Gaia offenzulegen und für sich zu beanspruchen. Dabei wurde die Klinge zerstört, aber sie hatte ihre Arbeit getan. Das war es, was der Forscher in Demarech getan hatte. Es ging nicht darum, diese Bestien zu erschaffen, gegen die du dort gekämpft hast... nun gut, irgendwie schon, aber eigentlich ging es darum den Würfel zu studieren, und für seine Zwecke zu nutzen. Nun, für den Ritter selbst war er nutzlos. Aber der Professor forscht damit munter weiter, und nutzt ihn für seine Experimente.“
„Woher weißt du das alles?“
Asmodäus lächelte. „Es hat durchaus einen Vorteil, so eng mit Demir verbunden zu sein. In Candeo hat er Jezebeth diese Informationen entrissen, kurz vor ihrem Tod. Er kann zumindest halbwegs in die Geschehnisse der Welt eingreifen, das solltest du nicht vergessen.“
Naruz ließ sich wieder im Stuhl zurückfallen. „Das ist... unglaublich. Der Schattenritter... nein, dieser Professor, benutzt einen Würfel der Gaia, um solche Monster zu erschaffen?“
„Ich befürchte ja. Aber genau weiß ich es nicht.“ meinte Asmodäus und zuckte mit den Schultern. Naruz seufzte.
„Nun gut, wie dem auch sei, es ist gut zu wissen, was der Schattenritter in Demarech getrieben hat, und das es nicht nur darum ging, ein paar Forscher zu ermorden. Danke, für die Information. Du warst eine große Hilfe, Asmo...“ Naruz verstummte, als ein helles Licht aufblitzte, und die Wände des Raums aufzureißen schienen. Plötzlich stand Demir direkt neben dem Tisch, und warf Naruz einen wutentbrannten Blick zu.
„Naruz! Du...“ Mehr hörte Naruz nicht mehr. Seine Augen schlossen sich plötzlich, und als er sie wieder aufriss, lag er in seinem Bett in der Villa der Bladelli und starrte auf die Decke. Er ließ ein frustriertes Knurren hören und richtete sich auf. Hatte Demir ihn rausgeworfen? Falls er das überhaupt konnte. Oder hatte Asmodäus den Weltenwanderer abgeschnitten, bevor er etwas wichtiges sagen konnte? Existierten die beiden überhaupt, oder bildete er sich das einfach nur ein? Diese Fragen beschäftigten Naruz eine ganze Weile, so dass dieser erst nach einigen Minuten merkte, dass er alleine im Zimmer war. Aleyandra war nirgendwo zu sehen, aber ein Brief lag auf dem Bett, dort wo sie geschlafen hatte. Er überflog das Schreiben und lächelte. Sie schrieb, dass es ihr leidtat, wie sie sich letzte Nacht verhalten hatte, und dass sie es wiedergutmachen wollte. Er sollte sich am Abend mit ihr in ihrem Haus treffen, damit sie in Ruhe reden konnten. Naruz gähnte und streckte sich. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihm, dass die Sonne anscheinend gerade erst aufgegangen war, sie konnte also noch nicht allzu lange weg sein. Normalerweise würde Naruz sich Sorgen um sie machen, immerhin war sie in der Nacht ziemlich betrunken gewesen. Aber er hatte sie, bevor er selber schlafen gegangen war, mit einem Zauber belegt, der die Nachwirkungen des Weins neutralisieren würde, also dürfte es ihr leicht fallen ohne Zwischenfälle nachhause zu gelangen. Jedenfalls würde es noch eine ganze Weile dauern, bis Aleyandra sich mit ihm treffen wollte. Das traf sich jedoch ganz gut, denn es gab viel zu tun, Gestern hatten die Schattenjäger gefeiert und danach war Naruz mit Anya im Theater gewesen, deswegen war es umso wichtiger, dass sie heute mit ihrer Arbeit begannen. Vielleicht war ja schon der Bote von André dagewesen, und hatte die Papiere über den Schattenritter gebracht. Mit diesem Gedanken machte Naruz sich auf den Weg in die Bibliothek, welche Aynaeth großzügigerweise als Kommandozentrale zur Verfügung gestellt hatte, und summte fröhlich vor sich hin. Dabei bemerkte er nicht die leise, beinahe unhörbare Stimme in seinem Kopf, die versuchte, mit ihm zu sprechen und ihm noch etwas wichtiges sagen wollte.



Aleyandra war ein paar Minuten vor Naruz aufgewacht, und kurz darauf war ihr klar geworden, was sie in der Nacht zuvor eigentlich gesagt und getan hatte. Das ganze war ihr dermaßen peinlich gewesen, dass sie beschloss fürs erste den Rückzug anzutreten, sich zu sammeln, und sich später bei Naruz dafür zu entschuldigen. Zum ersten mal war Aleyandra recht froh darüber, dass Naruz so viel arbeitete, denn dadurch war es für sie kein Problem gewesen Papier und etwas zum schreiben zu finden, um ihm zu sagen, dass sie später am Abend mit ihm reden wollte. Inzwischen hatte Aleyandra ihr Haus erreicht und stand vor der Tür, bevor sie diese jedoch öffnete, fiel ihr jedoch noch etwas ein, was sie am Abend zuvor getan hatte, und das ließ sie kurz zögern. Wenn sie sich richtig erinnerte hatte sie Saeca... geküsst, und ihr gesagt, dass sie in sie verliebt war. Und war verschwunden, ehe Saeca darauf reagieren konnte. Aleyandra lief leicht rot an, als sie sich daran erinnerte und schwor sich, nie wieder Wein anzurühren. Die Frage war nun also, wie Saeca auf die ganze Sache reagieren würde. Sie würde das ganze hoffentlich nicht allzu ernst genommen, sondern es als die Aktion einer Betrunkenen abgetan haben, hoffte Aleyandra zumindest. Andererseits, wer konnte das bei Saeca schon so genau sagen? Seufzend öffnete Aleyandra die Tür und betrat vorsichtig das Haus.
„Saeca? Bist du da?“ fragte sie, schloss die Tür hinter sich, und sah sich suchend um. Saeca war da, allerdings schlief sie. Die Armani trug noch immer ihren Kimono, lag zusammengerollt auf dem Sofa, und atmete ruhig und leise. Im Schlaf lächelte sie, und sagte etwas in der Sprache ihres Volks, das Aleyandra nicht verstehen konnte. Als sie Saeca jedoch im Kimono dort liegen sah, ging ihr auf dass sie selber noch immer das Ballkleid vom letzten Abend trug, samt Schmuck. Das erklärte zumindest die seltsamen Blicke, die ihr manche Leute zugeworfen hatten, als sie zu ihrem Haus gegangen war. So leise wie möglich schlich Aleyandra in ihr Zimmer, und wechselte vom Ballkleid in etwas schlichtere Kleidung, auch wenn sie das Kleid dabei ein wenig sehnsüchtig musterte. Dann ging sie jedoch nach unten und setzte sich neben dem Sofa auf einen Stuhl, um darauf zu warten dass Saeca aufwachen würde. Vielleicht sollte sie sich entschuldigen, überlegte Aleyandra während sie die Armani beim Schlafen beobachtete. Immerhin hatte sie Saeca mit zum Ball geschleppt, wo diese weit mehr Aufmerksamkeit bekommen hatte, als ihr lieb war. Plötzlich verzog die schlafende Armani das Gesicht, und wedelte mit einer Hand in der Luft herum.
„Nii-san! Sorera wa watashi no dangodesu!“ murmelte sie im Schlaf. Aleyandra stutzte. Zumindest mit zwei der Wörter konnte sie etwas anfangen, 'Dango' und 'Nii-san'. Wenn sie sich nicht irrte, war das letztere Wort die Bezeichnung für einen älteren Bruder, bei den Armani. Bedeutete das etwa, dass Saeca einen Bruder hatte? War sie selbst vielleicht eine Art Ersatz für den Bruder der Armani? Es würde immerhin erklären, warum Saeca sich immer so für sie einsetzte und ihr half. Aleyandra lächelte und strich der schlafenden Saeca durchs Haar. Die Armani konnte zwar mit ihren Dango hin und wieder für ein paar Probleme sorgen, aber sie war immer da, wenn Aleyandra sie brauchte. Während sie die schlafende Saeca weiterhin streichelte, wanderte Aleyandras Blick zum anderen Ende des Raums, wo der Griff einer großen Axt an die Wand gelehnt war, und bei dem Anblick der 'Waffe' spürte Aleyandra einen leichten Stich im Herzen. Saeca hatte gesagt, dass das die zweite, heilige Waffe der Armani war, die sie suchen und zurückbringen sollte, und auch, dass sie wirklich so aussehen sollte. Das bedeutete, dass Saeca ihren Auftrag für ihr Dorf abgeschlossen hatte. Die Armani würde also früher oder später aus Navea verschwinden, um in ihr Heimatdorf zurückzukehren, und...
Aleyandras Überlegungen wurden beendet, als sie vom Sofa ein seltsames Geräusch hörte und kurz darauf ein Schmerz durch ihre Hand zuckte. Als sie den Blick senkte sah sie eine zufrieden grinsende, schlafende Saeca, mit Aleyandras Hand im Mund, auf der sie munter herumkaute. Aleyandra unterdrückte einen Aufschrei und versuchte vorsichtig ihre Hand von der Armani zu befreien, jedoch ohne wirklichen Erfolg. Als sie ihre Hand wegzog, folgte der Kopf der Armani, so dass diese von Aleyandra letztendlich in eine halbwegs sitzende Position gebracht wurde. Gerade als Aleyandra zu etwas drastischeren Methoden schreiten wollte, um Saeca zu wecken, blinzelte diese verschlafen und sah ihre Onee-chan aus trüben Augen an. Kurz darauf bemerkte Saeca was sie da eigentlich im Mund hatte und, als sie feststellte, dass es keiner ihrer geliebten Dango war, ließ Aleyandras Hand frei. „Oh, guten Morgen Onee-chan. Tut mir leid, ich dachte du wärst ein...“ murmelte die Armani verschlafen und rieb sich die Augen, ehe sie verstummte und schlagartig nervös wurde.
„Guten Morgen Saeca.“ antwortete Aleyandra und schaffte es sogar zu lächeln, während sie sich die schmerzende Hand rieb. „Und schon gut, ich denke, es ist auch irgendwie mein Fehler gewesen... ist etwas? Du siehst so ernst aus.“ fragte sie besorgt, als sie Saecas Miene sah.
„Ähm, ja. Ich... ich muss mit dir über etwas wichtiges reden, Onee-chan.“ Saeca räusperte sich, setzte sich nun richtig auf, und strich ihren Kimono glatt, ehe sie Aleyandra fest in die Augen sah. „Also... ich bin geehrt und so, dass du... ähm... na ja... mich liebst, und es ist ein tolles Gefühl. Ich mag dich auch Onee-chan, sehr sogar! Ich mag dich lieber als Dango! Also, ähm, verstehe es nicht falsch, aber... ich habe noch wichtige Aufgaben für die Armani zu erledigen und... und ich glaube nicht, dass ich im Moment für eine... ähm, Beziehung bereit bin. Aber keine Sorge! Ich werde dich nie verraten, das verspreche ich dir!“
„Oh...“ murmelte Aleyandra. Also hatte Saeca die Sache doch ernster genommen, als erwartet. „Also verstehe mich jetzt nicht falsch, Saeca. Ich mag dich wirklich, du bist die beste Freundin die ich je hatte. Aber das ganze gestern Abend... na ja, ich war betrunken, und da waren ein paar Dinge, die ich gesagt habe vielleicht nicht ganz wahr... oder zumindest ziemlich übertrieben.“ Aleyandra versuchte ihr bestes, das Missverständnis aufzuklären, als sie jedoch geendet hatte sah sie, dass der Armani Tränen in den Augen standen.
„H-heißt das, dass du mich n-nicht mehr magst O-onee-chan?“ fragte Saeca mit bebender Stimme.
„Was? Nein! Ich mag dich Saeca! Es ist nur so, dass ich... ähm... also, ich mag dich, aber nicht auf die Art, auf die ich Naruz mag, wenn du verstehst was ich meine.“ versuchte sie die Sache irgendwie zu erklären und zu verhindern, dass Saeca in Tränen ausbrach. Dabei gab es jedoch eine Sache, die Aleyandra ziemlich verwirrte. Saeca hatte gesagt, dass sie im Moment nicht für eine Beziehung bereit sei. Bedeutete dass etwa, dass sie unter anderen Umständen... Aleyandra schüttelte den Kopf, das war lächerlich! Saeca würde doch nicht wirklich... oder doch?
„A-also darf ich hierbleiben? D-du wirst mich nicht w-wegjagen?“ fragte die Armani schluchzend, und rieb sich die Tränen aus den Augen.
„Was? Nein! Ich würde dich doch niemals wegjagen! Wie kommst du auf so etwas?“ fragte Aleyandra erstaunt, erhielt jedoch keine Antwort. Die Armani schoss nach vorne, schlang ihre Arme um Aleyandra und riss sie vom Stuhl auf den Boden, wo sie zusammen liegen blieben.
„Danke Onee-chan! Du bist die beste!“ rief die Armani fröhlich, was Aleyandra lächeln ließ. Saeca war ziemlich empfindlich und äußerst emotional... was vielleicht seltsam klang, wenn es von Aleyandra kam, aber es entsprach der Wahrheit. „Ich werde dich auch niemals verlassen, Onee-chan, ich werde immer bei dir sein! Also... ähm... meistens.“ murmelte Saeca, und schlagartig war ihre gute Laune verflogen, sie klang nun einfach nur noch traurig. Das reichte auch aus, um Aleyandras Lächeln verblassen zu lassen. Sie und die Armani richteten sich auf und saßen sich auf dem Boden gegenüber, wobei Saeca auf ihren Beinen saß, Aleyandra hatte schon öfters bemerkt, dass die Armani sich in dieser seltsamen Stellung hinsetzte. Wahrscheinlich eine weitere Eigenart ihres Volks.
„Was genau meinst du?“ fragte Aleyandra, auch wenn sie bereits ahnte, worauf das andere Mädchen hinauswollte.
„Es... es könnte sein, dass ich Navea bald verlassen muss.“ meinte Saeca und senkte den Blick. „Ana-chan meinte, sie habe eine Idee, wie man Kusanagi retten könne, und sobald es repariert ist...“ Die Armani brach ab, und sah Aleyandra in die Augen. Das traurige Lächeln, dass Saeca aufgesetzt hatte passte irgendwie überhaupt nicht zu ihr. Sie sah irgendwie... älter aus, und nicht wie das zerbrechliche, aufgedrehte, kleine Mädchen, dass Aleyandra kannte. Schließlich holte Saeca tief Luft, rückte ein wenig zurück, und legte Kopf und Handflächen auf den Boden vor Aleyandra.
„Ähm... Saeca? Was soll das?“ fragte diese, der das ganze ziemlich merkwürdig vorkam.
„Es tut mir leid, Onee-chan. Ich... ich war nicht ganz ehrlich mit dir. Nicht, dass ich dich angelogen hätte! Alles was ich über meine Mission, Kusanagi und Vajra gesagt habe stimmt! Aber... aber ich habe dir nicht die ganze Wahrheit gesagt.“ Saeca hielt den Kopf die ganze Zeit gesenkt, während sie sprach. Kurz bevor sie weiterreden konnte, legte Aleyandra ihr jedoch eine Hand auf den Rücken, woraufhin die Armani den Kopf hob. Aleyandra lächelte sie an.
„Ich weiß nicht genau, was du mir sagen willst, aber das kannst du auch machen, während wir vernünftig am Tisch sitzen. Am besten, du ziehst dich jetzt einmal um, und dann reden wir weiter, ja?“
„Aber...“
„Kein 'Aber'! Du gehst dich jetzt umziehen, und danach reden wir. Verstanden?“
Saeca sah kurz so aus, als wenn sie Aleyandra widersprechen wollte, lächelte dann jedoch und nickte fröhlich. „Hai, Onee-chan!“ rief sie und stand auf. Sie gab sich Mühe, wieder das einfache, fröhliche Mädchen zu sein, aber was auch immer sie zu sagen hatte machte ihr die Sache schwer, das konnte sogar Aleyandra erkennen. Während Saeca verschwand um sich umzuziehen, ging Aleyandra in die Küche und deckte den Tisch. 'Decken' hieß in diesem Fall, dass sie zwei Tassen mit Tee hinstellte, den sie mit ein wenig Magie erwärmte, sowie einen kleinen Teller mit Dango. Kurze Zeit später tauchte Saeca wieder in der Küche auf, gekleidet in die Rüstung die sie bei ihrer ersten Begegnung mit Aleyandra getragen hatte. Eine Weile lang saßen sie und Aleyandra sich schweigend gegenüber, bis diese letztendlich das Wort erhob.
„Also gut, was wolltest du mir sagen? Du meintest, dass du nicht die ganze Wahrheit gesagt hast, als wir uns begegnet sind?“ fragte sie und lächelte Saeca aufmunternd an.
Diese nickte kurz, aß einen der Reisklöße von seinem Spieß, und richtete dann ihren Blick auf Aleyandra. „Als wir uns begegnet sind, da hast du gefragt ob ich eine Botschafterin Gaias bin. Ich habe mit 'nein' geantwortet, und das stimmt auch. Ich bin keine Botschafterin Gaias, aber... aber ich bin auch kein gewöhnlicher Mensch.“ Saeca rückte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Hast du schon einmal etwas von 'Lycaea' gehört?“ fragte sie, und schien mit jedem Augenblick nervöser zu werden.
„Was? Nein... obwohl, warte.“ Aleyandra überlegte kurz, und erinnerte sich mit einem Schaudern an den Vampir, dem sie auf dem Weg nach Candeo begegnet war. Wenn sie sich richtig erinnere, hatte der von einer Lycaea erzählt. „Hm, das war doch ein altes Eidolon, oder? Ein Eidolon, dass angeblich gegen Gaia rebelliert hatte und dafür bestraft wurde? Ich habe gehört, es wird bei euch angeblich als Göttin angebetet.“
„Das stimmt nicht... zumindest nicht ganz. Es stimmt, dass Lycaea gegen Gaia rebelliert hatte und dafür bestraft wurde. Sie wurde in einen Tempel tief im Cactaraka Wald gesperrt, und ihre Magie wurde in fünf Teile aufgespalten. Einer dieser Teile blieb im Tempel, die anderen vier wurden jedoch an die vier größten Armanidörfer gegeben. Seit über eintausend Jahren, wachen unsere Priester über die Magie dieses mächtigen Eidolons. Allerdings heißt das nicht, dass die Magie in einem Tempel gesperrt ist, sie wird... sie wird auf etwas übertragen, was wir Avatare nennen.“ Saeca holte tief Luft, und sah Aleyandra dann fest in die Augen. „Ich bin ein solcher Avatar, Onee-chan. Ich trage einen Teil von Lycaeas Magie in mir. Sie beschützt und leitet mich, wenn ich nicht im Dorf bin, und sie ist der Grund, weshalb keiner aus meiner Heimat Bedenken hatte, mich alleine reisen zu lassen, weil ich nie wirklich alleine bin. Merilee und Lycaea sind immer bei mir, und passen auf mich auf.“ Nachdem sie geendet hatte, atmete Saeca erleichtert auf und fiel in ihrem Stuhl zurück. Aleyandra hingegen blinzelte sie nur verwirrt an.
