[AAR] Kawaii Kingdom

Die AAR der phantastischen Art...

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Kawaii Kingdom Popularity Poll! Wer ist euer Lieblingscharakter in Kawaii Kingdom (Keine Eidolons)?

Aleyandra
2
18%
Aynaeth
2
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Anya
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9%
Naruz
1
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Saeca
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Silberblatt
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27%
Luca
0
Keine Stimmen
 
Abstimmungen insgesamt: 11

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Mimir
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[AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 4. Mai 2014 20:11

Es ist nun fast zwei Monate her, seit ich meinen letzten AAR angefangen und liegen gelassen habe, bis ich wieder mehr Lust habe daran zu schreiben. Was sollte man also machen, wenn man ein halbes Dutzend Geschichten/ AAR's am laufen hat und nie irgendwo weiter kommt? Richtig, man fängt einen neuen an! Kawaii Kingdom wird ein AAR werden, der auf dem MMORPG Aura Kingdom basiert, ein Anime-MMORPG vom taiwanischen Hersteller X-Legend, der Publisher ist Aeria Games. Die Geschichte spielt in der Welt Azuria, welche wiederum in drei Unterschiedliche "Ebenen" aufgeteilt ist, wir werden uns in Terra befinden, dem Teil der Welt der von den Menschen und anderen, sterblichen Wesen bewohnt ist. Allerdings werde ich nicht alleine an diesem AAR schreiben, der gute Vanidar wird mir hier zur Seite stehen und wir werden uns mit den Kapiteln abwechseln. Jeder von uns wird mindestens einen Charakter erstellen und spielen, wobei nur ein Charakter der 'Held' sein und der Hauptquest folgen wird, die restlichen Leute werden eher auf dem Weg aufgegabelt und werden dem Helden folgen, oder versuchen ihn umzubringen, wer weiß? Jeder Charakter hat außerdem ein "Eidolon", einen Begleiter der den Spieler im Kampf unterstützt. Übrigens dürft ihr euch bei Vanidar für diesen AAR bedanken, er hat das Spiel gefunden und es mir gezeigt. Wie auch immer, alles wichtige sollte nun gesagt worden sein, es folgt eine kurze Liste mit den Hauptcharakteren der Geschichte.


Naruz (Öffnen)
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Unser Protagonist! Er ist ein fauler, zurückgelehnter, junger Mann der vollkommen unfreiwillig in die Ereignisse von Aura Kingdom verstrickt wird.
Alter: 18
Klasse: Duellist - Revolverheld
Spieler: Mimir
Eidolon: Serif
Lieblingsessen: Curry mit Reis
Lieblingsfarbe: Blau
Mag: Skandia, Ruhe und schlafen
Hasst: Aufregung, Abenteuer und Dämonen


Aynaeth (Öffnen)
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Eine junge, mysteriöse Frau deren Rolle in den Ereignissen, die sich in Azuria abspielen, unbekannt ist. Manche meinen sie sei eine einfache, wandernde Magierin, andere sagen sie sei eine Adlige aus Navea und wieder andere behaupten, sie stehe mit den Dämonen im Bunde.
Alter: 17
Klasse: Hexe - Barde
Spieler: Mimir
Eidolon: Grimm
Lieblingsessen: Zuckerwürfel und Kaffeebohnen
Lieblingsfarbe: Rot
Mag: Bücher und Kaninchen
Hasst: Drachen


Aleyandra (Öffnen)
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Aleyandra ist eine junge Frau die direkt vor der Hafenstadt Helonia lebt.
Alter: 17
Klasse: Revolverheld - Berserker
Spieler: Vanidar
Eidolon: Alessa
Lieblingsessen: Blumenbiskuit aus den Halbmondhügeln
Lieblingsfarbe: Weiß
Mag: Naruz
Hasst: Frauen in Naruz' Nähe, alles was mit der Küste zu tun hat


Saeca (Öffnen)
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Ein Mädchen aus dem Clan der Armani, Menschen mit dunkler Hautfarbe, die tief im Cactakara Dschungel leben, und von der Kirche mit Misstrauen beäugt werden. Sie ist auf der Suche nach Reliquien, die ihrem Clan gestohlen wurden und wird dabei vom Eidolon Merilee begleitet.
Alter: 16
Klasse: Wächter - Verwüster
Spieler: Mimir
Eidolon: Keines (wird von Merilee begleitet)
Lieblingsessen: Dangos
Lieblingsfarbe: Grün
Mag: Aleyandra, Merilee
Hasst: Die Inquisition


Silberblatt (Öffnen)
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Er ist der Großmeister der Templerattentäter, deren Aufgabe es ist Gefahren für die Kirche aufzuspüren und sie zu eliminieren. Sein richtiger Name lautet Teregion Akashi.
Alter: 24
Klasse: Verwüster - Berserker
Spieler: Vanidar
Eidolon: Keines
Lieblingsessen: Dinosteak
Lieblingsfarbe: Grau
Mag: Aleyandra und seine Arbeit für die Kirche
Hasst: Naruz, Ketzer und alles das kein Mensch ist


Luca Bladelli (Öffnen)
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Luca ist der Sohn von Erica Bladelli, einer mächtigen Magierin, welche die Kirche verraten hat. Trotz seiner mächtigen Eltern, kann Luca selber kaum Magie wirken, weshalb er seine eigenen Zauber erfinden musste.
Alter: 23
Klasse: Grenadier - Revolverheld
Spieler: Mimir
Eidolon: Keines
Lieblingsessen: Lasagne
Lieblingsfarbe: Weiß
Mag: Seinen Bruder, Lyaena Akashi
Hasst: Die Kirche, Vorurteile, Leonardo Doni, Silberblatt


Nebencharaktere (Öffnen)
Aelius: 'Der Ritter der Sonne', er ist eines der drei mächtigsten Eidolons, und hat die Form eines Mannes
Alesia Cambeli: Tochter eines reichen Händlers in Helonia
Alessa: Sie ist ein Eidolon, in der Form eines Einhornfohlens, dass Aleyandra dient
Analisa: Berühmte Schmiedin in Navea, Schöpferin der dreizehn Heiligen Waffen
Andre: Hochgeneral der Templer, oberster Heerführer der Kirche
Anya Bladelli: Templerin und Stellvertreterin in Team Mantikor
Bel Chandra: 'Kaiserin der Schmerzen', ein Eidolon in Form einer Alfar, die aus dem Gefolge von Tigerius Caesar stammt
Belenus: Der Erzbischof, welcher über den Kirchenstaat Süd-Midgard regiert
Cora: Ehemaliges Mitglied der Forschervereinigung von Navea, sie hat die Kirche verraten und ist in die Dienste des Schattenritters getreten
Cyril: 'Der Kreuzfahrer der Steppe', ein Eidolon in Form eines mechanischen Zentaurs
Dârthallion Urûzec: Ehemaliger Graf von Alfheim, nun ist er der leitende Forscher an der Akademie von Vanaheim, und dient dem Schattenritter
Demir: 'Der Scharlachrote Kriegsherr', ein Weltenwanderer, der Interesse an Naruz geschöpft hat
Eligos: 'Der Herzog der Finsternis', eines der drei mächtigsten Eidolons in der Form eines Mannes, und einer der zwei Herrscher über die Welt der Dämonen
Erica Bladelli: Mutter von Luca Bladelli, und Anführerin des Blutenden Turms
Fenris: Ein mächtiges Eidolon aus TIgerius Caesars Gefolge, er dient Yuki Akashi und hat die Form eines großen Wolfs
Gaia: Göttin von Azuria
Grimm: Ein Eidolon, das Aynaeth Vaas dient, er hat die Form eines kleinen Drachens
Gus: Anführer der Leibwache des Erzbischofs und einer dessen Berater
Hel: 'Die Königin der Schatten', ein Eidolon in Form einer Frau und eine der zwei Herrscher über die Welt der Dämonen
Kyosuke Akashi: Oberhaupt der Akashi Familie
Luca Bladelli: Enkel von Paolo Bladelli und Erbe der Familie, er hat nicht viel für seinen Großvater übrig
Luciano Vladion: Vampir, in Diensten des Schattenritters
Lyaena Akashi: Verlobte von Silberblatt, und Erbin der Akashi Familie
Merilee: Ein Eidolon und Fee aus dem Himmelreich, sie begleitet Saeca auf ihrer Mission
Mizore: Schwerttänzerin des Sonnenordens und Botschafterin der Gaia
Mondritter: Maskierter Mörder, der die Straßen von Navea unsicher macht, behauptet, dass seine Rüstung von Gaia persönlich gefertigt wurde
Morrigan val Alvion: Môrkalfar und Saboteur im Dienste des Blutenden Turms
Naira: Bekannte Heilerin, Schwerttänzerin des Sonnenordens, und Exfreundin von Mizore
Naleya Vaas: Die kleine Schwester von Aynaeth Vaas und eine angehende Hexe
Nikodemus Starkas: Soldat und Mitglied von Team Mantikor
Onii-chan: Aleyandras älterer Bruder
Paolo Bladelli: Großmarschall der Kirche und Oberhaupt der Bladelli Familie, ihm ist der schnelle Aufstieg der Bladelli in den Reihen der Kirche zu verdanken
Rhael val Alvion: Môrkalfar und Saboteur im Dienste des Blutenden Turms, Morrigans älterer Bruder
Salvatore Doni: Inquisitor und Anführer von Team Hydra, einer von Naruz' Freunden
Schattenritter: Ein geheimnisvoller, mächtiger Krieger, der ein Feind der Kirche ist, und einige Alfar unter seiner Kontrolle hat
Serif: Ein Eidolon in Form einer männlichen Fee, er ist Naruz' Partner
Shirayuki: Ein Eidolon in Form einer jungen Frau, sie hat Mizore als ihre Partnerin auserwählt
Sigrun: 'Die Valkyre', ein menschenähnliches Eidolon, dass sich dazu bereit erklärt hat Naruz zu dienen
Teleya Akashi: Jüngstes Kind von Kyosuke Akashi, Schwester von Yuki und Lyaena
Tigerius Caesar: Eines der drei mächtigsten Eidolons die es gibt, er hat die Form eines mechanischen Tigers
Uzuriel: 'Wächterin des Himmels', sie ist ein Eidolon aus dem Himmelreich und hat die Form einer Frau
Valerius Salazar: Ein ehemaliger Inquisitor, der seine Position dazu nutzte dutzende Frauen auf brutale Weise zu ermorden, er ist aus dem Kerker geflohen
Victoria Courtis: Soldatin in Team Mantikor, und Anyas beste Freundin
Yuki Akashi: Junge Botschafterin der Gaia, die vor den Templern geflohen ist


Kommentare
Zuletzt geändert von Mimir am 18. August 2014 20:37, insgesamt 15-mal geändert.
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Kawaii Kingdom (Aura Kingdom AAR mit Vanidar)
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Die Goldene Faust, Thera AAR
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 4. Mai 2014 20:18

1. Von Schattenrittern und Kaninchen (Öffnen)
Kapitel 1 – Von Schattenrittern und Kaninchen:



Vor langer, langer Zeit nutzte ein wundersamer Gegenstand,
der Würfel der Gaia, seine grenzenlose Macht,
um eine Welt zu erschaffen.

Es war eine Welt voller Wunder,
ein wahres, wunderschönes Meisterwerk, für alle die dort lebten.
Zahlreiche Kreaturen und Kulturen stiegen aus dieser Welt empor.

Der Würfel der Gaia, was auch immer sein eigentlicher Sinn ist,
gab einigen, wenigen Einwohnern dieser Welt eine seltsame Kraft,
sie erhielten die Fähigkeit die heiligen Bestien Azurias zu befehligen,
die Bestien, welche als Eidolons bekannt sind.

Der Würfel verlieh diese Kraft lediglich,
er kontrollierte nicht, wie sie benutzt wurde.
Diejenigen, mit Dunkelheit in ihrem Herzen,
nutzten die Eidolons um Verbrechen zu verüben,
oder für andere Grausamkeiten.

Diejenigen jedoch, deren Herzen nobel und frei von Bosheit waren,
nutzten diese Macht, für ihre selbstlosen Heldentaten.
Bis zum heutigen Tage, ist sich niemand sicher,
was der Würfel eigentlich geplant hatte, als er diese Kraft verlieh.

Aber die Menschen, welche vom Würfel auserwählt wurden,
haben durch ihre Taten, mit Hilfe der Eidolons
die Geschichte der Welt geschrieben.
Sie alle, egal ob sie ihre Macht für das Gute oder das Böse nutzten,
sind unter einem Namen bekannt:
Botschafter der Gaia!



…................


Mit einem Seufzen klappte die junge Frau das Buch zu, und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Es war ein äußerst kleiner Raum, in ihm befanden sich nur zwei Bücherregale, ein kleines Bett, ein Tisch und zwei Stühle, ein kleines Fenster hätte wohl einen netten Ausblick über die Stadt Navea gegeben, wenn es nicht vollkommen dunkel gewesen wäre. Die Frau hatte kurzes, silbernes Haar und ein vollkommen emotionsloses Gesicht mit violetten Augen. Gekleidet war sie in ein rot-weißes Seidenhemd mit weißen Handschuhen, zusätzlich trug sie eine Hose aus schwarzem Stoff. In ihrer Hand ruhte ein großes, violettes Buch, welches mit roten Schriftzeichen verziert war. Letztendlich blieb ihr Blick an der Eingangstür haften und kurze Zeit später richtete sie das Wort, an die Person welche dort gerade wie aus dem Nichts erschienen war.
„Sei gegrüßt, ich habe dich erwartet.“ Der Angesprochene zuckte zusammen und sah sich verwirrt im Raum um. Bei ihm handelte es sich um einen jungen Mann mit etwas längeren, schwarzen Haaren, die zu einer merkwürdigen Frisur geformt waren, seine Augen hatten zudem eine seltsame Farbe, es schien eine Mischung aus grün, gelb und blau zu sein. Gekleidet war er in eine braune Lederweste, unter der er ein gelbes Hemd trug, dazu kam eine Hose aus festem Leder und dazu passende Stiefel.
„Was? Wo bin ich?“
„Wie lautet dein Name?“ fragte die Frau, mit einer emotionslosen Stimme und ignorierte dabei die Frage des Fremden.
„Mein Name? Ich bin Naruz, könntet Ihr mir jetzt vielleicht erklären, was hier los ist?“ Erneut wurde Naruz ignoriert. Die Frau öffnete lediglich ihr Buch und blätterte zu einer bestimmten Seite vor.
„Naruz also, gut Auserwählter. Ich bin hier, um dir zu zeigen was sein könnte, wenn du nicht vorsichtig bist, verstanden?“
„Auserwählter? Bitte was? Und ich soll vorsichtig sein? Was meint Ihr damit?“ Naruz erhielt keine Antwort, die Frau richtete lediglich einen Arm auf ihn und murmelte etwas, woraufhin ein heller, weißer Blitz aufleuchtete und Naruz zwang, die Augen zu schließen. Als er sie wieder öffnete, stellte er erschreckt fest, dass sich seine Umgebung drastisch verändert hatte. Er kniete in einem brennenden Thronsaal, direkt neben der Leiche eines Mannes. Als er versuchte aufzustehen merkte er, dass sein Körper ihm nicht gehorchen wollte, es gelang ihm nicht einmal den Kopf zu drehen. Auf einmal reagierte sein Körper von alleine, er stand auf und warf einen Blick durch den brennenden Raum. Überall lagen die Leichen von Menschen und irgendwelchen Monstern verstreut, lediglich drei Personen schienen am Leben zu sein. Zum einen war da Naruz, oder zumindest der Körper, in dem er gefangen war ohne ihn bewegen zu können. Direkt neben ihm stand ein Mann mit braunen Haaren in einer silbernen Rüstung und mit einem roten Umhang. In der einen Hand trug er ein Schwert, in der anderen einen großen Schild. Die dritte Person stand dort, wo sich normalerweise der Thron befinden sollte, auf einer kleinen Art Podest am Ende von ein paar Stufen, direkt über Naruz und dem anderen Mann. Diese dritte Person hatte lange, weiße Haare und trug eine schwarze Rüstung, in seiner Hand befand sich ebenfalls ein Schwert, welches jedoch einen weit boshafteren Eindruck machte, als dass des anderen Mannes.
„Es ist Zeit, diese Farce zu beenden. Andre, dachtest du wirklich, dass dies ausreichen würde um mich zu besiegen?“ fragte der Mann in der schwarzen Rüstung in einem überheblichen Tonfall.
„Reinhardt!“ presste der Mann namens Andre hervor und warf einen Blick zum anderen, der eine Mischung aus Hass und Trauer zu sein schien. „Nein, Schattenritter! Heute ist der Tag, an dem du für deine Verbrechen bezahlst! Die Templer sind gekommen, um dich zu holen!“
„Ah ja, ich sehe es... sie waren nicht wirklich erfolgreich, oder?“ meinte Reinhardt und deutete auf die Leichen, welche hier im Thronsaal lagen. „Du magst der Hochgeneral der Templer sein, Andre, aber du solltest doch eigentlich wissen, dass du mir unterlegen bist. Was hat dich dazu gebracht, diesen wahnsinnigen Angriff anzuführen?“ Während er dies sagte führte der Schattenritter eine herrische Bewegung mit seiner leeren Hand aus, woraufhin ein blauer Blitz aus dem Himmel fuhr und Andre traf. Der Templer schrie auf und ging keuchend in die Knie, woraufhin Naruz sich ihm sofort näherte.
„Hochgeneral, ist alles in Ordnung?“ fragte er, mit ruhiger Stimme, während sein Blick wieder zu Reinhardt wanderte.
„Es geht schon.“ schaffte Andre es geradeso zu sagen, ehe ein Schwall Blut aus seinem Mund kam. „Macht Euch um mich keine Sorgen, Botschafter. Benutzt Eure Eidolons, um Reinhardt zu besiegen.“
„Wie Ihr meint, Hochgeneral.“ sagte Naruz und erhob sich. Mit einer fließenden Bewegung zog er zwei gezackte Kurzschwerter und verschränkte seine Arme vor der Brust, so dass die Klingen der Schwerter nach unten zeigten. „Im Namen der Gaia befehle ich dir: Komme in unsere Welt und vernichte das Böse! Erscheine und kämpfe an meiner Seite, Sigrun!“ Kaum hatte Naruz diese Worte gesprochen, erschien wie aus dem Nichts eine Frau an seiner Seite. Sie überragte Naruz um gut einen Kopf, und trug eine blaue Rüstung, einen gehörnten Helm und war mit einer großen, blauen Lanze bewaffnet.
„Ihr habt gerufen, Botschafter?“ Die Stimme der Frau war vollkommen klar und schien in Naruz' Kopf widerzuhallen, als sie sprach.
„Ja, dies wird vielleicht unser letzter Kampf werden, erweist du mir die Ehre, Sigrun?“
„Selbstverständlich.“
„Oh? Ist dies der Grund, für deine Selbstsicherheit, Andre? Du hast es geschafft, einen Botschafter Gaias in die Finger zu kriegen? Mir scheint es so, als wenn deine gesamte Hoffnung in diesen kleinen Botschafter gesteckt wurde, erlaube mir, deine Hoffnung zu zerschmetterten.“ meinte Reinhardt und griff an. Naruz hatte jedoch schon damit gerechnet, und wich dem Angriff mit einem Sprung nach hinten aus. Ehe der Schattenritter nachsetzen konnte, war Sigrun vor ihm und stach mit ihrer Lanze nach der Brust ihres Gegners. Reinhardt parierte den Schlag und wollte gerade zum Gegenangriff übergehen, als Naruz sich plötzlich hinter ihm befand und mit einem Schwert nach Reinhardts Kopf hieb, während die zweite Klinge nach dem Schwertarm des Ritters schlug. Dieser ließ ein wütendes Knurren hören und schaffte es sein Schwert so zu drehen, dass er beide Angriffe gleichzeitig parieren konnte. Es reichte jedoch nicht, um Sigruns nächstem Schlag zu entgehen, die Valkyre stach mit ihrer Lanze direkt durch die Rüstung des Ritters und durchbohrte dessen Herz. Reinhardts Augen weiteten sich und Blut lief aus seinem Mundwinkel, ehe Sigrun ihn zu Boden sinken ließ, wo er auf einmal in schwarzes Feuer aufging und verbrannte.
„Habt Ihr es geschafft?“ fragte Andre schwer atmend, während er versuchte sich aufzurichten.
„Ich glaube ja, er scheint...“
„Naruz! Vorsicht!“ rief Sigrun, doch es war schon zu spät, drei Blitze fuhren auf die kleine Gruppe nieder und trafen Sigrun, Andre und Naruz. Während die beiden Menschen unter extremen Schmerzen in die Knie gingen, schrie die Valkyre auf und verschwand. Naruz ließ seinen Blick nach oben wandern, und dort stand er! Reinhardt stand dort oben, vor einem kleinen Portal aus schwarzem Feuer und blickte auf den Templer und den Botschafter hinab.
„Du warst ja ziemlich stolz darüber, eine einfache Illusion vernichtet zu haben. Aber ich denke, es ist jetzt an der Zeit das ganze zu beenden, meinst du nicht auch, Andre?“ Während Reinhardt dies sagte, schritt er die Stufen hinab, ehe er direkt vor Naruz stehen blieb. Der Schattenritter rammte seine Klinge in eine nahe Leiche und streckte seine rechte Hand nach Naruz aus, der sich nicht bewegen konnte. „Nun denn, es ist Zeit für dich zu sterben, Botschafter.“ meinte Reinhardt, mit einem boshaften Grinsen im Gesicht. Naruz schrie auf, als er plötzlich von Flammen umschlungen wurde, die immer weiter an seinem Körper hoch krochen. Es dauerte keine fünf Sekunden, da war auch schon sein gesamter Körper in Feuer gehüllt, und die Flammen dachten gar nicht daran aufzuhören, unermüdlich krochen sie weiter und fanden ihren Weg durch den aufgerissenen Mund des Botschafters, um ihn von Innen heraus zu verbrennen. Er wand sich unter den Schmerzen und endlich gelang es ihm sich zu bewegen, seine Hände fuhren zu seiner Kehle, und kratzten daran, in verzweifelten Versuchen irgendwie das Feuer zu löschen, welches seinen Hals verbrannte, doch es hatte keinen Zweck. Als die Schmerzen schon anfingen nachzulassen und Naruz bereits merkte, dass er kurz davor war zu sterben, leuchtete erneut ein weißer Blitz auf. Wiederum schloss Naruz die Augen um sich zu schützen und alles wurde dunkel.

…...............


Als er die Augen wieder öffnete, starrte Naruz an eine schlichte Holztür. Verwirrt richtete er sich auf und sah sich um, ehe er erleichtert aufseufzte. Er befand sich in seinem kleinen Haus, im friedlichen Dörfchen Port Skandia. Eine abgelegene Gegend, fernab von allen Problemen und Sorgen, welche die Menschheit heimsuchen mochten, hier würde es sicherlich keine Schattenritter oder Templer geben. Erst jetzt merkte Naruz zwei Dinge, erstens, er was wohl während seines Traums aus dem Bett gefallen, weshalb seine Decke nun auf dem Boden lag, ebenso wie ein Glas mit Wasser, dass er wohl mit hinunter gezogen hatte. Und zweitens, irgendjemand schien schon eine ganze Weile an seiner Tür zu klopfen. Langsam wurde das Pochen immer lauter und fordernder, was Naruz aufstöhnen ließ. Nach diesem Traum fühlte er sich ziemlich erschöpft und hatte starke Kopfschmerzen, er hatte überhaupt keine Lust, jetzt mit irgendwem zu reden. Also beschloss er das Klopfen zu ignorieren und machte sich daran die Scherben aufzusammeln, welche in seinem kleinen Zimmer verstreut lagen, denn aus viel mehr bestand sein 'Haus' nicht. Es gab nur zwei Zimmer, eines davon war das Schlafzimmer mit eingebauter Küche und Waschecke. Hier gab es nur ein einziges Fenster, und dieses war mit schwarzen Vorhängen verdeckt, weshalb es relativ dunkel war. Beim zweiten Raum handelte es sich eigentlich nicht um ein Zimmer, sondern um eine einfache Toilette, das war es auch schon. Außer einem Bett, Nachttisch, einer kleinen Kommode und Küchenutensilien befand sich nicht allzu viel in Naruz' Heim, was vor allem daran lag, dass er recht arm war. Seine Eltern waren vor vier Jahren bei einem Unfall gestorben, seitdem hatten York und Sheila, das Oberhaupt des Dorfes und dessen Frau, auf ihn aufgepasst, zumindest hatten sie es versucht. Naruz hatte jedoch schon sehr früh gelernt, auf sich selbst aufzupassen und über die Runden zu kommen. Bereits kurze Zeit nach dem Tod seiner Eltern hatte er angefangen kleinere Botengänge für die Dorfbewohner zu machen, um ein wenig Geld zu verdienen, wodurch er immer genug hatte um zumindest etwas essen zu können. Vor drei Monaten hatte er seinen achtzehnten Geburtstag gehabt, zu dem er von York und Sheila ein paar Silberstücke bekommen hatte, die er dazu genutzt hatte um sich von einem Schmied im Dorf zwei Kurzschwerter zu kaufen. Naruz' Vater war ein Mitglied der Dorfgarnison gewesen und hatte seinem Sohn bereits sehr früh beigebracht, mit einem Dolch, oder einem Schwert umzugehen. Nachdem er gestorben war, trainierte Naruz weiterhin den Kampf, bis er schließlich zum besten Kämpfer des Dorfes wurde, wie es einst sein Vater vor ihm war. Im Gegensatz zu ihm bevorzugte Naruz jedoch den Kampf mit zwei Waffen, ein recht ungewöhnlicher Kampfstil, an dem niemand anderes im Dorf sich auch nur versuchen wollte, aber Naruz hatte ihn gemeistert, nun, zumindest halbwegs. Vor ein paar Wochen hatte er dann auch endlich das Glück, als Mitglied der Dorfgarnison aufgenommen zu werden und...
„Oh, verdammt!“ entfuhr es Naruz, als seine Gedanken zur Garnison schweiften. Er richtete sich auf, warf die gesammelten Scherben in einen leeren Eimer in einer Ecke des Zimmers, und ging mit schnellen Schritten zur Tür, an der das Klopfen nun zu einem regelrechten Hämmern geworden war. Naruz öffnete die Tür und blinzelte, auf Grund der hellen Sonnenstrahlen die ihm direkt ins Gesicht schienen.
„Na endlich, wurde auch mal Zeit! Weißt du eigentlich, wie lange ich hier schon geklopft habe? Ich dachte schon, du wärst gar nicht zuhause!“ Als Naruz wieder richtig sehen konnte erkannte er auch, wer da vor ihm stand. Es war Willie, ein alter Freund von ihm. Die beiden waren zusammen aufgewachsen und hatten so einigen Schabernack getrieben. Während Willie jedoch ernster geworden war und bereits vor zwei Jahren der Garnison beitrat, war Naruz noch immer der selbe, lockere, faule Junge, der er schon als kleines Kind gewesen war. Willie hatte braune Augen und trug die Rüstung der Dorfwache, eine silberne Rüstung, mit goldenen Symbolen verziert, zusätzlich trug er einen Helm, der seine kurzen, braunen Haare bedeckte. Man konnte über die Wache und die Garnison sagen was man wollte, sie hatten genug Geld um ihren Mitgliedern eine ordentliche Ausrüstung zu besorgen, was auch der Hauptgrund war, weshalb Naruz sich entschlossen hatte dort zu arbeiten.
„Guten Morgen Willie.“ meinte Naruz gähnend, während er sich umdrehte und wieder ins Haus ging.
„Guten Morgen? Es ist Mittags! Wie lange hättest du noch geschlafen, wenn ich nicht gekommen wäre?“ meinte Willie mit einem Seufzen, während er seinem Freund ins Haus folgte.
„Keine Ahnung, eine Stunde? Zwei Stunden? Ich bin noch immer ziemlich erschöpft, besonders gut geschlafen habe ich jedenfalls nicht.“ meinte Naruz, während er sein Hemd auszog, es in eine Ecke schmiss und ein neues aus seiner Kommode kramte.
„Wie auch immer, hast du etwa schon deinen Auftrag vergessen?“
„Auftrag? Welcher Auftrag?“ fragte Naruz verwirrt, während er zur Waschecke ging, sein Gesicht ins Wasser tauchte und den Spiegel nutzte, um seine Haare zu richten.
„Der Auftrag, den du gestern bekommen hast? Du solltest ein paar Waren zu Sheila bringen, hast du das etwa schon vergessen?“
„Oh... ich erinnere mich.“ meinte Naruz und warf einen Blick in die Ecke des Zimmers, wo eine große Kiste stand.
„Sheila wartet schon seit Gestern darauf! Wie konntest du es einfach so vergessen?“
„Keine Ahnung, ich war müde und dachte mir, dass es schon nichts allzu wichtiges sein wird.“ Erneut seufzte Willie.
„Weißt du, Naruz, ein wenig mehr Verantwortungsbewusstsein würde dir ziemlich gut tun.“ Naruz rollte nur mit den Augen, während er sich seine Lederweste überstreifte und seine beiden Klingen an seinem Gürtel befestigte.
„Schon gut, schon gut. Ich bin ja schon auf dem Weg zu Sheila, ich werde mich nur entschuldigen müssen, dann geht es schon.“ Mit diesen Worten warf Naruz seinem Freund einen Schlüssel zu, den dieser verdutzt auffing. „Die Kiste ist groß, schließe hinter mir ab und bring mir dann den Schlüssel.“
„Ich kann nicht ewig hinter dir her laufen, ich soll mich mit Kommandeur Kane treffen, es scheint etwas passiert zu sein, dass die Aufmerksamkeit der gesamten Wache erfordert.“
„Du sollst auch nicht hinter mir herlaufen, du sollst einfach nur die Tür abschließen, ist das zu viel verlangt? Willst du wirklich der einzigen Person in dieser Welt, die freiwillig dein Freund ist, solch eine kleine Bitte verweigern?“
„Was hast du da gesagt?“
„Hm? Nichts, warum?“
„Oh doch, ich habe es ganz genau gehört! Was soll dass heißen 'der einzigen Person, die freiwillig dein Freund ist'? Ich habe viele Freunde!“
„Die Kinder auf die du hin und wieder aufpassen musst nicht mitgezählt... wie viele Freunde hast du?“
„Bei Gott! Schön! Ich helfe dir ja schon! Lass mich bloß in Ruhe!“
„Zu liebenswürdig von dir, dann trage doch bitte die Kiste nach draußen.“
„Was? Ich dachte, ich soll hinter dir abschließen?“
„Dazu hattest du ja keine Zeit, also ist es leichter, wenn du die Kiste nach draußen schleppst, ich abschließe und sie danach zu Sheila trage.“
„Könntest du sie nicht auch ganz alleine nach draußen tragen, absetzen und dann abschließen?“
„Könnte ich. Ich könnte hier auch noch eine ganze Weile mit dir diskutieren, ich habe Zeit, du nicht.“ Willie ließ einen leisen Fluch hören, ging dann jedoch zur Kiste, hob sie an und trug sie nach draußen. Er kannte Naruz schon lange, aber mitunter vergaß er, wie unglaublich faul dieser sein konnte.
„So, zufrieden? Ich habe sie sogar die Treppe runter geschleppt.“ meinte Willie und sah zu Naruz hinauf. Dieser stand oben, auf der kleinen Treppe welche zu seinem Haus führte, beziehungsweise zum oberen Teil des Hauses in dem er wohnte, der untere, und größere, Teil wurde von einer Frau und ihrer jüngeren Schwester gemietet, jedoch hatte Naruz nicht allzu viel mit ihnen zu tun gehabt. Als Naruz am Ende der Treppe angelangt war, verbeugte er sich tief vor Willie, ehe er in sarkastischem Tonfall antwortete.
„Habt dank, edler Ritter Willie, ich bin Euch zu ewigem Dank verpflichtet! Ich überlasse Euch nun Euren wichtigeren Aufgaben, zum Beispiel diesem Arschloch von Kommandeur einen zu...“
„Ja, ja schon gut. Ich bin ja schon weg. Vergiss nur nicht schon wieder die Waren abzuliefern, verstanden?“ Mit diesen Worten verschwand Willie in Richtung Hauptquartier der Garnison und ließ Naruz alleine zurück. Jetzt, wo er richtig wach und an der frischen Luft war, war Naruz' Kopf endlich klar genug, um über seinen Traum nachzudenken. Es war nicht das erste mal, dass er einen solchen gehabt hatte, in letzter Zeit hatte er immer öfter Träume, in denen Dämonen und andere Monster auftauchten, dies war jedoch das erste mal, dass diese junge Frau aufgetaucht war und mit ihm gesprochen hatte. Auch war es das erste mal, dass er im Traum gestorben war, oder zumindest kurz davor war zu sterben. Mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht, hob er die Kiste hoch und machte sich auf den Weg zum Marktplatz von Skandia, wo sich das Haus des Dorfoberhauptes befand.

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Ein paar Minuten später stand er auch schon vor seinem Ziel, zu seiner Überraschung wartete bereits jemand auf ihn, nämlich Sheila und ihre jüngste Tochter, Thea.
„Guten Morgen, Naruz. Ich nehme an, dass dies die Lieferung ist, die ich eigentlich schon gestern erhalten sollte?“ fragte Sheila mit einer warmen, freundlichen Stimme und lächelte Naruz an.
„Ähm ja, ist es. Es tut mir wirklich leid, ich hatte gestern überhaupt nicht mehr dran gedacht, ich war einfach zu erschöpft. Kann ich es irgendwie wieder gut machen?“
„Nun, wenn du schon so fragst, es gibt tatsächlich etwas, dass du für mich tun kannst.“ meinte Sheila, während ihr Lächeln erlosch und sich ein leicht besorgter Ausdruck auf ihr Gesicht legte. „Ich kann Joel nirgendwo finden und glaube, er treibt sich mal wieder irgendwo im Dorf rum. Könntest du dich vielleicht auf dem Marktplatz ein wenig umhören, ob ihn irgendwer gesehen hat?“ Bei Joel handelte es sich um den einzigen Sohn von Sheila und ihrem Mann York, ein recht fröhlicher und höflicher Junge, der im Dorf ziemlich beliebt war.
„Natürlich, ich werde sofort anfangen, mach dir keine Sorgen, irgendwer wird ihn schon gesehen haben.“ meinte Naruz und lächelte Sheila an, ehe er sich umdrehte und in Richtung Marktplatz schlenderte, der nur wenige Schritte vom Haus des Dorfoberhauptes entfernt war. Gut zwei Dutzend Stände tummelten sich hier und die Verkäufer priesen ihre Waren an. Zwar war Port Skandia nur ein kleines Fischerdorf an der Küste Süd Midgards, aber es fanden immer wieder irgendwelche Reisenden ihren Weg hierher. Seien es Matrosen, deren Schiff neue Waren nach Skandia brachte, Abenteurer, welche von hier aus mit einem Schiff in weiter entfernte Teile des Landes wollten, oder einfache, arme Leute, die gekommen waren, um in den Holzfällerlagern nördlich von Skandia arbeiten wollten, weil sie nirgendwo sonst etwas finden konnten. Naruz ging eine ganze Stunde zwischen den Ständen umher und sprach mit den Händlern und Marktbesuchern, aber keiner von ihnen hatte am heutigen Tage Joel gesehen, was ziemlich merkwürdig war. Schließlich entschied Naruz, dass es am besten wäre zu Sheila zurückzukehren und ihr Bericht zu erstatten. Als er ihr alles erzählt hatte seufzte sie und fuhr sich abwesend mit der Hand durch die langen, braunen Haare.
„Gut, vielen Dank für deine Hilfe, Naruz, auch wenn du nichts finden konntest. Hier, nimm das, für die Lieferung und für deine Hilfe bei der Suche.“ meinte sie und drückte ihm ein paar Silberstücke in die Hand. „Ich werde jetzt wohl Joel suchen müssen, vielleicht spielt er ja am Hafen, könntest du mir noch einen Gefallen tun, Naruz? York ist oben am Leuchtturm und spricht mit dem Wärter, könntest du ihm dies hier bringen? Es sind ein paar Brote, damit er etwas zu essen hat, York hatte nicht gefrühstückt und ist schon eine ganze Weile unterwegs, er muss ziemlichen Hunger haben. York kann dir dann bestimmt sagen, wo du als Mitglied der Garnison gebraucht wirst, hier ist es zwar friedlich, aber es gibt trotzdem immer was zu tun.“
„Ich schätze, dass kann ich machen.“ meinte Naruz und zuckte mit den Schultern, er wohnte praktisch direkt neben dem Leuchtturm, da konnte er auch einen kleinen Umweg machen, ehe er wieder schlafen ging, er hatte ja nicht wirklich etwas besseres zu tun. Insgeheim hoffte er jedoch, dass York keine weiteren Aufgaben für ihn hatte, die Kopfschmerzen von vorhin kehrten langsam aber sicher zurück und die Müdigkeit, verschuldet durch die langen, schlaflosen Nächte die er in letzter Zeit hatte, machte sich auch bemerkbar. Und so nahm Naruz das Brot für York entgegen und machte sich auf den Weg zum Leuchtturm, welcher auf einem großen Hügel gebaut wurde, von wo aus man das Dorf problemlos überblicken konnte.

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Dort angekommen sah Naruz auch sogleich York und den Leuchtturmwärter, welche in ein intensives Gespräch vertieft waren. Naruz konnte nicht wirklich hören worum es ging und als sie hörten, wie er sich näherte, verstummten sie und warfen ihm einen überraschten Blick zu.
„Naruz? Was machst du denn hier? Sind die Brote für mich? Warum bringst du sie mir, und nicht Sheila?“
„Sheila ist im Moment damit beschäftigt Joel zu suchen, er scheint irgendwo im Dorf zu spielen und sie hat ihn den ganzen Tag nicht gesehen.“
„Pah! Sheila verhätschelt ihn! Der Junge soll ruhig mal alleine spielen, es wird ihm schon nicht schaden, sie verweichlicht ihn noch vollkommen, was soll nur mal aus ihm werden, wenn das so weiter geht?“ brummelte York vor sich hin, während Naruz ihm das Essen überreichte.
„Sheila meinte auch ich soll dich fragen, ob du noch andere Aufgaben für mich hast.“ meinte Naruz und überging das Gemurmel des Dorfoberhauptes.
„Hm? Nein, habe ich nicht. Es gibt nicht wirklich was zu tun...“
„Ha! Du wirst wohl alt, York! Hast du nicht eben gerade noch zu mir gesagt, dass wir jemanden bräuchten, der einen von Caines... weniger enthusiastischen Arbeitern ersetzen kann?“ fuhr der Leuchtturmwärter dazwischen, sehr zu Naruz' Ärger.
„Nun ja, schon, aber für Caine zu arbeiten ist nicht gerade dass, was jedermann sich wünscht. Aber gut, was meinst du, Naruz, willst du versuchen, im Holzfällerlager zu arbeiten? Es ist harte Arbeit und Caine ist nicht gerade freundlich, aber es ist gut bezahlte Arbeit.“ Am liebsten hätte Naruz abgelehnt, aber zum einen war es seine Pflicht, als Mitglied der Garnison, den Dörflern zu helfen, und zum anderen hatte York gesagt, die Arbeit sei gut bezahlt. Unter solchen Umständen konnte sogar er hart arbeiten.
„Ich werde es tun, es wird schon nicht allzu schwer werden.“ versicherte Naruz und erntete ein anerkennendes Nicken von York.
„Gut, dann mach dich am besten sofort auf den Weg, ach ja! Ehe ich es vergesse, nimm den hier mit.“ meinte York und überreichte Naruz einen kleinen Sack. „Da sind ein paar medizinische Vorräte drinnen, für Cal, er arbeitet momentan im Lager, dort häufen sich in letzter Zeit die Verletzungen.“ Cal war der Heiler des Dorfes, ein alter, teilweise verwirrter, aber freundlicher Mann, der immer sein bestes gab um den Dörflern zu helfen.
„Noch etwas, dass ich tun soll?“
„Nein, das wäre alles, sei nur vorsichtig auf dem Weg zum Lager, dort treiben sich mal wieder haufenweise von diesen Riesenkaninchen rum.“ Naruz stöhnte auf, dass hatte ihm gerade noch gefehlt. Bei diesen Riesenkaninchen handelte es sich keineswegs um niedliche Tierchen, die man in Ruhe streicheln oder kuscheln konnte. Diese Biester gingen einem erwachsenen Mann bis zur Hüfte, hatten gigantische Ohren und große, scharfe Zähne mit denen sie durchaus gefährliche Wunden verursachen konnten. In letzter Zeit trieben sich immer mehr von diesen Dingern in der Nähe von Skandia herum, auch wenn niemand wusste warum oder wo sie eigentlich herkamen.
„Gut, ich werde vorsichtig sein, ich werde mich bestimmt nicht von irgendeinem Kaninchen umbringen lassen.“
„Dann wünsche ich dir viel Spaß bei der Arbeit.“ meinte York mit einem Lächeln, und winkte Naruz zum Abschied. Der hatte sich bereits umgedreht und daran gemacht, den Hügel hinunter zu gehen um zum Eingang des Dorfes zu kommen. Im Osten und Westen wurde das Dorf von Steinwänden geschützt und im Süden erstreckte sich das weite Meer, weshalb es nur einen einzigen Weg ins Dorf gab. Dieser führte, wenn man ihm lange genug folgte, vom Dorf, über die Holzfällerlager, zu einer alten Ruine, und schließlich bis zur Hauptstraße, welche ins nächste, größere Dorf führte, Helonia. Skandia hatte im Norden zwar eine kleine, steinerne Mauer, jedoch kein richtiges Tor, lediglich einen großen Torbogen, welcher den Eingang markierte. Dort standen zu jeder Zeit zwei Wachen um sicherzustellen, dass keine unerwünschten Gäste ins Dorf gelangten, zum Beispiel einige dieser Riesenkaninchen, oder gar Banditen. Die Wachen grüßten Naruz mit einem Nicken, als er an ihnen vorbei ging und aus dem Dorf schritt. Seltsamerweise fühlte er sich schon wieder viel besser, die Kopfschmerzen waren wie weggeblasen und auch seine Müdigkeit hatte ein wenig nachgelassen, weshalb er zuversichtlich war sämtliche Aufgaben, die Caine für ihn hatte bewältigen zu können, um dann endlich ein wenig wohlverdienten Schlaf zu finden. Zwar stimmte es, was Willie gesagt hatte, und Naruz war erst zur Mittagsstunde aufgestanden, allerdings hieß das nicht, dass er besonders viel Schlaf gehabt hatte, ständig war er aufgewacht, weil in seinen Träumen Dämonen herumspukten, oder er plötzliche Schmerzen litt. 'Vielleicht sollte ich mal mit Cal sprechen.' überlegte Naruz, während er dem Weg weiter nach Norden folgte. Skandia lag nicht nur am Meer, sondern auch sehr nahe an einem großen Wald, weshalb Holz, nach Fisch, der Hauptexport des Dorfes war. Nicht allzu weit entfernt konnte Naruz bereits die Unterstände ausmachen, wo das gefällte Holz gelagert wurde, bis man es nach Skandia verfrachtete. Der Weg zum Lager verlief ohne Zwischenfälle, zwar sah Naruz hier und da eines der Riesenkaninchen, jedoch waren diese heute nicht besonders aggressiv und ließen ihn ungestört passieren, die Frage war nur, wie lange dies wohl noch anhalten würde. In diesem Moment sah Naruz Caine, unter einem der Unterstände stehen und winkte ihm als Begrüßung zu.
„Hallo, Caine!“ sagte er, als er nahe genug war und stellte den Sack mit der Medizin neben sich ab.
„Hm? Naruz? Was willst du? Ich bin beschäftigt.“ murrte Caine und warf Naruz einen misstrauischen Blick zu. 'Freundlich wie eh und je, sehe ich' dachte Naruz, während er sich streckte und sich im Lager umsah.
„Hm, nicht viel los hier. Wo sind denn alle Arbeiter?“
„Das wüsste ich auch gerne! Brian ist plötzlich verschwunden und die anderen faulenzen den ganzen Tag nur! Also, was willst du hier?“
„Hey, immer mit der Ruhe! York hat mich geschickt, ich soll dir hier helfen, falls du irgendwelche Aufgaben für mich hast.“ Caine hielt inne und fuhr sich mit der Hand durch den Bart, ehe er seufzte.
„Normalerweise würde ich dich jetzt wegschicken, ich weiß ja wie unglaublich faul du sein kannst.“
„Ach, das ist doch nur ein Gerücht, ich kann so hart arbeiten wie jeder andere auch!“ 'Solange die Bezahlung stimmt.' fügte Naruz in Gedanken hinzu, während er Caine sein unschuldigstes Lächeln schenkte.
„Pah, wers glaubt! Aber gut, du bist jetzt bei der Garnison und du willst helfen, da werde ich dich nicht dran hindern. Du kannst damit anfangen, ein paar von diesen Kaninchen auszurotten. Nicht die kleineren, mit gelbem Fell, die interessieren mich nicht. Kümmere dich um die großen, orangenen, die haben schon ein paar meiner Leute angefallen, verdammte Biester.“ Damit schien das Gespräch für Caine beendet zu sein, woraufhin Naruz lediglich mit den Schultern zuckte.
„Ich werde mich darum kümmern, keine Sorge, ach ja, der Sack hier enthält Medizin und andere Dinge für Cal, kannst du sie ihm geben, während ich mich auf Kaninchenjagd mache?“
„Ja, ja. Und jetzt mach, dass du wegkommst.“ meinte Caine und wedelte mit der Hand, als wenn er eine lästige Fliege verscheuchen wollte. Ohne ein weiteres Wort wandte Naruz sich ab und ging den Weg zurück, den er eben gekommen war. Nach einer Weile bog er nach rechts ab und machte sich im Gestrüpp auf die Suche nach den 'Monstern', welche den Holzfällern derartige Probleme bereiteten.

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Nach zwei langen Stunden kehrte Naruz auf die Straße zurück, sichtlich erschöpft und die beiden Klingen voll Blut. Zwar hatte er die ganze Zeit hinter diesen Biestern her gejagt, allerdings war es ihm nicht gelungen, mehr als ein Dutzend von ihnen zu erwischen und zu töten. Wie es sich herausstellte, waren die Kaninchen äußerst feige wenn man ihnen mit Waffen in der Hand gegenüber stand. Die Holzfäller, welche angegriffen worden waren, hatten entweder geschlafen, oder waren an eine große Horde der Viecher geraten, solange man jedoch vorsichtig war, brauchte man vor ihnen keine Angst zu haben. Naruz wollte sich gerade auf den Weg zurück zu Caine machen, als auf einmal ein großer Schatten auf ihn fiel und er ein seltsames Zischen hörte. Instinktiv warf er sich zur Seite und entging damit geradeso einer riesigen Pfote, die ihn ansonsten wohl einige Meter durch die Luft katapultiert hätte. Blitzschnell sprang er auf und drehte sich um, und was er dort sah verschlug ihm die Sprache. Vor ihm stand eines der Riesenkaninchen, nein das war nicht ganz richtig, vor ihm stand wohl der König aller Riesenkaninchen. Dieses Biest überragte Naruz um gut zwei Köpfe, die Schneidezähne in seinem Maul waren so lang wie Naruz' Arme und die Pfoten waren größer als Naruz' Kopf. Alles in allem war dies das größte Kaninchen, dass er je gesehen hatte, und deutlich aggressiver als seine kleineren Verwandten. Wo normale Kaninchen nur ein kleines Stummelschwänzchen hatten, verfügte diese Kreatur zudem über einen Schweif, der so dick wie der Unterarm eines erwachsenen Mannes, und mehrere Meter lang war. Naruz warf sich flach auf dem Boden und entging damit geradeso einem Schlag mit dem Schweif. Jedoch schien die Kreatur ihm keine Auszeit geben zu wollen, denn sofort holte es erneut aus und ließ den Schweif in Richtung von Naruz' Kopf rasen. Dieser schaffte es geradeso sich zur Seite zu rollen und entging damit dem Angriff, dem nächsten Angriff konnte er auch ausweichen, indem er über den Schweif sprang, der dieses mal auf seine Beine gezielt hatte. Dann sprang die Kreatur jedoch plötzlich nach vorn und rammte Naruz mit seinem massiven Körper, was diesen nach hinten schleuderte und gegen einen Baum krachen ließ. Sofort setzte das Biest nach und schnappte mit seinen gewaltigen Zähnen nach Naruz, der geradeso ausweichen konnte, indem er nach oben sprang und sich an einem Ast festhielt. Das Kaninchen hatte seine Zähne im Baum versenkt und schien festzustecken, was Naruz auch so gleich zu seinem Vorteil nutzte. Ohne zu zögern ließ er sich auf den Kopf der Kreatur fallen und wollte seine Schwerter in deren Schädel bohren, als ihm auffiel, dass er seine Waffen beim Zusammenprall verloren hatte. Laut fluchend sprang er vom Kopf des Kaninchens, rollte sich ab, packte die Waffen und richtete sich auf, alles in einer fließenden Bewegung. Sein Gegner hatte sich mittlerweile aus dem Baum befreit und schlug mit seinem Schweif nach ihm, erneut wich Naruz aus. Dieses mal sprang er jedoch so, dass er beinahe waagerecht in der Luft lag, der Schweif direkt unter ihm. Mit seiner rechten Klinge schlug er nach dem Schweif und traf, das Kaninchen heulte auf, als sein Schweif direkt in der Mitte durchgetrennt wurde. Naruz landete, relativ hart, auf dem Boden, richtete sich jedoch sofort auf und stürmte auf die Kreatur zu. Sein erstes Schwert rammte er dorthin, wo er das Herz des Kaninchens vermutete, als dies keine richtige Wirkung zeigte, packte er die zweite Klinge, benutzte seine erste Waffe als eine Art Stufe und sprang, um sein zweites Schwert direkt in das Auge des Kaninchens zu rammen. Die Kreatur verstummte schlagartig, schwankte kurz vor und zurück, und fiel letztendlich auf den Rücken, wo es leblos liegen blieb. Schwer atmend zog Naruz seine Waffen aus dem toten Körper des Kaninchens, ehe er sich gegen einen nahen Baum sacken ließ und die Augen schloss.
„Ach ja, Naruz!“ hörte er nach einer Weile die Stimme Caines, woraufhin er die Augen öffnete und sich aufrichtete. „Was ich dir noch sagen wollte, sei vorsichtig, hier in der Nähe...“ Caine verstummte, als er hinter einem Baum hervortrat und sah, was hier passiert war.
„... gibt es ein gigantisches, bösartiges und aggressives Riesenkaninchen? Danke, Caine, das habe ich gemerkt.“ knurrte Naruz und ging auf den Holzfäller zu. „Die orangenen Fellknäuel sind tot, dieses Ding hier auch, damit ist meine Arbeit getan, oder?“
„Ähm ja, natürlich.“ antwortete Caine, noch immer überrascht.
„Gut, dann kannst du mich ja auch gleich bezahlen, oder?“
„Was? Bezahlen?“
„Ja, bezahlen, ich habe meine Arbeit erledigt und darf nach Hause gehen, davor werde ich bezahlt, so läuft dass hier doch, oder?“
„Du hast einen Teil deiner Arbeit erledigt.“ korrigierte Caine ihn und lachte laut auf. „Dachtest du, dass du ein paar Kaninchen schlachtest, und dann fertig bist? Weit gefehlt! Du kannst jetzt weitermachen und das Holz, dass meine Leute gefällt haben sammeln und zu den Unterständen zu bringen, danach...“

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Es dauerte noch ganze fünf Stunden, bis Naruz endlich fertig war. Nachdem er Holz gesammelt hatte, durfte er diejenigen der Holzfäller, die den ganzen Tag verschlafen hatten, aufwecken und ihnen danach auch noch beim Holzhacken helfen. Am Ende des Tages hatte er eine äußerst miese Laune, er war unendlich müde, sein Kopf schmerzte wieder und sein Rücken fühlte sich dank des Holzhackens, und des Kampfes mit dem Giganten Kaninchen, an, als wenn er jeden Augenblick in tausend Stücke zerspringen würde.
„Gute Arbeit Naruz!“ meinte Caine, so fröhlich wie Naruz ihn noch nie gesehen hatte, während er ihm einen ganzen Beutel voller Silberstücke überreichte. „Du kannst ja doch, wenn du nur willst, du wirst eines Tages bestimmt mal ein wunderbarer Soldat in unserer Garnison.“
„Ich bin schon Mitglied der Garnison.“
„Aber kein vollwertiges, egal. Ich werde mal mit Kane sprechen und ihm sagen, was du hier heute geleistet hast. Du wirst bestimmt schon bald eine Beförderung kriegen, dabei fällt mir ein... vielleicht solltest du anfangen Cal zu helfen. Für ihn zu arbeiten ist weniger anstrengend, als hier bei mir mitzuhelfen und da du meine Jungs wieder zum arbeiten gebracht hast, kann ich auf dich verzichten. Außerdem kann Cal weit besser zahlen als ich.“
„Das ist durchaus nett von dir, Caine, aber ich...“ begann Naruz, brach jedoch ab, als ein scharfes Stechen durch seinen ganzen Körper fuhr. Mit einem Stöhnen sackte er in sich zusammen und packte sich am Kopf.
„Naruz? Ist alles in Ordnung mit dir?“ hörte Naruz Caine noch mit besorgter Stimme fragen, dann kam erneut eine Schmerzwelle und danach wurde alles dunkel.
Zuletzt geändert von Mimir am 21. Juni 2014 13:31, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 5. Mai 2014 16:42

2. Aleyandra – die Silberschützin (Öffnen)
2. Aleyandra – die Silberschützin


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Wenn man der Küste von Port Skandia aus nach Norden folgt, gelangte man nach einer Reise von zwei Tagen in das kleine, beschauliche Städtchen Helonia. Es war eine abgelegene, von Bergen und Klippen eingeschlossene, Ansammlung von gepflegten Häusern, sauberen Straßen und glücklichen Einwohnern. Im Prinzip, unterschied sich Helonia auf den ersten Blick kein bisschen von den anderen Siedlungen, die entlang der Küste von Süd Midgard verteilt lagen. Doch anders als im südlicheren Skandia, war die ruhige, friedliche Ausstrahlung Helonias, nichts weiter als eine einzige, gut gespielte Fassade, die inzwischen jeder hier für die Wahrheit hielt. Die Einwohner von Port Skandia, arbeiteten hart für ihr bisschen Wohlstand. Sie lebten von dem, was das Meer ihnen überließ und verkauften das Holz des nahen Waldes, immer darauf bedacht, nicht mit unbändiger Gier gleich alles auszuschlachten. In Helonia, sah das Ganze ein wenig anders aus. Niemand hier, dachte auch nur im Traum daran freiwillig in einem heruntergekommenen, löchrigen Boot aufs Meer hinauszufahren, nur um stinkenden Fisch zu fangen oder die Monster aus den Wäldern, nördlich der Stadt, zu verjagen und den ganzen Tag Holz zu hacken. Man betrachtete sich selbst als Handelsstadt, oder eher fast schon als Handelszentrum des südlichen Midgard, zumindest wenn man Dinge suchte, die nicht unbedingt legaler Natur waren. In Wahrheit, lebte Helonia nicht von den wenigen Reisenden die öffentlich durch den Ort kamen oder von den vereinzelten Schiffen, die so selten hier anlegten, sondern von den Besuchern, die ihre Ankunft gerne geheim hielten. Helonia, galt als das Herz des Schwarzmarkthandels dieser schönen Welt und strahlte seinen Wohlstand freudig hinaus, wohl wissend, dass es immer jemanden gab, der sie brauchen würde. Die wenigen Boote und Seeleute des kleinen Ortes, waren vollauf damit beschäftigt, verbotene Waren, wie magische Artefakte, Rauschmittel oder Diebesgut von einem Ort zum anderen zu schaffen. Es war eine ganze Stadt voller Schmuggler und Hehler, die sich erfolgreich selbst etwas vormachten, indem sie sich für vornehme Kaufleute und Händler hielten. Niemand in Terra kümmerte sich wirklich um Helonia und so konnten die Menschen hier weiterhin tun, was immer sie wollten. Eigentlich, müsste die Kirche schon längst eingreifen und die kriminellen Machenschaften der Helonianer unterbinden. Aber es herrschte eine Art stillschweigendes Abkommen zwischen Helonia und der Kirche. Wenn irgendwo in Süd Midgard oder dem Rest der Welt, religiöse Artefakte gestohlen wurden, dann kam man nach Helonia, um sie gefahrlos zu verkaufen. Die Artefakte, wanderten dann auf direktem Weg nach Navea, zur Kirche. Dafür blieb Helonia von der eisernen Faust der Templer verschont und man konnte in Ruhe seinen Geschäften nachgehen. Solange man genug Geld mitbrachte, konnte man hinter der Fassade aus hübschen Häuschen und aufgeputzten Gassen alles kaufen was das Herz begehrte.

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Auf einem der Dächer dieser kleinen Stadt, hatte es sich jedenfalls ein Mädchen bequem gemacht. Sie saß auf den blauen Dachschindeln und starrte gelangweilt auf das weite, offene Meer hinaus, während sie versuchte den Lärm um sich herum zu ignorieren so gut es ging. Leicht war es nicht, denn heute war so ziemlich der nervigste Tag des Jahres, zumindest für sie. Es war das Fest der Händler, in dem sie ihre erfolgreichen Geschäfte feierten und sich selbst hochleben ließen. Sie hatte sich noch nie viel aus dieser Veranstaltung gemacht. In den fast sieben Jahren, die sie inzwischen hier in Helonia lebte, hatte sie es nie für nötig gehalten hinzugehen. Ihr Name, war Aleyandra. Zumindest soweit sie wusste, es war das einzige, woran sie sich noch erinnern konnte bevor sie in dieses verschlafene Nest kam. Vor sieben Jahren, hatte man sie alleine und bewusstlos am Strand gefunden. Die Strömung schien sie angespült zu haben und die Dorfbewohner, nahmen sie damals mehr oder weniger in ihren Reihen auf. Leider, stand ihr nie der Sinn danach Kisten zu zählen oder mit den Schmugglern hinaus aufs Meer zu fahren um sich mit Gesindel zu treffen und so, hatte sie sich schon bald abgesetzt. Aleyandra erhob sich langsam, darauf bedacht, nicht auf den rutschigen Schindeln den Halt zu verlieren. Sie hatte das zwar schon sehr oft gemacht, aber musste jedesmal aufs neue vorsichtig sein.
Das Meer trug eine salzigen, erfrischende Brise zur Aleyandra und der Wind fuhr ihr spielerisch durch die langen, weißen Haare. Das Meer war alles, was sie an diese Ort liebte, dachte Aleyandra und eine seltsame Schwermut machte sich in ihr breit, als sie daran denken musste, dass sie schon viel zu lange an diesem Ort festsaß. Sie war die einzige hier, mit diesen seltsamen Haaren und auch die rubinroten, leuchtenden Augen, halfen nicht unbedingt dabei leichter unter den anderen Bürgern zu verschwinden. Diese Augen, suchten in diesem Moment von oben die Stadt nach einem lohnenden Ziel ab. Helonia war festlich geschmückt und dutzende, bunte Stände zierten die belebten Straßen und Plätze.
Eine Weile, wirkte Aleyandra etwas verloren auf dem Dach. Sie war unsicher, an welcher Stelle des geschäftigen Treibens sie wohl den besten Fang machen würde. Doch dann, stahl sich ein erwartungsvolles Grinsen auf ihre Lippen. Sie hatte genau das richtige gefunden. Dort unten auf der gepflasterten Straße, inmitten der hin und her wogenden Menschenmenge, befand sich ihr Traumziel Nummer eins. Alesia Cambeli. Sie war als das schönste Mädchen der kleinen Stadt bekannt und die Tochter des reichsten Händlers, also desjenigen, der am besten darin war, andere zu betrügen. Umringt von einem Schwarm begeisterter Verehrer, stach sie in ihrem weinroten, prunkvollen Kleid leicht aus der Masse hervor, als wäre sie eine kleine Königin, umringt von ihrem unterwürfigen Hofstaat. Alesia trug ihr dunkelbraunes Haar kurz, so wie man es angeblich zurzeit weiter im Norden tat und es reichte ihr kaum bis zu den Schultern. Ihre Augen funkelten in einem mysteriösen violette, was ihr etwas einzigartiges verlieh, vor allem in einer winzigen Stadt wie dieser. Das Mädchen schien sich prächtig zu amüsieren, während sie schon den ganzen Tag über im Mittelpunkt des Festes stand. Wirklich perfekt, für Aleyandras Zwecke. Noch ein letztes Mal, atmete sie tief ein, um ihre Nervosität zu bekämpfen und tastete beruhigend nach dem langen Dolch an ihrer Hüfte. Jedesmal, wenn sie wieder auf einen ihrer Beutezüge ging, hatte sie inzwischen die Befürchtung, dass man sich auf sie vorbereitet hatte. Zum Glück für sie, waren die Menschen hier erstaunlich faul und nicht besonders lernfähig. Mit einem aufgeregt klopfenden Herzen, stieß sie sich freudig erregt von dem Dach ab und sprang hinunter auf die Straße.
Mithilfe von ein wenig Magie, dämpfte sie ihren Aufprall ab und landete katzengleich auf dem Pflaster, ohne sich einen Kratzer zu holen. Ein paar Kinder, die am Rand der Menge spielten, hielten inne und starrten sie erschrocken an, was sie gepflegt ignorierte. Leichten Schrittes, tauchte Aleyandra in den Reihen der Feierenden unter und bewegte sich unauffällig zwischen den Bürgern hindurch. Der Alkohol war schon den ganzen Tag über in Strömen geflossen und niemand kümmerte sich weiter um sie. Normalerweise, löste ihre Anwesenheit in der Stadt fast schon eine Art Massenpanik aus und die Leute brachten so schnell sie konnten ihr Geld in Sicherheit, aber an einem Tag wie diesem, würde sie mit mehr nach Hause gehen als ein paar Kupfermünzen und etwas zu Essen. Heute, schenkte ihr niemand Aufmerksamkeit, alle waren sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Es gelang ihr sich durch die Masse an Verehrern der jungen Cambeli zu schieben und stand plötzlich direkt vor der überraschten Alesia.
„Ein wundervolles Kleid, Alesia, aber was sollte man auch sonst erwarten? Dir steht einfach alles.“ sagte Aleyandra, mit einem höflichen Lächeln und sanfter, ruhiger Stimme, während sie Schritt um Schritt weiter auf die Händlertochter zuging.
„Du...“ erklang es von dem anderen Mädchen und auch andere warfen ihr verwunderte Blicke zu. Man sah Aleyandra selten so friedlich. Sie entspannte sich etwas, als die Weißhaarige keine Anstalten machte irgendetwas seltsames zu tun, sondern sich anscheinend wirklich nur unterhalten wollte, fast so, als wäre sie ein gewöhnlicher, freundlicher Mensch. „Ich meinte, danke. Aber was treibst du hier? Ich dachte, du hasst das Fest.“
„Ich mache heute einmal eine Ausnahme, um bei meiner guten Freundin, Alesia zu sein und deinen hinreißenden Anblick zu bewundern.“ Aleyandra warf ihr ein entschuldigendes Lächeln „Das tut mir jetzt wirklich sehr leid.“
„Was meinst du...“ doch weiter kam die verwirrte Cambeli nicht, denn in diesem Moment zückte Aleyandra plötzlich ihren gefährlich aussehenden Dolch und stürmte die letzten paar Schritte auf sie zu. Alesia versuchte erschrocken zurückzuweichen, doch die Mauer aus ihren Verehrern, behinderte sie dabei. Aleyandra holte zum Schlag aus und der Dolch der Weißhaarigen, fuhr blitzschnell nach unten. Er fraß sich reißend durch den teuren, roten Stoff des Kleides. Aleyandra hatte gut abgeschätzt, wie dick der Stoff und die Unterbekleidung Alesias waren und so ritzte die Spitze der Klinge nicht einmal die Haut der Cambeli an, aber durchtrennte dafür alles andere. Das Kleid teilte sich einfach in der Mitte und der Anblick, der sich allen Versammelten bot, sorgte für genau das, was Aleyandra im Moment brauchte, Ablenkung. Mit einem erschrockenen Schrei auf den Lippen, presste Alesia so schnell sie konnte die Stofffetzen an sich, um ihre Blößen zu verdecken und starrte schockiert dorthin, wo bis vor einer Sekunde noch Aleyandra stand. Doch das weißhaarige Mädchen war schon längst von ihr weg gesprungen und in der Menge ihrer Verehrer untergetaucht, die sie nicht weiter beachteten, sondern die, unfreiwillig, plötzlich halbnackte Alesia anstarrten, vermutlich in der Hoffnung, dass ihr Kleid endgültig auseinanderfallen würde, damit sie noch einmal einen Blick auf sie erhaschen konnten. In der Zwischenzeit, rannte Aleyandra hastig durch ihre Reihen und griff sich geschickt die ein oder andere Brieftasche oder schnitt einen Geldbeutel los. Es dauerte eine Weile, bis die jungen Männer überhaupt auf sie aufmerksam wurden und begriffen, dass man sie gerade ausraubte. Hauptsächlich, weil die rot angelaufene Alesia, inzwischen von den anderen Mädchen aus Helonia umringt war und sich bereits an der Schulter irgendeiner Freundin ausweinte, die ihrerseits lautstark versuchte, die Anwesenden endlich auf Aleyandra aufmerksam zu machen und von Alesias peinlicher Lage abzulenken.
„Worauf wartet ihr denn noch? Schnappt euch die Diebin!“ rief das Mädchen mit den langen, hellen Haaren und einem zornigen Funkeln in den Augen. Sie stand schützend neben der Cambeli und deutete in Richtung der Weißhaarigen, die unschuldig blinzelte und im gleichen Moment jemandem in die Tasche griff. Aleyandra warf dem Mädchen, das gesprochen hatte, einen kurzen Blick zu und schenkte ihr dann ein belustigtes Lächeln, was diese mit einem wütenden Starren beantwortete. Es war die Tochter der Bürgermeisterin, Selena. Kein Wunder, dass es ausgerechnet ihr gelang, die etwas langsamen Verehrer ihrer Freundin herum zu kommandieren. Ohne darauf zu warten, dass die Männer es endlich schafften den Befehlen von Selena zu gehorchen, entschied Aleyandra, dass es an der Zeit war sich abzusetzen. Sie rannte so schnell ihre Beine sie trugen nach Norden. An den Schreien hinter sich, konnte sie erkennen, dass so ziemlich jeder von Alesias Verehrern hinter ihr her sein musste. Die Schar ihrer Verfolgern, rollte wie eine Lawine durch die Straßen, doch die eifrig bemühten Männer behinderten sich gegenseitig, bei ihren Versuchen als erstes die Diebin zu fassen und vor ihre große Liebe zu bringen. Aleyandra, lief ungehindert aus der Stadt hinaus und auf den nahen Strand zu. Ein kurzes Stück von der Küste entfernt, befand sich eine kleine Insel. Darauf erhob sich eine eigenartige Felsformation, eine handvoll Palmen und eine grüne, saftige Wiese. Ihr Ziel.

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Aleyandra raste auf das Wasser zu, als die Verehrer gerade erst die Stadt verließen und den Strand fluteten. Wenn die sie erwischten, hatte sie ein gewaltiges Problem, aber so weit würde es nicht kommen. Es waren die Söhne von Händlern, die konnten nicht mit ihr mithalten. Sie hatte bereits einen beachtlichen Vorsprung vor den anderen herausgeholt, doch als sie das Meer erreichte, wurde Aleyandra augenblicklich langsamer, bis sie am Rand des Wassers endgültig stehen blieb. Es schien fast so, als würde sie geduldig auf ihre Verfolger warten und dabei den Horizont betrachten oder die Meeresluft genießen. Doch stattdessen, war sie damit beschäftigt ihre Magie ein weiteres mal zu sammeln, diesmal für einen etwas größeren Zauber, den sie in letzter Zeit ein oder zweimal geübt hatte. Langsam, setzte sie einen ihrer Füße auf das Wasser und genau wie gehofft, blieb sie einfach darauf stehen. Eine hauchdünne Eisschicht entstand direkt unter ihren Schuhen. Doch Aleyandra blieb keine Zeit, sich über ihren Erfolg zu freuen, sie konnte hören, dass ihre Verfolger sie langsam einholten. Sofort ging sie weiter über das Meer, immer neue, kleine Eisschollen entstanden, um sie über Wasser zu halten. Den Wellen und der Sonne hielt das Eis nicht lange stand. Es zerbröckelte und schmolz sofort, als es in dem warmen Wasser versank und Aleyandra, unbeeindruckt von den wütenden Rufen hinter sich, weiterging und ihre Magie aus dem zurückgelassenen Eis zog.
Als die Männer hinter ihr, die ersten Augenblicke der Verwirrung überwunden hatten, kam wieder Bewegung in ihre Reihen und sie machten sich daran ihr ins Wasser zu folgen. Immerhin wussten sie, dass Aleyandra zu der abseits gelegenen Insel wollte und den kurzen Weg dorthin, konnten sie auch schwimmen, dazu brauchte man keine Magie. Nass zu werden, war ein kleiner Preis, wenn es darum ging bei Alesia einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und in ihren Augen gut dazustehen. Sie würden diese kleine Hexe einfangen, zu der Cambeli bringen und zur Belohnung vielleicht einen Kuss von der Schönheit erhalten. Weit kamen sie allerdings nicht, denn kaum standen sie bis zu den Knien im Wasser, konnten sie ihre Beine nicht mehr bewegen. Das Wasser um sie herum, war gefroren und hielt sie an Ort und Stelle fest. Fluchend versuchten sie sich zu befreien, doch das Eis wollte nicht nachgeben und das würde es auch nicht, solange sie ihre Magie aufrecht erhielt. Aleyandra, würdigte ihre Verfolger keines einzigen Blickes. Es waren keine besonders schlimmen Fallen, sie fesselten die Männer nur kurze Zeit und würden sie schon bald wieder freigeben. Aber es machte Spaß, ganz langsam und gemütlich über das Wasser davonzugehen, während sie dort festsaßen und ihr nur zusehen konnten. Endlich, kam Aleyandra an der kleinen Insel an und betrat, zufrieden vor sich hinsummend, den Strand ihres Zuhauses. Sie hatte die Insel vor etwa drei Jahren mehr oder weniger annektiert und niemand kam, um sie ihr streitig zu machen oder anders ausgedrückt, niemandem war es gelungen sie wieder von hier zu verjagen.