„Ähm... und?“ fragte sie, als es nicht so aussah, als wenn Saeca noch etwas sagen würde.
„Und? Was, 'und'?“
„Na ja... du bist so eine Art Botschafterin der Gaia, zumindest so wie ich es verstehe. War das etwa der Grund, warum du so nervös warst?“
„Natürlich! Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass du es herausfindest!“ rief Saeca, und lehnte sich mit großen Augen über den Tisch, um Aleyandras Hände in ihre zu nehmen. „Ich meine, die Kirche ist verrückt! Sie jagen Botschafter der Gaia, die ihnen nicht dienen wollen, sperren sie ein, oder beseitigen sie! Ich hatte Angst, dass wenn jemand herausfindet, was ich bin, dass du... dass du...“ Die Armani sprach nicht aus, was sie dachte, aber das musste sie auch nicht. Aleyandra verstand auch so.
„Du hattest Angst, dass ich den Auftrag kriegen würde, dich umzubringen oder einzusperren?“ fragte sie, erhob sich von ihrem Stuhl und ging zu Saeca, um sie zu umarmen. Die Armani nickte. „Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass ich dich niemals verbrennen, oder sonst etwas tun würde, nur wegen deines Glaubens. Das selbe gilt auch dafür, dass du eine Botschafterin bist... oder so etwas in der Art, ich würde dir niemals...“
„Ich weiß, Onee-chan.“ murmelte Saeca, und unterbrach Aleyandra damit. „Aber genau deswegen habe ich mir Sorgen gemacht! I-ich wollte nicht, dass dir etwas passiert, nur weil du mich beschützen willst.“ Als Saeca den Kopf hob um Aleyandra in die Augen zu sehen, bemerkte diese, dass die Armani dieses mal wirklich weinte. Tränen rannen ihr aus den Augen, und tropften auf die Brustplatte ihrer Rüstung. „Ich h-hatte solche Angst, Onee-chan. M-manchmal habe ich überlegt, ob es nicht besser wäre, wenn ich einfach verschwinde. Dann hättest du weniger Arbeit, und ich würde keine Gefahr mehr für dich darstellen. Ich...“ Aleyandra brachte Saeca zum verstummen, indem sie das Mädchen noch ein wenig fester an sich drückte und sie anlächelte.
„Saeca, ganz egal was passiert, ich würde mir niemals wünschen, dass du verschwindest.“
Saeca erwiderte schwach das Lächeln. „Ich weiß, Nee-chan. Aber... aber bald bleibt mir vielleicht keine andere Wahl mehr. Sobald Kusanagi repariert ist, werde ich es zurück ins Dorf bringen müssen, und ich weiß nicht, wann ich wiederkommen kann... oder ob ich überhaupt wiederkommen darf. Wenn die Dorfältesten und Nii-san der Meinung sind, dass die Geburtsstunde des...“ Saeca riss erschrocken die Augen auf, und löste sich aus der Umarmung. „Ähm... du... du hast nichts gehört! Überhaupt nichts! Ich habe dir rein gar nichts erzählt, weder über Nii-san, noch über... du hast es nicht von mir!“ rief die Armani nervös, was Aleyandra nun endgültig verwirrte. Das Saeca ihr nicht sagen wollte, warum sie eine Botschafterin der Gaia war, konnte sie noch verstehen, sehr gut sogar. Allerdings war es durchaus interessant zu erfahren, dass die Botschafter bei ihnen anscheinend 'Avatare' hießen. Was sie überhaupt nicht verstand, war die ganze Sache mit Dorfältesten, diese seltsame Geburtsstunde, oder diesen 'Nii-san', von dem Saeca bereits im Schlaf geredet hatte. Vielleicht sollte sie dort anfangen, denn das war höchstwahrscheinlich die Frage, deren Antwort am leichtesten zu verstehen war.
„Was genau meinst du mit 'Nii-san'? Nennt man bei euch nicht...“
„Oh! Schon so spät! Ich muss los, und mich mit Ana-chan treffen!“
„Wie bitte? Warte, Saeca! Was...“
„Tschüss, bis später Onee-chan!“ rief Saeca, und stürmte aus dem Haus, ehe Aleyandra reagieren konnte. Sie starrte der Armani einfach nur verwirrt hinterher, ehe sie den Kopf schüttelte, und sich zum Tisch drehte. Sie würde noch einmal mit Saeca über die ganze Sache reden müssen, sobald sie zurück war. Vor allem ihre Reaktion, auf Aleyandras letzte Frage, war mehr als merkwürdig gewesen. Aleyandra stutzte, als sie bemerkte, dass der Teller auf dem Tisch vollkommen leer war. Wann hatte Saeca die Dango gegessen? Oder hatte sie die Dinger etwa noch während ihres überhasteten Aufbruchs unbemerkt eingesteckt? Ehe Aleyandra sich weiter darüber Gedanken machen konnte, viel ihr ein, dass ihr ja selbst noch ein wichtiges Gespräch vorstand, und zwar mit Naruz. Sie schluckte nervös und setzte sich auf das Sofa, ehe sie überlegte, wie genau sie ihm denn nun sagen sollte, was sie zu sagen hatte.

Während Aleyandra noch nachdachte, war Saeca bereits auf dem Weg in Richtung Schmiede von Analisa, auch sich ihre Schritte immer weiter verlangsamten, bis sie nur noch vorsichtig vorwärts zu schleichen schien. Auf dem Weg überlegte sie, ob sie vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Wäre es besser gewesen, Onee-chan nichts über die ganze Sache zu sagen? Einfach zu behaupten, sie würde ein paar Wochen nachhause reisen, und bald wieder zurück sein? Nein, sie konnte Aleyandra einfach nicht belügen. Zumal diese sich bestimmt Sorgen machen würde, wenn Saeca nach einigen Wochen noch immer nicht zurückkehrte, das könnte die Armani niemals über sich bringen. Da war es schon besser, ihr die ganze Wahrheit zu sagen, oder zumindest einen Teil davon.
„Saeca!“ rief plötzlich eine Stimme von oben, und als sie den Kopf hob, hellte sich Saecas Miene auf.
„Meru-chan!“ antwortete sie fröhlich, als sie das rosahaarige Eidolon auf sich zufliegen sah. „Was machst du denn hier? Oh! Hallo Serif-chan!“ fügte sie hinzu, als sie Naruz' Eidolon bemerkte, dass einige Schritte entfernt schweben blieb, den Blick abwandte und rot zu werden schien.
„Serif hat gesagt, er will mir den Markt zeigen! Es ist wundervoll dort, und ich habe gehört, es soll bald ein Konzert stattfinden! Und sie bauen einen besonderen Markt auf, für die Hochzeit der Akashi! Dort soll es dann viele Dinge geben, die man normalerweise nicht hier in Navea finden kann! Und was machst du gerade?“
„Ich war auf dem Weg zu Ana-chan! Sie hat gesagt, sie wüsste etwas, um Kusanagi zu retten.“ Der Blick der Armani wanderte zu Serif. „Aber es ist wirklich nett von Serif-chan, dass er dich herumführt. Er scheint ein guter Freund von dir zu sein.“
„Oh ja! Ein sehr guter Freund sogar! Wir haben schon zusammen gespielt, als wir noch kleine Feen...“
„Das reicht, Merilee!“ unterbrach Serif das andere Eidolon hastig. „Wir... ähm, haben noch viel zu besichtigen, und Saeca muss sicherlich auch schnell zu ihrem Treffen, oder?“
Saeca nickte. „Du hast recht, Ana-chan wartet bestimmt schon auf mich.“ meinte sie, ehe sie den beiden Eidolons zum Abschied winkte. „Wir sehen uns dann später!“
„In Ordnung, bis nachher, Saeca!“ So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden die beiden Eidolons auch wieder, und Saeca setzte ihren Weg in Richtung Schmiede fort. Ein wenig schneller und zuversichtlicher als zuvor, aber noch immer zögernd. Wie sich nur kurze Zeit später herausstellen sollte, rettete genau das ihr Leben. Als sie die Schmiede erreichte, erklang auf einmal ein unglaublich lautes Krachen, und etwas sauste direkt über Saecas Kopf hinweg, woraufhin die Armani wie versteinert stehen blieb, und mit weit aufgerissenen Augen nach vorn starrte. Vorsichtig hob sie ihre Hände, und tastete ihren Kopf ab. Alles schien in Ordnung zu sein, aber dann bekam ihre Hand etwas zu fassen, etwas, dass auf ihrem Kopf lag... und das eigentlich nicht liegen sollte. Langsam nahm sie die Hand herunter, um zu sehen, was es war. In ihrer Hand lag ein Bündel ihrer schwarzen Haare, fein säuberlich abgetrennt, mit etwas, das äußerst scharf gewesen zu sein schien. Saeca schluckte und drehte den Kopf, um zu sehen, was genau sie da verfehlt hatte, konnte jedoch nichts erkennen. Vielleicht war dies ja ein guter Zeitpunkt, um Navea für immer den Rücken zu kehren. Sie konnte Onee-chan auf Wiedersehen sagen, und ihr schnell erklären, wie sie das Dorf finden konnte, um sie hin und wieder zu besuchen. Während die Armani noch ernsthaft über diese Möglichkeit nachdachte, erschien die 'Heilige Schmiedin' Analisa, und winkte Saeca fröhlich zu.
„Ah, guten Tag Saeca! Freut mich dich zu sehen! Hast du mein Experiment mitbekommen... ah ja, scheint so. Und? Wie fandest du es?“
„E-experiment?“ fragte Saeca und drehte sich zur Schmiedin. An deren Seite war ein weiteres Mädchen erschienen, vielleicht ein wenig älter als Aleyandra, mit kurzen Haaren, und gekleidet in eine grüne Robe.
„Ja! Das hier ist Retia, sie ist eine Magierin der... na ja, eigentlich ist sie jetzt eine Magierin der Schattenjäger. Jedenfalls wurde sie von Paladin Naruz geschickt, um mir dabei zu helfen eine Waffe zu entwickeln, die man gegen Dämonen verwenden kann, vor allem gegen die etwas... widerstandsfähigeren.“ erklärte Analisa, und Retia richtete verlegen den Blick auf den Boden.
„Ich habe ihr gesagt, dass es eine schlechte Idee war, diese Kanone ohne Sicherheitsvorkehrungen zu testen, aber sie hat einfach nicht auf mich gehört.“ murmelte die Magierin.
„K-kanone?“ Saeca stand noch immer völlig unter Schock, und konnte es nicht glauben, dass sie eben gerade so knapp dem Tod entronnen war. Zumindest eines war sicher, als die Dorfältesten gesagt hatten, die Einwohner der Hauptstadt seien vollkommen verrückt, hatten sie recht gehabt.
„Ja, aber eine etwas andere Art von Kanone. Die hier verschießt Magie, funktioniert ein wenig wie die Pistolen, die von manchen Magiern benutzt werden.“ sagte Analisa, legte Saeca einen Arm um die Schulter, und führte sie in Richtung Schmiede. „Diese hier sollte mit einem Windzauber schießen, eigentlich ein harmloses Experiment, aber anscheinend haben wir es ein wenig übertrieben.“ fügte Analisa hinzu, und Saeca sah in der Nähe ein vollkommen verkohltes Rohr aus Metall liegen, sowie etwas, das früher einmal ein Gestell für das Rohr gewesen sein könnte. Oder die Überreste einer kleinen Holzhütte, in der man ein Dutzend wütender Bären freigelassen hatte. „Aber gut, deswegen bist du nicht hier.“ meinte Analisa, als sie endlich die Schmiede betraten, und deutete auf einen Tisch in der Nähe. Dort lag das zerbrochene Kusanagi, und es wirkte nicht so, als wenn die Schmiedin irgendeine Art von Fortschritt gemacht hatte. Saeca ging vorsichtig zum Tisch, strich über das Schwert und sah dann zu Analisa hinüber.
„Du meintest, dass du es reparieren kannst?“
„Ja... zumindest habe ich eine Idee. Du sagtest, es gibt noch eine ähnliche Waffe? Eine Axt?“
Saeca nickte. „Es ist aber nur der Griff einer Axt.“ fügte sie hinzu, bevor die Schmiedin sich zu viele Hoffnungen machen konnte.
„Mhm... aber die Zauber, die auf der Axt liegen funktionieren noch?“
„Natürlich, mit ihnen ist alles in Ordnung.“
Analisa schnalzte mit der Zunge, und tippte auf einen ihrer Schmiedehämmer, der in der Nähe lag. „Vertraust du mir?“ fragte sie dann plötzlich.
„Was? Ähm... natürlich. Sonst hätte ich dir nicht Kusanagi anvertraut. Und Naruz-senpai meinte, ich kann mich auf dich verlassen!“ sagte Saeca, voller Überzeugung.
„Gut, denn die einzige Möglichkeit Kusanagi zu reparieren, wäre... das Schwert und die Axt zu zerstören, die Zauber auseinanderzunehmen, und sie dann als eine Waffe wieder zusammenzusetzen.“
„Du... du willst Kusanagi und Vajra in eine Waffe umschmieden?“
„Ja, und ich denke, dass es mir gelingen wird.“
Saeca zögerte eine Weile, dann holte sie etwas aus einer Tasche hervor, die an einem Gürtel um ihrer Hüfte hing. Es war ein Stapel voller Karten, die sie mischte, und schließlich sieben von ihnen, mit dem Rücken nach oben, auf den Tisch legte. „Decke bitte drei der Karten auf, Ana-chan.“ sagte Saeca, mit ernster Stimme, was die Schmiedin nicht von ihr gewohnt war. Sie hatte zwar nie viel mit Saeca zu tun gehabt, aber bislang hatte sie einen vollkommen anderen Eindruck von der Armani gehabt. Trotzdem deckte sie die erste Karte auf. Ein Schmiedehammer war dort zu sehen, in der Hand eines Wesens, dem Flügel aus dem Rücken wuchsen. Saeca nickte zufrieden, und bedeutete Analisa, eine weitere umzudrehen. Diese Karte zeigte einen Wolf, der in einem Kreis um ein Katana gerollt war. Dieses mal lächelte Saeca sogar. Das Lächeln verblasste jedoch, sobald die dritte Karte umgedreht wurde, und ein lächelnder Mann zum Vorschein kam. Auch er hatte Flügel, jedoch wuchsen ihm Hörner aus der Stirn, und in seiner Hand hielt er eine kleine Kugel. Saeca kaute eine Weile lang auf ihrer Unterlippe herum, dann wandte sie sich wieder an die Schmiedin. „Also gut, ich vertraue dir. Die Karten sagen, dass du diejenige sein wirst, die Masamune schmiedet.“
„Ähm... was?“ fragte Analisa verwirrt.
„Das... ist eine alte Legende der Armani. Eines Tages, werden Vajra und Kusanagi erneut geschmiedet werden, dieses mal als eine Waffe, als ein Schwert, dass sogar... aber das ist jetzt unwichtig. Vielen Dank, für deine Hilfe Analisa. Bitte schicke jemanden zu mir, sobald die Klinge fertig ist.“ sagte Saeca, verbeugte sich, und verschwand dann aus der Schmiede. Zurück blieben Analisa und Retia, die beide gleichermaßen verwirrt aussahen.
„Was... hat das jetzt zu bedeuten?“ fragte die Magierin, und sah Saeca unsicher nach.
„Ich habe keine Ahnung.“ murmelte Analisa. „Das einzige was ich weiß, ist dass die letzte Karte ihr nicht gefallen zu haben schien. Ich frage mich nur, warum...“



„Weißt du, Aynaeth... nicht, dass ich etwas dagegen habe, dass du mir und den Schattenjägern helfen willst... aber du machst mich ziemlich nervös.“ sagte Naruz, und sah von dem Schreiben auf, dass er gerade las. Es war eines der vielen Dokumente, die André ihm hatte bringen lassen, und die über den Schattenritter handelten. Eigentlich war es unglaublich, wie viel es doch über diesen Mann gab, obwohl eigentlich alles vollkommen geheim sein sollte. Offiziell gab es den Schattenritter ja nicht einmal, weshalb der Großteil von Navea noch nie von ihm gehört hatte. Die Kirche meinte, es würde eine Panik verursachen, wenn das einfache Volk von ihm erfuhr, und je mehr Naruz über den Schattenritter lernte, desto mehr war er geneigt, der Kirche zuzustimmen. Alleine schon die Tatsache, dass er den Schutzzauber der Göttin in Demarech vernichtet hatte, war unglaublich, und, wenn Naruz ehrlich war, ziemlich besorgniserregend. Vielleicht war er doch ein wenig zu sehr von sich überzeugt gewesen, als er Aleyandra gegenüber behauptet hatte, dass er den Schattenritter besiegen würde. Im Moment waren Naruz, Theresia und Aynaeth die einzigen, die sich in der Bibliothek der Bladelli befanden. Mizore hatte er weggeschickt, um mit den Schwerttänzerinnen zu reden, die sich in Navea befanden, und sie um Hilfe zu bitten. Zwar hatte André ihm die Unterstützung der Templer und Inquisition für die Jagd auf den Schattenritter versprochen, aber es konnte nicht schaden, so viele Verbündete wie möglich zu haben. Und da die Schwerttänzerinnen meist eh nichts besseres zu tun hatten, als in ihren Tempeln zu hocken, standen die Chancen nicht schlecht, dass sie ein paar ihrer Mitglieder entbehren konnten, um sie als Agenten auszusenden. Retia befand sich währenddessen bei Analisa und half ihr dabei, eine neue Art von Waffe zu entwickeln, während Anya, Nikodemus und Victoria dabei halfen, die Archive der Templer nach weiteren Dokumenten zu durchsuchen, die man vielleicht beim ersten mal übersehen hatte.
„Was genau meinst du?“ fragte Aynaeth, nach einer gefühlten Ewigkeit und warf Naruz einen unschuldigen Blick zu, der jedoch nicht sonderlich unschuldig wirkte.
„Was ich meine? Du hast mich seit über einer Stunde angestarrt! Du hast nicht einmal so getan, als wenn du liest! Überhaupt, in letzter Zeit starrst du mich öfters mal an, genauso wie Salvatore... da fällt mir ein, wo ist der überhaupt?“
„Buchfleddererraum.“ sagte Aynaeth, was Naruz verwirrt blinzeln ließ.
„Wo?“
„Buchfleddererraum.“
„Das sagt mir überhaupt nichts.“
„Gut.“
Naruz öffnete den Mund um etwas zu sagen, runzelte jedoch die Stirn, als er glaubte, ein Geräusch zu hören. „Hast du das eben gehört?“ fragte er an die Hexe gewandt.