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„Ich verstehe nicht, was dieser ganze Aufstand soll. Sie sollten mir dankbar sein. Immerhin habe ich es ihnen ermöglicht, dass sie Alesia einmal in einem ganz neuen Licht bewundern konnten.“ murmelte Aleyandra belustigt vor sich hin und lehnte sich an den rauen, von der Gischt feuchten, Stein und sah belustigt zu, wie ihre Verfolger ihr noch eine Weile vom Strand aus Flüche entgegen warfen. Doch sie ließen ihren zornigen Worten keine Taten folgen. Das machten sie nie. Keiner von ihnen, traute sich auf ihre kleine Insel. Ganz egal wie wütend sie auf das Mädchen waren, in ihre Zuflucht folgten sie ihr niemals. Die paar harmlosen Fallen, die sie heute erst am Strand platziert hatte, um ihre Flucht zu erleichtern, waren nur eine winzige Kostprobe auf ihre wahren Fähigkeiten. Um die Insel herum, war der Sand gespickt mit weitaus weniger freundlichen Fallen. Einige davon, konnten jeden, der so dumm war sie auszulösen, in pure Finsternis einhüllen und seine Seele für immer im Nichts verschwinden lassen. Zumindest hoffte sie das, es war jedenfalls der Plan hinter den Fallen gewesen. Keiner der Bürger tat ihr bisher den Gefallen einmal in eine dieser Fallen zu treten um als Testobjekt herzuhalten. Auch wenn es vielleicht besser so war. Wenn erstmal jemand wirklich durch ihre Fallen oder ihre Diebstähle zu Schaden kam, würde man sie nicht mehr einfach so in Ruhe lassen. Dann würde man sie jagen und dann müsste sie verschwinden, ohne ausreichend vorbereitet zu sein.
Aleyandra hatte hier draußen nicht viel zu tun, also perfektionierte sie das was sie am beste konnte. Schießen und mithilfe ihrer angeborenen Kräfte Fallen bauen. Sie war die einzige im Ort, der Magie im Blut lag und in jedem einzelnen Moment ihres Lebens erwartungsvoll durch ihre Adern pulsierte. Ihre Fähigkeiten wollten eingesetzt werden, wollten freigesetzt werden und was anderes als dutzende Fallen zu bauen, konnte sie nicht wirklich damit anfangen in diesem Kaff. Eine ausgeprägte magische Begabung, war keine Seltenheit unter den Menschen von Terra und zumindest in Navea, der größten Stadt von Süd Midgard, konnte man die Wunder der Zauberei überall bestaunen. Das hatte Aleyandra immerhin von einigen Reisenden gehört, sie selber war noch nie dort gewesen und wenn sie weiter so langsam vorankam, würde sie es auch niemals aus dieser Schmugglerstadt heraus schaffen. In winzigen Dörfern wie Skandia oder kleinen, verschlafenen Städtchen wie Helonia, sah man nur selten etwas von der hohen und gleichzeitig furchteinflößenden Kunst der Magie. Es existierten vereinzelt Hexen in den Wäldern, aber mit denen konnte sie ihre eigenen Zauber nicht vergleichen. Sie war keine Kräuterhexe oder Dämonenanbeterin und hatte auch kein Interesse daran, diese Hexen kennen zu lernen.
Mehr als alles andere, wollte Aleyandra Navea sehen. Die prächtige Stadt im Norden, in der Kräfte wie ihre zum Alltag der Menschen gehörten und sie mehr lernen konnte als ein paar Fallen zu stellen. Dort, könnte man sie zu einer Magierin ausbilden, da war sich das weißhaarige Mädchen todsicher. Eine Magierin, die trotz aller magischen Macht, noch immer liebend gerne auf ihre Pistolen zurückgriff. Die beiden Waffen, lagen hinter den Felsen im Schatten, eingewickelt in die Decken ihres Schlaflagers und stellten ihren größten Schatz dar. Sie waren aus schwarzem Holz gefertigt und mit silbernen Intarsien verziert. Alleine den Anblick, der perfekt gearbeiteten Waffen, liebte Aleyandra schon, aber noch mehr Spaß machte es, damit in den Wäldern nahe der Küste auf die Jagd zu gehen und ihre Schießkünste zu verbessern. Dem Pistolenpaar, wohnte eine eigenartige Magie inne, die Aleyandra fremd und unwirklich vorkam, zumindest verglichen mit ihren Fallen, die daneben primitiv wirkten. Die Pistolen, verschossen eine Art magisches Geschoss und keine echten Kugeln, wodurch sie die Waffen niemals nachladen musste. Sie waren alles, was Aleyandra aus ihrem alten Leben besaß. Leider, brachte selbst der Anblick dieser mysteriösen Pistolen, keine einzige Erinnerung an ihre Kindheit zurück, obwohl sie sich mit ihnen verbunden fühlte, zumindest so viel konnte sie sagen. Man hatte sie bei ihr am Strand gefunden. Es waren die einzigen Hinweise auf ihre wahre Herkunft. Reisende Händler, hatten ihr schon sehr oft angeboten ihr die magischen Waffen abzukaufen, manchmal sogar für geradezu aberwitzige Preise. Aleyandra könnte schon längst in einem eigenen, gemütlichen Haus im aufregenden Navea sitzen, wenn sie bereit gewesen wäre sich von ihren Schätzen zu trennen. Doch das konnte sie nicht.
Aleyandra, holte die Brieftaschen und Geldbeutel hervor, die sie überall an ihrem Körper trug und warf sie achtlos hinter sich in das Zentrum der Insel. Sie würde die Münzen später zählen und bei ihren anderen Schätzen verstecken. Inzwischen hatte sich eine beachtliche Menge an Geld angesammelt, immerhin, tat sie das jetzt schon seit Jahren. Sie stahl nur so viel, dass die Bürger sie nicht als wirkliche Belastung empfanden. Sicher, sie war eine Unannehmlichkeit, aber die Menschen hier liebten ihr gemütliches Leben in Wohlstand und Abgeschiedenheit. Es gab nur eine einzige ´Wache` in der Stadt und die hatte bereits alle Hände damit zu tun die immer aggressiver werdenden Tiere im Umland unter Kontrolle zu halten. Um gegen ihre Pistolen und Fallen anzukommen, müssten die trägen Händler sich schon selbst um sie kümmern und dazu war niemand bereit, oder anders ausgedrückt: Niemand war bereit sich eine Kugel einzufangen, nur weil sie ab und zu ein paar Münzen oder etwas zu Essen stahl. Auf ihre heutige Aktion, würde aber vielleicht zum erstenmal eine Reaktion folgen. Alesia war beliebt unter den jungen Männern der Stadt und es gab sicher den ein oder anderen, der sich vor ihr beweisen wollte, indem er es der weißhaarigen Diebin heimzahlte. Wirklich besorgt, war sie deswegen aber nicht. Letztendlich, konnten die Dorfbewohner ihr eigentlich allesamt egal sein. Noch ein paar Monate und sie würde endlich verschwinden.
Lustlos ließ Aleyandra sich in den warmen Sand neben der Felsformation fallen und spürte, wie die bereits erwartete Erschöpfung einsetzte. Es laugte sie aus ihre Magie einzusetzen, immerhin, besaß sie kaum Übung darin es für etwas anderes als die Fallen zu benutzen. Ihr kleiner Versuch vor den Helonianern anzugeben, hatte sie vollkommen ausgelaugt, unnötig ausgelaugt. Ihre Fallen am Strand und im Wasser, reagierten sowieso nicht auf sie und der kleine Trick, durch den es so aussah als könnte sie über das Meer laufen, war einfach nur sinnlos. Es wäre leichter gewesen das kurze Stück hierher zu schwimmen, wie ein normaler Mensch, aber weniger beeindruckend. Die Stadtbewohner sollten ruhig glauben, dass sie in der Lage war noch viel mehr mit ihrer Kraft anzufangen, dann ließ man sie erst recht in Ruhe.
Eine viel wichtigere Angelegenheit beschäftige Aleyandra im Moment: Was sollte sie jetzt eigentlich mit dem Rest des Tages anfangen? Die Antwort darauf war recht einfach zu finden, Nichts. Ihr Magen knurrte bedrohlich und dann fiel ihr wieder ein, dass sie vergessen hatte etwas zu Essen mitgehen zu lassen. Von Gold und Silber konnte sie bedauerlicherweise nicht leben, noch nicht. Aber es würde ihr helfen um von ihr zu verschwinden. Weiter im Norden, war alles anders und vor allem weniger langweilig. Kurz dachte sie darüber nach sich noch einmal aufzuraffen und zurück ins Dorf zu schleichen, um ihren Hunger zu bekämpfen. Müde versuchte Aleyandra aufzustehen, sank dann aber sofort wieder zurück in den Sand.
„Ach, was solls.“ flüsterte Aleyandra leise und gähnte ausgiebig. Essen konnte sie auch noch Morgen. Im Schlaf, konnte sie den Hunger sowieso nicht spüren und sobald sie wieder bei Kräften war, würde sie zurück nach Helonia schwimmen. Noch einmal, wollte sie ihre Magie nicht auf diese Art und Weise verschwenden, das war auf Dauer viel zu anstrengend. Umständlich und ohne aufzustehen, schob sie sich über den Strand, bis sie die kleine Wiese im Schatten der Felsformation erreicht hatte. Morgen, würde sie ihre Beute begutachten und herausfinden, ob sie inzwischen endlich genug zusammen hatte für eine Reise bis nach Navea. Vermutlich würde sie ein Reittier brauchen, vielleicht einen dieser Strauße und natürlich Proviant. Außerdem, musste sie irgendwie in der fremden Stadt überleben und sie wollte dort nicht auch wieder als Diebin bekannt werden und gleich auf dem falschen Fuß anfangen, also brauchte sie ein gewisses Startkapital. In so einer großen Stadt, würde es sicher viele Wachen geben und am Ende landete sie noch in einer Zelle, anstatt eine mächtige Magierin zu werden. Aber darüber, konnte sie sich auch noch später Gedanken machen, schloss sie gähnend ihre Überlegungen ab. Sobald Aleyandra die Augen schloss, fiel sie in einen tiefen Schlaf, voller Träume über Feuer, Dämonen, schwarze Ritter und Tod. Träume, die sie schon ihr ganzes Leben verfolgten und an die sie sich mittlerweile gewöhnt hatte.
Es war bereits mitten in der Nacht, als sie aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Sie hatte gelernt, immer vorsichtig zu sein, hier draußen. Manchmal, schoben sich Monster an den Strand und versuchten nach ihr zu schnappen oder die Boote der Schmuggler fuhren vorbei. Einmal, hatte einer der Schmuggler sogar auf sie geschossen als sie schlief und Aleyandra verdankte ihr Leben nur den schlechten Schießkünsten des Schützen. Jedenfalls, war sie seitdem selbst im Schlaf wachsam und schreckte durch die lauten, platschenden Geräusche auf. Ruder, schoss es ihr sofort durch den Kopf und sie sprang hastig auf die Beine. Zwar hatte seit dem Vorfall keiner der Schmuggler versucht auf sie zu schießen, aber Aleyandra wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen. Eilig ging sie hinter den Felsen in Deckung und streckte nur den Kopf heraus, um zu sehen, wer um diese Zeit unbedingt ihre Ruhe stören musste. Ein halbes Dutzend kleinere Ruderboote, schob sich langsam an ihrer Insel vorbei, bisher ohne sie zu bemerken. Die einfachen Gefährte, waren randvoll mit Männern, zumindest so viel, konnte Aleyandra erkennen. Das Licht der Laternen, die vorne an den Booten hingen, reichte gerade aus um zu sehen, dass es immerhin Menschen waren. Also waren sie vermutlich nicht allzu gefährlich. Dann bemerkte sie einen hochgewachsenen Mann, der aus der grauen Masse auffällig herausstach. Er hatte hüftlange, flammend rote Haare, die im Licht der wenigen Laternen beinahe wirkten wie echtes, lebendiges Feuer. Die Boote hielten direkt auf die kleine Bucht und Helonia zu. Die winzige Insel mit Aleyandra ignorierten sie zum Glück weiterhin. Vermutlich waren es Piraten oder irgendwelches Diebesgesindel, das etwas verkaufen wollte. In Helonia, konnte man praktisch alles verkaufen, egal was es war oder woher es kam.
Unsicher, was sie jetzt tun sollte, zog Aleyandra sich wieder hinter die Felsen zurück. Aufgeregt, lief sie auf dem Stück Wiese im Kreis, während sie angestrengt nachdachte, ob das vielleicht ihre Möglichkeit war um von hier zu verschwinden. Vielleicht, könnte sie sich ihnen sogar anschließen. Nur für eine kurze Zeit, für den Fall, dass sie zufällig nach Norden segelten. Dann konnte sie sich noch immer bei der erstbesten Gelegenheit absetzen und ihrer eigenen Wege gehen, nach Navea, ins Herz von Midgard und Zentrum der Magie und Zivilisation. Selbst wenn nicht, die Neuankömmlinge hatten sicher etwas zu verkaufen und das bedeutete, dass sie möglicherweise etwas absahnen konnte. Sie würde keinen Schlaf finden, solange sie nicht wusste, wer die Fremden waren. Unruhig überlegte sie fieberhaft, ob es sich lohnen würde, jetzt sofort in die Stadt zu eilen. Dort würde sie mehr erfahren und vielleicht blieben die Fremden nur eine Nacht, um schnell irgendein Geschäft abzuwickeln. Sie wollte wirklich wissen, worum es ging. Es war ihre Chance und sie würde so schnell keine zweite erhalten.
Gerade wollte Aleyandra sich ins Wasser stürzen und so schnell sie konnte zur Küste schwimmen, als sie verwirrt inne hielt. Direkt vor ihr, in der Mitte der Insel, brach eine Säule aus reinem, weißen Licht aus dem Boden hervor. Sprachlos, starrte sie es an, ohne die geringste Ahnung, woher dieses strahlende Licht so plötzlich erschienen war. Im Zentrum der Lichtsäule, ließ sich ein weißer, runder Kristall ausmachen, der immer näher auf Aleyandra zu kam und auch das furchtbare und gleichzeitig wundervolle Strahlen mit sich brachte. Anfangs, war sie wie gebannt von dem gleißenden Licht, doch als der Kristall immer näherkam, spürte sie die Hitze die von ihm ausging. Er war wie eine kleine Sonne, die versuchte Aleyandra einzuäschern. Unfähig die Augen zu schließen oder den Blick von dem blendenden Licht abzuwenden, versuchte sie panisch sich die Hände schützend vor die Augen zu halten, doch ihre Arme, waren von einer eigenartigen Taubheit ergriffen und rührten sich nicht von Stelle, genauso wie der Rest ihres Körpers. Unbeweglich, musste sie mit ansehen, wie der Kristall vor ihr zum Stillstand kam und in der Luft schwebte. Es war fast, als würde er sie mustern und dann, explodierte er. Gleißendes Licht überflutete Aleyandra und tauchte sie in heiße, glühende Schmerzen.
Durch das helle Strahlen hindurch, erkannte sie ein silbernes funkeln, eine glänzende, lange Klinge wie von einem Schwert, das auf sie zuraste, um sie gnadenlos zu durchbohren. Bevor die Klinge aus gesponnenen Silber sie allerdings treffen und töten konnte, gaben die Beine des Mädchens unter ihrem Körper nach und Aleyandra fiel in den Sand. Bewegungslos starrte sie weiter in das silberne, schmerzhafte Licht, das inzwischen ihren ganzen Körper durchdrang. Es war, als würden die Lichtstrahlen ihre Haut durchbohren und sich tief in sie hineinfressen, um sie vollkommen zu erfüllen und von Innen heraus zu verbrennen. Gerade als sie glaubte unter dem Druck des Lichts zu bersten oder zu einem Häufchen Asche zu verglühen, ließ der Schmerz nach. So plötzlich wie es erschienen war, verblasste das silberne Licht wieder. Es zog sich zurück zu dem Kristall und umhüllte nur noch ihn, anstatt Aleyandra. Wohltuend strich die kühle Meeresbrise über ihre erhitzte Haut und der ganze Schmerz den sie eben noch gespürt hatte, verflog auf der Stelle. Erholsame Dunkelheit umgab Aleyandra und alles andere um sie herum versank in Finsternis, selbst die Geräusche der Ruder und die Brandung des Meeres verstummten. Einzig und alleine der Kristall erfüllte sie, alles andere verschwamm und verblasste hinter seinem Licht. Ruckartig, begann der seltsame Gegenstand sich wieder in Bewegung zu setzen. Der mysteriöse weiße Kristall, schwebte direkt vor ihrem Gesicht und Angst fuhr durch ihren ganzen Körper, als sie befürchtete, dass er erneut anfing zu Leuchten. Auf diese Entfernung, würde er in wenigen Sekunden ihre Augen schmelzen und sie erblinden lassen. Doch das tat er nicht, stattdessen, sank er in den Sand hinab und verblasste, bis er nur noch wirkte, wie ein lebloser weißer Stein. Das letzte, was Aleyandra sah, bevor alles um sie in undurchdringlicher Finsternis versank, waren haarfeine Risse, die sich durch die Oberfläche des Kristalls zogen, bis er einfach zerbarst.
Zuletzt geändert von Vanidar am 10. Juni 2014 23:47, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 6. Mai 2014 14:10

3. Der Dämon von Skandia (Öffnen)
Kapitel 3 – Der Dämon von Skandia:



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Als Naruz seine Augen wieder öffnete, leuchtete ihm die Sonne von Osten aus in die Augen, mit anderen Worten es war früh Morgens, was wiederum bedeutete, dass er eine ganze Weile geschlafen hatte. Stöhnend richtete Naruz sich auf und fasste sich sofort an den Kopf, als ein stechender Schmerz sich bemerkbar machte.
„Ah, ich sehe du bist wach.“ Naruz sah sich um und bemerkte Cal, den Dorfheiler, welcher in einiger Entfernung auf einem Baumstumpf saß und zu ihm hinüber blickte.
„Cal? Wo bin ich? Und was ist passiert?“
„Du bist noch immer im Holzfällerlager, Caine hatte dich zu mir gebracht nachdem du mitten in einem Gespräch zusammengebrochen bist. Wir haben dich über Nacht hier behalten, es wäre zu gefährlich gewesen so spät noch zurück zum Dorf zu laufen, in letzter Zeit sind die Straßen ja nichtmal tagsüber mehr sicher wie es scheint.“ Damit spielte der Heiler auf die Steuereintreiber der Kirche an, welche erst letzten Monat in Skandia angekommen waren, zumindest dass, was von ihnen übrig war. Normalerweise reiste der verantwortliche Würdenträger immer mit einer kleinen Leibwache aus einem Dutzend Soldaten, während er die Dörfer und Städte seines zugeteilten Gebiets abklapperte und die Steuern sammelte. Dieses mal waren nur der Würdenträger und zwei Soldaten nach Skandia gekommen, sichtlich mitgenommen und, zumindest einer der Soldaten, schwer verletzt. Sie berichteten von Monstern, welche die Straßen unsicher machen, sogar die Hauptstraße des Reichs konnte man nicht mehr gefahrlos bereisen. Nahe Skandia waren die Leute der Kirche dann an ein paar Dämonen geraten, die ihnen aufgelauert hatten. Zwar konnten sie die Kreaturen der Finsternis besiegen, mussten aber einen hohen Preis dafür zahlen und waren gezwungen, einen Teil des Rückwegs per Schiff zurückzulegen, da sie nicht erneut an Monster geraten wollten, während sie dermaßen dezimiert waren.
„Ich verstehe. Übrigens, vielleicht kannst du mir ja helfen. Ich habe in letzter Zeit nicht besonders gut geschlafen, außerdem habe ich schon seit Tagen starke Kopfschmerzen und des öfteren Schwindelanfälle. Weißt du, woran das liegen könnte?“
„Hm, ich würde sagen dein Zusammenbruch gestern lag daran, dass du überarbeitet warst. Zu viel Arbeit, verbunden mit Schlafstörungen, könnten auch für deine anderen Probleme verantwortlich sein, viele Holzfäller hier haben ähnliche Symptome, die sind aber mit einem einfachen Erfrischungstrank wie weggeblasen. Du hast übrigens Glück, in dem Sack, den du Caine gegeben hast, waren ein paar neue Tränke dabei, sie kamen wie gerufen, ich hatte nämlich keine mehr. Warte einen Moment.“ meinte Cal, während er zu einem nahen Unterstand ging und begann, in einer Kiste zu wühlen. „Aha! Habe es!“ rief er triumphierend, ehe er zu Naruz zurückkehrte und ihm eine kleine Viole mit einer seltsamen, violetten Flüssigkeit gab. „Dies ist einer meiner Erfrischungstränke, bitte, nimm ihn ruhig!“
„Ah, ich danke dir vielmals, Cal.“ meinte Naruz, mit einem erschöpften Lächeln, nahm die Viole und leerte sie in einem Zug. Sofort zog er eine Grimasse und ließ die Viole fallen. „Bei allen Dämonen Pandämoniums! Was ist das für ein Zeug?“
„Ein wenig Blut der Flügelohrenantilope und ein paar wilde Buschpilze, halt alles, was ein guter Erfrischungstrank braucht.“ Naruz wollte dem Heiler gerade sagen, was er von dessen Zutatenwahl hielt, kam jedoch nicht dazu. Ein plötzlicher Anfall von Übelkeit kam über ihn und er musste sich beherrschen, um sich nicht sofort zu übergeben. Als er sich beruhigt hatte, richtete er sich wieder auf und warf einen wütenden Blick zu Cal, es würde ihn nicht wundern, wenn der Trank des Heilers daran Schuld gewesen war. Zu Naruz' Überraschung starrte Cal jedoch, mit aufgeklapptem Mund, auf eine Stelle in der Luft, zu Naruz' Linken. Ganz langsam drehte der junge Mann sich um und erstarrte, als er sah, was den Blick des Heilers dermaßen gefangen hatte. Direkt vor ihn, auf Augenhöhe, schwebte eine seltsame, blaue Kugel, die von einer Art silbernen Gürtel umschlungen war. Vorsichtig streckte Naruz die Hand aus, um das merkwürdige Ding zu berühren, zuckte jedoch sofort zurück, als die Kugel sich bewegte und seiner Hand auswich. Vollkommen verwirrt sah Naruz zum Heiler hinüber, der genauso ratlos zurück starrte.
„Was hast du mit mir angestellt?“
„Ich habe gar nichts gemacht! Das war eine einfache Mischung, die Leute auffrischen soll! Bei den Holzfällern hatte es auch immer funktioniert, ohne dass irgendwelche leuchtenden Dinger aus ihnen hervortraten!“
„Moment, was? Die Kugel kam aus mir?“
„Ja, sie ist direkt aus deinem Rücken geflogen, hast du es nicht bemerkt?“ Naruz schüttelte den Kopf. „Ich habe wirklich keine Ahnung, was dass sein soll... ist es vielleicht eine Art Geist?“
„Seit wann sehen Geister aus wie blaue Kugeln?“
„Seit wann treten blaue Kugeln einfach aus Menschen hervor?“
„Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur alles ein, nachdem ich die Mischung eines verrückten Heilers getrunken habe.“
„Ach ja? Und warum sollte ich mir genau das selbe einbilden, wie du?“
„Eben weil du der verrückte Heiler bist, wer weiß, was du so den ganzen Tag lang siehst.“ Cal schnaubte nur, als Antwort auf diese offensichtliche Beleidigung, er war viel zu sehr damit beschäftigt, die Kugel zu beobachten.
„Hm, vielleicht könnte Flower dir helfen.“
„Flower? Wer soll das sein?“
„Mal ehrlich, wann warst du das letzte mal außerhalb der Dorfmauern?“
„Du meinst vor gestern? Könnte schon ein paar Monate her sein, warum?“ Der Heiler seufzte und schüttelte mit dem Kopf.
„Du weißt doch bestimmt, dass sich vor ein paar Monaten eine Hexe in der alten, verlassenen Hütte im Osten niedergelassen hat, oder?“
„Ja, Elena oder so, warum?“
„Nun, Flower ist ihre Assistentin und weiß somit einiges über Geister und dergleichen, sie kann dir vielleicht sagen, was diese Kugel ist.“
„Warum gehe ich nicht gleich zu Elena? Sie als Hexe müsste mir doch erst recht helfen können, oder?“
„Schon, aber Flower ist nur ein kleines Stück weiter nördlich von hier, in den alten Ruinen. Es ist weit kürzer, als gleich zu Elena zu laufen. Hey, wo willst du hin?“ fragte Cal, leicht verwirrt, als Naruz sich von ihm abwandte und sich anschickte, das Lager zu verlassen.
„Zu den Ruinen natürlich, wohin sonst?“
„Willst du nicht vorher etwas essen? Und was ist mit deinem Kopf? Geht es dir etwa besser?“
„Ja, dein Trank scheint gewirkt zu haben... irgendwie. Wie auch immer, ich mache mich mal auf dem Weg, je eher ich diese Flora finde, desto besser.“
„Flower.“
„Sage ich doch, also dann, bis bald, Cal.“ Ohne auf eine Antwort zu warten drehte Naruz sich erneut um, und machte sich auf den Weg, zu den alten Ruinen wo laut Cal die Assistentin der Hexe sein sollte.

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Die Ruinen waren nur knappe zwanzig Minuten Fußweg vom Holzfällerlager entfernt, jedoch kam es Naruz weit länger vor, weil er sich alle paar Meter nervös umdrehte und einen Blick auf die blaue Kugel warf, die munter hinter ihm her schwebte. Als er in der Ferne bereits ein kleines Lager ausmachen konnte, seufzte er erleichtert. Nun konnte die Assistentin nicht mehr allzu weit weg sein.
'Vorsicht!' schallte da auf einmal die klare Stimme, eines kleinen Jungen in seinem Kopf wieder, woraufhin er sich verwirrt umdrehte. Diese Bewegung rettete ihm vermutlich das Leben, denn in eben jenem Moment sauste eine Lanze aus klarer, rosafarbener Energie, direkt an seinem Kopf vorbei und zerschmetterte einen Stein, der nicht allzu weit entfernt stand. Mit einer schnellen Rolle brachte Naruz sich in nahem, hohen Gras in Sicherheit und spähte vorsichtig nach draußen. Dort, direkt auf dem kleinen Trampelpfad, der zu den Ruinen führte, schwebten drei kleine Wesen mit roten Haaren, Schmetterlingsflügeln, kleinen, blauen Beinchen, Kleidung die ausschließlich aus Blättern irgendeiner Blume zu bestehen schien und einem gemeinen, hinterlistigen Gesichtsausdruck. Bei diesen Kreaturen handelte es sich um Feen, jedoch allem Anschein nach nicht um die freundlichen, lustigen, tanzenden Feen aus den Sagen und Legenden, sondern um verdammte Mistviecher, die nur darauf aus waren einem unschuldigen Reisenden mit ihrer Magie den Gar auszumachen. Naruz unterdrückte einen Fluch und beschloss, solange im Gras zu warten, bis die Feen aufgaben und sich auf die Suche nach neuen Opfern machten. Dieser Plan hatte jedoch eine große Schwachstelle, die Naruz nicht einberechnet hatte, er hatte die blaue Kugel vergessen, die ihm überall hin zu folgen schien und die in eben jenem Moment von einer der Feen bemerkt wurde, die sofort eine weitere Lanze in das Gras feuerte, in dem sie Naruz vermutete. Dieser hechtete nach draußen, rollte vorwärts und zückte seine beiden Schwerter, ehe er aufsprang und die erste Fee köpfte, bevor er sich schnell umdrehte und der zweiten Kreatur ein Schwert durch den Brustkorb stieß. Die dritte Fee kreischte panisch auf, drehte sich um und flog davon nachdem sie gesehen hatte, was mit ihren Begleiterinnen passiert war. Naruz dachte gar nicht daran, die Kreatur zu verfolgen, er war viel zu sehr damit beschäftigt vollkommen überrascht auf die Leichen der beiden Feen zu starren. Gut, er hatte jahrelang trainiert und war einer der besten Kämpfer von Skandia, wenn nicht sogar der beste, aber so schnell konnte er sich nicht bewegen! Oder besser gesagt, bisher wusste er nicht, dass er es konnte. Was war hier los? Hatte der Trank des verrückten Heilers etwa noch eine andere Wirkung gehabt? Naruz hatte jedoch keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Moment rannte eine junge Frau direkt auf ihn zu, mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht.
„Bei Gaia, ist mit Euch alles in Ordnung?“ fragte sie und musterte Naruz, ehe ihr Blick zu den toten Feen wanderte und sich Überraschung in ihrem Gesicht spiegelte. „Ihr habt die Feen getötet?“
„Ja, scheint so... was hat es mit ihnen auf sich? Ich wusste nicht, dass die Ruinen von diesen Biestern heimgesucht werden.“
„Wurden sie auch nicht, zumindest nicht bis heute. Die Feen sind erst vor ein paar Stunden hier aufgekreuzt und haben mich in einer nahen Höhle festgesetzt, weshalb ich keine Möglichkeit hatte, das Dorf zu warnen, Ihr habt mir wirklich geholfen, danke... ähm, verzeiht, wie war Euer Name noch gleich? Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal getroffen haben.“
„Mein Name ist Naruz und ich komme aus Skandia, seit Ihr Flora, die Assistentin der Hexe Elena?“
„Meine Name ist Flower, aber ja, bin ich... oh bei Gaia! Ihr auch?“ fragte Flower entsetzt, als sie endlich die Kugel bemerkte, die ein wenig hinter Naruz schwebte.
„'Ihr auch'? Was meint Ihr damit? Habt Ihr solch eine Kugel etwa schon einmal gesehen? Falls ja, wo, und wisst Ihr, was es ist?“ bombardierte Naruz die junge Frau mit Fragen, ehe er merkte, dass sie ihn relativ ängstlich ansah und ein paar Schritte nach hinten gerückt war. „Tut mir leid, habe ich etwas falsches gesagt?“
„Was?“ fragte Flower verwirrt, die anscheinend gar nicht gemerkt hatte, wie sie sich instinktiv von Naruz entfernte. „Oh...“ meinte sie und lief ein wenig rot an, als ihr aufging was er meinte. „Tut mit leid, es ist nur so, dass die letzte Person, die ich mit einer solchen Kugel gesehen habe recht... aggressiv war.“
„Die letzte Person? Also habt Ihr so etwas bereits gesehen!“
„Ja, habe ich. Ein junger Mann aus dem Dorf... ich glaube sein Name war Brian, er kam vor ein paar Tagen zu meiner Meisterin und wollte Hilfe haben, weil ihm so eine Kugel folgte. Nur wenige Minuten später ist er jedoch durchgedreht, hat den Stab meiner Meisterin zerbrochen, die Hütte demoliert und ist in Richtung Sumpf abgehauen.“ Alarmiert horchte Naruz auf. Brian war also schon vor ein paar Tagen verschwunden? Davon wusste er noch gar nichts, andererseits kannte er Brian, sie waren nicht gerade Freunde, redeten aber gelegentlich miteinander. Brian war schon immer recht eigenbrötlerisch gewesen, weshalb es nicht allzu unwahrscheinlich war, dass es eine Weile dauerte ehe jemand sein Verschwinden bemerkte. Allerdings passte es überhaupt nicht zu Brian, urplötzlich Leute anzugreifen, er war schon immer eher der Typ gewesen, der Konflikte lieber mit Worten löste, als durch einen Kampf.
„Also ist Brian im Sumpf verschwunden... hm, das ist nicht allzu weit von hier entfernt.“
„Natürlich, wir sind in Skandia, nichts ist hier weit voneinander entfernt.“ meinte Flower mit einem Lachen, anscheinend war ihre anfängliche Nervosität verflogen, nachdem sie merkte, dass Naruz nicht im Begriff war durchzudrehen, wie es mit Brian geschehen war.

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„Stimmt.“ meinte Naruz, mit einem schwachen Lächeln, dass seine Sorgen überspielen sollte. War es wohl möglich, dass er auch bald anfing Leute anzugreifen? Falls ja, sollte er so schnell wie möglich zu Elena gehen, sie schien zu wissen, was es mit dieser seltsamen Kugel auf sich hatte. „Ihr wisst nicht zufällig, was mir folgt?“ versuchte er es noch einmal, bevor er aufbrach, vielleicht wusste Flower ja auch etwas, immerhin war sie ja dabei gewesen, als Brian zu Elena ging.
„Nun, nicht direkt, aber meine Meisterin meinte, dass es sich vermutlich um einen Geist handelt und hatte Brian angeboten, einen Exorzismus durchzuführen. Kurz danach, na ja, ich habe Euch ja schon gesagt, was passiert ist.“
„Gut, Ihr habt mir sehr geholfen, Flower. Ich werde mich so schnell wie möglich zu Eurer Meisterin begeben, vielleicht kann sie mir ja helfen.“
„Oh... ja, natürlich. Auf wiedersehen, Naruz.“ meinte Flower und erneut hatte sie einen besorgten Gesichtsausdruck. Naruz zögerte, nichts hinderte ihn daran, jetzt einfach zu Elena zu gehen und um Hilfe zu bitten, allerdings sah Flower so aus, als wenn sie ein ziemlich großes Problem hatte. Innerlich seufzte Naruz, er wusste er würde es bereuen, aber was sollte er machen? Flower einfach so hier stehen lassen? Nun, das wäre selbstverständlich eine Möglichkeit gewesen, aber Naruz war manchmal neugieriger, als es gut für ihn war.
„Ähm, Flower? Gibt es etwas, dass Euch Probleme bereitet?“
„Was? Oh... j-nein, nein, alles ist in Ordnung.“ antwortete sie zögernd, während ihr Blick an Naruz vorbei wanderte und an einer Höhle haften blieb, welche direkt in der Nähe war.
„Was hat es mit dieser Höhle auf sich?“ Flower seufzte, als Naruz seine Frage stellte und warf ihm einen nervösen Blick zu.
„Also gut, meine Meisterin hatte mich geschickt, um ein paar alte Texte, die in der Ruine gefunden wurden zu übersetzen. Dazu hatte sie mir eine Art Codex gegeben, mit der sich die alte Sprache leicht übersetzen ließ, allerdings gab es einen kleinen... Zwischenfall. Als die Feen mich verjagt hatten, habe ich den Codex zurückgelassen und ehe ich auch nur daran denken konnte, ihn mir zu hohlen, kam ein großer Steingolem, hat sich den Codex genommen und sich danach in die Höhle dort zurückgezogen.“
„Ein was?!“ fragte Naruz schockiert. Riesenkaninchen, gut. Sonnenvögel, welche die nahen Wälder terrorisierten, auch gut. Bösartige Feen, konnte durchaus mal vorkommen. Aber ein Steingolem? Ein riesiges Konstrukt, aus Stein und Erde, dass von dunkler Magie zum Leben erweckt wurde? Wie bitte, kam so ein Monster in die Nähe von Skandia? „Seid Ihr Euch sicher, dass es ein Steingolem war?“ fragte Naruz vorsichtig, woraufhin Flower ihm einen beleidigten Blick zuwarf.
„Natürlich! Ich bin die Schülerin einer Hexe, ich werde ja wohl einen Golem erkennen! Wie er bis nach Skandia gekommen ist, weiß ich aber nicht.“
„Wenn das stimmt, müssen wir etwas unternehmen, ein Golem ist eine zu große Bedrohung für das Dorf, als dass wir ihn einfach so rumlaufen lassen können.“
„Und was wollt Ihr dagegen unternehmen?“ Naruz dachte kurz nach, ehe er antwortete.
„Stimmt es, dass die Augen eines Golems in Wahrheit Runen sind, welche die dunklen Energien katalysieren, die das Ding am Leben erhalten?“
„Nun... ja, es stimmt.“
„Stimmt es auch, dass wenn man diese Runen zerstört, der Golem vernichtet wird?“
„Ja, das stimmt auch... Moment! Ihr habt doch wohl nicht etwa vor...“ Aber Naruz hörte schon gar nicht mehr zu, er hatte sich umgedreht und auf den Weg zur Höhle gemacht, von der Flower meinte, dass sich der Golem in ihr befand.

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„Seht Ihr? Da ist er.“ flüsterte Flower, so leise sie konnte, während sie sich gegen die Wand des Höhleneingangs presste und vorsichtig hinein spähte. Inmitten der Höhle stand der Golem und starrte regungslos geradeaus. Er bestand aus einer Mischung aus großen braunen und grauen Steinbrocken, die sich scheinbar zufällig zusammengesetzt hatten, die steinernen Arme waren moosbewachsen und in den Augenhöhlen funkelten die roten Runen, welche als eine Art Herz und Gehirn für den Golem fungierten.
„Ich sehe ihn... wenn alles nach Plan läuft, können wir ihn überraschen und aus dem Weg räumen, ehe er ein Problem für das Dorf wird, allerdings werde ich dafür Eure Hilfe brauchen.“
„Seid Ihr verrückt? Was wollt Ihr denn gegen das Vieh ausrichten? Ich kann ein wenig Magie wirken, aber die Runen würden jeden Zauber reflektieren, es hat keinen Sinn, wir sollten die Garnison hohlen...“
„Die Garnison ist momentan beschäftigt, außerdem, was sollen unsere schwer gerüsteten Soldaten ausrichten? Mit ihren Schwertern gegen die Steine klopfen, bis sie alle tot sind? Nein, es gibt eine weit bessere Lösung. Vertraut mir.“ Flower warf Naruz zwar einen skeptischen Blick zu, nickte dann jedoch.
„Was ist Euer Plan?“
„Könnt Ihr Eure Magie nutzen, um ein wenig Rauch oder Nebel zu beschwören und die Höhle damit zu füllen?“ Flower nickte. „Dann tut dies, ich werde mich dann zum Golem schleichen und die Runen vernichten, Schwerter werden ja wohl nicht reflektiert, oder?“
„Nein, solange es keine magischen Schwerter sind.“
„Gut, dann fangt bitte an, je schneller wir dies hinter uns bringen, desto besser.“ meinte Naruz, während er seine Schwerter zog. Flower nickte erneut, schloss kurz die Augen und trat dann in den Höhleneingang. Sie streckte beide Hände nach vorn und öffnete ihre Augen wieder, woraufhin sich die gesamte Höhle mit dichtem Nebel füllte. Sofort eilte Naruz nach vorn und orientierte sich im Nebel an den roten Augen des Golems, die selbst durch diesen dichten Nebel glitzerten. Als Naruz bereits direkt vor dem Golem stand sah er, dass sich der Körper, aufgrund der eher zufälligen Anordnung der Steine, recht gut zum klettern eignete, weshalb es relativ leicht sein dürfte zu den Runen zu gelangen, die einen knappen Meter über ihm im Nebel glühten.
'Rechts von dir!' erscholl auf einmal wieder die Stimme des Jungen in Naruz' Kopf, der sich dieses mal nicht verwirrt umsah, sondern direkt nach Links hechtete und sich schnell abrollte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der Golem nach ihm geschlagen und knapp verfehlt hatte, und dies auch nur, weil Naruz erneut weit schneller reagiert hatte, als er es jemals von sich erwartet hätte.
„Naruz? Ist mit Euch alles in Ordnung?“ fragte Flower besorgt, als sie merkte, dass der Golem noch immer in Takt zu sein schien, und löste den magischen Nebel auf.
„Ja, geradeso. Was ist hier los? Ich habe erst vor kurzem ein Buch gelesen, in dem es um Taktiken für den Kampf gegen diverse Monster ging! Nebel und Rauch sollten verhindern, dass ein Golem sehen kann, was ist hier los?“
„Oh! Wir haben einen Fehler gemacht.“ meinte Flower und ein Anflug von Furcht schwang in ihrer Stimme mit.
„Was für ein Fehler?“
„Normaler Nebel hätte bestimmt funktioniert, aber...“
„Magischer Nebel funktioniert nicht?“ fragte Naruz, und musste kurz darauf erneut zur Seite hechten um einem weiteren Schlag des Golems zu entgehen.
„Genau, es scheint so, als wenn er mit Hilfe der Runen einfach durch meinen Nebel hindurchsehen kann, was machen wir jetzt?“ Naruz antwortete nicht, stattdessen wich er erneut einem Angriff des Golems aus, zu seiner eigenen Überraschung war er vollkommen ruhig als er sich aufrichtete und starrte den Golem mit ruhiger, ausdrucksloser Miene an. „Ähm, Naruz?“ fragte Flower nervös, wurde jedoch erneut ignoriert. Naruz trat einen Schritt zur Seite und entging somit dem nächsten Schlag der Kreatur, als diese dann erneut ihren Arm heben wollte, reagierte Naruz blitzschnell, sprang auf diesen und begann am Arm der Kreatur nach oben zu laufen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie die zweite Hand des Golems nach ihm schnappte, woraufhin er sich vom Arm des Golems abstieß, in der Luft einen Salto vollführte und auf dem Rücken des Konstrukts landete. Ohne zu zögern drehte er sich um und rammte von oben seine beiden Klingen in die Augenhöhlen des Golems, woraufhin er es splittern hörte. Die Kreatur erstarrte und bekam plötzlich Risse am gesamten Körper, aus denen eine Art schwarzer Nebel zu steigen schien. Schnell zog Naruz seine Waffen aus den, nun leeren, Augenhöhlen des Monsters, steckte sie wieder weg und sprang vom Rücken des Golems, kurz bevor dieser in sich zusammenfiel. Naruz blinzelte und schüttelte kurz den Kopf, woraufhin der seltsame Rauschzustand von ihm abfiel, der während des Kampfes über ihn gekommen war. Jetzt bemerkte er auch Flower, die so schnell sie konnte auf ihn zu rannte, ehe sie vor ihm stehen blieb und mit großen Augen anstarrte. „Das war unglaublich! Wie habt Ihr das gemacht?“
„Das ist... eine gute Frage, ich habe keine Ahnung, mein Körper hat fast automatisch reagiert... vielleicht ist dieser verrückte Heiler ja doch ein Genie? Er sollte diesen seltsamen Trank öfters herstellen.“ murmelte Naruz vor sich hin, woraufhin Flower ihm einen fragenden Blick zuwarf. „Ach, nicht so wichtig. Wie steht es mit dem Codex, könnt Ihr ihn sehen?“
„Ja, er liegt direkt hier.“ meinte sie, ehe sie sich bückte und eine große Steintafel aufhob, die zwischen den Trümmern des Golems lag. „Jetzt kann ich die Texte ohne Probleme übersetzen... wollt Ihr vielleicht warten, bis ich damit fertig bin? Es wird nicht lange dauern.“ Naruz zuckte mit den Schultern, wenn es zu lange dauern sollte, könnte er ja trotzdem schon abhauen, und wer weiß, vielleicht bekam er ja etwas interessantes zu hören.
„Ich werde warten, mal sehen, was die Ruinen uns sagen wollen.“ meinte er, leicht scherzend, was Flower jedoch nicht gehört hatte, die Assistentin hatte bereits aus einer kleinen Tasche eine andere Steintafel genommen und begonnen, diese mit dem Codex zu vergleichen. Naruz seufzte und setzte sich auf einen Stein, der einst der Kopf des Golems gewesen war um zu warten.

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Während Flower damit beschäftigt war, die Steintafel zu übersetzen, fiel Naruz' Blick auf etwas, dass aus den Trümmern des Golems hervorschimmerte. Interessiert stand er auf und ging auf das Schimmern zu, wo er sich bückte, ein paar kleinere Steine zur Seite schob und sah, um was es sich eigentlich handelte. Direkt vor ihm lag ein kleiner, schwarzer Kristall, in dessen Innerem eine Art schwarzer Nebel zu pulsieren schien. Er zögerte kurz, streckte dann jedoch seine Hand aus und hob den Kristall auf, um ihn dann interessiert zu mustern. Hierbei musste es sich um einen magischen Kristall handeln, anders konnte er sich den pulsierenden Nebel nicht erklären.
„Aha! Ich habs!“ rief Flower und lenkte Naruz' Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Hört zu, dieser Text scheint eine Art Prophezeiung zu sein, es ist ein wenig undeutlich, aber grob übersetzt sagt der Text, dass eines Tages ein großer Held in dieser Region geboren wird. Sollte dieser Held aber nicht vorsichtig sein, so kann es sein, dass die Dunkelheit ihn verschlingt und er großes Leid über die Welt bringen wird. Hm, das könnte glatt von der Kirche stammen, die Templer lieben solche Sachen ja.“ meinte sie, leicht verächtlich, was Naruz ein schiefes Lächeln entlockte. Templer und Hexen hatten sich noch nie gut verstanden, die einen verabscheuten Dämonen und versuchten alles in ihrer Macht stehende zu tun um sie auszurotten, die anderen nutzten dunkle Magie, um sie zu versklaven und zu nützlichen Dienern zu machen. Es sagt sich von selbst, dass dies zu einigem Misstrauen und Abneigung führte, von beiden Seiten. Seinen Höhepunkt erreichte die ganze Sache dann vor knapp sieben Jahren, als einige übereifrige Templerrekruten eine Zeremonie von ein paar Hexenmeistern gestört hatten, als diese versuchten einen besonders mächtigen Dämon zu beschwören. Der Dämon geriet daraufhin außer Kontrolle und tötete ein Dutzend Menschen, darunter sämtliche Hexenmeister und einige Templer, ehe die Kirche ihn vernichten konnte. Noch am selben Tag hatten sämtliche Hexer und Hexen sich aus Navea zurückgezogen und den Kontakt mit der Kirche abgebrochen, bis diese eine offizielle Entschuldigung an den Grauen Rat schickte. Bei diesem handelte es sich um eine Ansammlung der dreizehn mächtigsten Hexenmeistern Midgards, und er galt als eine Art Oberhaupt aller Hexen und Hexer, was auch immer der Rat beschloss, war wie ein Befehl für diejenigen, die mit dunkler Magie im Bunde standen. Die Kirche wusste zwar, dass sie am Zwischenfall nicht ganz unschuldig war, jedoch weigerte sich der Erzbischof vehement dies öffentlich anzuerkennen, weshalb das Verhältnis bis zum heutigen Tage noch immer äußerst kühl war. Allerdings hatte Flower durchaus recht damit, dass die Templer Geschichten und Prophezeiungen, die vom Weltuntergang redeten liebten, sie hatten sicherlich hunderte von diesen, in ihren vielen Büchern, welche alle in der Tempelbibliothek in Navea gelagert wurden. Flower seufzte, leicht enttäuscht, und steckte die Steinplatte wieder weg. „Tut mir leid, Naruz, anscheinend habe ich Eure Zeit mit irgendwelchen, dämlichen Legenden verschwendet. Ich werde es aber wieder gutmachen. Ich werde Euch zu meiner Meisterin begleiten, ich sollte ihr eh noch etwas bringen.“ meinte sie und lächelte Naruz freundlich an.
„Ach, Ihr habt meine Zeit nicht verschwendet, aber trotzdem danke, dass Ihr mich begleiten wollt. Müsst Ihr noch etwas erledigen, oder können wir gleich aufbrechen? Ich will ja nicht drängen, aber...“ meinte Naruz und warf einen besorgten Blick auf die blaue Kugel, welche wieder neben ihm schwebte.
„Oh, ich verstehe, wir können sofort aufbrechen, in meinem Lager war nichts wertvolles, was noch da ist, kann ich auch später holen, jetzt ist es wichtiger, Euch zu meiner Meisterin zu bringen, ehe Ihr noch...“ sie brach ab, lief rot an und sah beschämt zu Boden. „Tut mir leid, ich wollte nicht...“
„Schon gut, ich würde vermutlich genauso reagieren. Also kommt, lasst uns aufbrechen.“

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Es dauerte zwei ganze Stunden, ehe die beiden Elenas Hütte erreichten. Auf dem Weg hatten sie nicht viel gesprochen, Naruz war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen sich wegen der Kugel Sorgen zu machen, um ein Gespräch anzufangen. Flower schien das Schweigen nichts auszumachen, vielleicht hielt sie dies auch für die beste Möglichkeit um zu verhindern, dass Naruz doch noch verrückt wurde und sie angriff, immerhin konnte man nie vorsichtig genug sein. Vor der 'Hütte', welche Naruz eher als riesiges Haus bezeichnet hätte, wartete auch schon eine Frau auf sie, bei der es sich wohl um Elena handeln musste. Überrascht stellte Naruz fest, dass sie jünger war als er gedacht hatte, gekleidet war sie in eine violette Robe, welche normalerweise von den Heilerinnen der Kirche getragen wurde, was ihn überrascht eine Braue hochziehen ließ. Flower bemerkte dies und lächelte.
„Meine Meisterin war früher einmal eine Priesterin der Kirche gewesen, ehe sie sich den Studien der dunklen Magie verschrieben hat, deshalb weiß sie auch so viel über Exorzismus und ähnliche Dinge.“ erklärte sie, ehe sie sich an Elena wandte. „Ich bin wieder da! Mir ist es gelungen, die Texte zu übersetzen.“
„Gute Arbeit, Flower... wer ist dein Begleiter?“ fragte Elena und warf Naruz einen äußerst misstrauischen Blick zu, während sie vorsichtig nach einem Stab griff, der an der Hauswand angelehnt war. „Komme mir bloß nicht zu nahe, ich weiß nicht...“
„Ah! Wartet, Meisterin! Dies ist Naruz, er kommt aus Skandia und er ist keinesfalls so, wie der letzte! Er hat mir in den Ruinen geholfen, indem er einen Golem vernichtet hat.“ Elena blinzelte verwirrt und sah von Naruz, zu ihrer Schülerin und wieder zu Naruz zurück.
„Einen Golem? Einen echten Golem?“
„Ja.“ meinte Flower und Naruz nickte bestätigend.
„Ich bin zu Euch gekommen, weil ich gehofft habe, dass Ihr mir hiermit helfen könnt.“ Naruz deutete auf die blaue Kugel neben sich, während er dies sagte.
„Ich... verstehe, bist du dir sicher, dass wir ihm vertrauen können, Flower?“
„Ja, bin ich. Er hat keinerlei Anzeichen gemacht, verrückt zu werden, ich finde, wir sollten ihm helfen.“ Elena musterte Naruz eine Weile, ehe sie seufzte und den Stab sinken ließ, den sie drohend auf Naruz gerichtet hatte.
„Nun gut, Naruz. Ich werde Flower in diesem Fall vertrauen. Flower? Nimm meinen Stab und füge die Kristalle ein, die du aus den Ruinen besorgen solltest, du weißt noch, wie es geht?“
„Natürlich, ich werde mich sofort darum kümmern.“ meinte die Schülerin, entnahm drei Kristalle aus ihrer Tasche, einen blauen, einen violetten und einen grünen, legte sie in einem Dreieck auf den Boden und den Stab ihrer Lehrerin in die Mitte. Als sie einen prüfenden Blick auf ihre Arbeit geworfen hatte, begann sie eine Zauberformel zu murmeln, woraufhin der Stab anfing zu leuchten.
„Der junge Mann, der vor Euch hier war, Brian, er hatte meinen alten Stab zerstört, weshalb ich einen neuen fertigen musste. Die Grundform ist leicht herzustellen, die Kristalle jedoch, welche in den Stab eingearbeitet werden, müssen an verschiedenen Stellen magisch aufgeladen werden, weshalb es eine Weile dauerte, bis ich einen neuen fertigen konnte.“
„Warum lasst Ihr Eure Schülerin die Arbeit machen? Kann da nichts schiefgehen?“
„Nein, nein, Flower ist eine talentierte Schülerin, und Kristalle in einen Stab einzuflechten ist nicht besonders schwierig.“ Warum sie ihre Schülerin die Arbeit verrichten ließ, sagte sie jedoch nicht.
„Ach ja, wo wir gerade bei Kristallen sind...“ meinte Naruz und fischte den Kristall mit dem schwarzen Nebel aus seiner Tasche, den er in der Höhle gefunden hatte. „Der hier lag zwischen den Trümmern des Golems, wisst Ihr, was es ist?“
„Darf ich?“ fragte die Hexe und streckte ihre Hand nach dem Kristall aus. Naruz nickte und ließ ihn in ihre Hand fallen, woraufhin sie sofort begann ihn zu untersuchen. „Interessant, dieser Kristall ist verzaubert, wie es scheint. Wenn man ein klein wenig Magie in ihn einfügt, dürfte etwas passieren, wartet einen kleinen Moment.“ mit diesen Worten legte Elena den Kristall auf den Boden, trat ein paar Schritte zurück und richtete ihre Hand auf ihn, woraufhin ein violetter Strahl in den Kristall fuhr, der begann zu zittern und zu leuchten. Flower war währenddessen mit ihrem Ritual fertig geworden und überreichte ihrer Meisterin den neuen Stab. „Ah, danke Flower, gute Arbeit.“
„Moment, Ihr braucht Euren Stab nicht, um Magie zu wirken?“
„Nein, aber Ihr scheint von einem Geist verfolgt zu werden, was einen Exorzismus benötigen wird und dafür werde ich meinen Stab brauchen, ah seht! Es passiert etwas!“ Schwarzer Nebel begann aus dem Kristall zu steigen, ehe es plötzlich einen Knall gab und eine Gestalt in der Luft vor den Versammelten erschien. Bei ihr handelte es sich allem Anschein nach um einen Dämon, der mit seinen Flügeln, Hörnern und der roten Haut durchaus furchterregend ausgesehen hätte, wenn er nicht äußerst winzig gewesen wäre, die Kreatur würde Naruz nicht einmal bis zum Knie reichen, wenn sie nicht mit Hilfe ihrer Flügel vor ihm schweben würde.
„Endlich bin ich frei! Törichte Sterbliche, ich hatte schon sämtliche Hoffnung verloren, dass einer von euch eines Tages mein Gefängnis öffnen würde! Macht euch bereit, denn jetzt werde ich diese Welt vernichten... Moment... was ist mit meinem Körper los? Warum bin ich so... oh, oh.“ Der Dämon blickte in die verdutzten Gesichter von Naruz, Elena und Flower, ehe er sich am Kopf kratzte und verlegen zu Boden sah. „Das ist mir jetzt wirklich peinlich... ähm, vergesst einfach was ich gesagt habe, war alles nur ein kleiner Scherz.“ mit diesen Worten löste der Dämon sich in schwarzen Nebel auf, der zurück in den Kristall floss.

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Ein paar Minuten lang sagte niemand ein Wort, sondern starrte lediglich auf den kleinen Kristall, der vor ihnen lag. Schließlich bückte Elena sich und hob ihn auf.
„Ich habe keine Ahnung was das sollte, aber dieser Kristall scheint ein wenig... gefährlich zu sein. Ich werde ihn fortan unter Verschluss halten... wie auch immer, wollen wir zu Eurem Exorzismus kommen, Naruz?“
„Ja... ja, das wäre vielleicht am besten.“ meinte dieser und versuchte die seltsame Begegnung mit dem Dämon aus seinen Gedanken zu verbannen.
„Gut, dann bleibt genau dort stehen, rührt Euch nicht vom Fleck.“ meinte die Hexe, wirbelte mit ihrem Stab in der Luft herum und murmelte etwas, dass Naruz für eine Art Gebet hielt, er konnte nicht viel davon hören, aber der Teil den er Verstand hörte sich stark danach an. Ihm entfuhr ein überraschter Schrei, als er plötzlich anfing zu schweben und er spürte, wie die Luft um ihn herum wärmer wurde. „Keine Sorge, es könnte vielleicht ein unangenehmes Gefühl geben, aber das dürftet Ihr schon überstehen.“ meinte die Hexe und schwang ihren Stab vor und zurück. Währenddessen wurde die Luft um Naruz immer wärmer, bis es sich so anfühlte, als würde er mitten in einem großen Feuer stehen, woraufhin ihm ein Schmerzschrei entfuhr. „W-was bei Gaia...?“ stotterte die Hexe, als sie merkte, dass Naruz begann sich in der Luft vor Schmerzen zu krümmen, und brach den Exorzismus ab. „D-das sollte nicht passieren, eigentlich sollte es nur... was passiert hier?“ Niemand schien darauf eine Antwort zu haben, Naruz war, nachdem der Zauber der Hexe nachgelassen hatte, auf den Boden gesunken, die Schmerzen blieben jedoch. Er war allerdings noch soweit bei Verstand, dass er bemerkte, wie die seltsame Kugel über ihm anfing zu pulsieren, erst langsam, aber dann immer schneller und heftiger, ehe sie vollkommen weiß wurde und blendendes Licht von sich gab, das sämtliche Anwesenden dazu zwang die Augen zu schließen. Als Naruz die Augen wieder öffnete, merkte er als erstes, dass der Schmerz vollkommen verschwunden war. Verwirrt rappelte er sich auf und sah sich um. Neben ihm standen Flower und Elena und direkt vor ihm befand sich die Kugel... nein, das stimmte nicht. Vor ihm war keine Kugel mehr. An ihrer Stelle schwebte etwas, dass man für einen blonden Jungen halten konnte, wenn da nicht ein paar gravierende Unterschiede wären. Zum ersten schwebte dieses Wesen direkt vor Naruz in der Luft und starrte ihm in die Augen, zum anderen war sie nicht viel größer als eines der kleineren Riesenkaninchen, außerdem hatte diese Kreatur lange, spitze Ohren.
„Ah, endlich, wurde auch Zeit. Hey, hallo Naruz, schön dich endlich kennenzulernen.“ begann die Kreatur zu sprechen und Naruz erkannte die Stimme sofort wieder, auch wenn diese ein wenig tiefer war, war er sich ziemlich sicher, dass dies die Stimme des kleinen Jungen war, der ihn bereits zwei mal vor drohender Gefahr gewarnt hatte. „Wie geht es dir? Hatte ja eine ganze Weile gedauert, bis du mich da rausgekriegt hast.“
„W-was... ich.. wer... was... wer bist du?“ stotterte Naruz vollkommen verwirrt vor sich hin, während die Kreatur vor ihm einen kleinen Salto in der Luft vollführte.
„Ah, mein Fehler. Ich bin Serif, wir zwei werden fortan Partner sein... oh, es kommt Besuch.“ Serif deutete auf etwas hinter Naruz und als dieser sich umdrehte, sah er einen ziemlich erschöpften Willie, der auf ihn zu rannte.
„Naruz! Ich habe dich schon überall gesucht, Kommandeur Kane hat... bei Gaia, was ist das?!“ kreischte Willie, als er Serif bemerkte und zog sein Schwert, welches er mit zitternden Händen auf die Kreatur richtete.
„Das ist eine gute Frage, auf die ich selber keine Antwort weiß. Was ist mit Kommandeur Kane?“
„Was? Oh... ach ja, natürlich! Der Kommandeur hat Brian gefunden, der ist aber vollkommen verrückt geworden. Er hat ein paar Händler angegriffen, die auf dem Weg nach Skandia waren, außerdem... er hat Joel entführt und in eine Höhle im Nordosten des Sumpfes verschleppt! Der Kommandeur hat die Höhle umzingelt, will aber auf Verstärkung warten, ich wurde damit beauftragt dich zu holen, Kane meinte, wir werden dich brauchen.“
„Naruz...“ schaltete Elena sich ein und lenkte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. „Falls Brian auch von einem solchen Geist heimgesucht wird...“
„Kann er mir vielleicht sagen, um was es sich bei Serif hier handelt.“ beendete Naruz den Satz der Hexe, die bestätigend nickte.
„Genau, außerdem kann er Euch vielleicht sagen, wo er sich diesen Geist eingefangen hat.“
„Ähm, ich könnte euch allen auch einfach jetzt sagen...“ begann Serif, wurde jedoch vollkommen ignoriert.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren, Willie, bringe mich zur Höhle.“
„Sofort, folge mir.“ mit diesen Worten drehte Willie sich um und rannte zu den Sümpfen, mit Naruz und, gezwungenermaßen, Serif im Schlepptau.

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Als sie die Höhle erreichten erstarrte Willie und Naruz sah sofort, weshalb. Vor dem Eingang der Höhle standen der Kommandeur und drei seiner Männer, inmitten von einem halben Dutzend toter Wachen, oder zumindest, was von ihnen übrig war. Überall lagen diverse Körperteile verteilt und das Gras war vom vielen Blut rot gefärbt.
„Bei Gaia, was ist hier passiert?“ entfuhr es Willie, was die Aufmerksamkeit von Kane auf ihn lenkte.
„Ah, Willie, wie ich sehe hast du Naruz... Naruz! Du bist auch verflucht worden?“ entfuhr es Kane, als er Serif bemerkte, der neben Naruz schwebte.
„Ähm, nicht wirklich, Kommandeur, die Sache ist ein wenig... kompliziert. Um ehrlich zu sein, weiß ich selber nicht, was es mit Serif hier auf sich hat.“
„Serif?“
„So heißt er.“ meinte Naruz schulterzuckend und deutete auf die Kreatur an seiner Seite. „Deshalb muss ich Brian finden, er könnte mir vielleicht sagen, was es mit der ganzen Sache auf sich hat... wo wir gerade von Brian reden, er ist doch nicht etwa hierfür verantwortlich... oder?“
„Er selber nicht, nein. Er hat sich mit Joel in diese Höhle verkrochen, als meine Männer ihm folgen wollten, wurden sie von einem schwarzen Panther angegriffen, der hat sie so zugerichtet. Nachdem er mit ihnen fertig war, hat er sich ebenfalls in die Höhle zurückgezogen.“
„Dann besteht also eine Chance, dass Brian nichts mit dem Panther zu tun hat?“ fragte Naruz hoffnungsvoll, aber Kane schüttelte nur den Kopf.
„Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich kenne Brian schon seit er ein kleiner Junge war, ich will auch nicht glauben, dass so etwas aus ihm geworden ist, aber wir müssen den Tatsachen ins Gesicht sehen, der Panther war an seiner Seite, als er die Händler angegriffen hatte, für ihn wird es keine Ausrede geben. Wenn du mit ihm sprechen willst, solltest du dich beeilen, ich warte nur noch auf Verstärkung aus dem Dorf, dann werden wir die Höhle stürmen.“
„Was? Aber...“
„Ich sage es nur noch einmal, wenn du mit Brian sprechen und rausfinden willst was er weiß, solltest du es jetzt tun.“ meinte Kane mit tonloser Stimme und Naruz verstummte. Er wusste, dass dies keine leichte Entscheidung für den Kommandeur sein konnte.
„Gut... ich werde reingehen und mit Brian reden, vielleicht kann ich ihn davon überzeugen Joel freizulassen und sich zu stellen, ich war immerhin einer derjenigen im Dorf, mit denen er öfter geredet hatte.“ Kane schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts.
„Moment, Naruz? Du willst doch nicht wirklich da reingehen, oder?“ fragte Willie, sichtlich besorgt.
„Doch, will ich. Vielleicht kann ich ihn ja doch noch überzeugen.“
„Aber... hey, warte!“ rief Willie, als Naruz einfach in die Höhle schritt, jedoch hörte dieser nicht auf seinen Freund und ging einfach weiter. Die Höhle war nicht sonderlich groß, weshalb es nicht lange dauerte, ehe er Brian fand. Dieser stützte sich auf eine große Axt, während neben ihm ein gewaltiger, schwarzer Panther saß und bedrohlich einen kleinen Jungen anknurrte, der ängstlich und weinend in einer Ecke hockte, und den Naruz als Joel erkennen konnte. Brian hingegen hätte Naruz fast nicht wiedererkannt. Der junge Mann hatte blutrote Augen, und ein unnatürlich bleiches Gesicht und der Blick, den er Naruz zuwarf, hatte etwas wahnsinniges an sich.
„Das sieht nicht gut aus, er wurde bereits vollkommen von der Finsternis verschlungen.“ meinte Serif, woraufhin Naruz zusammenzuckte. Er hatte gar nicht gemerkt, dass die Kreatur ihm gefolgt war.
„Was meinst du damit?“
„Genau das, was ich gesagt habe, tut mir leid, Naruz, aber dein Freund ist nicht mehr zu retten. Er ist bereits dem Wahnsinn verfallen.“ Ehe Naruz darauf antworten konnte, richtete Brian sich auf, hob die Axt und ging langsam auf Naruz zu.
„Ich... erkenne dich... Na.. ruz? Ja, Naruz! Du warst immer nett zu mir... du wirst mich nicht verraten, so wie alle anderen, nicht wahr? Ich sehe, du bist auch auserwählt!“ meinte Brian und ein hoffnungsvolles Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht.
„Auserwählt? Wozu?“ Das Lächeln verblasste.
„Um diese Welt zu beherrschen, natürlich... aber ich sehe schon, du bist genauso wie die anderen, hier um mich zu verraten... und um diesen jämmerlichen Bengel zu retten. Ich hätte nie erwartet, dass du dich gegen mich wenden würdest, Naruz! Wir waren... ich war... wer war ich? Egal... unwichtig, unwichtig, unwichtig... sei still! Sei still, sei still, sei still, sei still!“ brüllte Brian plötzlich und schlug mit seiner Axt nach Naruz. Dieser schaffte es geradeso auszuweichen und zückte seine Schwerter, ehe er eine defensive Haltung annahm.
„Brian! Lass das, Kane wird gleich mit seinen Leuten hier rein marschieren, und dann...“
„Halt dein Maul! Ich lasse mir von dir nichts befehlen!“ schrie Brian und ging erneut auf Naruz los.
„Ich habe dir doch gesagt, dass er vollkommen wahnsinnig geworden ist.“ meinte Serif, ehe er nach vorn schnellte und Brian einen Tritt ins Gesicht verpasste, mit einer Kraft, die Naruz dem kleinen Wesen niemals zugetraut hätte. Brian flog nach diesem Treffer ein paar Meter durch die Luft, ehe er auf dem Boden aufprallte und seine Axt fallen ließ. Als hätte er nur auf dieses Signal gewartet, schnellte der Panther nach vorn und schnappte mit seinem Maul nach Naruz, dieser zögerte jedoch nicht länger, sondern wich dem Angriff mit Leichtigkeit aus, ehe er seine Schwerter in den Rücken des Tiers rammte. Zu seiner Überraschung trat jedoch kein Blut aus der Wunde aus, sondern eine Art grüner Nebel. Schnell zog Naruz seine Waffen aus dem Panther und entfernte sich, falls dieser vorhatte erneut nach ihm zu schnappen, dies schien jedoch nicht der Fall zu sein. Die Kreatur ließ lediglich ein markerschütterndes Brüllen hören, ehe es in schwarze Flammen aufging und verschwand.
„War es das?“ fragte Naruz misstrauisch. Er konnte nicht glauben, dass dies so einfach war und Serif bestätigte seine Befürchtungen.
„Nein... nein, war es nicht.“ in seiner Stimme schien ein Hauch von Mitleid mitzuschwingen, als er beobachtet, wie Brian sich aufrappelte und einen wutentbrannten Blick zu Naruz warf.
„Das soll ein schlechter Scherz sein, oder? Naruz, stärker als ich? Ich bin ein Auserwählter! Ich bin ein Herrscher der Finsternis, ich bin allmächtig! Das kann nicht alles sein... mehr! Ich will mehr, gib mir mehr Macht! Egal was es kostet, mach mich stärker! Viel stärker, so stark, dass ich die Welt vernichten kann!“ Während Brian dies sagte begannen plötzlich schwarze und violette Flammen um ihn herum zu tanzen, ehe sie auf ihn zu krochen und seinen Körper in Brand steckten. Brian schrie auf, dieser Schrei verwandelte sich jedoch schon bald in wahnsinniges Gelächter. „Ja! Ja, ja, ja! Naruz! Mache dich bereit zu sterben!“ kreischte Brian und trat aus den Flammen. Allerdings hatte das Monster, welches gerade aus dem Feuer trat keinerlei Ähnlichkeit mit dem jungen Mann, den Naruz gekannt hatte. 'Brian' überragte Naruz nun um gut einen Meter, seine Haut war vollkommen rosa und überall an seinem Körper traten Knochen hervor, was ihm ein äußerst furchteinflößendes Aussehen verlieh.
„Brian? Was... was ist mit ihm? Serif! Was ist mit Brian passiert?“ fragte Naruz und wandte sich an die Kreatur, welche noch immer neben ihm schwebte.
„Er hat seine Seele geopfert und einen Vertrag mit der Dunkelheit abgeschlossen... er ist nun ein Dämon.“

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„Ein Dämon? Brian? Aber wie...“
„Tut mir leid um deinen Freund, aber uns wird keine andere Wahl bleiben, als ihn zu vernichten. Vertraust du mir?“
„Nein, überhaupt nicht.“
„Auch gut, Misstrauen ist ein wichtiger Teil in einer guten Partnerschaft.“
„Machst du... machst du gerade Witze? In solch einer Situation?“
„Nicht gut?“
„Normalerweise wäre ich der erste, der in schwierigen Situation irgendwelche dämlichen Sprüche loslässt, aber während wir direkt vor einem Dämon stehen...“
„Immerhin scheint es dich von eben jenem Dämon abzulenken. Also, vertraust du mir?“
„Wie oft noch? Nein!“
„Wunderbar, dann sage folgendes...“ meinte Serif und ignorierte dabei vollkommen Naruz' Antwort. „'Im Namen der Gaia befehle ich dir: Steige aus dem Reich des Lichtes herab und strafe meine Feinde mit den himmlischen Blitzen der Gaia! Erscheine und kämpfe an meiner Seite, Serif!'“
„Das hört sich vollkommen bescheuert an.“
„Mache es einfach, erst dann kann ich mit voller Kraft kämpfen und erst dann werden wir eine Chance gegen diesen Dämon haben, oder willst du, dass er ins Dorf kommt und dort alles verwüstet?“ Bevor Naruz antworten konnte, kreischte der Dämon auf und begann auf ihn zu zurennen, mit einem bösartigen Funkeln in den Augen.
„Oh, verdammt. Schön! Aber wehe, es funktioniert nicht!“ fauchte Naruz, sprang nach hinten, um ein wenig Abstand zwischen sich und den Dämon zu bringen und richtete sich dann auf. Instinktiv verschränkte er seine Arme vor der Brust, so dass die Spitzen seiner Schwerter auf den Boden zeigten und merkte dann verdutzt, dass diese Haltung der aus seinen Albträumen ziemlich ähnlich war.
„Los, mach schon!“ drängte Serif ihn, während Dämonenbrian immer näher kam. Naruz holte einmal tief Luft, atmete aus, und wiederholte dann die Worte, die Serif ihm eben gesagt hatte.
„Im Namen der Gaia befehle ich dir: Steige aus dem Reich des Lichtes herab und strafe meine Feinde mit den himmlischen Blitzen der Gaia! Erscheine und kämpfe an meiner Seite, Serif!“ Kaum hatte Naruz diese Worte gesprochen, fuhr ein silberner Blitz aus der Höhlendecke hinab und traf Serif, dem das ganze allerdings nichts auszumachen schien.
„Sehr gut, bist du bereit, Partner?“ fragte Serif und warf ihm einen erwartungsvollen Blick zu. Naruz zögerte kurz, nickte dann jedoch.
„Lass es uns hinter uns bringen... Partner.“ murmelte er, was Serif ein helles Lachen entlockte.
„Ich sehe schon, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ Kaum hatte Serif dies gesagt, war der Dämon auch schon bei ihnen und schlug mit seinen gewaltigen Pranken, aus denen spitze Knochen ragten, nach Serif, dieser wich jedoch mit Leichtigkeit aus und ließ sich auf Naruz' Schulter nieder.
„Was machst du?“ fragte Naruz, ein wenig misstrauisch, während er den Schlägen des Dämons auswich, die immer wilder und brutaler wurden.
„Das wirst du gleich sehen, vertraue mir einfach.“
„Du sprichst gerne von Vertrauen, kann das...“ Naruz brach ab, als plötzlich eine schwarze Flamme aus dem aufgerissenen Maul des Dämons schoss und warf sich zur Seite um dem Feuer zu entgehen. „Was auch immer du machst, mache es schneller.“ knurrte Naruz, ehe er erneut einer Stichflamme ausweichen musste.
„Keine Sorge, ich bin gerade fertig geworden.“ meinte Serif und hüpfte von Naruz' Schulter. Als dieser an sich heruntersah, bemerkte er schockiert, dass silberne Blitze seinen Körper umspielten.
„Was hast du gemacht?“
„Es nennt sich Seelenbindung, du hast einen Teil meiner Kräfte erhalten, zusammen werden wir diesen Dämon vernichten, bist du bereit?“ während Serif dies fragte bildeten sich kleine Messer aus weißer Energie in seinen Händen. Ein letztes mal atmete Naruz tief durch, dann nickte er. „Gut, dann los!“ Ohne Vorwarnung schoss Serif direkt auf den Dämon zu, und fügte ihm im vorbeifliegen gleich ein halbes Dutzend Schnittwunden am Oberarm zu, was der Kreatur ein Kreischen entlockte, sie jedoch nicht daran hinderte auf Naruz zu zustürmen. Als der Dämon direkt vor Naruz stand hob er seine Pranke um dem jungen Mann einen Schlag zu verpassen, erstarrte dann jedoch. Naruz war einfach verschwunden, er stand nicht länger vor der Kreatur, sondern befand sich in ihrem Rücken.
„Tut mir leid, Brian.“ murmelte er, ehe er seine Schwerter in den Rücken des Dämons rammte, woraufhin dieser erneut schrie und sich umdrehte, Naruz war jedoch bereits wieder verschwunden. Man konnte ihn und Serif nur noch als silberne und weiße Schemen erkennen, die um den gewaltigen Dämon herumtanzten, bis dieser schließlich, aus Dutzenden Wunden blutend, zu Boden sackte, wo Naruz ihm einen letzten, traurigen Blick zuwarf, ehe er den Kopf der Kreatur von ihren Schultern trennte.
„Saubere Arbeit, Partner! Wir haben es geschafft! Und du sahst ziemlich cool aus, hätte nie gedacht, dass du so leicht mit meinem Tempo mithalten kannst! Oj, ist alles in Ordnung?“ fragte Serif, als Naruz in die Knie sank und sich erschöpft auf den Rücken fallen ließ.
„Ja... ich bin nur ein wenig... müde.“ murmelte Naruz und starrte Serif an, der sich mit verschränkten Beinen auf seinem Brustkorb niederließ und wissend nickte.
„Stimmt, ich hatte gar nicht bedacht, dass es für dich vielleicht ein wenig anstrengend sein könnte gleich am ersten Tag eine Seelenbindung durchzuführen. Dafür hast du dich aber ziemlich gut gehalten.“ meinte Serif und reckte anerkennend einen Daumen in die Luft.
„N-naruz? Bist du das, Naruz?“ erklang auf einmal eine Stimme direkt neben ihm, woraufhin Naruz den Kopf drehte. Direkt neben ihm kniete Joel und warf einen verängstigten Blick auf die Leiche des Dämons. „I-ist es jetzt vorbei? Kann ich wieder nach Hause?“ Naruz blick fiel ebenfalls auf das, was einmal Brian gewesen war.
„Ja, jetzt ist es vorbei.“ murmelte er und richtete sich auf, als er in der Nähe schwer gepanzerte Schritte hörte. Kurz darauf betraten Kane und seine Leute die Höhle.
„Bei Gaia! Was ist hier geschehen?“ entfuhr es dem Kommandeur, als er die Höhle betrat. Naruz seufzte und stand nun ganz auf, ehe er sich daran machte, alles was hier vorgefallen war zu erklären.