„Nein.“
„Bist du dir sicher? Es klingt wie jemand, der geknebelt...“
„Nein.“ sagte Aynaeth, mit nachdrücklicher Stimme. Naruz dachte kurz darüber nach, ob er nicht noch ein wenig weiter bohren sollte, zuckte dann jedoch mit den Schultern und las weiter. Im schlimmsten Fall war das, was er da gerade hörte Salvatore, der irgendwo gefesselt und geknebelt eingesperrt worden war und versuchte zu entkommen... also nichts, was Naruz' unmittelbare Aufmerksamkeit verlangte. „Seltsam.“ murmelte Aynaeth plötzlich, woraufhin Naruz zusammenzuckte. Er sah wieder vom Dokument aus und bemerkte, dass Aynaeth ihn noch immer anstarrte. Inzwischen hatte sie sogar das Buch zur Seite gelegt, in dem sie eh nicht gelesen hatte.
„Was ist seltsam?“
„Du.“
„Ähm... und warum?“
Aynaeth zuckte mit den Schultern. „Als wir uns begegnet sind, konntest du nichtmal einen einfachen Verteidigungszauber benutzen, und jetzt wirfst du praktisch mit Magie um dich.“ Die Hexe legte den Kopf schief, und öffnete den Mund um fortzufahren, doch Naruz unterbrach sie, bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte.
„Nein, auf gar keinen Fall.“ sagte er, und lächelte, als Aynaeth tatsächlich einmal wirklich ein Gefühl auf ihrem Gesicht zeigte, und zwar Überraschung.
„Ich habe noch gar nichts gesagt.“
„Du wolltest fragen, ob du mich untersuchen darfst, oder?“ Aynaeths Schweigen war Antwort genug für Naruz, und er fing an zu lachen. „Weißt du, ich glaube ich fange langsam an zu verstehen, wie du denkst.“
„Das bezweifle ich.“ murmelte Aynaeth, und sah sogar ein wenig beleidigt aus. „Niemand versteht wie ich denke, ich bin eine geniale Hexe.“
„Natürlich, Verzeihung.“ sagte Naruz, und ohne sich irgendetwas dabei zu denken, strich er Aynaeth durchs Haar. Diese legte den Kopf schief und blinzelte Naruz fragend an.
„Was machst du da?“
„Ähm... gute Frage. Ich... streichle dich?“
„Warum?“
„Keine Ahnung. Das...“ Naruz kam nicht mehr dazu, überhaupt darüber nachzudenken warum er es getan hatte, denn die dritte Person im Raum, die ganz und gar nicht glücklich darüber zu sein schien, dass sie ignoriert wurde, mischte sich in das Gespräch der beiden ein. Theresia erschien plötzlich rechts neben Naruz, drückte sich an ihn und hielt ihm ein Blatt Papier vor die Nase.
„Hier, Senpai. Das solltest du dir einmal ansehen.“ meinte sie, und zog damit Naruz' Aufmerksamkeit auf sich, worüber dieser jedoch halbwegs froh war, da es ihn so aus der recht peinlichen Situation mit Aynaeth rettete. Immerhin hatte er die Hexe damit nicht verärgert, sondern nur verwirrt. Aynaeth versuchte nämlich noch immer herauszufinden, was Naruz wohl dazu veranlasst haben mochte, ihr durchs Haar zu streichen, und fuhr sich langsam mit ihren Fingern über den Kopf, während sie einen fragenden Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte.
„Was genau meinst du, Theresia?“ fragte Naruz. Es war zwar der erste Tag, an dem sie zusammenarbeiteten, aber Naruz war trotzdem beeindruckt. Obwohl die Akashi ein wenig schusselig wirkte, oder eher, sich schusselig gab, leistete sie hervorragende Arbeit. Sie war bereits auf das ein oder andere Detail aufmerksam geworden, dass Naruz komplett übersehen hatte. Und das, was sie ihm anhand der Dokumente zeigte, gefiel dem frischgebackenem Paladin immer weniger, so auch das, was sie ihm jetzt vor die Nase hielt.
„Die Lieferungen dieser Handelskarawane. Da stimmt was nicht, mit den Waren die hier aufgeführt werden. Wochenlang haben sie immer genau diese Waren hier geliefert.“ sagte Theresia, und zeigte ihm ein anderes Dokument. Dabei entging ihm nicht, dass sie immer näher rückte und versuchte, sich auf seinen Schoß zu setzen. Naruz unterdrückte ein Seufzen, so gut sie auch mit ihrer Arbeit war, so nervig waren auch ihre offensichtlichen Versuche, ihn irgendwie zu verführen. Er wusste noch immer nicht ganz, wie er sie einordnen sollte, aber das war jetzt auch nicht wichtig. Naruz verglich die beiden Dokumente und nickte dann.
„Ich sehe es. Ein Lagerhaus in...“ er runzelte die Stirn. „Das kann nicht sein.“ murmelte er, und griff nach einem anderen Dokument. „Demarech... jemand sollte sich das mal ansehen. Eine Gruppe Templer dürften reichen, wenn...“
„Hart am arbeiten, wie ich sehe?“ erklang eine belustigte Stimme von der Tür, woraufhin Naruz den Blick hob. Dort stand Luca, lehnte sich gegen den Türrahmen, und lächelte seinen Bruder an. Er stand sogar kurz davor, laut loszulachen, so komisch sah die Szene in der Bibliothek aus. Zum einen war da sein Bruder, der sich eine Art Ringkampf mit Theresia lieferte, die hartnäckig versuchte, sich auf seinem Schoß niederzulassen, und gleichzeitig ihre Brüste gut sichtbar vor seinem Gesicht zu platzieren. Und dann war da noch Aynaeth, die Hexe saß auf ihrem Stuhl, und strich sich abwesend durch die kurzen Haare, während sie vor sich hin murmelte.
„Oh... Luca.“ sagte die Hexe, stand auf, ging zur Tür und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Luca den Kopf zu streicheln.
„Ähm... was machst du da?“ fragte er, leicht verwirrt, und warf Naruz einen Blick zu, der zuckte jedoch nur mit den Schultern.
Aynaeth hingegen verzog das Gesicht, und ließ ein leises „Tch.“ hören. „Also doch kein Bladelliding.“ murmelte sie vor sich hin und setzte sich wieder auf ihren Stuhl, um weiter zu grübeln.
„Was gibt es, Luca?“ fragte Naruz lächelnd und stand auf.
„Ich bin gekommen, um dich abzuholen.“
„Was? Warum?“
„Hast du mal aus dem Fenster geguckt? Es ist bald Abends, du willst doch nicht zu spät zu deinem Treffen kommen, oder?“
Naruz' Blick wanderte zum Fenster, dann sprang er von seinem Stuhl auf und fluchte. Er hatte vollkommen die Zeit vergessen! Zum Glück hatte er Luca darum gebeten ihm Bescheid zu sagen, sobald es Abend wurde, sonst wäre er wirklich zu spät zu seinem Treffen mit Aleyandra gekommen. „Danke Luca.“ sagte er, und ging zur Tür, dort blieb er stehen und wandte sich, leicht zerstreut, noch einmal an die Akashi. „Theresia, tut mir leid, aber glaubst du, du könntest vielleicht alleine...“
„Aber natürlich, für dich tue ich doch alles, Senpai!“ antwortete sie, ehe sie sich mit der Hand über die Brust fuhr, und sagte „Wirklich, alles.“
„Äh... ja, danke, Theresia. Luca? Begleitest du mich ein Stück?“
„Aber gerne doch.“ Gemeinsam verließen die Brüder die Bibliothek, woraufhin nur noch Theresia und Aynaeth zurückblieben. Die Akashi setzte sich auf Naruz' Stuhl, und rückte ein wenig näher an die Hexe heran.
„Sag mal, Aynaeth? Stört es dich, was er gemacht hat? Du benimmst dich die ganze Zeit irgendwie... seltsam.“
Aynaeth schien lange über eine Antwort nachzudenken. Schließlich schüttelte sie jedoch den Kopf. „Ich weiß nicht.“ murmelte sie. „Aber... ich glaube, ich mag es.“ fügte sie dann so leise hinzu, dass Theresia es nicht hören konnte.
„Wie bitte?“
„Nichts, solltest du nicht lieber machen, was Naruz dir gesagt hat?“
„Und was ist mit dir? Du arbeitest doch auch nicht.“
„Ich brauche nicht arbeiten.“
„Warum?“
„Weil ich eine geniale Hexe bin.“
„Ah ja, natürlich.“ Theresia seufzte, und als sie sah, wie Salvatore Doni, gefesselt und geknebelt in die Bibliothek gehüpft kam, fragte sie sich zum ersten mal, worauf sie sich hier eigentlich eingelassen hatte.

Die beiden Brüder hatten sich inzwischen schon recht weit von der Villa entfernt, und schlängelten sich durch die Gassen Naveas, zu Aleyandras Haus. Plötzlich bog Naruz jedoch in eine Seitengasse ab, was Luca die Stirn runzeln ließ. Trotzdem folgte er seinem Bruder, bis dieser mitten in der Gasse stehen blieb, und Luca mit strengen Blick musterte.
„Naruz? Was ist? Du siehst so aus, als wenn dir irgendetwas Sorgen macht.“
„Wem hast du von Erica erzählt?“ fragte Naruz, woraufhin Luca vor Schreck die Augen aufriss und einen Schritt zurückwich.
„W-was meinst du? Also, ich habe ein paar Leuten gesagt, dass sie meine Mutter ist, ich halte nicht viel davon, so etwas geheimzuhalten, und...“
„Davon rede ich nicht, und du weißt es. Wer weiß, dass unsere Mutter noch lebt?“
Luca starrte seinen Bruder völlig entgeistert an. „Woher... woher weißt du, ob sie noch lebt oder nicht?“
„Luca, ich erkenne ihre Magie, die durch deinen Körper fließt... ich vermute das ähnliche Zauber auf mir liegen. Jedenfalls besteht kein Zweifel, dass sie noch lebt, ansonsten würde die Magie nicht so stark in dir pulsieren.“ Naruz' Gesicht verfinsterte sich, während er sprach. „Was sie mit dir getan hat, dafür kann es kein...“
„Schon in Ordnung, Naruz. Es macht mir nichts aus, die Zauber machen mich stärker, und...“
„Sie töten dich!“ rief Naruz, und war so aufgebracht, dass sogar Luca zusammenzuckte. „Du kannst es zwar nicht sehen, aber ich bin mir sicher, dass du es weißt. Dein Körper ist nicht dafür geschaffen, diese vielen Formen von Magie in sich zu halten, zumal vieles davon nicht seine eigene ist! Wenn nicht die Regenerationszauber wären, die sie erfunden hat, hätte dein Gebrauch von Magie, dich schon längst...“ Naruz schüttelte den Kopf. „Das ist jetzt unwichtig. Komme Morgen zu mir, dann entferne ich die Zauber, und...“
„Nein.“
„Wie bitte? Luca, die Zauber...“
„Sind die einzige Möglichkeit, wie ich dir helfen kann.“ sagte Luca, ging einen Schritt auf Naruz zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich akzeptiere, dass du der Kirche helfen willst, und dich für fremde Menschen in Gefahr begibst. Also bitte ich dich, akzeptiere, dass ich dir helfen will. Außerdem, Morrigan hat immer ein Ritual benutzt, um die überschüssige Magie abzuleiten. Ich bin mir sicher, dass du es auch kannst, oder?“
Naruz zögerte, nickte dann jedoch. „Ich... kann mir vorstellen, welches Ritual sie benutzt hat.“
„Dann gibt es doch kein Problem, oder?“ fragte Luca lächelnd. Naruz biss sich auf die Unterlippe und schien widersprechen zu wollen, ließ es dann jedoch bleiben.
„Solange du regelmäßig zu mir kommst... dürfte es keine Probleme geben.“ murmelte er.
„Danke, ich...“
„Zurück zu meiner eigentlichen Frage. Wer außer uns weiß, dass Erica noch lebt?“
Luca senkte den Blick. „Rhael und Morrigan.“ flüsterte er.
„Ich habe die beiden getroffen, musst du wissen.“ sagte Naruz, und auf einmal schien er unglaublich traurig zu sein. „Rhael... er hat versucht, Anya umzubringen. Und mich wollte er mitnehmen.“
„Was? Das kann nicht sein! Also, Rhael ist ein Mistkerl, das weiß ich, aber Morrigan...“
„Hat nichts getan, um ihn aufzuhalten.“ Naruz schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß nicht, was passiert ist, aber als ich ihr begegnet bin, war sie nicht mehr das fröhliche Mädchen von damals. Sie hat sich verändert.“ Er seufzte. „Es gab einen Zwischenfall, auf einem leeren, verlassenen Grundstück, nicht allzu weit vom Himmelsturm entfernt. Aber ich schätze, das weißt du bereits.“
Luca nickte. „Rhael und Morrigan, sie haben... sie haben den Körper unserer Mutter geholt. Ich weiß aber nicht warum.“
„Ich auch nicht, und deswegen möchte ich dich darum bitten, dir das geheime Labor, dass dort versteckt war, zu untersuchen. Siehe nach, ob die Forscher dort irgendetwas herausgefunden hatten, bevor sie ermordet wurden.“
Erneut nickte Luca, ehe er zögerlich fragte: „Du... du willst niemandem verraten, dass ich von Erica wusste?“
Naruz schüttelte den Kopf. „Dazu gibt es keinen Grund. Ich glaube, ich weiß warum du so gehandelt hast, wie du es nun einmal getan hast. Du wolltest das beste für mich, also wolltest du es dir nicht mit Erica verscherzen, falls sie mich irgendwie in die Finger bekommt, stimmts?“ Naruz ließ seinen Bruder nicht antworten, sondern lächelte ihn nachsichtig an, und fuhr fort. „Es ist alles in Ordnung, ich verstehe dich, und werde es dir bestimmt nicht vorhalten. Aber Luca, von nun an arbeiten wir gegen Erica, verstanden?“
„Ja... natürlich. Danke Naruz.“ Luca lächelte schwach. „Du bist so nett wie immer. Du und Lyaena würdet euch großartig verstehen.“
„Lyaena?“ fragte Naruz, und grinste Luca an. „Ist das nicht der Name von...“
„Ähm... ich muss los. Und zwar... jetzt, sofort, wichtige Sache, das mit dem... Grundstück... und dem Körper... Ericas, nicht Lyaenas... ähm... ja... also... bis später, schätze ich.“ stammelte Luca vor sich hin, während er sich rückwärts aus der Gasse entfernte, und Naruz alleine zurückließ. Dieser lächelte, und lachte leise vor sich hin. Dann drehte er sich um, und setzte seinen Weg fort. Er hatte noch ein wenig Zeit, ehe Aleyandra ihn erwartete... Naruz zögerte, dann drehte er um, und ging zum zentralen Marktplatz von Navea. Er schlenderte von einem Marktstand zum anderen, und staunte nicht schlecht, als er Merilee und Serif sah, die vor dem Stand eines Schmuckverkäufers schwebten, und sich zu unterhalten schienen.
„Amüsiert ihr euch?“ fragte er, woraufhin Serif zusammenzuckte.
„Oh, guten Abend Naruz!“ begrüßte Merilee ihn, und verneigte sich kurz.
„N-naruz. W-was m-machst du h-hier?“ stotterte Serif vor sich hin, und suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser Situation. Noch war zwar nichts schlimmes passiert, aber er ahnte, dass Gefahr drohte. Er hatte es Naruz noch immer nicht ganz verziehen, dass er als Ablenkung für Bel Chandra dienen musste, während sein Botschafter sich aus dem Staub gemacht hatte. Seither war er äußerst vorsichtig, wenn sein Partner in der Nähe war.
„Oh, nichts besonderes. Ich war nur auf der Suche nach etwas, dass ich Aleyandra schenken könnte.“ sagte er, und als er merkte, wie Serif erleichtert ausatmete, stahl sich ein wölfisches Grinsen auf sein Gesicht. „Und wie ich hier so herumging, sah ich etwas, dass mich zutiefst berührt hat.“ fuhr er fort, und legte sich eine Hand auf die Brust.
„Naruz...“ begann Serif, in warnendem Tonfall.
„Was denn, Naruz?“ fragte Merilee neugierig.
„Hör nicht auf ihn, Merilee, er...“
„Ich sah zwei Feen, die über den Marktplatz schwebten und sich unterhielten. Und ich muss sagen, ich finde es wirklich herzergreifend, wie gut du dich um Serif kümmerst, Merilee. Immerhin hat er eine schwere Zeit hinter sich.“
„Naruz, ich warne dich. Wenn du weitersprichst, werde ich dir wehtun müssen.“
„Schwere Zeit? Serif, ist dir etwas passiert?“ fragte Merilee besorgt, und musterte den Feeerich eingehend.
„N-nein, mit mir ist alles in Ordnung, Naruz...“
„Sieh nur, wie tapfer er versucht, dieses traumatische Ereignis zu überspielen!“ rief Naruz theatralisch, und schüttelte den Kopf. „Dabei leidet er noch immer unter den tragischen Ereignissen, aus jener Nacht, da sich eine Elfe, einfach an ihm verging und...“
„Danke! Das reicht, Partner!“ rief Serif, mit hochrotem Kopf, und hielt Naruz den Mund zu. Dieser musste sich ziemlich anstrengen, um nicht laut loszulachen. Serif drehte sich inzwischen langsam zu Merilee um. „Merilee, du musst nicht auf ihn hören, Naruz...“ Serif verstummte als er sah, wie Merilee ihn aus tränenden Augen ansah.
„Serif! Ich wusste ja nicht, dass es dir so schlecht ging, in der Zeit in der wir uns kaum gesehen haben! Wenn ich das gewusst hätte... ich hätte dir helfen können! Oh! Ich weiß, wie wäre es, wenn wir zu...“
Naruz, noch immer grinsend, hatte sich inzwischen wieder von den Feen entfernt, was jedoch nur Serif bemerkt hatte. Lächelnd formte Naruz mit dem Mund die Worte Gern geschehen, ehe er sich endgültig umdrehte, und sich wieder daran machte, die Stände zu begutachten. Nach einer Weile fand er sogar etwas, dass seinen Blick fing. Er stand eine ganze Weile lang dort, und rang innerlich mit sich. Würde das Aleyandra überhaupt gefallen? Es würde ihr sicherlich gut stehen... Naruz seufzte. Er hasste so etwas, nie wusste er, was er jemandem schenken sollte. Allerdings wusste er, dass es dem Rest seiner Familie genauso ging, er erinnerte sich noch an ein mal, als Luca... er unterbrach seine Überlegungen, als ihm etwas aufging. Er hatte bald wieder Geburtstag! Wie konnte er das nur vergessen? Oder besser gesagt, wieso hatte er sich nicht früher daran erinnert? Und... warum machte er so ein großes Theater aus der ganzen Sache? Genervt rieb er sich die Augen. Er war eindeutig übermüdet. Jetzt sollte er sich erst einmal auf das konzentrieren, was unmittelbar bevorstand. Naruz machte den Verkäufer auf sich aufmerksam, und deutete auf ein schwarzes Halsband aus Seide, das mit einigen Symbolen bestickt war.
„Ich würde das hier gerne kaufen.“ sagte er, und kurze Zeit später, war er auch schon wieder auf dem Weg zu Aleyandra. Langsam wurde es dunkel, weswegen er sich ein wenig beeilen musste, um nicht letztendlich doch zu spät zu sein. Als er endlich das Haus erreichte, und an die Tür klopfte, flog diese beinahe sofort auf.
Eine strahlende Aleyandra begrüßte ihn. „Naruz! Ich habe schon gewartet!“ sagte sie, und umarmte ihn.
„Tut mir leid. Ich musste mich noch mit Luca unterhalten, deswegen ist es ein wenig später geworden.“ entschuldigte Naruz sich, ehe er sich vorbeugte und Aleyandra küsste.
„Oh, das macht nichts. Ich bin froh, dass du den Brief überhaupt gefunden hast... vielleicht hätte ich auf dich warten, und es dir schon heute Morgen sagen sollen, aber...“
„Aleyandra.“ unterbrach Naruz sie mit einem Lächeln. „Du musst dir nicht so viele Gedanken machen, es ist alles in Ordnung. Was auch immer du mir sagen wolltest, ich bin jetzt hier, um dir zuzuhören.“ Aleyandra sah noch so aus, als wenn sie was sagen wollte, dann nickte sie jedoch, und gemeinsam gingen sie in das Wohnzimmer des Hauses. „Wo ist Saeca?“ fragte Naruz, nachdem die beiden sich auf das Sofa gesetzt hatten, und ihm auffiel, dass die Armani nirgendwo zu sehen war.
„Oben, sie schläft gerade. Ich glaube, sie ist noch immer ein wenig erschöpft, wegen dem Fest, und der ganzen Aufregung, die damit verbunden war.“
„Ah ja... das Fest.“ murmelte Naruz. „Aleyandra, es tut mir wirklich leid, dass ich nicht mit dir zum Fest gegangen bin, aber... es war einfach nichts für mich. Ich weiß, du hattest dich darauf gefreut, und dass ich es nicht wiedergutmachen kann, aber es tut mir wirklich leid.“ während er sprach, streckte Naruz seine Hand aus, und zeigte Aleyandra das Halsband, das er gekauft hatte. „Ich... war mir nicht sicher, ob es dir gefallen würde, und ich weiß, dass es kein teures Ballkleid, oder Schmuck ist, aber ich dachte, dass es dir vielleicht gefallen würde.“ sagte er, und war auf einmal ziemlich nervös. „Ich dachte, dass es dir gut stehen würde, und... na ja, also...“ er verstummte einfach, und wartete auf Aleyandras Reaktion. Diese nahm Naruz das Tuch aus der Hand, und legte es sich um, ehe sie zu einem Spiegel in der Nähe ging, um sich darin zu betrachten. Dann kehrte sie zum Sofa zurück, setzte sich und schloss Naruz in die Arme.
„Danke, es ist wunderschön.“ sagte sie.
„Ich freue mich, dass es dir gefällt.“ meinte Naruz und atmete erleichtert aus. „Um ehrlich zu sein, war ich mir überhaupt nicht sicher, ob du so etwas überhaupt tragen willst, oder... aber gut, lassen wir das.“ Naruz legte einen Arm um Aleyandra, ehe er fortfuhr. „Also, was wolltest du mir sagen? Du hattest geschrieben, dass du mir etwas sagen willst, um dich für gestern Nacht zu entschuldigen, aber das musst du nicht. Es war dein gutes Recht, so zu reagieren wie du es getan hast.“
Aleyandra schüttelte mit dem Kopf. „Selbst wenn du es so siehst, ich finde, dass ich mich entschuldigen sollte. Außerdem ist es wichtig, dass ich es dir sage.“ meinte sie, und schwieg dann eine Weile lang, während sie darüber nachdachte, wie sie es am besten sagte. Letztendlich platzte es jedoch einfach so aus ihr heraus. „Teregion... Silberblatt ist der Sohn des Schattenritters.“
Naruz zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Ach? Woher weißt du das? Warte... das heißt, der Schattenritter ist ein Akashi?“
Aleyandra nickte. „Ja, ist er.“
Naruz fluchte leise vor sich hin. „Natürlich, das würde erklären, warum sie gegen diese Einheit waren.“
„Und... und da ist noch etwas, wenn es um die Akashi geht.“ fügte Aleyandra hinzu, und wurde noch eine Spur nervöser. Sie wusste nicht ganz, wie Naruz wohl auf den letzten Teil reagieren würde. „Kyosuke Akashi... er will, dass ich dich und deine Einheit für ihn ausspioniere.“
„Wie bitte?“ fragte Naruz verwirrt. „Aber, du bist doch gar nicht Teil der Schattenjäger. Wieso glaubt er, dass du eine bessere Möglichkeit hast Informationen zu bekommen, als sein anderer Spion?“
„Anderer Spion? Du meinst diese Theresia?“
Naruz nickte. „Die Akashi haben darauf bestanden, dass sie Teil der Schattenjäger wird. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es ihre Aufgabe ist Informationen weiterzuleiten. Außerdem ist es offensichtlich, dass sie ihre seltsame Art vorspielt.“ er seufzte. Dank Salvatore hatte er genug Übung um zu erkennen, wann Leute ihre Dummheit, oder Schusseligkeit einfach nur spielten, und wann sie echt war. „Soll ich dir ein paar Informationen geben?“ fragte Naruz plötzlich, was Aleyandra einen fragenden Blick entlockte.
„Was meinst du damit?“
„Ich kann dir bestimmt ein paar halbwegs wichtige Informationen geben, die ich Theresia vorenthalten kann. Wenn du die dann den Akashi gibst, würdest du vielleicht in ihren Augen ein wenig an Ansehen gewinnen.“
„Das könnte ich nicht tun! Ich würde dich nie verraten, Naruz!“ rief Aleyandra empört, und Naruz lächelte.
„Ich weiß, aber es wäre doch kein Verrat, wenn ich dir erlaube die Informationen weiterzugeben, oder?“ Bevor Aleyandra antworten konnte, fuhr Naruz jedoch schon fort. „Du musst nicht jetzt antworten, du musst überhaupt nicht antworten. Denke einfach darüber nach, und wenn du der Meinung bist, dass du den Akashi etwas geben solltest, warum auch immer, sage mir einfach Bescheid. Aber lass uns jetzt nicht weiter darüber reden, ich habe nämlich auch noch etwas, das ich sagen will.“ sagte er, zum einen, weil er wirklich noch etwas hatte was er sagen wollte, zum anderen, damit Aleyandra nicht noch einmal auf Silberblatt und dessen Vater zurückkommen konnte. Wenn es stimmte was Aleyandra sagte, und sie hatte nicht wirklich einen Grund zu lügen, dann wäre es vielleicht besser die Kinder Gaias, und Silberblatt selbst ein wenig genauer untersuchen zu lassen. Natürlich könnte er Aleyandra darum bitten für ihn zu spionieren, aber das wollte er nicht. Sie hatte es so schon schwer genug, da brauchte er sie nicht noch in weitere Schwierigkeiten zu bringen.
„Was willst du mir denn sagen?“ fragte Aleyandra neugierig, und zog damit Naruz' Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„In einer Woche wird es bei den Bladelli ein kleines Fest geben... nichts großes, bei weitem nicht so groß wie der Ball der Akashi, aber trotzdem ein Fest. Ich möchte dich zu diesem Fest einladen.“ Naruz lächelte sie an, und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es ist zwar nicht der Ball, auf den du dich gefreut hast... aber ich hoffe du kommst trotzdem.“
„Natürlich komme ich!“ sagte Aleyandra sofort, und schien vollkommen begeistert zu sein.
„Gut, und bringe Saeca mit. Ich will sie ja nicht außen vor lassen.“
Sofort wurde Aleyandra ein wenig misstrauisch. „Hat es noch einen anderen Grund, warum Saeca mitkommen soll?“
„Du hast mich erwischt. Ich habe noch ein paar... Dinge gefunden, die sie vielleicht interessieren würden.“
„Dango?“
„Dango.“
Aleyandra seufzte. Die Armani schien einfach nicht zu lernen. „Ach ja, Naruz?“ fragte sie plötzlich, als ihr noch etwas einfiel.
„Ja?“
„Was ist das für ein Fest? Du hast nicht gesagt, was genau gefeiert wird.“
„Oh ja, natürlich. Ich habe nächste Woche Geburtstag, und dachte mir, dass ich vielleicht eine kleine Feier veranstalte, und meine Freunde einlade. Außerdem wäre es die perfekte Gelegenheit allen meine Freundin vorzustellen.“ sagte er, und zwinkerte Aleyandra zu, die ein wenig rot wurde, als sie sich an das Gespräch von letzter Nacht erinnerte. Dann erst merkte sie, was Naruz da eigentlich gesagt hatte.
„Warte... du hast Geburtstag? Nächste Woche?“ fragte sie, vollkommen überrascht.
„Ja, habe ich... da fällt mir ein, ich habe dir nie gesagt, wann ich Geburtstag habe, oder?“
„Nein, hast du nicht! Das kommt so plötzlich, ich...“
„Aleyandra, beruhige dich.“ unterbrach Naruz sie lachend. „Du brauchst dir nicht so viele Gedanken darüber machen. Mir ist es ehrlich gesagt auch erst Heute eingefallen, dass ich bald Geburtstag habe.“ Er überlegte kurz, dann richtete er sich ein wenig auf, und fragte: „Wie wäre es, wenn wir noch gemeinsam etwas essen gehen? Wir haben schon lange nichts mehr gemeinsam unternommen... nicht dass dafür seit der Rückkehr aus Candeo allzu viel Zeit war. Aber egal. Was sagst du dazu?“
„Jetzt?“
„Ja, jetzt. Ich habe ein wenig Arbeit auf Theresia abschieben können.“ meinte Naruz lächelnd. „Ich finde, wir sollten die ruhige Augenblicke nutzen, während wir sie haben.“
„In Ordnung, ich gehe mich nur schnell umziehen... und lasse eine Nachricht für Saeca da.“ meinte Aleyandra, sprang vom Sofa auf und rannte in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Im Bett lag die junge Armani, und murmelte wieder im Schlaf vor sich hin. Nachdem Aleyandra sich umgezogen hatte, schrieb sie kurz eine Nachricht auf ein Blatt Papier, und legte es auf einen Teller mit Dango, den sie auf den Nachttisch stellte. So konnte sie sich sicher sein, dass Saeca den Brief auf jeden Fall fand. Kurz darauf wandte sie sich ab, und verließ das Zimmer. Dabei bemerkte sie nicht, wie zwei äußerst ungewöhnliche Vögel, ein Adler, auf dessen Rücken ein Kolibri saß, durch das offene Fenster flogen, und einen Brief auf die schlafende Armani fallen ließen, ehe sie wieder nach draußen flogen, und spurlos verschwanden.
Zuletzt geändert von Mimir am 17. Dezember 2014 03:26, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 15. Dezember 2014 23:08

44. Geburtstagsgeschenke kaufen, ich weiß, klingt spannend! (Öffnen)
44. Geburtstagsgeschenke kaufen, ich weiß, klingt spannend!


Normalerweise waren Cora und Dârthallion allein in ihrem Labor, im Gewölbe der Akademie von Vanaheim. Doch dieser Tag war etwas besonderes, sie hatten Besuch, hohen Besuch sogar. Der Schattenritter höchstselbst, war zu ihnen gekommen, um mit ihnen zu reden. Während das bei vielen seiner Untergebenen dafür gesorgt hätte, dass sie vor Angst und Ehrfurcht kaum richtig reden konnten, sah es bei den beiden Forschern anders aus. Cora zeigte eh nur Dârthallion gegenüber Respekt, und fürchtete sich vor so gut wie gar nichts, und der Professor selbst, hatte schon lange genug mit dem Schattenritter gearbeitet, um ein wenig lockerer sein zu können, wenn er mit ihm redete. Noch immer vorsichtig, und darauf bedacht nichts falsches zu sagen, aber lockerer. Im Labor sah es zur Zeit ein wenig dreckig aus, und das war noch nett ausgedrückt. Überall lagen frische Leichen, und Blut beschmierte sämtliche Wände, und sogar die Decke. Was genau hier passiert war wusste der Schattenritter nicht, aber er nahm an, dass irgendein Experiment fehlgeschlagen war. Oder vielleicht war es auch geglückt, wer konnte das schon sagen? Der Schattenritter saß auf einem Stuhl, neben dem größten Tisch im Raum, auf dem dutzende Glasfläschchen mit diversen Flüssigkeiten standen, und in den seltsame Runen eingeschnitzt waren. Ihm Gegenüber saß Dârthallion, der bis eben noch am anderen Ende des Raumes, über einer Schriftrolle gebrütet hatte. Cora kniete ein wenig entfernt auf dem Boden, las in einem Buch, und ritzte mit einem Messer Runen in eine der Leichen.
„Gibt es Neuigkeiten von den Alfar die du in die Sternensandwüste geschickt hast?“ durchbrach der weißhaarige Mann die Stille und unterdrückte ein gelangweiltes Gähnen. Er hasste es untätig herumzusitzen, ganz im Gegensatz zum Professor. Dem gefiel es wenn er hierbleiben und seinen Forschungen nachgehen konnte. Früher hätte der Schattenritter ihm da zugestimmt, aber seine Begeisterung für Experimente war schon seit einigen Jahren erloschen, seit er bemerkt hatte, dass es ihm sowieso nichts einbrachte.
„Ja, sie haben mir heute erst eine Nachricht geschickt. Die Sanknie Allianz wird alles tun, um nicht von unseren Legionen und Dämonen überrannt zu werden. Solange wir ihnen garantieren können das der Krieg sich nicht auf ihr Land ausbreitet, wären sie bereit uns Waffen und Söldner zu schicken, so viel wie wir wollen ähm solange wie sie bezahlen können natürlich. Auch wenn sie es nicht gerne sehen das wir gegen die Menschen im Süden vorgehen, immerhin sind sie selbst zum Großteil Menschen, doch letztendlich hängen sie an ihrem Leben, schätze ich.“
„Schick die Söldner wieder nach Hause, wir brauchen sie nicht.“
„Und wieso nicht? Sie sind gute Kämpfer und wir können sicher jeden Mann brauchen den wir kriegen können, vor allem wenn mein Volk sich weiterhin als so nervtötend herausstellt.“
„Hast du den Grund dafür nicht eben selbst schon genannt? Die Sanknie Allianz wird von Menschen angeführt und man kann diesen jämmerlichen Kreaturen nicht vertrauen.“ behauptete der Schattenritter und weder Cora noch der Professor wagten es ihn darauf hinzuweisen dass er selbst erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Menschen aufwies, man sogar fast so weit gehen könnte zu behaupten er wäre ein Mensch...was der Professor natürlich niemals tun würde, er mochte sein Leben. Wie bereits erwähnt wurde wusste er, was er sich erlauben konnte. „Lassen wir das und vergessen diese albernen Händler. Sie werden uns so oder so irgendwann in den Rücken fallen, da ist es besser wenn sie nicht mitten in unserer Armee stehen. Berichte mir lieber ob es irgendwelche Fortschritte gibt. Wie gehen die Forschungen voran? Und ich meine nicht deine Forschungen, sondern unsere.“
„Schlecht.“ antwortete der Professor und fragte sich ob der Schattenritter ernsthaft eine andere Antwort erwartet hatte. Das Projekt war tot und zwar schon seit über sieben Jahren, es gab nichts darüber zu berichten, absolut nichts.
„Und weiter?“
„Ihr wisst ganz genau wie unsere Forschungen auf dem Gebiet vorangehen und auch, dass wir seit Jahren keine Fortschritte mehr erzielt haben. Egal was wir versuchen, es kommt nichts dabei heraus und inzwischen sind uns allen die Ideen ausgegangen, selbst Euch fällt nichts mehr ein was wir noch probieren könnten. Es gibt ganz einfach nichts neues darüber zu berichten. Nicht mehr seit...“ unsicher brach der Alfar ab und suchte nach einem Weg dieses unangenehme Thema so gut wie möglich zu umgehen, aber er fand keinen, also musste er sich seinem düsteren Schicksal stellen und ins kalte Wasser springen „...seit wir das Mädchen verloren haben.“ schloss er zögerlich, wobei er bereits halb mit einem wütenden Ausbruch seines Herren rechnete, doch stattdessen erntete er nur ein müdes Lächeln.
„Das Mädchen...“ murmelte der Mann nachdenklich vor sich hin. Das Mädchen und ihr dummer, naiver Bruder. „Wenn dieser dumme Junge nicht gewesen wäre, könnten wir schon längst wieder zusammen sein, aber stattdessen muss meine Frau noch immer leiden, nur weil dieser Idiot nicht verstand worum es ging. Danke dass du mich wieder daran erinnerst, Dârthallion, ich hatte es schon fast vergessen was für ein widerlicher, kleiner Verräter dieser Bastard ist.“
„Er hat uns ein mal verraten, das ist wahr. Aber seitdem leistet ihr Bruder ausgezeichnete Arbeit und wir brauchen ihn, naja, irgendwie. Er hat sich zumindest als nützlich erwiesen und...“
„Nützlich? Er ist der Grund warum unser gesamte Forschung seit Jahren vor sich hin stagniert! Er ist der Grund warum es ihr noch immer nicht besser geht und du findest ihn...nützlich?“ Das letzte Wort spie der Schattenritter aus, als wäre es die schlimmste Beleidigung von ganz Azuria und Dârthallion wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es war nicht klug seinen Herren auf den Jungen anzusprechen und erst recht nicht auf das Mädchen, damit sorgte man nur dafür, dass man unangenehme Erinnerungen aufwühlte und ihn verärgerte.
„Naja, immerhin hat er seit dem Tod seiner Schwester seine Treue zu Euch gefunden, das ist besser als nichts. Wenn sein Plan erfolgreich ist, werden wir im Süden leichtes Spiel haben und diesen Krieg spielend gewinnen. Es ist wichtig unsere Verluste so gering wie möglich zu halten, ansonsten fehlt uns vielleicht die Kraft für den richtigen Kampf.“
„Was gar nicht nötig wäre, wenn der dumme Junge nicht versucht hätte den Helden zu spielen. Ich war gnädig zu ihm, viel zu gnädig.“ behauptete der Schattenritter plötzlich, als seine Gedanken sich von der Wut auf den nutzlosen Jungen von vor Zehn Jahren, zu dem bewegten, was aus ihm geworden war. Wenigstens war der dumme Junge jetzt treu, dafür hatte er gesorgt, dachte der Weißhaarige mit einem finsteren Lächeln. Eigentlich hätte er ihren Bruder für diesen Verrat umbringen sollen, aber er verschwendete nur ungern Talent, selbst wenn es im Körper eines solchen Narren steckte.