Einige Stunden später lag Naruz auf dem Bett in seinem kleinen Haus und starrte auf die Decke über sich, wo Serif in der Luft schwebte und auf ihn hinunter sah.
„Du bist also ein Eidolon.“ sagte Naruz, mehr zu sich selbst, als zu Serif. Nachdem Naruz dem Kommandeur die Situation erklärt hatte, wurde er von diesem und den Wachen in das Dorf geführt, wo er seine Geschichte noch einmal wiederholen durfte, dieses mal vor dem Dorfoberhaupt, dessen Frau und auch vor Elena und ihrer Schülerin, die zu diesem Anlass ins Dorf gekommen waren. Dank Flowers und Joels Aussagen hatte Kane darauf verzichtet, Naruz vorsichtshalber in das Gefängnis zu werfen, oder anderswo wegzusperren, jedoch war er, wie viele andere, noch immer fest davon überzeugt, dass Naruz verflucht war, und dass es am besten wäre, ihn nicht frei herumlaufen zu lassen. Nachdem Naruz also nachhause gehen durfte, hatte er sofort begonnen Serif zu befragen und hatte einige interessante Dinge herausgefunden. Serif behauptete von sich selbst, ein Eidolon zu sein, eines der heiligen Wesen der Gaia, welche angeblich überall in dieser Welt lebten, sich jedoch nur mit Hilfe der geistigen Energie einiger weniger, auserwählter Menschen manifestieren konnten. Freilich hatte Naruz niemandem im Dorf etwas davon gesagt, kaum jemand würde ihm glauben, wenn er sagte, dass Serif ein Eidolon war und selbst diejenigen, die ihm glauben würden, wären sicherlich noch immer misstrauisch, denn nach allem was Serif ihm erzählt hatte, war der Panther, der Brian begleitet hatte, ebenfalls ein Eidolon gewesen.
„Richtig, das macht dich zu einem Botschafter der Gaia, solange die geistige Energie eines Menschen stark genug ist, kann er Eidolons kontrollieren und sie für seine Zwecke nutzen. Sollte der Geist eines Menschen jedoch schwach sein, oder er plötzlich schwächer werden, dann...“
„Passiert das selbe, dass auch Brian widerfahren ist.“ meinte Naruz, mit brüchiger Stimme.
„Genau.“
„Und das bedeutet wiederum, dass ich auch eines Tages...“ Weder er noch Serif sprachen aus, was Naruz sagen wollte, aber der traurige Blick, der Serif ihm zuwarf zeigte Naruz, dass er recht hatte. „Gut.“ meinte Naruz, atmete tief ein und stand dann auf. „Damit habe ich nur noch eine Wahl.“
„Ich weiß, was du denkst... bist du dir sicher? Du hast dein ganzes Leben hier verbracht. Alle deine Freunde sind hier.“
„Stimmt und genau deswegen muss ich abhauen, was, wenn ich eines Tages durchdrehe, so wie Brian?“ meinte Naruz, während er einen großen Rucksack unter seinem Bett hervorzog und begann, ihn mit seinen Sachen vollzustopfen. „Ich werde Skandia verlassen und einen Weg finden, meine Verbindung zu dir zu trennen und dann...“ Naruz verstummte und warf einen flüchtigen Blick zu Serif. „Tut mir leid, ich meinte nicht... also... du hast mir sehr geholfen, ohne dich hätte ich wahrscheinlich niemals Joel retten können, aber...“
„Schon gut, Partner. Ich weiß, was du meinst. Du kannst nicht riskieren, eines Tages zu einem Dämon zu werden. Die einzige Möglichkeit für dich nach Skandia zurückzukehren, ohne deine Freunde konstanter Gefahr auszusetzen ist, mich loszuwerden.“
„Ich wollte dich nicht beleidigen, du scheinst wirklich nett zu sein, und...“ Naruz brach ab, als es plötzlich an seiner Tür klopfte. Verwirrt sah er zur Tür hinüber, wer könnte das sein, um diese Uhrzeit?
„Naruz? Bist du da? Bitte mach die Tür auf.“ erklang Willies Stimme, woraufhin Naruz sofort zur Tür ging uns die öffnete. Kaum war sie offen betrat Willie das Haus, und er war nicht alleine. Ihm folgten zwei weitere von Naruz' Kindheitsfreunden, Corey und Betsie, die Kinder des Dorfschmieds, die gelegentlich auf dem Markt aushalfen. Willie trug dieses mal keine Rüstung, sondern ein gewöhnliches, graues Hemd mit einer braunen Hose dazu. In Coreys Hand befand sich ein großer Korb, der mit einem blauen Tuch verdeckt war.
„Willie? Was macht ihr alle hier?“ fragte Naruz, während er die Tür schloss.
„Wusste ich es doch.“ meinte Willie, als er den Rucksack auf Naruz' Bett sah. „Du willst verschwinden, nicht wahr?“ Trauer spiegelte sich in Willies Blick, als er dies sagte.
„Naruz! Wir alle wissen, wie Kane zu dieser Sache steht, aber ich bin mir sicher man kann Sheila und York davon überzeugen...“ begann Corey, verstummte jedoch als Naruz den Kopf schüttelte.
„Nein, es ist am besten für alle, wenn ich gehe.“ meinte Naruz und setzte ein Lächeln auf um seine Freunde zu beruhigen.
„Naruz, wir kennen dich schon zu lange, wir merken es, wenn du dich dazu zwingen musst zu lächeln.“ meinte Betsie und legte eine Hand auf Naruz' Schulter, woraufhin sein Lächeln verblasste und er einen traurigen Gesichtsausdruck bekam.
„Es ist wirklich das beste für alle, ich habe mit Serif gesprochen und nach dem, was ich gehört habe, gibt es keine Garantie dafür, dass ich nicht auch eines Tages wie Brian werde.“ Während er dies sagte, ließ Serif sich auf Naruz' freier Schulter nieder und begrüßte die anderen mit einem höflichen Nicken.
„Selbst wenn es stimmt, du willst doch nicht wirklich von hier abhauen, oder?“ fragte Willie und warf Naruz einen prüfenden Blick zu.
„Natürlich nicht!“ fauchte dieser, ehe er sich auf die Zunge bis und zu Boden blickte. „Tut mir leid, ich wollte nicht...“
„Oh, du entschuldigst dich? Es scheint, als hättest du die richtige Entscheidung getroffen, du fängst ja schon an, dich zu verändern.“ Diese Bemerkung entlockte Naruz zumindest ein leichtes, trauriges Lächeln.
„Wie auch immer, wir werden deine Entscheidung akzeptieren.“ meinte Betsie, während ihr Bruder den Korb auf Naruz' Nachttisch abstellte und das Tuch wegnahm, woraufhin ein halbes Dutzend Weinflaschen zum Vorschein kam. „Aber das heißt nicht, dass wir dich einfach so abhauen lassen.“ fügte sie mit einem Grinsen hinzu.
„Ganz genau, für heute, lass uns feiern, dass du Joel gerettet hast. Um alles andere können wir uns Morgen Sorgen machen.“ meinte Willie und öffnete die erste Flasche, nahm vier Gläser aus Naruz' Küchenschrank und füllte sie mit Wein. „Oh... ähm, Serif? Willst du auch etwas... können Geister überhaupt...?“ fügte Willie hinzu, als er Serif auf Naruz' Schulter bemerkte.
„Natürlich können wir, gib mir ruhig ein Glas!“ meinte er und sprang auf die Küchenbank, wo Willie ihm ein Glas hinstellte und es mit Wein füllte.
„Nun denn, auf Naruz und Serif, die Helden des Dorfes!“ meinte Corey und prostete mit seinem Glas zu Naruz hinüber.
„Auf Naruz und Serif!“ stimmten Willie und Betsie zu und leiteten somit eine Nacht ein, in welcher der Wein in Strömen floss und an die sich Naruz in keinster Weise mehr erinnern konnte.

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Als Naruz am nächsten Morgen aufwachte dröhnte ihm der Schädel und er fand sich alleine in seinem Haus wieder, nicht im Bett sondern auf dem Boden direkt davor, umringt war er von den Weinflaschen, alle leer, und einigen Gläsern, welche die Nacht wie durch ein Wunder überstanden hatten.
„Morgen Naluz... Naroos... Nahl... Partner.“ lallte Serif vor sich hin. Der Eidolon versuchte gerade krampfhaft sich auf Naruz' Nachttisch aufzurichten und schwankte dabei bedrohlich vor und zurück. „Wie spät ist es?“
„Was fragst du mich das?“ knurrte Naruz, während er sich den Kopf rieb. „Und musst du so schreien?“ fügte er hinzu und richtete sich langsam auf. Immerhin waren dies Kopfschmerzen, für die er die Ursache kannte und die ihm nicht vollkommen unbekannt waren, dachte Naruz während er sich umsah. Sein Rucksack lag noch immer auf dem Bett, halbfertig gepackt und bei seinem Anblick strömten die Erinnerungen an die gestrigen Ereignisse zurück. Der Golem, Serifs Erscheinen, der Kampf gegen den Dämon und der Entschluss, Skandia zu verlassen um einen Weg zu finden, sich vom Eidolon zu trennen. Mit einem Seufzen ließ Naruz sich auf sein Bett sinken und starrte an die Eingangstür. So saß er eine knappe Stunde ehe er sich einen Ruck gab, aufstand und anfing seine restlichen Sachen zu packen, was sich als ziemlich schwierig erwies, da Serif unbedingt helfen wollte, dadurch aber alles nur noch schlimmer machte. Aber letztendlich gelang es ihnen den Rucksack zu packen und sich zur Tür vorzukämpfen. Serif schwebte die ganze Zeit neben Naruz, musste sich aber an dessen Ärmel festhalten, um nicht wild durch die Gegend zu fliegen. Heute trug Naruz nicht seine typische Lederweste mit dem gelben Hemd darunter, sondern einen Mantel, den er immer dann nutzte, wenn er auf Reisen war, also praktisch nie. Nach einem letzten Blick durch sein kleines Haus öffnete Naruz die Tür und rechnete fest damit, dass die Mittagssonne ihm direkt ins Gesicht scheinen würde, aber dem war nicht so. Verwirrt stellte Naruz fest, dass die Sonne gerade eben erst aufgegangen war. Hatte er also doch nicht so lange geschlafen, wie er dachte. Er zuckte kurz mit den Schultern, schloss die Tür hinter sich, jedoch ohne abzuschließen, und machte sich auf den Weg zum Dorfeingang. Er traf niemandem auf dem Weg, was ihm ziemlich merkwürdig vorkam, als er jedoch durch den Torbogen schritt, sah er warum dem so war. Ein Großteil des Dorfes hatte sich dort, auf einer Wiese versammelt und auf ihn gewartet! Ganz vorne standen York und Sheila, weiter hinten konnte Naruz jedoch Willie und die beiden Geschwister erkennen, die ihm zulächelten.
„Ihr habt doch nicht etwa...“ begann er, verstummte jedoch, als ihm nicht einfiel, was er eigentlich sagen wollte.
„Doch, haben wir. Wir dachten uns, warum nutzen wir nicht die Zeit, die du betrunken warst, um alle deine Freunde und Bekannten für ein kleines Abschiedstreffen zu versammeln?“ Ehe Naruz etwas sagen konnte räusperte York sich und trat nach vorn.
„Ihr alle kennt denjenigen, der hier vor uns steht! Naruz ist einer von uns, ein waschechter Skandianer, der die Sicherheit seines Dorfes und seiner Freunde über sein persönliches Wohl stellt! Erst Vorgestern hat er sein Leben riskiert, um meinen Sohn zu retten und noch in der selben Nacht beschlossen...“
„Vorgestern?“ flüsterte Naruz erschrocken und sah zu Serif hinüber, der nur mit den Schultern zuckte. „Bei Gaia, wie viel hatte ich getrunken?“ murmelte Naruz vor sich hin, während York mit seiner Rede fortfuhr. Als plötzlich alle klatschten zuckte Naruz zusammen, anscheinend war York fertig, weshalb Naruz sich räusperte und nach vorn trat.
„Ähm, vielen dank, York. Du hast dich immer gut um mich gekümmert und du auch, Sheila. Ich schwöre, ich werde wenn nötig bis ans Ende der Welt reisen um...“ begann er, verstummte jedoch. Wollte er sich wirklich unbedingt von Serif trennen? Er kannte den Eidolon erst seit einem... zwei Tagen, aber er mochte ihn bereits. Vielleicht sollte er lieber eine Möglichkeit finden, Serif bei sich zu behalten und gleichzeitig zu verhindern, dass er zu einem Dämon wurde? Sein Gedankengang wurde von Sheila unterbrochen, die nach vorn trat und eine Hand auf seine Schulter legte.
„Keine Sorge, Naruz. Für dich wird immer ein Platz in Skandia sein. Betsie hat mir von deinen Plänen erzählt und wenn du dich wirklich von diesem Geist trennen willst, solltest du nach Helonia gehen. Dort lebt Luther, der Sohn eines alten Bekannten von mir, er kennt sich mit alten Artefakten aus und weiß vielleicht von etwas, dass dir helfen kann.“
„Danke, ich werde deinen Rat berücksichtigen.“ Sheila lächelte ihn warmherzig an, ehe sie zurücktrat und Platz für Joel machte.
„Naruz! Musst du wirklich gehen?“
„Ja, tut mir leid, Joel, aber ich denke, mir bleibt nichts anderes übrig.“
„Du musst zurückkommen! Versprich es mir!“
„Machst du Witze, Joel? Wenn Naruz weg ist werde ich endlich ein ruhiges, friedliches Leben haben und wir alle wissen, dass er so etwas niemals zulassen wird.“ meinte Willie und sorgte somit für allgemeines Gelächter, sogar Naruz lächelte.
„Komm uns irgendwann mal besuchen!“ meinte Corey und reichte Naruz einen Korb, der mit Brot und einer Flasche Wein gefüllt war. „Für den Weg nach Helonia... auch wenn du fürs erste vielleicht auf den Wein verzichten solltest.“ fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
„Erzähl allen von Skandia, mehr Reisende bringen immer mehr Geld ins Dorf.“ meinte Betsie fröhlich und umarmte Naruz zum Abschied.
„Ich danke euch allen.“ meinte dieser, nachdem er sich aus der Umarmung gelöst hatte und warf ein Lächeln in die Runde. „Ich verspreche euch, ich werde wieder zurückkommen.“ Mit diesen Worten zum Abschied machte Naruz sich schließlich auf den Weg nach Helonia, vollkommen unwissend, dass sein Abenteuer gerade erst begonnen hatte.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 9. Mai 2014 22:47

4. Die Botschafter Gaias (Öffnen)
4. Die Botschafter Gaias


Als Aleyandra müde die Augen aufschlug, hatte sie die seltsamen Ereignisse der vergangenen Nacht bereits erfolgreich verdrängt. Umso entsetzter reagierte sie, als sie sah, was direkt neben ihr im Sand stand. Panisch sprang sie auf und zückte den langen Dolch an ihrem Gürtel, um ihn bedrohlich in die Richtung des verstörenden Wesens zu recken, dass sie gelassen zu mustern schien. Noch immer wie benebelt, schüttelte Aleyandra den Kopf, um diesen Anblick zu vertreiben und die Halluzination auszulöschen. Vielleicht hatte sie sich letzte Nacht den Kopf an den Felsen angeschlagen, ja, das war die einzig logische Erklärung. Denn vor ihr, stand ein Einhorn, das ihr kaum bis zur Hüfte reichte und mit den Hufen unruhig im Sand scharte. Ein Einhornfohlen, mit reinem, weißen Fell, dass sie fast erblinden ließ und einer pinken Mähne. Es trug einen goldenen Helm, aus der ein langes, funkelndes Horn herausragte, das eher an eine tödliche Klinge erinnerte. Die blauen Augen, starrten Aleyandra weiterhin durchdringend und prüfend an, während diese das Einhorn vorsichtig umkreiste, jederzeit bereit, vorzuschnellen und sich zu verteidigen.

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„Komm ja nicht näher, Dämon.“ begann Aleyandra mit rauer Stimme. Langsam kam die Erinnerung an den strahlenden Kristall und das gleißende Licht, das versucht hatte sie umzubringen, zurück. Eine furchtbare Nacht und noch immer, konnte sie die Schmerzen mit jeder Faser ihres Körpers spüren. „Ich warne dich, ich habe keine Angst vor dir oder deinesgleichen.“
„Dämon? Hier ist ein Dämon!?“ erklang es schrill und panisch von dem kleinen Einhorn, das zum ersten mal den Blick von Aleyandra los riss und sich hektisch auf der kleinen Insel umsah. Als es nichts entdecken konnte, beruhigte sich das mysteriöse Wesen wieder und schien erleichtert aufzuatmen. „Bitte, jage mir nie wieder so einen Schreck ein. Heute ist einfach ein viel zu schöner Tag, um einem Dämon über den Weg zu laufen.“
„D-du kannst sprechen?“ fragte Aleyandra und blieb überrascht stehen, fing sich aber schnell wieder, für den Fall, dass das unschuldige Verhalten nur ein Trick war um sie abzulenken. „Was bist du?“
„Oh richtig, ich habe vergessen mich vorzustellen.“ das Einhorn deutete eine Art Verbeugung an, was recht umständlich aussah und Aleyandra fast zum Lachen brachte. Tatsächlich, schob sie das Messer zurück in ihren Gürtel. Mit einem kleinen Pony würde sie schon fertig werden, falls das wirklich die wahre Gestalt dieses Dämons war. „Ich bin Alessa und werde dir von heute an als dein Eidolon zur Seite stehen.“
„Ein Eidolon...“ Aleyandra versuchte angestrengt nachzudenken, sie konnte mit diesem Wort im ersten Moment rein gar nichts anfangen. Obwohl...sie riss erstaunt die Augen auf und starrte das Wesen mit einem vollkommen neuen Ausdruck im Gesicht an. Könnte es sein, dass es um DIE Eidolons ging? Die Hüter und Kinder Gaias? Erschaffen von dem Gaia Kern, um die Welt zu beschützen? Alleine der Gedanke daran, war für sie schon zu lächerlich.
„Du wurdest vom Schicksal auserwählt. Du wurdest auserwählt, von der Macht und Güte Gaias, die unser aller göttliche Schöpferin ist. Von heute an, bist du ein Botschafter Gaias, betraut mit der Aufgabe, das Gleichgewicht der Welt zu wahren, das Böse zu bekämpfen und für die Gerechtigkeit in die Schlacht zu ziehen. Seite an Seite, mit den Streitern des Guten und Kindern des Lichts.“
„Mhm...“ das war ja alles schön und gut, aber sie war vielleicht nicht unbedingt die beste Kämpferin der Gerechtigkeit und Güte. Um genau zu sein, konnte sie sich nichts langweiligeres vorstellen. „Nein, ich denke da liegst du falsch. Niemand der noch bei Verstand ist, würde mich zu einem Botschafter Gaias machen. Das ist lächerlich.“
„Man wird nicht zu einem Diener Gaias ´gemacht` sondern dazu geboren. Du warst es schon dein ganzes Leben lang, doch meistens wartet Gaia damit die wahre Gestalt ihrer Auserwählten zu enthüllen. Ihre Kinder, sollen sich erst ihrer magischen Kräfte wirklich bewusst werden und das bist du, mehr oder weniger.“ das Einhorn unterbrach kurz seinen Redeschwall, um voller Stolz in der Stimme fortzufahren. „Es ist meine Bestimmung, dich zu beschützen und an deiner Seite in den Kampf zu ziehen. Ich war schon immer hier, direkt bei dir, ganz tief in deinem Herzen und verborgen im Innersten deiner Seele. Erst wenn ein Botschafter Gaias mit genug Magie in Berührung kommt, werden wir freigesetzt, aber sobald es so weit ist, bleiben wir für immer an der Seite unserer Meister und verteidigen sie, bis zum bitteren Ende.“
„Du, bist also mein ´wahres` Ich?“ fragte Aleyandra ungläubig und starrte auf das strahlende Fell, die pinke Mähne und die lächerliche goldene Rüstung. Ihr wahres Ich, war also ein albernes, übertrieben niedliches Einhorn? Wie alt war sie denn Gaias Meinung nach? Sechs? Hätte sie nicht irgendeinen gewaltigen Golem kriegen können, eine eine göttliche Kriegerin oder eine furchterregende Raubkatze? Die Göttin machte sich über sie lustig. „Das soll ein schlechter Scherz sein, oder?“
„Nein, aber ich finde es toll, dass du mich für lustig hältst.“ antwortete Alessa quietschend und voller Freude. „Du wirst sehen, wir werden die besten Freundinnen. Niemand ist so wundervoll wie ich. Und ich bin schnell, sehr schnell. Selbst der Wind kann nicht mit mir mithalten.“
„Kommen wir zu den wichtigen Dingen.“ versuchte Aleyandra es mit einem anderen und viel interessanteren Thema. Das Einhorn, musste sie jedenfalls dringend loswerden, so viel war sicher. „Was genau bringt es mir, ein Botschafter Gaias zu sein?“
„Du wirst im Laufe der Zeit merken, dass du schneller und stärker bist als gewöhnliche Menschen. Wie stark diese Veränderungen sein werden, kann ich aber leider nicht voraussehen. Nur die Zeit wird ins eine Antwort darauf geben können.
„Ja, ja, was noch? Was kann ich noch?“
„Nun, theoretisch, müsstest du in der Lage sein zu fliegen.“ begann Alessa vorsichtig und bereute es sofort, als sie den Glanz in den Augen ihrer neuen Herrin sah. Hastig für das seltsame Einhorn fort, damit sie nicht sofort versuchte, irgendwo runter zu springen und sich den Hals brach. „Aber das solltest du nicht zu oft tun, es kann schlimme Auswirkungen haben und ist nicht leicht. Am besten...“
Doch es war bereits zu spät. Ihre neue Herrin, sammelte bereits ihre Energie, um es sofort auszuprobieren. Aleyandra war vertraut mit Magie und als sie einmal in sich horchte, um ihre Kräfte abzurufen, erkannte sie sofort, die gravierenden Veränderungen. In ihr ruhte auf einmal so viel mehr Macht, es war beinahe überwältigend für die junge Möchtegernmagierin. Ein beunruhigendes Grinsen stahl sich auf ihre Lippen, das Alessa ein Stück zurückweichen ließ. Mit aller Kraft, stieß Aleyandra sich vom Boden ab und schoss Pfeilgerade in die Höhe. Es war ein überwältigendes Gefühl, als sie durch die Luft sauste und unkontrolliert Magie durch ihren Körper jagte, um immer schneller zu werden. Schon nach wenigen Sekunden, blieb die kleine Insel weit hinter ihr zurück und sie sah die winzigen Häuser Helonias unter sich als verschwommene, blaue Schatten vorbei huschen. Sie schrie und jauchzte vor Freude und wäre am liebsten sofort weiter in Richtung Norden geflogen, um nach Navea zu verschwinden und zu erkunden, was jenseits dieser langweiligen Stadt lag. Aber sie spürte, dass der ungewohnt hohe Verbrauch von magischer Energie, sie auslaugte. Trudelnd segelte sie in Richtung Boden zurück und landete an der Flanke der kleinen Berge, die Helonia schützend umschlossen hielten. Vorsichtig setzte sie auf dem Gras auf und wankte ein paar Schritte, bevor sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Fliegen war erstaunlich anstrengend, aber sie war sich sicher, dass sie es mithilfe ihrer neuen Kräfte bald meistern würde.

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„Geht es dir gut? Ist auch alles in Ordnung?“ erklang hinter ihr die besorgte und vorwurfsvolle Stimme des Einhorns. Alessa war ihr schwebend gefolgt, leider. „Das hättest du nicht tun sollen. Es ist gefährlich dich zu überanstrengen und deine Kräfte fahrlässig einzusetzen. Wenn du nicht weise damit umgehst, kann es passieren, dass du...“
„Ah, da bist du ja.“ wandte sich Aleyandra ihr freudestrahlend zu und überging die Worte des Eidolons komplett. Es war unmöglich, nach diesem Flug, nicht gut gelaunt zu sein, auch wenn der Anblick des Einhorns sie wieder ein bisschen auf den Boden zurück holte. „Also, wie kann ich die Verbindung zwischen uns wieder trennen?“
„Wieso willst du mich loswerden? Was habe ich dir getan? Wir kennen uns doch erst seit heute, was habe ich denn jetzt schon falsch gemacht?“ jammerte Alessa mitleiderregend, was immerhin dazu führte, dass Aleyandra sich für einen Moment etwas schuldig fühlte.
„Nichts, ich habe nur kein großes Interesse daran, mich bis in alle Ewigkeit an ein Eidolon zu binden und mein Leben für Gaia zu geben. Nichts für ungut. Jedenfalls, gibt es etwas, womit sich unsere Verbindung trennen lässt?“
„Ich habe keine Ahnung wovon du redest. So etwas existiert nicht.“ antwortete das Einhorn schnell, zu schnell. Aleyandra musste anfangen zu grinsen. Alessa verheimlichte ihr etwas. Es gab sicher eine Weg dieses Einhorn loszuwerden und trotzdem ihre Kräfte zu behalten. Sie würde sich ein neues Eidolon suchen, eines das besser zu ihr passte.
„Bist du nicht dazu verpflichtet mir die Wahrheit zu sagen? Die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit, bis dass hoffentlich wenigstens der Tod uns scheidet.“
„Ich...ja, ja schon, aber...“ die Verzweiflung in Alessa´s Stimmte, ließ Aleyandra kurz an ihrem Plan zweifeln, aber bevor sie sich entschuldigen konnte, fuhr ihr Eidolon leise fort. „Es...es gibt möglicherweise eine gewisse Truhe, in der etwas versteckt wurde, was in der Lage ist Geister zu vertreiben. Diese Truhe, befindet sich hier in der Stadt. Sie wird auch als die ´Sternentruhe` bezeichnet.“
„Dann holen wir sie uns.“ sagte Aleyandra und schoss sofort wieder in die Luft, um das kurze Stück zurück nach Helonia zu fliegen. Sie hätte natürlich auch laufen können, aber so machte es viel mehr Spaß. Während des Fliegens, rief sie der neben ihr schwebenden Alessa etwas zu: „Mithilfe von Magie, wird es leicht werden die Truhe zu stehlen. Ein Kinderspiel.“
„Das halte ich für keine gute Idee.“ erwiderte Alessa sofort und mit diesem furchtbar besserwisserischem Unterton in der Stimme. Aleyandra wollte etwas erwidern, doch plötzlich verschwand das wundervolle Hochgefühl und sie wurde nicht länger von einer unsichtbaren Macht in der Luft gehalten. Sie versuchte den Zauber zu erneuern, doch ohne Erfolg. Wie ein Stein stürzte sie hilflos nach unten. Zum Glück, hatte sie sich nicht so weit über den Häusern befunden und landete nach einem kleinen Stück bereits auf einem Dach. Der Aufprall raubte ihr trotzdem den Atem und fuhr ihr durch Mark und Bein.
„Autsch...“ zischte Aleyandra und blieb unbeweglich auf den blauen Dachschindeln liegen, bis der Schmerz in ihrem Rücken nachließ. Anscheinend, war ihre Karriere als Diebin damit vorbei, zumindest, wenn sie weiterhin fliegen wollte. „Schon gut, schon gut. Es wird nichts gestohlen. Kein Grund wegen einem kleinen Scherz gleich durchzudrehen.“
„Es ist wirklich besser für uns beide, wenn du versuchst die Truhe ehrlich zu erwerben oder einzutauschen. Ich bitte dich.“ flüsterte Alessa flehend, während sie neben ihr landete und sie entschuldigend anblickte.
„Gut, erledigen wir es auf deine Weise, wenn du unbedingt darauf bestehst. Also dann, ich weiß auch schon genau, wo wir mit der Suche anfangen sollten. Wie sieht sie denn aus?“ Alessa erklärte ihr geduldig wie die Truhe aussah, auch wenn es ihr gar nicht gefiel, ihren eigenen Untergang damit zu besiegeln. Es gab in der Theorie natürlich gute Gründe, warum man die Verbindung zu seinem Eidolon trennen sollte, aber die waren Aleyandra egal, sie wollte nur ihre Ruhe haben. „Gut. Du bleibst am besten so lange hier.“ Damit ließ sie die unruhige Alessa zurück auf dem Dach und machte sich aus dem Staub. Aleyandra landete in einer ausgestorbenen Gasse und schlich übertrieben besorgt auf die Straße hinaus. Es war noch sehr früh und kaum jemand war unterwegs, doch trotzdem wollte sie kein Risiko eingehen. In Helonia wickelte man seine Geschäfte aber normalerweise erst nach Einbruch der Dunkelheit ab, denn erst dann, traute sich der Abschaum Midgard´s hinaus. Aleyandra hatte ein bestimmtes Ziel vor Augen, das Haus der Bürgermeisterin. Sie wusste sicher etwas über die Truhe, die Frage war allerdings, ob sie es Aleyandra auch erzählen würde. Vor dem Haus von Bürgermeisterin Madeline, das aussah wie alle anderen in dieser faden Stadt, fand sich auch bereits was sie suchte. Ein Mann mit einer Brille und langen, dunkelbraunen Haaren unterhielt sich mit einer Frau mittleren Alters, deren rostbraune Haare ihr offen über die Schultern fielen, während sie energisch gestikulierte. Als die beiden das weißhaarige Mädchen bemerkten, verstummten sie augenblicklich und starrten sie an, als wäre sie ein Gespenst.
„A-aleyandra.“ ´begrüßte` sie die Bürgermeisterin nervös. Reflexartig wanderte eine Hand sofort in ihre Tasche, um dort so fest wie möglich ihren Geldbeutel zu umklammern. Aleyandra machte ihr dafür keinen Vorwurf, sie genoss nun einmal einen gewissen Ruf in Helonia und war darauf sogar ein wenig stolz. Der Mann dagegen, sah sie nur desinteressiert an. Es war Luther, einer der einflussreichsten Händler der Stadt und der Stellvertreter der Bürgermeisterin.
„Frau Bürgermeisterin, ich wünsche Euch einen wundervollen und angenehmen Tag.“ begann Aleyandra höflich und deutete eine unterwürfige Verbeugung an. Es fiel ihr leicht dieser Frau in den Hintern zu kriechen, denn sobald sie diese Truhe besaß, mussten sie sich niemals wiedersehen. Dafür lohnte es sich eine Weile freundlich zu sein.
„Ich fasse es nicht, dass du es wagst hier aufzutauchen, nach allem, was du gestern angestellt hast.“ brach es aus Madeline hervor, die sichtlich Mühe hatte sich zurückzuhalten, um nicht sofort nach der Wache zu schreien, was vielleicht auch klüger war. Aleyandra kannte die einzige Wache der Stadt, von ihm ging keine große Gefahr aus. „Selena hat mir erzählt, dass die arme Alesia vollkommen aufgelöst war, als man sie nach Hause brachte. Meine Tochter, möchte dass ich dich bestrafen lasse, weil du ihrer besten Freundin so etwas schamloses angetan hast.“
„Es tut mir schrecklich leid, Frau Bürgermeisterin. Ich werde das Geld selbstverständlich zurückgeben und noch viel mehr. Ich bin nämlich hier, um Euch etwas abzukaufen und wie Ihr sicher wisst, verfüge ich rein zufällig über einen kleinen Schatz.“ schloss sie mit einer spitzen Bemerkung, die sie sich einfach nicht verkneifen konnte. Es machte einfach zu viel Spaß die Leute in Helonia zu ärgern.
„Einen Schatz, den du von den Bewohnern meiner Stadt gestohlen hast.“ zischte Madeline ungehalten. Sie hatte genug Sorgen, da musste sie sich nicht auch noch von einer Diebin vorführen zu lassen.
„Mhm ja, mag sein wie es will. Tatsache ist, dass ich in den letzten Jahren zu etwas Geld gekommen ist, wie spielt keine weitere Rolle, schon gar nicht hier in Helonia. Oder macht Ihr zum ersten Mal Geschäfte mit einem Dieb?“
„Nein, aber normalerweise bestehlen diese Leute andere Städte und Völker, weit weit entfernt und nicht uns. Aber ich sehe schon, dass ich mit Reden nicht viel bei dir erreichen werde. Also, was hast du mir anzubieten?“ plötzlich funkelten Madeline´s Augen interessiert und sie setzte eine geschäftsmäßige Miene auf. Sie hatte schon mit schlimmerem Abschaum als Aleyandra verhandelt. So lange es Gewinn einbrachte, handelte sie mit jedem.
„Es geht um eine kleine Truhe, die hier in der Stadt aufbewahrt wird. Ich möchte sie gerne kaufen. Sie ist aus hellem, weißen Holz und die Schnitzereien an den Seiten, zeigen einen Sternenhimmel, oder so ähnlich.“ es rächte sich, dass sie Alessa´s Beschreibung nicht wirklich zugehört hatte, aber das Einhorn redete einfach zu viel.
„Ja, ich kenne diese Truhe. Sie steht in einem der Lager herum. Ich habe einmal versucht sie zu öffnen, aber ohne Erfolg. Es wollte sie auch noch nie jemand kaufen.“ warf Luther murmelnd ein. Im Grunde, nahm die Kiste nur Platz weg, aber er hatte sie nicht weggeworfen, in der Hoffnung, dass sich doch jemand einmal für sie interessierte. Immerhin sahen die Schnitzereien recht hübsch aus und niemand versiegelte eine gewöhnliche Truhe mit so vielen Zaubern und einem magischen Schloss, nur um etwas wertloses aufzubewahren. Um ganz genau zu sein, wusste er sogar noch etwas mehr darüber, als er diesem Mädchen sagen wollte. Ein Reisender, hatte ihm einmal erzählt, dass sich darin etwas befand, was in der Lage war böse Geister zu vertreiben. Aber wozu brauchte die Diebin so etwas?
„Ich besitze Silber und Kupfer im Wert von umgerechnet mehr als 10 Goldmünzen.“ entgegnete Aleyandra selbstsicher. Es würde reichen, vor allem, da es nur um eine alte, verstaubte Truhe ging.
„Nein, danke. Das reicht nicht für so ein einmaliges magisches Artefakt.“ erwiderte die Bürgermeisterin belustigt. Wäre jemand anderes als Aleyandra gekommen, hätte sie sich sogar mit einem Goldstück schon zufrieden gegeben, aber diese Diebin sollte ruhig schön zahlen.
„Dann erhöhe ich halt auf 15.“ setzte Aleyandra fast schon knurrend nach. Mehr würde sie auf keinen Fall bieten, viel mehr besaß sie auch gar nicht.
„Noch immer nein. Wenn diese Truhe dir so furchtbar wichtig ist, muss sie einiges wert sein, zumindest für dich.“ ein süffisantes Lächeln stahl sich auf Madeline´s Lippen, als sie voller Vergnügen fort fuhr „Ich überlasse dir die Sternentruhe, für 100 Goldmünzen oder genug Silber und Kupfer das diesem Wert entspricht.“
„H-h-hundert...Einhundert Goldmünzen? Das ist Wahnsinn! Dafür kann ich das ganze Lager und Euer Haus kaufen!“ rief das weißhaarige Mädchen aufgebracht. Das machte Madeline mit Absicht, nur, um sie zu ärgern.
„Dann gehe ich davon aus, dass du nicht über so viel Geld verfügst?“
„Nein.“ antwortete Aleyandra zerknirscht und versuchte es mit einem anderen Ansatz „Aber vielleicht, könnte ich einige Aufgaben für Euch erledigen und mir die Truhe erarbeiten.“
„Ich denke nicht, dass du etwas von Wert zu dieser kleinen Gemeinde beisteuern kannst.“ lautete die verächtliche Antwort. Es war wirklich keine gute Idee gewesen Alesia´s Kleid zu zerschneiden, dachte Aleyandra und versuchte ihren Zorn zu unterdrücken. Das Mädchen war in der Stadt beliebt und ein Angriff auf sie, war gleichzeitig auch ein Angriff auf halb Helonia. Andererseits, hatte man sie auch vorher nicht wirklich gemocht.
„Falls ich Euch unterbrechen dürfte, Bürgermeisterin.“ meldete sich ihr Stellvertreter mit einem freundlichen Lächeln zu Wort, als sie bereits kurz davor stand Aleyandra davon zu jagen. „Vielleicht gibt es etwas für sie zu erledigen. Arbeit, im Austausch für die Truhe.“



Ächzend hiefte Aleyandra die wuchtige Truhe über die Reling des kleinen Einmasters, dessen Deck bereits randvoll mit Säcken und Kisten war. Das kleine Boot schwankte bedrohlich, als sie die Truhe voller Gold zu Boden krachen ließ. Aleyandra richtete sich erschöpft auf und hielt sich das Kreuz. Ihr tat alles weh. Schon den ganzen Abend, musste sie die Schätze, die für die Piraten bestimmt waren, an Board hieven. Gemeinsam mit dem stellvertretenden Bürgermeister, sollte sie das Gold in deren Lager abliefern. Niemand aus dem Dorf hatte sich freiwillig dafür gemeldet. Diese Angsthasen, dachte Aleyandra genervt und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Zum Glück, war sie ja seit heute Morgen eine Dienerin Gaias und die versprochene Schnelligkeit und Stärke, zeigte bereits Wirkung. Sie konnte die Kisten ohne Probleme tragen, zumindest anfangs. Inzwischen, fühlten ihre Arme sich einfach nur noch taub und tot an. Dabei hatte der gefährliche Teil der Arbeit noch nicht einmal begonnen. Die Piraten galten als unberechenbar und niemand wusste, wie sie reagieren würden. Die Chancen standen gut, dass man sie beide einfach umbrachte, die Schätze einsackte und danach trotzdem das Dorf plünderte.
„Sind wir endlich fertig?“ fragte Aleyandra lustlos, während sie sich auf einer Kiste niederließ.
„Ja, das war alles.“ antwortete Luther gut gelaunt und ausgeruht, er hatte sie die ganze Zeit über nur beaufsichtigt, damit sie nichts mitgehen ließ und stand noch immer am Steg. „Gute Arbeit. Hätte ich ehrlich gesagt nicht von dir erwartet, Weißhaar.“
„Toll. Dann können wir ja bald los und das ganze hinter uns bringen.“ bei dem Gedanken an die Piraten, wanderten ihre Finger sanft über die beiden Pistolen an ihrem Gürtel. Sie würde heute sicher nicht sterben. Wenn die Piraten Blut sehen wollten, würde sie sich mit diesen magischen Waffen und ihrem Eidolon einfach zur Wehr setzen. „Ach ja, werde ich eigentlich für diese Arbeit entlohnt? Mein Rücken bringt mich um. Ich finde, das ist ein paar Silberstücke mehr als wert.“
„Klar, als Belohnung, bringe ich dir genug Vertrauen entgegen, um dieses Boot für fünf Minuten zu bewachen, bis ich wieder zurück bin.“ mit diesen Worten, verschwand der Mann, um sich zur Bürgermeisterin zu begeben und ein paar letzte Details zu besprechen.
„Wenn ich mich noch bewegen könnte, ohne schreckliche Schmerzen zu leiden, würde ich jetzt diese Kisten aufreißen und so viel Gold in Sicherheit bringen wie ich kann.“ murmele Aleyandra zu sich selbst, während sie sich auf dem voll beladenen Kahn umsah. Nur mit einem Bruchteil davon, wäre sie bereits in der Lage in Navea ein neues Leben anzufangen.
„Und dann wirst du die Truhe niemals auch nur erblicken!“ erklang direkt neben ihr wieder diese furchtbar hohe Stimme und Alessa tauchte wie aus dem Nichts auf, um neben ihr in der Luft zu schweben. „Du wirst sehen Aleyandra, Ehrlichkeit, Güte, Freundlichkeit und Fleiß, werden sich am Ende immer auszahlen. Solange du an das Gute in den Menschen glaubst, werden sie dich niemals enttäuschen und immer...“
„Bitte, tu mir einen Gefallen und verschone mich mit diesem Mist.“ seufzte Aleyandra genervt. Gerne, hätte sie der beleidigten Alessa noch etwas entgegen geschleudert, aber auf einmal fing das Schiff an heftig zu schaukeln. Aleyandra flog von er Kiste herunter und wurde durch die Gegend geschleudert. Hart krachte sie gegen die Reling. Benommen schüttelte sie den Kopf und zog sich an der Reling nach oben, nur um sofort zu erstarren, als sie bemerkte, was plötzlich mitten auf dem Deck gelandet war. Wie aus dem Nichts, war ein Wesen aufgetaucht, dass den Mast fast überragte. Es war eine undefinierbare, braune Masse aus einer Art Schleim oder eher Schlamm. Beine besaß es nicht aber dafür zwei mächtige Arme, die so dick wie Baumstämme waren. Aus dem groben, unförmigen Kopf, blickten sie zwei große, schwarze Augen an, in denen unstillbare Gier funkelte.
„W-was bei Gaia ist dieses Ding?“
„Ein Dämon, sieht man doch!“ schrie Alessa panisch und versteckte sich hinter ihrem Rücken. „Eine Art Schlammdämon, oder so, ich kenne mich da ehrlich gesagt nicht so gut aus. Naja, ich schätze, er lebte schon immer hier im Wasser und wurde von deiner Kraft angezogen, um dich zu töten oder eher zu fressen. Viel Erfolg.“
Aleyandra wollte etwas antworten, aber dazu blieb ihr im Moment keine Zeit. Der Dämon hob einen der entstellten Arme und ließ ihn mit überraschender Schnelligkeit auf Aleyandra niedersausen. Das Mädchen warf sich mit einem Hechtsprung zur Seite. Hinter sich hörte sie das Splittern der Reling und kleine Holzstückchen flogen ihr entgegen, um sich schmerzhaft durch den dünnen Stoff in ihren Rücken zu bohren. Mühsam kämpfte sie sich wieder auf die Beine. Es reichte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt um diesen Abend noch schlimmer zu machen. Die roten Augen leuchteten den Dämon zornig an. Sie würde sich nicht von einem widerlichen Müllberg töten lassen. Mit einer fließenden Bewegung, zog sie die beiden silbernen Pistolen, die endlich einmal in einem richtigen Kampf zum Einsatz kommen würden. Als das Schlammmonster erneut zum Schlag ausholen wollte, legte sie ihre Finger an die Abzüge und drückte ab. Die magischen Geschosse zogen eine silbern leuchtende Spur hinter sich her, bevor sie sich in den weichen Körper bohrten. Direkt nach dem Aufprall, explodierten sie und widerlich stinkender Schlamm spritzte über das ganze Schiff, als einer der Arme zerfetzt wurde.
Die Kreatur stieß einen Laut aus, der an das Brüllen eines wütenden Bären erinnerte. Aus dem Stumpf, bildete sich binnen Sekunden ein neuer Arm, mit dem er sie und das Schiff in Kleinholz verwandeln konnte. Sein Körper begann sich wabernd zu verformen und an manchen Stellen fast schon zu verflüssigen. Plötzlich, schoben sich lange, scharfe Stacheln aus der, sich ständig bewegenden, Schlammmasse hervor und zielten direkt auf die Stelle an der sie stand. Sie brachten das Mädchen tatsächlich dazu kurz nervös zu schlucken, jedes dieser Geschosse, war fast größer als sie. Ohne einen Laut von sich zu geben um sie zu warnen, flogen die Stacheln auf Aleyandra zu. Sie streckte beide Pistolen weit von sich und ließ einen Teil ihrer neugewonnen Magie in sie hineinließen. Eine leuchtende Kugel aus hellem, grünen Licht, bildete sich zwischen den Läufen der Waffen. Sie hatte keine Zeit, um ihren Zauber großartig zu verfeinern oder um überhaupt zu wissen was sie tat, also drückte sie einfach den Abzug und hoffte, dass ihr nicht gleich alles um die Ohren flog.
Die grüne Kugel, gab ein schrilles Kreischen von sich, bevor sie mit rasend schneller Geschwindigkeit auf die Stacheln zuraste. Sobald die Geschosse auf Aleyandras Magie trafen, lösten sie sich in eine Art braunen Schlamm auf und fielen kraftlos zu Boden. Als die Kugel aber den Dämon erreichte, wischte der sie mit spielender Leichtigkeit zur Seite, als wäre es eine Fliege und keine todbringende Magie. Doch das störte Aleyandra nicht weiter. Sie hatte die Zeit bereits genutzt, um mithilfe ihrer Pistolen einen weiteren Zauber zu weben. Sie war keine große Magierin, es sei denn, sie besaß eine Art Medium, durch das sie ihre Macht fokussieren konnte. Zum Beispiel ihre Fallen oder diese hübschen, kleinen Schmuckstücke. Erneut flogen zwei silberne Geschosse auf den Dämon zu, der sich nicht dafür zu interessieren schien. Die ersten beiden hatten kaum Schaden angerichtet und auch diese Treffer, würde er mit Leichtigkeit wegstecken. Doch sie sollten das Monster niemals erreichen, sondern begannen direkt vor seinem Kopf in einem hellen, roten Licht zu leuchten. Die Geschosse, explodierten mit einem ohrenbetäubenden Knall und überschütteten den Dämon mit einem wahren Meer aus Feuer, das sich gierig über das Ungeheuer her machte. Die Flammen schlugen immer höher und hüllten die Kreatur vollständig ein. Es war, als wäre sein ganzer Körper in Öl getränkt, so schnell wie es sich ausbreitete. Eine Weile, wankte der Dämon auf dem Deck hin und her, bevor das Feuer endlich Wirkung zeigte und er, genau wie seine Geschosse, zu harmlosen, braunen Schlamm zerfiel.
„Ha!“ rief Aleyandra im Augenblick ihres Sieges. Sie hatte es tatsächlich geschafft! „Hast du das gesehen Alessa? Es hatte nicht die geringste Chance gehen mich!“
„Ich will deinen Triumph ja nicht trüben aber, ähm, wie sage ich dir das jetzt am besten, ähm...Feuer! Feuer!“ schrie Alessa mit schriller Stimme und tatsächlich, war das Feuer nicht gemeinsam mit dem Körper des Dämons verschwunden, sondern brannte noch immer lichterloh. Es breitete sich unaufhaltsam weiter aus und leckte gierig über die Planken. Aleyandra sprang von dem kleinen Schiff zurück an Land, während das Inferno hinter ihr erst richtig zu wüten begann.
„Großartig.“ murmelte sie, mit einem letzten, bedrückten Blick auf das brennende Wrack, das schon bald nur noch eine einzige Flammensäule war. Damit, verbrannte gleichzeitig auch ihre größte Hoffnung auf Freiheit von dem nervtötenden Einhorn. „Ich werde diese Stimme bis ans Ende meines Lebens ertragen müssen.“
„Sieh es positiv, wir werden von jetzt an auf Ewig zusammenbleiben können und Seite an Seite über einen leuchtenden Regenbogen in den Sonnenuntergang reiten.“ schwärmte Alessa überglücklich und betrachtete das Feuer voller Erleichterung „Weißt du, für manche, ist das Glas immer nur halbvoll, aber für mich, zählt einfach nur, dass es ein wundervoller Tag ist, voller Frohsinn und Liebe. Voller Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. Freundschaft und strahlendem Licht der Freude. Du wirst sehen, wenn morgen die Sonne aufgeht und dich anlächelt, sieht die Welt so viel bunter und leuchtender und fröhlicher aus. Damm werden wir gemeinsam über rosa Wolken der Liebe schreiten und die Welt so sehen wie sie wirklich ist, wundervoll und einzigartig.“
„Ich bin so gut wie tot.“



Lustlos lag Aleyandra auf einem Dach Helonias und starrte nachdenklich die Wolken an. Die Pistolen hingen noch immer an ihrem Gürtel, was eigentlich ungewöhnlich war, denn sie nahm die Waffen niemals mit in die Stadt. Es gab keinen Grund dafür und damit würde sie den Leuten nur noch mehr Angst einjagen, allerdings hatte die Begegnung mit dem Dämon einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wenn solche Kreaturen wirklich jederzeit versuchen könnten sie zu töten, wollte sie nicht unvorbereitet in einen Kampf rennen. Alessa hatte sich neben ihr eigenartig zusammengerollt und Aleyandra war sich sicher, dass kein echtes Pferd sich jemals so verrenken würde. Das kleine Einhorn, wirkte eher wie eine merkwürdige Katze mit Hufen.
Seit ihrem Versuch der Bürgermeisterin zu helfen, waren bereits drei Tage vergangen und in keinem einzigen davon, war sie ihrem Ziel auch nur einen Schritt näher gekommen. Die Geschichte mit dem Dämon, hatte man ihr nicht abgekauft. Nach der Meinung der Bürger, hatte sie sich die Schätze unter den Nagel gerissen und dann das Boot angezündet, um ihnen eine haarsträubende Geschichte aufzutischen. Einen kleinen Teil des Goldes, fand man sogar wieder, sobald das Feuer erloschen war, doch den Großteil hatte sich die Strömung geholt. Aleyandra hatte es seitdem für klüger gehalten, sich von der Bürgermeisterin fern zu halten, aber ganz wollte sie trotzdem nicht aufgeben. Ja, sie könnte einfach mit ihren neuen Fähigkeiten von hier verschwinden und Helonia endlich weit hinter sich lassen, aber dann würde sie dieses quietschende Ding für immer verfolgen. Sie brauchte die Truhe der Bürgermeistern und würde vorher ganz sicher nicht von hier weggehen. Es wäre leicht in das Lager einzubrechen und sich die Sternentruhe zu schnappen. Jeder in der Stadt war mit der Bedrohung durch die Piraten beschäftigt, dazu kam, dass es sich um irgendeinen angeblich wertlosen Gegenstand handelte, den niemand bewachen würde. Leider, hatte Aleyandra sich inzwischen an ihre neuen Kräfte gewöhnt. Sie liebte es zu fliegen, auch wenn es kein richtiges Fliegen war, aber das störte im Moment nicht weiter. Gaia würde ihr diese Fähigkeit vielleicht wieder entziehen, wenn sie etwas schlechtes tat und das wollte sie nicht riskieren. Sie würde die Truhe irgendwie auf gewöhnliche Art und Weise kriegen, damit sie dann nach Navea fliegen konnte. Auch ohne, dass sie Verbrechen beging, versuchte Alessa schon die ganze Zeit über sie davon abzubringen ihre Gaben zu häufig einzusetzen und erfand alle möglichen Horrorgeschichten, von anderen Boten Gaias, die sich in furchtbare Dämonen verwandelt hatten. Lächerlich, dachte Aleyandra und kommentierte ihre eigenen Gedanken mit einem kurzen, abfälligen Schnauben. Alessa drehte ihr sofort den Kopf zu und starrte das Mädchen durchdringend an.
„Du machst dich lustig über mich.“
„Was? Wie kommst du denn auf die Idee?“ fragte Aleyandra unschuldig und versuchte in eine andere Richtung zu blicken. „Moment, kannst du etwa meine Gedanken lesen?“
„Nein, aber ich bin ein Eidolon und daher mit einem übermenschlichen, hoch effektiven Verstand gesegnet. Ich kann eins und eins zusammenzählen. Deine schlechte Laune hat mit mir zu tun.“
„Vielleicht ein bisschen.“ gestand Aleyandra seufzend. Es war nicht richtig ihre schlechte Stimmung an dem Eidolon auszulassen, aber ansonsten war niemand da.
„Du magst mich nicht, das kann ich deutlich spüren. Du wünscht dir ein anderes Eidolon, habe ich recht?“ fragte Alessa gekränkt und mit verletztem Stolz in der Stimme.
„Das bildest du dir nur ein, Alessa. Ich könnte mir keinen besseren Begleiter als dich vorstellen. Du bist fantastisch und einzigartig.“ erklang es lahm von Aleyandra, die Mühe hatte, während ihrer Antwort nicht laut zu Gähnen. Gerade wollte sie noch etwas hinzufügen und fragen, ob wenigstens Alessa einen Plan hatte, wie sie an die Truhe gelangen könnten, als ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Plötzlich sprang sie auf und rutschte über das Dach. Fast wäre sie in ihrer Eile auf der Straße aufgeschlagen, aber es gelang ihr gerade noch so am Rand zum Stillstand zu kommen. Ihre Augen huschten so schnell sie konnten hin und her, um die Straße unter ihnen genau zu durchsuchen. Da war etwas, das spürte sie. Es war ein eigenartiges Kribbeln in ihrer Magengegend, ein Gefühl, als würde sie von innen heraus zu Eis erstarren.
„Was ist denn los mit dir, Aleyandra?“ fragte Alessa unruhig und schwebte neben ihr, um selber zu sehen, was ihre Herrin so sehr in Aufregung versetzte. Ein junger, schlanker Mann ging gelassen durch die Straßen von Helonia. Er hatte schwarze Haare, die aussahen, als wäre er gerade erst aufgestanden. An seiner Seite hingen zwei kurze Schwerter. Doch im ersten Augenblick war nicht er es, der Aleyandras Blick auf sich zog, sondern das, was direkt neben ihm durch die Luft glitt. Ein blonder Junge mit langen, spitzen Ohren in weißer Kleidung, der sie eindeutig an Alessa erinnerte. Nicht unbedingt vom Aussehen her, aber von der Art, wie er sich hinter Naruz her bewegte, wie die Luft um ihn herum leicht flimmerte und ihm etwas magisches, unnatürliches verlieh. Die Einwohner, machten in der Zwischenzeit ängstlich einen großen Bogen um den seltsamen jungen Mann und seinen fliegenden Begleiter.
„Was ist das da neben ihm? Ist es auch ein Eidolon? Das muss es sein, ich spüre ganz deutlich, dass es kein Mensch ist, sondern etwas anderes.“ Aleyandra, versuchte den Neid in ihrer Stimme zu unterdrücken so gut es ging, damit Alessa nicht bemerkte, wie viel toller sie den Begleiter des Unbekannten fand. Wieso hatte dieser Fremde so ein niedliches Eidolon, dem man süße Kleider anziehen konnte? Das war wirklich nicht fair. Alessa war nichts weiter als ein Einhornfohlen, man konnte nicht einmal auf ihr Reiten und in einem Kleidchen, sah sie sicher nur noch bescheuerter aus. „Dann ist er so wie ich ein Botschafter Gaias?“
„Ähm, ja, schätze schon. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie du ihn spüren konntest. Das ähm, sollte eigentlich nicht möglich sein.“ murmelte Alessa leise vor sich hin, was Aleyandra vollkommen ignorierte.
„Weißt du zufällig wer er ist? Woher er kommt? Oder was er hier will? Ist er hier um mich zu treffen? Oh, vielleicht will er mich ja nach Navea holen, damit ich mich den Templern anschließe oder sogar den Magiern!“ Aleyandras Stimme überschlug sich vor Aufregung. Ein anderer Bote Gaias! Jemand der ihre Kräfte teilte und genauso war wie sie.
„Keine Ahnung, ich sehe ihn heute auch zum ersten Mal. Allerdings kenne ich seinen Partner. Das ist Serif. Ein Eidolon, das ein wenig sprunghaft ist. Der arme ist nicht zu beneiden, wenn er Serif´s ständiges Geplapper ertragen muss, Du hast es wirklich viel besser getroffen mit mir. Ich bin im Gegensatz zu ihm die Ruhe selbst. Außerdem bin ich sehr viel schneller und sehe natürlich auch besser aus. Sieh nur, wie wunderschön mein Fell glänzt und...“
„Seine Gegenwart fühlt sich seltsam an.“ murmelte Aleyandra, ohne auf Alessa´s Worte zu reagieren. Es interessierte sie herzlich wenig wie das Eidolon hieß, aber einen anderen Boten Gaias zu treffen, ließ sie schon jetzt vor Freude beinahe Luftsprünge machen. Vielleicht konnte er ihr helfen an diese Sternentruhe zu gelangen.
„Serif´s?“ fragte Alessa überrascht und mal wieder beleidigt darüber, dass man ihr nicht zuhörte „Mhm, also ich spüre nichts. Allerdings kann ich dein Unbehagen voll und ganz nachvollziehen. Er ist manchmal etwas überdreht und kann ausgesprochen...“
„Wen interessiert denn der Blondschopf?“ unterbrach sie Aleyandra erneut, diesmal deutlich ungeduldiger. Was nütze ihr ein Eidolon als Seelengefährte, wenn es nicht einmal verstand was sie sagen wollte? „Ich rede von seinem Herren. Bei seinem Anblick, zieht sich in mir alles zusammen. Es ist, als würden mitten in meinem Körper Eis und Feuer aufeinandertreffen und eine heftige Schlacht schlagen. Alles an mir ist angespannt.“ Auf eine Antwort des Einhorns, wartete sie diesmal gar nicht erst. Geschickt sprang Aleyandra auf das nächstgelegene Dach. Sie hatte sich schon früher sehr sicher auf den Dächern Helonias bewegt und seit sie ein Botschafter Gaias war, fiel es ihr nur noch leichter. Sie musste nicht einmal mehr vorsichtig sein. Wenn sie abrutschte, würde sie einfach von der Macht Gaias getragen. Es dauerte nicht lange, bis der junge Mann in einer Seitenstraße anhielt. Erst wunderte sie sich, was er hier verloren hatte, aber dann sah sie, dass er direkt auf Luther zuging. Sofort sprang sie noch ein Dach weiter, um direkt über den beiden zu stehen und neugierig zu lauschen. Die Vorstellung der beiden hatte sie leider verpasst und dadurch, wusste sie noch immer nicht den Namen des Unbekannten.
„...mir gesagt, ich soll mich an Euch wenden.“ beendete der Unbekannte gerade einen Satz.
„Tatsächlich? Dann bist du aus Port Skandia, richtig?“
„Genau, wart Ihr schon einmal dort?“
„Ich unterhalte Geschäftsbeziehungen zum Ältesten von Skandia. Wie geht es ihm und Sheila? Ich war schon viel zu lange nicht mehr im Süden.“ fragte Luther mit ehrlichem Interesse, was bei ihm selten vorkam.
„Oh, ihnen geht es blendend, Sheila und York haben mich aufgezogen, müsst Ihr wissen. Vor ein paar Monaten kam auch eine Fremde ins Dorf, eine Hexe namens Elena die nun in einer verlassenen Hütte lebt, sie war es auch die mir sagte, dass es hier in Helonia etwas gibt, was die Macht besitzt, böse Geister zu vertreiben. Entspricht das der Wahrheit?“
„Durchaus, es existiert tatsächlich so ein Gegenstand, angeblich zumindest. Soweit ich weiß, wird dieses Artefakt in einer Truhe mit eingeschnitzten Sternen verwahrt, aber sie lässt sich nicht öffnen. Das Holz ist durch Magie verstärkt und das Schloss lässt sich nicht aufbrechen.“
„Das ist ein Problem, für das ich schon noch eine Lösung finden werde. Wichtig ist erst einmal, dass ich dieses Artefakt besitze.“ schloss der Fremde, erleichtert darüber, dass es diese Truhe wirklich gab.
„Nun, unter normalen Umständen, würde ich Euch die Truhe für einen Spottpreis verkaufen. Immerhin seid Ihr ein Botschafter Gaias und damit fast so eine Art Heiliger, außerdem, ist diese Truhe für uns nicht viel wert.“ er warf dem Fremden einen entschuldigenden Blick zu, von dem wohl niemand sagen konnte, ob er wirklich aufrichtig oder nur gut gespielt war „Aber leider, brauchen wir im Moment alles was wir kriegen können und ich muss hundert Goldmünzen im Austausch für die Sternentruhe verlangen.“
„Einhundert?“ fragte der Auserwählte Gaias genauso schockiert wie Aleyandra, als man ihr das Angebot unterbreitet hatte.
„Nun, wir haben zurzeit einige Probleme mit Piraten, die weiter im Norden ihr Lager aufgeschlagen haben. Sie kamen vor ein paar Tagen in die Stadt und stellten übertriebene Forderungen. Die Stadt soll ihnen eine nahezu utopische Summe an Gold zahlen, damit sie uns in Ruhe lassen. 'Schutzgeld', nennen sie es.“
„Verjagt die Piraten. In Skandia hat man auch öfter Ärger mit diesem Gesindel. Sobald man anfängt sich zu wehren, fliehen sie wie die Ratten und verschwinden wieder.“
„Leider, besitzen wir keine richtige Stadtwache und Navea ist zu weit weg, um die Templer und die Kirche um Schutz zu bitten, falls sie überhaupt reagieren würden. Die Menschen hier sind friedliebende Händler. Wir bezahlen die Piraten lieber und hoffen, dass sie uns dann in Ruhe lassen.“
„So etwas wird auf Dauer nicht Eure Probleme mit den Piraten lösen, sobald sie merken, dass Ihr so leicht nachgebt, werden die Forderungen nur noch wahnwitziger werden, aber gut, ich kann es auch verstehen, wenn sich niemand mit den Piraten anlegen will, zumal es hier wirklich keine vernünftige Garnison zu geben scheint.“
„Ich bin froh, dass Ihr unsere Situation versteht, allerdings gibt es einige Probleme, was das Bezahlen des Schutzgeldes angeht und wir verfügen nicht mehr über die Mittel diese Halsabschneider zu besänftigen.“
„Dann werden Serif und ich uns um die Piraten kümmern. Wir sind schon mit schlimmerem fertig geworden.“
„Ich weiß Eure Hilfe sehr zu schätzen. Redet am besten gleich mit der Bürgermeisterin. Ihr Name ist Madeline. Sie wird eine Aufgabe für Euch finden und sobald die Piraten verschwunden sind, überlassen wir Euch selbstverständlich die Truhe.“
„Ich danke Euch.“
„Nein, wir sollten uns bedanken, dafür, dass ein Botschafter Gaias uns zur Seite steht und sich bereit erklärt unsere Stadt vor dem Untergang zu retten. Die Truhe ist das mindeste, was wir Euch für Eure Hilfe anbieten können.“
Der Fremde machte sich zufrieden auf den Weg, um sich durch das kleine Gewirr aus Nebenstraßen tiefer in die Stadt hinein zu schlagen und die Bürgermeisterin zu suchen. Die Gedanken rasten in Aleyandras Kopf, während sie versuchte zu entscheiden, was sie als nächstes tun sollte. Sie konnte ihn sicher noch eine Weile verfolgen, aber ihre Ungeduld gewann die Oberhand. Aleyandra sprang von dem Dach und landete leichtfüßig direkt vor dem Fremden, der erschrocken stehen blieb. Erst jetzt, fielen ihm seine Augen auf. Sie schimmerten in mehreren Farben und eine Weile, blieb sie einfach nur stumm vor ihm stehen, um in diese Augen zu starren. Grün, Gelb und Blau. Diese drei Farben konnte sie darin ausmachen und egal wie lange sie ihn anstarrte, es war unmöglich zu sagen, welche der Farben vorherrschte. Eigentlich wollte sie ihn mit einem frechen Spruch begrüßen, aber stattdessen, blickte sie ihn nur weiter unbeweglich an.
„Guten Tag.“ sagte Naruz nach einer Weile, vollkommen perplex, von ihrem plötzlichen Auftauchen. Seine Stimme, ließ Aleyandra zusammenzucken. Sie klang viel sanfter und freundlicher, als von weitem und hallte eigenartigerweise in ihrem Kopf wider. Fühlte es sich so an, auf einen anderen Diener Gaias zu treffen? Er wollte gerade das seltsame, wunderschöne und vor allem stumme Mädchen ausblenden und an ihr vorbei gehen, als sie sich endlich wieder bewegen konnte. Plötzlich schnellte ihr Arm auf ihn zu. Selbst seine neuen, verstärkten Reflexe waren nicht in der Lage mit ihr mitzuhalten und ehe er sich versah, hielt sie eines seiner Schwerter in ihren Händen. Sie kanalisierte ihre Magie und sprang auf das nächstgelegene Dach, um ihn von dort aus freundlich anzulächeln und die Klinge zu betrachten. Es war eine einfache, aber immerhin gute Waffe. Von jemandem wie ihm, hätte sie trotzdem eher irgendetwas besonderes erwartet.
„Was ist denn mit ihm? Warum kommt er nicht zu mir hoch und holt sich sein Schwert zurück?“ flüsterte Aleyandra ihrem Eidolon ungeduldig zu, als er keinerlei Anstalten machte sich zu ihr in die Lüfte zu erheben., sondern nur hilflose und vor allem verwirrte Blicke mit seinem Eidolon wechselte.
„Vielleicht weiß er nicht wie man fliegt. Es gibt Auserwählte, die es niemals lernen oder nur ein bisschen gleiten können. Es ist keine sehr weit verbreitete Kunst, selbst unter deinesgleichen.“
„Ich wette er kann es.“ sagte Aleyandra voller unerschütterlicher Überzeugung. „Er sieht nicht so aus, als wäre er auf den Kopf gefallen oder unfähig. Ich bin sicher, er ist stark genug um diese Kunst zu meistern. Vielleicht braucht er nur etwas Unterstützung dabei.“
„Und was jetzt?“ rief der junge Mann zu ihr hinauf, während man ihm anmerkte, dass er darüber nachdachte, wie er zu ihr gelangen konnte. Außerdem, huschte sein Blick immer wieder unbehaglich zu Alessa. Ob er wohl schlechte Erfahrungen mit Eidolons und anderen Auserwählten gemacht hatte, schoss es Aleyandra kurz durch den Kopf, bevor ihr Gedankengang erneut von seiner prickelnden Stimme unterbrochen wurde „Gibst du mir mein Schwert wieder, oder nicht?“
„Ihr verlangt diese edle Klinge zurück, Sir!?“ rief Aleyandra zu ihm herunter und versuchte dabei so hochnäsig und herablassend wie möglich zu klingen. Wenn sie ihn etwas reizte, entdeckte er sein Talent vielleicht von alleine. „Dann seid so gütig und verratet mir Euren Namen, oh ehrwürdiger Botschafter Gaias und Erlöser der Menschheit! Und was führt Euch in dieses kleine Paradies?“
„Mein Name, ist Naruz, aus Port Skandia. Ich bin hier, um meinem Pfad als Diener Gaias zu folgen und einen Weg zu finden, mein Schicksal zu verändern. Kriege ich jetzt mein Schwert zurück?“
„Natürlich. Fang es, wenn du kannst.“ mit einem frechen Grinsen, ließ sie seine geliebte Klinge achtlos fallen und sah interessiert zu, wie er reagieren würde. Naruz hechtete wie erwartet nach vorne und fing das Schwert noch in der Luft auf. Erleichtert atmete Naruz aus und betrachtete seine Waffe, den Arm noch immer erhoben. Doch sein kurzer Moment des Glücks, sollte nicht länger anhalten, denn plötzlich schlossen sich schlanke Finger um sein Handgelenk und vor lauter Überraschung, hätte er die Klinge fast fallen lassen. Aleyandra, war in der Zwischenzeit von dem Dach gesprungen und auf den abgelenkten Naruz zugeflogen. Sie nahm all ihre neu gewonnene Kraft als Auserwählte Gaias zusammen und riss ihn mit sich mit. Es ging alles so schnell, dass er gar nicht wusste, was überhaupt passierte. In dem einen Moment, stand er noch mit beiden Füßen fest auf dem Boden und im nächsten, hing er über den Dächern der Stadt und wurde hinter dem verrückten Mädchen gen Himmel gezerrt, als wäre er irgendein armes, dem Tode geweihtes, Nagetier und sie ein Falke auf der Jagd.
„Lange nicht gesehen, Serif.“ wandte sich Alessa erstaunlich kühl an das andere Eidolon, sobald Aleyandra mit dem zappelnden Naruz außer Sichtweite geflogen war. Sie hatte nicht unbedingt erwartet, so bald auf andere Diener Gaias zu treffen und schon gar nicht, auf jemand so unzuverlässiges wie Serif. Dass ihre beiden Herren gerade dabei waren davonzufliegen, schien keinen von ihnen wirklich zu kümmern. Es bestand keinerlei Gefahr für irgendjemanden, also blieb ihnen auch Zeit für eine kleine Unterhaltung.
„Oh, Alessa. Ich hatte eigentlich gehofft als erstes auf Merilee zu stoßen.“ begrüßte er sie enttäuscht, während er zusah, wie Naruz und Aleyandra bald nur noch kleine Punkte am Horizont waren. „Ach ja, dein neuer Schützling hat gerade meinen Partner entführt. Sollte ich mir Sorgen um ihn machen?“
„Mhm nein, ich denke nicht. Am besten, wir warten hier auf sie. Aleyandra wird deinem neuen Herren nichts tun, glaube ich jedenfalls. Sie will ihm nur beibringen zu fliegen und zwar auf ihre eigene...Art.“
„Passt schon. Ich wollte eh, dass er bei nächstbester Gelegenheit die Sache mit dem Fliegen lernt. Hatte es nur irgendwie ähm, vergessen.“ erklärte Serif gähnend. Naruz würde schon zurecht kommen. Immerhin sah diese Verrückte gut aus, das würde ihm gefallen, sobald er sich erst einmal an die Sache mit dem Fliegen gewöhnt hatte.
„Typisch für dich.“ fuhr Alessa unbeeindruckt fort, Serif hatte sich nicht geändert. Mit diesem unzuverlässigen Stümper an seiner Seite, würde Naruz keine Woche überleben. „Wie kommst du mit deinem neuen Gefährten zurecht? Ich persönlich, bin bisher nicht sehr beeindruckt von ihm.“
„Ach, war ich anfangs auch nicht, aber das legt sich mit der Zeit.“ Serif´s Grinsen verblasste kurz, als er mit einem kurzen Seufzer fort fuhr. „Gut, um ehrlich zu sein, ist er etwas zu sprunghaft für meinen Geschmack und er starrte auf unserem Weg hierher jedes hübsche Mädchen in Grund und Boden. Ich hoffe unsere Feinde kommen nie auf die Idee eine Succubus oder ähnliches zu schicken, dann ist er so gut wie tot. Aber ansonsten ist er toll.“
„Sprunghaft? Das Wort wurde doch nur für dich erfunden.“ murmelte Alessa vor sich hin. Hoffentlich freundete sich ihre Gefährtin nicht mit diesem Naruz an, das würde selbst ihre gute Laune trüben.
In der Zwischenzeit, hing Naruz noch immer an Aleyandras Hand fest und pendelte weit über Helonia hin und her. Einmal stieß Aleyandra sich von der Spitze eines kleinen Berges ab, um noch höher zu steigen, solange, bis die blauen Häuser unter ihnen nur noch wie lächerlich winzige Spielzeuge wirkten. Sie entfernten sich weiter von Helonia, immer in Richtung Norden.
„Was soll das werden!?“ schrie sie der andere Bote Gaias an, was sie gepflegt ignorierte. Es war nur zu seinem eigenen Besten. Immer weiter stieg Aleyandra mit ihrem Fang nach Oben.
„Ich helfe dir nur, Naruz aus Port Skandia!“ rief sie zurück und blickte zu ihm nach unten, um ihn anzugrinsen „Also dann, jetzt heißt es, flieg oder stirb!“
„Hey! Warte! Du kannst nicht...“ rief Naruz mit einem Anflug von Panik in der Stimme, als dieses verrückte Mädchen plötzlich sein Handgelenk los ließ, während sie direkt über der Stadt kreisten. Doch die Panik verschwand auf der Stelle und stattdessen, machte sich wieder die selbe eigenartige Macht in ihm breit, die es ihm auch erlaubt hatte den Golem und den Dämon zu besiegen. Instinktiv, breitete Naruz die Arme aus und vertraute darauf, dass die Magie Gaias ihn retten würde und genau das tat sie auch. Statt zu fallen, stieg er plötzlich weiter auf. Verwirrt blinzelnd, schwebte er einen Augenblick in der Luft und sah sich um. Weit hinter sich, konnte er die blauen Dächer Helonias erkennen, doch vor ihnen, erhoben sich nur Berge, während sich unter ihnen dunkle Wälder erstreckten. Dann bemerkte er, dass dieses durchgedrehte Mädchen, die ganze Zeit um ihn herumflog und versuchte auch, seine Magie etwas zu kontrollieren. Langsam, sehr sehr langsam, setzte er sich in Bewegung. Hinter ihm erklang ein spöttisches Lachen und Aleyandra raste an ihm vorbei.
„Ich wusste du kannst fliegen!“ rief sie ihm zu, während sie vor ihm Loopings drehte, als wäre es das normalste auf der Welt. Er selbst wurde auch immer schneller und flog inzwischen, seiner Meinung nach, recht schnell und sauber auf sie zu. „Oh gut, du wirst schnell besser. Mal sehen, ob du es schaffst mich zu fangen.“ Sie zwinkerte ihm zu und zischte aus seinem Blickfeld davon. Verwirrt drehte Naruz den Kopf in alle Richtungen, aber ohne sie zu sehen. Dann tauchte sie wie aus dem Nichts wieder auf. Aleyandra glitt direkt vor ihm durch die Luft und hielt auf die Wälder weiter im Norden zu. Ohne wirklich zu wissen warum, folgte er ihr mit immer höherem Tempo. Ab und zu, drehte sie sich zu ihm herum und rief ihm irgendwelche, mehr oder minder nützlichen, Ratschläge zu. Aus dem anfänglichen Flugtraining, wurde schon nach kurzer Zeit eine wilde Jagd durch die Hügel und kleinen Berge entlang der Küste und je länger sie einander jagten, desto sicherer wurde Naruz beim fliegen.