„Oh ja, das wart Ihr...irgendwie. Möglicherweise hat es ihn aber etwas gestört mit anzusehen wie wir Tag für Tag seine kleine Schwester zerlegt haben, aber ansonsten war sein Leben das reinste Paradies in Eurer Gefangenschaft.“ erwiderte der Alfar erstaunlich kühn, was ihm einen düsteren Blick seines Meisters einbrachte.
„Du weißt genau wie ich das meine, Dârthallion. Ich hätte ihn auch einfach umbringen können weil er sich als vollkommen wertlos herausstellte, aber stattdessen habe ich ihn verschont, ihm sogar erlaubt bei seiner Schwester zu bleiben und was war sein Dank? Er hat alles ruiniert! Und das dumme, naive Mädchen ist ihm sogar noch in ihren eigenen Untergang gefolgt. Dieser Narr hat sein ganzes Vertrauen in die Kirche gesetzt, gehofft dass diese Wracks, die man im Süden als Schiffe bezeichnet, mit den Galeeren der Alfar mithalten können. Und wohin hat sein blindes Vertrauen in die Hunde des Erzbischofs seine Schwester gebracht? Auf den Grund des Ozeans! Von ihr ist nichts geblieben und das ist alleine seine Schuld und das weiß er auch. Das alles hier, könnte schon seit Jahren vorbei sein! Wir könnten in Ruhe unseren Forschungen nachgehen, ohne überhaupt einen Gedanken an die Kirche zu verschwenden. Aber er hat uns keine andere Wahl gelassen als diesen Krieg zu planen, als den Süden zu zerschmettern.“
„Es hat auch seine guten Seiten....irgendwo, wenigstens wird die Kirche dadurch untergehen, das ist besser als nichts.“ behauptete Dârthallion sofort, als er merkte wie der Schattenritter dabei war sich in Rage zu reden. Es passierte nur selten dass der normalerweise so gefasste Schattenritter seine ausgeglichene Ruhe verlor, aber sobald man ihn auf das Mädchen ansprach, war meistens alles verloren und er kannte kein Halten mehr. Es war das einzige Thema, mit dem man ihn reizen konnte. „Soll ich eigentlich eine Nachricht in die Wälder nahe Skandia schicken, so wie Lady Bladelli es vorgeschlagen hat?“ fragte Dârthallion plötzlich mit nahezu kindlicher Begeisterung.
„Ich wüsste nicht worüber ich mit dieser Verrückten reden sollte, auch wenn es Spaß machen könnte sie noch einmal in Stücke zu schneiden.“ dieser Gedanke schien den Schattenritter zumindest etwas aufzuheitern, aber mehr sagte er dazu nicht mehr, auch wenn der Alfar ihn gespannt ansah, fast so als erwartete er noch mehr.
„Vielleicht könnte Sie uns bei unseren Forschungen helfen.“ warf Dârthallion ein und durchbrach die angespannte Stille zwischen ihnen, als er es nicht mehr aushielt. Es war nicht leicht mit seinem Herren über die Bladelli zu sprechen, als Akashi hielt er grundsätzlich nicht viel von Angehörigen der anderen Familien des Südens.
„Bei deinen vielleicht, aber für mein Problem gibt es nur noch eine Lösung.“ murmelte der Schattenritter, alles andere als begeistert. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit plötzlich auf Cora, die noch immer vor der Leiche hockte, und kaum mitbekam, worüber der Schattenritter und Dârthallion sprachen. Dementsprechend verwirrt war sie, als Ersterer sich direkt an sie wendete. „Was sagst du zu dem Angebot der Bladelli und des blutenden Turms? Denkst du man kann dieser Erica trauen, Cora?“
„I-ich?“ sie zuckte erschrocken zusammen beim Klang seiner Stimme. Der Schattenritter sprach sonst nie zu ihr direkt, niemals. Er beachtete generell nur Dârthallion, die kleine sterbliche Assistentin nahm er normalerweise kaum wahr.
„Ja, du. Oder siehst du hier sonst noch jemanden namens Cora? Wie ist deine Meinung dazu?“ ihre Verwirrung brachte ihn für einen kurzen Augenblick zum Lächeln und er zwinkerte sogar dem Professor zu, der alles andere als begeistert zu sein schien.
„M-m-meine M-meinung? Ich weiß nicht ob meine Meinung wichtig genug ist um...“ begann sie, und gab sich Mühe so zu klingen, als wenn sie Angst hätte. Natürlich könnte der Schattenritter sie leicht töten... aber sie war sich sicher, dass Dârthallion sie beschützen würde. Er liebte sie, und würde verhindern, dass ihr etwas geschah! Da war Cora sich sicher. Trotzdem war es vielleicht besser, sich ängstlich und unterwürfig zu geben.
„Oh, du denkst also, dass du es nicht wert bis mir deine Meinung zu sagen, ja?“ bedrohlich langsam erhob der Schattenritter sich und als er in seiner schwarzen Rüstung auf sie zuging, wich sie eingeschüchtert ein paar Schritte zurück. Am liebsten hätte sie sich jetzt hinter dem Professor versteckt, aber allzu sehr wollte sie dann auch nicht übertreiben. Plötzlich hörte sie ein leises, belustigtes Lachen und der Schattenritter lächelte sie erwartungsvoll an. „Antworte mir endlich, bevor ich wirklich noch die Geduld verliere. Es ist erfrischend mal eine neue, unverbrauchte Meinung zu hören und vielleicht überrascht du mich ja, kleiner Mensch.“
„Ich bin...“ begann Cora, und stand kurz davor, dem Schattenritter einmal richtig die Meinung zu sagen, brach jedoch ab. Sie konnte Dârthallion´s warnenden Blick beinahe körperlich spüren, der Professor schien zu wissen, was sie eigentlich hatte sagen wollen. Also verstummte sie, und schwieg eine ganze Weile lang, bis sie sich wieder ins Gedächtnis rief dass sie irgendetwas sagen musste und es musste großartig werden...irgendwie. Sie erhielt sonst nie die Gelegenheit den Professor und gleichzeitig auch noch dessen Meister zu beeindrucken. Also nahm sie all ihren Mut zusammen und versuchte ihr Glück. „Ich denke, dass Erica Bladelli ihre eigenen Ziele verfolgt, Ziele, die vielleicht nicht mit unseren übereinstimmen, aber ihr Plan einen Gott zu erschaffen...es klingt auf den ersten Blick wahnsinnig, aber was wenn sie damit Erfolg hat? Ein Gott wäre genau das was wir brauchen, nicht um die Kirche zu besiegen, aber für alles was danach kommen wird. Wir sollten uns zumindest anhören was sie Euch anzubieten hat, möglicherweise können wir alle davon profitieren und wer weiß? Vielleicht kann sie Euren Forschungen ja doch den nötigen Anstoß geben damit sich endlich wieder etwas bewegt und sich alles doch noch zum Guten wendet.“ Cora beendete ihre kleine, mit erstaunlich viel Begeisterung vorgetragene, Rede und ihre Wangen glühten rot, als sie sah dass der Schattenritter und Dârthallion sie nicht sofort auslachten. Stattdessen setzte der Schattenritter sich wieder und nickte dem Professor lächelnd zu.
„Du hast ein gutes Auge für junges Talent, Dârthallion. Pass gut auf sie auf.“
„Das werde ich, Herr.“
„Und was Erica Bladelli angeht...ich bin mir nicht sicher was sie plant und bis eben war es mir ehrlich gesagt auch egal. Sie will einen Gott erschaffen, ja?“
„Wir könnten einen Gott gebrauchen für das was wir vorhaben.“ warf Dârthallion nachdenklich ein.
„Denkst du meine eigene Macht reicht nicht aus für diesen Kampf? Hältst du mich für so schwach?“
„Das tue ich nicht, aber wie wollen wir Sie sonst besiegen? Denkt Ihr wirklich Sie lässt sich von unseren Armeen oder den Dämonen beeindrucken? Oder von Eurem Schwert?“
„Darum kümmern wir uns wenn es so weit ist.“ winkte der Schattenritter verächtlich ab. Er war stärker als jemals zuvor, wenn jemand gegen Sie gewinnen und alles wieder in Ordnung bringen konnte, dann war er es und nicht irgendein Mutant dieser wahnsinnigen Bladelli „Du hast zu viel in ihren Büchern und Aufzeichnungen gelesen. Ich bezweifle dass ihre überflüssigen und einfältigen Experimente irgendetwas mit uns oder unseren Plänen zu tun haben. Wir haben unsere eigenen Wege Sie zu besiegen, das weißt du genau.“ er verstummte kurz und dachte darüber nach. Jetzt wollte er wissen was Erica plante, er glaubte noch immer nicht daran dass sie ein gutes Paar werden konnten, aber wenigstens sollten sie versuchen sich nicht gegenseitig zu behindern, davon hatte letztendlich niemand etwas „Aber meinetwegen, wenn du denkst sie kann uns helfen. Dann schick halt eine Nachricht zu deiner großartigen Bladelli. Wenn sie wirklich etwas nützliches anzubieten hat, werden wir sie anhören, ansonsten soll sie sich von uns fernhalten und sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Wir haben hier keinen Platz für diese Verrückte, außer sie kann uns helfen endlich wieder Fortschritte zu erzielen, alles andere was sie anbieten könnte, ist mir egal.“ Dârthallion nickte zufrieden und warf Cora einen kurzen Seitenblick zu. Er wusste schon genau wen er schicken würde, allerdings hoffte er das Erica ihm seine Assistentin auch lebendig zurückschickte, er gewöhnte sich immer mehr an sie und würde sie ungern verlieren. Doch bevor der Professor noch weiter darüber nachdenken konnte, fuhr sein Herr auch schon fort, diesmal wieder gelangweilt und kurz davor einzuschlafen, weil es um ein Thema ging, das ihn noch weniger interessierte als Erica. „Ruf dein nutzloses Parlament zusammen und lass sie eine Botschaft an den Süden vorbereiten. Am besten keine besonders komplizierte, wir wollen nicht dass deine Landsleute 100 Jahre darüber debattieren und der Inhalt muss selbst für einen senilen alten Narren wie den Erzbischof verständlich sein.“ erklärte er und dachte kurz darüber nach wie viel sie dem Süden anbieten konnten ohne dass es zu offensichtlich wurde. Die Kriegsmüdigkeit unter den Alfar war allgemein bekannt, inzwischen sogar im Süden. Nach all den Jahren Bürgerkrieg und Unruhen, hatte niemand Lust sich auf einen langwierigen und blutigen Krieg mit den Menschen einzulassen, das wusste auch der Erzbischof. Er würde das Angebot für eine Mischung aus der Suche nach Frieden und Verzweiflung halten und annehmen. „Ein Nichtangriffspakt über fünf Jahre zwischen Kirche und Republik, Rückzug der republikanischen Flotte aus den Gewässern des Kirchenstaats, Wiederaufnahme des Handels, Offenlegung einiger unwichtiger Geheimaktionen, Rückzug aller Spione, die sowieso schon von der Kirche entdeckt wurden und Abzug eines Großteils unserer Truppen von der Grenze. Das sollte selbst den Erzbischof zufrieden stellen, hoffen wir einfach dass er nicht auch noch unsere Köpfe verlangt.“
„Das wird für die Menschen zu gut klingen um wahr zu sein. Sie wissen inzwischen von Euch und eurer Verbindung zur Yggdrasil Republik.“ warf Dârthallion nachdenklich und vor allem verblüfft ein. Der Schattenritter kontrollierte mit seinen Dämonenfreunden im Rücken das Parlament und damit das gesamte Volk der Alfar, aber niemand hier hatte Lust Krieg zu führen. Eher würde der Großteil der Alfar sich gegen das Parlament wenden als einen Eroberungskrieg im Süden zu starten, bei dem es für sie nichts zu gewinnen gab.
„Die Kirche will genauso wenig einen Krieg führen wie die Alfar, und der Erzbischof weiß nicht wie sehr die Republik und das Parlament bereits unter unserer Kontrolle stehen. Sie werden das Angebot annehmen. Wir werden in der Zwischenzeit weiter unsere Dämonen sammeln und unsere Vorbereitungen fortsetzen.“
„Das ist ja gut und schön, aber irgendwann gelangen wir sicher an einem Punkt an, ab dem die Kirche unsere Aktivitäten nicht länger ignorieren kann."
„Ich weiß.“ erwiderte der Schattenritter und schloss lächelnd die Augen. Viele ihrer Vorbereitungen waren abgeschlossen, bald würde er seine Rache erhalten, aber noch viel wichtiger: Bald würde er wieder mit ihr zusammen sein und wenn es dafür nötig war Süd-Midgard zu zerschlagen, dann würde er diesen Preis liebend gerne bezahlen. „Soll die Kirche den ersten Schritt machen. Wir werden sie reizen, und irgendwann werden sie darauf reagieren. Sobald die Kirche den Kampf gegen die Alfar trotz Waffenruhe wieder aufnimmt, werden selbst die müden Arme deines Volkes wieder zu ihren Waffen greifen und nach Süden marschieren.“



Zwei Tage nach dem Ball, es war bereits spät am Abend, klopfte es plötzlich an Lucas Tür, als er gerade darüber nachdachte sich ins Bett fallen zu lassen. Lyaena hatte heute keine Zeit und sein Bruder trieb sie erstaunlich hart an, wenn es darum ging Nachforschungen anzustellen, er wollte sie morgen schon wieder so früh wie möglich sehen und auch den Tag danach und danach...insgeheim fragte sich Luca von wem sein Bruder diesen eifrigen Fleiß überhaupt hatte. Müde öffnete er die Tür und erwartete eigentlich das Lyaena ihm doch noch einen Überraschungsbesuch abstattete, aber stattdessen standen zwei Mädchen vor ihm, an die er sich noch von der kleinen Feier erinnerte. Aleyandra und Saeca, wenn er sich richtig erinnerte.
„Dürfen wir reinkommen?“ begann die Armani unwirsch und ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten.
„Ähm...“ Luca starrte die beiden nur an, hätte Naruz ihm nicht gesagt das Aleyandra seine Freundin war...er hätte die Tür zugeschlagen, damit diese roten Augen ihn nicht mehr voller Hass eiskalt anstarren konnten, aber dafür blieb ihm eh keine Zeit mehr. Die beiden schoben sich unwirsch an ihm vorbei hinein in seine kleine Wohnung. „Klar, warum nicht.“ murmelte er, als die beiden bereits an einem Tisch in der Küche nebeneinander auf Stühlen saßen und ihn erwartungsvoll anstarrten. Unsicher was er tun sollte, ließ er sich ebenfalls nieder, direkt gegenüber den beiden Mädchen. Was auch immer hier los war, er fand es nicht lustig. „Also, warum seid ihr hier?“ fragte er verwirrt, nachdem noch immer keine von beiden Anstalten machte sich zu erklären. Er hatte nichts gegen Besuch, aber nur wenn es höflicher Besuch war. Irgendwann begann die junge Armani zu sprechen, wobei sie sich an einem halbherzigen Lächeln versuchte und sich Mühe gab nicht allzu gemein zu klingen.
„Onee-chan möchte dich um einen Gefallen bitten, auch wenn es eigentlich gegen ihre Grundsätze und gegen ihr gutes Gewissen verstößt mit der bitterbösen und finsteren Naruzkopie zu reden.“
„B-böse und finstere...was?“
„Ihre Worte, nicht meine.“ versuchte Saeca rasch ihn zu beruhigen und warf Aleyandra einen kurzen Seitenblick zu „Sie ähm, ist nicht wirklich gut auf dich zu sprechen, weil sie sich im Moment benimmt wie ein kleines, eingeschnapptes Kin...“ Saeca verstummte rasch, als Aleyandras Ellbogen sich in ihre Seite rammte und sie dazu brachte hastig mit dem eigentlichen Text fortzufahren „A-aber darum geht es jetzt auch gar nicht! Onee-chan will nicht mit dir reden, aber muss dich etwas fragen. Onee-chan möchte von dir wissen, was...“
„Nein.“ unterbrach Luca sie düster und schlecht gelaunt. Er war immer bereit Naruz Freundin zu helfen, aber nicht so. „Wenn sie etwas von mir will, dann soll sie mich selbst fragen. Für so einen Kinderkram habe ich keine Zeit und erst recht keine Lust darauf. Wenn du mit mir sprechen willst Aleyandra, dann nur zu, aber erwarte nicht dass ich mich die ganze Zeit über Saeca unterhalte.“ Als seine Worte keine Wirkung zu haben schienen, und Aleyandra ihn noch immer finster anstarrte, entschied Luca sich dafür, doch noch ein wenig mehr zu sagen. „Hör zu, es tut mir schrecklich leid was ich getan habe, ja? Ich wusste nicht das du Naruz Freundin bist und habe an dem Tag nicht wirklich klar gedacht, weil ich mich einfach nur gefreut habe meinen Bruder wiederzusehen. Wärst du die erste gewesen die an dem Tag behauptet hätte seine Freundin zu sein, hätte ich dir sofort geglaubt. Willst du dich wirklich wegen so einer Kleinigkeit mit mir streiten? Wir werden uns in Zukunft öfter sehen, immerhin gehören wir beide zu Naruz Familie.“
„Darum geht es nicht.“ flüsterte Aleyandra mit bebender Stimme, sie war gut darin ein Drama aus Kleinigkeiten zu machen und da Naruz ihr in den letzten 24 Stunden keinen Anlass für eins gegeben hatte, war das hier ihre nächstbeste Dramamöglichkeit „Na schön, es geht doch darum, aber nicht nur! Du warst schon vor dieser Bemerkung böse und finster und gemein!“
„W-war ich das? Wir haben uns doch niemals gesehen, oder doch?“ rasch ging Luca in seinem Gedächtnis sämtliche Frauen nach, mit denen er sich seit seiner Rückkehr nach Navea getroffen hatte. Vor Lyaena gab es da einige, aber keine von ihnen erinnerte auch nur ansatzweise an Aleyandra, daran würde er sich ohne Probleme erinnern, immerhin vergaß man ihre Augen nicht so leicht. Was hatte er ihr getan?
„Auch wenn anscheinend jeder dir alles vergibt was du jemals getan hast, heißt es noch lange nicht, dass es vergessen ist. Naruz hat dir sicher erzählt das ich ein Kind Gaias bin und zu Silberblatts Orden gehöre.“
„Er, ähm, hat es erwähnt, denke ich.“ erwiderte Luca langsam. Das hatte er völlig vergessen. Um ehrlich zu sein hatte er nicht besonders gut zugehört als es um Aleyandra ging, der Abend war da schon ziemlich lang gewesen und er war müde. „Oh, darum geht es also. Du bist wütend weil ich ein Feind deines geliebten Großmeisters bin.“
„Ich kann dich nicht ausstehen, weil du ein unschuldiges Mädchen aus meinem Orden brutal abgeschlachtet und ihren Kopf als Trophäe mitgenommen hast wie ein zurückgebliebener Barbar. Deswegen bin ich so zu dir und nicht weil du Silberblatt nicht ausstehen kannst, das ist mir egal. Naruz mag ihn auch nicht, Anya genauso wenig und Paolo erst recht nicht. Scheint so ein dämliches Bladelliding zu sein.“
„Kanntest du das Mädchen das ich getötet habe?“
„Nein, ich kannte sie nicht. Bisher habe ich noch niemanden aus meinem Orden getroffen.“
„Worum geht es dir dann? Wenn sie dir egal war, warum...oh.“
„Ah gut, du hast es selbst erkannt. Ich gehöre auch zu den Kindern Gaias und Silberblatt hängt sehr an mir, vermutlich mehr als an allen anderen Mitgliedern seines Ordens. Ich verdanke ihm mein Leben und zwar mehr als ein Mal. Mein Tod, hätte ihn am Boden zerstört.“
„Wäre es nicht dieses grünäugige Mädchen gewesen...“ Luca brach ab und versuchte sich vorzustellen wie seine Wiedervereinigung mit Naruz ausgesehen hätte wenn er dessen Freundin in die Luft gejagt und enthauptet hätte...
„Dann hätte es genauso gut mich erwischen können.“ behauptete Aleyandra, was Luca aber recht kalt ließ. Sie hatte Glück gehabt und sollte sich lieber darüber freuen, anstatt ihm Vorwürfe zu machen „Du hättest mich töten können, anstatt dieses Mädchen, und das nur weil du meinen Großmeister nicht ausstehen kannst. Verstehst du jetzt wo mein Problem mit dir liegt, Dunkelnaruz?“
„Nicht wirklich.“ antwortete Luca uneinsichtig. Jetzt sollte er plötzlich Schuld sein an einem Krieg den die Akashi begonnen hatten? Lächerlich! „Silberblatt hat die Kinder Gaias benutzt um meine Familie abzuschlachten, und inzwischen auch deine Familie, wenn du wirklich zu Naruz gehören willst. Wir haben uns nur verteidigt.“
„Dafür gab es niemals Beweise.“ zischte Aleyandra und wollte noch etwas sagen, aber plötzlich stupste Saeca sie immer wieder von der Seite aus an. Die Armani schüttelte rasch den Kopf und warf ihr einen flehenden Blick zu. Aleyandra schluckte ihren Ärger so gut es ging herunter. Luca war jetzt nicht mehr ihr Feind, er war Familie. „Aber das ist jetzt auch egal. Als ich erfahren habe dass ausgerechnet dieses Monster, dieser brutale Mörder, der Bruder des Mannes ist den ich über alles Liebe, da dachte ich, es wäre ein schlechter Scherz. Aber wir beide, gehören zu Naruz Leben und wir beide lieben ihn. Wir sind seine Familie und wenn er dir vertraut, dann werde ich das auch tun. Außerdem...außerdem, hat Naruz mir erzählt zu was dich die Kirche gezwungen hat und ich bin der letzte, der jemandem einen Vorwurf machen kann. Wenigstens hast du getötet um deinen Bruder zu beschützen, während ich es nur tue um mein eigenes Leben zu retten und nicht um anderen zu helfen.“ Verlegen wandte sie den Blick ab und inzwischen war auch der letzte Rest an Kälte aus ihren Augen verschwunden. Wie immer nach einem ihrer Ausbrüche kam sie sich nur noch lächerlich vor, vielleicht sollte sie versuchen das in Zukunft etwas besser unter Kontrolle zu bringen. „E-es tut mir leid das ich überhaupt davon angefangen habe. Ich war nur so schlecht gelaunt, weil du mich nicht ernstgenommen hast auf der Feier und dann hatte ich in letzter Zeit auch noch einen Streit mit Naruz, außerdem könnte man mich jeden Tag wieder losschicken um jemanden zu ermorden. Verzeih mir, ich bin derzeit leicht reizbar. Es liegt daran, dass im Moment irgendwie alles...gut läuft, das bin ich nicht gewohnt! Ich bin es gewohnt das alles zerbricht sobald es so aussieht als würde mein Leben endlich gut laufen. Jedes mal wenn eine Weile Ruhe und Frieden herrscht, fange ich an überall Probleme zu sehen.“
„Schon gut, vergessen wir das ganze einfach.“ sagte Luca gönnerhaft, vor allem, da er keine Lust auf einen Streit hatte. Er wusste wie es war wenn man für die Kirche töten musste. Vielleicht waren er und dieses Mädchen sich sogar gar nicht mal so unähnlich...oder vielleicht doch, wenn er sich an ihren unbegründet zornigen Auftritt erinnerte.
„Ähm, es wäre nett, wenn du ihm nichts von meinem kleinen...Ausbruch erzählen würdest. Er ist so ein Verhalten zwar von mir gewohnt aber ich...ich würde es trotzdem gerne vergessen. Immerhin habe ich mir in letzter Zeit genug überdramatische Auftritte und Ausrutscher geleistet.“
„Natürlich, kein Problem.“ antwortete Luca hastig und rückte vorsichtshalber ein Stück von ihr weg. Es war unheimlich wie sie innerhalb von kurzer Zeit zwischen fast schon blankem Hass und grenzenloser Fröhlichkeit wechseln konnte. Aber naja, mit Verrückten sollte man nicht diskutieren, letztendlich war man dabei immer der Verlierer. Am besten er nickte einfach brav, damit sie so schnell wie möglich wieder verschwand. Luca hatte keine Ahnung wie Naruz mit solchen Ausbrüchen umging, anscheinend hatte Aleyandra so etwas ja häufiger.
„Na gut, kommen wir zum eigentlich Grund meines Besuches.“ Aleyandra räusperte sich kurz und wurde schlagartig ernst. Als sie fortfuhr, wirkte sie so als ginge es bei dem was jetzt folgte um Leben und Tod, oder das Schicksal der ganzen Welt. „Naruz hat mich zu seinem Geburtstag nächste Woche eingeladen, und ich brauche jemanden, der mir dabei helfen kann, ein Geschenk für ihn auszusuchen. Ich... ich möchte dich darum bitten, mir dabei zu helfen, immerhin bist du sein Bruder, dir wird schon etwas einfallen.“
„D-das ist alles? Ich weiß zwar selber nicht wirklich was Naruz will, aber ich werde alles tun um zu versuchen dir zu helfen so gut es geht.“
„Danke!“ Aleyandra sprang von ihrem Stuhl auf, lehnte sich zu Luca rüber und umarmte ihn kurz so fest sie konnte, bevor sie sich wieder mit strahlendem Gesicht niederließ und wie ausgewechselt wirkte „Also, ich will, dass mein Geschenk besser wird als die Geschenke aller anderen zusammen. Es muss etwas besonderes sein, etwas geniales, etwas großartiges! Mein Geschenk, soll ihn beeindrucken und alles andere in den Schatten stellen. Ich will ihn damit umhauen und beeindrucken, mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden!“
„Da hast du dir ja viel vorgenommen. Keine Ahnung ob ich dir dabei helfen kann, ich selbst habe so meine Probleme damit ein gutes Geschenk für Naruz zu finden. Vielleicht etwas mit Pinguinen oder...keine Ahnung, einen schönen Kuchen? Er mag Kuchen.“ versuchte Luca angestrengt ihr zu helfen, merkte aber bald das Aleyandra von seinen Vorschlägen nicht besonders beeindruckt war. Letztendlich sagte er ihr nichts, was sie nicht selbst schon wusste, aber trotzdem machte sie keinerlei Anstalten ihn zu unterbrechen. So wie es aussah würde sie ihn solange weiterreden lassen bis Luca endlich ein genialer Einfall kam und genau dieser Einfall kam ihm, auch wenn er ihn nicht wirklich für genial, sondern für ausgesprochen dumm hielt. „Obwohl...“
„Ja?“ Aleyandra erhob sich leicht von dem Stuhl, beugte sich über den Tisch und sah ihn gespannt aus großen Augen an, wobei sie fast direkt in seinem Gesicht landete.
„Es gäbe da vielleicht etwas das er wirklich gerne haben möchte. Wir haben uns nach der Feier zu seiner Ernennung zum Paladin noch etwas unterhalten, alleine. Dabei hat er auch die Gelegenheit genutzt um, ähm, mich aufzuklären über seine Freundin.“ Luca brach ab. Kurz musterte er Aleyandra eindringlich und dann wurde ihm bewusst, dass es peinlich werden könnte Aleyandra ein Geschenk vorzuschlagen, das sie Naruz gar nicht machen konnte. „Ich finde übrigens das er einen sehr guten Fang gemacht hat, könnte mir keine bessere Freundin für meinen kleinen Bruder vorstellen als ein hübsches Mädchen aus Vo Astur, die weißen Haare fand ich schon immer toll.“
„Wenn du meinst.“ murmelte Aleyandra und wusste nicht wirklich was sie damit anfangen sollte. Schleimte er nur oder meinte er es ernst? Sie entschied sich insgeheim für ersteres, aber das war jetzt sowieso egal, es gab wichtigeres worum sie sich kümmern musste. „Aber lenke jetzt nicht vom Thema ab! Sag mir was Naruz will! Was ist es, das er mehr als alles andere möchte? Welches Geschenk kann ich ihm machen um ihm zu zeigen das ich ihn besser kenne als alle anderen? Bitte, sag es mir!“
„Du meinst abgesehen davon mit dir zusammen zu sein?“ versuchte Luca es doch noch irgendwie rauszubringen, auch wenn er böse Vorahnungen hatte „Na schön, wenn du es unbedingt wissen willst, dann sage ich es dir halt. Aber du musst versprechen Naruz niemals von dieser Unterhaltung zu erzählen. Er hat mir das im Vertrauen gesagt, verstanden?“
„Ja, ja, alles was du willst aber sag es mir endlich!“
„Naja...ich weiß nicht ob es so gut wäre das auszusprechen und...“
„Du musst es mir sagen! Sofort! Bitte! Ich flehe dich an, sag es mir!“
„Also...ähm, ich weiß nicht genau wie ich es beschreiben soll...oh ich weiß! Die Armani! Die Armani haben extra ein Wort dafür, vielleicht reicht das ja damit du weißt worum es geht.“
„Das dürfte kein Problem sein, immerhin habe ich ja meine Übersetzerin dabei, richtig Saeca? Du kannst alles übersetzen, egal was es ist.“
„Natürlich.“ behauptete Saeca stolz und nickte zuversichtlich. Endlich wurde sie in diesem Gespräch gebraucht! Sie hatte schon angefangen sich zu fragen, warum sie überhaupt hier war.
„Na schön.“ erklang es leise und wenig begeistert von Luca, der sich innerlich gerade verfluchte. Das wäre seine Gelegenheit gewesen sich rauszureden, aber andererseits war es naiv von ihm gewesen anzunehmen das Saeca ihre eigene Sprache nicht verstand. Naruz hatte erwähnt das sie eine Armani war, was Luca anfangs noch spannend und interessant gefunden hatte...bereitete ihm aber im Moment nur noch Unbehagen. „Also, das was Naruz sich am meisten wünscht und was er gerne hätte wäre ein ähm...ein...“ Luca seufzte verzweifelt und gab es auf, Aleyandra ließ ihm keine Wahl, keinerlei Fluchtmöglichkeit. Er könnte höchstens versuchen wegzurennen, aber sie wirkte als würde sie ihm folgen und zwar für den Rest seines Lebens. „Naruz will etwas, das sich Paizuri nennt.“
Kaum das Luca ausgeredet hatte, wandte Aleyandra sich erwartungsvoll an die Armani, damit diese übersetzte. Aber dazu sollte es nicht kommen, denn sehr zu ihrer Überraschung, starrte Saeca den Bladelli aus großen Augen an und das Blut schoss ihr ins Gesicht. Aleyandra blinzelte verblüfft, so peinlich berührt hatte sie die Armani nicht mehr erlebt seit dem Kuss. „Was ist mit dir, Saeca? Was bedeutet dieses Peisurie denn jetzt? Ich muss es wissen! Ansonsten kann ich es Naruz nicht schenken und wenn mein Geschenk nicht das beste ist dann...dann ist alles verloren!“
„E-e-es i-i-ist...es...Naruz will...“ stammelte Saeca vor sich hin und knurrte Luca plötzlich zornig an, weil er sie in so eine Situation gebracht hatte. Wenn er ihr half, konnten sie immerhin einfach lügen...ja, eine kleine Lüge war jetzt genau das was sie brauchten. „Es ist ein mysteriöses Tier aus einer unserer alten Sagen. Irgendeine Art Kuh oder so, nichts besonderes, aber es existiert eh nicht, sondern ist nur eine Legende. Also kannst du es Naruz nicht schenken und wir vergessen das ganze einfach, ja?“
„Eine Kuh? Warum sollte Naruz sich eine Kuh wünschen?“ fragte Aleyandra verwirrt, aber dachte im selben Augenblick schon ernsthaft darüber nach woher sie so eine seltene Kuh bekam, oder generell irgendeine Kuh.
Luca seufzte genervt, als er die beiden betrachtete und entschied sich dazu es einfach hinter sich zu bringen. Was wollte Aleyandra schon tun? Ihn erschießen? „Paizuri ist etwas, das ihr machen könnt, wenn ihr zusammen schlaft. Es ist wie...ähm, keine Ahnung. Als würdest du ihn mit deinem Mund verwöhnen, nur benutzt die Frau dafür ihre Brüste. Verstehst du jetzt was ich meine?“
„Mhm.“ Aleyandra lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und dachte angestrengt nach. Sie ging im Kopf alles durch was sie jemals mit Naruz gemacht hatte und was nicht...und dann wusste sie plötzlich was er meinte. „Oh...Oh! S-so etwas will Naruz? W-wirklich?“
„Das hat er mir zumindest gesagt.“ bekräftigte Luca und rief sich vorsichtshalber seinen neuen Schutzzauber ins Gedächtnis, für den Fall, dass sie gleich explodierte.
„A-aber...i-ich...k-k-kann...“ Aleyandras Blick wanderte kurz ihren Körper hinunter und sie lief im Bruchteil einer Sekunde rot an. Dieses Paizurizeug klang nicht unbedingt nach etwas wozu sie derzeit in der Lage war. Aleyandra versuchte ihre Verlegenheit mit einem lauten Räuspern zu überspielen und ihre Stimme zitterte sogar nur ein ganz kleines bisschen sobald sie weitersprach. „Verstehe, danke sehr Luca. Ich ähm i-ich glaube aber dieses Geschenk ist etwas zu...teuer für mich.“
„Lass mich dir einen kleinen Ratschlag geben, Aleyandra.“ sagte Luca in versöhnlichem Tonfall „Hör auf dir so viel Stress wegen Naruz Geburtstag zu machen, das ist nicht nötig. Alles was er will, bist du, und das kannst du ihm leicht schenken. Sei einfach nur für ihn da und bleibe immer bei ihm. Er liebt dich wirklich über alles und du brauchst ihm nichts zu schenken.“
„Das weiß ich.“ flüsterte Aleyandra leise vor sich hin und sah ihn plötzlich mit Tränen in den Augen an, auch wenn er keine Ahnung hatte womit er es geschafft hatte sie fast zum weinen zu bringen. Hatte er schon wieder irgendetwas falsches gesagt? Vermutlich... „Aber ich will ihm zeigen dass ich ihn genauso liebe und der Geburtstag ist perfekt dafür. Mein Geschenk soll ihn alles vergessen lassen was in letzter Zeit passiert ist. Bitte, hilf mir dabei ein Geschenk für deinen Bruder zu kaufen. Bitte.“
„Na schön, wenn du meinst.“ murmelte Luca und jetzt war es an ihm verlegen zu sein, während sie ihren niedlichsten und verletzlichsten Blick aufsetzte. Jetzt konnte er verstehen wieso Naruz bei ihr schwach wurde, wenn sie einen so ansah, musste man einfach auf sie zurennen und sie tröstend umarmen. „Ich habe sowieso dank meinem Großvater viel zu viel Geld und weiß nicht was ich meinem Bruder schenken soll. Du musst mir nur sagen wie viel du haben willst.
„Danke! Wenn ich jemals etwas für dich tun kann, dann lass es mich wissen.“
„Da gäbe es etwas.“ begann Luca sofort und ohne lange nachzudenken, er hatte es nicht gerne wenn Leute glaubten ihm etwas schuldig zu sein „Ich bin furchtbar darin Geschenke zu machen, aber ich versuche mich zu bessern und hoffe, dass wir uns auch bald besser verstehen können. Es würde mir helfen, wenn du mir sagen könntest was du dir wünscht und natürlich wann du Geburtstag hast, damit ich...“
„Tut mir leid, aber das kann ich nicht.“
„Warum nicht?“ fragte Luca misstrauisch nach. Eigentlich hatte er gehofft dass sie sich jetzt besser verstanden, aber wenn sie ihm nicht einmal ihren Geburtstag verraten wollte, dann hatte er sich vielleicht geirrt. Als sie nach einer Weile noch immer nicht antwortete, seufzte er enttäuscht und fuhr etwas gereizt fort. „Schon gut, du musst es mir nicht sagen wenn du nicht willst. Dann halt nicht, ich dachte nur es wäre eine schöne Idee und...“
„Ich weiß es nicht.“ unterbrach Aleyandra ihn leise und als sie deprimiert den Boden anstarrte, kuschelte Saeca sich plötzlich an sie, als wäre sie eine flauschige, kleine Katze die versuchte jemanden zu trösten „Ich weiß nicht wann mein Geburtstag ist, sondern habe jedes Jahr einfach irgendeinen Tag festgelegt an dem mein Geburtstag sein sollte. Dann bin ich immer zum Bäcker in Helonia geschlichen und habe mir unter Lebensgefahr ein Stück Kuchen oder etwas Gebäck geklaut. Danach konnte ich mich eine ganze Woche nicht in der Stadt sehen lassen, aber das hatte sich gelohnt.“ sie hob den Kopf und sah ihn mit einem gezwungenen Lächeln an, während sie Saeca durchs Haar fuhr „Die Feier nächste Woche, wird die erste Geburtstagsfeier sein, zu der ich jemals eingeladen wurde und ich will das alles perfekt wird, aber vor allem möchte ich Naruz nicht schon wieder blamieren oder enttäuschen. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht wie dein Bruder mich überhaupt ertragen kann. Ich mache ihm nichts als Ärger und stehe ihm meistens nur im Weg, obwohl er es verdient hat glücklich zu sein.“ Aleyandra wusste nicht warum sie plötzlich so ehrlich war und Dinge zu Luca sagte, die sie normalerweise höchstens mit Saeca besprach. Vermutlich lag es daran, dass er Naruz so ähnlich sah und gleichzeitig doch nicht Naruz war. „Es tut mir wirklich leid, ich würde dir deine Frage gerne beantworten, aber ich...ich weiß die Antwort nicht.“
„Verzeihung, ich wollte dich damit nicht in Verlegenheit bringen.“ murmelte Luca, und nahm sich vor von Naruz bald einmal die ganze Geschichte dieses seltsamen Mädchens zu erfahren. „Aber es gefällt mir trotzdem nicht dass du mir etwas schuldig bist und es gibt sicher irgendetwas, was du für mich tun kannst. Mal überlegen...ich könnte dir noch mehr Geld geben und wir teilen uns das Geschenk. Wie wäre es damit? Dann kannst du ihm kaufen was immer du willst und ich muss mir nicht den Kopf darüber zerbrechen was ich meinem kleinen Bruder schenken muss. Wäre das etwas?“ schlug er vor und fand diese Idee schon etwas besser, fast schon genial.