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Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sie auf eine Wiese nördlich von Helonia zusteuerte und ihm signalisierte dort zu landen. Aleyandra stolperte ein paar Schritte vorwärts, bevor sie sich wieder fangen konnte. An der Landung, musste sie noch arbeiten, aber es machte Spaß mit ihm zu fliegen, auch wenn es sie auslaugte. Schwer atmend und schweißüberströmt, drehte sie sich um, um zu sehen, wo ihr neuer Freund so lange blieb. Panisch riss sie die Augen auf und wollte zur Seite hechten, aber dafür war es bereits zu spät. Unkontrolliert krachte Naruz in sie hinein und schleuderte Aleyandra über die Wiese davon. Sie überschlugen sich einige Male, bevor sie letztendlich im hohen Gras zum Stillstand kamen.
Blinzelnd schlug Aleyandra die Augen auf und starrte in die merkwürdigen Augen des jungen Mannes. Er wirkte ziemlich mitgenommen und würde eine Weile brauchen, um wieder zu sich zu kommen. Vielleicht hätte sie ihm vorher erklären sollen, wie man richtig landet. Sie könnte ihn jetzt einfach von sich runter werfen, aber das brachte sie nicht übers Herz. Stattdessen, sog sie seinen Duft ein. Er roch genau wie sie nach dem Ozean, aber auch nach verheißungsvollen Abenteuern, wie auch immer so etwas riechen mochte. Vermutlich hatte sie sich bei dem Aufprall den Kopf angeschlagen, dachte Aleyandra verwirrt und versuchte an etwas anderes zu denken. Ohne zu wissen wieso, strich sie ihm kurz sanft durch die dunklen Haare und zog die Hand dann sofort wieder zurück, als er sich bewegte. Unbehaglich, wand sie sich unter Naruz, der langsam begann sich zu regen, was Aleyandra nervös zusammenzucken ließ. Sofort wanderte ihr Blick ihren Körper hinunter und sie lief hochrot an. Seine rechte Hand, befand sich direkt zwischen ihren Beinen. Mühsam versuchte Naruz sich aufzurichten, wobei er nicht bemerkte, dass er sich auf ihr abstütze und zwar an einer etwas empfindlichen Stelle. Seine Finger, tasteten über den dünnen Stoff ihrer Hose und sie stand kurz davor ihm einen tödlichen Zauber entgegen zu schleudern, doch sie tat es nicht, sondern musste sich zusammenreißen um keinen verräterischen Laut von sich zu geben. Auch wenn es nur ausversehen war, war sie versucht, ihn weitermachen zu lassen.
Naruz bekam davon herzlich wenig mit. Der Sturz, schien ihn ziemlich mitgenommen zu haben. Aleyandra dagegen, entlockten seine Versuche sich wieder zu sammeln und trotz schmerzendem Körper aufzustehen, Laute, die nicht viel mit Schmerzen zu tun hatten. Das leise Stöhnen, das ungewollt ihren Lippen entwich, lenkte seine Aufmerksamkeit zum ersten mal seit dem Absturz auf Aleyandra, die ihn regungslos mit bebenden Lippen und roten Wangen anstarrte. Er spürte etwas feuchtes an seinen Fingern. Als ihm klar wurde, wo sich seine Hand befand, zog er sie hastig eng an seinen Körper an und sah sie entschuldigend an, während sich vor seinen Augen noch immer alles drehte. Er hatte noch nie zuvor Magie eingesetzt, zumindest nicht bewusst und schon gar nicht so eine Masse a Energie freigesetzt. Die Anstrengungen des Fluges setzten ihm im Moment mehr zu als der kleine Fehler bei der Landung. Er stand vollkommen neben sich.
„E-es tut mir...“ doch weiter kam Naruz nicht mehr, bevor Aleyandra mit einem spitzen Schrei, für den sie sich hinterher selbst verfluchte, ihre flache Hand gegen seine Schläfe krachen ließ, ihn von sich runter warf und auf die Beine sprang. Die Wucht des Schlages, schleuderte ihn zur Seite und er blieb ein Stück neben ihr liegen. Sie hatte es in ihrer Panik etwas übertrieben, aber ihre neuen Kräfte überforderten sie noch ein wenig. Während er sich auf die Beine kämpfte und leicht schwankend endlich zum stehen kam, versuchte Aleyandra sich zu beruhigen so gut es ging. Langsam verschwand das verräterische Rot wieder aus ihrem Gesicht. Sie räusperte sich kurz, um so zu tun, als wäre nichts passiert. Doch als sie begann zu sprechen, konnte man am Zittern ihrer Stimme deutlich erkennen, dass sie sich in Gedanken gerade ganz wo anders befand.
„G-geht es dir g-gut?“
„Ja, ich denke schon.“ Naruz achtete im Moment gar nicht auf ihre Verlegenheit, sondern musste noch immer daran denken, dass er tatsächlich geflogen war. Das ganze wurde langsam etwas zu unwirklich für seinen Geschmack. Vermutlich wachte er im nächsten Moment in seinem Bett in Skandia auf. „Es tut mir wirklich leid, die Landung war nicht wirklich...perfekt und es hat mich zu viel Kraft gekostet.“
„W-w-wie fandest du deinen ersten Flug?“ fuhr Aleyandra ein kleines bisschen sicherer fort und versuchte ihre Verlegenheit zu überspielen. So sollte ihr kleiner Flug eigentlich nicht enden. Ihr ganzer Körper zitterte noch immer, wenn sie an seine Berührungen dachte, so dass sie sich nicht richtig konzentrieren konnte.
„Es war einfach...es war großartig.“ antwortete Naruz nach den passenden Worten ringend. Er konnte dieses Gefühl nicht beschreiben und das wollte er auch gar nicht, denn Worte, würden niemals beschreiben können wie es sich anfühlte, wenn Gaia selbst einen berührte.
„Genauso habe ich mich auch gefühlt. Die Kräfte die Gaia uns geschenkt hat sind wundervoll.“
„Ich danke dir, für dieses Erlebnis. Ich wäre von alleine niemals auf die Idee gekommen so etwas auch nur zu probieren. Du kennst meinen Namen bereits, aber ich weiß nicht wer du bist.“
„Mein Name ist Aleyandra und ich lebe in dieser Stadt, mehr oder weniger. Mein Eidolon heißt Alessa. Wir sind erst seit einigen Tagen zusammen, auch wenn es mir bereits vorkommt wie ein ganzes Jahrzehnt, um ehrlich zu sein.“ schloss sie mit einem schüchternen Lächeln. Sicher, ging ihm sein Eidolon genauso auf die Nerven, dann hätten sie bereits ein gutes Gesprächsthema.
„Ja, sie können etwas eigen sein. Serif zum Beispiel redet gerne, aber dafür passen wir ansonsten sehr gut zusammen. Es ist erstaunlich, wie sehr ich mich an ihn gewöhnt habe in so kurzer Zeit. Man kann auch wunderbar mit ihm feiern und im Kampf, sind wir beinahe schon eins.“ antwortete Naruz mit einer Begeisterung in der Stimme, die Aleyandra nicht wirklich teilen konnte. Stammelnd versuchte sie ebenfalls irgendetwas nettes über ihr Eidolon zu erzählen und stolperte dabei mehrmals über ihre eigene Zunge.
„Ähm...ja, genau. Alessa ist auch sehr...cool und wir gehören zusammen. Wir sind wie Pech und Schwefel, ein Herz und eine Seele. Ein einzigartiges, unschlagbares Team.“
„Hattet ihr auch schon eine Seelenverbindung im Kampf?“ wollte er voller Wissbegierde in der Stimme wissen. Aleyandra hatte keine Ahnung wovon er sprach, aber entschloss sich dazu, sich nichts anmerken zu lassen. Wenn er sein Eidolon toll fand, dann würde sie ihm zeigen, dass sie ihres auch liebte. „Es ist ein ganz besonderes Gefühl. Man kommt sich unbesiegbar vor, unaufhaltsam, als könnte man es alleine mit einer ganzen Dämonenarmee aufnehmen.“
„Natürlich, wir ähm, verbinden unsere Seelen die ganze Zeit. Mal sie ihre mit meiner, dann ich meine mit ihrer und so weiter. Wirklich großartig, toll, fantastisch. Ich liebe Alessa, als wäre sie meine...ähm...meine Schwester.“ schloss sie holprig. Um endlich nicht mehr über diese nervtötenden Eidolons zu reden, wechselte Aleyandra hastig das Thema, indem sie auf das Gespräch zu zwischen Naruz und Luther zu sprechen kam „Ich habe gehört, dass du nach einer gewissen Sternentruhe suchst.“
„Das ist richtig. In meinem Dorf, kam es vor kurzem zu einem schlimmen Zwischenfall. Ein anderer Bote Gaias, verfiel dem Wahnsinn. Er hat jemanden entführt und ein Blutbad unter den Wachen angerichtet. Letztendlich, verwandelte er sich in einen Dämon und ich musste ihn erschlagen...“ Naruz brach kurz ab, um nicht wieder an Brian´s entstelltes Antlitz denken müssen, als diese Kreatur aus ihm hervorbrach. „Wie auch immer, es besteht bei jedem Diener Gaias die Gefahr, dass man von der Dunkelheit verschlungen wird und genauso endet. Darum brauche ich das, was sich in der Truhe befindet. Es soll ein Gegenstand sein, mit dem Man die Verbindung zwischen uns und unseren Eidolons trennen oder vielleicht wenigstens abschwächen kann.“
„Ja, das ist auch meine Absicht.“ stimmte ihm Aleyandra hastig zu. Dieses Gerede über Dämonen schon wieder. Als hätte man nicht schon genug Probleme. Sie würde sich sicher nicht in irgendein Monster verwandeln, aber bei der Vorstellung das Einhorn loszuwerden und stattdessen mit diesem Naruz zu reisen, fühlte sich ihr Kopf sofort wieder heiß an. „Ich und Alessa sind natürlich unzertrennlich, aber ich habe Angst davor ein Dämon zu werden. Furchtbare Angst. Sie frisst mich auf und lässt mir keine Sekunde Ruhe. Aber zum Glück, bist du ja jetzt da. Gemeinsam, können wir dieses furchtbare Schicksal sicher abwenden.“
„Ich schätze, es wäre leichter zu Zweit. Aber du stammst doch aus dieser Gegend und kennst die einflussreichen Menschen hier sicher. Hast du denn nicht versucht die Truhe alleine zu bekommen?“
„Natürlich! Ich war bereits bei der Bürgermeisterin und habe sie auf Knien angefleht, mir die Truhe zu überlassen. Doch dann...“ Aleyandra verstummte und starrte zu Boden, bevor sie erstaunlich kleinlaut fortfuhr. „Naja, sagen wir, mir ist ein kleines Missgeschick passiert.“
„Tatsächlich? Nun, dann verfolgen wir das selbe Ziel.“ sagte Naruz mit einem freundlichen Lächeln, dass Aleyandras aufsteigende düstere Laune sofort verjagte. „Vielleicht, können wir gemeinsam die Bürgermeisterin davon überzeugen, wie dringend wir diese Truhe brauchen. Ich habe gehört es gibt Ärger mit Piraten. Wenn wir dabei helfen sie loszuwerden, wird man uns diesen kleinen Wunsch sicher erfüllen.“
„Eine gute Idee.“ stimmte ihm Aleyandra eifrig zu. „Gemeinsam sind wir unbesiegbar. Dieser Abschaum wird uns niemals aufhalten können.“
„Auf eine gute Zusammenarbeit.“ Naruz streckte ihr eine Hand entgegen, in der Erwartung, dass sie einschlug und ihre neue Partnerschaft besiegelte, doch das tat sie nicht. Stattdessen, sprang sie ohne Vorwarnung direkt neben ihn und klammerte sich plötzlich mit beiden Händen an seinem linken Arm fest. Aleyandra, hakte sich bei dem verwirrten Naruz ein, der zu überrascht war, um irgendeine Art von Abwehrversuch zu unternehmen. Um ehrlich zu sein, hätte sie ihm auch gar nicht erlaubt sie einfach abzuschütteln. Ein echter, anderer Diener Gaias und noch dazu einer der so gut aussah, das musste der schönste Tag ihres Lebens sein. Mit einem kurzen Seufzer, legte sie ihren Kopf an Naruz Schulter und lehnte sich an ihn. Alles was er herausbrachte war ein kurzes, gestottertes „Wa-wa-was...“
„Also dann, gehen wir, Naruz.“ flüsterte sie aufgeregt. Als er sich nicht sofort in Bewegung setzte, hob sie den Blick und lächelte freudestrahlend zu ihm hinauf. Ihre roten Augen leuchteten ihn voller Erwartung an. Sie konnte es kaum erwarten gemeinsam mit ihm heldenhaft gegen Piraten zu kämpfen, nach Navea zu reisen, vielleicht sogar nach Nord Midgard, durch die geheimnisvollen menschenleeren Steppen und Wälder, aber vor allem, konnte sie es kaum erwarten ihm etwas näherzukommen. Sie würde ihre gemeinsame Zeit vor allem nutzen, um herauszufinden, ob seine Ausstrahlung wirklich nur darauf zurückging, dass auch er ein Bote Gaias war, oder ob mehr dahinter steckte. Vielleicht, war er ja genau das, worauf sie schon so lange wartete. Das Zeichen, das ihren Aufbruch nach Navea symbolisierte und in eine glückliche Zukunft voller Abenteuer und Leidenschaft führte. Sofort, stieg Aleyandra das Blut in den Kopf. Sie sollte sich vielleicht etwas zusammenreißen und nicht mehr so viel lächerliches Zeug denken. Immerhin kannte sie ihn noch nicht einmal eine Stunde! Aber so sehr sie es auch versuchte, alleine die Nähe zu diesem Naruz, ließ sie immer weiter solche Gedanken haben, ohne dass sie in der Lage war es zu ignorieren. Vielleicht, hätte sie ihn nicht aufhalten sollen, als sie dort auf der Wiese lagen, aber er hatte sie zu sehr in Panik versetzt. „Ich bin übrigens dafür, dass wir einen kleinen Umweg machen und am Strand entlanggehen, immerhin geht die Sonne bald unter. Wenn der Ozean in goldenes Licht getaucht ist, ist das immer ein ganz besonderer, romantischer Anblick, den man sich nicht entgehen lassen darf.“
„Ich komme auch aus einem Dorf an der Küste, ich weiß wie das aussieht.“ dachte Naruz kurz und wollte schon genau das auch laut aussprechen, aber dann sah er wieder in Aleyandras Gesicht und wurde von dem fröhlichen Strahlen beinahe geblendet. „Fantastische Idee.“
„Gut.“ mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen, lehnte sie ihren Kopf wieder an seine Schulter und sie gingen gemeinsam langsam in Richtung Strand. „Ach ja, ist das mit deinen Haaren eigentlich Absicht oder war es ein Unfall?“

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Ja, diese Bilder erfüllen keinen wirklichen Zweck...aber sie sehen gut aus




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Eine Karte von der Welt von Aura Kingdom, mehr oder weniger zumindest. Wenigstens die wichtigsten Orte sind eingetragen.
Zuletzt geändert von Vanidar am 10. Juni 2014 23:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 10. Mai 2014 19:03

5. Der perfekte Plan (Öffnen)
Kapitel 5 – Der perfekte Plan:


„Ach ja, ist das mit deinen Haaren eigentlich Absicht oder war es ein Unfall?“ Naruz lachte kurz auf, als er die Frage der seltsamen Fremden hörte, woraufhin diese ihn ein wenig verwirrt ansah.
„Weißt du, ein sehr guter Freund von mir hat mich bei unserem ersten Treffen genau das selbe gefragt. Es ist tatsächlich Absicht, dass sie so aussehen, so lief ich schon als kleines Kind rum und ich habe die Frisur einfach beibehalten.“ meinte er, als Erklärung, und zuckte mit den Schultern, während Aleyandra ihn noch immer einfach anlächelte und sich weiterhin weigerte seinen Arm freizugeben.
„Du sagtest, du kommst aus Port Skandia? Wie ist es dort so? Ich habe bisher nur hin und wieder ein wenig davon gehört, meist von irgendwelchen Leuten die auf der Durchreise waren.“
„Port Skandia ist einfach nur ein kleines, ruhiges Dorf, nun, dass wäre es wenn nicht ständig Reisende kommen und eine Pause dort machen würden. Durch die vielen Besucher und durch den Export von Holz und Fisch ist Skandia recht wohlhabend, weshalb wir auch über eine ansehnliche Garnison verfügen, die das Dorf beschützt. In letzter Zeit haben sich aber immer mehr... Monster und ähnliche Kreaturen in die Nähe gewagt. Im Laufe von nichtmal einem einzigen Tag sind mir Feen, ein Golem und ein Dämon über den Weg gelaufen, vor allem beim Golem frage ich mich noch immer, wo er überhaupt herkam.“ meinte Naruz und bekam einen leicht nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Mit Monstern haben wir hier auch hin und wieder zu tun... wenn auch nicht mit Dämonen oder Golems. Obwohl, vor gerademal ein paar Tagen hatte ich es mit einer Schleimbestie zu tun, die vielleicht auch eine Art Dämon gewesen sein könnte, sie... ähm, war irgendwie Schuld an dem kleinen Zwischenfall, durch den ich die Truhe nicht länger selbst holen kann.“ Während ihres Gesprächs erreichten die beiden den langen Strand Helonias, welcher im Allgemeinen als 'Silberaschenstrand' bezeichnet wurde, auf Grund der seltsamen Färbung seines Sandes. In der Ferne lag ein großes Schiff verankert, welches wohl zu den Piraten gehören musste. Zwischen den großen Masten des Schiffes konnte man die Sonne sehen, welche beinahe vollständig untergegangen war und die letzten Lichtstrahlen des Tages auf das Meer warf. Auch wenn Naruz, da er ja selbst am Meer aufgewachsen war, diesen Anblick bereits oft gesehen hatte, war dies dennoch ein recht neues Erlebnis. In Skandia gab es keinen richtigen Strand, sondern eher kleine Klippen, in die Stege gehauen wurden, damit Schiffe anlegen konnten. Den Sonnenuntergang hier an einem großen, wunderschönen Strand zu sehen war etwas gänzlich anderes, als ihn von irgendeiner Klippe aus anzustarren, wobei letzteres auch seinen Charme hatte. Nachdem sie eine Weile den Anblick genossen hatten, brach Naruz das Schweigen, welches sich über sie gelegt hatte.
„Du hattest recht, es ist wirklich ein schönes Schauspiel.“ meinte er mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Als sein Blick auf die Pistolen an Aleyandras Hüfte fiel, zog er überrascht eine Augenbraue hoch. Bislang war ihm vollkommen entgangen, dass sie diese trug. „Diese Waffen... das sind keine normalen Pistolen, oder?“ Aleyandra war sichtlich erstaunt über diesen Kommentar, konnte er als Botschafter Gaias etwa die Magie erkennen, die ihren Pistolen innewohnte?
„Das stimmt, sie sind magisch, verzaubert. Ich weiß nicht wo ich sie her habe, man hatte sie bei mir gefunden, als ich vor ein paar Jahren hier angespült wurde.“
„Angespült?“
„Ich komme eigentlich nicht von hier, als ich zehn war hatte man mich an der Küste gefunden und ich kann mich an nichts erinnern, was vorher passiert war.“ meinte Aleyandra, mit einem Schulterzucken und ließ Naruz keine Zeit etwas zu sagen, ehe sie aufgeregt fortfuhr. „Hast du diese Waffen etwa schon einmal gesehen? Oder hast du nur die Magie bemerkt, die in ihnen steckt?“
„Nun, ich weiß nicht genau, ich hatte nur das Gefühl, dass mit den Pistolen etwas nicht stimmte. Corey hatte mir außerdem einmal davon erzählt dass die Magier der Kirche in der Lage sind verzauberte Waffen herzustellen... Corey ist übrigens der Freund, den ich vorhin erwähnt hatte. Er ist auch derjenige, der meine Waffen hergestellt hat, es war seine erste, richtige Arbeit als Schmied und er hat sie recht gut erledigt, auch wenn er mir dafür ein kleines Vermögen aus den Taschen gezogen hat.“
„Musstest du schon oft kämpfen?“ fragte Aleyandra interessiert und erinnerte sich daran, dass Naruz vorhin etwas von einer Seelenbindung und einen Kampf gegen einen Dämon erzählt hatte. Aleyandra ließ seinen Arm los, drehte sich einmal um sich selbst, blieb kurz vor Naruz stehen, legte ihre Hände hinter den Rücken und beugte sich interessiert vor, während sie ihn weiterhin anlächelte. Naruz antwortete nicht sofort, sondern starrte Aleyandra eine ganze Weile an, erst jetzt, wo er sie so vor sich sah, mitten im Licht der untergehenden Sonne, fiel ihm auf wie schön sie eigentlich war. Schließlich schüttelte er kurz den Kopf um sich vom Anblick loszureißen und antwortete ihr.
„Nun, nicht wirklich oft. Ich bin erst vor knapp einem Monat der Dorfwache beigetreten und hatte nicht allzu viel zu tun. Meine einzigen wirklichen Kämpfe waren gegen ein wahrhaft gigantisches Riesenkaninchen, ein paar aggressive Feen, dem Golem und Brian... den Dämon, der das Dorf terrorisiert hatte.“ Sein Blick trübte sich ein wenig, als er an Brian zurückdachte woraufhin Aleyandra, die nicht wollte, dass sich die Stimmung dermaßen verschlechterte, beschloss das Thema zu wechseln.
„Riesenkaninchen gibt es hier nicht, dafür haben wir aber in der Nähe so einige, übergroße Waschbären, die hin und wieder über die Apfelernte der nahen Obstgärten herfallen.“ während sie dies sagte wurde Naruz auf etwas aufmerksam, dass in einiger Entfernung auf einem Hügel aufragte und ein wenig an ein Zelt erinnerte.
„Wohnen dort oben etwa auch Leute?“ fragte er und deutete in Richtung des Zelts, welches am Rande des Hügels, nahe dem Meer stand. Aleyandra folgte seinem Blick und schüttelte dann mit dem Kopf.
„Nein, eigentlich nicht. Die Piraten haben dort ihr Lager aufgeschlagen und haben dort ihr eigenes, kleines Dorf.“ Als sie auf die Piraten zu sprechen kam, erinnerte sich Naruz endlich daran, was er eigentlich tun wollte, ehe Aleyandra ihn praktisch entführt hatte.
„Die Piraten...“ murmelte er und zog damit Aleyandras Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Ich denke, wir sollten wieder in die Stadt gehen und mit der Bürgermeisterin sprechen, ehe es zu spät wird und wir bis morgen warten müssen.“
„Oh, natürlich...“ meinte Aleyandra, leicht widerstrebend. Zum einen würde sie gerne ein wenig mehr mit Naruz reden und zum anderen war Madeline sicherlich noch immer ziemlich wütend auf sie, wegen der Sache mit dem Gold. In diesem Moment erschienen Serif und Alessa wie aus dem Nichts vor ihnen und verhinderten somit eventuelle Versuche Aleyandras, das Treffen mit der Bürgermeisterin zu verzögern.
„Serif! Und... Alessa, richtig?“ meinte Naruz und deutete eine leichte Verbeugung in Richtung des Einhorns an.
„Ganz genau, ich bin Alessa, das noble...“
„Also gut, lass uns schnell zu Madeline gehen, bevor es dunkel wird, Naruz.“ unterbrach Aleyandra ihr Eidolon so schnell sie konnte und hakte sich erneut bei Naruz ein, um ihn in Richtung Helonia zu lenken. Alessa schnaubte kurz, verärgert auf, was Serif ein breites Grinsen entlockte. Er ließ sich auf Naruz' Schulter nieder und gemeinsam kehrten dieser und Aleyandra, mit Alessa im Schlepptau, dem Strand den Rücken und gingen in Richtung Helonia.

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Tatsächlich erreichten sie das Haus der Bürgermeisterin noch bevor es dunkel wurde und Madeline stand sogar schon direkt vor der Tür, allerdings nicht alleine. Neben ihr stand ein wunderschönes Mädchen, welches im selben Alter wie seine neue Begleiterin zu sein schien. Die Fremde hatte kurze, dunkelbraune Haare und trug ein schwarzes Kleid, dass ziemlich teuer aussah. Zu seiner Überraschung warf sie einen Blick in Aleyandras Richtung in dem sich Hass und Angst zu vermischen schienen, selbiges galt für die Bürgermeisterin, ob es wohl daran lag, dass es sich bei Aleyandra um eine Botschafterin Gaias handelte? Naruz wurde gänzlich ignoriert und die Bürgermeisterin wandte sich direkt an Aleyandra, als diese nahe genug für ein Gespräch war.
„Was willst du hier? Hast du nicht schon genug Ärger verursacht? Wegen dir müssen wir sämtliche Vorräte holen die wir haben, um diese verfluchten Piraten bezahlen zu können!“ Das Gespräch fing schon einmal nicht so an, wie Naruz es erwartet hatte.
„Kann es sein, dass du hier nicht sonderlich beliebt bist?“ fragte er flüsternd, woraufhin Aleyandra zusammenzuckte. Sollte Naruz anfangen zu denken, dass sie ihn hier in Helonia nur behindern würde könnte es sein, dass er ihre Zusammenarbeit umgehend beendete, was wiederum bedeutete dass alle ihre Chancen, Alessa jemals loszuwerden, noch schlechter stehen würden als zuvor. Also beschloss sie etwas zu tun, was ihr sonst nie im Leben eingefallen wäre, sich bei der Bürgermeisterin und Alesia zu entschuldigen.
„Ich bin nicht hier um Ärger zu machen... ich bin hier um mich bei Alesia zu entschuldigen für den, äh, Vorfall beim Fest. Es war nicht meine Absicht, dass es solche Ausmaße annimmt.“ während sie dies sagte setzte sie ihren unschuldigsten Gesichtsausdruck auf und klang zumindest ein wenig so, als wenn es ihr tatsächlich leidtun würde. Alesia sagte nichts, sondern warf nur einen, leicht zweifelnden, Blick zu Aleyandra, der kurz darauf zu Naruz wanderte und überrascht an ihm haften blieb, als wenn sie erst jetzt den Begleiter des weißhaarigen Mädchens bemerkt hatte und das Eidolon, dass auf dessen Schulter saß. Auch Madeline schien nun zum ersten mal auf Naruz zu reagieren.
„Wer ist dein Begleiter? Ich habe ihn noch nie hier gesehen.“ fragte sie und hörte sich ziemlich misstrauisch an, was Naruz innerlich aufstöhnen ließ, die Sache würde schwieriger werden, als er gedacht hatte.
„Mein Name ist Naruz und ich bin ein Botschafter Gaias, aus Port Skandia.“ meinte er, mit einer leichten Verbeugung in Richtung Madeline und Alesia. „Dies ist Serif, mein Eidolonpartner.“
„Freut mich euch kennenzulernen.“ meinte dieser, mit einem Gähnen. Zu Naruz' Überraschung war Alessa nirgendwo zu sehen, anscheinend versteckte das Einhorn sich, vielleicht war es in der Stadt ja nicht sonderlich beliebt, wer weiß?
„Ein Botschafter Gaias? Wie in den alten Sagen und Legenden?“ fragte Alesia überrascht, während Madeline weiterhin misstrauisch aussah.
„Und was führt einen Botschafter Gaias nach Helonia? Hat die Kirche Euch geschickt? Und warum seid Ihr mit Aleyandra zusammen?“
„Ich komme direkt aus Port Skandia, die Kirche hat nichts damit zu tun, ich bin auch erst seit kurzem ein Botschafter. Ich bin zu Euch gekommen, weil ich hörte dass es hier einen Gegenstand gibt, der in der Lage ist böse Geister zu vertreiben. Ich brauche diesen Gegenstand, als ich dann jedoch davon hörte, dass Helonia Probleme mit Piraten hat, habe ich mich dazu entschlossen Euch zu helfen.“ meinte Naruz, mit einem warmherzigen Lächeln, dass sogar das Misstrauen der Bürgermeisterin zu vertreiben schien. „Aleyandra hier hatte sich bereit erklärt mich ein wenig in der Stadt herumzuführen. Als ich ihr von meinen Plänen erzählt habe, gegen die Piraten vorzugehen, hatte sie mir sofort ihre Hilfe angeboten.“ Während seiner Erklärung ließ Naruz ein paar unwichtige Details aus, zum Beispiel dass er erst mit dem Piratenproblem helfen wollte, nachdem er den wahnwitzigen Preis für die Truhe gehört hatte.
„Wirklich? Aleyandra hat Euch durch die Stadt geführt? Einfach so? Das ist... ungewöhnlich.“ meinte Alesia, sichtlich erstaunt.
„Was noch ungewöhnlicher ist, ist dass sie ihre Hilfe angeboten hat. Darf ich auch erfahren, Naruz, was Ihr als Preis für Eure Hilfe verlangt? Ich bezweifle, dass Ihr uns einfach ohne weiteres unterstützen würdet.“
„Ich verlange nicht viel für meine Hilfe, lediglich die Sternentruhe, welche sich hier in Helonia befinden soll und die für Euch, laut Luther, sowieso nutzlos ist.“ Madeline musterte den Fremden prüfend. Sie konnte einfach nicht glauben, dass dies alles war, was er für seine Hilfe verlangte. Aber wenn er wirklich ein Botschafter Gaias war... dann könnte man vielleicht doch mit den Piraten fertig werden, ohne sie bezahlen zu müssen. Sollte es funktionieren, wären alle Einwohner Helonias zufrieden, und Madeline würde als diejenige gefeiert werden, die es geschafft hatte jemanden zu finden, der die Stadt vor den Piraten rettete. Sollte alles schiefgehen, könnte man die Schuld von Helonia auf die Botschafter Gaias und die Kirche schieben und die Piraten im Nachhinein bezahlen. Es gab also kein wirkliches Risiko für Madeline, wenn sie die Hilfe des Fremden annahm.
„Nun gut, wenn das so ist, werden wir Eure Hilfe natürlich gerne annehmen. Lasst mich Euch nur fragen, habt Ihr bereits einen Plan, wie wir mit den Piraten fertig werden können?“ Naruz strich sich nachdenklich durch sein Haar, während er überlegte.
„Nun, da Ihr über keine Garnison verfügt, fällt ein frontaler Angriff auf das Lager der Piraten aus. Am leichtesten wäre daher, sich in das Lager der Piraten zu schleichen und ihren Anführer, sowie dessen Offiziere auszuschalten. Sobald sie ohne Führung sind, werden die Piraten sich von hier verziehen. Piraten sind ein abergläubisches Völkchen, sollten alle ihre Anführer innerhalb von so kurzer Zeit, nachdem sie Helonia erpresst haben sterben, werden sich schon bald Gerüchte über einen Fluch oder ähnliches unter ihnen verbreiten, und sie für immer von hier fernhalten. So hat es zumindest bei uns in Port Skandia funktioniert. Nachdem gleich zwei verschiedene Piratenkapitäne bei ihren Versuchen, Skandia zu erpressen gestorben sind, hält sich das Gesindel fern.“ Madeline überlegte kurz, dieser Plan könnte tatsächlich funktionieren, allerdings sah sie ein großes Problem bei der ganzen Sache.
„Und wie wollt Ihr es schaffen, unbemerkt zum Kapitän zu gelangen? Das Lager wird ja kaum unbewacht sein.“ Naruz nickte zustimmend.
„Ich weiß und genau deswegen, werde ich Eure Hilfe brauchen, und die Hilfe so vieler Städter wie möglich. Wir werden den Großteil der Piraten aus ihrem Lager locken müssen, ehe ich mich hineinschleichen kann.“
„Wie wollen wir das machen?“
„Ein Schatz!“ meinte Alesia und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf sich.
„Wie bitte?“ fragte Madeline und wirkte leicht verwirrt.
„Naruz sagte doch, Piraten sind abergläubisch, wenn das stimmt könnte man sie bestimmt weglocken, wenn man ihnen von einem Schatz erzählt, der sich hier irgendwo befinden soll, zum Beispiel ein gewaltiger Goldschatz, der am Strand vergraben sein soll.“
„So etwas würde funktionieren?“ fragte Aleyandra und sah äußerst skeptisch aus.
„Es könnte klappen, wenn wir einen Köder hätten. Ich nehme nicht an, dass es in Helonia tatsächlich noch haufenweise Gold gibt, mit dem man die Piraten ködern könnte?“
„Leider nicht, der Großteil unserer Reichtümer ist... verschwunden.“ meinte Madeline, mit einem wütenden Blick in Richtung Aleyandras, den diese jedoch geflissentlich ignorierte.
„Wäre auch zu schön gewesen.“ murmelte Naruz.
„Wir könnten Perry um Hilfe bitten.“ Erneut war es Alesia, die dies sagte.
„Perry?“ fragte Naruz und sah verwirrt zur Cambeli hinüber.
„Er ist ein Alchemist, der in der Lage ist mit Hilfe einiger Zutaten Falschgold herzustellen.“ erklärte Madeline, der aufging worauf Alesia hinaus wollte. „Falschgold, dass überzeugend echt aussieht. Es dürfte ausreichen um die Piraten davon zu überzeugen, dass es tatsächlich einen Schatz gibt.“
„Aber Perry ist bereits vor einiger Zeit aus der Stadt verschwunden.“ schaltete Aleyandra sich ein.
„Ja, aber wir werden es schon schaffen ihn zu finden, Ihr müsst Euch nur ein wenig gedulden, Naruz. Ich werde ein paar Männer schicken, die ihn suchen werden, ich weiß, dass er zumindest in der Nähe von Helonia bleiben wollte, also wird er nicht allzu weit entfernt sein. Aber... eventuell könntet Ihr die Zeit ja nutzen, um uns mit etwas zu helfen, dass ebenfalls mit den Piraten zu tun hat.“
„Was denn?“
„Kurz bevor Ihr gekommen seid, kam ein Bote der Piraten hierher und hat eine Liste mit Forderungen abgegeben, das meiste davon haben wir hier in der Stadt, aber ein paar Dinge fehlen uns. Zum Beispiel seltene Pflanzen, die in einer Höhle westlich von hier wachsen und die für medizinische Zwecke verwendet werden können... oder als Rauschmittel, bei den Piraten tippe ich eher auf letzteres. Wenn Ihr und Aleyandra uns ein paar von diesen Pflanzen besorgen könntet, würde es uns sehr helfen.“
„Warum? Ihr hattet doch vor, gegen die Piraten vorzugehen, oder nicht?“
„Doch, natürlich. Nur leider weiß ich nicht, wie lange es dauern wird Perry zu finden und das Falschgold vorzubereiten. Wenn in der Zeit die Piraten wieder nach Helonia kommen und ihr Schutzgeld haben wollen...“
„Ich verstehe.“ Daran hatte Naruz tatsächlich nicht gedacht. „Wo genau ist diese Höhle?“
„Ich weiß, von welcher sie redet.“ meinte Aleyandra, ehe irgendjemand anderes etwas sagen konnte. „Sie befindet sich nicht einmal eine Tagesreise von hier entfernt, wenn man der Straße folgt, gelangt man direkt zu ihr. Ich kann dich sofort hinführen, wenn du willst.“
„Jetzt sofort? Meinst du nicht, dass dein Freund sich vorher ausruhen sollte? Immerhin hast du ihn den ganzen Tag durch die Stadt geführt.“ meinte Alesia. „Mein Vater wird sicherlich ein Zimmer in einem Gasthaus für Euch finden, wenn Ihr es wünscht.“ fügte sie, an Naruz gewandt, hinzu. Aleyandra sagte nichts, sie könnte dem Fremden höchstens einen Platz unter dem freien Himmel anbieten. Zu ihrer Überraschung schüttelte Naruz jedoch den Kopf.
„Vielen dank für Euer Angebot... verzeiht, ich fürchte, ich habe Euren Namen vergessen.“
„Oh, nein, nein. Es ist mein Fehler, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Alesia Cambeli und ich bin die Tochter eins Händlers in unserer schönen, kleinen Stadt.“ meinte Alesia und vollführte einen eleganten Knicks vor Naruz.
„Nun, vielen dank für Euer Angebot, Lady Cambeli, aber ich habe nicht vor die Nacht in einem Gasthaus zu verbringen. Viel eher wollte ich mir, sobald es dunkel geworden ist, den Strand einmal genauer ansehen, ohne dabei von Piraten behindert oder gesehen zu werden.
„In dem Fall kann ich dich am Strand herumführen, ich kenne mich da gut aus.“ schaltete Aleyandra sich erneut ein. 'Außerdem wirst du so nicht aus Versehen in eine meiner Fallen treten' fügte sie in Gedanken hinzu.
„Gut, danke Aleyandra. Dann werden wir Morgen nach Westen aufbrechen und die Pflanzen aus der Höhle besorgen, hört sich das in Ordnung an?“ Naruz warf einen fragenden Blick in Richtung der Bürgermeisterin, die nickte. „Dann ist es beschlossen. Ich werde mich dann auf den Weg zum Strand machen, auf Wiedersehen, Bürgermeisterin, Lady Cambeli.“ meinte Naruz und verneigte sich zum Abschied erneut vor den beiden.
„Tschüss.“ meinte Aleyandra lediglich, während sie und Naruz sich abwandten und zurück zum Strand gingen.

Wie erwartet war es bereits dunkel, als sie den Strand erreichten. Dort wartete auch schon Alessa auf sie und warf Aleyandra einen missbilligenden Blick zu, sagte jedoch nichts.
„Was hast du hier vor, Partner?“ fragte Serif neugierig, er hatte sich schon eine ganze Weile zurückgehalten, aber die Frage war ihm schon durch den Kopf geschossen, seit Naruz meinte er wolle sich den Strand genauer ansehen.
„Ganz einfach, ich habe zwar die Wahrheit gesagt als ich meinte, ein Schatz wäre eine gute Ablenkung, aber ich fürchte, es wird nicht reichen. Sobald die Piraten merken, dass es hier kein Gold gibt, werden sie entweder zurück zu ihrem Lager gehen oder, und das ist viel wahrscheinlicher, Helonia einen Besuch abstatten und sich erkundigen, was dieses kleine Märchen von einem Goldschatz eigentlich sollte. Da ist mir eingefallen, dass Aleyandra meinte ihr sei hier am Strand ein Monster begegnet, und ich habe mir gedacht, dass man diese Kreaturen eventuell nutzen könnte um den Piraten eine Falle zu stellen, falls es mehr von ihnen hier gibt.“ Naruz hockte sich hin, nahm eine handvoll Sand und ließ ihn durch seine Finger rinnen, ehe er seufzte und zu Aleyandra aufsah, die ein wenig nervös wurde. Zweifelte Naruz etwa auch an ihrer Geschichte vom Schlammdämon? „Aber es scheint so, als wenn die Kreatur alleine war, ich sehe hier jedenfalls keine weiteren Monster. Ich hatte gehofft, dass vielleicht Nachts weitere dieser Bestien hervorkriechen, aber nein. Zudem ist der Strand offen, hier gibt es nichts, wo man sich verstecken könnte um einen Überfall auf die Piraten zu wagen, die kommen werden um sich den Schatz zu holen.“
„Warum hattest du vorhin nichts davon gesagt?“ fragte Aleyandra, die sich wunderte, dass Naruz die Bürgermeisterin und Alesia nicht in seine Gedankengänge miteinbezogen hatte. Dieser stand wieder auf und zuckte mit den Schultern.
„Um ehrlich zu sein, ich vertraue der Bürgermeisterin nicht ganz. Ich habe das Gefühl, als wenn sie mich ohne zu Zögern den Piraten ausliefern würde, sollte es ihr einen Vorteil bringen. Da ist es besser, wenn sie nicht alles weiß. Ich würde ungern einen Hinterhalt für die Piraten vorbereiten und dann selber in eine Falle tappen.“ Naruz schien Madeline recht gut einschätzen zu können, denn auch Aleyandra zweifelte nicht wirklich daran, dass die Bürgermeisterin einen derartigen Reserveplan hatte, falls die Sache schiefgehen sollte. In diesem Moment kam ihr auch eine Idee, wie sie Naruz helfen konnte.
„Weißt du, ich bin recht gut darin Fallen herzustellen, magische Fallen. Ich bin mir sicher, ich könnte ein paar mehr herstellen und sie hier am Strand verstecken. Sobald dann die Piraten kommen um sich den Schatz zu holen, würden sie diese auslösen, das dürfte ihnen einige Probleme bereiten.“ Naruz' Miene hellte sich auf, als er dies hörte, mit einer erfahrenen Fallenstellerin an seiner Seite, dürfte es möglich sein, einen Hinterhalt vorzubereiten.
„Das klingt sehr gut, lass uns am besten schon einmal nach geeigneten Stellen hier am Strand suchen.“
„Wir könnten uns auch gleich daran machen, die Fallen zu platzieren...“ begann Aleyandra, brach jedoch ab, als Naruz den Kopf schüttelte.
„Wenn wir sie jetzt schon aufstellen, riskieren wir, dass die Piraten sie finden, bevor alles vorbereitet ist. Wir sollten erst damit anfangen, sobald alles bereit ist.“
„Oh, ich verstehe.“
„Gut, dann lass uns nach einem Platz suchen, der sich für unseren Hinterhalt eignet.“

Die nächsten zwei Stunden verbrachten die beiden, mit Hilfe ihrer Eidolons, damit den Strand nach geeigneten Stellen abzusuchen, ehe sie den, ihrer Meinung nach, perfekten Platz fanden und sich von der Küste zurückzogen. Aleyandra führte Naruz und Serif zu ihrer kleinen Insel. Normalerweise lud sie ja keine Gäste zu ihrem kleinen zuhause ein, aber Naruz hatte immerhin das Angebot der Cambeli abgelehnt und daher keinen Platz zum schlafen, außerdem war er ein Botschafter Gaias, er würde schon nicht einfach so mit Aleyandras Schatz abhauen, zumal dieser noch immer in seinem kleinen Versteck lag.
„Wohnst du etwa hier?“ fragte Naruz, leicht überrascht und sah zu den Decken, die hier im Sand verstreut lagen.
„Ähm ja, ich fühle mich hier viel wohler, als in der Stadt. Ich mag es unter freiem Himmel zu schlafen.“ antwortete sie und warf Naruz einen nervösen Blick zu. „Ähm, ich habe nicht sonderlich viel hier, aber du kannst dir gerne ein paar der Decken zum schlafen nehmen... oder du gehst zurück nach Helonia, es sollte bestimmt noch möglich sein, ein Zimmer in einem Gasthaus zu kriegen, du hattest zwar Alesias Angebot abgelehnt, aber...“
„Mach dir keine Sorgen, ich bin es gewohnt, unter freiem Himmel zu schlafen.“ unterbrach Naruz sie und lächelte erschöpft, nachdem er seine restliche Energie verwendet hatte um zusammen mit Aleyandra zur Insel zu fliegen. „Ich werde schon zurecht kommen, aber ich danke dir, dass du mir erlaubst... ähm, bei dir zu übernachten.“ fügte er hinzu und nahm sich eine der Decken, trug sie zu einem nahen Felsen, lehnte sich mit dem Rücken gegen diesen und deckte sich zu. Serif ließ sich neben ihm im Schneidersitz nieder und gähnte müde. Aleyandra wandte sich ab und hob eine Decke auf, damit niemand merken konnte, dass sie erleichtert aufatmete und ein fröhliches Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Heute hatte sie zwar nicht mehr allzu viel über Naruz rausgefunden, aber Morgen würde sie mit ihm zur verlassenen Höhle im Westen reisen. Auf dem Weg hin und zurück würde schon genug Zeit bleiben, diesen anderen Botschafter besser kennenzulernen. Sie zog die Decke ein wenig näher in Richtung Felsen, an dem Naruz sich niedergelassen hatte und legte sich dann hin. Auch sie war ziemlich erschöpft, nach den Ereignissen des heutigen Tages. Alessa rollte sich neben ihr zusammen und warf einen letzten, kühlen Blick in Richtung Serif, ehe sie die Augen schloss.
„Gute Nacht, Naruz. Ich werde dich Morgen wecken, dann können wir uns auf den Weg zur Höhle machen.“
„Gute Nacht, und noch einmal vielen dank dafür, dass du mir helfen willst.“ antwortete Naruz mit einem müden, aber freundlichen Lächeln, ehe er die Augen schloss. Nach einer Weile klappten auch Aleyandras Augen zu und sie schlief ein, während sie über das nachdachte, was sie am heutigen Tag erlebt hatte.

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Naruz hingegen schlief nicht. Nach einer Weile, als er sich sicher war, dass das weißhaarige Mädchen schlief, öffnete er seine Augen wieder, stand auf und kletterte auf den Felsen, an den er sich eben noch gelehnt hatte, ehe er einen müden Blick zum weit entfernten Lager der Piraten warf, wo vereinzelte Lagerfeuer brannten.
„Weißt du, dass ist ziemlich ungesund, du solltest hin und wieder ein wenig schlafen.“ meinte Serif, der auf dem Rücken durch die Luft schwebte, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, und direkt vor Naruz anhielt. „In den letzten vier Tagen hast du nur ein paar Stunden geschlafen, wie lange willst du es eigentlich noch aufschieben?“
„Solange es geht. Ich will nicht eins Tages als Dämon aufwachen.“
„Ich habe dir schon tausendmal erklärt, so einfach passiert das nicht, es wird Anzeichen geben, Symptome wenn du es so willst, ehe du dich in so ein Monster verwandelst.“ Naruz seufzte, er kannte Serif erst seit ein paar Tagen, aber am Tonfall des Eidolons merkte er, dass Serif wusste, dass es noch etwas anderes gab, was Naruz am schlafen hinderte.
„Ich weiß, ich weiß. Allerdings habe ich noch immer diese Träume... ich habe dir schon einmal davon erzählt, oder?“
„Du meinst die, in denen du einem mächtigen Gegner gegenüberstehst und getötet wirst?“
„Genau die, es sind keine schönen Träume, auf die Angst und Schmerzen, die ich in ihnen spüre kann ich getrost verzichten.“
„Und du meinst, es wird besser, wenn du dich weigerst zu schlafen?“
„Es kann zumindest nicht schlimmer werden, so bleiben die Träume zwar, aber ich habe sie nicht so oft. Bist du dir sicher, dass du nichts mit ihnen zu tun hast?“ Diese Frage hatte Naruz seinem Eidolon bestimmt schon ein Dutzend mal gestellt und jedes mal hatte Serif ruhig, die selbe Antwort geliefert. Er merkte, wie sehr sein Partner unter diesen Träumen litt, da brauchte er es nicht auch noch schlimmer machen, indem er ungeduldig mit ihm wurde.
„Ja, ich verursache ganz bestimmt keine Albträume, vor dir hatte ich schon ein paar andere Partner, musst du wissen. Und keiner von ihnen litt unter solchen Träumen, ich weiß auch nicht, woran es liegen könnte, vielleicht bist du ja verflucht.“
„Meinst du wirklich? Ich bezweifle es, wer sollte mich denn verflucht haben?“
„Ein Dämon, oder eine Hexe, beides wäre eine Möglichkeit und nicht allzu weit hergeholt. Vielleicht solltest du nach Vo Astur gehen, um dort jemanden um Rat zu fragen.“ Naruz schnitt eine Grimasse, als er Serifs Vorschlag hörte. Vo Astur war eine große Stadt, weit im Norden des Reichs und galt als Hauptstadt der Hexer. Dort befand sich der Sitz des Grauen Rats und Beschwörer, Hexen und Hexenmeister aus dem gesamten Reich fanden sich dort ein, um unter ihresgleichen zu leben und zu studieren. Andere Menschen sah man dort jedoch nicht oft, besser gesagt nie. Denn gewöhnliche Menschen begegneten Hexen und Hexenmeistern meist mit einigem Misstrauen, außerdem konnte man in Vo Astur frei herumlaufenden Dämonen begegnen, die zwar unter der Kontrolle der Hexer standen, aber trotzdem nicht gerade dazu einluden in der Stadt zu verweilen.
„Weißt du eigentlich, wie weit es bis dahin ist? Nein, ich versuche mein Glück erst mit der Truhe.“
„Ich dachte die Truhe sei dafür da, dich von mir zu trennen?“ fragte Serif erstaunt, woraufhin Naruz mit den Schultern zuckte.
„Wenn die Truhe es schafft ein Eidolon von seinem Botschafter zu lösen, kann sie vielleicht etwas gegen Albträume ausrichten, meinst du nicht auch?“ Serif zeigte ein breites Grinsen, als er dies hörte.
„Du denkst ja doch mehr nach, als ich erwartet hatte. Ich dachte ja, dein Kopf wäre nur dazu da um hübschen Frauen hinterher zu starren.“
„Ach, sei still.“ meinte Naruz, nahm seinen Worten jedoch mit einem Lächeln die Schärfe. „Ich denke, du hast recht. Vielleicht sollte ich wirklich versuchen, ein wenig zu schlafen.“ meinte er schließlich, kletterte vom Felsen und deckte sich wieder zu. Als er einen kurzen Blick zur schlafenden Aleyandra warf, merkte er, dass Alessa ihn anstarrte. Anscheinend hatte das Einhorn nicht geschlafen, sondern war wach gewesen und hatte das Gespräch zwischen ihm und Serif mitgehört. Ohne ein Wort zu sagen zog das Einhorn wieder seinen Kopf ein und schloss die Augen. Naruz warf einen fragenden Blick zu Serif, der nur mit den Schultern zuckte, woraufhin Naruz beschloss, sich nicht um Alessa zu kümmern. Kurze Zeit später war er eingeschlafen und blieb dieses mal, auf wundersame Weise, von bösen Träumen verschont.

„Willie hatte geschrien wie ein kleiner Junge, als er Serif zum ersten mal gesehen hatte.“ Der nächste Tag war bereits weit vorangeschritten und Naruz und Aleyandra waren bereits eine ganze Weile unterwegs. Das Mädchen hatte Naruz, wie versprochen, aufgeweckt und war sogleich mit ihm zum Strand geflogen, ehe die beiden in die Stadt gegangen waren und dort gefrühstückt hatten. Sofort danach hatten sie sich auch in Richtung Höhle aufgemacht, um die Pflanzen für die Bürgermeisterin zu besorgen. Auf dem Weg unterhielten die beiden sich, vor allem Naruz erzählte viel von seiner Vergangenheit. Aleyandra schien eine wahre Frohnatur zu sein, ganz im Gegensatz zu ihrem Eidolon. Denn während sie fröhlich lächelte und mit Naruz über diverse, belanglose Dinge plauderte, stolzierte Alessa missmutig hinter den beiden her und wechselte mit niemandem ein Wort, selbst nicht mit Serif, der hin und wieder versuchte das Einhorn in ein Gespräch zu verwickeln. Auf einer Wiese, nahe eines kleinen Sees, hatten sie auch ein kleines Lager errichtet, für den Fall dass sie es nicht mehr schaffen würden, am heutigen Tage nach Helonia zurückzukehren.
„Ah, siehst du die Brücke da vorne?“ meinte Aleyandra plötzlich und deutete geradeaus. Tatsächlich war dort eine kleine Brücke, die über eine Art Bach zu führen schien.
„Ja, was ist damit?“
„Sobald wir sie überquert haben, sind wir so gut wie da.“
„Was hat es mit dieser Höhle eigentlich auf sich? Ist an ihr irgendwas besonderes? Also abgesehen davon, dass dort diese seltenen Pflanzen wachsen.“

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„Früher war es mal eine Schmugglerhöhle, vor vielen, vielen Jahren. Jetzt ist sie jedoch verlassen und wird nicht mehr genutzt, nur hin und wieder kommt jemand hier her, um ein paar der Pflanzen zu pflücken, manchmal wird sie vielleicht noch als Unterschlupf genutzt, von wilden Tieren, oder von Reisenden, die vor Unwetter Schutz suchen, aber ansonsten...“ sie erstarrte mitten im Satz und blieb unbeweglich stehen. Naruz musste gar nicht erst fragen, was wohl los war, denn auch er spürte es, ganz im Gegensatz zu den beiden Eidolons, wie es schien.
„Naruz? Ist alles in Ordnung?“ fragte Serif verwirrt, während Alessa besorgt an Aleyandras Seite galoppierte.
„Stimmt etwas nicht, Aleyandra? Geht es dir nicht gut? Was ist los, hast du etwas gesehen?“
„Spürst du das auch?“ fragte das Mädchen an Naruz gewandt, und ignorierte sowohl Serif als auch Alessa.
„Ja, Serif, merkst du gar nichts?“
„Nein, was sollte ich denn merken?“
„Es ist eine Art... ich würde es Präsenz nennen, etwas liegt in der Luft, etwas... kaltes, bösartiges.“ erklärte Naruz und Aleyandra nickte zustimmend.
„Ich habe so etwas noch nie zuvor gespürt.“ fügte sie hinzu und sah sich nervös um, während sie ihre Pistolen zog.
„Ich auch nicht, zumindest nicht direkt, es erinnert mich aber ein wenig an... an damals, als ich Brian gegenüberstand, oder dem, was aus ihm geworden war.“
„Ein Dämon? Du meinst ein Dämon ist hier in der Nähe?“ fragte Serif und war schlagartig vollkommen ernst während Alessa erschreckt quietschte und nervös nach links und rechts blickte.
„Vielleicht nicht, aber irgendetwas ist hier... und es kommt von der anderen Seite der Brücke.“
„Ich habe ein mieses Gefühl bei der Sache.“ meinte Aleyandra und warf Naruz einen kurzen Blick zu. „Was willst du machen?“ Naruz atmete tief durch, ehe er seine beiden Schwerter zog und antwortete.
„Ich werde mir die Sache mal angucken, vielleicht ist es ja gar nichts und wir machen uns umsonst Sorgen.“ Aleyandra nickte zögernd.
„Gut, ich werde mitkommen.“
„Was? Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Aleyandra?“ fragte Alessa nervös.
„Natürlich, wir können doch nicht Naruz und Serif alleine gehen lassen! Du bist ein edles, nobles Einhorn, du wirst dich doch wohl nicht vor Angst verkriechen, oder?“
„N-natürlich nicht, wer sagt denn, d-dass ich Angst habe? Ich komme mit, das ist gar kein Problem für mich!“ verkündete das Einhorn, wenig überzeugend, was jedoch genug für Aleyandra war. Sie mochte das Einhorn nicht unbedingt, aber sie begann zu verstehen, wie sie mit ihm fertig werden konnte.
„Na dann los.“ meinte Naruz und überquerte die Brücke, dicht gefolgt von Aleyandra. Auf der anderen Seite ging der Weg einen kleinen Hügel hinauf und links des Pfads, befand sich ein Loch in einer nahen Felswand.
„Aleyandra?“
„Ja?“
„Ist das die Höhle mit den Heilpflanzen?“
„Ich fürchte ja.“
„Warum? Was ist mit der Höhle?“ fragte Serif, ehe ihm ein Licht aufging. „Moment, diese Präsenz, die ihr zwei spürt...“
„Kommt direkt von hier.“ bestätigte Aleyandra, mit einem Nicken. Ehe irgendjemand etwas sagen konnte, hörten sie einen panischen Schrei, der ohne Zweifel, direkt aus der Höhle vor ihnen stammte. Ein ziemlich menschlicher Schrei.
„Verdammt!“ fluchte Naruz, ehe er direkt hinein rannte, mit Serif direkt hinter sich.
„Naruz? Warte!“ meinte Aleyandra und warf einen Blick zu Alessa, die ängstlich hinter ihr stand und nervöse Blicke zum Höhleneingang warf. „Komm schon! Worauf wartest du?“ fuhr Aleyandra ihr Eidolon an.
„Aber...“ begann Alessa, bekam jedoch keine Zeit zum ausreden, da Aleyandra schon Naruz hinterhergerannt war. „Oh, na schön!“ meinte sie, ehe sie, so schnell es ging, hinter Aleyandra her galoppierte.

„Da bist du ja, hättest du nicht auf mich warten können?“ fragte Aleyandra, als sie Naruz fand, der mitten im langen Gang, im Inneren der Höhle stand, an einer Stelle, an der er eine scharfe Biegung nach links machte, und wahrscheinlich in ein weit größeres Gewölbe führte. Als Naruz nicht auf sie reagierte, ging sie zu ihm, bog um die Ecke... und erstarrte. Vor ihnen lag ein halbes Dutzend Männer, ihrer Ausrüstung nach zu urteilen Piraten. Besonders lebendig waren diese jedoch nicht mehr. Aus ihren, vor Schreck aufgerissenen Mündern und Augen, liefen wahre Ströme an Blut, so dass die Leichen bereits in einer kleinen Pfütze davon lagen. „Was ist hier passiert?“ fragte Aleyandra, als sie ihre Sprache wiederfand.
„Aleyandra! Wie konntest du mich einfach... bei Gaia! Was ist hier los?!“ kreischte Alessa, als sie zu den anderen aufschloss und riss Naruz damit aus seinen Gedanken.
„Ich weiß nicht, was hier los ist, aber ich will es herausfinden. Ich bin mir sicher, wenn wir ein wenig weiter hineingehen, werden wir es herausfinden.“ Seine Stimme war vollkommen ruhig und tonlos, was Aleyandra ziemlich überraschte, so hatte sie ihn noch nie gehört, er klang vollkommen anders, als noch vor ein paar Minuten. Ehe sie etwas sagen konnte, rannte Naruz auch schon weiter, dieses mal zögerte Aleyandra jedoch nicht, sondern heftete sich direkt an seine Fersen.
„Naruz? Ist dies das Werk eines Dämons?“ fragte sie ihn, nachdem sie eine Weile gerannt waren. Immerhin hatte er ja schon einmal gegen so ein Vieh gekämpft, behauptete er zumindest, also würde er es ja wissen müssen.
„Ich bin mir nicht sicher, der Dämon gegen den ich gekämpft habe, hatte sich mehr auf physische Angriffe verlassen, und hat hin und wieder eine Art schwarzes Feuer gespuckt, aber so etwas sehe ich zum ersten mal.“ Also hatte auch Naruz keine Ahnung, was Aleyandra ein wenig beunruhigte. Sie mochte es überhaupt nicht, gegen etwas kämpfen zu müssen, dass sie nicht kannte. Als der Gang schließlich eine weitere Biegung machte und in einer wahrhaft riesigen Höhle endete, verlangsamten die beiden ihre Schritte. Überall in der Höhle wuchsen seltsame, purpurne Pflanzen, mit sternenförmigen Blüten. Vermutlich handelte es sich dabei um die Heilpflanzen, an denen die Piraten interessiert waren, vielleicht waren die toten Männer vom Eingang auch deswegen hier gewesen. Außerdem befanden sich hier überall riesige Spinnenweben und etwas, dass stark an Eier erinnerte. All dies interessierte Naruz momentan freilich wenig, sein Blick wurde von etwas gefesselt, dass sich inmitten der Höhle befand. Dort stand eine junge Frau mit kurzen Haaren, welche wie die von Aleyandra weiß glänzten und violetten Augen. Gekleidet war sie in ein rotes Kleid, welches man vielleicht auch als eine Art Robe bezeichnen konnte und in ihrer Hand ruhte ein blaues Buch. Irgendwie kam sie Naruz bekannt vor, er wusste nur nicht woher, aber das war momentan auch egal. Direkt vor der Fremden stand eine riesige, schwarze Spinne, welche sowohl das Mädchen, als auch Naruz, wohl um mehr als einen Kopf überragte. Die gigantischen Kiefer der Kreatur klackten aufgeregt auf und zu, und ein seltsames Zischen drang aus dem Maul des Wesens, welches nervös, auf seinen übergroßen Beinen, hin und her tänzelte.

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„Das ist unmöglich.“ murmelte Aleyandra, während sie mit ihren Pistolen auf das Monster und die Fremde zielte.
„Was genau meinst du?“ fragte Naruz flüsternd. Noch schienen weder die Spinne, noch das Mädchen auf sie aufmerksam geworden zu sein.
„In Helonia gibt es eine alte Legende, von etwas, dass 'die Schattenmutter' genannt wird. Bei ihr handelt es sich um eine große, schwarze Spinne, die in den nahen Bergen leben soll und schon so einige, unvorsichtige Wanderer gefressen hat. Aber es ist nur eine Legende, es gibt sie nicht wirklich, schon gar nicht hier, in einer alten Schmugglerhöhle!“
„Korrekt.“ Aleyandra und Naruz zuckten gleichzeitig zusammen, als sie die kalte, emotionslose Stimme der Fremden hörte, die ihren Blick nun zu ihnen wandte.
„Wie hat sie uns gehört?“ fragte Naruz flüsternd, erhielt jedoch keine Antwort.
„Die Schattenmutter ist nur eine Legende, sie existiert nicht... zumindest tat sie es bislang nicht.“ meinte die Fremde, ehe sie sich wieder zur Spinne umdrehte.
„Was? Wer seid Ihr? Habt Ihr etwas mit dieser Kreatur zu tun?“ fragte Naruz, und hielt auf die Fremde zu, Aleyandra folgte ihm vorsichtig, während sie weiterhin ihre Waffen auf die Fremde gerichtet hielt.
„Korrekt.“ lautete die Antwort. Ehe irgendjemand reagieren konnte, erschien ein Buch, wie aus dem Nichts, direkt hinter dem Rücken der Fremden. Dieses Buch schien einen Umschlag zu haben, der vollständig aus Rinde und Blättern zu bestehen schien. Das Buch schlug sich auf und blätterte alleine durch die Seiten, ehe es an einer Stelle stehen blieb und kurz, grün aufleuchtete, als die Fremde ihre Hand in Richtung Naruz und Aleyandra streckte. Blitzschnell schossen Wurzeln und Ranken aus dem Boden, die sich um die Arme und Beine der beiden klammerten und sie dazu brachten, ihre Waffen fallenzulassen.
„Nein!“ entfuhr es Serif, ehe irgendjemand anderes etwas sagen konnte und Naruz warf seinem Eidolon einen verwirrten Blick zu. Zum ersten mal, seit er Serif getroffen hatte, wirkte dieser schockiert, er starrte einfach nur auf das Buch, welches dort vor ihm in der Luft schwebte. „Woher hast du das? Es sollte in Navea sein, in der Tempelbibliothek!“ Erneut wandte die Fremde ihren Blick zur kleinen Gruppe, dieses mal blieb er an Serif haften.
„Oh... Eidolon Serif. Dann ist dies... zu früh, viel zu früh.“ murmelte sie vor sich hin. „Ihr seid wegen der Pflanzen hier?“ fragte sie und deutete auf die nahen Blumen.
„Ursprünglich ja, aber...“ Naruz brach ab, als das Buch erneut ein paar Seiten umblätterte, wieder aufleuchtete und auf einmal ein Haufen der Heilpflanzen direkt vor der Fremden aus dem Boden wuchsen. Sie pflückte die Pflanzen, kehrte der Spinne den Rücken zu und ging gemächlich zu Naruz und Aleyandra hinüber, während die riesige Kreatur weiterhin nervös auf der Stelle stand. Ohne ein Wort drückte sie Naruz das Bündel mit Blumen in die Hand, ehe sie wieder zurück zur Spinne ging.
„Nehmt sie, es werden vorerst die letzten sein, die ihr hier kriegen könnt.“
„Was meint Ihr damit?“ fragte Naruz verwirrt, während die Ranken sich lösten und ihn und Aleyandra freigaben, die sofort ihre Waffen aufhoben und sie wieder auf die Fremde richteten.
„Ich werde diese Höhle säubern müssen... ihr solltet verschwinden.“ Kaum hatte sie dies gesagt, verschwand das Buch und wurde durch ein anderes ersetzt, mit rotem Ledereinband. Während dieses Buch sich ebenfalls wie von selbst durchblätterte, schlug die Fremde selber eine Seite in dem Buch auf, dass sie in ihrer Hand hielt. Kurz darauf zuckten drei violette Blitze von der Höhlendecke hinab und durchbohrten die Spinne, woraufhin diese gequält aufschrie und schwarzes Blut aus ihrem Körper spritzte. Zur gleichen Zeit gab es ein rotes Leuchten, und plötzlich brannten sämtliche Pflanzen, in der Höhle.
„Wir sollten von hier verschwinden, Partner.“ meinte Serif drängend. „Dies ist kein gewöhnliches Feuer, ich würde mich nicht darauf verlassen, dass es sich von Stein aufhalten lässt.“
„Aber was ist mit...“ begann Naruz, verstummte jedoch. Die Fremde war verschwunden, nichts deutete darauf hin, dass sie überhaupt da gewesen war. Ehe er etwas sagen konnte packte Aleyandra ihn am Arm und zog ihn hinter sich her.
„Wir sollten auf Serif hören, lass uns von hier verschwinden.“ Letztendlich nickte Naruz und setzte sich in Bewegung. So schnell sie konnten rannte die Gruppe davon und hielt erst an, als sie die Höhle verlassen und die kleine Brücke überquert hatten. Keuchend versuchten sie wieder zu Atem zu kommen und nach einer Weile war es Naruz, der das Wort erhob.
„Serif, wer war das? Und vor allem, was war sie? Du scheinst ja dieses eine Buch erkannt zu haben.“ Das Eidolon seufzte.
„Ich werde es euch sagen, aber nicht hier, lasst uns erst zum Lager zurückkehren.

Als sie ihr kleines Lager am See erreichten, begann es bereits dunkel zu werden, weshalb Naruz zuerst Holz sammelte und ein Lagerfeuer entfachte, ehe sich alle vier, in Decken gehüllt darum niederließen, selbst Serif und Alessa hatten kleine Decken bekommen. Während in einem Topf über dem Feuer eine Suppe vor sich hin kochte, wanderten die neugierigen Blicke von Naruz, Aleyandra und sogar der Alessas, zu Serif.
„Also, was ist jetzt mit dieser Fremden?“ fragte Aleyandra schließlich, als Naruz' Eidolon noch immer keine Anstalten machte, irgendwas zu sagen. Dieser seufzte, begann dann jedoch mit seiner Erklärung.
„Sie war eine Hexe... also eine richtige Hexe, nicht wie diese Elena, die wir in Skandia getroffen haben.“ meinte er, an Naruz gewandt. „Hexen haben nur eine schwache, magische Begabung, weshalb ihre Zauber nicht wirklich stark sind, normalerweise. Jedoch haben sie mit der Zeit eine Möglichkeit gefunden, diese Schwäche zu umgehen, indem sie Bücher benutzen, besser gesagt, Grimoire. Ein Grimoire ist ursprünglich ein einfaches Buch gewesen, dass im Laufe der Zeit jedoch viel magische Energie angesammelt hat, wodurch es schlussendlich zum Heim eines Geistes, oder eines Dämons wurde, Grimoire sind also praktisch nichts anderes, als besessene Bücher. Eine Hexe, oder ein Hexenmeister, braucht viel magisches Talent und einen starken Willen um ein Grimoire unter ihre, oder seine Kontrolle zu bringen. Sobald sie ein Grimoire kontrollieren, können sie ihre Magie in die Seiten des Buches schicken, welches dann die gewünschten Zauber für sie wirkt. Welche Zauber dies sind, kommt ganz auf den Grimoire an, der dafür genutzt wird. Übrigens ist es eine Art Statussymbol in Vo Astur, so viele Grimoire wie möglich zu beherrschen, denn je mehr man kontrolliert, desto mächtiger ist man.“ Naruz warf einen Blick zu Aleyandra und an ihrem überraschten Blick konnte er erkennen, dass dies auch für sie vollkommen neu war.
„Und woher kanntest du diesen... Grimoire, den sie benutzt hatte?“ fragte Naruz neugierig.
„Nun, wir Eidolons leben sehr, sehr, seeeeeehr lange und viele von uns haben in ihrem Leben mehr als nur einen Partner. Vor langer Zeit war ich mit einer Botschafterin Gaias unterwegs, sie hieß Freyja und war schon immer sehr naturverbunden gewesen. Im Laufe ihres Lebens schrieb sie ein Buch, in welches sie ihr gesamtes Wissen über Pflanzen, Bäume und die Natur an sich steckte. Da sie eine Botschafterin Gaias war, hatte das Buch im Laufe der Zeit sehr viel Magie in sich aufgesogen und nach ihrem Tod flüchtete sich Freyjas Geist in ihr Werk und machte es zu einem Grimoire, zum 897. Grimoire der verbotenen Sammlung, 'Die Geheimnisse des Waldes'. Wie ich bereits sagte, sollte er sich eigentlich in der Tempelbibliothek in Navea befinden, ich habe keine Ahnung, wie die Hexe an ihn gelangt ist.“ Nach Serifs Erklärung kehrte ein Schweigen ein, welches sich für den restlichen Abend nicht mehr wirklich auflockern sollte. Gemeinsam aßen sie die Suppe, sobald diese fertig war, ehe sich alle hinlegten. Selbst Naruz versuchte dieses mal nicht, wach zu bleiben und schlief sofort ein, was er jedoch schon bald bereuen sollte.

Dieses mal gab es eine Variation in seinem Traum, so hatte er diesen noch nie zuvor gesehen. Er kniete dieses mal nicht neben der Leiche eines Mannes, sondern neben einer Frau in der Rüstung der Hochtempler. Die Frau hatte rote Haare und sah ihn aus großen, hoffnungsvollen Augen an, während ihr Blut aus dem Mundwinkel lief, trotzdem schaffte sie es zu lächeln und ihre rechte Hand lag auf der Schulter von Naruz' unbeweglichem Körper.
„Es war eine Ehre, an Eurer Seite gekämpft zu haben, Botschafter.“ murmelte die Frau mit schwacher Stimme. „Zu schade, dass ich es nicht bis zum Ende mit Euch durchstehen kann.“
„Es ist alles in Ordnung, Anya, mache dir keine Sorgen.“ antwortete Naruz, mit einer sanften, warmen Stimme. „Du hast deine Arbeit gut gemacht und uns bis hierhin gebracht, du hast dir eine Pause verdient. Schließe die Augen und sobald du sie wieder öffnest, wird alles vorbei sein.“
„Hat man Euch schon einmal gesagt, dass Ihr ein schlechter Lügner seid?“ fragte die Frau, mit einem schwachen Lächeln im Gesicht.
„Nicht wirklich, eigentlich hieß es bislang immer, dass ich ein ziemlich guter Lügner bin.“
„Wisst Ihr noch, als wir uns zum ersten mal getroffen haben? Ich... hatte mich nie bei Serif... entschuldigt...“ meinte die Templerin, während sie die Augen schloss und ihre Stimme immer schwächer wurde. „Bitte sagt ihm... dass es mir... leid...“ ihre Stimme erstarb, und ihre erschlaffte Hand fiel von Naruz' Schulter. Er schloss die Augen und als er die Augen wieder öffnete merkte Naruz, dass seiner Traumversion tatsächlich eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel rollte. Anscheinend hatte ihn der Tod der Templerin ziemlich getroffen, denn er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte mal geweint hatte, vermutlich beim Tod seiner Eltern, aber seither nicht mehr.
„Es ist Zeit, diese Farce zu beenden.“ erklang da plötzlich die vertraute Stimme des Schattenritters und Naruz richtete sich auf, um ihm gegenüberzutreten. Der Rest des Traumes verlief wie üblich, es gelang Traumnaruz und seinem Eidolon Reinhardt zu besiegen, nur um festzustellen, dass es sich um eine Illusion handelte, ehe er selbst einen langsamen, feurigen Tod starb.

Schweißüberströmt richtete Naruz sich auf und sah sich gehetzt um, ehe er sich erinnerte, wo er war. Er richtete sich vollständig auf, ehe er merkte, dass es noch ziemlich früh zu sein schien. Aleyandra schlief noch immer, mit Alessa an ihrer Seite, lediglich Serif war wach und sah in besorgt an.
„Du hattest wieder diesen Traum, oder Partner?“ Naruz nickte.
„Sollen wir Aleyandra aufwecken und nach Helonia gehen? Je schneller du die Truhe kriegst, desto besser würde ich sagen.“
„So wild darauf, von mir loszukommen?“ meinte Naruz, mit einem schwachen Lächeln, dass die Angst vertreiben sollte, die er nach dem Traum noch immer verspürte.
„Natürlich nicht, ich mag dich, du bist ein guter Kumpel. Aber wenn es dir helfen kann die Träume...“
„Schon gut, Serif, es war nur ein Scherz.“ meinte Naruz, und hob entschuldigend seine Hände. „Aber nein, wecke sie nicht auf, lass sie ruhig noch ein wenig schlafen.“ Während er dies sagte, wühlte er in seinem Rucksack herum und holte einige neue Sachen zum anziehen hervor. Dann wandte er sich um und ging in Richtung See davon.
„Warte, ich komme mit.“
„Nein, bleib am besten hier.“ sagte Naruz, ehe sein Eidolon ihm folgen konnte. „Ich werde mich nur kurz waschen... bleib du im Lager und sag Aleyandra wo ich bin, falls sie aufwacht.“
„Gut, wird gemacht.“ Naruz nickte dem Eidolon dankbar zu, und ging dann zum See um zu baden und über diese neue Version seines Traums nachzudenken.

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Dies ist übrigens mein Eidolon, Serif. Eigentlich sollte sein Bild ja schon in meinem letzten Kapitel dabei sein, aber, ähm, Vani hatte mich gezwungen es rauszunehmen, ja, genau so war es!
Zuletzt geändert von Mimir am 21. Juni 2014 13:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Kawaii Kingdom (Aura Kingdom AAR mit Vanidar)
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Die Goldene Faust, Thera AAR
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 16. Mai 2014 11:27

6. Ein falscher Schatz und echte Liebe (Öffnen)
6. Ein falscher Schatz und echte Liebe


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Vorsichtig schlich Aleyandra durch das Unterholz und versuchte keine lauten Geräusche zu verursachen, die ihre Anwesenheit verraten könnten. Sie kannte die Wälder um Helonia, immerhin ging sie hier oft auf die Jagd, aber heute, folgte sie einer etwas anderen Beute. Naruz. Er befand sich an einem kleinen See, direkt am Rand des kleinen Wäldchens und wusste nicht, dass sie ihn beobachtete. Sobald Aleyandra aufwachte, hatte sie sich bei Serif erkundigt wo ihr neuer Begleiter abgeblieben war und sie konnte einfach nicht widerstehen. Aus sicherer Entfernung, sah sie zu, wie er versuchte sich dazu zu überwinden in das eiskalte Wasser zu steigen, bisher mit mäßigem Erfolg. Naruz stand mit freiem Oberkörper am Rand des Sees und betrachtete das ruhige Gewässer misstrauisch.
„Wen haben wir denn da?“ erklang hinter ihr eine belustigte Stimme, als sie gerade den Mut aufbringen wollte, um näher heranzugehen und einen guten Blick auf ihn zu haben, sobald er sich endlich dazu durchringen konnte ins Wasser zu steigen. Erschrocken fuhr Aleyandra herum und musste sich zusammenreißen, um vor Schreck keinen verräterischen Laut von sich zu geben. Direkt vor ihrer Nase schwebte Serif in der Luft und grinste sie belustigt an. Bis eben hatte sie Naruz Eidolon wirklich gemocht, aber dieser Überfall, während sie harmlos spazieren ging, war zu viel. Andererseits, war dieser Serif trotzdem noch immer besser als Alessa, was auch nicht wirklich schwer war. „Gut geschlafen?“
„Ja.“ antwortete Aleyandra perplex und zu überrascht von seinem plötzlichen Auftauchen, um sich eine bessere Entgegnung auszudenken. Sie hatte das Eidolon nicht gehört, es war einfach wie aus dem Nichts aufgetaucht „Was ähm...was genau tust du hier? Solltest du nicht mit Alessa im Lager bleiben und auf unsere Sachen aufpassen?“
„Nichts gegen dich als Botschafterin Gaias aber...dein Eidolon geht mir gewaltig auf den Geist. Bin nie wirklich gut mit Alessa zurecht gekommen. Sie ist ein wenig eingebildet und plappert die ganze Zeit vor sich hin, ohne Unterbrechung. Ich musste da raus, ansonsten wären wir uns an die Gurgel gegangen.“
„V-verstehe. Dann willst du jetzt sicher zu Naruz.“
„Oh ja, ich kann es außerdem kaum erwarten, dass wir wieder Aufbrechen. Wird sicher toll, diese ganze Sache mit der Truhe, dem Trennen der Verbindung, unendlicher Schmerz, Tod, Vernichtung, Wiedergeburt, warten auf einen neuen Partner...yeah. Ich kann es kaum erwarten.“ antwortete Serif erstaunlich deprimiert. Bisher hatte sie ihn nicht so erlebt, aber es schien ihm nicht zu gefallen seinen Partner bald zu verlieren. Ob es für Alessa genauso schlimm war?
„Ist es wirklich so schmerzhaft für ein Eidolon, wenn die Verbindung getrennt wird und man seinen Begleiter verliert?“ fragte sie besorgt nach. Sie mochte Alessa nicht und konnte ihre Gegenwart kaum ertragen, aber vielleicht war es doch etwas drastisch die Verbindung einfach zu trennen. Gaia hatte sich sicher etwas dabei gedacht ihr dieses Eidolon zur Seite zu stellen und es war nicht klug den Zorn der Göttin auf sich zu ziehen.
„Vielleicht habe ich ein bisschen übertrieben, aber es ist trotzdem kein angenehmes Gefühl.“
„Gut, ich habe mir schon für einen Moment Sorgen gemacht.“ Aleyandra scharrte unruhig mit den Füßen im Waldboden, während sie einen nervösen Blick in Richtung Naruz warf, der zwischen den Bäumen in der Ferne kaum zu erkennen war. „Du wirst Naruz doch nichts hiervon verraten, oder?“
„Würde mir nicht einmal im Traum einfallen.“ doch bevor Aleyandra bei diesen Worten erleichtert aufatmen konnte, fügte er mit verschwörerischer Stimme noch etwas hinzu „Aber...“
„Aber was?“ zischte sie ungehalten und bereute ihre gereizte Stimmung sofort wieder. Es war einfach zu früh für irgendwelche Spielchen. Wenn Naruz davon erfuhr, würde sie ihn verschrecken und das wollte sie nicht riskieren. Sie würden immerhin noch eine ganze Weile miteinander reisen, falls alles gut ging.
„Nun, ich bin dazu verpflichtet, meinem Partner die Wahrheit zu sagen, aber solange er mich nicht direkt danach fragt, ob du versucht hast zu spannen, muss ich ihm auch nicht antworten. Wie wäre es daher mit einem kleinen Anreiz? Eine kleine Belohnung, dafür, dass ich den Mund halte.“
„Und was genau willst du?“
„Wie wäre es mit einem Kuss?“ Aleyandra starrte ihn verwirrt an und Serif freute sich innerlich über das, was er für einen gelungenen Scherz hielt. Natürlich würde er Naruz nichts davon erzählen. Der Holzkopf würde es sowieso uninteressant finden. Plötzlich beugte sie sich zu ihm vor und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange, was den überraschten Serif zu seiner eigenen Verwirrung rot anlaufen ließ. Mit einem kurzen Zwinkern, drehte Aleyandra sich um und machte sich auf den Weg zurück zum Lager, bevor Naruz zurückkehrte und ihr Fehlen bemerkte. „Leg ein gutes Wort bei Naruz für mich ein, ja?“
Kurze Zeit später, packten sie ihre wenigen Sachen zusammen und brachen das Nachtlager ab. Zurück in Helonia, lieferten sie die Heilpflanzen bei der Bürgermeisterin ab, die sich zumindest bei Naruz überschwänglich bedankte. Aleyandra´s Anwesenheit, wurde vorerst weiterhin ignoriert. Es folgte ein recht langweiliges Gespräch zwischen Naruz und Madeline, bei dem nicht wirklich viel herauskam. Am Ende der Unterhaltung, und nach viel zu vielen sinnlosen Wörtern, wussten sie immerhin, dass der Alchemist in die Stadt zurückgekehrt war. Die Bürgermeisterin hatte ihm einen Boten geschickt, während er nördlich der Stadt einige Golems untersuchen wollte. Noch am selben Tag, befanden sie sich unterwegs nach Nordwesten, um einige Materialien für den Alchemisten zu besorgen. Er brauchte für Aleyandras Geschmack viel zu viel unnötigen Kram und das verkomplizierte ihren ganzen Plan nur noch mehr. Am liebsten, wäre sie einfach in das Lager der Piraten geflogen und hätte den Kapitän zu einem Duell herausgefordert. Das wäre viel einfacher gewesen. Ein einfacher Plan, war fast immer bedeutend besser. Es ging schneller und es konnte weniger schiefgehen. Mit einem simplen Plan, würde sie schon längst die Truhe in der Hand halten und sich auf dem Weg nach Navea befinden. Bei dem Gedanken daran, fiel es ihr schwer, ein genervtes Seufzen zu unterdrücken. Alessa trottete schweigend neben ihr her und spielte die Beleidigte. Es gefiel dem Einhorn nicht, mit welchem Eifer Aleyandra daran arbeitete die Verbindung zwischen ihnen zu trennen und das ließ sie ihre Herrin auch deutlich spüren. Serif und Naruz dagegen, gingen ein Stück hinter den beiden und unterhielten sich zwanglos, was in Aleyandra fast schon so etwas wie Neid hervorrief. Warum hatte sie kein Eidolon das keine Zicke war? Mit einem resignierten Seufzer, erhöhte sie das Tempo, um endlich an ihrem Ziel anzukommen. Im Moment, befanden sie sich bereits weit nördlich von Helonia, auf einem schmalen Pfad, der von hüfthohem Gras gesäumt wurde. Irgendwo dort, in diesem Meer aus wogenden Halmen, mussten sie Dryaden aufspüren. Ihre Chancen eine dieser Kreaturen aufzuspüren, würden steigen, sobald sie sich dem Wald am Rand der Smaragdberge näherten. Dort lebten die meisten dieser kleinen, grünen Biester.
„Und, was hältst du bisher von unserer neuen Begleitung?“ fragte Serif beiläufig an Naruz gewandt und versuchte so unschuldig wie möglich zu klingen, während er neben ihm in der Luft schwebte.
„Weiß nicht genau. Sie benimmt sich seltsam mir gegenüber, denke ich zumindest.“ antwortete Naruz ehrlich. Aleyandra verwirrte ihn und zwar nicht unbedingt auf eine gute Art und Weise. „Ich glaube, sie will mehr von mir, als nur mit mir diese Truhe erarbeiten.“
„Wirklich? Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Serif musste sich ein lautes Lachen verkneifen. Sein Partner war anscheinend doch nicht ganz so langsam wie erwartete. Andererseits, gab Aleyandra sich nicht viel Mühe ihr Interesse zu verbergen.
„Egal. Selbst wenn ich mit dieser Vermutung recht habe, werde ich es überleben.“ das würde er ganz sicher. Bisher würde er nicht sagen, dass er in Aleyandra unbedingt die Frau fürs Leben oder seine große Liebe entdeckt hatte, aber er fand sie durchaus anziehend und ihm gefiel ihre Art. Sie nahm sich was sie wollte und schaffte es trotzdem zur gleichen Zeit so unschuldig und freundlich rüberzukommen. Zumindest wenn sie sich mit ihm unterhielt. Ihrem Eidolon dagegen, zeigte sie wenig von ihrer freundlichen Seite. „Findest du nicht auch, dass sie sich gegenüber Alessa unfair verhält? Die beiden reden kaum miteinander und wenn, dann keifen sie sich meistens nur an und streiten über unwichtige Dinge. Ich glaube, Aleyandra will diese Truhe viel mehr haben als ich und zwar nicht aus Angst davor ein Dämon zu werden. Wie würde es dir gefallen, wenn ich dich so behandeln würde?“
„Mhm, weiß nicht genau. Vermutlich, würde ich dich im nächsten Kampf sterben lassen.“ antwortete Serif wahrheitsgemäß, was Naruz kurz verdutzt gucken ließ, weil er es im ersten Augenblick für einen Scherz hielt. „Allerdings, wäre Ich liebend gerne ihr Eidolon, egal wie streng oder unfair sie zu mir sein würde. Ich denke, bei ihr könnte ich damit Leben.“
„Tatsächlich? Auch wenn sie dich anschreit und offen zeigt, wie sehr sie dich hasst und voller Eifer nach einem Weg sucht dich los zu werden?“
„Natürlich!“ rief Serif belustigt und setzte ein verträumtes Lächeln auf „Sie dürfte mich sogar bestrafen und ich würde mich darauf freuen.“
„Muss ich das verstehen? Wieso würdest du dir das von ihr gefallen lassen, aber mir dafür den Tod wünschen und versuchen mich umzubringen?“ fragte Naruz verwirrt, irgendetwas entging ihm gerade und zwar vermutlich etwas ziemlich offensichtliches.
„Nichts gegen dich, Partner, aber hast du gesehen wie sie aussieht?“
„Was meinst du damit? Soll das heißen du würdest dir von ihr alles gefallen lassen, nur weil sie hübsch ist?“
„Wie soll ich es dir am besten beibringen?“ begann Serif mit gespielt nachdenklicher Miene. „Sagen wir, du bist nicht wirklich mein Typ. Sie dagegen, muss man auch toll finden, wenn man kein Mensch ist. Diese langen silbernen Haare, die strahlenden Augen und sie ist fast so niedlich wie ich.“
„Du bist ein Eidolon! Ein magisches, mystisches Wesen. Du solltest über solchen Dingen stehen und schon gar nicht versuchen, dich an irgendein sterbliches, menschliches Mädchen ranzumachen.“
„Na und? Sieh mich an. Ich wurde immerhin nach dem Vorbild von euch Menschen erschaffen.“ erwiderte Serif, mit einem zufriedenen Lächeln. Die Suche nach den Materialien des Alchemisten war bisher so unendlich öde, er brauchte einfach etwas Ablenkung und Naruz schien sich was Aleyandra anging recht leicht an der Nase herumführen zu lassen. Er persönlich würde Merilee, ein anderes Eidolon, jederzeit Aleyandra vorziehen, aber ihm war langweilig genug, um Naruz etwas auf den Arm zu nehmen. „Und zwar mit allem, was dazu gehört.“
„Du bist verrückt. Und irgendwie lustig, aber nur, weil du vollkommen durchgeknallt bist.“
„Denkst du etwa sie mag mich nicht?“ fragte Serif beleidigt. Bis eben wollte er nur versuchen, die Langweile zu vertreiben, aber jetzt wurde es persönlich.
„Ich denke, dass dir gerade ziemlich langweilig sein muss, wenn du so viel Blödsinn von dir geben kannst. Lass uns einfach das Thema wechseln.“
„Ach, du glaubst mir also nicht? Dann pass jetzt lieber gut auf.“ damit schwebte Serif davon und ließ einen kopfschüttelnden Naruz zurück. Als das blonde Eidolon Aleyandra eingeholt hatte, flog es neben ihr her und ignorierte, genauso wie Aleyandra selbst, die missmutige Alessa. „Sind wir bald da?“
„Hör auf so dämliche Fragen zu stellen, Serif. Du störst.“ zischte Alessa ungehalten. Ihre Laune war auch ohne Serif schon schlecht genug. Es würde ihr erst wieder besser gehen, wenn sie gesehen hatte, was genau sich in der Truhe befand und ob es überhaupt funktionierte.
„Warum so schlecht drauf, Alessa? Ich verstehe nicht, wie jemand mit so einem wundervoll reinen Fell und einem strahlenden Horn, so deprimiert sein kann. Sie ist toll, nicht wahr, Aleyandra?“
„Ehrlich gesagt, finde ich dich viel niedlicher.“ sein Anblick zauberte plötzlich ein strahlendes Lächeln auf Aleyandras Gesicht und sie nahm ihn kurz in den Arm, vermutlich um ihn zu erwürgen, denn Serif bekam keine Luft mehr und hätte sie ihn nicht von alleine wieder freigegeben, wäre er erstickt. „Wenn du mein Eidolon wärst, würde ich dich in richtig süße Kleider stecken, das würde dir fantastisch stehen und dich noch niedlicher werden lassen. Ich könnte dir auch die Haare machen, du würdest aussehen wie eine kleine Elfenprinzessin, Serif. Aber leider, habe ich nur diesen Gaul da.“
„Ich bin kein Gaul! Ich bin ein Einhorn! Und ein Eidolon! Du solltest...“ begann Alessa aufgebracht, allerdings ohne weit zu kommen.
„So geht das schon den ganzen Tag.“ unterbrach sie Aleyandra genervt „Sie muss sich einfach immer in alles einmischen, selbst in unser Gespräch. Sie ist furchtbar und...“
„Naja, euch beiden noch viel Spaß. Ich ähm, muss sehr sehr dringend zurück zu meinem Partner.“ entschuldigte Serif sich hastig, bevor er noch zwischen die verhärteten Fronten geraten konnte. Die beiden kamen wirklich nicht gut miteinander aus, aber das würde sich im Laufe der Zeit schon legen, hoffentlich. Mit vor Stolz geschwellter Brust, glitt er durch die Luft, bis er wieder an Naruz Seite war und ihn zufrieden anlächelte. „Siehst du? Ich hatte recht, sie findet mich niedlich.“
„Schön für dich.“ murmelte Naruz säuerlich. Als sie Serif umarmt hatte, war ihm etwas unwohl geworden. Zum ersten mal, seit sie sich vor ein paar Tagen begegnet waren, betrachtete er sie genauer. Natürlich hatte er auch schon vorher mitbekommen, dass sie hübsch war, aber er hatte sie eher als eine Art Reisegefährtin gesehen, die das selbe Ziel verfolgte, mehr nicht. „Macht dir eigentlich die Bemerkung mit dem Kleid keine Sorgen?“
„Mhm, doch, ein bisschen. Aber das war sicher nur ein Scherz. Sie würde mich niemals wirklich in ein Kleid stecken, nur weil sie denkt, dass ich damit niedlicher aussehen könnte.“ Serif lachte hell und wartete darauf, dass Naruz in sein Lachen einstimmte. Als dieser ihn aber weiterhin nur mit ernster Miene anstarrte, verflog die gute Laune des Eidolons sofort. Das konnte nicht sein. Aleyandra wollte ihm nicht wirklich so etwas furchtbares antun. „O-oder doch? Sie würde nicht...“
„Hast du etwa nicht das Leuchten in ihren Augen gesehen? Sie hat jedes einzelne Wort ernst gemeint.
„Das musst du verhindern! Du musst mich beschützen!“ rief Serif panisch und flog aufgebracht um Naruz Kopf herum. Er wollte keine Elfenprinzessin sein.
„Muss ich das? Aber ich dachte du magst es, dass sie sich für dich interessiert und ich will eurem Glück nicht um Weg stehen.“ zog ihn Naruz zufrieden auf. Endlich konnte er Serif mal mit etwas ärgern.
„Vielleicht sollten wir so schnell wir können wegrennen? Vergiss die Truhe, das ist es nicht wert. Wer solche Gedanken hat, ist gemeingefährlich!“
„Übertreibst du jetzt nicht ein bisschen?“
„Übertreiben? Hast du mir nicht zugehört!?“ es dauerte eine Weile, bis es Naruz gelang sein aufgebrachtes Eidolon zu beruhigen. Hauptsächlich, weil er es nicht besonders viel Eifer versuchte. Den Rest des Tages, verbrachten sie mit der langweiligen Suche nach den Ingredienzien, die der Alchemist von ihnen verlangte. Als es bereits Dunkel war, errichteten sie am Rand des Waldes ein einfaches Lager und aßen etwas. Direkt hinter ihnen erhoben sich bereits die Smaragdberge und dahinter, ging es tiefer ins Landesinnere hinein, bis nach Navea. Abgekämpft und müde von der langen Wanderung, schnappte sich Naruz seine Decke und lehnte sich in der Nähe an einen Baum, um sofort einzuschlafen. Zumindest war das sein Plan, bevor Aleyandra einige Schritte von ihm entfernt stand und ihn mit Fragen bombardierte. „Wo sind Serif und Alessa?“
„Sie brauchen keinen Schlaf und haben sich um das Lager herum verteilt, um auf uns aufzupassen.“ antwortete er müde, während er versuchte es sich mit der Decke bequem zu machen. In letzter Zeit, hatte er oft genug im Freien übernachtet, um sich daran zu gewöhnen. Er konnte sowieso überall schlafen, das war eine seiner größten Stärken.
„Oh, das passt gut. Ich finde es erholsam, ohne Alessa´s ständiges Gerede.“
„Du solltest etwas freundlicher zu ihr sein. Sie ist dein Eidolon. Eure Seelen sind miteinander verbunden.“
„Vielleicht.“ hastig sprach Aleyandra weiter, um von dem Thema abzulenken und es nicht noch weiter zu vertiefen. Ihr nervtötendes Eidolon, interessierte sie gerade herzlich wenig. „Haben wir eigentlich alles was der Alchemist braucht? Ich habe deinem Gespräch mit der Bürgermeisterin ehrlich gesagt kaum zugehört. Ist ein Reflex, der sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Sobald sie anfängt zu reden, schalte ich ab und suche nach einem Fluchtweg.“
„Wir haben diese seltsamen Steine vom Rand der Smaragdberge, ein kleines Stück von einem Golem und den Dryadenstaub.“ begann Naruz alles aufzuzählen und fand sich damit ab, dass er so bald keinen Schlaf kriegen würde. „Dazu noch verschiedene Pflanzen aus der Region, ich glaube das sollte alles sein.“
„Wird es lange dauern dieses falsche Gold herzustellen? Ich will es endlich hinter mich bringen.“
„Laut dem Alchemisten, braucht er zwei oder drei Tage, um die benötigte Menge herzustellen. Sobald wir ausreichend Gold haben, können wir mit unserem Plan beginnen.“ er musste über ihre Ungeduld kurz Lächeln. Sie konnte es wirklich kaum erwarten endlich die mysteriöse Truhe in den Händen zu halten. Ohne sie, hätte er sicher länger gebraucht, um sich hier zurecht zu finden und die meisten Pflanzen, die sie suchten, wären seinem Blick einfach entgangen. „Nur noch ein paar Tage und die Piraten sind verjagt.“
„Gut.“ lautete Aleyandras kurze Antwort, bevor sie begann ihre blaue Bluse und die lange Hose aus einfachem, grobem Stoff auszuziehen. Naruz versuchte wegzusehen so gut es ging, erwischte sich aber selbst dabei, wie er immer wieder aus den Augenwinkeln versuchte einen kurzen Blick auf sie zu erhaschen. Sie trug inzwischen nur noch ein hellblaues, dünnes Unterhemd und ein weißes Höschen, an dem seine Augen aus Versehen etwas öfter hängen blieben. Sie gab sich auch nicht wirklich Mühe, sich seinem Blick zu entziehen, was seltsam war. In den anderen Nächten hatte sie sich bisher von ihm ferngehalten als wäre er ein Aussätziger. Er erwartete eigentlich, dass sie jetzt irgendwo, ein Stück von ihm entfernt, ihr Nachtlager zurecht machte, aber stattdessen, ging sie zögerlich auf ihn zu. Der Anblick ließ ihn rasch den Blick abwenden, diesmal wirklich und ohne heimlich ein paar Blicke zu riskieren.
„Naruz.“ erklang ihre leise Stimme direkt vor ihm. Sie klang auf einmal ausgesprochen sanft und beruhigend. „Ich habe leider nur eine Decke mitgenommen. Kann ich bei dir schlafen? Der Wind weht vom Meer her und es ist eiskalt.“
„Aber...“ verwirrt blickte er sie wieder an und starrte blinzelnd in ihre roten Augen, die ihn erwartungsvoll anfunkelten, während sie auf einmal direkt vor ihm hockte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass du letzte Nacht noch eine eigene Decke dabei hattest.“
„Muss sie unterwegs verloren haben. Vielleicht liegt sie irgendwo bei den Dryaden oder ich habe sie vergessen, als wir noch einmal in Helonia waren. D-darf ich jetzt unter die D-decke? Oder willst du mich einfach erfrieren lassen?“ fragte sie noch einmal und diesmal zitterte ihre Stimme vor Kälte. Flehentlich sah sie ihn an, ein Blick, der ihn endgültig brach. Nicht dass er wirklich geplant hätte großartig Widerstand zu leisten, wenn sie unbedingt neben ihm liegen wollte, wäre er der letzte, der sie davon abhalten könnte. Seufzend schlug Naruz die Decke neben sich zurück, er konnte niemandem etwas abschlagen, der so niedlich gucken konnte. Eine seiner größte Schwächen. Sie warf ihm ein strahlendes Lächeln zu. Sofort war Aleyandra an seiner Seite und kuschelte sich eng an ihn, was Naruz kurz an seiner Entscheidung zweifeln ließ. Durch den dünnen Stoff seiner Hose, konnte er die Wärme ihrer Haut spüren und ihre Hände wanderten ziellos umher, um so zu tun, als würde sie die Decke zurecht ziehen.
„Warst du schon einmal im Norden?“ fragte sie plötzlich und machte damit deutlich, dass er noch immer nicht einschlafen durfte, auch wenn ihm das im Moment eh schwer fiel, solange sie sich halbnackt an ihn presste.
„Nein, noch nie. Ich habe nur ein bisschen vom Rest Midgard´s gehört. Und du?“
„Natürlich. Es gibt kaum einen Ort in Midgard, den ich noch nicht gesehen habe. Ich erinnere mich noch an meine erste Reise nach Norden. Als erstes, passierte ich die glitzernden Smaragdberge und dahinter, erstreckte sich ein rot-goldenes Meer aus Bäumen, die das ganze Jahr über wirken als wäre es mitten im Herbst. Alles dort, ist getaucht in ein sanftes, wohltuendes Dämmerlicht. Dann, ging es vorbei, an uralten, geheimnisvollen Ruinen längst vergessener Völker, die versuchten das Licht des Mondes selbst einzufangen und seine Schönheit in ihren Bauwerken zu verewigen. Und hinter diesen Ruinen, erheben sich die weißen Mauern und goldenen Türme von Navea. Das Herz Midgards, das Herz der Welt.“ Zugegeben, sie hatte das alles nur von Reisenden gehört, aber sie brauchte im Moment jeden noch so kleinen Vorteil den sie kriegen konnte und dadurch würde er sie sicher für mysteriös und welterfahren halten.
„Es klingt fast so, als wärst du wirklich schon an all diesen Orten gewesen.“
„Das war ich auch. Ich habe den Mondaltar gesehen, den mächtigen Himmelsturm von Navea und die grauen Mauern von Vo Astur. Sogar die wilden Steppen der Makar und undurchdringlichen Wälder der Zwergenstämme.“ log sie, ohne rot zu werden. Es war nur eine kleine Lüge, immerhin kannte sie Geschichten über all diese Orte, das zählte auch, irgendwie.
„Wirklich?“ fragte Naruz verwundert und vergaß für einen Moment, dass sie es geschafft hatte irgendwie noch näher an ihn heranzurücken.
„Warum so überrascht? Wirke ich auf dich etwa wie jemand, der noch nie seine kleine Insel verlassen hat?“ entgegnete Aleyandra mit einem beleidigten Unterton in der Stimme. Gut, sie hatte die Insel wirklich noch nie für längere Zeit verlassen, aber das musste man ihr ja nicht unbedingt sofort anmerken.
„Naja, nein. Aber ich dachte nicht, dass du schon um die halbe Welt gereist bist. Immerhin bist du noch so jung, genau wie ich. Dadurch kommt es mir fast so vor, als hätte ich mein Leben bisher irgendwie verschwendet. Ich bin noch nie aus Port Skandia herausgekommen und zum ersten mal weiter als eine Tagesreise von dort entfernt. Ohne Serif, hätte ich mich vermutlich bereits auf dem Weg hierher vollkommen verirrt.“
„Gab es etwas, dass dich die ganze Zeit in Skandia festhielt? Vielleicht jemand, der dir besonders am Herzen lag oder eine ganze Schar hübscher Mädchen, die ständig versuchte dir jeden Wunsch von den Augen abzulesen?“
„Wie kommst du auf so eine alberne Idee?“ fragte Naruz mit einem leisen Lachen.
„Nun, du musst in deiner Heimat ziemlich beliebt gewesen sein. Alesia ist immerhin das begehrteste Mädchen in ganz Helonia und sie hat dich beinahe mit Blicken verschlungen. Ich dachte, dass sie einen Herzanfall kriegt, als du abgelehnt hast bei ihr zu übernachten.“
„Ich mag es halt, unter freiem Himmel zu schlafen.“ unruhig versuchte er ein kleines Stück von Aleyandra wegzurutschen, aber sie hatte es irgendwie geschafft sich unbemerkt an seinem Arm festzukrallen. Seine fruchtlosen Bemühungen, hatten nur zur Folge, dass seine Hand plötzlich auf ihren nackten Schenkeln lag, was ihr aber nichts auszumachen schien. Im Gegenteil, sie fing an zu Lächeln, was ihn erst recht verwirrte. Rasch befreite er sich aus ihrem Griff und räusperte sich verlegen. Er hatte alles was sie gerade gesagt hatte schon wieder völlig vergessen, in Gedanken, war er gerade noch immer bei ihren weichen Schenkeln und diesem eigenartigen Strahlen in ihren Augen, während sie ihn ansah. „Was ähm...worum ging es?“
„Ich habe dir eine Frage gestellt und du, hast mir noch nicht geantwortet. Was genau, hat dich so lange in Skandia gehalten? Warum brauchte es erst Dämonen und schreckliche Monster, um dich aus diesem verschlafenen Fischerdorf zu verjagen?“
„Ich mochte dieses verschlafene Fischerdorf. Es gab nicht viel zu tun. Ab und zu die Holzfäller vor Riesenkaninchen beschützen, Angeln gehen oder ein paar Botengänge erledigen und ansonsten hatte ich meine Ruhe und ich mochte die Ruhe. Seit ich Serif getroffen habe, ist alles viel zu hektisch geworden.“
„Dann existiert in Skandia also niemand, der sehnsüchtig auf deine Rückkehr wartet und jeden Tag nach dir Ausschau hält?“
„Nein, niemand. Naja, außer natürlich meine Freunde und...“ verwirrt brach Naruz ab, als sie ihn gespannt mit Blicken zu durchbohren schien und jedes Wort aufsaugte, als würde er ihr die größten Geheimnisse von Midgard erzählen. Wieso wollte sie wissen, ob es jemanden gab der ihn vermisste? Hatte Serif etwa recht? Dann versuchte sie gerade herauszufinden ob er in Skandia eine Geliebte hatte die auf ihn wartete und das bedeutete, dass er wohl mehr Eindruck bei ihr hinterlassen hatte als ihm bewusst war. „Moment, warum fragst du mich so etwas?“
„Oh, nein, nein. Es ist nicht so wie du denkst.“ wehrte Aleyandra hastig ab, als sie an seinem Blick genau erkannte, was er gerade dachte. Er sollte sie nicht für übereifrig halten, immerhin kannten sie sich erst seit ein paar Tagen und es war möglicherweise etwas verfrüht, ihm ihre Liebe zu gestehen. Dafür gab es im Laufe ihrer Reise noch mehr als genug Zeit. Im Moment, war es wichtig ihn nicht zu verschrecken. Es sollte mehr daraus werden, als nur eine einzige Nacht, aber bisher hatte er kaum Interesse an ihr gezeigt und es war an der Zeit, das zu ändern. „Ich...ich...ich bin nicht in dich verliebt oder so etwas in der Art, falls du das denkst. Das wäre auch ziemlich seltsam und lächerlich. Immerhin kennen wir uns erst seit kurzem. Ich war nur neugierig. Außerdem...“
„Außerdem, was?“ hakte Naruz nach, als sie verlegen abbrach und eine Weile brauchte um ihre Fassung wieder zu gewinnen und weiterzureden.
„Außerdem, wollte ich dir einen Vorschlag machen, jetzt, da wir endlich einmal alleine sind.“ plötzlich veränderte sich Aleyandras Lächeln und sogar ihre Stimme, als sie versuchte möglichst verführerisch zu reden, was ihr aus Mangel an Erfahrung nicht besonders gut gelang. „Ich denke, dass wir unsere gemeinsame Zeit nutzen könnten, um etwas Spaß miteinander zu haben. Hattest du in Skandia schon viele Freundinnen?“
„Was?“ fragte Naruz, überrumpelt von der plötzlichen Frage die sie ihm stellte, ohne überhaupt auf seine Reaktion zu warten. Er war in Gedanken noch immer bei dem Teil mit dem Spaß und zu verwirrt, um sofort zu antworten, also sah er sie nur perplex an, bevor er seine Gedanken wieder sammeln konnte. „Ähm, ein paar. Allerdings war es nie etwas wirklich ernstes. Nur ein paar kurze Bekanntschaften und nicht die große Liebe oder etwas festeres.“
„V-verstehe. Bei mir war es genauso.“ Aleyandra versuchte den kurzen Stich in ihrem Herzen zu überspielen, den sie bei seinen Worten verspürte. Sie wusste gar nicht, warum es sie so sehr störte, dass er bereits andere Mädchen auf diese Art kannte. Das war immerhin nur die Vergangenheit und im Moment vollkommen unwichtig. Es wäre leichter zu ertragen, wenn sie selbst auch irgendwelche Erfahrungen auf diesem Gebiet vorweisen könnte, aber bisher, hatte sie sich von den jungen Männern in Helonia fern gehalten und auch kein Interesse verspürt einen von ihnen näher kennen zu lernen. Nicht unbedingt, weil sie zu schüchtern war, sondern, weil sie sich nicht auf irgendeinem Idioten aus Helonia einlassen wollte. Niemand von denen, hätte sie mit auf eine Abenteuerreise durch ganz Midgard genommen. Im besten Fall, wäre sie am Ende als Hausfrau irgendeines langweiligen Händlers vor sich hin vegetiert. „Aber es waren alles nur gewöhnliche Menschen, gewöhnliche Männer. Genau deswegen, wäre es doch so interessant, findest du nicht auch?“
„Was meinst du damit?“
„Wir sind die Auserwählten einer Göttin und keine gewöhnlichen Menschen mehr. Wir sind zu höheren, mächtigeren Wesen aufgestiegen, die im Namen Gaias die Menschheit verteidigen, während wir über ihnen stehen und über sie wachen. Mit wem, außer einem anderen Auserwählten, können wir wirklich zusammen sein? Eins sein. Unsere Seelen vereinen, so wie wir es mit unseren Eidolons tun. Wir sind die Kinder Gaias.“ mit diesen Worten, richtete sie sich unsicher auf. Ihre langen Haare, glänzten dabei im hellen Mondlicht wie fließendes Silber und ergossen sich über ihre Schultern, als sie plötzlich auf ihm saß. Aleyandra fasste all ihren Mut zusammen und legte die Arme um seinen Nacken, während sie sich seinem Gesicht näherte. Er sagte kein Wort und das war im Moment auch gut so. Sie spürte seinen warmen, immer schneller werdenden Atem auf ihrer blassen Haut, der die nächtliche Kälte schlagartig vertrieb. Kurz sah sie ihm einfach nur in die eigenartigen Augen und wieder, schienen die verschiedenen Farben darin, sie zu hypnotisieren und einzufangen, in eine andere Welt. Letztendlich überwand sie ihre Nervosität, bevor er es sich anders überlegen konnte und küsste ihn zaghaft. Seine Lippen waren erstaunlich weich. Ihr erster Kuss, schoss es ihr zufrieden durch den Kopf, während dieser kurze Augenblick sich anfühlte, als würde eine endlose Ewigkeit an ihr vorbei ziehen. Vorsichtig, löste sie sich wieder von ihm und sah ihn unsicher an. Und damit, befand sie sich am Ende ihres Plans. Von hier an, wusste sie nicht mehr wirklich weiter. Aber sie wusste eines, wenn er sie jetzt wegstieß, hatte es sich doch irgendwie bereits gelohnt, alleine für diesen Kuss. Ein Kuss, der ihr das Herz brechen würde, wenn er sie abwies. Doch endlich, kam wieder Leben in Naruz, als er sich von dem plötzlichen Kuss erholte. Seine Arme schlossen sich um sie und zogen sie näher zu sich heran. Diesmal war er es, der sie küsste und zwar mit einer Leidenschaft, die ihr Herz zum Rasen brachte. Jedesmal, wenn ihre Lippen einander berührten, fühlte es sich an, als würde es für immer aufhören zu schlagen, damit dieser Moment niemals endete. Aleyandra spürte, wie seine Hände sich sanft um ihre schmalen Hüften legten. Sie wanderten weiter über ihren Körper und als er begann ihr das Hemd auszuziehen, hörte sie endlich auf zu Denken. Schaltete alles ab, was nichts mit diesem einen Augenblick zu tun hatte und gab sich ihm hin, in dem Wissen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Er war der Richtige.



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Die zwei Männer ließen Naruz unsanft zu Boden fallen und ignorierten seine gedämpften Schmerzenslaute. Um ihn herum versammelten sich immer mehr Piraten. Er befand sich mitten im Zentrum des Piratenlagers, von dem er nicht besonders beeindruckt war. Es handelte sich um einige Zelte, die von vollkommen sinnlos angelegten Palisaden umgeben waren. Es sah so aus, als hätten sie überlegt eine Befestigung zu erreichten, es sich mittendrin anders überlegt und einfach aufgehört, wodurch breite Löcher zwischen den einzelnen Palisadenabschnitten klafften. Für ihn hatte jedenfalls kaum jemand einen Blick übrig, die Aufmerksamkeit der Anwesenden, richtete sich voll und ganz auf ein halbes Dutzend prall gefüllter Säcke, die sie zusammen mit ihm gefunden hatten. Blinzelnd hob er den Kopf an und starrte in das Gesicht eines Mannes von geradezu gewaltigem Ausmaß, der sich neugierig über ihn beugte. Er hatte einen roten, ungepflegten Bart, der ihm bis zur Brust reichte und die langen Haare quollen wirr unter einem viel zu großen Hut hervor. Trotz der Hitze, trug er einen langen, grauen Fellmantel.
„Wir haben ihn südlich des Lagers gefunden, Blunto. Er kam mit einem kleinen Karren durch den Wald und wollte weiter nach Norden.“ begann einer der Männer, die Naruz festgehalten hatten.
„Vermutlich in die nächstbeste größere Stadt, um diesen Schatz zu verschwenden, der bei uns viel besser aufgehoben ist.“ fügte ein anderer lachend hinzu, während er einen der Säcke vor dem großen Mann ausleerte. Aufgeregtes Gemurmel brach unter den Piraten aus, als schwere, glänzende Goldbarren und Münzen im Gras landeten.
„Gute Arbeit. So wie es aussieht, versucht dieses Pack aus Helonia seine Schätze in Sicherheit zu bringen. Das könnte man natürlich als Verstoß gegen unsere Abmachung auffassen. Unser Käpt'n wird damit nicht zufrieden sein.“ erklärte der Mann namens Blunto voller Vorfreude. Er war von Anfang an dagegen gewesen so sanftmütig mit den Bürgern umzugehen. Sie hätten die Stadt gleich plündern sollen.
„Ich bin nicht aus Helonia.“ stellte Naruz mit gepresster Stimme richtig und kämpfte sich mühsam auf die Beine.
„Ach, tatsächlich? Und was bist du dann? Vielleicht der Schattenritter oder ein Botschafter Gaias?“ seine Männer fielen in das laute Lachen des Mannes ein „Andererseits, es wäre ziemlich dämlich von den Helonianern ihre Schätze so nah unserem Lager vorbei zu schmuggeln und wenn diese Ratten etwas können, dann ist es Sachen unbemerkt von einem Ort zum anderen zu schaffen.“
„Ich stamme aus einem kleinen Fischerdorf, weiter im Süden.“
„Schön für dich, aber das interessiert niemanden. Es gibt nur eine Frage, auf die ich eine Antwort erwarte. Wo hast du das Gold her?“
„Ich habe es nicht gestohlen falls ihr das glaubt, sondern es gefunden, das ist die Wahrheit. Als ich plötzlich auf das Gold stieß, habe ich so viel genommen wie auf den Karren passte und den Rest dagelassen. Ich konnte nur einen kleinen Teil...“ abrupt verstummte Naruz, um nicht noch mehr gegenüber dem Piraten preiszugeben, was dessen Aufmerksamkeit erst recht erregte.
„Es gibt also noch mehr davon?“ Gier funkelte in seinen Augen, als er noch einmal einen Blick auf die Säcke mit dem Gold warf. Wenn das nur ein kleiner Teil dieses Schatzes war, dann musste er ihn unbedingt mit eigenen Augen sehen. „Wo ist das restliche Gold?“
„I-ich weiß es nicht mehr. Kann mich nicht erinnern.“ murmelte Naruz abweisend und senkte den Blick.
„Keine Sorge, Kleiner, wir bekommen unsere Antwort schon noch aus dir heraus und zwar viel schneller, als du vielleicht glaubst. Man muss deiner Erinnerung nur etwas auf die Sprünge helfen.“ kaum hatte er ausgesprochen, krachte die Faust des gewaltigen Piraten gegen Naruz Schädel und warf ihn wieder zu Boden, wo er sich benommen umsah und schwerfällig versuchte wieder auf die Beine zu kommen „Ich habe Erfahrung darin, Landratten zum Reden zu bringen und wenn du es mir nicht verrätst, wird unser Käpt'n sich einfach um dich kümmern und glaub mir, das willst du nicht.“
„Ich habe keine Ahnung. Das ist die Wahrheit.“
„Es gibt auf den Meeren Midgards keine gefürchteteren und brutaleren Männer als uns, die Catseye Piraten und ich, bin ihr erster Maat. Glaub mir, ich erfahre immer was ich wissen will. Sag mir, wie sehr, hängst du an deinem hübschen Gesicht?“ damit zückte Blunto einen langen Dolch und kniete sich neben Naruz.
„Sehr, um ehrlich zu sein.“
„Gut. Verabschiede dich schon mal davon. Ich bin gespannt, wie lange du durchhältst, kleiner Mann.“
„W-warte! Warte!“ rief Naruz, als die Klinge vor seinem Gesicht hin und her pendelte. „Schon gut, ich rede. Ich sage euch, wo der Schatz vergraben liegt!“
„Wie langweilig.“ murmelte Blunto, enttäuscht darüber, dass er eine gute Gelegenheit verpasste seine Folterkünste unter Beweis zu stellen. Insgeheim, nahm er sich allerdings vor nach der Rückkehr seiner Männer weiterzumachen. Nachdem er die Position des Schatzes erfahren hatte, brach er mit einem Großteil der Männer auf, während Naruz mit größer Mühe ein zufriedenes Grinsen unterdrücken musste. Aleyandras Fallen, würden sich um diese Idioten kümmern und keiner von ihnen, würde mit Taschen voller Gold zurückkehren.



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In der Zwischenzeit, lehnte Aleyandra in der Nähe des Strandes an einem Baum und hing ihren Gedanken nach, die wenig mit den Piraten zu tun hatten. Ohne Alessa, hätte sie vermutlich bereits vergessen, warum sie überhaupt hier war. Die Piraten würden weiter von Norden her zum Strand strömen wenn es so weit war, dann konnte sie sich hinter dem Baum verbergen und darauf hoffen, dass die Gier nach dem Gold sie unvorsichtig werden ließ.
„Kaum zu glauben. Noch vor ein paar Tagen, hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht für Helonia in den Kampf gegen die Piraten zu ziehen, oder mein Geld zurück zu geben.“ setzte Aleyandra ihr bereits ewig andauerndes Selbstgespräch mit einem träumerischen Ausdruck im Gesicht fort. Seit Naruz losgegangen war, redete sie nur noch von ihm und hatte keinen einzigen Gedanken an ihren Auftrag verschwendet. Immerhin konnte Alessa sie so lange nerven, bis Aleyandra nebenbei die Fallen platzierte.
„Tatsächlich?“ erklang es gelangweilt von dem Einhorn, das sich nichts uninteressanteres vorstellen konnte als Aleyandra´s Gerede über ihre unsterbliche Liebe. Sie wollte ihr Eidolon loswerden, aber verfiel dem ersten dahergelaufenen Taugenichts. Das war schwer zu verdauen für Alessa, die am liebsten sich selbst im Mittelpunkt des Geschehens sehen wollte und das eigentlich immer.
„Ja, wir haben uns gestern Abend noch ein wenig unterhalten und mir ist aus Versehen rausgerutscht, dass ich etwas Geld gestohlen habe. Naruz sagte mir, dass ich es zurückgeben soll und er hat natürlich recht, immerhin, bin ich eine Auserwählte Gaias. Außerdem, brauche ich das Geld nicht mehr solange er bei mir ist. Er ist wirklich perfekt. Es gefällt mir zwar nicht was er gerade tut, aber es ist so mutig von ihm, ganz alleine in das Lager der Piraten zu marschieren.“ schwärmte Aleyandra weiter vor sich hin, ohne sich von Alessa´s mieser Laune anstecken zu lassen. Sollte das Einhorn doch tun was immer es wollte. Nur noch kurze Zeit und das Artefakt in der Truhe würde ihnen gehören. Dann war sie endlich mit Naruz alleine und dieses Eidolon nur noch ein nerviger, schlechter Traum. „Ist er nicht einfach wundervoll?“
„Ich finde er ist ein wenig zu unzuverlässig. Die Piraten sollten schon längst hier sein. Vielleicht hat er sich ja mit dem unechten Gold aus dem Staub gemacht und legt damit jetzt irgendeinen armen Trottel rein.“
„So etwas würde er niemals tun!“ verteidigte ihn Aleyandra empört. Wie konnte Alessa andauernd auf solche Gedanken kommen? Naruz war perfekt und er gehörte nur ihr. Alles was sie noch von einem Leben voller Abenteuer und Leidenschaft trennte, war diese winzige Piratenbande. „Ich kann es noch immer nicht glauben, dass wir jetzt ein Paar sind. Habe ich dir schon gesagt, wie wundervoll die letzten Nächte mit ihm waren?“
„Ja, es war immerhin unmöglich zu überhören, wenn man ein paar Meter weiter Wache halten muss.“ Alessa hatte allerdings nicht mitbekommen, dass die beiden jetzt ein Liebespaar waren. So benahmen sie sich eigentlich nicht, zumindest wenn man von den Nächten absah. Aber tagsüber, behandelte Naruz sie eher wie eine gute Freundin und nicht mehr. Andererseits, was wusste sie schon von Menschen?
„Die letzten Tage waren wie ein Traum. Es fühlt sich so unwirklich an, wenn er nicht in der Nähe ist. Als hätte ich mir das alles nur eingebildet und er existiert in Wirklichkeit gar nicht. Ich hoffe nur, er hat in der ersten Nacht nicht gemerkt, dass es mein erstes...andererseits, es ist recht schwer, so etwas nicht zu bemerken, oder?“ fragte Aleyandra und lief sofort rot an, als ihr klar wurde, über was sie da eigentlich mit Alessa redete, aber es beschäftigte sie wirklich. Er sollte nicht denken, dass er der einzige war, den sie je geliebt hatte, denn den nächsten Schritt, würde diesmal nicht sie machen. Jetzt war Naruz an der Reihe. Er sollte ihr sagen, dass er sie liebte und das würde er auch tun, bald. Er hatte es vielleicht nicht in den letzten Tagen getan, während sie auf das falsche Gold des Alchemisten warteten, aber sie besaßen immerhin alle Zeit der Welt.
„Keine Ahnung. Ich bin ein Eidolon, woher soll ich das wissen?“ antwortete Alessa lustlos und man merkte, dass es ihr langsam zu dumm wurde, ihrer Herrin zuzuhören.
„Weißt du, ich hatte meine Zweifel, ob es eine gute Idee war, den ersten Schritt zu wagen. Immerhin war es nicht gerade ein kleiner Schritt. Meinst du, ich hätte darauf warten sollen, dass er auf mich zukommt?“
„Ja, aber darauf hättest du eine Weile warten müssen. Er ist in Gedanken voll und ganz bei der Truhe, er hätte dich vermutlich nicht einmal bemerkt.“
„Glaubst du er...g-glaubst d-d-u...“ stotternd brach sie hilflos ab und atmete tief ein, um das Schwindelgefühl zu unterdrücken, das jedesmal auftrat, sobald sie darüber redete. „Glaubst du, er liebt mich? I-ich meine...war ich zu forsch? Wir kannten uns immerhin erst ein paar Tage und vielleicht...“
„Wird das jetzt noch ewig so weitergehen?“
„Ob so etwas wie ´Liebe auf den ersten Blick` wirklich existiert?“ fuhrt Aleyandra fort, immer schwankend zwischen zerstörerischer Unsicherheit und glückseligem Freudentaumel. „Sofort, als ich ihn durch Helonia gehen sah, wusste ich, dass er etwas besonderes ist. Ich habe es tief in mir gespürt. Denkst du, er hat auch so über mich gedacht, als er mich zum ersten mal sah? Ich wusste es im ersten Augenblick, dass er der Richtige ist. Wir beide wurden auserwählt von der Göttin, wir gehören einfach zueinander und es ist wundervoll mit ihm zusammen zu sein. Ich...“
„Dort kommen sie.“ unterbrach Alessa erleichtert den beginnenden Monolog ihrer Herrin. Aleyandra hätte sicher noch den ganzen Tag so vor sich hin geredet, nur um am Ende zu keinem wirklichen Ergebnis zu kommen. Dabei konnte Alessa ihr bereits sagen, wo diese ganze Sache mit Naruz enden würde. Natürlich fand er es toll, dass sie Nachts bei ihm lag, doch von seiner unsterblichen Liebe zu Aleyandra, war bisher wenig zu sehen. Aber sie würde da sein, damit Aleyandra sich bei ihr ausweinen konnte, wenn es so weit war. Jetzt sollten sie sich allerdings auf ihren Auftrag konzentrieren, denn es begann, endlich. Eine halbe Hundertschaft aus abgerissenen Gestalten schob sich auf den Strand zu. Sie trugen schwere Äxte und Säbel, während sie sich umsahen.
„Dann ist er jetzt in ihrem Lager...ganz alleine. Wer weiß was sie ihm in diesem Moment alles antun.“ flüsterte Aleyandra mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, während sie hinter dem Baum hervor lugte und zusah, wie die Piraten sich am Strand verteilten. „Vielleicht haben sie ihn sogar schon getötet, nachdem er ihnen von dem Schatz erzählt hat.“
„Du brauchst keine Angst um ihn zu haben. Er ist ein guter Kämpfer und Serif wird immer verborgen in seiner Nähe sein. Wenn es Probleme gibt, wird sein Eidolon eingreifen.“
„Und dann sollen sie zu Zweit gegen die ganze Crew antreten?“ murmelte Aleyandra abgelenkt. Sie hatte ihrem Eidolon nicht wirklich zugehört. Alessa konnte nichts sagen, um sie zu beruhigen. Erst wenn sie Naruz unverletzt vor sich stehen sah, würde es ihr wieder gut gehen. „Das da, ist möglicherweise nur der Rest der Piraten, die gerade schon einen Botschafter Gaias aus dem Weg geschafft haben und sich jetzt auf einen Schatz freuen, während Naruz Blut noch an ihren Klingen haftet.“
Liebend gerne, hätte sie mit Naruz den Platz getauscht und sich auch lange und heftig dagegen zur Wehr gesetzt, dass er in die Höhle des Löwen sollte. Es stimmte was Alessa sagte, Naruz konnte recht gut mit seinen Schwertern umgehen, aber das würde vielleicht nicht ausreichen. Er konnte nicht sehr lange fliegen und hatte auch ansonsten nie Magie eingesetzt seit sie sich kannten, nicht einmal im Kampf gegen die Dryaden oder in der Höhle mit dem seltsamen Mädchen. Sie dagegen, hatte ihre magischen Kräfte viel besser unter Kontrolle. Es fiel ihr leichter, da sie auch schon vor ihrer Zeit als Botschafter Gaias in der Lage war Zauber zu wirken, zumindest halbwegs. Bei Naruz andererseits, war sie sich manchmal nicht einmal wirklich sicher, ob es ihm überhaupt gelang aus eigener Kraft abzuheben und einfach so davonzufliegen, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch sie musste die Fallen vorbereiten und hier sein, falls etwas schief ging. Aleyandra schluckte nervös und legte die Hände an die Griffe ihrer Pistolen. Ahnungslos, passierten die Piraten inzwischen ihre ersten Fallen und schritten direkt über sie hinweg. Aleyandra hatte sie tief genug im Sand vergraben, damit man sie nicht bemerken konnte. Sie verteilten sich immer weiter den Strand entlang, was für ihren Plan nicht unbedingt von Vorteil war. Noch hatten nicht alle Männer eine todbringende Falle unter sich, aber sie konnte nicht länger warten.
Ein wohliges Kribbeln durchlief ihren Körper, als sie ihre Magie aussandte um die Fallen zu aktivieren. Sie hatte kein Risiko eingehen wollen, um zu verhindern, dass irgendein Tier ihre geliebten Fallen auslöste, also waren die Fallen bisher ausgeschaltet. Kaum hatte sie ihre Kräfte ausgesandt, spürte sie, wie ihre kleinen Gerätschaften begannen tödliche Magie zu entfalten. Plötzlich, schob sich eine flüssige, schwarze Masse aus dem Sand hervor, die ein purpurnes Licht ausstrahlte. Die Masse breitete sich direkt unter den Füßen der vordersten Piraten aus, die sofort versuchten wegzurennen, aber vergeblich. Wer einmal in dieser Falle landete, blieb an der reinen Finsternis darin hängen und wurde nie wieder losgelassen. Sie versuchten mit ihren Schwertern danach zu schlagen, um sich zu befreien, aber auch das zeigte keinen Erfolg. Dann, kam wieder Bewegung in ihre kleine Kreation. Es waberte und wand sich, bis es hochschnellte und sich auf die Feinde stürzte. Die dunkle Masse hüllte die Piraten vollständig ein und schwappte dann wie eine schwarze Welle weiter den Strand entlang, um alles mitzureißen, was sich in ihrem Weg befand. Die getroffenen Piraten, verharrten reglos im Sand und starrten vor sich hin. Aleyandra konnte deutlich erkennen, wie der Blick der Männer brach und ihre Augen zu stumpfen, leeren Löchern wurden, bevor sie in sich zusammensackten. Ihre Fallen funktionierten! Auch wenn sie im Moment nicht wusste, ob sie das wirklich freuen sollte. Die Wirkung war vielleicht etwas stärker als erwartet. Doch diese erste Welle an Fallen, hatte nur einen Bruchteil der Piraten erwischt. Entsetzt und starr vor Angst, starrten die anderen ihre gefallenen Kameraden an. Dann griff Panik um sich und die ersten versuchten von dem Strand zu entkommen, wobei sie erneut die Fallen am Ende des Strandes passierten, die diesmal nicht nur harmlos im Sand vergraben warteten, sondern auf Aleyandras Magie reagierten. Es waren weitaus weniger ausgeklügelte, magische Konstruktionen als ihre Dunkelheitsfallen, aber sie erfüllten ihren Zweck. Ein halbes Dutzend kleinerer Explosionen folgte den Schattenfallen und an manchen Stellen schossen züngelnde Flammenfontänen aus dem Sand hervor, die sich gierig auf die panischen Piraten stürzten. Das magische Feuer bewegte sich auf unnatürliche Art über den Sand vorwärts und sammelte sich am Rand des Strandes zu einer undurchdringlichen Flammenwand, die es ihnen unmöglich machte zu entkommen.
Inmitten des ausbrechenden Chaos, des Rauches und der schreienden Männer, ging Aleyandra ruhig auf die Überlebenden zu. Noch immer lebte mehr als ein Dutzend Piraten und irrte ziellos zwischen den verkohlten Leichen und ausgelösten Fallen umher. Die meisten von ihnen waren verletzt und hatten Verbrennungen erlitten, einige versuchten sich zum Wasser zu schleppen, während andere sich kaum noch rührten. Nur Drei, waren noch in der Lage zu stehen und als sie Aleyandra sahen, fassten sie all ihren Mut zusammen, um sich auf sie zu stürzen. Kurz bevor die Männer sie erreichten, hob Aleyandra ihre geliebten Pistolen und jagte den vorderen beiden magische Geschosse in die Brust. Der letzte Angreifer warf sich mit dem Mut der Verzweiflung auf sie. Aleyandra hatte noch nie zuvor gekämpft, aber etwas an ihr, tauchte spielend leicht unter der Klinge hindurch. Sie bewegte sich reflexartig und ohne nachzudenken. In ihrem Kopf herrschte gähnende Leere und trotzdem, wich sie dem Schwert mühelos aus. Schnell setzte Aleyandra ihm die Mündung der Pistolen an den Bauch und drückte ab. Die magischen Geschosse fraßen sich in den Piraten, doch anstatt aus seinem Rücken wieder auszutreten, explodierten sie mit einem ohrenbetäubenden Knall inmitten seines Körpers.
Kurz sah sie überrascht an die Stelle, an der eben noch ein Mensch gestanden hatte und jetzt nichts weiter als blutige, zerfetzte Einzelteile durch die Luft segelten. Eigentlich, hätte das nicht passieren sollen. In einem gewissen Rahmen, konnte sie selbst bestimmen, was für Geschosse aus ihren Waffen kamen und sie wollte eigentlich nur einfache, saubere Kugeln und nichts, was ihre Feinde in Stücke riss. Aber es gefiel ihr. Sie hatte sich immer vor Blut geekelt, schon ihr ganzes Leben, aber in diesem Moment, machte es Aleyandra nichts aus. Es war ihr sogar egal, dass es ihren Körper vollständig benetzte, sie dachte nicht nach, sondern rannte den Strand entlang. Noch fast ein dutzend Mal, donnerten ihre magischen Pistolen, während sie sich um jeden einzelnen verwundeten Feind kümmerte. Sie wusste nicht warum, aber es erschien ihr richtig, ihre Leben auszulöschen. Was waren sie denn schon, verglichen mit einem Auserwählten Gaias? Sie waren Abschaum und ihre Feinde, sie hatten kein Mitleid verdient. Als der letzte Pirat tot war, stand Aleyandra an dem brennenden Strand, enttäuscht darüber, dass es schon vorbei war. Ihre magischen Kugeln, hatten verheerende Verwüstung angerichtet und das war auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen. Ihre hellblaue Kleidung war getränkt in dem klebrigen, langsam gerinnenden Blut. Sie konnte es überall auf ihrer Haut spüren. Selbst in ihren hellen Haaren glänzte es rot.
„Alles in Ordnung mit dir, Aleyandra?“ fragte Alessa besorgt, als ihre Begleiterin sich noch immer nicht von der Stelle rührte.
„Gehen wir.“ flüsterte Aleyandra mit vor Aufregung und Anspannung zitternder Stimme. Sie wollte mehr. Mehr Blut, mehr Kämpfe. Es war wundervoll ihre Zauber auf diese Art und Weise einzusetzen. Nie hatte sie sich lebendiger gefühlt, als in diesem Augenblick. Für Alessa dagegen, sah Aleyandra im Moment zum ersten mal furchterregend aus. Vor allem, da sie anscheinend keine Probleme damit hatte, von oben bis unten voller Blut zu sein. Alessa schwebte inzwischen direkt vor ihr und sah ihr voller Sorge in die leuchtend roten Augen. Darin spiegelte sich das einzige wieder, woran sie gerade denken konnte. Blut. Es war einfach überall in ihrem Kopf und verdrängte im Moment selbst die Sorge um Naruz. Es gab einen Ort, ganz in der Nähe, an dem sie noch viel mehr Blut vergießen konnte. Ohne Vorwarnung, schoss Aleyandra in die Höhe und flog so schnell sie konnte Richtung Norden. Es war ihr egal, dass sie ihre Magie verschwendete, nur um etwas schneller zum nächsten Kampf zu kommen. Im Moment, fühlte sie sich, als könnte sie es mit der ganzen Welt aufnehmen.
Nach einem kurzen Flug, ließ sie sich zu Boden fallen, mitten im Lager der Piraten. Sie landete nahe einem verdutzten Naruz, der im Gras hockte und von ein paar Wachen umgeben war, die ihr plötzliches Auftauchen erst noch verdauen mussten. Doch dazu gab Aleyandra ihnen keine Zeit. Sie riss ihre Pistolen hoch und jagte den zwei Männern die ihr am nächsten standen ihre mit Magie durchdrungenen Geschosse in den Leib. Noch immer, benutzte Aleyandra nicht ihre gewöhnlichen Geschosse. Es reichte nicht, dass ihre Feinde starben, sie sollten vernichtet werden und genau das passierte dank ihrer einzigartigen Waffen auch. Als die Kameraden der restlichen Wachen in Stücke gerissen wurden, erwachte sie wieder zum Leben und warfen sich auf das weißhaarige Mädchen. Mühelos, wich sie ihren plumpen Hieben aus. Für sie liefen die Bewegungen der Piraten wie in Zeitlupe ab, sie waren Menschen, verglichen mit ihr also nichts weiter als Kinder, die mit Holzschwertern ein stolzes Ritterheer herausforderten. Sie machte sich einen Spaß daraus, sie nicht alle sofort zu erledigen, sondern immer eine kleine Pause einzulegen, bevor sie den nächsten Piraten von ihren Pistolen zerfetzen ließ. Sie genoss die ständig größer werdende Angst und Panik in den Augen ihrer Feinde, die immer verzweifelter auf sie einschlugen. Gerade sanken die Überreste eines weiteren Gegners zu Boden, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Ohne ihre verbesserten Reflexe, hätte sie hier ein frühzeitiges Ende gefunden, während der letzte Pirat seinen Säbel gegen ihren Kopf schwang. Gelangweilt ließ sie eine ihrer Pistolen hochschnellen und vertraute darauf, dass die magische Waffe dem gewöhnlichen Stahl standhalten würde. Als die Klinge auf das schwarze Holz traf, musste es für den Piraten wirken, als hätte er gegen eine Wand geschlagen. Kein einziges Kratzer verunstaltete den glänzenden Lauf und Aleyandra hatte keine Mühe, seine Schlag abzufangen. Mit einem erstaunlich freundlichen, und vor allem unangemessenen, Lächeln, jagte sie ihre Magie durch die Waffe. Grell leuchtende, blaue Blitze zuckten aus der Pistole hervor und wanden sich um den Säbel. Sie krochen rasend schnell den Arm des Mannes hoch und hüllten ihn ein. Mit einem panischen Kreischen ließ er seinen Säbel fallen und versuchte die Blitze irgendwie abzuschütteln, die durch seinen Körper jagten und ihn von innen heraus verbrannten. Als sie endlich verschwanden, verstummte er augenblicklich und sackte kraftlos in sich zusammen. Hin und wieder zuckte er noch und gab ein leises Stöhnen von sich, aber war ansonsten still. Aleyandra ging an ihm vorbei auf Naruz zu und schoss dem Piraten mit einer beiläufigen Bewegung in den Kopf, ohne überhaupt hinzusehen. Die letzten paar Schritte zu Naruz rannte sie, um sich davon zu überzeugen, dass die Piraten ihm nichts angetan hatten.
„Ist alles in Ordnung mit dir, Naruz?“ wandte sie sich besorgt an ihn und steckte schnell die Pistolen weg „Geht es dir gut? Bist du unverletzt?“
„Ja...ja, mir geht geht es gut. Sie hätten mir nichts tun können, Serif hat meine Schwerter und hätte vorher eingegriffen.“ antwortete Naruz langsam, während er seine eigene Magie aussandte, um Serif herbeizurufen. Es gab noch immer ein paar Wachen im Lager und er brauchte seine Waffen. Doch im Moment, beschäftigte ihn Aleyandras Anblick viel mehr als die restlichen Piraten.
„Gut, dann machen wir uns auf den Weg. Wir müssen weiter. Worauf wartest du so lange? Wir müssen los!“ drängte ihn Aleyandra voller Ungeduld, als er nicht augenblicklich los rannte. Naruz dachte gerade nicht daran, sich sofort in Bewegung zu setzen. Stattdessen, verschwendete er ihre wertvolle Zeit damit sie anzusehen als hätte er einen Geist oder furchterregenden Dämon gesehen. Er sollte nicht dort rumstehen und sie anstarren, sondern sich lieber beeilen. Noch immer gab es mehr als genug Piraten für sie beide.
„Nichts...du...“ Naruz brach ab und suchte nach den richtigen Worten, um zu beschreiben wie sie aussah. Sie erinnerte ihn an Brian, als er voller Freude die Milizen von Skandia zerlegt hatte. Was war los mit ihr? Vielleicht hätte er sie nicht alleine am Strand lassen sollen. „Du siehst nur anders aus, das ist alles.“
„Anders?“ fragte Aleyandra verwirrt, weil sie keine Ahnung hatte wovon er redete. Sie fühlte sich noch immer wie aufgepumpt, als würde die magische Energie ihren ganzen Körper durchdringen und sie zum Kämpfen antreiben. Sie spürte, wie ein dünnes Rinnsal aus Blut ihr Gesicht herunter lief und ihre Lippen benetzte. Ohne es zu bemerken, schnellte ihre Zunge vor und leckte über ihre Lippen, was Naruz nicht dabei half, sich mit ihrem Anblick anzufreunden. Aleyandra ließ sich den metallischen Geschmack auf der Zunge zergehen und es jagte einen wohligen Schauer durch ihren Körper, während sie weiterhin versuchte herauszufinden worüber er redete. Redete er etwa von dem bisschen Blut? Es war nur das der Piraten, nicht ihr eigenes, es gab keinen Grund zur Sorge. Also warum starrte er sie so an? Er sollte heilfroh sein sie zu sehen und nicht die ganze Piratencrew, die zurückkehrte, um ihn zur Feier des Tages über die Planke gehen zu lassen. „Ich bin nicht verletzt und jetzt lass uns endlich gehen. Wir haben noch immer einen Kapitän, um den wir uns kümmern müssen.“
Zuletzt geändert von Vanidar am 10. Juni 2014 23:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 20. Mai 2014 17:08

7. Meuterei und Diebstahl (Öffnen)
Kapitel 7 – Meuterei und Diebstahl:


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„Serif.“ kaum hatte Naruz sein Eidolon gerufen, erschien dieses auch schon direkt neben ihm, mit den beiden Schwertern seines Botschafters in den Händen.
„Bin da, ist alles in Ordnung Partner? Oh, was ist denn mit deiner Freundin...“ Serif brach ab, als Naruz nur kurz den Kopf schüttelte, allerdings brauchte er auch nicht wirklich eine Antwort, die blutüberströmte Aleyandra und das Funkeln in ihren Augen verrieten ihm alles, was er wissen musste. Aus Erfahrung wusste er, dass viele Botschafter der Gaia in einem Kampf in ihre eigene Welt gerieten und sich vollständig von ihrer Umgebung abkapselten, sie verfielen dann in eine Art Kampfrausch, was zwar nicht unbedingt auf die Transformation in einen Dämon hinwies, aber durchaus furchteinflößend wirken konnte.
„Beeile dich, Naruz! Sonst entkommt uns der Anführer der Piraten noch!“ meinte Aleyandra, mit einem drängenden Unterton in der Stimme, der verriet, dass sie es kaum erwarten konnte wieder zu kämpfen. Naruz zögerte kurz, nickte dann jedoch Serif zu und rannte voraus, in Richtung des Zeltes, wo er den Anführer vermutete. Auf dem Weg dorthin trafen sie niemanden, direkt vor dem Zelt jedoch standen drei Piraten, bewaffnet mit großen Äxten, und machten sich kampfbereit, als sie die kleine Gruppe sahen, die direkt auf sie zuhielt.
„Schnappt sie euch, Männer!“ brüllte der mittlere der Piraten und wollte gerade auf Naruz und Aleyandra losgehen, als eine klare, männliche Stimme ertönte.
„Halt! Greift sie nicht an, zumindest noch nicht.“ die Wachen hielten sofort inne und warteten, während eine Gestalt aus dem Zelt trat. Zu Naruz' Überraschung handelte es sich um einen jungen Mann, der wohl nur zwei oder drei Jahre älter als er selber war, mit langen roten Haaren und einem erstaunlich freundlichem Gesicht. Die Hand des Mannes lag auf einem großen, reich verzierten Säbel und er warf einen prüfenden Blick auf die Eindringlinge.
„Worauf warten wir noch? Wir töten ihn einfach und...“ begann Aleyandra, brach jedoch ab, als sich der Zeltvorhang plötzlich erneut öffnete, und eine weitere Gestalt nach draußen rannte. Dieses mal war es ein blondes Mädchen, das Aleyandra nur allzu bekannt vorkam. Mit einem kampflustigen Gesichtsausdruck baute sich das Mädchen so gut sie konnte vor den Piraten auf und funkelte Naruz und Aleyandra wütend an.
„Lasst Marc gefälligst in Ruhe! Er hat euch nichts getan!“ Naruz senkte tatsächlich seine Schwerter und warf Aleyandra einen fragenden Blick zu.
„Und ähm, wer ist das?“
„Das ist Selena... die Tochter der Bürgermeisterin. Ich wusste gar nicht, dass die Piraten sie entführt haben.“ antwortete Aleyandra und wurde von diesem unerwarteten Umstand tatsächlich aus ihrem Blutrausch gerissen.
„Was? Moment, wartet, wartet, wartet!“ begann der Anführer der Piraten, den diese Selena als Marc bezeichnet hatte, und wedelte abwehrend mit den Händen in der Luft herum. „Ich habe niemanden entführt! Selena ist freiwillig zu mir gekommen! Wir, ähm, also wir...“
„Wir lieben uns!“ sprang Selena ein, als der Pirat rot anlief und nicht ganz weiter wusste.
„Bitte was?“ entfuhr es Naruz, und er sah ungläubig zum Kapitän hinüber. „Ähm, Selena, Euch ist bewusst, dass er der Anführer der Catseye Piraten ist? Die Piraten, die Helonia erpressen und ausbeuten?“
„Nein! Also, ja schon, aber Marc hat nicht den Befehl dazu gegeben, ihr müsst mir glauben!“
„Dann seid Ihr also nicht hier, um Selena zurück nach Helonia zu bringen?“ fragte Marc misstrauisch.
„Bis eben wussten wir nichtmal, dass sie hier ist. Wir sind hier um die Piratenbande auszuschalten und alles was ihr gestohlen habt, nach Helonia zurückzubringen. Wie wäre es, wenn einer von...“ Naruz brach ab, als Aleyandra plötzlich kurz aufschrie, als er sich umdrehte sah er, wie sie im Sand auf die Knie gesunken war, die Pistolen lagen neben ihr auf dem Boden und sie starrte mit einem furchterfülltem Blick auf den Boden vor sich. „Aleyandra? Was ist los?“ fragte er nervös, während er sich bemühte die Piraten im Blick zu behalten, die jedoch keinerlei Anstalten machten, die Chance zu nutzen, um über Naruz und Aleyandra herzufallen, stattdessen warfen sowohl Selena als auch Marc einen eher besorgten Blick zu Aleyandra. Als der Kapitän Naruz' Blick bemerkte, gab er seinen Männern ein Zeichen, woraufhin diese zögernd ihre Waffen wegsteckten und einige Schritte zurücktraten.
„Ich denke, Ihr solltet Euch um Eure Begleiterin kümmern, danach ist noch immer genug Zeit, die ganze Sache zu erklären. Aber ich schwöre Euch, ich habe mit der Erpressung Helonias nichts zu tun, einer meiner Offiziere muss meinen Namen benutzt haben, um das ganze anzuzetteln.“ Naruz dachte kurz nach, seufzte dann jedoch und nickte Serif zu, der sich sofort zwischen seinem Botschafter und den Piraten postierte, für den Fall, dass diese doch etwas vorhatten. Währenddessen ging Naruz neben Aleyandra in die Knie und streckte seine Hand nach ihrer Schulter aus, zögerte dann jedoch. Der Gesichtsausdruck den sie hatte, während sie die Piraten niedermetzelte schwebte ihm noch deutlich vor Augen, was, wenn dies der erste Schritt zu ihrer Verwandlung in einen Dämon war? Wäre es vielleicht besser, sie einfach hier sitzen zu lassen? Naruz seufzte, nein, das konnte er nicht. Er hatte ihr versprochen, dass sie zusammenarbeiten würden, um diese Truhe in die Finger zu kriegen, sie jetzt einfach zu ignorieren und sich mit der Truhe aus dem Staub zu machen, war einfach nicht seine Art. Schließlich legte er seine Hand auf Aleyandras Schulter, woraufhin diese ihn aus großen Augen anstarrte, in denen sich Tränen sammelten.
„Ist alles in Ordnung, Aleyandra?“ fragte Naruz, so freundlich wie möglich und gab sich mühe, nicht allzu besorgt zu klingen.
„So viel... Blut...“ murmelte Aleyandra und starrte auf ihre blutgetränkten Hände, während sie anfing immer heftiger zu zittern.
„Es ist alles in Ordnung, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir sind hier fast fertig, ich denke, wir werden nicht mehr kämpfen müssen. Dieser Marc scheint ein vernünftiger Mensch zu sein, ich bin mir sicher, er und Selena können das ganze aufklären.“
„Naruz, ich wollte nicht... so viele Tote... ich wollte nur helfen.“ meinte Aleyandra, und sah Naruz beinahe flehentlich an, als sich der rote Nebel in ihrem Verstand endlich legte und sie wieder in der Lage war klar zu denken.
„Ich weiß, du hast nichts falsches gemacht.“ antwortete Naruz, mit einem Lächeln im Gesicht, und strich Aleyandra durch die weißen, blutigen Haare. „Kannst du stehen?“
„J-ja, ich glaube schon.“ murmelte sie leise, ließ sich von Naruz aufhelfen und klammerte sich, noch immer zitternd, an seinem Arm fest.