„Das wird nicht möglich sein befürchte ich. Mein Geschenk ist etwas sehr persönliches, tut mir sehr leid.“
„Darf ich wenigstens wissen was du ihm schenken wirst?“
„Ähm, kennst du diese magischen...Tafeln? Du weißt schon, diese Tafeldinger mit denen man Bilder machen kann.“ begann Aleyandra und sofort färbten sich ihre Wangen wieder rosa, als sie an die Idee dachte die ihr gerade im Kopf umherschwirrte. Sie hatte so etwas noch nie benutzt, aber es hieß, man brannte praktisch die Erinnerung an das Bild in die Tafel ein und dort blieb sie dann für immer bestehen, so kräftig und realistisch als wären die Bilder direkt aus ihrem Kopf auf die Tafel gesprungen. Für das was sie plante, würde sie allerdings einen Spiegel brauchen und zwar einen großen Spiegel...am besten gleich mehrere. „Jedenfalls, ich möchte einige davon kaufen und dann ein paar...besondere Bilder für Naruz machen. Die sollen für seine Reisen sein, damit er etwas hat das ihn an mich erinnert und ihn...ihn davon abhält anderen Frauen nachzusehen.“
„Oh...“ machte Luca und wandte räuspernd die Augen ab. An so einem Geschenk konnte er sich wirklich nicht beteiligen, das würde vielleicht ein wenig seltsam wirken. Vor allem da er sich an Aleyandras hochrotem Gesicht lebhaft vorstellen konnte was für Bilder das waren. Außerdem hatte er so seine Zweifel dass es das perfekte Geschenk für seinen Bruder wäre, aber andererseits hätte er auch niemals Aleyandra für dessen feste Freundin gehalten. Möglicherweise kannte er Naruz Geschmack doch nicht so gut wie er es sich einbildete. Aber egal wie Naruz die Bilder gefallen würden, es änderte nichts daran das er damit weiterhin ohne Geschenk und ohne die geringste Idee dastand. Wenn es so weiter ging musste er Lyaena darum bitten mit ihm einkaufen zu gehen, allerdings benahm die Akashi sich in letzter Zeit etwas seltsam.
„Aber es ist noch fast eine Woche bis zu Naruz Geburtstag!“ rief Aleyandra plötzlich voller Tatendrang und versuchte ihre Verlegenheit zu überspielen, indem sie sich voll und ganz auf Lucas Problem stürzte „Ich werde dir helfen ein Geschenk zu finden so gut ich kann, das schwöre ich!“



Später in der Nacht, beobachteten zwei Gestalten von einem nahen Hausdach wie Saeca und Aleyandra sich an der Haustür von Luca verabschiedeten. Mindestens einem von ihnen kribbelte es in den Fingern und am liebsten würde er sofort auf die Straße springen um dem Bladelli den Kopf abzuschlagen. Aber stattdessen wandte Severin sich vorsichtig an seine Schwester, welche den Bladelli eingehend musterte und unsicher auf ihrer Unterlippe kaute während sie nachdachte. „Was meinst du, können wir ihn besiegen?“ fragte er und hoffte sie nicht bei ihren Überlegungen zu stören, von ihrem Urteil über den Feind hing ab wie es weitergehen würde.
„Er ist stark, aber seine Stärke ist einfach und simpel. Ich habe mich bei unseren Freunden von der Kirche über ihn informiert. Luca setzt auf simple Explosionsmagie, die nicht mit uns mithalten kann. Die Schilde anderer Magier kann er damit vielleicht zerschmettern, aber meine Schmetterlinge wird er damit nicht beeindrucken.“ erwiderte Severina vorsichtig. Sie wollte ihm nicht zu viel Mut machen, aber gleichzeitig konnte sie keine besonders starke magische Macht in Luca spüren. Oh er war stark, daran bestand für sie kein Zweifel, aber nicht auf eine unheimliche und übertriebene Art und Weise, so wie dieser Inquisitor. Der hatte ihr wirklich Angst eingejagt, Luca dagegen, war zwar gut, aber nicht unbesiegbar.
„Also denkst du das wir eine Chance haben?“ unterbrach Severin sofort ihre Gedanken und klang dabei so aufgeregt wie ein kleines Kind dem man Süßigkeiten versprochen hatte. Eigentlich wäre sie niemals hierhergekommen, um Luca Bladelli auszuspionieren, sondern hätte alles daran gesetzt ihn von seinem Plan abzubringen. Ein Kampf gegen den Erben der Bladelli war nicht gut, egal wie er ausging, aber jetzt war alles so...anders. Früher konnte sie ihm Befehle erteilen und ihn rumkommandieren, aber seit sie ein Paar waren, fühlte sie sich nur noch als wäre sie ein Spielball ihrer Gefühle. Sobald er sie anlächelte und küsste, schaltete ihr Gehirn sich ab und sie stimmte allem zu was er sagte. Sie wollte ihn nicht enttäuschen, sondern ihn plötzlich in all seinen dämlichen Plänen unterstützen, damit er glücklich war.
„Vielleicht haben wir die.“ meinte Severina vorsichtig und wäre fast vom Dach gefallen, als er sie stürmisch umarmte. Die Rache an Luca schien ihm sehr wichtig zu sein und ehrlich gesagt, war sie das für sie auch inzwischen. Severin hatte recht, Norena war eine von ihnen gewesen und es wurde Zeit sie zu rächen. Außerdem hatte Luca sich an Mitgliedern der Akashi vergriffen und auch wenn sie keine Akashi mehr waren, würde Severina alles tun um ihre Familie zu verteidigen. „Ich habe einen Plan.“ eröffnete sie ihrem Bruder plötzlich und sofort hing er an ihren Lippen „Der Plan ist so simpel und einfach, dass selbst du ihn verstehen kannst, das verspreche ich dir. Wir werden ihn plötzlich und aus dem Hinterhalt angreifen, mit allem was wir haben.“
„Das ist dein ganzer, genialer Plan?“ fragte Severin enttäuscht und ließ sie los, sobald er sich von ihr trennte, fühlte sie einen tiefen Schmerz in ihrer Brust und dabei standen sie noch immer direkt nebeneinander. Auch das wurde immer schlimmer. Früher, hatten sie einander nur vermisst sobald sie sich nicht im selben Raum aufhielten, aber jetzt drehten sie schon durch wenn sie sich nicht mehr berührten. Severinas Hand schloss sich sanft um seine und sofort ging es ihr wieder besser. Auch er lächelte, obwohl ihm die Enttäuschung über den Plan noch immer ins Gesicht geschrieben stand.
„Ich sagte es ist ein simpler Plan, kein genialer. Ein genialer Plan würde dich nur verwirren und am Ende geht alles schief, ich kenne dich oder hast du das schon vergessen? Aber wie auch immer, das ist nicht der ganze Plan.“ erklärte Severina vorsichtig. Das was folgte, musste sie ihm so schonend wie möglich beibringen, ansonsten glaube er noch dass sie an seiner Stärke zweifelte und dann war eh alles verloren. Er würde dann einfach jetzt sofort Luca angreifen, nur um zu beweisen das er recht hatte und besser war als der Bladelli. „Wir haben eine Chance, aber ich kann ihn noch immer nicht ganz genau einschätzen. Dieser erste Angriff wird nur dazu da sein seine Kräfte zu testen. Ist er zu mehr in der Lage als wir denken, müssen wir uns vielleicht zurückziehen, wenn nicht, dann stirbt er an dem Angriff und alles ist gut. Aber wenn er sich als zu stark herausstellt, dann rennen wir. Der Mann ist ein Monster, er hat Hunderte umgebracht und wird auch bei uns nicht zögern, verstanden?“ als Severin widerwillig nickte, atmete sie erleichtert auf „Also dann, wollen wir los und ihn uns schnappen? Er ist jetzt alleine.“
„Noch nicht, nicht heute. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt.“
„Warum nicht? Ich dachte du kannst es kaum noch erwarten ihn zu erledigen!“ fragte sie verblüfft und sah ihn ungläubig an. Ausgerechnet er war auf einmal der zurückhaltende von ihnen? Das sollte mir zu denken geben, schoss es ihr fast schon panisch durch den Kopf. Eigentlich war sie hier die einzige, die noch in der Lage war klar zu denken.
„Wir brauchen noch mehr Zeit. Nicht unbedingt um uns auf ihn vorzubereiten, aber auf das, was danach folgen wird.“ Severin verdrängte Luca aus seinen Gedanken und konzentrierte sich auf das was wirklich wichtig war. Sanft küsste er sie leicht auf die Lippen und sah ihr in die Augen. „Egal wie der Kampf für uns läuft, der Einsatz von so viel Magie mitten in Navea wird nicht unbemerkt bleiben, sondern für Aufsehen sorgen, selbst wenn wir mitten in der Nacht zuschlagen wird es jeder halbwegs begabte Magier in der Stadt spüren.“
„Vielleicht sollten wir uns dann ein sicheres Versteck suchen und...“
„Nein, das wird nicht nötig sein. Wir brauchen nur einen Ort der für eine Weile sicher ist, damit wir dort unsere Sachen verstauen können solange wir mit Luca beschäftigt sind. Sobald er erledigt ist...“
„Oder wir weggerannt sind weil er zu stark für uns ist.“
„Sobald er erledigt ist oder wir weggerannt sind weil er zu stark für uns ist,“ korrigierte er sich mit einem leisen knurren, bei dem Severina sich ein Lachen verkneifen musste „werden wir uns nicht länger mit diesem Ort aufhalten, sondern aus Navea verschwinden.“
„W-wir verlassen Navea? Wirklich?“
„Natürlich, uns hält hier nichts mehr und wir leben hier sowieso nicht. Wenn wir hierbleiben, riskieren wir nur für den Mord am Erben der Bladelli geschnappt und hingerichtet zu werden, vor allem da unser Onkel uns ganz sicher nicht mehr den Rücken stärken wird.“
„Silberblatt auch nicht.“ murmelte sie vor sich hin, als sie ihre Optionen und die Liste ihrer Verbündeten durchging, wobei sie feststellen musste, dass es keine Verbündeten mehr gab „Wenn er davon erfährt, muss er sich sofort von uns lossagen. Selbst wenn er uns helfen will, wird ihm keine andere Wahl bleiben, ansonsten fällt der Verdacht auf ihn und jeder denkt er hat seine Kinder Gaias auf Luca angesetzt. Das würde das Ansehen unseres Ordens vollkommen zerstören.“
„Ach ja, von dem Orden werden wir uns wohl auch verabschieden müssen.“
„W-was?“
„Ich sagte doch gerade das wir verschwinden, oder?“
„Aber ich dachte wir machen es so wie vorher!“ begehrte Severina auf und es war ihr egal das sie vermutlich gerade die ganz Straße mit ihrem Geschrei aufweckte „Wir reisen durch das Land und warten darauf das Silberblatt uns wegen eines neuen Auftrags kontaktiert! Ich dachte alles würde so bleiben, warum sollten wir das jetzt ändern?“
„Ich weiß, und es tut mir leid ihn enttäuschen zu müssen, aber letztendlich ist es für den Orden sowieso am besten wenn wir sämtlichen Kontakt zu ihm abbrechen. Wenn wir unseren Plan wirklich durchziehen, dann darf es keine Verbindung mehr zwischen uns und Silberblatt geben. Aber das ist nicht der Hauptgrund, der Hauptgrund, bist du, Severina.“
„Was meinst du damit?“
„Das Kyosuke uns verstoßen hat, geht dir noch immer Nahe.“
„Nein, das tut es nicht! Es ist mir vollkommen egal und ich...“ doch bevor sie sich weiter etwas vorlügen konnte, legte er sachte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen und lächelte sie verständnisvoll an.
„Du brauchst mich nicht anzulügen, Schwester.“ er zwang sich zu einem schwachen Lächeln, als er sah wie sie erschrocken zusammenzuckte als er sie nicht wie sonst mit ihrem Namen ansprach. Normalerweise taten sie so etwas nie, nicht einmal in der Zeit bevor sie ein Paar wurden. „Mir ist es egal das wir keine Akashi mehr sind, die Familie konnte mir schon immer gestohlen bleiben und ich bin ehrlich gesagt froh nie wieder etwas mit ihnen zutun haben zu müssen. Aber du bist anders. Du hast viele Freunde in unserer Familie, du verstehst dich mit Lyaena und den meisten anderen und sie mögen dich. Ich kenne dich, und du hast immer gehofft eines Tages von der Familie akzeptiert zu werden und vielleicht etwas Land zu erben, oder für die Familie zu arbeiten.“
„Ach ja, habe ich das? Kyosuke hat es mir andauernd angeboten, aber habe ich es jemals angenommen? Nein! Habe ich nicht! Und das obwohl es mir angeblich so wichtig sein soll.“
„Ich weiß. Du hast es abgelehnt, weil Kyosuke mir niemals so etwas angeboten hat und dafür bin ich dir dankbar. Und jetzt, werde ich alles dafür tun, dass du bekommst was du immer wolltest. Wenn die Akashi uns nicht mehr haben wollen, dann gründen wir halt unsere eigene Familie. Irgendwo weit weg von Navea, in einem kleinen, beschaulichen Städtchen in dem niemand uns kennt, in dem man mit dem Namen Akashi nicht einmal etwas anfangen kann. Im Norden gibt es hunderte solcher Orte und wir werden sicher einen finden an dem es uns gefällt...uns, und unseren Kindern natürlich.“
„W-was? K-k-kinder?“
„Ich ähm...ich dachte das ist es was du willst.“ murmelte er und ließ den Blick gedankenverloren über die Dächer von Navea schweifen. Er hatte mit überschwänglicher Freude gerechnet, aber vielleicht kannte er sie doch nicht so gut wie er immer behauptete. Vielleicht hatte sie auch einfach nur Angst. Immerhin war Inzest aus gutem Grund verboten und geächtet. Severin war sich allerdings sicher, das man die Auswirkungen auf ihre Kinder schon irgendwie mit genug Magie auf ein Minimum reduzieren könnte. Er gab es nicht offen zu, aber in den letzten Jahren hatte er sich möglicherweise etwas zu oft Gedanken darüber gemacht wie sein Leben mit seiner Schwester aussehen würde sobald sie erst einmal ein Paar waren. Severin hatte sich sogar schon bei einigen Heilmagiern informiert, so subtil und unauffällig wie möglich, und war sich sicher das alles gut würde. Bei diesen Gedanken fragte er sich, ob Severina ebenfalls schon Pläne für sie beide bereitliegen hatte, für ihn jedenfalls war es schon immer klar gewesen das sie so enden würden. Er räusperte sich kurz, als er merkte das seine Pause immer länger wurde und Severina ihn die ganze Zeit sprachlos anstarrte. „Eine neue Familie, eine die wir selbst gründen werden und die nichts mehr mit den Akashi zu tun hat. Wir werden dort ein ganz gewöhnliches Leben leben. Keine Aufträge mehr, kein Ärger mit unserem Onkel, keine Diebstähle. Nur wir, und unsere Familie.“ Severin brach ab und kratze sich mit einem verlegenen Lächeln am Kinn, er klang durchgeknallt. Selbst er konnte sich nicht vorstellen wie sein Leben als einfacher Familienvater ablaufen würde, doch er wusste das es das war was Severina wollte, ein gewöhnliches Familienleben. „A-aber wenn du der Meinung bist dass wir lieber zu Zweit bleiben sollten und keine Kinder brauchen, dann ist das auch in Ordnung. I-ich wollte dir eigentlich damit auch nur sagen das ich dafür bereit wäre, falls du es willst. Falls nicht, dann lassen wir es einfach und...“
Bevor er weiterreden konnte, sprang Severina plötzlich auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. „Ich liebe dich.“ hauchte sie ihm ins Ohr und drückte sich so fest sie konnte an ihn. Überrascht legte er nach einer Weile seine Arme um Severina und lächelte, er hatte sich also doch nicht geirrt. „Aber wir müssen uns gut vorbereiten und wir brauchen Geld, viel Geld, denn ich habe keine Ahnung ob du zu einer richtigen Arbeit in der Lage bist.“ lachend löste sie sich von ihm und ihr Grinsen wurde nur noch breiter, als sie den empörten Ausdruck im Gesicht ihres Bruders sah.
„Hey! Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“ rief er beleidigt und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
„Es heißt, dass wir beide nichts anders gut können, als zu Stehlen und damit werden wir nicht weit kommen sobald wir sesshaft sind. Außerdem werden wir das Geld brauchen, um ein Haus zu kaufen und f-f-für u-unsere K-kinder.“ unsicher brach Severina ab und legte eine kurze Pause ein, das alles klang einfach zu unwirklich für sie, zu seltsam und vor allem viel zu gut. War es wirklich so einfach sich ihrem Onkel zu widersetzen und vor den Akashi zu flüchten? Wenn ja, dann hätten sie das schon viel eher tun sollen. „Sie sollen alles haben was sie wollen und wenn wir die ganze Zeit von einem Diebstahl zum nächsten flüchten, wäre das kein Leben für sie oder für uns.“
„Ich weiß, deswegen habe ich ja gesagt das wir noch etwas Zeit brauchen bevor wir uns Luca schnappen. Aber du hast mich so abgelenkt, das ich vergessen habe zum Punkt zu kommen.“ erklärte Severin besserwisserisch, der vermutlich zum ersten mal in seinem Leben so etwas wie einen Plan gemacht hatte und darauf unglaublich stolz war „Wir greifen den Bladelli erst an, sobald wir genug Geld für unser neues Leben gestohlen haben. In den nächsten Tagen werden wir so viel stehlen wie wir können, überall einbrechen wo wir schon immer mal einbrechen wollten, ohne uns noch Gedanken über die Konsequenzen machen zu müssen, denn bis sich jemand auf unsere Spur heften kann, werden wir eh weg sein. Vielleicht sollten wir auch dein neues Ballkleid wieder verkaufen, du brauchst es ja nicht mehr und hast es höchstens fünf Minuten getragen.“
„Wehe du rührst mein Kleid an, verstanden?“ wehrte Severina mit einem hellen Lachen ab und fühlte sich plötzlich so frei und erleichtert. Ihr Bruder hatte recht. Wenn sie sowieso niemals wieder nach Navea kamen, dann konnten sie sich auch nehmen was immer sie wollten. „Aber vergiss bitte nicht, Severin.“ mit einem Schlag wurde sie todernst, ihr Lächeln verblasste und ein flehender Unterton schlich sich wie von alleine in ihre Stimme, als sie daran denken musste wie viel bis zu ihrem glücklichen Leben noch alles schief gehen konnte „Wir greifen Luca mit allem an was wir haben, aber falls das nicht funktioniert, ziehen wir uns sofort zurück. Hast du mich verstanden?“
„Ja, ja.“
„Severin!“
„Schon gut. Ich habe es verstanden. Keine Alleingänge, kein Risiko eingehen. Falls er zu stark ist verschwinden wir einfach wieder und hauen aus der Stadt ab, so wie geplant.“ erklärte er widerwillig, auch wenn er sich noch immer dagegen sträubte. Er konnte doch nicht einfach die Stadt verlassen ohne diesen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen! Es war seine Pflicht die Welt von diesem Abschaum zu säubern und Norena und die Ehre ihres Großmeisters zu rächen.