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„Entschuldigt die Unterbrechung, Kapitän Marc... Ihr sagtet, Ihr könnt die ganze Sache erklären?“ meinte Naruz, an den Anführer der Piraten gewandt, der mit einem beruhigendem Lächeln im Gesicht nach vorn trat.
„Genau, wie ich schon sagte, ich habe weder Selena entführt, noch die Erpressung Helonias befohlen, ich bin eigentlich sowieso nur hier in der Gegend um Selena abzuholen, wie wir es besprochen hatten. Vor ein paar Monaten war ich bereits einmal in Helonia, nicht mit meiner ganzen Crew, sondern alleine, um ein paar Geschäfte abzuwickeln. Dabei habe ich Selena getroffen und mich in sie verliebt, wir beide hatten dann abgesprochen, dass ich mit meiner Crew zurückkommen werde, um sie abzuholen. Danach würden wir abreisen und Helonia in Ruhe lassen, sobald wir dann weit genug weg sind, wollte ich die Catseye Piraten auflösen und mich mit Selena zur Ruhe setzen. Mag vielleicht ein wenig komisch klingen, wenn man bedenkt dass ich noch recht jung bin, aber so ist es nun einmal. Leider ging nicht alles nach Plan, kurz nachdem wir hier angekommen sind, hat sich eine recht zwielichtige Gestalt an uns gewendet, und uns gebeten auf einen bestimmten Gegenstand für sie aufzupassen. Eigentlich wollte ich ablehnen, aber die Summe, die mir dafür geboten wurde... ich konnte einfach nicht widerstehen, und ich sah keinen Haken an der Sache, ich sollte nur ein oder zwei Wochen länger hier bleiben und auf dieses Buch aufpassen, das war alles. Aber dann begann die Erpressung Helonias, und jetzt habt Ihr einen so großen Teil meiner Crew ausgelöscht... ich hätte diesen Auftrag niemals annehmen sollen.“
„Wolltest du die Crew nicht sowieso auflösen? Was spielt es für eine Rolle, dass wir so viele von ihnen beseitigt haben?“ fragte Serif, und fing sich einen wutentbrannten Blick von Marc ein.
„Ich wollte die Crew auflösen, ja! Aber das heißt nicht, dass diese Männer nicht meine Freunde waren!“ fauchte der Kapitän. „Einige von ihnen wollten sich sogar mit mir und Selena in einem kleinen Dorf niederlassen. Manche von ihnen mögen gegen meine Befehle verstoßen, und Helonia Probleme bereitet haben, aber...“ Marc brach ab, als sich eine weitere Person seinem Zelt näherte. Es handelte sich anscheinend um einen der Piraten, im Gegensatz zu den anderen Männern hatte dieser jedoch äußerst bleiche Haut und verdeckte den Großteil seines Kopfes mit einer Art Turban, lediglich die goldenen Augen des Mannes konnte man erkennen.
„Kapitän! Es ist schrecklich, Blunto ist gerade vom Strand zurückgekommen, mit ein paar der Männer, die ihn dorthin begleitet hatten, und...“
„Ich weiß, ich weiß. Der Rest der Männer ist tot, mir ist durchaus bewusst...“
„Darum geht es nicht, Kapitän! Es ist eine Meuterei! Blunto denkt, dass Ihr mit den Heloniern zusammengearbeitet habt, um ihm diese Falle zu stellen! Sie haben bereits zwei Männer getötet, die sich weigerten sich gegen Euch zu wenden, er ist auf dem Weg hierher, Ihr müsst fliehen!“
„Was? Warum sollte ich ihm eine Falle stellen?“ fragte Marc verwirrt, dann ging ihm jedoch ein Licht auf. „Verdammt... er steckt hinter der ganzen Sache, nicht wahr? Er hat die Erpressung Helonias befohlen!“
„Was für ein kluges Köpfchen du doch bist, Marc.“ ertönte eine brutale, gehässige Stimme hinter Naruz und als dieser sich umdrehte, um zu sehen wer dort sprach, erkannte er sofort den ersten Maat der Catseye Piraten, mit dem er bei der Ankunft im Lager gesprochen hatte. Begleitet wurde Blunto von einem guten Dutzend Piraten, die Marc wütend anstarrten. „Seit ich gehört habe, dass du die Crew auflösen willst, habe ich daran gearbeitet, ein paar der Männer für mich zu gewinnen. Es ist Zeit, dich abzulösen, Marc! Ich werde von heute an die Führung über die Catseye Piraten übernehmen. Gib mir den Schlüssel zur Schatzkammer, dann schenke ich dir und deiner helonischen Hure einen schnellen Tod, wenn nicht, werden meine Jungs ein wenig Spaß mit ihr haben, bevor ich euch beide in die Hölle schicke.“ während er dies sagte, zog der Pirat seine Waffe, eine riesige, zweihändig geführte Axt, von seinem Rücken und richtete sie drohend auf Marc, der mit seinen vier Getreuen eindeutig in der Unterzahl war.
„Blunto! Ich verspreche dir, ich hatte nichts mit der Falle zu tun!“ meinte Marc und hob beschwichtigend die Hände, woraufhin Blunto erst überrascht zu Naruz und Aleyandra sah, dann jedoch anfing zu lachen.
„Das soll heißen... du hattest wirklich keine Ahnung, dass ich dahinter steckte? Bei Gaia, wie konnte ich jemals Befehle von dir entgegennehmen? Diese Hure muss dir das Hirn vernebelt haben... töte sie.“ meinte Blunto, an einen seiner Männer gewandt, der seine Pistole zückte und auf Selena schoss. Kurz bevor die Kugel sie traf, stieß Marc sie zur Seite, dafür durchbohrte der Schuss jedoch seine Schulter, woraufhin er mit einem Keuchen zu Boden sank.
„Marc!“ schrie Selena auf und warf sich schützend vor ihren Geliebten, während dessen drei Leibwächter sich vor die beiden schoben, und der vierte, maskierte Pirat, vorsichtig einen Dolch zückte und sich in Richtung Zelt zurückzog.
„Tch, sie hat dir wirklich das Hirn vernebelt, wärst du noch wie früher, hättest du dich nie im Leben in den Weg geworfen... wie auch immer, du da!“ meinte Blunto plötzlich, an Naruz gewandt. „Du hast wirklich nichts mit Marc zu tun?“ Naruz nickte als Antwort, behielt den Piraten jedoch weiterhin im Blick, während Aleyandra sich fester an seinen Arm klammerte. Sie schien noch immer vollkommen neben sich zu sein, und wäre in einem Kampf wohl keine große Hilfe. „Gut... ihr zwei habt viele meiner Männer getötet, ihr scheint gute Kämpfer zu sein, und ich will meine neue Crew nicht noch weiter dezimieren. Wenn ihr euch jetzt aus dem Staub macht, lasse ich euch am Leben und ich werde die Catseye von hier wegführen, wir werden Helonia nicht weiter belästigen, den Großteil der Reichtümer haben wir ja eh schon. Ein gutes Angebot, nicht wahr?“ Naruz warf kurz einen Blick zu Marc, dessen Wunde von Selena einigermaßen versorgt wurde.
„Was ist mit den beiden?“
„Ich werde ihren Tod kurz und schmerzlos machen... na ja, fast. Aber das kann dir ja egal sein, Marc ist ein Pirat, er hat viele unschuldige Leute auf dem Gewissen. Was hier passiert, ist einfach nur die gerechte Strafe für seine Taten.“

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Ehe Naruz antworten konnte, merkte er wie Aleyandra an seinem Ärmel zupfte, um auf sich aufmerksam zu machen.
„Naruz, wir sollten zurück nach Helonia gehen.“ flüsterte sie. „Wir sind in der Unterzahl, und wir haben hier keine Fallen. Außerdem dürfte das, was wir getan haben, reichen um uns die Truhe einzubringen. Lass uns gehen.“ Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen. „Ich will niemanden mehr umbringen, ich will kein Blut mehr vergießen...bitte, lass uns zurückkehren.“ Naruz seufzte und warf einen letzten Blick zum verletzten Marc, ehe er sich sanft aus Aleyandras Griff befreite. „Naruz? Was...“ begann sie ängstlich, brach jedoch ab, als dieser sich umdrehte und ihr sein freundlichstes Lächeln schenkte.
„Keine Sorge, Aleyandra. Du wirst niemanden mehr umbringen müssen. Serif?“
„Was ist, Partner?“
„Pass auf Aleyandra auf.“
„Wird gemacht, aber bist du dir sicher? Was dieser Blunto gesagt hat, ist die Wahrheit. Marc ist ein Pirat, er hat sicherlich keine weiße Weste.“ Das Eidolon seufzte, als er keine Antwort von Naruz erhielt. „Gut, von mir aus, aber übertreibe es nicht.“
„Oh, bei Gaia! Was soll denn dieser Schwachsinn?“ fragte Blunto belustigt, als Naruz zwischen ihn und Marc trat, die beiden Schwerter kampfbereit in seinen Händen.
„Weißt du, erster Maat Blunto, als du vorhin mit mir geredet hast, hattest du mit einer Sache recht... ich bin ein Botschafter Gaias.“ erklärte Naruz mit ruhiger, kalter Stimme, während silberne und weiße Blitze begannen ihn zu umspielen.
„Ja, genau! Bestimmt zeigst du uns gleich deine unglaublich mächtige Magie, und verbrennst uns alle mit einem Feuerball!“ meinte Blunto und ließ ein lautes, höhnisches Lachen hören, in das seine Männer einstimmten.
„Leider bin ich ein recht neuer Botschafter Gaias, ich habe außerdem keinerlei Talent für Magie. In den letzten Tagen habe ich, um ehrlich zu sein, des öfteren geübt, aber mir wollten einfach keine Zauber gelingen.“ erklärte Naruz, und lächelte den Piraten schwach zu. „Aber...“ begann Naruz, während sein Lächeln verschwand und sich seine Augen verengten. „... für euch braucht man auch keine Magie, ihr seid...“
„Genug, tötet diesen Witzbold!“ fauchte Blunto und deutete mit seiner Axt auf Naruz, oder zumindest dahin, wo Naruz eigentlich sein sollte, dieser war jedoch verschwunden und nirgendwo zu sehen. „Was? Wo ist er hin? Wie habt ihr ihn aus dem Blick verloren, ihr Trottel?“ brüllte Blunto wütend. „Was ist los? Hat es euch die Sprache verschlagen? Wo ist der...“ Blunto verstummte und drehte langsam seinen Kopf, als ihm dämmerte, weshalb seine Männer ihm nicht antworteten. Alle zwölf seiner Untergebenen, lagen tot auf dem Boden, direkt hinter Blunto stand Naruz, von dessen Schwertern das Blut der Piraten tropfte.
„Wie ich bereits sagen wollte... ihr seid zu langsam.“ meinte Naruz, und plötzlich befand sich sein Gesicht direkt vor dem des ersten Maats. Dieser wollte seine Axt heben, und den selbsternannten Botschafter Gaias den Schädel spalten, es gelang ihm jedoch nicht. Als er zu seinem rechten Arm sah, merkte er auch weshalb, sein Unterarm war weg, an seiner Stelle befand sich nur noch ein Stumpf, aus dem ununterbrochen Blut strömte.
„Du verdammter...“ begann Blunto und merkte, wie sich Blut in seinem Mund sammelte. Blut-spuckend sank der Pirat in die Knie, während Naruz sein zweites Schwert aus dem Brustkorb des Maats zog und sich abwandte.
„Wie... wie hat er das gemacht?“ fragte Aleyandra, an Serif gewandt. Sie bezweifelte ja nicht, dass Naruz kämpfen konnte, immerhin hatte sie ihn schon ein paar mal dabei beobachten können, aber dass er sich so schnell bewegen konnte, war etwas vollkommen neues für sie. Selbst sie, als Botschafterin Gaias, hatte Schwierigkeiten gehabt, seinen Bewegungen zu folgen. „Ich dachte, er kann keine Magie verwenden, also wie...“
„Er kann wirklich keine Magie benutzen.“ meinte Serif, und gähnte, jetzt wo die Situation bereinigt schien, konnte er es sich wieder erlauben, sich ein wenig zurückzulehnen. „Es hat mit mir zu tun, jedes Eidolon hat verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften. Ich bin selber ziemlich schlecht im Gebrauch von Magie, aber dafür kann ich einen Teil meiner Kräfte auf meinen Botschafter übertragen. Um ehrlich zu sein hätte ich jedoch nicht erwartet, dass Naruz so gut mit meinem Tempo klarkommt, aber er schafft es, irgendwie.“ Während Serif dies erklärte, richtete sich Marc, mit Hilfe von Selena und einem seiner Männer, auf und ging auf Naruz zu.
„Ich danke Euch, für Eure Hilfe... Ihr seid also ein Botschafter der Gaia?“
„Nicht jetzt, es ist noch nicht vorbei.“ meinte Naruz und starrte an Marc vorbei, zum Zelt des Kapitäns, wo der vermummte Pirat stand.
„Ah... du hast mich bemerkt? Bist du wirklich ein Mensch? Selbst ein Botschafter Gaias, sollte damit Probleme gehabt haben.“
„Wovon redet Ihr, Naruz? Was ist mit ihm? War er etwa auch an Bluntos Meuterei beteiligt? Wenn ja, warum hat er uns dann gewarnt?“ fragte Marc, und sah verwirrt von seinem Crewmitglied, zu Naruz, und zurück.
„Oh, er war nicht an der Meuterei beteiligt, zumindest glaube ich das nicht. Aber sagt mir, Marc, wie heißt dieser Mann? Und welchen Rang hat er in Eurer Crew?“
„Was? Das ist... also...“ Marc fasste sich plötzlich an die Stirn, als hätte er starke Kopfschmerzen. „Ich... er... ich weiß es nicht.“ meinte der Kapitän schließlich, und riss die Augen auf. Jetzt wo er darüber nachdachte, hatte er diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Er wandte sich an die verbliebenen Mitglieder seiner Crew. „Kennt ihr ihn?“
„Noch nie gesehen, Boss.“ meinte einer der Männer und richtete seine Waffe nervös auf den vermummten Mann. Dieser seufzte und zuckte mit den Schultern, erst da fiel den anderen Anwesenden auf, dass dieser etwas in der Hand hielt, ein kleines, schwarzes Buch, mit goldenen Verzierungen.
„Ist dies zufällig das Buch, auf das Ihr für diesen Fremden aufpassen solltet? Ich fürchte, dieser Mann ist ebenfalls daran interessiert.“
„Hm, sagst du mir wenigstens, woran du erkannt hast, dass ich keiner der Catseye bin?“ fragte der Fremde und fasste sich an den Kopf. „Ich dachte eigentlich, dass meine Tarnung perfekt ist.“
„Ich kann vielleicht keine Magie benutzen, aber ich kann sie spüren.“ meinte Naruz und richtete sein Schwert auf den Fremden. „Und ich bezweifle, dass die Catseye über Magier verfügen, ansonsten hätten sich die Templer schon längst um sie gekümmert. Also, wer bist du?“
„Ich habe auch wirklich Pech, genau an dem Tag, an dem ich diesen verfluchten... ich meine, an dem ich dieses verdammte Buch finde, muss mir ein Botschafter Gaias über den Weg laufen. Wie auch immer, wir sehen uns bestimmt ein andern mal wieder, ich muss jetzt gehen, sonst wird mein Boss noch wütend auf mich.“ Ohne zu antworten stürmte Naruz nach vorn, und stach mit seinem Schwert nach dem linken Arm des Fremden, dieser schaffte es jedoch gerade so auszuweichen, was Naruz vollkommen überraschte, er hätte nie gedacht, dass dieser Fremde mit seiner Geschwindigkeit mithalten konnte. „Hey, kein Grund gleich so böse zu werden, ich habe niemandem etwas getan! Also dann, bis später!“ Während er dies sagte, zeichnete der Fremde mit seinem Finger ein Dreieck in die Luft, welches sich kurz danach in goldenen Linien tatsächlich dort bildete und schweben blieb, während er ein zweites, umgedrehtes und kleineres, Dreieck in das erste zeichnete. „Im Namen des Windes und der Heiligen Bestien akzeptiere ich den Kontrakt! Die Sonne sticht in des Monsters Auge, Alperios!“ kaum hatte der Fremde die Worte ausgesprochen, leuchteten die Dreiecke kurz auf, und blendeten die Anwesenden, als Naruz seine Augen wieder öffnete, war der Fremde verschwunden, und mit ihm das Buch. Mit einem Seufzen steckte Naruz seine Waffen weg.
„Serif, was war das?“
„Magie, zumindest scheint mich so, frage mich aber nicht wie er das gemacht hat.“
„Ich kann es nicht fassen, er hat uns das Buch direkt unter der Nase weggeschnappt...“ begann Marc, wurde jedoch von Naruz unterbrochen.
„Das Buch ist mir ehrlich gesagt egal, ich habe damit nichts zu tun. Viel wichtiger... werdet Ihr mir den Schlüssel zu dieser Schatzkammer überlassen, von der Blunto geredet hat? Ich nehme an, dort wird sich alles befinden, dass Ihr von den Heloniern geholt habt, nicht wahr?“ Marc warf kurz einen Blick zu Selena, die ihm aufmunternd zunickte.
„Ja... ja, natürlich... hier ist der Schüssel... ich werde ihn nicht mehr brauchen.“ meinte der Kapitän und überreichte Naruz einen schlichten, kupfernen Schlüssel, wenn auch mit einem wehmütigen Gesichtsausdruck. „Nur ein paar hundert Meter westlich von hier, befindet sich eine Höhle, die mit einem Gitter versperrt ist, in ihrem Inneren befindet sich der gesamte Schatz, der Catseye Piraten, die Helonier werden ihn sich ungestört holen können.“
„Gut, dann gibt es nur noch ein letztes Problem...“ meinte Naruz und starrte dem Kapitän streng in die Augen. „Ich habe zwar Euer Leben gerettet, aber Ihr seid noch immer ein gesuchter Pirat... kann ich wirklich darauf vertrauen, dass Ihr Eure Crew auflösen, und Euch zur Ruhe setzen werdet?“
„Ich schwöre es, auf mein Leben.“ meinte der Kapitän, und streifte einen der vielen Ringe die er trug, von seinem Finger. Es war ein silberner Ring, mit einem großen, eingesetzten Smaragd, der die Form eines Auges hatte.
„Boss! Bist du dir sicher...“ begann einer der Piraten, brach jedoch ab als Marc kurz nickte.
„Ja, bin ich. Dieser Ring wird immer vom Anführer der Catseye Piraten getragen, wenn ich ihn abgebe, heißt das gleichzeitig, dass ich meine Position als Kapitän abgebe. Ich bin nicht länger der Anführer der Catseye Piraten, nicht, dass von uns noch viel übrig ist.“ während Marc dies sagte, drückte er Naruz den Ring in die Hand. „Ich schwöre erneut, ich werde mich mit Selena irgendwo niederlassen und ein ruhiges Leben führen, Ihr werdet nie wieder von den Catseye Piraten hören, und wenn doch, so soll Gaia mich umgehend für meine Lügen richten.“ Naruz musterte den Piraten prüfend, zuckte dann jedoch nur mit den Schultern und ging auf Aleyandra zu.
„Lass uns gehen, und Madeline über alles informieren.“ Aleyandra nickte vorsichtig, und packte ihn sofort wieder am Arm, ehe die beiden sich auf den Weg aus dem Lager machten. Als sie bereits einige Schritte gegangen waren, wandte Naruz sich noch ein letztes mal um. „Ich vertraue Euch, Marc. Und Euch, Selena, wünsche ich alles gute. Ich hoffe, Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen.“ Dann drehte er sich endgültig um, und machte sich zusammen mit Serif und Aleyandra auf, in Richtung Strand.

Als sie bereits nahe Helonia waren, führte Naruz Aleyandra, sehr zu ihrer Überraschung, zum Wasser, und nicht zur Stadt.
„Naruz? Was ist, wollten wir nicht Madeline sagen, was passiert ist? Ich bin mir sicher, die Städter warten schon auf uns.“
„Die Städter können warten.“ meinte Naruz, lächelte sie freundlich an, setzte sich und bedeutete Aleyandra, sich ihm gegenüber niederzulassen, was sie, nach kurzem Zögern, auch tat. Ohne ein Wort zu sagen, schnitt Naruz etwas Stoff von seinem Ärmel, und tunkte das Stück ins Wasser, ehe er sich nach vorn beugte und begann, Aleyandras Gesicht mit dem Stofffetzen abzutupfen, woraufhin diese zusammenzuckte. „Bevor wir nach Helonia zurückkehren, sollten wir dafür sorgen, dass du nicht allzu furchteinflößend aussiehst, meinst du nicht?“ fragte Naruz, während er das ganze Blut aus Aleyandras Gesicht wusch, die das ganze schweigend über sich ergehen ließ. Als er fertig war, warf Naruz den Stofffetzen zur Seite und erhob sich. „Also dann, lass uns...“ Ehe er seinen Satz beenden konnte, packte Aleyandra ihn am Arm, woraufhin er zu ihr hinunter sah und merkte, dass sie seinem Blick auswich. „Ist etwas?“ fragte er, mit seiner sanften, freundlichen Stimme. Aleyandra atmete einmal tief durch und hob dann ihren Blick, um Naruz in die Augen zu sehen.
„Was da bei den Piraten passiert ist...ich wollte das alles wirklich nicht, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist! Ich war auf einmal...es fühlte sich so richtig an und es hat Spaß gemacht...ich weiß nicht, warum ich so gedacht habe, und...“ Naruz sank erneut vor ihr auf den Boden und legte seine beiden Hände auf ihre Schultern.
„Ich weiß, es war immerhin dein erster, richtiger Kampf, als Botschafterin Gaias. Als ich meinen ersten Kampf hatte, bin ich auch durchgedreht.“ log er, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie saßen noch eine Weile am Strand, und Naruz versuchte sein bestes, um Aleyandra zu beruhigen und ihr einzureden, dass es vollkommen normal war, als Botschafter Gaias dermaßen überzureagieren, letztendlich mit Erfolg. Aleyandra hatte sich beruhigt und war wieder ihr normales Selbst, zumindest schien es äußerlich so.
„Danke, Naruz. Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte.“ meinte Aleyandra und schenkte ihm ein fröhliches Lächeln, dass dieser erwiderte.
„Lass uns jetzt einfach in die Stadt zurückkehren, und die Truhe holen. Nicht mehr lange, und wir müssen uns nie mehr Sorgen um so etwas machen.“

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Eine Stunde später, standen Naruz und Aleyandra vor der Bürgermeisterin und Luther, und warteten auf deren Reaktion, als sie die Geschichte der beiden verdauten. Naruz hatte ihnen alles erzählt, nun ja, fast alles. Dass Aleyandra kurz Amok gelaufen ist, hatte er wohlweislich verschwiegen, alles andere hatte er jedoch gesagt, auch dass Selena sich dazu entschieden hatte, mit Marc zu reisen. Er hoffte nur, dass diese Nachricht die Bürgermeisterin nicht dermaßen verärgern würde, dass sie sich weigerte ihm die Truhe zu überlassen. Zu seinem Glück, und ehrlich gesagt auch zu seiner Überraschung, nahm Madeline die Nachricht jedoch ziemlich gelassen auf.
„Selena hatte schon immer ihren eigenen Willen, mach Euch keine Vorwürfe, Ihr hättet sie nicht daran hindern können, mit diesem Piraten zu gehen, nicht ohne sie niederzuschlagen und hierher zurückzuschleifen. Außerdem war es nie Teil unseres Handels, dass Ihr meine Tochter zurückbringt, Ihr solltet die Piraten vertreiben, und das habt Ihr getan.“ meinte Madeline und warf einen Blick auf den Schlüssel in ihrer Hand. „Ich werde bald ein paar Männer schicken, um die Schatzkammer der Piraten zu durchsuchen und unsere Reichtümer zurückzubringen. Was Euch angeht, Ihr habt Euren Teil der Abmachung gehalten, Luther.“ Der Angesprochene trat einen Schritt nach vorn und überreichte Naruz eine schlichte, blaue Truhe, in die einige Sterne geschnitzt waren.
„Dies ist die Truhe, die Ihr haben wolltet, bislang ist es uns jedoch nicht gelungen sie zu öffnen. Allerdings gibt es ein Gerücht, dass der Dorfälteste von Lunarin seit jeher einen Schlüssel beschützt, mit dem die Truhe sich öffnen lässt. Es ist uns jedoch nie gelungen, ihn von dem Ältesten zu kaufen, oder einzutauschen, er hat sich immer geweigert den Schlüssel abzugeben.“
„Darüber kann ich mir auch später noch Sorgen machen, ich werde schon einen Weg finden, um ihn zu überreden. Wo genau liegt Lunarin?“
„Lunarin ist ein Dorf, direkt nördlich der Smaragdberge, in den Halbmondhügeln. Es dauert vielleicht acht bis zehn Tage, um dorthin zu reisen.“
„Dann steht das nächste Ziel meiner Reise fest. Ich denke ich werde sofort aufbrechen, und...“
„Nein, nein, nein! Nicht so schnell!“ ertönte eine Stimme hinter Naruz, und als er sich umdrehte, sah er Alesia Cambeli dort stehen, in Begleitung eines alten Mannes, mit grauen Haaren und einem freundlichen Lächeln im Gesicht. „Ich bin erfreut Euch endlich kennenzulernen, Botschafter. Mein Name ist Acren Cambeli, und dies ist meine Tochter, aber ihr kennt euch ja schon. Wenn ich ehrlich sein muss, ich hätte nicht erwartet, dass Ihr mit Eurem Unternehmen Erfolg hättet, aber Alesia hat an Euch geglaubt, sie sagte mir, dass der Plan funktionieren würde, und wie ich sehe hatte sie recht. Im Namen von ganz Helonia, möchte ich Euch dafür danken, dass Ihr unsere Stadt gerettet habt... und auch dir möchte ich danken, Aleyandra.“ fügte der Händler, nach kurzem Zögern hinzu, woraufhin Aleyandra ihn nur ungläubig anstarrte.
„Mir? Aber ich... ich meine, keine Ursache, ich helfe doch immer gerne...“ stammelte sie vor sich hin, und lief leicht rot an. Dies war das erste mal, dass sich jemand bei ihr bedankte. Vielleicht hatte Naruz ja recht, und es war wirklich gar nicht mal so schlecht, anderen Leuten zu helfen, zumindest hin und wieder.
„Wie auch immer, zu Euren Ehren wird noch heute Abend ein Fest stattfinden, finanziert von der Cambeli Familie.“ verkündete Alesia und warf Naruz einen Blick zu, der Aleyandra ganz und gar nicht gefiel. „Ich bitte Euch, wartet mit Eurem Aufbruch nach Lunarin bis Morgen, dieses Fest werdet Ihr bestimmt nicht verpassen wollen!“ Naruz wollte erst widersprechen, hielt jedoch inne, als er noch einmal genau darüber nachdachte. Wenn er erst Morgen aufbrechen würde, dürfte es leichter für ihn werden, seinen Plan durchzuführen, den er sich in den letzten Stunden zurecht gelegt hatte.
„Nun gut, ich werde noch bis Morgen bleiben.“ verkündete er, mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. „Luther?“
„Ja?“
„Ich möchte Euch darum bitten, noch für diese Nacht auf die Truhe für mich aufzupassen, ich werde sie dann Morgen abholen, ist das in Ordnung?“
„Natürlich, es ist das mindeste, dass ich tun kann.“
„Vielen Dank. Aleyandra? Wir sollten uns Morgen gegen zehn Uhr am Westausgang von Helonia treffen, und gemeinsam nach Lunarin reisen. Hört sich das gut an?“
„Ja, ja natürlich.“ meinte Aleyandra und nickte zur Bestätigung.
„Gut, wir sehen uns dann auf dem Fest.“ meinte Naruz, ehe er sich abwandte. „Ich muss noch ein paar Dinge vorbereiten, ehe wir Morgen aufbrechen.“ Mit diesen Worten ließ er die anderen Anwesenden zurück, und ging zum Marktplatz von Helonia, um seine Einkäufe zu erledigen, ehe das Fest in vollem Gange war, und sämtliche Läden geschlossen hatten.

Seufzend lehnte Naruz sich gegen eine nahe Hauswand und starrte in den sternenbedeckten Himmel hinauf. Es war bereits spät Nachts, und das Fest war in vollem Gange, ganz Helonia feierte das Verschwinden der Piraten, und die Rückkehr ihrer Reichtümer. Die letzten zwei Stunden waren Naruz und Aleyandra von hunderten Menschen umringt gewesen, die ihnen für ihre Hilfe ihre ewige Dankbarkeit versicherten. Naruz hatte es nach einer Weile geschafft sich von ihnen zu lösen, und beobachtete nun aus sicherer Entfernung Aleyandra, die hier und da ein paar Hände schüttelte, lächelte und sich sichtlich wohl fühlte. Die Helonier hatten nie viel für sie übrig gehabt, deswegen genoss sie es nun umso mehr, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Naruz hatte einen Kelch voll mit Wein in der Hand und trank einen Schluck, ehe er sich von den Festlichkeiten abwandte und sich in eine nahe Gasse begab, die vollkommen ausgestorben schien.
„Bist du dir sicher, dass du nicht noch ein wenig weiter feiern willst?“ fragte Serif, und schwebte kopfüber vor Naruz.
„Ziemlich sicher, ja. Ich werde mir einfach einen Platz zum schlafen suchen, ich muss Morgen immerhin früh aufstehen.“
„Wenn Ihr einen Platz zum schlafen braucht... würdet Ihr mir erlauben, Euch zu helfen?“ Naruz drehte sich um, und sah sich Angesicht zu Angesicht mit Alesia gegenüber. Die Kaufmannstochter trug ein langes, schwarzes Kleid mit roten Verzierungen, welches an den Hüften offen war, so dass man ihre Haut sehen konnte. Ihre Arme hatte sie hinter ihrem Rücken verschränkt und starrte Naruz aus großen, erwartungsvollen Augen an.
„Nun, wenn Ihr mir ein Gasthaus empfehlen könntet, wäre ich Euch äußerst dankbar.“ meinte Naruz, er wusste immerhin nicht, wo sich hier in Helonia überhaupt ein Gasthaus befand, geschweige denn welche von ihnen gut waren.
„Natürlich, meinem Vater gehört eines der besten Gasthäuser von Helonia, ich werde Euch ein gutes Zimmer dort besorgen.“ meinte sie, und klammerte sich an seinen Arm. „Kommt mit, ich werde Euch den Weg zeigen.“ Während sie dies sagte, setzte sie sich in Bewegung, und Naruz folgte ihr, nach kurzem Zögern.
„Ihr braucht mir kein Zimmer zu besorgen, ich kann alleine bezahlen...“
„Nein, kommt nicht in Frage! Ihr seid der Held von Helonia, wohin kämen wir denn, wenn wir von unseren Rettern Geld verlangen würden? Ihr werdet die Nacht gratis in Helonia verbringen, das ist mein letztes Wort!“ sagte Alesia, mit gespielt strenger Miene, was Naruz auflachen ließ. Alesia erinnerte ihn ein wenig an Betsie, wenn sie ihm eine Predigt hielt, weil er mal wieder versucht hatte, ihr oder ihrem Bruder Geld zurückzugeben, dass sie ihm geliehen hatten, oder für dass sie ihm ausgeholfen hatten, wenn er mal wieder knapp bei Kasse war. 'Du bist jetzt bei der Garnison, und du machst ohnehin schon so viel für das Dorf. Lass uns doch wenigstens einmal etwas für dich tun.' hieß es dann immer.
„Nun gut, wenn Ihr darauf besteht, jemandem der so hübsch ist wie Ihr, kann ich nicht widersprechen.“ antwortete er, mit einem freundlichen Lächeln, woraufhin Alesia rot anlief und den Blick abwandte. Plötzlich hielt die Cambeli an und starrte auf den Boden vor sich, woraufhin Naruz, der ein wenig weiter gegangen war, sich verwirrt zu ihr umdrehte. „Lady Cambeli? Ist alles in Ordnung? Ich wollte Euch nicht...“ Er verstummte, als Alesia sich ihm um den Hals warf, und ihn einfach küsste. Verwirrt riss er die Augen auf, wehrte sich jedoch nicht sonderlich gegen die Cambeli. Als sie sich von ihm löste, merkte er, dass sie nun vollkommen rot im Gesicht war, und nervös zur Seite sah.
„Tut mir leid, das war, ähm, vielleicht etwas plötzlich. Hätte ich das nicht... habt Ihr vielleicht eine Freundin?“
„Was? Ich, also... ähm... also... tja, nun...“ nun lief auch Naruz rot an, und wusste nicht wirklich, was er dazu sagen sollte. „Also, ich habe keine Freundin, aber ich werde Morgen aufbrechen, und weiß nicht, ob ich jemals nach Helonia zurückkehren werde...“
„Ich weiß... ich werde Euch vielleicht nie wieder sehen.“ meinte die Cambeli, und atmete tief durch, ehe sie ihm direkt in die Augen sah. „Deshalb... Ihr habt viel für mich getan... für Helonia, trotzdem habe ich noch eine letzte, selbstsüchtige Bitte an Euch. Ich werde wohl bald an irgendeinen reichen Mann hier in Helonia verheiratet werden, um den Wohlstand meiner Familie zu mehren, damit habe ich mich bereits abgefunden... aber bevor es so weit ist, möchte ich zumindest einmal mit einem Mann zusammen sein, den ich mir selber ausgesucht habe... wenn auch nur für eine Nacht. Könntet Ihr... könntet Ihr mir diese Bitte erfüllen?“ Das kam vollkommen unerwartet für Naruz, es war fast so, als wenn eine übermächtige, tyrannische Wesenheit namens Vanidar, den Schreiber dazu zwang, Alesia zu einer Nacht mit Naruz zu drängen, damit der Plot ins Rollen kommen kann. Naruz wusste einfach nicht was er sagen sollte. Alesia war äußerst hübsch, und er wäre normalerweise der Letzte, der solch eine Bitte ablehnen würde, andererseits war sie auch ziemlich beliebt in Helonia, und wenn rauskam, dass er eine Nacht mit ihr verbracht hatte, und er aus irgendeinem Grund noch einmal nach Helonia musste, dürfte es kein besonders angenehmer Aufenthalt werden. Ehe er noch weiter darüber nachdenken konnte, beugte Alesia sich nach vorn, presste sich fest an Naruz und küsste ihn erneut, woraufhin endgültig alle seine Bedenken zur Seite gewischt wurden. Er packte Alesia an den Schultern, und erwiderte den Kuss voller Leidenschaft. Als sie sich wieder voneinander lösten, starrte Naruz eine Weile in die violetten Augen der Cambeli, die ihn voller Lust und Leidenschaft anfunkelten. Ohne etwas zu sagen, packte Alesia ihn am Arm und führte ihn weiter, die Straße hinab, ehe sie vor einem großen Gasthaus anhielt, welches schon von außen ziemlich teuer und edel aussah, hier würde man wohl normalerweise die reichsten der Durchreisenden antreffen. Im Gasthaus ging Alesia sofort zum Wirt und begann mit ihm zu sprechen, während Naruz einen Blick über die teuren Möbel schweifen ließ und die Porträts betrachtete, die überall hingen. Kurz danach war Alesia auch wieder an seiner Seite und hielt ihm einen Schlüssel vor die Nase. „Alles ist geregelt, diese Nacht wird Euch rein gar nichts kosten, mein Vater wird die Rechnung übernehmen.“ meinte sie, mit einem Lächeln im Gesicht, und packte ihn wieder am Arm. Alesia führte ihn eine Treppe hinauf und einen langen Gang hinunter, ehe sie vor einer Tür anhielt und aufschloss. „Nach Euch, Held von Helonia.“ sagte sie und hielt ihm die Tür auf, woraufhin er ohne zu zögern eintrat und seinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ. Ein großes Doppelbett stand direkt unter einem kleinen Dachfenster, in einer Ecke befand sich ein Schreibtisch, daneben ein Kleiderschrank, eine Kommode und ein großer Kamin. Der gesamte Boden war von einem Teppich bedeckt, der aus einem äußerst weichen Material zu bestehen schien, das ganze Zimmer schrie danach, dass Naruz sich normalerweise nie im Leben eine Nacht in solch einem Gasthaus leisten könnte. Als er sich wieder umdrehte hatte Alesia die Tür bereits hinter sich abgeschlossen, und fiel Naruz wieder um den Hals. Während Alesia sein Hemd aufknöpfte, streifte Naruz die Träger des Kleides von ihren Schultern, und öffnete die Rückseite des Kleides, woraufhin es einfach zu Boden glitt. Naruz öffnete seinen Gürtel und warf seine Sachen achtlos zur Seite, als er wieder zu Alesia sah, stand diese vollkommen nackt vor ihm und presste sich wieder gegen ihn. Als sie ihn küsste, drückten ihre weichen Brüste, gegen seinen freien Oberkörper, während ihre Hände über seinen Rücken fuhren und sich schließlich um seinen Nacken schlangen. Langsam versuchte Naruz, sie zum Bett zu führen, kam jedoch nicht soweit. Stürmischer, als er es der Cambeli jemals zugetraut hätte, drückte sie ihn zu Boden und drehte sich mit ihm, so dass er über ihr lag. Ihr Blick brannte vor Verlangen, woraufhin Naruz nicht länger an sich halten konnte. Ungestüm drang er in sie ein, was der Cambeli ein lautes Stöhnen entlockte, welches jedoch gedämpft wurde, als Naruz sich zu ihr hinabbeugte und sie küsste. Während er sich mit einer Hand abstützte, massierte er mit der anderen die rechte Brust der Cambeli, was dazu führte, dass diese ihre Beine fordernd um den Botschafter legte und ihn weiter in sich hineindrückte. In diesem Moment, war Naruz alles egal, die Eidolons, Dämonen, die Truhe, einfach alles. In diesem Augenblick, wünschte er sich lediglich, dass diese Nacht niemals enden würde...

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„Ihr müsst wirklich schon gehen?“ fragte Alesia und lächelte Naruz freundlich zu. Sie saß auf dem Bett, in eine Decke gehüllt und sah zur Tür hinüber, wo Naruz stand, in seinen Reisemantel gekleidet und mit seinem Rucksack auf dem Rücken.
„Es tut mir leid, ich wünschte, ich könnte noch ein wenig länger in Helonia bleiben... aber es ist sehr wichtig, dass ich die Truhe so schnell wie möglich öffne. Ich hoffe, Ihr könnt mir vergeben.“
„Natürlich, Ihr seid ein Botschafter der Gaia, ich bin mir sicher, was auch immer es mit dieser Truhe auf sich hat, ist von größter Wichtigkeit... könnt Ihr mir nur eines versprechen? Solltet Ihr jemals wieder nach Helonia kommen... also... ich wäre Euch äußerst dankbar, wenn Ihr mich einmal besuchen könntet.“ meinte sie, mit einem hoffnungsvollen Blick zu Naruz. „Ihr seid hier immer willkommen, denkt daran.“
„Natürlich, sollte mich meine Reise noch einmal nach Helonia bringen, werde ich Euch besuchen. Auf Wiedersehen, Lady Cambeli.“
„Auf Wiedersehen, Botschafter.“ mit diesen Worten zum Abschied, verließ Naruz das Gasthaus und begab sich zum Nordausgang von Helonia, wo Luther bereits auf ihn wartete.
„Ihr seid Euch sicher, dass Ihr es so machen wollt, Botschafter? Es ist erst um acht, hattet Ihr Aleyandra nicht gesagt...“
„Ich hatte nie vor, mit ihr nach Lunarin zu reisen.“ antwortete Naruz, und zwang sich zu einem Lächeln. Er hatte gesehen, wie sie sich im Kampf mit den Piraten verhalten hatte, und wie sehr sie es später bereut hatte, es wäre am besten, wenn er alleine nach Lunarin reiste um den Schlüssel zu kriegen, er sollte Aleyandra nicht in noch mehr Kämpfe verwickeln. Er musste bereits einmal einen Bekannten umbringen, nachdem dieser zu einem Dämon geworden war und an diesem Tag, hatte er sich geschworen, dass er so etwas nie wieder tun wollte. „Hier, dieser Brief ist für sie, in ihm werde ich ihr die ganze Sache erklären, sobald ich die Truhe geöffnet habe, werde ich zurückkommen, und ihr helfen. Ach ja, hier.“ meinte Naruz und warf Luther den Ring der Catseye Piraten zu. „Gebt ihr den Ring, zusammen mit dem Brief. Wenn sie ihn verkauft, dürfte sie genug Geld haben, um über die Runden zu kommen, ohne stehlen zu müssen, bis ich wieder da bin.“ Luther betrachtete den Ring, mit einem Funkeln in den Augen, dass Naruz ganz und gar nicht gefiel. „Ich warne Euch, wenn sie den Ring nicht kriegt...“
„Oh, keine Sorge! Ich bin nicht so dumm, mich gegen einen Botschafter der Gaia zu stellen.“ meinte Luther, und hob beschwichtigend die Hände. „Hier ist die Truhe.“ fügte er hinzu, und hob ein kleines Päckchen auf, dass neben ihm stand. Naruz nickte, und steckte die Truhe in seinen Rucksack, ehe er sich ein letztes mal an Luther wandte.
„Nun denn, ich wünsche Euch noch alles gute, Luther. Ich hoffe, das Leben in Helonia wird sich wieder normalisieren, jetzt wo die Piraten weg sind.“
„Das hoffe ich auch, und ich wünsche Euch viel Erfolg, bei Eurer Reise, Botschafter. Solltet Ihr jemals meine Hilfe brauchen, so zögert nicht, mich zu fragen, ich stehe noch immer in Eurer Schuld, für Eure Hilfe bei dieser Sache.“ Die beiden schüttelten sich die Hände, dann wandte Naruz sich ab und machte sich auf den Weg zu den Smaragdbergen. Nach einer Weile erschien Serif neben ihm und warf ihm einen prüfenden Blick zu.
„Bist du dir sicher, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast? Ich dachte eigentlich, du zählst sie zu deinen Freunden.“
„Genau deswegen ist es auch die richtige Entscheidung, ich werde nicht einen meiner Freunde umbringen, deswegen bin ich aus Skandia abgehauen, falls du dich erinnerst. Wenn sie zum Dämon wird...“ Naruz brach ab, und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, woraufhin Serif abwehrend die Hände hob.
„Schon gut Partner, deine Entscheidung. Ich wollte dir auch keinen Vorwurf machen. Ich folge dir, bis ans Ende der Welt, wenn es sein muss. Na ja, nicht dass ich eine Wahl habe, wenn man die Seelenbindung bedenkt, und...“ Naruz lachte kurz auf, und unterbrach Serifs Monolog damit.
„Du schaffst es jede Situation ins lächerliche zu ziehen, nicht wahr?“
„Eines meiner größten Talente.“ Naruz seufzte.
„Nun gut, vorerst müssen wir ja auch nicht ans Ende der Welt, sondern nur nach Lunarin. Sobald wir da sind, dürfte der schwerste Teil unserer Reise endlich hinter uns liegen.“ Zu diesem Zeitpunkt ahnte Naruz noch nicht einmal, wie falsch er mit dieser Vermutung eigentlich lag.
Zuletzt geändert von Mimir am 21. Juni 2014 13:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 24. Mai 2014 13:27

8. Die Geburtsstunde einer Stalkerin (Öffnen)
8. Die Geburtsstunde einer Stalkerin


Aleyandra befand sich seit ihrer Rückkehr inmitten eines Ozeans aus feiernden Heloniern, die sich anscheinend alle nicht mehr daran erinnerten, dass sie das weißhaarige Mädchen eigentlich nicht ausstehen konnten. Sie reichten ihr sogar Wein aus den unterschiedlichsten Regionen Midgards und davon massig. Man musste sie nicht einmal dazu überreden, denn Aleyandra trank gierig alles was man ihr anbot, ohne lange nachzudenken. Normalerweise bekam sie nur Wasser aus den Seen der Umgebung und im Moment fühlte sie sich wie im Himmel. Die Menschenmenge um sie herum verschwamm schon bald zu einem lauten Meer aus bunten Farben und rauschenden Geräuschen. Sie kannte kaum einen von diesen Menschen und wollte sie eigentlich auch nicht kennen. Irgendwann im Laufe des Abends verschwand dann Naruz aus diesem Gewirr von Leuten. Als Aleyandra sein Fehlen bemerkte, verlor sie auf der Stelle das Interesse an dem Fest. Es machte keinen Spaß seinen Sieg zu feiern, wenn er nicht dabei war. Trotzdem lächelte sie weiterhin und versuchte wenigstens mit den Lobeshymnen der Stadtbewohner zurecht zu kommen. Es war ihr unangenehm plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Normalerweise versuchte sie alles mögliche um unterzutauchen und unentdeckt genau diese Leute zu bestehlen, wobei sie sich niemals so unwohl gefühlt hatte.
Als die Nacht schon weit fortgeschritten war, löste sich die Menge der Feiernden nach und nach auf, bis auch Aleyandra endlich ihre Chance zur Flucht gekommen sah. Die restlichen Bürger auf dem Marktplatz waren zu sehr mit dem Wein beschäftigt und hatten sie schon längst vergessen, also machte sie sich aus dem Staub so schnell sie konnte. Was in ihrem Zustand nicht gerade besonders flott ging. Torkelnd stolperte sie in eine dunkle Gasse und stützte sich da an der Wand ab, um in Ruhe durchzuatmen und das Fest hinter sich zu lassen, bevor sie noch umkippte. Als sie endlich alleine war, tauchte aus dem Nichts Alessa auf, die sich den ganzen Abend über bedeckt gehalten hatte. Niemand hier wusste, dass auch Aleyandra eine Auserwählte Gaias war und dabei sollte es ihrer Meinung nach auch bleiben. Wenn man die berüchtigte Diebin und Unruhestifterin zu den Botschaftern Gaias zählte, würde der Ruf dieser allmächtigen Lichtgestalten darunter sicher leiden, zumindest hier in Helonia. Außerdem war es ihr gleichgültig was man hier über sie dachte. Morgen schon würde sie zusammen mit Naruz nach Norden aufbrechen und diesen Ort niemals wiedersehen.
„Alles in Ordnung, Aleyandra? Du hättest vielleicht nicht so viel trinken sollen, du siehst nicht gut aus.“ erklang sofort die nervige und besorgte Stimme ihres Eidolons. Im Moment, fand sie die schrillen Laute sogar irgendwie lustig.
„Ah. Das Einhörnchen ist wieder da. Hat mir grad noch gefehlt. Aber Heut, is es irgendwie leichter dich zu ertragen, du quietschendes, albernes, lächerliches Ding.“ lallte Aleyandra gut gelaunt und mit knallroten Wangen. Ihr einziges Problem war gerade, dass sie zwei Einhörner sah und das ließ sie für einen kurzen Moment panisch die Augen aufreißen, noch eine Alessa hätte sie nicht überlebt. Als sie sich wieder fing, stieß Aleyandra sich schwungvoll von der Häuserwand ab und taumelte ein paar Schritte rückwärts, bevor es ihr gelang sich halbwegs zu fangen. „Holn wir uns noch mehr Wein. Du kannst ein bisschen was vertragen, es würde dich weniger lästig machen. Können Eidolons überhaupt betrunken werden?“
„Nein, wir sind viel zu hoch entwickelt, um uns von so etwas beeinflussen zu lassen und ich würde so etwas niemals anrühren. Aber du bist etwas durch den Wind. Vielleicht solltest du dich lieber eine Weile hinsetzen und ausruhen.“
„Du hast vollkommen recht. Das Fest ist eh vorbei. Aber ich werde mich nicht nur hinsetzen, sondern sogar hinlegen. Ja, genau. Ich geh mich hinlegen, bis später.“
„Gute Idee.“ pflichtete ihr Alessa erleichtert bei. Sie konnte mit Aleyandras Zustand nicht viel anfangen und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie war noch ein recht junges Eidolon und hatte erst ein paar menschliche Begleiter gehabt. Keiner davon, hatte sich jemals für Alkohol interessiert. Es waren aber auch nie irgendwelche Diebinnen gewesen die keine Einhörner ausstehen konnten. „Vielleicht sollten wir jemanden fragen wo du übernachten kannst. Ich bezweifle, dass du es so zurück zu deiner Insel schaffst und ich will nicht, dass du ertrinkst. Irgendwer wird einen Platz haben, an dem du dich etwas hinlegen kannst.“
„Ich habe schon einen Platz auf dem ich liegen will und zwar auf Naruz.“ kicherte Aleyandra plötzlich los und konnte gar nicht mehr damit aufhören, was Alessa verwirrt mit den Hufen scharren ließ. Jetzt war ihre neue Herrin endgültig durchgedreht. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Mädchen sich von ihrem schlechten Scherz wieder erholt hatte und aufhören konnte zu Kichern. Als Aleyandra sich wieder beruhigte, taumelte sie aus der Gasse davon, ohne weiter auf Alessa zu achten. „Ich muss los.“
„Wo willst du denn jetzt hin?“ fragte das Einhorn besorgt nach, als sie spürte wie ihr Schützling langsam magische Kraft ansammelte. Für sie, wirkte Aleyandra gerade nicht so, als sollte man ihr erlauben Magie zu wirken.
„Suchen...muss Naruz suchen. Sofort. Auf der Stelle. Augenblicklich. Jetzt.“ flüsterte sie langsam und wie in Trance. Sie vermisste ihn und würde kein Auge zu tun, solange sie nicht bei ihm war. Sie wollte mit seinem Geruch in der Nase einschlafen, während sich seine Arme um sie legten und sanft in den Schlaf wiegten.
„Aber du hast doch keine Ahnung wo er ist. Außerdem schläft er vermutlich schon längst und ist genauso fertig wie du. Es war immerhin ein anstrengender Tag für euch beide. Lass ihn schlafen.“
„Ich kann ihn spüren. Kann fühlen, wo er ist. Nicht weit weg, ganz in der Nähe und wartet auf mich. Er will, dass ich ihn finde.“ Tatsächlich durchlief ein kurzes Kribbeln ihren Körper und sie konnte instinktiv sagen in welcher Richtung sie suchen musste. Es war so leicht ihn zu finden, seine magische Aura überstrahlte alle anderen Einwohner. Er war immerhin, genau wie sie, ein Gott unter Sterblichen und stach leicht aus der gewöhnlichen Masse hervor. „Bleib hier, Alessa, ich muss zu Naruz. Er wartet sicher schon sehnsüchtig.“
„Hey! Warte! Du kannst in dem Zustand nicht fliegen! Aleyandra!“ rief Alessa ihr aufgebracht hinterher, als sie sich vom Boden abstieß und mit kreiselnden Bewegungen in die Luft schraubte. Gerade zu fliegen war im Moment nicht möglich. Als sie über den Dächern des nächtlichen Helonias schwebte, hielt Aleyandra einen Moment lang inne, um die kühle Nachtluft einzuatmen, die ihr vom Meer aus ins Gesicht wehte. Sofort wurde es in ihrem Kopf wieder etwas klarer und es gelang ihr noch besser, sich auf Naruz zu konzentrieren. Ohne auf die Rufe von Alessa am Boden zu reagieren, schoss sie vorwärts und raste über die Stadt hinweg. Eine Weile flog sie mehr oder weniger ziellos umher, nicht sicher, ob der Alkohol ihre Magie zu stark beeinflusste und sie auf eine falsche Fährte locken wollte, denn nach ihrem Gespür, befand sich Naruz an einem Ort, an dem sie ihn niemals erwartet hätte. Nämlich im besten und teuersten Gasthaus der Stadt.
Aleyandra schüttelte diesen Gedanken ab und hielt direkt auf das edle Haus, das der Cambeli Familie gehörte und in dem sie ihn vermutete, zu. Als sie zur Landung ansetzte, bemerkte sie ihren dilettantischen Fehler. Sie war zu schnell und hatte in ihrem Zustand vergessen wie man bremste. Mit dem Kopf voran, prallte Aleyandra gegen die aufwendig verzierte Tür des Gasthauses und wurde in hohem Bogen auf die Straße zurückgeschleudert. Unsanft landete sie auf dem Pflaster und sah Sterne vor ihren Augen tanzen. Nach einer Weile, gelang es ihr mühsam sich aufzurichten. Stöhnend hielt sie sich den Kopf. Das fing ja gut an. Die Nacht konnte nur noch besser werden, dachte Aleyandra und rang sich ein schwaches Lächeln ab. Sie stolperte in Richtung Tür und stieß sie auf.
Sobald ihr nicht mehr schwindelig war, sah sie sich in der weitläufigen Eingangshalle um und schluckte nervös. Das hier war eigentlich kein geeigneter Ort für sie. An den Wänden hingen wertvoll aussehende Bilder und edle Vasen schmückten die hell erleuchtete Halle. Am anderen Ende stand ein Mann hinter einer Theke und musterte sie neugierig. Aleyandra fühlte sich sofort unwohl und dieses Gefühl wurde bei jedem ihrer Schritte über den flauschigen Teppich noch stärker. Sie war hier vollkommen fehl am Platz. Die Stadtbewohner hatten ihr ein paar alte Sachen überlassen, weil ihre vollkommen blutig waren, aber selbst in denen, hätte sie sich kein bisschen wohler gefühlt. Das hier war einfach kein Ort für sie. Nur die reichsten Händler und Reisenden übernachteten im Gasthaus der Cambeli und da Helonia schon immer Menschen mit zu viel Geld anzog, konnte Alesias Vater es sich auch leisten Höchstpreise zu verlangen. Für eine einzige Nacht in einem dieser Zimmer, müsste sie sieben weitere Jahre mit Taschendiebstahl verbringen oder den Wirt umbringen.
„Willkommen im Hause der ehrenwerten Cambeli.“ begann der Mann freundlich. „Ich kenne dich, oder? Du hast hier in der Stadt schon für ziemlich viel Ärger gesorgt, aber immerhin die Piraten vertrieben. Finde das gleicht alles wieder aus, also keine Angst, sprich ruhig. Was führt dich hierher?“
„Hasdugsehnnarus.“ brach es unkontrolliert aus ihr heraus, als es ihr endlich gelang den Mund zu öffnen und sofort wollte sie vor lauter Verlegenheit am liebsten im Boden versinken. Zu viel Wein und zu viel Angst, dass man sie sofort hinauswerfen könnte, ergaben keine hilfreiche Mischung bei ihrem Versuch vernünftig zu sprechen.
„Wie bitte?“ verwirrt starrte er sie an und beugte sich weiter zu ihr vor, um sie besser zu verstehen.
„Ich suche Naruz. Naruz aus Skandia und sein...sein ähm, dieses Ding...sein Eidonononon.“ versuchte Aleyandra es noch einmal, diesmal immerhin mit etwas mehr Erfolg. Mit unbegründetem Stolz darauf, dass es ihr wieder gelang zu Sprechen, fuhr sie fort und stolperte dabei noch immer ab und zu über ihre eigene Zunge, was sie aber geflissentlich ignorierte. „Wirre Haare. Seltsame Augen. Guckt etwas gelangeweiletet drein. Gesehen?“
„Der junge Botschafter Gaias?“ das bis eben noch immer verwirrte Gesicht des Mannes hellte sich augenblicklich auf, als er endlich wusste worüber sie redete. Hilfsbereit fuhr er schnell fort, bevor die fertig aussehende Aleyandra an Ort und Stelle einschlafen konnte. „Ja natürlich. Der ist vorhin hier angekommen. Müsste schon ne Weile her sein. Er befindet sich in Zimmer 18, das liegt im obersten Stockwerk, direkt an der Treppe. Er wohnt dort auf Kosten des Hauses. Wenn du willst, kannst du sicher auch dort übernachten, immerhin habt ihr die Piraten ja zusammen besiegt.“
„Dankeschön.“ murmelte sie sofort, ohne ihn wirklich zu hören. Erst nach und nach erreichten sie die Worte des Mannes und mit jeder Sekunde wurde sie wieder wacher. Sie durfte hier übernachten? Hier!? Normalerweise, hätte man sie schon in der Eingangshalle aufgehalten, hinausgeworfen und sich über ihre Frechheit aufgeregt. Aber heute, war alles anders. Heute ließ man sie einfach passieren und dem Wirt gelang es sogar sich ein halbwegs freundliches Lächeln abzuringen, obwohl er irritiert aussah, weil sie plötzlich anfing ziemlich debil zu Grinsen, während sie ihren Gedanken nachhing. Naruz muss gewusst haben dass ich ihn hier finde, dachte Aleyandra voller Vorfreude. So schwer war das auch nicht, immerhin gab es nicht sehr viele Gasthäuser in Helonia und Alesias Vater stellte ihnen sicher liebend gerne eine Unterkunft zur Verfügung, schließlich organisierte er bereits einfach so ein Fest für sie. Sie musste Naruz einfach lieben, dass er daran gedacht hatte ihnen tatsächlich, nur für sie, das teuerste und beste Zimmer der ganzen Stadt zu besorgen.
Eilig machte sich auf den Weg zur Treppe und rannte sie ungeduldig hinauf. Sie würde die Nacht in einem dieser Zimmer verbringen und zwar mit dem Mann den sie liebte. Es war wie ein einziger, wundervoller Traum. Wein so viel sie wollte, das beste Zimmer Helonias, Naruz und der Beginn einer Reise durch die geheimnisvollsten Gegenden Midgards. Und wenn im nächsten Moment ein furchtbarer Dämon aufgetaucht wäre um sie zu fressen, es hätte sie nicht gestört oder ihre Vorfreude zunichte gemacht. Als sie vor Zimmer Nummer 18 ankam, hielt sie an und versuchte erst einmal wieder zu Atmen zu kommen und sich zu beruhigen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich vorstellte, wie Naruz sie dahinter bereits ungeduldig erwartete. Mit einem freudig erregten Lächeln, hob sie ihren Arm und wollte vorsichtig an die Tür klopfen, als sie plötzlich etwas aus dem Zimmer hörte. Aleyandras Lächeln gefror zu Eis, als es ihr ohne Probleme gelang die Geräusche zu identifizieren. Ihre Hand verharrte direkt vor der Tür und begann unkontrolliert zu Zittern. Das konnte nicht sein. Hastig, und ohne zu wissen wieso, legte sie die Finger ihrer rechten Hand auf die Tür. Ein blaues, warmes Feuer verließ die Fingerspitzen und haftete an dem glatten Holz. Ihre Finger flogen panisch über die Tür. Zeichneten instinktiv Runen die sie nicht kannte und noch nie zuvor gesehen hatte. Sie rief Wissen ab, über das sie eigentlich gar nicht verfügte, Magie, die sie nicht kannte und von der sie noch nie etwas gehört hatte, aber im Moment, nahm sie keine Notiz davon. Ihr Gehirn arbeitete und bewegte ihre Finger, ohne dass sie darüber nachdachte. Als ihre Hand endlich zum Stillstand kam, brannten dutzende schlanke Runen auf der Oberfläche der Tür. Schwer atmend und erschöpft vom Einsetzen der fremdartigen Magie, sah Aleyandra zu, wie das helle, magische Feuer in dem Holz verschwand. Es wurde in die Tür hineingesaugt und ließ sie einen kurzen Moment lang in mystischem, blauem Licht erstrahlen.
Eine Weile passierte nichts und Aleyandra glaubte schon sich völlig umsonst verausgabt zu haben. Doch dann, begann das Holz zu verschwinden. Es wurde zu reinem Glas, dass sie unter ihren Fingerkuppen sogar spüren konnte und durch dass das ganze Zimmer vor ihr ausgebreitet lag, als wäre die Tür weit geöffnet. Ängstlich sah sie durch das magische Fenster hindurch und spürte, wie ihr Herz in Tausende winzige Stücke zerrissen wurde. Der Anblick verdrängt sofort jeden Gedanken an die Magie und daran, wie sie das überhaupt fertig gebracht hatte. Direkt auf der anderen Seite der Tür, breitete sich ein flauschiger, weißer Teppich aus und darauf wanden sich zwei nackte Gestalten, die ihr nur zu vertraut waren. Alesia Cambeli lag auf dem Rücken und hatte die Beine fest um Naruz geschlungen, der sich voller Begierde und Leidenschaft über sie beugte und sich auf ihr bewegte. Seine Hände wanderten dabei die ganze Zeit über den Körper der vor Lust aufstöhnenden Alesia. Aleyandra stand vollkommen neben sich, während sie den beiden zusah und ihre Augen wanderten direkt zu Naruz Gesicht. Er war vollkommen gefangen von Alesia und riss die Augen keine Sekunde von ihr los. Er schien nicht so, als würde er im Moment voller Schuldgefühle an sie denken, oder überhaupt einen einzigen Gedanken an sie verschwenden. Immer schneller wurde der Rhythmus, in dem die beiden sich bewegten und entweder waren sie zu vertieft in ihr Liebesspiel um sie zu bemerken, oder die Wirkung der eigenartigen Magie war nur für Aleyandra sichtbar. Was auch immer der Grund dafür war, es war ihr gleichgültig.
Als sie den Anblick endgültig nicht mehr ertragen konnte, schloss sie die Augen und spürte, wir ihr die ersten Tränen die Wangen herunter rannen. Schluchzend sank sie zu Boden und zog hilflos die Arme und Beine fest an ihren Körper. Sobald ihre Hand die Tür nicht mehr berührte, nahm sie ihre alte Gestalt wieder an, doch die Geräusche dahinter verstummten dadurch noch lange nicht. Im Gegenteil, ihre Intensität nahm sogar noch weiter zu, je näher die Beiden dem Höhepunkt kamen. Ein lustvoller Aufschrei der Cambeli ließ Aleyandra zusammenzucken und immer, wenn sie ein lautes Stöhnen hörte, zitterte sie am ganzen Körper. Sie sollte von hier verschwinden. Sollte einfach aufstehen und weggehen. Vergessen was sie hier gesehen hatte. Vergessen, dass sie ihn liebte. Aber sie konnte nicht. Ihr Körper fühlte sich taub und fremd an. Er reagierte nicht auf ihre Versuche aufzustehen. Unfähig sich zu rühren, weinte sie neben der Tür weiter und hoffte, dass die beiden sie nicht hören würden. Sie wollte nicht so gesehen werden, nicht von dem Mann, den sie eigentlich liebte. Wie kann er mir das antun, schoss es ihr verzweifelt durch den Kopf, während die letzten Tage vor ihr auftauchten. Sein Lächeln wenn er sie ansah, seine Küsse und Liebkosungen wenn sie Nachts zusammen waren. Das alles konnte keine Lüge gewesen sein, es war echt gewesen, es hatte sich echt angefühlt. Sie liebten sich.
Letztendlich riss sie etwas wieder aus ihrer Starre, etwas, das aus dem schmerzhaften Rauschen, zu dem das Stöhnen der beiden inzwischen geworden war, hervorstach. Ein paar eigentlich harmlose Worte, die sie so gerne in einer anderen Situation gehört hätte. Die Wörter ´Ich liebe dich`. Eiskalt lief es ihr den Rücken herunter, als sie merkte, dass es nicht Alesia gewesen war, die das sagte, sondern Naruz sanfte Stimme. Die Stimme, die Aleyandra sonst so leicht beruhigen und selbst aus dem tiefsten Blutrausch reißen konnte. Endlich spürte sie ihren Körper wieder und sprang sofort auf die Beine. Aleyandra rannte den Gang entlang, stürzte in ihrer Eile fast die Treppe hinunter und raste an dem schon wieder verwirrten Wirt vorbei. Sobald sie aus der Tür raus war, rannte sie weiter. Solange, bis die Nacht sich bereits dem Ende zuneigte.

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„Nein...nein. D-das m-muss ein Irrtum sein...er kann nicht schon weg sein. Das ist unmöglich.“ stammelte Aleyandra leise vor sich hin, als sie am nächsten Morgen mit vom Weinen roten Augen und Augenrändern erschöpft vor Luther stand. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, sondern war in Gedanken immer bei Naruz und Alesia gewesen. Vor allem ein bestimmter Gedanke beschäftigte sie und drängte sich immer wieder in den Vordergrund. Was hatte sie falsch gemacht? Was hatte sie getan, um ihn in die Arme dieses Mädchens zu treiben? Er hätte auch einfach jederzeit zu ihr kommen können, anstatt mit Alesia mitzugehen. Oder war sie ihm nicht gut genug? Vielleicht hatte er nur auf ihren Kuss reagiert, weil sie sich zu dem Zeitpunkt mitten in der Wildnis befunden hatten und es keinerlei bessere Alternativen gab.
„Aber so ist es. Er ist gleich nach Sonnenaufgang aufgebrochen und hat die Truhe mitgenommen.“
„Haben Sie mir nicht zugehört? Es kann einfach nicht sein. Er hat mir versprochen, dass wir gemeinsam nach Lunarin aufbrechen und zwar genau jetzt, um 10 Uhr. Er verspätet sich vielleicht nur, das ist alles und Sie haben sich bestimmt verhört.“
„Tut mir leid, ich weiß nicht warum er schon so früh weg ist. Das hier ist alles, was er mir vorhin gegeben hat.“ der Stellvertreter der Bürgermeisterin sah sie entschuldigend an und kramte in seinen Taschen herum. Er übergab der weggetretenen Aleyandra einen silberner Ring, in dessen Mitte ein Smaragd funkelte und einen Brief. Danach ließ er sie alleine auf der Straße stehen, um wieder seiner Arbeit nachzugehen.
Langsam steckte Aleyandra den Brief in eine ihrer Taschen, ohne ihn auch nur anzusehen. Sie wollte seine Lügen gar nicht hören. Oder vielleicht, ist es auch die Wahrheit, die ich nicht hören möchte, dachte sie unbehaglich, während sie den Ring in ihren Fingern drehte und angewidert betrachtete. Dieses kleine Schmuckstück war sogar noch schlimmer als der Brief. Was sollte das sein? Ihre Bezahlung? Hielt er sie für eine Hure, die er noch schnell für ihre Dienste entlohnen musste? Gerade wollte Aleyandra wütend den Ring wegwerfen, als sie den einzigen Menschen über die Straße sehen sah, dem es gelang sie im Moment von Naruz abzulenken. Alesia. Sie trug eine weiß-blaue Bluse aus Seide. Der sehr kurze, aufreizende Rock, war genauso in weiß gehalten wie die langen, dünnen Strümpfe. Hohe dunkelblaue Stiefel rundeten ihr Outfit ab und verglichen damit, kam sich Aleyandra in ihren abgetragenen, groberen Sachen gerade wie eine Bettlerin vor. Schnell ließ sie den Ring neben dem Brief in ihre Hosentasche gleiten und ging auf Alesia zu, wobei sie versuchte möglichst unbedrohlich zu wirken, worin sie nicht sehr viel Erfahrung hatte.
„Aleyandra, du bist noch hier?“ fragte die Cambeli erstaunt, als sie das weißhaarige Mädchen plötzlich stumm vor sich stehen sah. Das letzte mal, als sie sich so nah gewesen waren, hatte Aleyandra ihr das Kleid ruiniert, aber im Moment war ihre Laune einfach zu gut, um darauf böse zu sein. „Ich dachte du bist zusammen mit Naruz aufgebrochen. Wolltest du nicht auch nach Lunarin reisen?“
„Warum sollte ich? Das ist eine Angelegenheit für einen Botschafter Gaias und nicht für mich.“ antwortete Aleyandra kühl und musste sich zusammenreißen, um alleine beim Klang ihrer freundlichen Stimme nicht die Hände zu Fäusten zu ballen. Stattdessen schluckte sie ihren Zorn vorerst hinunter und sprach rasch weiter. „Wie geht es dir, Alesia? Ich habe gehört es war eine anstrengende Nacht für dich. Für dich und natürlich für den großen Helden.“
„D-du weißt davon? W-woher? W-w-wer h-hat dir das g-gesagt?“ stammelte Alesia und lief sofort rot an, als sie unter Aleyandras prüfendem Blick zusammenschrumpfte. Eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet so schnell aufzufliegen. Hatte es noch jemand gemerkt? Wenn ihr Vater Wind davon bekam, war sie erledigt.
„Naruz hat es mir erzählt, bevor er aufgebrochen ist.“ log Aleyandra ohne mit der Wimper zu zucken und auch ohne wirklich zu wissen warum. „Keine Sorge, ich erzähle es schon nicht herum.“
„Oh, das ist gut. Eigentlich sollte ich jetzt sauer auf Naruz sein, aber immerhin kann ich endlich mit jemandem darüber reden. Ich platze schon den ganzen Tag vor Glück und muss einfach mit irgendwem sprechen. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie es war, in den Armen eines Botschafters der Gaia zu liegen. Es war überwältigend.“ Als Aleyandra bei diesen Worten kurz das Gesicht verzog und es einen Moment lang nicht schaffte ihre wahren Gefühle zu verbergen, brach Alesia stutzend ab und fuhr dann etwas leiser und mit gedämpfter Stimme kleinlauter fort. „Außerdem, wollte ich dich etwas fragen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob zwischen euch etwas war, also habe ich ihn gefragt. Das letzte was ich wollte, war mich zwischen ein glückliches Paar drängen und vielleicht eine Beziehung zu zerstören. Naruz meinte, dass er keine Freundin hat. Stimmt das? Weil wenn...“
„Es stimmt was Naruz sagte.“ unterbrach sie Aleyandra rasch, was Alesia erleichtert aufatmen ließ. Bei dem Gedanken daran, jemand anderen unglücklich zu machen, hätte sich die Cambeli nicht wohl gefühlt, aber so konnte sie das anhaltende Glücksgefühl voll auskosten. „Keine Sorge, zwischen uns war nie etwas. Ich habe ihn gemocht, mehr aber auch nicht. Wir waren nur Freunde.“
„Das ist gut, dann ist ja alles in Ordnung. Weißt du, ich habe schon vermutet, dass zwischen euch gar nichts gewesen sein kann. Er ist letzte Nacht immerhin wie ein ausgehungertes Raubtier über mich hergefallen. Ich bin mir sicher, er hat schon seit viel zu langer Zeit nicht mehr bei einem hübschen Mädchen gelegen, das hat man ihm angemerkt. Wir sind kaum zum Schlafen gekommen, eigentlich sogar gar nicht, sondern haben die ganze Nacht weitergemacht.“ schwärmte Alesia weiter, ohne zu bemerken wie sehr Aleyandra litt. Die Cambeli meinte es nicht einmal böse, sondern war gerade in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen, in der nur noch sie und Naruz existieren.
„Tatsächlich?“ Sie musste sich immer mehr zusammenreißen. Ausgehungert? Sie war doch erst in der Nacht davor mit ihm zusammen gewesen.
„Er hat sogar gesagt, dass er mich liebt. Naja, es war natürlich nicht ernst gemeint, aber es hat sich trotzdem gut angefühlt es zu hören. Dadurch werde ich die Zeit mit ihm sicher niemals vergessen.“
„Wie hast du ihn dazu gebracht so etwas zu sagen?“ Aleyandra versuchte das verräterische Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen. Sie wollte eigentlich nicht noch mehr über diese Nacht wissen, aber aus irgendeinem Grund, stand sie trotzdem hier und hörte es sich an. Der Schmerz, der bei jedem Satz von Alesia ihren Körper durchzuckte, fühlte sich im Moment erstaunlich gut an. Er zeigte ihr, dass sie immerhin noch lebendig war, trotz gebrochenem Herzen.
„Mhm. Gute Frage eigentlich. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich schätze, es ist einfach so passiert, in der Hitze der Leidenschaft. Da sagt man manchmal Dinge, die einem normalerweise nicht über die Lippen kommen würde. Und...und...i-i-ich...“ stotternd brach Alesia ab und lächelte glückselig vor sich hin, als sie sich in Gedanken wieder bei dieser Nacht befand. Bei Naruz feurigen Berührungen und seinen Küssen voller Verlangen und Begierde. „Ich weiß, dass er es nur so gesagt hat und sich nichts dabei dachte. Doch es hat mir wenigstens das Gefühl gegeben, dass er nur mir gehört. Zumindest für diese eine Nacht.“
„V-verstehe.“ inzwischen gingen sie nebeneinander her und Aleyandra führte die abgelenkte Alesia in eine ausgestorbene Seitengasse, in der sie ungestört waren.
„Was hast du eigentlich jetzt vor, nachdem du die Heldin der Stadt bist? Es gibt sicher jemanden, der dir Arbeit hier anbieten kann, dann musst du nicht mehr stehlen. Vielleicht findet sich sogar irgendwo ein hübsches Zimmer für dich. Oh ich weiß, du könntest im Gasthof meines Vaters arbeiten.“ sprudelte es voller Freude aus Alesia heraus.
„Als erstes, werde ich mir was anderes zum anziehen besorgen. Übrigens, ich mag diesen Rock und auch deine anderen Sachen, sie sind wirklich schön.“ langsam schlich sich ein bedrohlicher Unterton in Aleyandras Stimme. Ein gefährliches Knistern, dass Alesia eigentlich warnen sollte schnell das Weite zu suchen.
„Danke. Mein Vater hat mir das alles vor ein paar Monaten aus Navea mitgebracht. Ich trage es andauernd, es ist hübsch, oder? Vielleicht solltest du einmal zu uns kommen. Wenn du in der Stadt wohnst, brauchst du auch vernünftige Kleidung. Vielleicht könnte ich dir ein paar meiner alten Sachen anbieten? Ich weiß ja nicht, wie viel du noch bei dir auf deiner Insel hast.“
„Was dagegen, wenn du mir diese Sachen gibst?“
„W-was? Das sind meine Lieblingssachen.“ wehrte Alesia verwirrt ab, doch dann schimmerte kurz ihre Abstammung als Händlertochter durch und sie fragte belustigt: „Oh, oder fragst du mich gerade, ob du meine Kleidung kaufen kannst?“
„Nein, das wäre schließlich seltsam und lächerlich.“ lachte Aleyandra und Alesia fiel in ihr Gelächter ein, aber nur kurz, denn ein düsteres Lächeln tauchte plötzlich in Aleyandras Gesicht auf, als sie deutlich ernster fort fuhr. „Außerdem besitze ich kein Geld. Deine Sachen will ich trotzdem haben, ich finde wenigstens das steht mir zu, wenn du mir schon meinen Geliebten gestohlen hast.“
„A-aber du sagtest doch das zwischen dir und Naruz nichts...“
„Ausziehen.“ sagte Aleyandra laut und zog eine ihrer Pistolen hervor.
„Das ist doch lächerlich. Aleyandra, du...“
„Ich sagte, ausziehen.“ Ohne auf eine weitere Erwiderung der Cambeli zu warten, richtete sie die Pistole auf das andere Mädchen und drückte sie fest gegen deren Stirn. Alesia wich hastig vor ihr zurück und stieß dabei an die Wand der kleinen Gasse, während Aleyandra ihr folgte und die Waffe wieder direkt in ihr Gesicht hielt. „Gib mir alles was du trägst und zwar jetzt sofort.“
„Das meinst du nicht ernst, oder? Du würdest mich nicht wirklich einfach so erschießen, nur wegen...“
„Gestern habe ich mehr als sechzig Männer getötet, die ich nicht einmal kannte. Die mir nichts getan hatten, außer zwischen mir und einer dämlichen Truhe zu stehen, die vermutlich rein gar nichts wert ist.“ Aleyandras Stimme vibrierte vor Aufregung und sie konnte es wieder spüren. Dieses Gefühl der absoluten Macht, das sie schon am Strand so sehr genossen hatte. Das Leben der Frau, die ihr Naruz geraubt hatte, lag in ihrer Hand und sie könnte es jederzeit auslöschen. „Glaubst du wirklich, ich würde dann bei irgendeiner billigen Schlampe zögern abzudrücken? Gib mir deine Sachen, oder du hast ein hübsches, großes Loch im Kopf.“
„Du bist verrückt.“ murmelte Alesia vor sich hin und starrte in die roten Augen des anderen Mädchens, die sie durchbohrten und dabei tödlichen Ernst versprühten, gepaart, mit einem Hauch von dem Wahnsinn, der sie schon am Strand vollkommen vereinnahmt hatte. Zögerlich begann Alesia ihre Bluse aufzuknöpfen. Die Kleidungsstücke warf sie dem weißhaarigen Mädchen zu, das sie voller Schadenfreude beim ausziehen beobachtete. Als Alesia nur noch ihr Höschen trug, ließ Aleyandra sie aufhören. Die halbnackte Cambeli verschränkte die Arme vor ihren Brüsten und starrte verlegen und wütend zu Boden.
„Das reicht. Den Rest brauche ich nicht, immerhin will ich mir nichts einfangen. Ach ja und die Arme da weg, sofort.“ fügte sie hinzu und deutete mit der Pistole auf die verschränkten Arme. Zögerlich legte Alesia sie flach an ihre Seite und musste sich Aleyandras neugierigen Blicken aussetzen. Aleyandras rote Augen huschten prüfend über den Körper der Cambeli und betrachteten sie ganz genau. Wieso war er mit Alesia gegangen, anstatt einfach zu ihr zu kommen? Gut, die Cambeli war fast zwei Jahre älter als sie und damit etwa genauso alt wie Naruz. Außerdem wirkte sie insgesamt fraulicher und weiter entwickelt als die zierliche Aleyandra und sie hatte kurze Haare. Naruz mochte kurze Haare, glaube sie jedenfalls. Er hatte es irgendwann in ihrer gemeinsamen Zeit einmal erwähnt. Die Brüste der Cambeli waren außerdem größer als ihre eigenen. Lag es vielleicht einfach nur daran, schoss es Aleyandra kurz durch den Kopf, vielleicht stand Naruz ja einfach mehr auf so was? Daran konnte sie aber nicht viel ändern, also verbannte sie diesen Gedanken schnell wieder aus ihrem Kopf. Vielleicht besprang Naruz einfach alles was sich gerade in Reichweite befand und kümmerte sich ansonsten nicht groß ums Aussehen. Ja, das war eine gute Erklärung, mit der Aleyandra für den Moment leben konnte. Sie jedenfalls fand die Cambeli nicht hübscher als sich selbst. Mit einem genervten Seufzer, fragte sie sich, wieso sie im Moment nur an Schwachsinn denken konnte. Naruz musste ihr Gehirn mit irgendeinem Zauber in Stroh verwandelt haben. „Gut, vielen Dank für den grässlichen Anblick. Ich verstehe nicht was Naruz an dir gefunden hat. Vermutlich haben ihn die Piraten irgendwie am Kopf getroffen. Du darfst jetzt nach Hause gehen.“
„Aber unser Haus liegt am anderen Ende der Stadt!“ begehrte Alesia auf, wodurch sofort wieder die Pistole vor ihrem Gesicht schwebte.
„Ich weiß. Vielleicht beeilst du dich besser, es sieht nach Regen aus. Ach ja, die Arme bleiben dort wo sie jetzt sind, an der Seite und es wird nicht gerannt. Ich möchte, dass du schön in Ruhe nach Hause gehst, langsam und normal, als wäre alles in Ordnung. In der Zwischenzeit, bin ich da oben, auf den Dächern, und beobachte dich. Wenn du dich nicht daran hältst, jage ich dir eine Kugel in den Schädel. Alles so weit verstanden oder muss ich es noch mal wiederholen?“
„W-w-wieso...“ Alesia brach ab und schluchzte leise, als sie daran dachte so durch ganz Helonia zu gehen, dabei hatte sie doch gar nichts falsches getan. Naruz hatte gesagt dass er frei wäre und war freiwillig mit ihr gegangen. „Wieso tust du das?“
„Jeder soll erkennen, dass du nichts weiter bist als eine schamlose Hure. Aber vor allem, weil es gut tut. Und jetzt los, ich will dich nie wieder sehen.“ Aleyandra scheuchte die Cambeli mit ihrer Pistole vorwärts, hinaus aus der Gasse und auf die belebten Strafen hinaus. Während Alesia, am ganzen Körper zitternd, weiterging, flog Aleyandra auf ein nahes Dach, von wo aus sie eine gute Aussicht hatte. Grinsend setzte sie sich auf die Dachschindeln, schlug die Beine übereinander und sah belustigt zu, wie Alesia die Straße entlangging und immer wieder panische Blicke zu den Dächern hoch warf, um zu sehen, ob die Irre sie noch verfolgte. In ihren Augen funkelten schon nach wenigen Schritten die ersten Tränen. Sobald die Helonier begannen sie anzustarren und zu tuscheln, konnte Alesia nicht mehr an sich halten und wollte anfangen zu rennen oder sich wenigstens die Blößen zu bedecken. Doch aus Angst vor Aleyandras Pistolen, setzte sie ihren Spießrutenlauf fort, was Aleyandras Laune tatsächlich etwas hob.

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Als die Cambeli aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, ließ Aleyandra sich nach hinten auf das Dach fallen und blieb reglos liegen. Das Glücksgefühl verflüchtigte sich, sobald sie wieder zur Ruhe kam und hinterließ nichts als stumpfe, eintönige Leere. Ihre kleine Aktion hatte für einen kurzen Augenblick wirklich gut getan, sich zumindest ein bisschen an ihr zu rächen, aber letztendlich änderte es nichts mehr an ihrer Situation. Naruz war weg. Alesia würde über diese kleine Demütigung schnell hinwegkommen und weiter durch die Gegend vögeln und alles würde genauso bleiben wie es jetzt war. Aleyandra strich über die Seide der Kleidung, die sie noch immer in ihren Händen hielt und bildete sich ein, das Naruz Geruch daran haftete. Immerhin hatte sie es nach dieser Nacht mit ihm getragen. Sie drehte sich langsam auf die Seite und das Hochgefühl war endgültig verschwunden. Der Schmerz über den Verlust ihrer angeblich großen Liebe stürzte wieder über sie herein und obwohl sie sich geschworen hatte endlich nicht mehr zu weinen, begann sie wieder lauthals zu Schluchzen. Alessa tauchte neben ihr auf dem Dach auf und sah sie einfach nur mitleidig an, während sie weinte und an Naruz dachte. Dabei wusste dieser Idiot vermutlich nicht einmal wie sehr er sie verletzt hatte. Nein, er hatte sie nicht nur verletzt. Er hatte sie gebrochen. Er war ihre erste große Liebe. Sie hatte sich schon ausgemalt mit ihm nach Navea zu reisen und sogar noch weiter in den Norden. All diese glücklichen Jahre, von denen sie in den letzten Tagen geträumt hatte, verblassten bereits vor ihrem inneren Auge und verschwanden genauso wie alles andere.
„Willst du den Brief nicht öffnen, Aleyandra?“ fragte Alessa vorsichtig, als das Schluchzen nachließ und Aleyandra nur noch hin und wieder ein leises Wimmern von sich gab, was zumindest das Einhorn als ein kleines Zeichen dafür ansah, dass sie sich wieder beruhigte.
„Nein. Mach damit was du willst.“ flüsterte das Mädchen mit erstickter Stimme und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie wollte einfach nur hier liegen und an nichts mehr denken, schon gar nicht an Naruz. Alessa aber, ließ sich leider nicht so leicht abwimmeln. Sie wollte nicht, dass Aleyandra in diesem Zustand blieb und in Selbstmitleid versank. Vielleicht stand in dem Schreiben irgendetwas, was sie wieder aufheitern konnte. Irgendeine Erklärung von Naruz, irgendeine Art der Entschuldigung, einfach irgendetwas. Ihr messerscharfes Klingenhorn öffnete geschickt den Umschlag und durchtrennte das Papier. Mit ihren Zähnen zog sie den Brief heraus und legte ihn vor sich auf die blauen Dachschindeln, bevor sie anfing laut vorzulesen und dabei nicht bemerkte, wie Aleyandra nach jedem Satz noch fahler wurde.

Es tut mir leid, dass ich dich zurücklassen musste, Aleyandra, und auch, dass ich die Truhe mitgenommen habe. Ich habe nicht versucht dich auszutricksen oder die Truhe zu stehlen. Wir beide haben sie uns verdient, gemeinsam.
Aber ich weiß, wie sehr du unter dem leidest, was am Strand und im Lager der Piraten passiert ist. Ich habe gesehen, wie du zusammengebrochen bist und den Anblick, wollte ich nie wieder ertragen müssen. Du verdienst es nicht, so etwas noch einmal durchmachen zu müssen und wärst du mit mir nach Norden gezogen, wären weitere Kämpfe vielleicht unvermeidlich gewesen. Ich hätte nicht für denen Schutz garantieren können.
Noch einmal sollst du nicht dem Blutdurst verfallen und du wirst auch niemanden mehr töten müssen, das verspreche ich dir, Aleyandra. Ich habe einmal miterlebt, wie ein Freund von mir zu einem Dämon mutierte, weil die unvergleichliche Macht Gaias ihn übermannte. Das gleiche soll niemandem mehr passieren, schon gar nicht dir.
So ist es besser für dich, vertraue mir. Sobald ich einen Weg gefunden habe die Verbindung zwischen unseren Eidolons zu trennen, komme ich zurück nach Helonia und helfe dir. Warte einfach auf unsere Rückkehr mit dem Artefakt. Serif und ich...“


„Hör auf!“ schrie Aleyandra sie plötzlich an und sprang auf, wobei sie fast auf den rutschigen Schindeln den Halt verloren hätte. Wutentbrannt starrte sie Alessa an, die erschrocken verstummte und sie entschuldigend ansah. „Ich will das nicht hören! Wirf den Brief weg, sofort!“
„Aber ich dachte es würde dir helfen. Tut mir leid, ich habe es nur gut gemeint, Aleyandra. Lass mich es zu Ende lesen, vielleicht...“
„Wirf ihn weg! Hast du mich nicht gehört?“ Aleyandra ging zielstrebig auf das Einhorn zu, riss den Brief unter Alessas Hufen hervor und knüllte ihn zusammen. Achtlos ließ sie ihn vom Dach segeln und er verschwand irgendwo im Dreck der Straßen von Helonia, dort wo er hingehörte. Noch immer zornig wandte sie sich wieder an ihr Eidolon. „Sei froh, dass ich dich nicht hinterher werfe.“
„Warum hast du das getan? Der Brief hat doch erklärt warum er weg ist! Warum bist du jetzt noch wütender als vorher?“ fragte Alessa voller Unverständnis. Für sie sah es immerhin so aus, als läge ihre Herrin diesem Naruz am Herzen, zumindest genug, damit er sich um ihre Sicherheit sorgte und sie konnte das sehr gut nachvollziehen. Es war am besten, wenn Aleyandra nie wieder in so einen Kampf geriet. Am Strand hatte sie Alessa eine furchtbare Angst eingejagt.
„Weil es alles gelogen ist! Jedes einzelne Wort ist nur dazu da, um sich über mich lustig zu machen und mich zu verhöhnen. Mich und meine Gefühle, die er mit Füßen tritt.“ brachte Aleyandra schluchzend hervor. „Er ist nicht alleine gegangen um mich zu beschützen. Das ist Schwachsinn, denn ich bin ihm egal. Es interessiert ihn einen Dreck, ob ich noch einmal in einen Blutrausch verfalle oder mich in einen Dämon verwandle. Naruz wollte mich doch nur loswerden, damit er sich in Ruhe durch ganz Midgard vögeln kann. Auch im nächsten Dorf wird es eine Alesia geben und in dem danach. Er hat mich einfach abgeschoben als ich ihm langweilig wurde. Das ist die Wahrheit und nicht dieser Schwachsinn in dem dämlichen Brief, hast du das verstanden!“
„Das ist nicht wahr! Ich glaube er sagt die Wahrheit in diesen Zeilen und das weißt du auch! Du solltest dich nicht so sehr von ihm herunterziehen lassen. Vergiss ihn doch einfach, immerhin hast du noch mich. Am besten, wir machen einen kleinen Spaziergang, ich weiß, dass der idiotische Schreiberling es liebt so was einzubauen. Ist einer seiner kranken Fetische, aber nicht weitersagen, das ist ein Geheimnis.“
„Weißt du was, Alessa?“
„Was?“ fragte das Einhorn vorsichtig nach und rechnete damit, dass Aleyandra jeden Moment explodieren konnte.
„Du hast dieses eine Mal sogar recht. Ich darf mich nicht von Naruz unterkriegen lassen und ihm nachweinen.“ murmelte sie und Alessa kommentierte ihre Worte mit einem eifrigen Nicken, das sie unterlassen hätte, wenn sie gewusst hätte, was als nächstes kam. „Es wird Zeit, dass ich von hier verschwinde. Ich werde ihm folgen und ihn zur Rede stellen. Ich will keinen Brief voller Lügen. Er soll mir die Wahrheit ins Gesicht sagen, anstatt sich heimlich aus dem Staub zu machen.“
„W-warte. Was willst du ihm denn sagen wenn du ihn findest?“
„Weiß ich noch nicht und es ist auch egal. Ich lasse mir etwas einfallen wenn es so weit ist.“ Aleyandra packte das kleine Bündel mit Alesias Kleidung und klemmte es sich unter den Arm. Immerhin würde sie gut aussehen, wenn sie Naruz einholte. Es sollte ihr nicht weiter schwer fallen ihn zu finden. Er war in Richtung Nordwesten unterwegs. Sie musste nur die Strecke nach Lunarin fliegen und irgendwann würde sie ihn spüren. Kurz strich sie mit den Fingern über eine der Pistolen an ihrer Seite. Sie wusste wirklich noch nicht, was sie machen würde, sobald sie ihn fand. Im Moment, schwankte sie zwischen zwei Möglichkeiten. Erstens, sie fiel ihm um den Hals und weinte vor Freude ihn wieder zu sehen. Zweitens, sie jagte ihm eine Kugel in den Kopf. Beides erschien Aleyandra im Moment ausgesprochen verlockend. „Also dann, gehen wir.“
„Das geht nicht! Du hast keine Vorräte und auch kein Geld um welche zu kaufen. Wenn du einfach so Hals über Kopf aufbrichst verhungerst du unterwegs.“
„Ich könnte...“ Aleyandra brach ab, als es ihr nicht gelang diesen Satz auszusprechen. Sie dachte daran den Ring zu verkaufen, den Naruz ihr dagelassen hatte. Es wäre die leichteste Lösung, aber das brachte sie einfach nicht übers Herz. Also, griff sie auf das zurück, was sie am besten konnte und womit sie seit Jahren zurecht kam. Stehlen. „Ich klau mir die Sachen einfach. Es gibt zwischen hier und Lunarin mehr als genug Bauernhöfe. Da wird es leicht sein etwas zu Essen mitgehen zu lassen.“
„Das halte ich für keine gute Idee. Ich sagte doch, dass du nichts stehle darfst. Das ist nicht gut für eine Dienerin Gaias. Es...“
„Du kannst ja hierbleiben wenn du willst.“ fuhr Aleyandra sie noch ein letztes mal an, bevor sie Richtung Norden davon flog. Gezwungenermaßen folgte Alessa ihr, auch wenn sie ein wirklich mieses Gefühl bei der Sache hatte.



„Müssen wir das denn schon wieder durchkauen? Du nervst mich jetzt schon den ganzen Tag damit, Serif.“ seufzte Naruz, während er seine Decke über sich ausbreitete und sich an einen Baum auf einer Lichtung lehnte. Sie befanden sich in einem kleinen Wald nahe der Smaragdberge. Irgendwo hier in der Nähe, hatte er auch mit Aleyandra übernachtet. Etwas woran er im Moment nicht gerne denken wollte.
„Ich verstehe einfach nicht, warum du das getan hast.“ begehrte Serif weiterhin auf und wollte einfach nicht locker lassen „Warum hast du Aleyandra zurückgelassen? Ich habe langsam angefangen mich an ihre Gesellschaft zu gewöhnen. Sie fand mich immerhin niedlich und das bin ich auch. Gut, die Sache mit dem Kleid war etwas verstörend, aber ansonsten...“
„Du weißt genau, warum ich sie nicht mitnehmen konnte. Du hast sie schließlich im Piratenlager gesehen. Aleyandra ist vollkommen ausgerastet. Sie hat die Wachen praktisch zerlegt und sich an ihrem Leid auch noch ergötzt. Selbst bei Brian habe ich nicht so viel Brutalität erlebt. Ich will nicht, dass sie sich in einen Dämon verwandelt, aber vor allem, will ich sie nicht töten müssen, wenn es so weit ist.
„War das auch der Grund für die Nacht mit Alesia?“ stellte Serif eine Frage, die Naruz wirklich überraschte. Natürlich war das auch einer der Gründe gewesen. Aleyandra hatte ihm Angst eingejagt, zumindest ein kleines bisschen. Er war sich sicher, dass er es mit Serif´s Hilfe mit ihr aufnehme könnte falls nötig, aber er wollte es lieber niemals darauf ankommen lassen, dazu wirkten ihre Pistolen zu zerstörerisch.
„Auch, aber nicht nur, denke ich jedenfalls. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht genau warum ich mit Alesia mitgegangen bin. Es erschien mir einfach richtig in dem Moment. Aber was soll daran so schlimm sein? Sie sieht umwerfend aus und ist immerhin auf mich zugekommen.“
„Fühlst du dich denn nicht wenigstens ein bisschen schuldig wegen Aleyandra?“
„Doch, natürlich.“ lenkte Naruz ein. Im Nachhinein schon, aber während er bei Alesia gewesen war, hatte er alles vergessen und einfach an gar nichts mehr gedacht. Er würde nicht so weit gehen und behaupten, dass er sich in Alesia verliebt hatte, denn das wäre gelogen. Aber sie hatte etwas geschafft, was er für unmöglich hielt, ihn von den schrecklichen Träumen und Dämonen abgelenkt. „Es ist nicht so, als wären Aleyandra und ich zusammen gewesen. Sie selber sagte, dass sie nur etwas Spaß wollte und den hatten wir. Sie wird sich in ein paar Wochen kaum noch an mich erinnern. Wir kannten uns immerhin nur ein paar Tage. Bin ich jetzt mit jedem Mädchen verheiratet das ich länger als drei Tage kenne? Sie war sehr niedlich, aber sie liebt mich nicht und ich sie auch nicht. Die Zeit mit ihr war schön und gleichzeitig auch irgendwie anstrengend, um ehrlich zu sein. Bei jedem falschen Wort oder jeder falschen Bewegung, musste man sofort damit rechnen, dass sie einfach...zerbrach. Es ist schwer in Worte zu fassen. Sie wirkte so verletzlich und schwer zugänglich. Ich glaube sie hatte manchmal sogar Angst vor meinen Berührungen. Aber Alesia...mit ihr war es einfach vollkommen anders. Sie ist so voller Leidenschaft und Feuer. Es war so leicht mit ihr, wir haben uns stumm verstanden. Wenn ich nur an sie denke, möchte ich schon am liebsten so schnell wie möglich zurück nach Helonia rennen und noch so eine Nacht mit ihr verbringen.“
„Klingt als würdest du Aleyandra verglichen mit ihr langweilig und öde finden...“
„Das ist nicht wahr, es war schön mit ihr zusammen zu sein und ich wünschte ich könnte sie mit nach Lunarin nehmen, aber sie wirkte in jeder Nacht fast so als würde sie sich vor mir fürchten. Von Leidenschaft war wenig zu spüren. Vielleicht, verkraftet sie meine Abreise sogar ziemlich gut, es schien ihr eh nicht gefallen zu haben.“ Naruz legte eine kurze Pause ein, in der er an ihre vor Freude leuchtenden Augen dachte, wenn er sie auch nur ansah und musste lächeln. „Ich vermisse sie trotzdem, irgendwie.“ flüsterte er plötzlich und war zum ersten mal tatsächlich besorgt und zweifelte daran, ob es so eine gute Idee gewesen war sie alleine zurückzulassen. „Hoffentlich erzählt Alesia ihr nichts davon. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie es nicht gut aufnehmen würde.“
„Ach, tatsächlich? Erstaunlich wie klug du doch bist, oh großer und allmächtiger Auserwählter Gaias.“
„Ja ja, mach dich ruhig lustig über mich. Ich denke, dass sie zurecht kommen wird. Belassen wir es einfach dabei, ja?“ Als Serif zustimmend nickte, war das Thema endlich erledigt und er konnte schlafen. Der Weg nach Lunarin war noch weit und beschwerlich, da konnte er jede Minute Schlaf gebrauchen. „Also dann, gute Nacht, Serif. Ich verlass mich darauf dass du Wache hältst. Weck mich falls es Probleme gibt.“
„Du kannst dich auf mich verlassen, Partner. Ich bin immerhin ein Eidolon. Wir können Tausend Jahre lang wach bleiben und ich schwöre bei Gaia, dass nicht einmal eine Ameise sich an mir vorbeischleichen kann!“
Später in der Nacht, lag Serif ein paar Meter von Naruz entfernt schnarchend am Boden und schlief tief und fest, während eine schlanke Gestalt lautlos über die kleine Lichtung huschte. Vorsichtig ging Aleyandra neben Naruz in die Hocke. Sie trug Alesias Kleidung und fand, dass sie wirklich gut passte, obwohl Alesia etwas größer war.
„Zerbrechlich und langweilig? Das ist alles, was du in mir gesehen hast?“ flüsterte sie mit belegter Stimme, während sich schon wieder Tränen in ihren Augen sammelten. Sie hatte Naruz bereits am späten Nachmittag eingeholt und beobachtet. Zugegeben, in ihrer ersten gemeinsamen Nacht, hatte sie nicht unbedingt viel getan, sondern ihm die Führung voll und ganz überlassen. Eigentlich lag sie einfach nur da und lauschte ihrem rasenden Herzen. Es hatte ihr auch nicht gefallen, sondern weh getan, aber nur beim ersten mal. In der nächsten Nacht dagegen...war sie dann sogar noch nervöser gewesen, aber ihrer Meinung nach, war es besser geworden. Andererseits stimmte es auch was er sagte. Sie wusste nicht genau warum, aber sie schreckte vor Berührungen zurück, zumindest war es anfangs so gewesen. Vielleicht lag es daran, dass sie so lange einsam und alleine gelebt hatte, oder vielleicht auch an ihrer vergessenen Vergangenheit, von der nur selten winzige Bruchstücke wieder an die Oberfläche gelangten. Bruchstücke, die ihr ganz und gar nicht gefielen. Trotzdem hatte sie die gemeinsame Zeit genossen, sobald sie sich daran gewöhnt hatte und bis sie ihn mit Alesia sah, hatte sie auch geglaubt, dass er sie genauso liebte. Sanft strich sie mit dem Lauf einer ihrer Pistole durch sein dunkles Haar und setzte die Waffe direkt an seiner Schläfe an. Wenn sie jetzt abdrückte, könnte er ihr nie wieder wehtun. Sie müsste nie wieder mit ansehen, wie er in den Armen einer anderen lag, nie wieder hören wie er sie betrog. Alles würde wieder gut werden, so wie es sein sollte. „Ich war für dich also nichts weiter als ein öder Zeitvertreib, weil sich gerade nichts besseres in Reichweite befand. Also, warum...warum?“ ihre Stimme erstarb, als sie leise schluchzend die Pistole zu Boden sinken ließ. Sie könnte ihm niemals etwas antun, egal wie sehr sie sich den Moment wieder in Erinnerung rief, als er all ihre Träume und Hoffnungen zerschlagen hatte. Es gelang ihr nicht, ihre Gefühle für Naruz auszuradieren. „Warum kann ich dich nicht hassen? Ich versuche es so sehr und es geht einfach nicht. Ich hasse dich dafür, dass ich dich liebe, du Idiot.“ Aleyandra wischte sich die Tränen aus den Augen und erhob sich leise. Es hatte keinen Sinn, sie konnte sich nicht rächen. Müde wandte sie sich ab und ging davon.
„Aleyandra?“ erklang plötzlich die verschlafene Stimme von Naruz hinter ihr und ließ sie augenblicklich erstarren. Langsam drehte sie sich wieder um und sah zu, wie Naruz sich verwirrt aufrichtete und gähnend auf sie zuging. „Was machst du hier? Ich habe dir doch gesagt dass du in Helonia bleiben und auf mich warten sollst.“
„Ich weiß, tut mir leid. Ach ja, wie findest du meine neuen Sachen?“ überspielte sie ihren Schreck mit einem kecken Lächeln und präsentierte ihr neues Outfit. Das war nicht gut. Er sollte nicht wissen dass sie ihn verfolgte.
„Hübsch. Haben die Helonier dir das geschenkt?“ murmelte er, noch immer verschlafen und rieb sich irritiert die Augen. Sein Gehirn brauchte erst noch etwas Zeit um wieder richtig in Gang zu kommen.
„Ach, ich habe den Ring verkauft. Der Preis den man mir in Helonia gemacht hat war zwar furchtbar mies, aber was anderes kann man von den Händlern dort auch nicht erwarten. Das Geld sollte eine Weile reichen, vielen Dank dafür, Naruz. Das wars dann auch schon. Ich geh dann mal.“ beendete sie ihren Text so schnell sie konnte und wollte davon eilen. Mit etwas Glück, hielt er das ganze morgen früh für einen bescheuerten Traum.
„Warte!“ mit ein paar raschen Schritten war er wieder neben ihr und hielt Aleyandra sanft am Arm fest, damit sie nicht einfach verschwinden konnte. „Wo willst du überhaupt hin? Was hast du jetzt vor?“
„Ich bin unterwegs nach Navea.“ erfand Aleyandra schnell irgendeine Ausrede. In ihrem Kopf rasten die Gedanken hin und her, während sie versuchte einen glaubhaften Grund für ihre Reise nach Norden zu finden.
„Navea? Was willst du denn dort?“ Naruz starrte sie verwirrt an und glaubte ihr offensichtlich kein Wort.
„Es ist langweilig in Helonia. Die aufregenden letzten Tage, haben mir deutlich gezeigt wie öde es dort normalerweise sein kann. Navea dagegen ist immerhin das Herz der Welt und ich habe dank dir ja genug Geld, um eine Weile dort zu leben.“
„Das ist alles? Du gehst nur aus Langeweile? Oder auch, weil ich ebenfalls nach Norden reise?“
„Das hat gar nichts damit zu tun, aber du hast zumindest in einem recht, es gibt auch noch einen anderen Grund, warum ich nach Norden will.“ Aleyandra legte eine kleine Pause ein, bis sie eine Idee hatte. Es gab etwas, das er glauben würde. „Ich dachte daran, endlich mehr über mich selbst herauszufinden.“
„Über dich?“ Es war eindeutig zu spät, um über so etwas zu reden, schoss es Naruz müde durch den Kopf. „Du meinst über deine Vergangenheit?“
„Wie du weißt, ist es jetzt fast sieben Jahre her, dass ich an der Küste von Helonia angespült wurde und ich habe keinerlei Erinnerung mehr an die Zeit davor. Außer...außer diesen Träumen.“ erklärte Aleyandra mit einem zaghaften Lächeln. Für eine gerade erfundene Ausrede, klang es ihrer Meinung nach gar nicht mal so schlecht. Vielleicht, würde sie im Laufe dieser Reise tatsächlich Hinweise auf ihre Herkunft entdecken. Als sie sah, dass ihn zumindest der Teil mit den Träumen zu interessieren schien, fuhr sie schnell fort. Das war ein Thema, über das sie nicht reden wollte. Niemals. Nicht einmal mit ihm. „Ich saß lange genug in diesem Nest herum und habe immer nur gerätselt woher ich stamme und wohin ich gehöre. Es wird Zeit, dass ich versuche meine Erinnerung zurück zu erlangen. Mein einziger Anhaltspunkt sind meine beiden Pistolen. Ihnen wohnt eine seltene Magie inne und in Navea wird sich jemand finden, der mir weiterhelfen kann. Da bin ich mir sicher.“
„Aber...“
„Keine Sorge, ich habe deinen Brief gelesen und lasse mich auf keinerlei Kämpfe mehr ein. Wenn ich überfallen werde oder irgendein Monster auftaucht, fliege ich einfach weg.“
„Klingt vernünftig. Es wäre mir trotzdem lieber, wenn ich dich in Sicherheit wüsste, aber ich kann dir nicht vorschreiben was du zu tun und zu lassen hast. Dann wünsche ich dir viel Glück bei deiner Suche.“ er sah sie kurz an und musste dabei Lächeln, dieses Lächeln, an das Aleyandra sich in den letzten Tagen so sehr gewöhnt hatte und das ihr jetzt einfach nur noch wehtat. „Ach ja, wieso bleibst du nicht den Rest der Nacht hier?“
„H-hier? Eigentlich wollte ich nur schnell vorbeischauen und dir sagen wo du mich finden kannst sobald du das Artefakt hast und weißt wie es funktioniert, das ist alles.“
„Es ist schon sehr spät und du siehst müde aus. Hier ist genug Platz für uns beide. Du kannst dein Lager auch irgendwo da hinten aufschlagen, wenn dir das lieber ist.“ meinte Naruz und zwar erstaunlicherweise ohne Hintergedanken. Langsam ging er auf sie zu, doch Aleyandra wich hastig und fast schon panisch ein paar Schritte zurück. Das letzte was sie jetzt wollte, war sich von ihm benutzen zu lassen, um über seine Erinnerung an Alesia hinwegzukommen. Er war in Gedanken sicher noch immer bei der hübschen Cambeli und wollte sie sicher nur als billige Notlösung benutzen, schon wieder. Aber diesmal nicht. Sie würde sich ihm wieder zeigen, sobald er weiter von Helonia weg war und nicht mehr an Alesia dachte, aber jetzt konnte sie einfach nicht. Vermutlich hing noch immer ihr widerlicher Duft überall an ihm.
„Das ist nicht nötig. Ich reise sowieso nur Nachts. Da sieht mich niemand, wenn ich fliege. Ausruhen kann ich mich tagsüber, so komme ich am besten voran.“
„Soll das heißen du willst wirklich den ganzen Weg nach Navea fliegen? Die Anstrengung wäre viel zu groß, das kann man nicht durchhalten.“
„Du vielleicht nicht, aber ich habe meine magischen Kräfte viel besser unter Kontrolle und kann mehr damit anfangen als du dir überhaupt vorstellen kannst.“ erwiderte sie schnippisch und viel arroganter als geplant. „A-also, das meinte ich nicht so, sondern...“
„Schon gut. Ich weiß das meine magischen Fähigkeiten nicht so besonders sind.“ wehrte er ihre gestammelte Entschuldigung lächelnd ab „Dann...“
„Ich wünsche dir eine gute Reise, Naruz.“ platze es plötzlich aus ihr heraus und ohne auf eine Erwiderung von ihm zu warten, stieß sie sich vom Boden ab. Aleyandra wollte nicht riskieren doch noch schwach zu werden und die Nacht über bei ihm zu bleiben. Alleine als sie an sein Lächeln zurückdachte, begann ihr Herz wieder auf und ab zu hüpfen. Sie tat so als würde sie in Richtung Norden davon fliegen. In Wahrheit landete sie aber außerhalb seiner Sichtweite in dem Wald und machte sich auf den Weg zurück zu seinem Lager, um sich dort in der Nähe versteckt zu halten. Sie würde nicht aufgeben um ihn zu kämpfen. Als er eben vor ihr stand, hatte sie zumindest für diesen Moment alles vergessen und sich einfach nur gefreut. Sie liebte ihn, das wusste sie und jetzt, lag es an ihr dafür zu sorgen, dass er sie genauso liebte. Er konnte ihre Anwesenheit nicht spüren, also konnte sie unbemerkt in seiner Nähe bleiben und ihn jeden Tag beobachten. Und sollte sich wieder eine Alesia in seine Nähe verirren und sich an ihn heranwerfen um sich zwischen sie zu drängen, dann wäre sie sofort zur Stelle. Noch einmal würde sie ihn nicht an ein anderes Mädchen verlieren, niemals. Er würde sich in sie verlieben und ihre Träume, würden nicht einfach so verblassen und verschwinden, sondern Realität werden.
Zuletzt geändert von Vanidar am 10. Juni 2014 23:50, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 28. Mai 2014 21:15

9. Das Treffen der Eidolons (Öffnen)
Kapitel 9 – Das Treffen der Eidolons:


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„Du siehst erbärmlich aus, hast du wieder von diesem Ritter geträumt?“ Naruz seufzte, als er die Frage seines besorgten Eidolons hörte. Am heutigen Tage waren die Beiden endlich am Ziel ihrer Reise angelangt, dem Dorf Lunarin, welches sich nur noch ein paar hundert Meter entfernt befand.
„Oh, keine Sorge, ich wurde schon seit drei Nächten nicht mehr in meinen Träumen verbrannt.“ murmelte Naruz, während sie sich dem Dorfeingang näherten.
„Na das ist doch mal eine gute...“
„Stattdessen werde ich seit neuestem von einem riesigen Wolf gefressen, während irgendein Mädchen mir zuflüstert, dass jetzt alles wieder in Ordnung ist, um ehrlich zu sein, ich würde lieber wieder verbrennen, das ist bei weitem nicht so unheimlich.“
„Du hast verdammt seltsame Träume, habe ich dir das schon einmal gesagt?“
„Brauchst du nicht, das weiß ich selber. Aber sobald ich hier in Lunarin fertig bin, werde ich hoffentlich zumindest die Träume los sein. Wahrscheinlich kann ich in ein paar Stunden schon wieder mein ruhiges, friedliches Leben genießen, wie ich es bis vor Kurzem tat.“
„Optimismus passt nicht zu dir, überhaupt nicht.“
„Findest du? Ich dachte mir, dass ich es mal ausprobieren sollte, vielleicht funktioniert es ja.“
„Jaaaa, nein, ich bezweifle es. Oh... Moment... hier in der Nähe befinden sich andere Eidolons.“ verkündete Serif plötzlich, als sie gerade das Dorf betraten. Einige Dorfbewohner warfen ihnen misstrauische Blicke zu, aber die meisten schienen zu beschäftigt, um überhaupt auf den Neuankömmling, und dessen seltsamen Begleiter zu achten.
„Nun ja, natürlich. Aleyandra und Alessa wollten ja nach Navea, und...“
„Ich rede nicht vom Einhorn, von ihr weiß ich nichtmal, wo sie ist. Nein, einige andere Eidolons haben Kontakt zu mir aufgenommen, telepathisch.“
„Das kannst du?“
„Ja, so können wir Eidolons uns über große Distanzen verständigen, aber wir machen es nicht oft, eigentlich nur wenn es wirklich dringend ist. Wie auch immer, nahe Navea gibt es anscheinend einen Tempel, dort haben sich einige Eidolons versammelt, und sie würden sich gerne mit dir treffen. Er wird hier in der Gegend als 'Mondtempel' bezeichnet.“
„Was? Warum wollen sie mich treffen?“
„Keine Ahnung, mehr wollten sie mir nicht sagen, aber ich vermute, dass sie mal den neuen Botschafter treffen wollten, zumal du ja auch schon mit einem Dämon Kontakt hattest, und so weiter.“
„Nein.“
„Was, 'nein'? Wir sollten zumindest hingehen, und hören was sie wollen.“
„Ich versuche so wenig wie möglich, mit dieser Macht zu tun zu haben! Wieso sollte ich da zu einer Versammlung von Eidolons gehen?“
„Nun, einige der älteren und mächtigeren Eidolons werden dort sein, vielleicht können sie dir helfen, falls du die Truhe nicht aufkriegst. Denke zumindest darüber nach, ja?“ Erneut seufzte Naruz, Serif hatte ja eigentlich recht. Wenn die Truhe ihm nicht helfen konnte, wäre es vielleicht wirklich besser, Hilfe von so vielen Eidolons wie möglich zu kriegen, immerhin waren sie die Kinder der Gaia, irgendeiner von ihnen würde schon wissen, wie man einen Botschafter von seinem Begleiter trennen kann.
„Ich werde nichts versprechen... aber wenn du wirklich der Meinung bist, dass es wichtig ist, können wir zumindest einmal vorbeischauen. Aber erst, nachdem wir diese verdammte Truhe geöffnet haben.“ Nachdem er dies gesagt hatte, gingen Naruz und Serif schweigend durch die Straßen des Dorfs, auf der Suche nach dem Ältesten. Dabei fiel Naruz auf, dass viele der Häuser geschmückt zu sein schienen, dutzende Laternen und Blumen waren an Türrahmen befestigt, oder hingen als eine Art Girlande über der Straße, zwischen zwei Häusern aufgeknüpft.
„Hm, ob hier wohl ein Fest stattfinden wird? Sieht schwer danach aus, meinst du, wir könnten da mitmachen?“ fragte Serif interessiert, und ließ seinen Blick über einen großen Tisch schweifen, der auf einer großen Wiese direkt vor dem Dorf aufgebaut war, umgeben von dutzenden, kleineren Tischen und hunderten Stühlen. „Partner?“ fügte er hinzu, als Naruz nicht antwortete, und sah sich suchend um, bis er Naruz entdeckte. Dieser ging gerade auf ein Haus zu, vor dessen Eingangstür eine junge Frau, vielleicht zwei Jahre älter als Naruz, auf einem Hocker saß, zusammen mit drei Kindern, die wahrscheinlich ihre Geschwister waren, und einem jungen Mann, mit kurzen, weißen Haaren, der sich lachend mit der Frau unterhielt. Als sie Naruz bemerkten, brachen sie ihr Gespräch ab, und sahen verwirrt zum Neuankömmling, ehe sie aufstanden, die Kinder blieben weiterhin sitzen und starrten mit großen Augen zu Serif hinauf.
„Willkommen in Lunarin, Fremder, wie können wir Euch helfen?“ fragte die Frau, mit einem freundlichen Lächeln, welches kurz danach auch auf den Mann übersprang.
„Ja, willkommen. Mein Name ist Harris, und dies ist Sue, verzeiht unsere Neugier, wir kriegen hier nicht oft Besuch, was führt Euch nach Lunarin? Seid Ihr nur auf der Durchreise?“
„Oh, nicht direkt.“ meinte Naruz und merkte, wie die beiden nervöse Blicke auf seine Schwerter warfen. „Ich bin hier, um mit dem Dorfältesten zu reden, ich bin vor ein paar Tagen aus Helonia abgereist, und dort wurde mir gesagt, dass man mir hier helfen könnte. Könntet Ihr mich vielleicht zum Dorfältesten führen?“ Harris und Sue sahen sich kurz an, ehe Harris Naruz antwortete.
„Nun, Omar, unser Dorfältester, ist mein Großvater, natürlich kann ich Euch zu ihm führen, allerdings befürchte ich, dass er Euch nicht helfen kann, oder besser gesagt, nicht helfen will. Er... nun, er mag keine Fremden, außerdem stecken wir gerade mitten in den Vorbereitungen für das Gründungsfest unseres Dorfes, da ist er noch gestresster als sonst, vor allem weil...“
„Harris!“ unterbrach Sue ihn, woraufhin der Mann verstummte. Innerlich bereute Naruz bereits die Entscheidung, die er in eben jenem Moment traf, und trotzdem konnte er nicht einfach anders, als zu fragen:
„Gibt es etwa ein Problem, mit Eurem Fest?“ Der Gesichtsausdruck, den die Beiden nach seiner Frage aufsetzten, reichten vollkommen als Antwort. Naruz unterdrückte ein Seufzen, als er fortfuhr. „Ich habe mich noch nicht vorgestellt, mein Name ist Naruz, ich komme aus Skandia, einem kleinen Fischerdorf im Süden, und ich bin seit ein paar Wochen ein Botschafter der Gaia, dies ist Serif, mein Eidolon.“
„Ihr seid ein Botschafter der Gaia? Nun, Ihr seht wirklich nicht aus, wie ein gewöhnlicher Reisender, schon gar nicht, mit solch einem Begleiter... dann seid Ihr auf dem Weg nach Navea, um Euch den Templern anzuschließen?“
„Ähm, nicht direkt, die Sache ist ein wenig komplizierter... also, was gibt es hier für ein Problem?“ Als Harris noch immer nicht antwortete, sondern sich nur verlegen am Hinterkopf kratzte, fuhr Naruz fort. „Macht euch keine Sorgen, in Helonia habe ich schon damit geholfen, eine Piratenbande zu verjagen, ich helfe gerne, also sagt mir ruhig, was hier los ist.“
„Nun... wenn Ihr darauf besteht.“ meinte Harris und zuckte mit den Schultern. „Wir haben Probleme mit einer Bande von Goblins. Die Goblins leben in einem Dorf, vielleicht zwei Tagesreisen von Lunarin entfernt, auf halbem Weg zwischen uns und Navea. Eigentlich haben wir immer in Frieden zusammen gelebt, aber in letzter Zeit wurden die Goblins immer aggressiver, haben Wanderer, in der Nähe ihres Dorfes angegriffen, und zuletzt auch noch ein Buch, mit zeremoniellen Texten gestohlen, welches unglaublich wichtig für unser Fest ist. Wir haben keine Krieger in unserem Dorf, da wir uns auf den Schutz der Kirche verlassen, diese will aber nicht gegen die Goblins vorgehen, solange diese nicht tatsächlich Lunarin angreifen, solange es nur Diebstahl ist, sind die Templer der Meinung, wir sollen es unter uns ausmachen.“
„Ich verstehe, also geht es um dieses Buch, ja?“
„Genau, ohne die Texte, kann das Fest nicht stattfinden, oder besser gesagt, es wäre einfach nicht das selbe.“
„Kann denn niemand aus dem Dorf die Texte auswendig? Oder zumindest einen Teil von ihnen?“ fragte Serif verwirrt, er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass solch ein wichtiger Teil des Festes, von einem einfachen Buch abhängt, das durchaus mal verloren gehen kann.
„Wir feiern dieses Fest einmal alle zehn Jahre, bis zum nächsten Fest wird das Buch weggeschlossen, ein paar der älteren Dorfbewohner kennen vielleicht einen oder zwei der Texte aus dem Buch, aber ansonsten...“ erklärte Harris und zuckte mit den Schultern. „Wir werden wohl mit den Goblins verhandeln müssen, es wird uns ziemlich viel kosten, aber immerhin hätten wir das Buch zurück.“
„Ich habe eine bessere Idee.“ meinte Naruz, und lächelte.
„Ach ja? Und was?“
„Ich besorge euch das Buch aus dem Lager der Goblins, und als Bezahlung überredet Ihr Euren Großvater dazu, mir den Schlüssel zu leihen, mit dem man die Sternentruhe aufschließen kann.“
„Ihr wisst von dem Schlüssel?“ fragte Harris verdutzt. „Was wollt Ihr damit?“
„Natürlich weiß ich vom Schlüssel, Luther, die rechte Hand der Bürgermeisterin von Helonia, hat mir davon erzählt. Und was ich damit will... nun, ich will natürlich die Truhe aufschließen. Ich hatte ja erwähnt, dass ich in Helonia eine Piratenbande vertrieben habe, die Truhe war meine Bezahlung dafür. Mit dem Inhalt der Truhe, soll man angeblich böse Geister vertreiben können, deswegen brauche ich, was auch immer im Inneren der Truhe ist, und aus genau diesem Grund, will ich mir den Schlüssel ausleihen, nur ausleihen wohlgemerkt. Ich muss dieses Ding immerhin nur einmal aufschließen. Was sagt Ihr dazu, Harris?“ Der Angesprochene schien wirklich gründlich über die Sache nachzudenken.
„Ihr habt wirklich ganz alleine eine Piratenbande besiegt?“ frage er schließlich, und musterte Naruz prüfend.
„Nein, nicht alleine. Eine gute Freundin hat mir dabei geholfen, die Truhe gehört somit auch ihr, ich bin lediglich hier, um den Schlüssel zu kriegen, damit... egal, das ist unwichtig. Also, was sagt Ihr nun zu meinem Angebot?“
„Ich nehme an, wenn Ihr uns das Buch zurückbringt, verspreche ich, dass ich dafür sorgen werde, dass Großvater Euch den Schlüssel überlässt.“ meinte Harris, und streckte seine Hand aus, in die Naruz einschlug, womit die Sache abgemacht war.
„Sehr gut, dann möchte ich Euch darum bitten, mir alles über die Goblins zu sagen, dass Ihr wisst, und auch alles, was Ihr über das Dorf wisst...“

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„Harris hatte also wirklich die Wahrheit gesagt, wer hätte gedacht, dass die Goblins tatsächlich so starke Magie wirken können?“ Zwei Tage waren vergangen, seit Naruz in Lunarin angekommen war, und sich bereiterklärt hatte, den Dörflern zu helfen. Er stand auf einer Art Plateau, und ließ von dort aus seinen Blick über das Dorf der Goblins schweifen, welches direkt unter ihm lag. Außer den Hütten und Zelten, in denen die Goblins lebten, sah er etwas, vor dem Harris ihn gewarnt hatte, und dass Naruz diesem eigentlich nicht geglaubt hatte. Im Dorf der Goblins patrouillierten gewaltige Konstrukte aus Stahl, bei diesen Dingern handelte es sich um Golems, welche jedoch im Gegensatz zu ihren steinernen Verwandten nicht durch dunkle Magie, sondern durch die Kraft der Natur angetrieben wurden. Die Zwerge aus dem Cactaraka Dschungel waren die ersten, denen es gelang diese Stahlgolems zu erschaffen, und eigentlich sollten sie auch die einzigen sein, bisher hatte Naruz noch nie davon gehört, dass die Goblins ebenfalls so etwas zustande bringen konnten.
„Ich nicht, ich hätte auch nie erwartet, dass die Kirche Goblins in der Nähe von Navea dulden würde, immerhin sind sie nicht gerade bekannt dafür, dem Glauben der Kirche zu folgen. Wie auch immer, ich nehme an, du hast einen Plan?“
„Natürlich, laut Harris' Beschreibung gehört dieses große Zelt dem Anführer dieser Goblins, ihrem Hochschamanen, wie er ihn nannte.“ meinte Naruz und deutete auf das größte Zelt, welches direkt an der Felswand aufgebaut war, auf dessen Plateau sich Naruz befand.
„Hm, der einzige Eingang in das Dorf befindet sich nochmal ein paar Stunden von hier entfernt, und wird gut bewacht sein, wie willst du dich reinschleichen?“ Anstatt zu antworten, schwang Naruz sich ohne Vorwarnung über das Geländer, welches am Rand des Plateaus aufgebaut war, und fiel mit rasender Geschwindigkeit nach unten. Kurz bevor er auf dem Boden aufschlug, blitzte etwas blau unter seinen Füßen auf, und er glitt sanft zu Boden. Er landete inmitten einiger Büsche, die ihn halbwegs vor den Blicken der patrouillierenden Konstrukte verbargen. Serif erschien keine zwei Sekunden später neben ihm, sichtlich beeindruckt. „Dafür, dass du schlecht mit Magie bist, hast du das ganz gut gemacht... was hast du eigentlich gemacht?“
„Das war eines meiner Experimente, während wir mit Aleyandra und Alessa gereist sind. Zwar hat Aleyandra mir beigebracht zu fliegen, aber das hat mich zu viel von meiner Kraft gekostet, also habe ich versucht einen Weg zu finden, um mir die Sache ein wenig zu erleichtern, und es ist mir gelungen. Weißt du, um zu fliegen verbindet man mehrere Zauber, jeder mit seiner eigenen Wirkung, man könnte sagen, dass der Zauber zum fliegen in mehrere, kleine Schichten aufgeteilt ist. Ich habe einfach den Teil des Zaubers benutzt, der dafür sorgen soll, dass man beim fliegen nicht abstürzt... ist was?“ fragte Naruz, als er merkte, wie Serif ihn mit aufgeklapptem Mund anstarrte.
„Also, für jemanden, der vollkommen hoffnungslos in Sachen Magie ist, weißt du erstaunlich viel über die Theorie, die hinter Magie und Zaubern steckt.“
„Meinst du? Ich fand es eigentlich recht einfach, wenn die Praxis ebenso einfach wäre, wie die Theorie, würde mich nichts daran hindern, mit Magie um mich zu werfen.“
„Du bist mit Abstand der merkwürdigste Partner, den ich jemals hatte.“
„Was genau meinst du damit?“
„Unwichtig, hast du auch einen Plan, um an den Stahlgolems vorbeizukommen?“
„Natürlich, mit deiner Hilfe wird es ein Kinderspiel sein, die Runen zu zerstören, und sie lahmzulegen.“
„Du weißt nicht besonders viel über Stahlgolems, oder?“
„Gibt es denn einen großen Unterschied, zu Steingolems? Also außer der Art der Magie, von der sie angetrieben werden.“
„Weißt du was? Ich nehme alles zurück, die Sache mit dem fliegen scheint Anfängerglück gewesen zu sein, oder erstaunlich gutes Raten von deiner Seite aus, in dem Fall können wir froh sein, dass es funktioniert hat, und du dir nichts gebrochen hast. Stahlgolems haben keine Runen.“
„Bitte was? Keine Runen? Aber was dient dann als Katalysator, für die Magie in ihrem Inneren?“
„Das Herz natürlich.“
„Du meinst irgendeine mechanische Konstruktion der Zwerge, die den Golem am Leben erhält?“
„Nein, ein richtiges Herz, in jedem dieser Stahlgolems steckt das Herz eines echten Lebewesens, meistens nimmt man die Herzen von wilden Tieren, manchmal aber auch die von Menschen, Zwergen oder eben Goblins. Diese Herzen schlagen noch immer in der Brust des Golems, und pumpen die Magie wie Blut durch den Körper des Konstrukts.“
„Also müssen wir durch den Körper aus Stahl kommen, um die Dinger auszuschalten?“
„Ganz genau, viel Spaß dabei, das mit deinen Schwertern zu schaffen.“
„Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“
„Nein, ist es nicht, sie funktionieren genauso wie Steingolems, also los, worauf warten wir noch?“ meinte Serif, und schoss aus den Büschen hervor, in Richtung eines Konstrukts. Ehe dieses reagieren konnte, hatte Serif bereits seine Dolche aus Energie, durch die Augen des Golems gestochen, woraufhin dieser in sich zusammenfiel.

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„Eines Tages, werden dir diese ganzen Scherze leid tun!“ fauchte Naruz, ehe er Serif folgte. Außer dem Golem, den Serif außer Gefecht gesetzt hatte, gab es keine Gegner, auf dem kurzen Weg zum Zelt, vor diesem jedoch, standen gleich vier Konstrukte aus Stahl, die sofort zum Angriff übergingen, als sie Naruz sahen. Der erste Golem schlug mit seinem Arm nach Naruz' Kopf, dieser konnte dem Angriff jedoch ohne Probleme ausweichen. Ohne zu zögern sprang Naruz nach hoch, und als er mitten in der Luft war, blitzte erneut blaue Energie unter seinen Füßen auf, woraufhin er noch ein wenig höher in die Luft geschleudert wurde, und direkt auf dem Kopf des Golems landete, wo er ihm sofort die Schwerter in die Augen rammte. Serif hatte währenddessen die restlichen drei Golems ausgeschaltet, was in Naruz das ungute Gefühl weckte, dass Serif den Dämon in Skandia ohne Probleme selbst hätte besiegen können und Naruz lediglich testen wollte. Ehe er jedoch weiter darüber nachdenken konnte, stürmte ein Goblin mit violetter Haut und einem langen, weißen Bart aus dem Zelt, wahrscheinlich um zu sehen, was es mit dem Krach auf sich hatte, den die Golems bei ihrer Zerstörung verursacht hatten.
„Was ist hier los? Du da! Was glaubst du, was du mit meinen Golems machst? Weißt du eigentlich, wie lange es dauert, einen von denen zu aktivieren? Das ist harte Arbeit, und...“ der Goblin brach ab, als Naruz' Schwert sich an seine Kehle legte.
„Normalerweise, bin ich ein äußerst freundlicher und geduldiger Mensch, aber so langsam habe ich genug. Gib mir das Buch, und ich haue wieder ab, ohne irgendwelchen Ärger zu verursachen, es bleibt bei fünf kaputten Golems, und wir sehen uns nie wieder.“
„Welches Buch?“ fragte der Goblin, wenig überzeugend, ehe er einen misstrauischen Blick aufsetzte und hinzufügte „Moment, hier sind nur vier kaputte...“
„Wie ich schon sagte; gib mir das Buch. Das Buch, dass ihr aus Lunarin gestohlen habt.“
„Schon gut, schon gut! Kein Grund gleich so böse zu werden! Es ist im Zelt, auf meinem Nachttisch, lasst es mich schnell holen.“
„Du bleibst schön hier, Serif hol das Buch.“ Der Goblin rollte lediglich mit den Augen, während Serif im Zelt verschwand, und Naruz ihn weiterhin mit dem Schwert bedrohte.
„Das war doch nur ein harmloser Scherz! Ich hätte nie gedacht, dass die Helonier wegen ihren verdammten, zeremoniellen Texten so verrückt werden und irgendwelche Söldner auf uns hetzen!“
„Harmloser Scherz? Nach meinen Informationen, habt ihr auch Wanderer angegriffen, die sich eurem Dorf genähert haben.“
„Ja, schon, aber wir haben niemanden ernsthaft verletzt oder getötet. Wir sollten die Templer und Dorfbewohner ja nur ablenken, und nicht... oh, oh.“
„Ganz genau, 'oh, oh'. Würdest du mir erklären, was du damit meintest?“ Der Goblin seufzte, zuckte dann jedoch mit den Schultern.
„Ach, was solls, uns wurde eh nie gesagt, dass wir es geheim halten sollen. Vor einer Woche waren ein paar Makar hier bei uns und haben uns einen Haufen Edelsteine dagelassen, wenn wir für ein wenig Ablenkung sorgen können, mehr weiß ich nicht. Wir sollten nur hier in der Gegend für Ärger sorgen und die Kirche nerven, außerdem sind ein paar unserer Krieger als Söldner angeheuert worden.“
„Wozu brauchen diese Löwenmenschen denn bitte eine Ablenkung?“
„Keine Ahnung! Ich habe nicht gefragt, und es interessiert mich nicht, ich weiß nur, was mir gesagt wurde. Dein seltsamer Freund ist wieder da, darf ich jetzt gehen?“ Tatsächlich kam Serif in diesem Moment wieder aus dem Zelt, mit einem abgegriffenem, braunen Buch in der Hand. Naruz ließ seinen Blick prüfend über den Goblin wandern, kam dann jedoch zum Schluss, dass dieser keine wirkliche Bedrohung darstellte.
„Ja, du darfst jetzt gehen, und ich werde jetzt auch verschwinden, ein Wort der Warnung, es wäre besser für dich und dein Dorf, wenn ich nie wieder herkommen muss, verstanden?“
„Ja, ja, schon klar, ich werde nie wieder Ärger machen, die nächsten Monate darf ich eh damit verbringen, diese Golems wieder in Stand zu setzen.“ grummelte der Goblin, während er sich abwandte. Naruz seufzte nur, steckte dann seine Schwerter weg und sprang in die Luft. Mitten im Sprung nutzte er erneut die Magie, welche er schon im Kampf zuvor verwendet hatte, um noch höher in die Luft zu steigen, so dass er problemlos wieder auf dem Plateau landete, von wo aus er seinen 'Angriff' auf das Lager begonnen hatte, insgesamt hatte die ganze Aktion keine halbe Stunde gedauert.