„Sobald ich den Rückzug befehle, wirst du ohne zu zögern abhauen?“
„Das werde ich.“ schwor Severin, wobei er sich Mühe gab wirklich überzeugend und ehrlich zu klingen, obwohl es ihm nicht leicht fiel „Sieh mich nicht so an! Ich schwöre es, wirklich. Wenn unser erster Angriff fehlschlägt und du sagst er ist zu stark für einen längeren Kampf, dann rennen wir. Du weißt doch ganz genau, dass ich dir überall hin folgen würde. Wenn es so weit ist hänge ich mich einfach an deinen hübschen Hintern und folge dir bis ans Ende der Welt.“
Bei diesen Worten begann Severina eine Weile sinnlos zu stammeln und lief rot an. Obwohl sie jetzt ein Paar waren, kam sie noch immer nicht damit klar wenn er so etwas sagte und hatte keine Ahnung ob sie sich jemals daran gewöhnen konnte „V-versprochen?“
„Versprochen. Habe ich jemals nicht auf dich gehört? Während eines Kampfes meine ich natürlich.“ schränkte Severin sofort grinsend ein.
„Mhm, ich denke nicht. Wenn ich mich richtig erinnere hast du mich zumindest während unserer Kämpfe noch nie enttäuscht, aber auch nur da.“
„Nur da?“ mit einem lüsternen Lächeln ging er auf Severina zu und legte seine Hände um ihre zierlichen Hüften „Mir fällt mindestens ein anderer Ort ein, an dem ich dich noch niemals enttäuscht habe.“
„Pff, nach nur zwei mittelmäßigen Nächten gleich so eine große Klappe. Genau wie erwartet. Lächerlicher Angeber.“ murmelte sie so überlegen wie es ihr möglich war, während sie alleine bei der Nähe zu ihm schon anfing am ganzen Körper vor Freude zu zittern.
„Dann lässt das hier dich also völlig kalt?“ fragte er neugierig und gab ihr plötzlich einen langen, leidenschaftlichen Kuss, während seine Hände über ihren Körper wanderten.
„S-so k-kalt wie ein Eisberg. Es ist als w-wärst du gar nicht d-da.“ behauptete sie stotternd, aber als er ihren Umhang löste und begann mit seinen Händen unter ihr Hemd zu fahren, war endgültig alles verloren und sie erwiderte seine Küsse mit der gleichen Leidenschaft.
„Ich liebe dich.“ flüsterte Severin glücklich. Im nächsten Moment lagen sie auf dem Dach und schienen sich keine Sorgen darum zu machen das unter ihnen ihre Kleider in den dunklen Gassen und Straßen von Navea für immer verschwanden.



Am gleichen Abend, saß Naruz in seinem Zimmer an seinem Schreibtisch und beugte sich müde über einen Haufen Akten und Papiere. Langsam wusste er wie Silberblatt sich fühlen musste, nur mit dem Unterschied das er wenigstens an etwas vernünftigem arbeitete und zwar wirklich arbeitete. Eigentlich arbeitete er mit den anderen in der Bibliothek, aber Aynaeth wollte ihre Ruhe beim schlafen, also hatten sie ihre Arbeit irgendwann im Laufe des Abends hierher verlegt. Aber sie alle hatten schon vor Stunden aufgehört zu arbeiten und waren gegangen. Alle waren gegangen, außer natürlich Theresia. Obwohl es für heute nichts mehr wirklich zu tun gab und Naruz sie schon einige Male aufgefordert hatte endlich Feierabend zu machen, erfand die Akashi einen lächerlichen Vorwand nach dem anderen um bei ihm zu bleiben. Missmutig hob er den Kopf, als er hörte wie sie schon wieder durch die Gegen polterte. Theresia sprang in einer hauchdünnen, praktisch durchsichtigen, weißen Bluse und einem viel zu kurzen schwarzen Rock durch das Zimmer und tat so als würde sie arbeiten. Naruz dagegen, der wirklich arbeiten wollte, wurde immer wieder von ihr abgelenkt, denn so sehr er es auch versuchte sie zu ignorieren, sobald Theresia sich bewegte, wanderten seine Augen wie von alleine in ihre Richtung. Die halbgeöffnete, dünne Bluse, der Rock, welcher ihr knapp bis den Oberschenkeln ging. Das alles war noch halbwegs erträglich solange sie sich nicht von der Stelle rührte, aber sobald sie begann durch das Zimmer zu hüpfen um nach irgendwelchen Büchern oder Papieren zu suchen...ab diesem Zeitpunkt war jede Hoffnung verloren und Naruz musste einfach nachgeben. Jeden Moment könnte sie ihre lose, viel zu leichte Bekleidung verlieren, sie musste nur dumm genug fallen und er traute es ihr zu so dumm zu fallen das sie am Ende nackt auf seinem Schreibtisch landete. Er begann sogar verträumt zu lächeln, als er daran denken musste wie Theresia ungefähr fünf Minuten etwas unter seinem Bett gesucht hatte. Das waren fünf Minuten gewesen, in denen er kein einziges mal an seine Arbeit denken konnte. Durch diese Szene wusste er aber immerhin, dass sie sich unter dem Rock genauso gewagt anzog wie darüber. Ob Aleyandra ihn für diese Blicke auch schon umbringen würde? Gut möglich, und genau deswegen nervte ihn das alles hier so sehr, deswegen, und weil er seine Arbeit für die Schattenjäger ernst nahm. Wenigstens eines hatte sein Streit mit Aleyandra bewirkt: Er gab sich jetzt noch mehr Mühe bei seinen Vorbereitungen. Sie hatte zwar unrecht, aber trotzdem bestand die Möglichkeit das seine Einheit aufgerieben und vernichtet wurde, aber das würde er nicht zulassen. Als ihr Anführer, oblag es ihm sie am Leben zu erhalten und dafür zu sorgen das sie erfolgreich waren, aber das fiel ihm verdammt schwer, wenn die halbnackte Akashi wie eine Succubus die ganze Zeit durchs Zimmers rannte und ihn ablenkte. Wie sollte er sich da jemals konzentrieren! Langsam glaubte er das Kyosuke ihm Theresia nicht geschickt hatte damit sie spionierte, sondern um ihn zu Tode zu nerven.
„Willst du nicht langsam gehen?“ fragte er sie mit immer schlechterer Laune und diesmal ohne zu versuchen es ihr schonend beizubringen wie sehr sie ihm gerade auf den Geist ging, als sie sich gerade einen neuen Stapel Papiere krallte und mit dem ganzen Spielchen von vorne begann.
„Mhm, nein, ich denke nicht. Ich habe noch sehr viel zu tun. Aber warum gehst du nicht einfach, wenn dir meine Anwesenheit so sehr missfällt, Paladin? Du kannst mich ruhig alleine lassen bei meiner Arbeit, das ist kein Problem.“ fragte sie unschuldig und desinteressiert nach. Sie saß auf seinem Bett und hatte hunderte Papiere um sich herum ausgebreitet. Sie hätte das alles auch einfach näher an sich heranlegen können...aber dann wäre sie nicht mehr in der Lage sich so weit zu strecken und ihm noch tiefere Einblicke zu gewähren als er eh schon sehen konnte.
„Das hier ist mein Zimmer!“
„Mhm, tatsächlich? Gut zu wissen.“ murmelte Theresia und blätterte weiter in irgendwelchen Akten umher. Nach einer halben Ewigkeit, sah sie ihn an und erhob sich langsam von dem Bett, um auf seinen Schreibtisch zuzugehen. „Aynaeth hat mir erzählt, dass wir nächste Woche eine Party feiern.“
„Wir?“
„Jap, wir. Die Familie, die Freunde, alle gemeinsam hier in der Villa.“ plapperte Theresia unbekümmert weiter und ignorierte einfach mal das sie weder zur Familie, noch zu den Freunden gehörte und eigentlich nur hier war um ihm auf den Geist zu gehen.
„Aynaeth hat dir das gesagt, ja? Ich wusste gar nicht das ihr beide so gute Freundinnen geworden seid und das in nur...zwei Tagen.“
„Aynaeth sagt einem alles was man wissen will, solange man genug Süßigkeiten dabei hat, das erkennt selbst ein Blinder.“ erwiderte Theresia schulterzuckend. Man musste keine ausgebildete Attentäterin und Spionin sein um das herauszufinden „Aber vergessen wir die kleine Hexe lieber für einen Moment. Ich habe gehört, dass du an dem Tag Geburtstag hast, Senpai.“ mit einem erwartungsvollen Grinsen setzte sie sich auf die Kante seines Tisches und drehte sich so weit sie konnte zu ihm herüber. Während Naruz noch damit beschäftigt war auf ihre gut sichtbaren Schenkel direkt vor ihm zu starren, stützte sie ihr Kinn auf einer Hand ab und lehnte sich zu ihm herüber. Je weiter sie sich vorbeugte, desto mehr wurde Naruz abgelenkt von...von so ziemlich allem. In seinem Zimmer könnte im Moment eine Dämoneninvasion ausbrechen und er wäre trotzdem unfähig den Blick abzuwenden. „Du musst wissen, seitdem ich davon weiß, lässt mir dieser Gedanke keine Ruhe mehr. Ich möchte dir ein Geschenk machen, Senpai.“
„Was für eins?“ fragte er und riss sich endlich los, als er merkte wie offensichtlich er sie inzwischen anstarrte. Schnell richtete er seinen Blick auf ihr Gesicht und versuchte sich für ihre Stirn zu begeistern, auch wenn es seine Augen nicht davon abhielt wie von alleine immer mal wieder nach unten zu huschen.
„Es sitzt vor dir.“ hauchte sie verführerisch und inzwischen befand sich ihr Gesicht direkt vor ihm „Ich schenke dir einen Wunsch. Was immer du willst, sag es mir nur, und es wird in Erfüllung gehen.“
„Deine Verführungsversuche waren Anfangs noch ganz lustig,“ begann Naruz und rückte seinen Stuhl ein Stück zurück, weil es so aussah als würde Theresia gleich ´zufällig` vom Tisch fallen würde, und zwar direkt auf ihn drauf. „Aber inzwischen übertreibst du etwas, Theresia. Ich möchte mich auf meine Arbeit konzentrieren, verstanden?“
„Wirklich schade. Dann muss ich mir ein anderes Geschenk für dich ausdenken, aber wer weiß, vielleicht magst du es ja doch noch sobald du es erst einmal in deinen Händen hältst.“
„Du weißt das ich eine Freundin habe, oder?“
Theresia grinste bei diesen Worten breit, aber zog sich immerhin wieder ein Stück zurück. Jetzt saß sie wenigstens gerade auf dem Tisch, was es nicht viel besser machte, denn irgendwie hatten sich zufällig noch mehr Knöpfe an ihrer Bluse gelöst. „Und du, solltest nur wissen, dass ich jederzeit alles für dich tun würde, du musst mir nur einen Befehl erteilen und ich stehe bereit ihn ohne zu zögern auszuführen, Senpai. Das ist mein Geschenk an dich.“
„Um von mir zu erfahren wo sich der Schattenritter aufhält und meine Arbeit zu behindern?“ rutschte es Naruz heraus, der im Moment Mühe hatte überhaupt noch mit seinem Kopf zu denken.
„Um dich besser kennenzulernen.“ erwiderte Theresia mit einem plötzlichen Anflug von erfrischender Ehrlichkeit. Sie hatte schon lange kein Ziel mehr gehabt das sie so sehr wollte wie Naruz, auch wenn sie nicht wusste was es war das ihr an ihm so sehr gefiel. Vielleicht sein Hass auf Silberblatt oder die Haare, vielleicht auch die Tatsache das er als so junger Paladin, eines Tages die Chance hatte zum mächtigsten Mann innerhalb der Kirche zu werden. „Du bist interessant, Paladin, und ich mag interessante Männer. Leider sind meine sonstigen...Herren, sehr viel langweiliger und viel zu leicht zu durchschauen, aber in dir, steckt mehr als du den meisten hier zeigst oder vielleicht selber weißt und das gefällt mir. Ich denke gemeinsam könnten wir viel Spaß haben.“
„Danke, aber ich komme ganz sicher ohne eine Akashi in meinem Bett zurecht, nichts gegen dich, um ehrlich zu sein mag ich dich sogar, aber ich hänge an meinem Leben.“ Er versuchte sich unbeeindruckt zu geben, aber letztendlich fiel ihm das bei dem Anblick immer schwerer. Auch wenn er sich ihr gegenüber so abweisend verhielt, würde er ihr Angebot jederzeit annehmen, falls er alleine und frei wäre. Aber so, hatte er Aleyandra und er liebte sie, auch wenn ihm der Anblick gefiel. Wenigstens ansehen durfte er sie ja sicher...vielleicht sollte er sich bei Kyosuke für den Anblick bedanken? Naruz schüttelte sofort den Kopf und versuchte diesmal mit mehr Elan sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren, oder am besten gleich auf irgendetwas direkt hinter Theresia. „Außerdem habe ich wie gesagt eine Freundin und würde sie niemals betrügen, wie du ganz genau weißt, immerhin hast du mich sicher gründlich ausspioniert.“
„Ach, betrügen ist so ein hartes Wort.“ Theresia machte eine abfällige Handbewegung und ließ ein leises ´tz` hören „Du darfst es nicht so betrachten Senpai. Du würdest sie nur betrügen, wenn du dich in jemand anders verliebst, aber so würdest du nichts weiter tun als...ein Geschenk anzunehmen. Ein freundlich gemeintes Angebot. Außerdem, würdest du es ganz sicher nicht bereuen, das kann ich dir versprechen. Mein Geschenk wäre besser als alles, was du bisher erlebt hast.“
„Was meinst du?“ fragte Naruz zögerlich nach, seine Neugier zwang ihn dazu auf diese Frage einzugehen. Sie sagte das mit so einer Überzeugung und Selbstverständlichkeit, dass er einfach fragen musste. Entweder war sie sehr von sich eingenommen, oder wusste einfach wie großartig sie war. Nach allem was er bisher von ihr gesehen hatte, entschied Naruz sich für letzteres.
„Sagen wir einfach, es gibt deutliche Unterschiede zwischen einem niedlichen, kleinen Mädchen wie Aleyandra, deren gesamte Anziehungskraft von ihrem niedlichen Lächeln kommt, und einer richtigen Frau.“ Theresia strich mit zwei Fingern plötzlich ihren Hals entlang und sah zufrieden wie Naruz den Bewegungen folgte. Ihre Finger wanderten über die Wölbungen ihrer Brüste, immer weiter nach unten, bis sie an den Rand der halb offenen Bluse stießen und den Stoff dabei noch weiter zur Seite drückten. Verführerisch fuhr sie fort, während ihre Finger so taten als würden sie sich bemühen die Bluse zuzuknöpfen, während sie dabei nur mit jeder Bewegung noch mehr Haut freilegte „Sag nur ein einziges Wort und ich werde alles für dich tun, egal was du willst. Ich bin verschwiegen und kann das ein oder andere Geheimnis für mich behalten, vor allem wenn es mir gefällt und ich glaube das wird es.“
„Und ich habe es satt mich dauernd zu wiederholen.“ zischte Naruz ungehalten und starrte sie durchdringend an, in der Hoffnung das sie endlich verschwand. Er war nicht wirklich wütend auf sie, sondern eher darauf, dass er ihr so lange zuhörte.
„Wie du meinst, ich will dich nicht zu deinem Glück zwingen, Paladin.“ erwiderte Theresia achselzuckend und inzwischen war auch der letzte Rest an Unschuld von ihr abgefallen. Enttäuscht musterte sie ihn eine Weile mit einem abfälligen Lächeln. Anscheinend hatte sie sich in ihm geirrt. Sie hatte gehofft der Paladin wäre ein Mann, aber stattdessen war er nur der Sklave dieser Aleyandra, wirklich bedauerlich. Irgendwann gähnte sie gelangweilt und sprang von dem Tisch herunter. Dabei holte sie noch schnell etwas von ihrem Arbeitsplatz und ließ beiläufig noch eine Akte direkt vor ihm auf den Tisch knallen. „Es ist nur ein Angebot, aber falls du es dir doch noch anders überlegst, du weißt ja wo du mich findest.“ meinte sie beiläufig, aber legte diesmal keinerlei Mühe oder vorgetäuschte Verheißung mehr in ihr Angebot. Viel deutlicher konnte sie sich ihm nicht mehr anbieten und für heute hatte sie genug mit der Schauspielerei. Er sollte froh sein, dass sie ihm nicht auf der Stelle eine giftige Nadel ins Fleisch rammte für die Frechheit sie abzuweisen. Beleidigt zog sie ab und ließ einen äußerst verwirrten Naruz zurück, der keine Ahnung hatte was er mit seiner Einheit aus Verrückten anfangen sollte, irgendwie waren sie alle nichts als Problemfälle.
Ohne wirklich zu wissen warum öffnete er die Akte, welche Theresia ihm praktisch ins Gesicht geworfen hatte und er runzelte verwirrt die Stirn. Es waren Aufzeichnungen über sämtliche Truppenbewegungen der Akashi und darüber, wie sehr sie in letzter Zeit aufgerüstet hatten. Schon jetzt besaßen sie laut diesen Zahlen mehr Soldaten als die anderen beiden Familien zusammen, außerdem fanden sich in der Akte auch einige Listen von bestochenen Beamten oder Kommandanten der Templer und Kirchensoldaten, nur wofür die angeblichen Bestechungsgelder bezahlt wurden fand sich dort nicht. Unsicher legte er die Akte zurück, nachdem er sie flüchtig überflogen hatte. Was wollte Theresia ihm damit sagen? Wollte sie ihm zeigen das sie keine Spionin war sondern wirklich zu den Schattenjägern gehören wollte oder war das nur ein Trick? Müde rieb er sich die Augen, es war viel zu spät. Darüber konnte er auch morgen noch nachdenken.
Zuletzt geändert von Vanidar am 16. Dezember 2014 21:06, insgesamt 1-mal geändert.