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„So, so, Ihr seid also der Fremde, von dem mein Enkel mir erzählt hatte.“ Naruz schwieg, und ließ den musternden Blick des Dorfältesten über sich ergehen. Nachdem Naruz nach Lunarin zurückgekehrt war, hatte er Harris das Buch gegeben, woraufhin dieser sich überschwänglich bei ihm bedankt, und ihm sogar einige Silberstücke als Belohnung überreicht hatte, obwohl dies nicht Teil der Abmachung war. Keine Stunde danach, stand Naruz vor Omar, dem Dorfältesten, einem mürrischen, alten Mann, der Naruz ansah, als ob dieser ein Riesenkaninchen wäre, dass gerade die gesamte Dorfernte gefressen hatte. „Ihr seht nicht so besonders aus, wie habt Ihr das ganz alleine geschafft?“
„Ich mag vielleicht nicht so aussehen, aber ich bin ein Botschafter der Gaia, und habe schon einiges an Kampferfahrung. Die Goblins werden Lunarin jedenfalls keine Probleme mehr machen. Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten, deshalb würde ich Euch nun darum bitten, mir den Schlüssel auszuleihen, den Eure Familie schon seit Generationen aufbewahrt.“
„Ja, ja, ja, typisch für die Jugend von Heute, allesamt sind sie so ungeduldig.“ murrte Omar, und zog eine Halskette unter seinem Hemd hervor, an dessen Ende sich ein silberner Schlüssel befand, dessen Griff mit Sternen verziert war. „Hier ist er, mach damit was du willst.“ meinte er, während er Naruz die Kette überreichte.
„Vielen Dank für den Schlüssel, Ihr werdet ihn gleich wiederhaben, gebt mir nur einen Moment.“ meinte Naruz, während er in seinem Rucksack kramte, den er während seines 'Ausflugs' zum Goblindorf in Lunarin gelassen hatte, bis er schließlich die Truhe fand, und sie herauszog. Zu seiner Überraschung schien selbst der mürrische Omar neugierig zu sein, und schob sich ein wenig weiter nach vorne, um einen besseren Blick auf die Truhe zu haben, wahrscheinlich wollte auch er wissen was der Schlüssel, auf den er seit Jahrzehnten aufgepasst hatte, nun eigentlich öffnete. Ohne zu zögern steckte Naruz den Schlüssel ins Schloss, und drehte ihn um. Ein lautes Klacken war zu hören und die Sterne, welche die Truhe verzierten, drehten sich ein wenig, das war es dann auch schon. Kein magisches Leuchten, keine triumphale Musik, die Truhe war einfach offen. Naruz seufzte erleichtert, insgeheim hatte er schon befürchtet, dass die Sache noch schwieriger werden würde. Als er jedoch den Deckel nach hinten klappte, spiegelte sich Überraschung in seinem Gesicht. Er wusste zwar nicht ganz, was er eigentlich erwartete hatte, doch es war gewiss nicht das, was sich hier in der Truhe befand. Auf den ersten Blick schien sie leer zu sein, erst bei genauerer Betrachtung, bemerkte Naruz den kleinen Edelstein, der auf dem Boden der Truhe lag. Es war ein violetter, rautenförmiger Edelstein, von der Größe eines Würfels, wie er für Glücksspiele benutzt wurde. Noch immer mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht, fischte Naruz den Edelstein aus der Truhe, und hielt ihn ins Licht um ihn zu betrachten. „Serif? Was ist das?“ fragte Naruz, an sein Eidolon gewandt, er hatte eher etwas anderes erwartet, einen Stab vielleicht, wie ihn die Exorzisten der Kirche benutzten, oder ein heiliges Artefakt, aber ein einfacher Diamant, dem nicht einmal Magie anzuhängen schien?
„Ich habe keine Ahnung, sieht aus wie ein gewöhnlicher Edelstein.“
„Das kann nicht sein! Warum sollte jemand den ganzen Aufwand auf sich nehmen, einen normalen Diamanten so gut zu beschützen? Das ergibt keinen Sinn, ich bin mir sicher, es steckt mehr hinter diesem Ding!“ protestierte Naruz, und zum ersten mal bemerkte Serif etwas, dass an Verzweiflung erinnern konnte, im Blick seines Partners. Bevor er jedoch antworten konnte, ließ der Dorfälteste ein Räuspern hören, und lenkte damit Naruz' Aufmerksamkeit auf sich.
„Wenn Ihr mir kurz zuhören würdet, ich glaube, ich kann Euch helfen... aber zuerst, der Schlüssel bitte.“
„Was? Oh, ja, natürlich.“ meinte Naruz und gab die Halskette an Omar zurück, der sichtlich erleichtert schien, dass Naruz den Schlüssel wirklich nur ausleihen wollte.
„Gut, gut. Also, hört mir zu, hier in Lunarin gibt es mehre Legenden, die von Artefakten der Gaia sprechen, die meisten dieser Artefakte sind ganz gewöhnliche Gegenstände, bis man sie zu einem Altar der Gaia bringt. Sobald sie dann dort sind, laden sie sich mit Energie auf, und zeigen ihre wahre Gestalt. Es könnte also sein, dass dieser Edelstein durchaus das ist, wonach Ihr sucht, Ihr müsst ihn lediglich zu einem Altar bringen, um ihn mit Energie aufzuladen.“
„Und wo ist der nächste Altar?“ fragte Naruz, und ahnte schlimmes.
„Er befindet sich praktisch direkt vor Navea, er liegt im Mondtempel, welcher am größten See dieser Gegend gebaut wurde, Ihr könnte ihn gar nicht verfehlen.“ Naruz fluchte innerlich, Seif grinste ihn jedoch an, und flog vor seinem Gesicht rum.
„Siehst du? Passt doch perfekt, somit können wir diesen Diamanten aufladen und gleichzeitig mit den anderen Eidolons reden. Also dann Partner, lass uns aufbrechen, meine Freunde warten immerhin schon seit ein paar Tagen auf uns!“

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„Erzähl mir ein wenig von deinen Eidolonfreunden, ich will nicht vollkommen unvorbereitet sein, wenn ich auf sie treffe.“ Naruz und Serif waren noch am selben Tag, an dem Omar ihnen vom Mondtempel und dem dortigen Altar der Gaia erzählte, aufgebrochen. Nun, vier Tage später, befanden sie sich auf einem gepflasterten Weg, welcher zum Jötun See führte, dem größten See, in der Nähe von Navea, an dessen Ufer der Mondtempel gebaut worden war. In der Ferne, hinter den Felsen, welche den See umringten, konnte man die Spitzen einiger Türme ausmachen. Dort befand sich Navea, die Hauptstadt des Reichs und der Kirche, und somit auch der Sitz des Erzbischofs, welcher diese leitete. Irgendwo dort musste sich auch Aleyandra befinden, Naruz hoffte nur, dass es nicht noch weitere Komplikationen mit diesem Artefakt gab, er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sobald er sich von Serif getrennt hatte, würde er nach Navea reisen, und Aleyandra finden, um auch ihr zu helfen, dann würde er sich vielleicht noch ein wenig in der Hauptstadt umsehen, ehe es zurück nach Skandia ging.
„Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, ich weiß ja nicht mal, wer beim Treffen anwesend sein wird, wahrscheinlich nur zwei oder drei, die sich ein wenig für dich interessieren. Die Einladung bekam ich von Aelius, dem Ritter der Sonne, er ist eines der mächtigsten und einflussreichsten Eidolons im Königreich des Himmels. Vielleicht kommt auch seine kleine Schwester mit, Selena, auch wenn ich das eher bezweifle... oh! Oh! Wenn wir Glück haben, ist Merilee da!“ auf einmal schien Serif voller Energie zu sein, und Vorfreude spiegelte sich in seinem Gesicht.
„Wer ist Merilee?“
„Sie ist eine Fee, genauso wie ich, sie ist mit Abstand das liebenswürdigste, hübscheste und...“
„Moment, Moment, Moooooment!“ unterbrach Naruz Serif, und starrte ihn ungläubig an.
„Was ist?“
„Du bist eine Fee?“
„Ja, was dachtest du denn? Sehe ich etwa nicht aus wie eine Fee?“
„Nein, überhaupt nicht! Ich habe schon Feen gesehen, in der Nähe von Skandia, und die sahen dir überhaupt nicht ähnlich.“
„Ach, das waren ja auch nur irgendwelche albernen Waldfeen, oder so etwas in der Art. Merilee und ich gehören zu den richtigen Feen, die meisten von uns leben im Königreich des Himmels, weshalb man hier in Terra nur unsere Vettern kennt. Wir nennen uns zwar Sylphen, aber alle anderen da oben, bezeichnen uns als Feen. Wie auch immer, selbst unter Unsersgleichen ist Merilee einzigartig! Ihre melodische, freundliche Stimme, ihr langes, rosafarbenes Haar, dass zu solch niedlichen Zöpfen gebunden ist, ihr einzigartiger Kleidungsstil, ihre niedliche Art zu tanzen, ihr unglaubliches Verständnis der Eismagie, ach, du müsstest sie einfach mal treffen, ihr würdet euch bestimmt gut verstehen, Merilee versteht sich mit jedem gut!“
„Ich fasse es nicht... Serif? Können Eidolons sich verlieben?“
„Natürlich, warum die Frage?“
„Na ja, ich hätte eigentlich gedacht, dass ihr als Kinder der Gaia über solchen Dingen wie Emotionen oder Gefühlen steht, aber du scheinst wirklich schwer verliebt zu sein.“
„W-w-was? Ich? In w-wen sollte ich verliebt sein?“ stammelte Serif, und lief vollkommen rot an.
„Na in diese Merilee, oder irre ich mich da?“
„Merilee? Wer hat dir von ihr erzählt? Ich bestreite alles!“
„Du hast mir von ihr erzählt, und wenn ich da an deine Beschreibung denke... ist sie das nicht?“ fragte Naruz, und deutete nach rechts, woraufhin Serif ruckartig den Kopf umwandte.
„Was? Wo? Wo ist sie? Wo hast du... ich hasse dich.“ meinte Serif, als er das Grinsen in Naruz' Gesicht bemerkte, und wandte sich beleidigt ab.
„Jetzt hab dich nicht so, Serif. Ich muss mir das andauernd von dir gefallen lassen, sei eine liebe Fee, und erzähle mir noch ein wenig mehr über die anderen Eidolons.“
„Warum habe ich das Gefühl, dass du dich über mich lustig machst?“
„Worüber genau?“
„Darüber, dass ich eine Fee bin, ich sehe doch dieses dämliche Grinsen in deinem Gesicht, jedesmal wenn du es erwähnst! Lass dir gesagt sein, dass die Vorurteile, die es über uns gibt, vollkommen ungerechtfertigt sind! Es kann durchaus männliche Feen geben, und...“
„Ja, ja, ja, sorge lieber dafür, dass Aleyandra niemals rausfindet, dass du eine Fee bist, ansonsten könnte es wirklich schlimm für dich enden.“ Serif schüttelte sich kurz, als er an Aleyandra und ihre 'Drohung' dachte. Eher würde er sich umbringen, als sich in ein Kleid stecken zu lassen. „Wer weiß, vielleicht verrate ich es ihr ja auch, ich bin mir sicher, ein schönes, blaues Kleid würde dir...“
„Bitte nicht! Du wolltest über andere Eidolons sprechen? Gut! Lass uns über andere Eidolons sprechen! Ein weiteres, mächtiges Eidolon ist Bahadur, ein Zentaur, der einst über eine gigantische Armee befehligt hatte, den Legenden nach, erzitterten die Berge, sobald sein Heer sich in Marsch gesetzt hatte, niemand konnte sie aufhalten, bis sie an ein anderes Eidolon geraten sind, Tigerius Caesar. Tigerius wird auch 'Der Kaiser der Raubtiere' genannt, er hat die Gestalt eines riesigen, mechanischen Tigers, und zählt als eines der stärksten Eidolons die es gibt. Er ist verdammt arrogant, aber auf Grund seiner Stärke bringen ihm viele Respekt entgegen, und einige seiner besiegten Gegner, sind seine Schüler geworden, um von ihm zu lernen. Lass mich dir einen guten Rat geben, sollten Bahadur oder Tigerius auf diesem Treffen sein, lass dich nicht von ihnen provozieren, und schon gar nicht zu einem Duell herausfordern, sie würden dich in Stücke reißen, bevor du überhaupt die Herausforderung annehmen kannst.“
„Oh? Sind sie wirklich so stark?“
„Werde bloß nicht übermütig, Partner. Du hast einen Dämon der untersten Stufe besiegt, und ein paar Piraten fertig gemacht, das ist gar nichts, im Vergleich zu dem, was andere Botschafter vor dir vollbracht haben, und selbst die besten von ihnen, erblassen neben den drei Königen, wie man die drei mächtigsten Eidolons nennt. Einer von ihnen ist Tigerius Caesar, Der Kaiser der Raubtiere. Die anderen beiden sind Aelius, der Ritter der Sonne, und Eligos, der Herzog der Unterwelt. Glaube mir, verglichen mit ihnen bist du nicht mächtiger als ein kleines Kind... um ehrlich zu sein, bin sogar ich stärker als du, und ich gehöre nicht unbedingt zu den stärksten Eidolons.“
„Du bist stärker als ich? Bist du dir sicher, dass du nicht derjenige bist, der ein wenig übermütig wird? Ich habe nicht gesehen, dass du in den letzten Kämpfen viel gemacht hast.“
„Natürlich nicht, ich wurde ja nicht gebraucht... Moment, du glaubst doch nicht wirklich im Ernst, dass du eine Chance gegen mich hättest, oder?“ meinte Serif, und zog eine Augenbraue hoch. Als er das herausfordernde Grinsen in Naruz' Gesicht sah, lachte er laut auf. „Oh, bei Gaia! Du glaubst wirklich, dass du gegen mich gewinnen kannst! Lass es sein, Partner, ich will dir nicht wehtun.“ Naruz hörte nicht auf Serif, sondern warf seinen Rucksack an den Straßenrand, und zog seine Schwerter, woraufhin Serifs Lachen erlosch, und er seinen Partner unsicher ansah. „Du willst wirklich... gleich hier? Wir sind fast am Tempel, kann das nicht warten?“
„Was ist? Hast du etwa Angst, nachdem du so große Töne gespuckt hast? Oder liegt das in der Natur, von euch Feen, Kämpfe zu meiden?“
„Naruz, ich warne dich...“
„Will die kleine, ängstliche Fee nicht kämpfen? Vielleicht willst du lieber durch die Welt fliegen, und Liebe und Glückseligkeit verbreiten?“
„...“
„Nun?“
„Ich werde jetzt anfangen dich zu verprügeln... ich weiß nicht wann ich aufhören werde, versuche nicht zu sterben, ja?“ meinte Serif, und verschwand sofort danach, Naruz konnte nur einen weißen Blitz sehen, der in seine Richtung schoss. Ehe er reagieren konnte, spürte er einen Tritt im Rücken, und flog ein paar Meter durch die Luft, bevor er am Wegesrand auf dem Gras landete. Mit einem Stöhnen erhob Naruz sich, und sah in die Richtung, wo er eben gestanden hatte, dort schwebte Serif in der Luft, mit einem äußerst aggressiven Gesichtsausdruck.
„War das nicht ein wenig unfair? Wir hatten noch nichtmal angefangen!“ meinte Naruz, während er seine Schwerter zur Seite warf, wenn Serif ohne Waffen kämpfte, würde er es ihm gleichtun.
„Oh, tut mir leid, ich dachte du warst schon bereit. Auf drei? Eins, zwei...“ dieses mal war es Naruz, der sich blitzschnell bewegte, und direkt vor Serif auftauchte, der seinen Partner verwirrt anblinzelte. „Was? Aber ich habe dir nichts von meiner...“ begann er, kam jedoch nicht weiter, da Naruz ihn mit der Faust direkt an der Schläfe traf, und durch die Luft trudeln ließ. Erneut verschwand Serif in einer Art weißen Blitz, und tauchte hinter Naruz auf. Ohne zu zögern trat er nach dem Hinterkopf seines Botschafters, darauf bedacht nicht allzu viel Kraft zu benutzen, immerhin wollte er keine bleibenden Schäden verursachen. Zu seiner Überraschung wich Naruz dem Angriff jedoch aus, indem er sich duckte, nicht nur dass, er stützte sich mit seinen Händen auf dem Boden ab, und trat, ohne hinzusehen, in die Richtung, in der er Serif vermutete. Dieser drehte sich auf den Kopf, um den Tritt mit seinen Armen abzuwehren, Naruz wartete jedoch nicht, sondern drehte sich auf seinen Händen, so dass er sofort einen weiteren Tritt folgen lassen konnte, der den vollkommen überraschten Serif im Rücken traf, und ihn auf die Straße schleuderte. Bevor Serif aufstehen konnte, war Naruz über ihm, und legte eines seiner Schwerter an die Kehle des Eidolons, woraufhin dieses die Hände in die Luft streckte. „Schon gut! Ich gebe auf, du hast gewonnen!“ sagte er, noch immer verwirrt, über diesen Ablauf der Dinge. Ja, Naruz konnte kämpfen, und ein Botschafter der Gaia wurde im Laufe der Zeit immer stärker, aber er sollte eigentlich noch weit schwächer als Serif sein! Die Geschwindigkeit, mit der Naruz sich bewegt hatte, kam der seinen gleich, was eigentlich nicht sein durfte.
„Gut, dann hätten wir das ja... geklärt...“ keuchte Naruz, ehe er ohne Vorwarnung zusammensackte, und vor Serif auf der Straße liegen blieb.
„Ähm, Partner? Ist alles in Ordnung mit dir? So hart habe ich eigentlich nicht getreten.“ fragte Serif, leicht besorgt,
„Oh, keine Sorge, mir geht es wunderbar, ich habe mich nur ein wenig überanstrengt. Es ist weit schwieriger, dieses Tempo aufrecht zu erhalten, wenn du mir nichts von deiner Energie gibst.“
„Moment... Naruz, welche Veränderungen hast du an dir festgestellt, seit ich aufgetaucht bin?“
„Was?“
„Beantworte einfach meine Frage!“
„Nun, ich bin schneller geworden, meine Reflexe haben sich verbessert... und ich kann fliegen.“
„Was ist mit übernatürlicher Stärke? Stärkere Magie, besseres Gehör, oder bessere Sicht?“
„Nein, nicht wirklich. Warum?“
„Weil, ähm, na ja, so läuft es normalerweise ab. Normalerweise werden alle Botschafter der Gaia stärker, schneller und kriegen besseres Gehör und Sicht, außerdem werden sie besser im Gebrauch von Magie, in einigen seltenen Fällen jedoch... nun ja, fällt der Großteil weg, und nur ein oder zwei Eigenschaften des Botschafters werden verbessert, du scheinst einer dieser Fälle zu sein. Du wirst zwar den Rest deines Lebens die körperliche Stärke eines normalen Menschen haben, aber dafür wird es dir möglich sein, dich schneller zu bewegen, als die meisten anderen Botschafter der Gaia.“ Eine Weile lang herrschte Schweigen, während Naruz einfach nur da lag und versuchte sich zu erholen, und Serif ihn interessiert beobachtete. Schließlich erhob Naruz sich, ging zu seinem Rucksack hinüber und schulterte ihn, ehe er sich an Serif wandte.
„Ich habe noch eine Frage an dich, vorhin sagtest du, ich habe einen Dämon der untersten Stufe besiegt, was meintest du damit?“
„Genau das, was ich gesagt habe. Die Dämonen Pandämoniums lassen sich in mehrere Stufen aufteilen. Die unterste Stufe besteht aus den schwächsten Dämonen, meistens Menschen, die gerade erst ihr Leben als Kreaturen des Pandämoniums begonnen haben, die oberste Stufe bilden die Erzdämonen, zu denen auch Herzog Eligos gehört.“
„Ich verstehe.“ Naruz seufzte, ehe er zu Serif hinüberging, der noch immer auf der Straße lag, und ihm eine Hand hinhielt, um ihm hoch zu helfen. „Komm, lass uns sehen, was die anderen Eidolons zu sagen haben.“

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Der Mondtempel sah nicht so aus, wie Naruz es erwartet hatte. Die meisten Tempel waren große, steinerne Gebäude, mit einem Dach, nicht jedoch dieser hier. Der Hauptteil des Tempels, war ein großer, aus Steinen geformter Mond, direkt am Ufer des Sees, mit einem Schrein an seiner Seite. Von diesem Mond aus, führte ein schmaler, steinerner Steg, zu einem weiteren Schrein, welcher auf einer winzigen Insel, inmitten des Sees stand. In diesem Tempel schwebte ein blauer, würfelförmiger Gegenstand in der Luft, und schien langsam und ruhig zu pulsieren. Dies musste der Altar sein, von dem Omar geredet hatte.
„Und was jetzt?“ meinte Naruz, an Serif gewandt, während er seinen Blick durch die Gegend schweifen ließ.
„Du musst zu diesem Würfel gehen, und ihn berühren, damit sagst du praktisch allen Eidolons 'Hallo, ich bin hier, kommt raus um mit mir zu reden'. Viel Glück, ich werde hier warten, am anderen Ende des Stegs.“
„Was? Warum?“
„Ich will mich nicht in eure tiefen, persönlichen Gespräche einmischen, außerdem will ich nicht dabei sein, falls Tigerius auftaucht, ich kann ihn nicht ausstehen... aber bitte sage ihm nicht, dass ich das erwähnt, hey!“ protestierte Serif, als Naruz ihn einfach am Kragen packte, und hinter sich her zog.
„Es war deine Idee mit ihnen zu sprechen, also wirst du gefälligst mitkommen.“
„Schon gut, schon gut, war doch nur ein kleiner Scherz!“ meinte er, woraufhin Naruz ihn losließ, und das Eidolon ihm murrend in Richtung Würfel folgte. Als Naruz direkt davor stand merkte er, dass eine angenehme Wärme von diesem Gegenstand auszugehen schien, und er spürte, wie seine Nervosität langsam verschwand. Wahrscheinlich war der Würfel mit einem Zauber belegt, der Leute in seiner Nähe beruhigen sollte, warum auch immer jemand dies tun sollte. Nach kurzem Zögern streckte Naruz seine Hand aus, und berührte den Würfel, woraufhin er kurz blau aufleuchtete. Sofort erschienen fünf goldene Säulen, in einem Halbkreis um den Würfel herum, und fünf Blitze, in unterschiedlichen Farben fuhren in diese hinab, als die Säulen verschwanden, befanden sich fünf Gestalten an ihrer Stelle, und sie alle musterten Naruz mit einem prüfenden Blick.
„Dies ist also dein neuer Botschafter, Serif?“ fragte das Eidolon, welches ganz links stand, mit blecherner Stimme. Bei diesem handelte es sich um einen Zentaur, wenn man davon absah, dass sein gesamter Körper aus Metall zu bestehen schien. Arme, Beine, Kopf und Brustkorb bestanden aus einem blau-weißen Metall, ebenso wie das Schwert, welches in der rechten Hand des Zentaurs ruhte, der Rest des Körpers war golden.
„Japp, das ist er, Naruz aus Skandia, vielleicht solltet ihr euch aber erst einmal vorstellen, bevor ihr ihn mit Fragen löchert.“ meinte Serif, und schien vollkommen ruhig zu sein, was Naruz vermuten ließ, dass keines der Eidolons, denen sein Partner nicht begegnen wollte, hier war.
„Natürlich, du hast vollkommen recht, Serif. Verzeiht meine Unhöflichkeit, Botschafter. Mein Name ist Cyril, Der Kreuzfahrer der Steppen.“ sagte der Zentaur, an Naruz gewandt und deutete eine Verbeugung an.
„Mein Name ist Sigrun, Die Valkyre, es ist mir eine Ehre Euch zu treffen, Botschafter.“ meinte die Frau, neben Cyril, und Naruz riss schockiert die Augen auf. Bei ihr handelte es sich um niemand geringeren, als das Eidolon, welches er ständig in seinem Traum benutzte, im Kampf gegen den Schattenritter. „Ist mit Euch alles in Ordnung?“ fügte Sigrun hinzu, als sie den Blick des Botschafters bemerkte.
„J-ja, alles in Ordnung, es freut mich ebenfalls, Euch zu treffen.“ meinte Naruz. Gut, er hatte ein Eidolon aus seinen Träumen getroffen, das musste noch lange nichts heißen! Wahrscheinlich handelte es sich hierbei nur um einen dummen Zufall.
„Mich kennt man unter dem Namen Aelius, viele nennen mich auch Den Ritter der Sonne, auch wenn ich nicht viel von diesem Titel halte.“ meinte die Gestalt, welche aus der mittleren Säule erschienen war. Bei ihr handelte es sich um einen Mann, der einen guten Kopf größer als Naruz, und in eine silberne Rüstung gekleidet war. Ein roter Kapuzenumhang, verdeckte sein Gesicht, so dass man nur zwei rote Punkte hervorschimmern sehen konnte, wo sich die Augen des Mannes befinden mussten.
„Dann bin jetzt ich dran?“ erklang eine melodische, sanfte Stimme, an Naruz' linkem Ohr, die ihn erstarren ließ. Beim vierten Eidolon handelte es sich um eine Frau mit halblangen, blauen Haaren, die in einen blau-weißen Kimono gekleidet war, und eine Art Sonnenschirm in ihrer rechten Hand trug. Sie befand sich jedoch nicht auf ihrem Platz im Halbkreis der Eidolons, sondern direkt neben Naruz und starrte ihn interessiert an, eine seltsame Kälte schien von ihr auszugehen, während sie sich neugierig um Naruz herumging, und ihn eingehend beobachtete.
„Verzeiht ihr, das ist Shirayuki, die Schneekönigin, sie ist noch jung, zumindest ist sie ein junges Eidolon, sie hat noch nie zuvor einen Botschafter der Gaia gesehen, daher ihre Neugier.“ erklärte Cyril, und kurz darauf nickte Shirayuki zufrieden, und ging wieder auf ihren Platz. Naruz nickte kurz, um Cyril zu zeigen, dass er keinerlei Probleme mit Shirayukis Verhalten hatte, und ließ seinen Blick dann zum letzten Eidolon wandern. Bei diesem handelte es sich um eine Frau mit dunkler Haut und weißen Haaren. Sie trug lange, weiße Strümpfe, die ihr bis zu den Oberschenkeln gingen, ihr grün-weißes Kleid war an den Seiten offen, und hatte obenrum einen Ausschnitt, der nicht allzu viel von den großen Brüsten des Eidolons verdeckte.
„Und dann hätten wir noch mich, mein Name ist Uzuriel und ich bin bekannt als Die...Wächterin... des... Himmels? Serif? Dein Botschafter starrt mich an... du übrigens auch, ist etwas?“ meinte Uzuriel verwirrt, und sah die Beiden fragend an.
„Es liegt an deinem Kleid.“ meinte Shirayuki, mit einem hellen Lachen. „Ich habe dir doch gesagt, dieses Ding ist viel zu aufreizend, für eine Wächterin des Himmels.“
„Ich muss Shirayuki Recht geben, das Kleid ist wirklich, ähm, sagen wir es so, ich hätte nie gedacht, dass du jemals so etwas tragen würdest.“ meinte Serif, der weiterhin auf den Ausschnitt des anderen Eidolons starrte. Dieses mal folgte Uzuriel seinem Blick, lief rot an und verschränkte die Arme vor der Brust.
„M-meint ihr wirklich? Aber Yarnaros hatte mir gesagt, dass dies die neueste Mode hier in Terra ist, und dass es mir super stehen würde!“
„Oh, es steht dir fantastisch... Moment, du hast etwas geglaubt, das Yarnaros dir erzählt hat?“ meinte Serif, und riss seinen Blick endlich von Uzuriel los.
„Ähm, wer ist Yarnaros?“ fragte Naruz, ehe Uzuriel antworten konnte, und fühlte sich außen vor gelassen, außerdem wurde gerade das Bild, welches er sich von den Kindern der Gaia gemacht hatte vollständig zerschmettert. Er hatte erhabene, mächtige Wesen erwartet, stattdessen zählten neugierige Mädchen, und Frauen mit aufreizenden Kleidern zu ihren Reihen.
„Ah, Yarnaros ist auch ein Eidolon, er ist... wie könnte ich ihn beschreiben? Ah genau! Er ist wie du, nur ein wenig schlimmer.“
„Was soll das denn bitte heißen?“
„Nichts, nichts. Wie auch immer, vielleicht sollten wir endlich zum Thema kommen, ihr habt Naruz doch nicht gerufen, nur um ihn mit Uzuriels neuem Kleid zu verführen, oder?“ Nach diesen Worten Serifs zuckte es kurz in Uzuriels Gesicht.
„Sag mir Serif, wo wohnst du doch gleich, wenn du nicht gerade einen Botschafter begleitest?“
„Im Königreich des Himmels, warum?“
„Und wer ist noch gleich die Wächterin des Himmels, die entscheiden kann, wer rein und rauskommt?“
„Du, warum... Moment, was willst du damit andeuten?“
„Genug! Ihr könnt euch später noch streiten!“ donnerte Aelius' Stimme durch den Altar, und sorgte für Ruhe. „Es tut mir leid Botschafter, dass Ihr solch ein beschämendes Verhalten von Eidolons beobachten musstet.“ fügte er hinzu, und warf einen Blick zu Uzuriel und Serif, die beide unschuldig in eine andere Richtung starrten.
„Oh, schon gut, ich habe sowieso keine sonderlich hohen Erwartungen mehr, seit ich Serif getroffen habe.“ Die Reaktion auf diese Worte fiel gemischt aus, während man Aelius' Gesicht noch immer nichts ansehen konnte, starrte Uzuriel ihn missbilligend an, Shirayuki lächelte kurz, und Sigrun zeigte keinerlei Reaktion, Cyril hingegen, lachte laut los, was dank seines Kopfes, den man eher als Helm bezeichnen konnte, ziemlich hohl und blechern klang.
„Er gefällt mir! Im Gegensatz zum letzten Botschafter, den ich begegnet bin, hat er zumindest halbwegs Sinn für Humor, und er ist nicht so ängstlich, wie der letzte! Wir haben die richtige Entscheidung getroffen.“
„Bist du dir sicher? Ich meine, gucke ihn dir doch mal an! An ihm ist nicht wirklich was besonderes... und was wir vorhaben, könnte schnell nach hinten losgehen, nicht viele Botschafter, haben diese Ehre erhalten!“ meinte Uzuriel, was Naruz nur noch mehr verwirrte, er hatte keine Ahnung, wovon die Eidolons da gerade redeten.
„Ach, du bist doch nur wütend, weil er auf deine Brüste gestarrt hatte.“ warf Shirayuki kichernd ein. „Ich bin auch dafür, es durchzuziehen. Was meinst du, Sigrun?“
„Es stimmt schon, an ihm scheint nichts besonderes zu sein, aber er hat es immerhin geschafft, Serif zu besiegen, ohne Hilfe.“
„D-du hast das gesehen?“ meinte Serif stotternd, und riss schockiert die Augen auf.
„Ich bin die Valkyre, es ist meine Aufgabe die Kämpfe dieser Welt zu überwachen, und die gefallenen Krieger ins Jenseits zu geleiten, natürlich habe ich es gesehen.“
„Dann ist es entschieden.“ sagte Aelius und wandte sich wieder an Naruz. „Hört mir gut zu, Botschafter. Wir haben Euch beobachtet, und entschieden, dass Ihr über Potenzial verfügt. Daher haben wir beschlossen, Euch einen weiteren Begleiter zur Verfügung zu stellen, ein zweites Eidolon, welches Euch auf Eurer Reise begleiten, beschützen und lehren wird.“
„Moment! Stopp! Wir hören am besten hier auf!“ meinte Naruz, ehe Aelius fortfahren konnte. Er kramte kurz in einem Beutel an seinem Gürtel herum, und zog den Edelstein heraus, den er in der Sternentruhe gefunden hatte. „Seht Ihr das hier? Mir wurde gesagt, dass man mit Hilfe dieses Edelsteins, die Verbindung zwischen einem Botschafter der Gaia, und dessen Eidolon trennen kann! Ich suche nach einer Möglichkeit ihn zu benutzen, und mich von Serif zu trennen, ich will mich nicht in einen Dämon verwandeln! Ich will einfach nur den Rest meines Lebens ruhig in Skandia verbringen! Also nein, danke zu eurem Angebot, ich brauche keine weiteren Begleiter! Aber wenn Ihr mir helfen könnt, diesen Edelstein zu benutzen, wäre ich Euch äußerst dankbar.“ Nach Naruz' Worten kehrte Schweigen ein, und die Eidolons warfen sich kurz Blicke zu, ehe Cyril nach vorn trat und die Hand nach dem Edelstein ausstreckte.
„Dürfte ich ihn mir einmal ansehen?“ Naruz zögerte kurz, überreichte den Edelstein dann jedoch an den Zentauren, dieser hielt ihn prüfend in die Luft, murmelte einige unverständliche Worte, und betrachtete ihn dann erneut, ehe er ihn an Naruz zurückgab. „Es tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, was es mit diesem Edelstein auf sich hat.“
„W-was? Aber mir wurde gesagt...“
„Ich weiß nicht, was Euch gesagt wurde, aber was auch immer es ist, es ist ganz gewiss kein Relikt oder Artefakt der Gaia, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass dieser Edelstein aus Pandämonium stammt. Vielleicht könnte man Euch in Navea sagen, wofür der Stein genutzt werden kann, die Kirche verfügt immerhin über ein paar Experten in Sachen Dämonologie.“ Naruz sank auf die Knie, und starrte mit leerem Blick zum Zentaur empor. Das konnte nicht sein! Der ganze Aufwand, um an diesen kleinen Edelstein zu kommen, und dann war es nicht einmal ein Artefakt der Gaia? Sondern irgendein seltsamer Gegenstand aus dem Reich der Dämonen? „Außerdem...“ fügte Cyril zögernd hinzu. Er sah wie schwer Naruz die Information über den Edelstein traf, und er wollte es nicht noch schlimmer machen, andererseits wäre es besser, ihm so früh wie möglich alles zu erzählen. „Außerdem befürchte ich, dass ich noch eine andere, schlechte Nachricht für Euch habe... es ist unmöglich die Verbindung zwischen einem Botschafter der Gaia, und seinem Eidolon zu trennen, ich hätte eigentlich erwartet, dass Serif das weiß, andererseits hat er sich nie für so etwas interessiert.“
„Es ist... unmöglich? Ich... ich werde den Rest meines Lebens, als Botschafter der Gaia verbringen müssen? Immer mit der Angst lebend, dass ich eines Tages zu einem Dämon werde?“ Serif merkte, dass sein Partner kurz davor war vollständig durchzudrehen, Verzweiflung und Angst mischten sich in seiner Stimme und sorgten dafür, dass er einen äußerst erbärmlichen Anblick bot. Selbst Uzuriel vergaß in diesem Moment, dass sie Naruz nicht mochte, und sah ihn mitleidig an. Schließlich war es Shirayuki, die auf ihn zu ging, und sich vor ihm hinkniete, so dass sie auf Augenhöhe waren. Sie legte ihre linke Hand auf seine Schulter und lächelte ihn freundlich an.
„Es ist leider wirklich unmöglich, sich von einem Eidolon zu trennen, allerdings heißt das nicht, dass Ihr eines Tages zu einem Dämon werdet. Viele Botschafter der Gaia, haben bisher in den Reihen der Kirche gedient, und kein einziger von ihnen, ist zu einem Dämon geworden. Die Kirche bildet junge Botschafter der Gaia aus, und bringt ihnen bei, sich davor zu schützen, dem Gefühl der Macht nachzugeben. Ihr solltet nach Navea gehen, und um eine Audienz beim Erzbischof bitten, Ihr seid ein Botschafter der Gaia, weshalb man Euch nicht einfach ignorieren kann, früher oder später wird man Euch vorlassen. Sprecht mit dem Erzbischof, bittet ihn darum, der Kirche beitreten zu dürfen, und lasst Euch ausbilden! Wenn Ihr dies tut verspreche ich Euch, dass Ihr nie mehr fürchten müsst, zu einem Dämon zu werden!“ Zu Serifs Erstaunen schienen die Worte der Schneekönigin zu reichen, um Naruz zumindest ein wenig zu beruhigen. Er schloss die Augen und atmete tief durch, ehe er aufstand und sich an Cyril und die anderen wandte.
„Entschuldigt vielmals, dass Ihr so eine Reaktion sehen musstet, ich bin mir sicher, dies gehört sich nicht für einen Botschafter der Gaia. Ich danke Euch, Shirayuki, ich werde Eurem Rat folgen, und versuchen, eine Audienz beim Erzbischof zu bekommen... auch wenn ich bezweifle, dass es so einfach sein wird. Ich werde sofort aufbrechen, vielen Dank für alles.“
„Einen Moment noch.“ meinte Sigrun plötzlich, schwebte nach vorn, und landete direkt vor Naruz. „Hier, nehmt dies mit.“ mit diesen Worten streckte sie eine Hand aus, und überreichte Naruz einen blauen Stein, mit einer seltsamen Rune in der Mitte. „Dies ist ein Beschwörungsstein, haltet ihn in der Hand und sprecht meine Beschwörungsformel, um den Vertrag zu besiegeln, und zu meinem Botschafter zu werden. Sobald Ihr dies getan habt, werde ich für den Rest Eures Lebens, an Eurer Seite kämpfen, Botschafter. Meine Beschwörungsformel lautet...“
„Ich kenne sie bereits.“ unterbrach Naruz die Valkyre, und erntete erstaunte Blicke.
„Was? Aber... woher denn?“
„Aus einem meiner Träume... um ehrlich zu sein habe ich bereits seit Wochen von Euch geträumt, Sigrun, in diesen Träumen haben wir zusammen gegen viele Feinde gekämpft.“
„Ihr habt von mir geträumt? Eine Art Vision? Aber das ist... oh! Diese verdammte Drachenflüsterin! Sie hat es getan!“
„Was? Wer hat was getan?“ fragte Naruz, bekam jedoch nur ein Kopfschütteln als Antwort.
„Ich darf es Euch nicht sagen, es könnte unschöne Konsequenzen haben. Wie auch immer, Ihr müsst meinen Stein nicht benutzen, aber ich würde Euch darum bitten, ihn zumindest aufzubewahren, solltet Ihr eines Tages meine Hilfe brauchen, beschwört mich, und ich werde mein bestes tun, um Euch zu beschützen. Unsere Zeit hier ist nun um, wir müssen zurückkehren, ins Reich des Himmels, es war uns eine Ehre Euch zu treffen, Botschafter Naruz, ich bin mir sicher, wir werden uns wiedersehen.“ Nach diesen Worten verabschiedeten sich auch die anderen Eidolons von Naruz, ehe erneut die goldenen Säulen aufleuchteten, und sie alle verschwanden, womit Naruz und Serif alleine zurückblieben.
„Was machen wir jetzt, Partner?“
„Ist es nicht offensichtlich?“ fragte Naruz, mit einem schwermütigen Seufzen. „Wir gehen nach Navea und suchen Aleyandra, ich hoffe nur, dass sie diese Nachricht nicht allzu schlecht aufnehmen wird. Danach können wir gemeinsam versuchen, eine Audienz beim Erzbischof zu kriegen, zwei Botschafter werden bestimmt viel eher vorgelassen werden, als einer.“ Mit diesen Worten wandte Naruz sich vom Altar ab, und ging den Steg zurück zum Ufer, von diesem Tempel aus dauerte es nur eine knappe Stunde nach Navea, schon bald würde er in der Hauptstadt stehen und nach Aleyandra suchen können.

Zumindest hatte er dies gedacht, vor den Toren Naveas erwartete ihn jedoch eine äußerst unschöne Überraschung. Er ging gerade mit einem Haufen anderer Reisender auf die Tore zu, als er die strenge Stimme einer Frau zu seiner Rechten hörte.
„Hey, Ihr da! Botschafter!“ Verwirrt hielt Naruz an und sah sich um, ehe er eine Frau bemerkte, die ihm zuwinkte. Er warf Serif kurz einen Blick zu, doch der zuckte nur mit den Schultern, woraufhin Naruz schließlich auf die Fremde zuging. „Tut mir leid, Euch stören zu müssen, mein Name ist Anya Bladelli und ich... ist mit Euch alles in Ordnung?“ fragte sie besorgt, als Naruz vollkommen bleich wurde, und sie aus großen Augen anstarrte. Auch diese Frau hatte er bereits gesehen, ebenfalls in seinen Träumen. Die roten Haare, das freundliche Gesicht und die Templerrüstung ließen keinerlei Zweifel offen, dies war die Frau, die in einem seiner Träume in seinen Armen gestorben war. Langsam bezweifelte Naruz, dass es sich bei den ganzen Begegnungen um Zufälle handelte. „Hallo? Könnt Ihr mich hören?“ Die Templerin namens Anya winkte mit ihrer Hand vor Naruz' Gesicht, woraufhin dieser wieder zu sich kam, und die Gedanken an den Traum verdrängte.
„Natürlich, tut mir leid, ich bin ein wenig neben mir. Vor nicht einmal zwei Stunden wurden meine Hoffnungen auf brutale Weise zerschmettert.“
„Was... was meint Ihr damit?“ Die Templerin schien nun erst recht verwirrt und sah hilfesuchend zu Serif hinüber, der jedoch nicht reagierte.
„Ähm, unwichtig. Mein Name ist Naruz, ich komme aus Skandia, weit im Süden des Reichs. Wie kann ich Euch helfen, Lady... Bladelli?“
„Richtig, wie bereits gesagt, ich bin Anya Bladelli, Templerin der Inquisition, falls Euch das etwas sagt.“ Naruz nickte zur Bestätigung, er hatte bereits davon gehört, dass die Templer der Kirche sich in mehrere Organisationen aufteilten, eine davon war die Inquisition, deren Aufgabe es war die Kirche von Verrätern und Bedrohungen im Inneren zu säubern. „Gut, dies ist Euer erstes mal in Navea, nicht wahr?“
„Genau, ich war noch nie hier, warum?“
„Jeder Botschafter der Gaia muss sich einem Test unterziehen, ehe sie in die Stadt gelassen werden. Es ist notwendig um festzustellen, ob ihre Herzen bereits von der Dunkelheit befallen wurden, wir wollen immerhin keine potenziellen Dämonen in die Stadt lassen, ich hoffe Ihr versteht das.“
„Natürlich, was muss ich für diesen Test tun?“
„Ihr müsst gar nichts tun, Euer Eidolon muss lediglich kurz still bleiben... wie ist Euer Name, Eidolon?“
„Hm? Ich bin Serif, und ich war schon ein paar mal in Navea, aber diese Art des Tests ist mir neu. Was passiert jetzt?“ Anstatt zu antworten zog Anya ihr Schwert, und tippte die Klinge an Serifs Stirn, ehe sie die Augen schloss und eine Art goldenes Licht in den Kopf des Eidolons zu fahren schien. Als Anya die Augen öffnete, schrie Serif plötzlich vor Schmerz auf, und krümmte sich. Naruz wollte schon eingreifen, bemerkte dann jedoch den Blick der Templerin, die kurz den Kopf schüttelte, um ihn zu bedeuten, dass alles lief wie geplant. Nur wenige Sekunden später hörte das Schwert auf zu leuchten, und eine Art goldene Kugel fiel auf den Boden, vor Naruz' Füßen, die Anya aufhob und kurz musterte, ehe sie verschwand. „Was... was war das?“ fragte Serif keuchend, während er noch immer versuchte sich von den plötzlichen Schmerzen zu erholen.
„Das war der Test, das Herz Eures Botschafters ist frei von jeglicher Bosheit, Eidolon Serif, Ihr könnt also beruhigt sein. Es steht Euch nun frei Navea zu betreten, ich werde außerdem Eure Namen in einem Bericht festhalten, damit Ihr nicht noch einmal diesen Test durchführen müsst, wenn Ihr die Stadt verlasst, und sie wieder betreten wollt. Erst in zwei Monaten wird es erneut erforderlich sein, um zu sehen, ob sich etwas bei Euch verändert hat.“ erklärte die Templerin, ehe sie sich verlegen räusperte und Serif einen kurzen Blick zuwarf. „Außerdem... ähm... es tut mir leid, Eidolon Serif. Ich weiß, das war nicht angenehm, aber es ist notwendig, ich hoffe Ihr könnt mir verzeihen.“
„Oh, kein Problem, ich wünschte nur, Ihr hättet vorher erwähnt, dass es so wehtun wird.“
„Moment!“ platzte es plötzlich aus Naruz heraus, woraufhin Anya ihn erneut verwirrt ansah. „Ihr habt Euch entschuldigt?“
„Natürlich, wofür haltet Ihr mich?“ erwiderte sie ungläubig, und leicht beleidigt. „Nur weil ich ein wenig streng zu Euch war, heißt das noch lange nicht, dass...“
„Lady Bladelli!“ der Ruf unterbrach das Gespräch, und alle drei Anwesenden wandten sich um, um zu sehen, wer da gerufen hatte. Ein Mann, der Rüstung nach zu Folge ein gewöhnlicher Soldat, näherte sich ihnen mit schnellen Schritten, und verneigte sich vor Anya, ehe er den Kopf hob und Bericht erstattete. „Schlechte Nachrichten, Lady Bladelli! Es geht um die Alabaster Ruinen, eine Gruppe Makar und Goblins sind vor einigen Stunden dort eingedrungen! Die Golems, welche die Ruinen bewachen sollten, haben sie ignoriert, stattdessen haben sie sich gegen unsere Männer gewandt, welche die Situation untersuchen sollten! Wir haben keine Ahnung was in den Ruinen vor sich geht, die Überlebenden meinten jedoch, dass die Makar irgendetwas zu suchen schienen, wir wissen jedoch nicht was.“
„Makar und Goblins? Was wollen die bei den Ruinen? Dort gibt es nichts, außer einem uralten Tempel, aber da dürfte es keine Schätze geben, überhaupt dürfte sich dort nichts wertvolles befinden, die Golems bewachen die Gegend nur, weil dort in letzter Zeit vermehrt Ungeheuer aufgetaucht waren.“ Anya biss sich leicht auf die Unterlippe, während sie zu überlegen schien.
„Ähm, entschuldigt mich.“ meinte Naruz, woraufhin Anya zusammenzuckte und sich zu ihm umdrehte, anscheinend hatte sie ihn schon vollkommen vergessen.
„Oh, Ihr seid noch hier. Was gibt es?“
„Nun, ich habe natürlich Euer Gespräch mitgehört, und ich hätte ein Angebot für Euch. Wenn es Euch nichts ausmacht, könnte ich die Ruinen für Euch untersuchen. Ich bin schnell, und recht gut darin mich unbemerkt zu bewegen, ich hätte bestimmt mehr Erfolg beim Ausspähen der Situation, als Eure Männer.“ Das entsprach sogar der Wahrheit, immerhin musste er in Skandia des öfteren Riesenkaninchen vertreiben, dabei war es notwendig, keine unbedachten Bewegungen zu machen, oder Geräusche zu verursachen, da die Viecher sonst schneller abhauen, als man auch nur sein Schwert ziehen konnte.
„Ihr?“ Anya betrachtete ihn kurz, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, es ist zu gefährlich, dies ist etwas, um dass sich die Kirche kümmern muss, ich kann nicht verlangen, dass Ihr einfach so Euer Leben riskiert.“
„Wer sagt etwas von einfach so? Ich erwarte natürlich eine Belohnung?“ Die Templerin zog überrascht eine Augenbraue hoch.
„Oh? Und was erwartet Ihr? Ein kleines Vermögen?“
„Nein, nur Euer Versprechen, dass Ihr ein gutes Wort für mich einlegen werdet, wenn ich um eine Audienz beim Erzbischof ersuche.“
„Ihr wollt eine Audienz beim Erzbischof? Das ist alles?“ Anya schien sichtlich überrascht zu sein, sie hatte eigentlich erwartet, dass Naruz einen Haufen Gold für seine Hilfe verlangen würde,
„Richtig, und Eure Hilfe bei der Suche nach einer Freundin von mir, die vor ein paar Tagen in Navea angekommen sein müsste. Dafür werde ich die Ruinen für Euch erkunden, und Euch berichten, was dort vor sich geht, Ihr könnt hier weiter Eurer Arbeit nachgehen, und Eure Männer müssen sich nicht unnötig in Gefahr begeben, was sagt Ihr dazu?“ Die Templerin dachte kurz darüber nach, zuckte dann jedoch mit den Schultern.
„Ich sehe kein Problem an der Sache, es ist Eure Entscheidung. Aber denkt dran, sollte Euch etwas passieren, bin ich nicht dafür verantwortlich.“
„Natürlich nicht.“
„Nun gut, die Ruinen befinden sich ungefähr vier Stunden östlich von hier, wenn Ihr der Hauptstraße folgt, werdet Ihr sie nach einer Weile sehen können. Seid vorsichtig, die Kirche hat dort vor ein paar Wochen einige Golems stationiert, ansonsten wissen wir nicht, was dort auf Euch wartet. Ich wünsche Euch viel Erfolg, und riskiert nicht zu viel, sobald Ihr rausgefunden habt, was die Makar dort wollen, kommt Ihr zurück und erstattet Bericht, verstanden?“
„Natürlich, Ihr werdet schon sehen, ich bin bald wieder zurück.“ meinte Naruz, während er sich verbeugte und wandte sich ab. Nachdem er bereits eine Weile gegangen war, wandte Serif sich an ihn.
„Weißt du, du hast eine seltsame Persönlichkeit. Du sagst, du hasst Abenteuer, aber trotzdem lässt du dich immer wieder in irgendwelchen Unsinn hineinziehen, weil du Leuten helfen willst.“
„Dessen bin ich mir bewusst, und es ist eine Seite von mir, die ich über alles hasse.“ meinte Naruz mit einem Seufzen. „Wie auch immer, wir sollten uns beeilen, ich habe die Befürchtung, dass die Makar nichts gutes vorhaben.“ Er wusste gar nicht, wie recht er mit dieser Vermutung haben sollte.

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Zuletzt geändert von Mimir am 21. Juni 2014 13:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 2. Juni 2014 22:36

10. Silberblatt (Öffnen)
10. Silberblatt


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Sie konnte sich nicht bewegen. Nicht einmal ihre Finger reagierten auf ihre verzweifelten Versuche wieder Leben in ihren Körper zu bringen. Selbst ihre Augenlider weigerten sich ihr zu gehorchen und letztendlich war sie weiterhin gezwungen an die Decke eines dunklen Raumes zu starren. Nur auf sie fiel Licht, der Rest des Zimmers war in undurchdringliche Finsternis gehüllt. Unter sich spürte sie nichts als Kälte, die von einem langen Stahltisch ausging. Das kühle Metall drückte leicht prickelnd gegen ihre nackte Haut. Obwohl sie wusste, dass es nichts mehr ändern würde, versuchte sie weiterhin sich zu bewegen. Irgendwie aufzustehen und einfach wegzugehen bevor alles zu spät war, aber das war es bereits. Sie spürte wie eine scharfe Klinge begann sie aufzuschneiden. Wie das Skalpell direkt unterhalb ihres Halses ansetzte und sie erbarmungslos und mit ruhiger Hand aufgeschlitzt wurde. Der Schmerz fraß sich von dort aus durch ihren ganzen Körper, schoss in jeden Winkel und erfüllte jede noch so winzige Ecke ihres Verstandes. Sie wollte ihren Schmerz hinaus schreien, doch selbst das verweigerte ihr Körper ihr. Stumm und reglos lag sie da, während die Klinge weiter nach unten wanderte. Dann hörte sie das Knacken und Bersten von Knochen. Hände schoben sich in ihren aufgebrochenen Brustkorb und tasteten suchend in ihr umher. Schoben ihre Organe auseinander und kümmerten sich nicht um die Schmerzen die ihr den Verstand raubten und sie in den Wahnsinn trieben. Eigentlich sollte sie inzwischen tot sein, aber irgendetwas hielt sie am Leben. Verhinderte dass sie diesem Wahnsinn entrinnen konnte, indem ihr Leben einfach endete und ließ sie weiter leiden. Ein Gesicht erschien über ihr, schob sich langsam in ihr Sichtfeld und lächelte sie an, doch sie erkannte es nicht. Es war zu verschwommen und undeutlich. Gerade als das Bild begann sich zu verfestigen und die Konturen schärfer wurden, wachte Aleyandra auf.
Sie stand kurz davor vor lauter Panik aufzuspringen, aber als sie den Nachthimmel über sich sah unterdrückte sie den Fluchtreflex. Es war nur wieder einer ihrer Träume gewesen. Trotzdem reichte das Wissen noch lange nicht, um sie wieder zu beruhigen, denn sie bildete sich ein noch immer ein die Schmerzen zu spüren, die Hilflosigkeit und die tastenden Hände, die ihr Innerstes durchwühlten. Leise begann sie unkontrolliert zu schluchzen und hasste sich sofort dafür. Sie kannte diese Träume bereits und trotzdem gelang es ihnen immer wieder sie fertig zu machen. Alessa war durch ihre hastigen Bewegungen aufgewacht und starrte sie in der Zwischenzeit erschrocken an, beruhigte sich aber schnell wieder, da sie das ganze bereits aus den vorherigen Nächten kannte. Als sie merkte dass Aleyandras Atem noch immer schnell und stoßweise ging und sich Tränen in ihren Augen sammelten, rückte das Eidolon näher an sie heran.
„War es wieder einer deiner Träume?“ fragte Alessa leise nach, als Aleyandra nur mit weit aufgerissenen Augen da lag „Willst du mir nicht endlich erzählen was du jede Nacht siehst? Ich könnte dir vielleicht helfen oder...“
„Schon gut.“ unterbrach Aleyandra sie leise und vergrub ihr Gesicht in dem flauschigen Fell ihres Eidolons, während ihre Tränen endlich versiegten. Alessa konnte zwar manchmal nerven, aber als Kissen war sie unschlagbar. „Man sollte eigentlich meinen, dass ich mich inzwischen daran gewöhnt habe. Immerhin verfolgen mich diese Bilder schon so lange ich zurückdenken kann, aber es wirkt jedesmal wieder so real und ich vergesse immer, dass ich es nur träume.“
„Ist es denn jedesmal der gleiche Traum oder gibt es mehrere die dich quälen?“
„Fast...es gibt kleine Unterschiede, aber die sind unwichtig.“ antwortete Aleyandra und presste sich fester an das weiche Einhorn. In Momenten wie diesen, war sie sogar halbwegs froh über Alessa´s Anwesenheit. Auch wenn sie kein Interesse zeigte Alessa alles zu offenbaren was sie in ihren Träumen sah. Die Träume waren wirklich fast immer gleich, nur die Hände suchten nicht immer an derselben Stelle. Manchmal zerlegten sie auch ihre Arme oder Beine, immer auch der Suche nach etwas und Aleyandra hatte keine Ahnung was. Nur eines wusste sie, diese Träume waren bedeutungslos. Das mussten sie einfach sein. An ihrem ganzen Körper fand sich keine einzige Narbe, da war sie sich todsicher. Es konnten also keine echten Erinnerungen aus ihrer verlorenen Vergangenheit sein, sondern es waren nur nervige, sinnlose Träume, die ihr bloß das Leben zur Hölle machen wollten. „Als ich vor Jahren an der Küste angespült und von den Bürgern Helonias gefunden wurde, haben sie nicht lange gebraucht um Leute zu finden, die mich aufnahmen. Es sind eigentlich gute Menschen, zumindest solange es nicht ums Geschäft geht oder man sich an ihrem Geld vergreift. Aber es dauerte auch nicht sehr lange, bis ich zu einer anderen Familie kam und danach zur nächsten. Ich war vielleicht nicht unbedingt besonders...einfach oder freundlich zu ihnen, obwohl sie mich gerettet haben. Um ehrlich zu sein, ging ich ihnen ziemlich auf die Nerven. Ich weiß nicht ob du es bemerkt hast, aber ich neige dazu recht gerne Sachen...mitgehen zu lassen.“
„Ach nein wirklich?“ murmelte das Einhorn mürrisch und versuchte sich mit einer Standpauke zurückzuhalten. Aleyandra hatte, während sie Naruz verfolgte, schon mehr als genug Essen gestohlen um das junge Einhorn an den Rand des Wahnsinns zu treiben.
„Ich weiß das kommt jetzt überraschend, normalerweise wäre es dir gar nicht aufgefallen. Jedenfalls, eines Tages bin ich dann in das Haus der Bürgermeisterin eingebrochen und habe die Pistolen gestohlen, die man damals mit mir am Strand fand. Danach bin ich abgehauen, aber ohne Geld oder Essen nicht weit gekommen und irgendwie doch in Helonia geblieben.“ sie verstummte kurz, um an diese langweiligen Jahre in Helonia zu denken. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte immer gefühlt, dass ihre Vergangenheit nicht so eintönig und dröge gewesen sein konnte. Vermutlich waren ihre Eltern Abenteurer gewesen, die mit ihr die Meere von Midgard bereist hatten und dann in einen verheerenden Sturm gerieten. Vielleicht sollte sie in Navea wirklich versuchen mehr über ihre Pistolen herauszufinden, auch wenn es nur als Ausrede gegenüber Naruz diente. „Das ist jetzt über zwei Jahre her und seitdem habe ich auf dieser Insel gehockt und nie wirklich gehofft wirklich einmal nach Navea zu kommen. Langsam, bin ich auch ein bisschen froh über deine Anwesenheit, Alessa.“ Zu ihrer eigenen Überraschung meinte Aleyandra das sogar ernst. Sie würde zwar liebend gerne jederzeit Alessa gegen ein anderes Eidolon eintauschen und die Verbindung bei der erstbesten Gelegenheit trennen, aber immerhin war sie auf ihrer Reise nicht alleine. Jeden Tag wurde Aleyandra aufgeregter und ungeduldiger je weiter Naruz nach Norden zog, denn in der Ferne zeichneten sie sich bereits schwach vom Himmel ab, die Türme von Navea. Wenn Naruz weiterhin in diese Richtung reiste, dann würden sie wirklich bald vor den Toren der größten Stadt Midgards stehen.
„Oh, du hast es endlich eingesehen? War aber auch nur noch eine Frage der Zeit, bis du erkennst wie toll ich bin. Jetzt können wir endlich richtige Freundinnen werden und...“
„Ich wünsche mir trotzdem er wäre jetzt hier.“ unterbrach sie Aleyandra mit einem verträumten Gesichtsausdruck.
„Er? Oh, du meinst nur wieder diesen Naruz.“ angesichts der Situation, gab Alessa sich Mühe den aufkeimenden Widerwillen in ihrer Stimme zu unterdrücken so gut es ging, auch wenn es ihr nicht gerade leicht fiel. Sie wollte nicht nerven, aber sie hatte von Anfang gewusst, dass es so enden würde. Dieser Naruz passte einfach nicht zu ihrer Herrin und Aleyandra würde das auch irgendwann noch erkennen, vor allem nach dem was er ihr bereits angetan hatte.
„In der kurzen Zeit mit ihm, konnte ich immer friedlich und ohne diese Träume schlafen. Es waren zwar nur ein paar Nächte, aber du hast ja inzwischen selber mitbekommen, dass ich normalerweise fast jede Nacht davon träume. Aber in seiner Anwesenheit fühlte ich mich geborgen und sicher. Solange er neben mir lag, wusste ich, dass ich nicht wieder an diesem Ort lande sobald ich die Augen schließe. Das die Träume ohne ihn wieder da sind, zeigt doch nur noch mehr, dass ich ihn liebe, oder nicht?“
„Nein, finde ich nicht. Vielleicht leidest du einfach nur unter Schlafmangel und solltest jetzt die Augen schließen anstatt Unsinn von dir zu geben.“
„Meinst du? Ich finde es irgendwie logisch.“ fuhr Aleyandra beleidigt fort. Es war kein Unsinn, sondern vollkommen richtig und nachvollziehbar, zumindest ihrer Meinung nach. Wie auch immer, nachdenken gehörte normalerweise nicht unbedingt zu Aleyandras Stärken. Sie war zwar nicht gerade dumm, aber ließ sich am liebsten von ihren Gefühlen und Instinkten leiten, das Denken verschob sie dabei gerne mal auf später. „Er hat mich vor meinem Blutdurst am Strand gerettet, die Träume vertrieben und mir den Mut gegeben endlich Helonia zu verlassen. Mit ihm an meiner Seite hätte ich für immer ohne die Träume leben können, doch dann...“ doch dann musste er diese Hoffnung aus einer Laune heraus zerstören nur um mit dieser Schlampe zu schlafen, beendete Aleyandra ihren Satz in Gedanken und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter, während sie versuchte nicht schon wieder zu Schluchzen, während sie an ihre letzte Begegnung mit Naruz dachte. Sie war eine Auserwählte Gaias! Da sollte sie nicht ständig Heulen als wäre sie ein Kleinkind. Wieder etwas beruhigt und abgelenkt durch die Gedanken an Naruz, kuschelte sie sich an Alessas Seite und schloss nach kurzem Zögern wieder die Augen. Wenn sie nur fest genug daran dachte das Naruz Lager nicht weit entfernt von ihnen lag, würden die Träume sie vielleicht für den Rest der Nacht verschonen.



Bild

Am nächsten Tag lehnte Aleyandra sich an eine Statue aus weißem Marmor, die eine betende Gestalt zeigte. Hinter dieser Statue lag der Mondtempel, zumindest hatte sie gehört das Naruz und Serif ihn so nannten. Das kleine Duell der beiden hatte sie eher gelangweilt betrachtet. Es war klar gewesen das Naruz am Ende gewann, immerhin war er unschlagbar. Eine kleine, niedliche Fee könnte ihm niemals gefährlich werden. Als das Wort ´Fee` fiel, war übrigens sofort Aleyandras Aufmerksamkeit geweckt, das musste sie sich unbedingt merken. Serif wirkte mit dieser Information noch niedlicher und vielleicht könnte sie das Feeneidolon ja einfach stehlen und es in eine Feenprinzessin verwandeln. Wenn sie etwas gut konnte, dann war es Dinge zu stehlen die sie unbedingt haben musste. Eine Weile war sie Naruz und Serif gefolgt, während sie in Gedanken versuchte einen Plan auszuarbeiten der es ihr ermöglichen würde das Eidolon zu klauen, aber als sie den Tempel erreichten, wurden diese Gedanken auf der Stelle verdrängt. Der Tempel an sich wirkte eigentlich nicht besonders beeindruckend auf sie, aber in dessen Zentrum schwebte ein großer blauer Kristall vor sich hin, von dem ein helles, durchdringendes Strahlen ausging, das dem Tempel inmitten des Sees etwas majestätisches verlieh. Sobald Naruz ihn berührte, erschienen mehrere Eidolons und unterhielten sich mit ihm, bevor er hastig in Richtung Norden verschwand.
Als sie sicher war, dass Naruz nicht noch einmal zurückkehren würde, trat sie hinter der Statue hervor und betrat den verlassenen Mondtempel. Jede Faser ihres Körpers schrie danach sofort Naruz zu folgen, um zu sehen was sein nächstes Ziel war, aber sie riss sich zusammen und widerstand diesem Drang. Er flog nicht, sondern reiste zu Fuß, also würde es sowieso leicht werden ihn einzuholen und wieder seine Spur aufzunehmen. Statt sich weiter Gedanken über Naruz zu machen, ging Aleyandra vorsichtig auf den verblassenden, blauen Kristall zu. Von der mystischen Aura der Macht, die diesen Ort noch vor wenigen Augenblicken erfüllt hatte, war nicht mehr viel zu spüren. Die Eidolons waren wieder verschwunden und hinterließen nichts weiter als einen trostlosen Haufen Steine, der ohne sie nicht mehr so prächtig wirkte, sondern eher an eine Ruine erinnerte. Direkt vor dem schwebenden Kristall hielt sie an und betrachtete ihn neugierig.
„Schnell, leg eine Hand auf den Stein!“ rief Alessa neben ihr und ihre Stimme überschlug sich fast vor lauter Aufregung. Sie hatte sich schon große Mühe geben müssen um nicht sofort auf die anderen Eidolons zuzufliegen und sie zu begrüßen. Alessa stand in der Hierarchie der Eidolons recht weit unten, vor allem verglichen mit übermächtigen Wesen wie Aelius oder Tigerius, aber sie freute sich trotzdem immer anderen Eidolons zu begegnen, zumindest wenn es die richtigen Eidolons waren, wie zum Beispiel Shirayuki. „Sie können noch nicht weit gekommen sein und wenn du sie rufst, tauchen sie sicher sofort auf. Es ist ihre Pflicht in diesem Tempel den Botschaftern Gaias mit Ratschlägen zur Seite zu stehen, dafür wurde das alles hier schließlich erbaut.“
„Warum sollte ich überhaupt mit ihnen reden wollen? Es ist schon anstrengend genug mit dir zu reden und sie sahen auch nicht so niedlich aus wie Serif.“ reagierte Aleyandra mit wenig Begeisterung auf ihre Idee. Ein Eidolon zu ertragen war für sie schon mehr als genug, da brauchte sie nicht noch eine ganze Horde von der Sorte. Außerdem waren ihr einige der Eidolons sehr unsympathisch erschienen. Vor allem die eine, die sich Naruz praktisch halbnackt präsentiert hatte, damit er einen guten Blick auf ihre großen Brüste erhaschen konnte. In dem Moment hatte sie jedenfalls erkannt, dass es noch deutlich schlimmere Eidolons gab als Alessa.
„Sie können dir helfen. Es gibt Eidolons die Tausende von Jahren alt sind und deren Erinnerungen bis zurück zur Erschaffung dieser Welt reichen. Vielleicht können sie dir erzählen wie man die Verbindung trennt oder dir wenigstens ihren göttlichen Schutz anbieten!“
„Wenn sie Botschafter und ihre Eidolons voneinander trennen könnten, hätten sie das sicher auch schon bei Naruz und Serif getan.“ murmelte das weißhaarige Mädchen und fühlte sich noch immer unwohl bei der Sache. Trotzdem ging sie näher an den Kristall heran. Immerhin würde sie so vielleicht erfahren über was genau Naruz und die Eidolons sich unterhalten hatten. Aleyandra spürte zwar das ihre Sinne von Tag zu schärfer wurden und gewöhnte sich langsam daran, aber sie hatte trotzdem kaum ein Wort verstanden. Außerdem erhielt sie so die Gelegenheit dieser halbnackten Eidolonfrau einmal ihre Meinung zu sagen. Sie waren immerhin praktisch so etwas wie Götter für die Menschen, da sollten sie nicht so herumlaufen und armen, unschuldigen Botschaftern Gaias den Kopf verdrehen. Hastig legte sie eine Hand auf den Kristall, um es schnell hinter sich zu bringen. „Gut, meinetwegen. Ein wenig göttlicher Beistand kann mir im Moment sicherlich nicht schaden.“

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Doch der Kristall reagierte nicht. Es schossen keine bunten Blitze hervor und der Tempel wurde auch nicht in helles Licht getaucht, stattdessen erschien wie aus dem Nichts ein großer Mann in einer silbernen Rüstung vor ihnen. Ein roter Kapuzenumhang, verdeckte sein Gesicht, so dass man nur zwei leuchtende, rote Punkte sehen konnte, die einen aus der Dunkelheit heraus durchbohrten.
„Willkommen im Tempel des Mondes, junge Auserwählte. Mein Name ist Aelius, der Ritter der Sonne.“
„Ich heiße Aleyandra und das ist mein Eidolon Alessa.“
„Die Wege der Göttin sind manchmal unergründlich.“ meinte Aelius und die hellen Punkte hefteten sich auf Alessa, die versuchte hinter Aleyandra zu verschwinden. Nach einer Weile sah er wieder Aleyandra an und ignorierte das Einhorn vorerst. „Also, was willst du von mir? Warum hast du mich gerufen?“
„Ähm.“ Für einen kurzen Moment hatte sie vergessen was sie eigentlich fragen wollte. Seine Bemerkung über Alessa verstand sie nicht. Machte er sich vielleicht gerade darüber lustig dass ihr Eidolon ein Einhornfohlen war? Doch in seiner ruhigen Stimme lag keinerlei Spott oder Hohn, also verwarf sie diesen Gedanken schnell wieder und fuhr hastig fort „Alessa meinte ihr könnt mir helfen.“
„Das ist richtig, dein Eidolon hat die Wahrheit gesagt. Wir helfen und behüten vielversprechende Botschafter Gaias, damit sie im Auftrag der Göttin diese Welt und ihre Kreaturen beschützen können. Vielversprechende Botschafter, nicht hoffnungslose Fälle. Was glaubst du wieso nur ich erschienen bin und nicht, so wie bei Naruz, mehrere von uns?“
„Keine Ahnung. Weil er so gut aussieht? Moment, woher weißt du, dass ich euch gesehen habe als Naruz hier war?“
„Du standest hinter der Statue und hast uns beobachtet. Damit stellt sich die Frage, ob du nur höflich sein wolltest oder versucht hast uns zu belauschen.“ als sie unter seinem Blick zusammenschrumpfte und sich ertappt fühlte, fuhr er er fort, ohne sich um ihr Unbehagen zu kümmern. „Aber wie auch immer, das ist sowieso unwichtig. Jedenfalls, der Grund warum nur ich hier bin, ist recht einfach: Wir haben deine Seele überprüft, deine Fähigkeiten und selbst deine Gedanken und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir dir nicht helfen können. In einem Monat, bist du entweder tot oder ein Dämon der von den Templern zu Tode gehetzt wird wenn du weiter auf dem Pfad eines Botschafters Gaias wandelst. Es lohnt sich nicht unsere Zeit und Kraft in dich zu investieren, nicht solange es noch Auserwählte gibt, die mit unserer Hilfe wirklich etwas anfangen können.“
„Aber...“
„Sei dankbar für meine Worte, denn sie sind nicht dazu gedacht dich zu verletzen, sondern um dein Leben und deinen Verstand zu retten.“ unterbrach er sie sofort, bevor sie stammelnd etwas einwerfen konnte. Die Eidolons hielten sie für unwürdig und für eine Zeitverschwendung? Das konnte nicht sein! Immerhin akzeptierten sie sogar einen faulen Hurenbock wie Naruz. „Wenn die Wogen des Krieges ganz Midgard überziehen, werden sie dich entweder verschlingen oder du wirst Seite an Seite mit unseren Feinden in die Schlacht ziehen. Es ist besser für dich dem Krieg aus dem Weg zu gehen und dich bedeckt zu halten, bis der Sturm sich gelegt hat. Das ist mein Rat und einen anderen kann und werde ich dir nicht geben.“ ganz kurz nur, wurde Aelius Stimme sanfter und das Leuchten seiner Augen wirkte nicht mehr unheimlich, sondern fast schon freundlich. „Geh zurück in dein Dorf und hoffe drauf, dass die kommenden Ereignisse an dir vorbeiziehen. Außerdem möchte ich dich bitten nicht weiter unseren Schützling zu belästigen und zu verfolgen. Vor ihm liegen wichtige Aufgaben, die auch ohne deine Einmischung schwer genug sein werden.“
„Nein.“ erwiderte Aleyandra zähneknirschend. Das Eidolon irrte sich. Jedes einzelne Wort war einfach nur falsch.
„Nein? Du lehnst meine Bitte ab? Du wurdest vielleicht einst von Gaia auserwählt, aber es gibt viele die nach ihrer Geburt von der Göttin berührt wurden, in der Hoffnung, dass sie auf Ewig ihre reinen Diener bleiben. Doch Menschen verändern sich, vor allem wenn sie mit der Macht einer Göttin in Berührung geraten und plötzlich über allen gewöhnlichen Menschen stehen. Sie werden zu kleinen Tyrannen. Zu Dieben, Mördern und letztendlich zu Dämonen, es sei denn, sie lernen es diese Kraft zu kontrollieren und das wirst du nie.“
„Das ist mir egal.“ zischte Aleyandra aufgebracht. Aelius meinte es vielleicht nur gut mit seinem Ratschlag und vielleicht hatte er sogar recht damit das sie nicht für den Kampf und die Aufgaben als Botschafterin Gaias geschaffen war, aber das war ihr egal. Sie würde sich nicht von einem Eidolon vorschreiben lassen welchen Weg sie zu gehen hatte. „Ich werde mich nicht verkriechen und den Kopf in den Sand stecken. Ich bin eine Auserwählte Gaias und kein Dämon! Hast du mich verstanden, Ritter der Sonne!? Ich werde Naruz weiter folgen, wenn nötig auch bis ans Ende der Welt und durch den Sturm des Krieges, von dem du redest. Mir reicht dieses Gerede über Dämonen und gefallene Auserwähle. Ich bin keine von diesen schwachen Seelen und werde niemals so enden!“
„Wenn das deine endgültige Entscheidung ist, dann wünsche ich dir viel Glück auf deinem Weg, auch wenn ich es bedauere. Wenn du wirklich versuchen willst deine Kräfte zu kontrollieren, dann kann ich dir nur dasselbe raten, was ich auch Naruz erzählt habe. Begib dich in die Obhut der Kirche und hoffe darauf, dass Gaia deine Seele retten wird.“ damit schien das Eidolon endgültig genug geredet zu haben und löste sich auf. Genauso unspektakulär wie es erschienen war verschwand es auch wieder und ließ Aleyandra in einer für sie ungewohnt nachdenklichen Stimmung zurück.
„Ich bin sicher er hat das nicht so gemeint. Aelius ist manchmal schwer zu durchschauen, aber...“
„Wir müssen Naruz einholen.“ wurde Alessa schroff von ihrer Herrin unterbrochen. Sie wollte nichts mehr davon hören und dieses ganze Gespräch einfach vergessen. „Wenn er auf dem Weg nach Navea ist, müssen wir irgendwie versuchen ihn davon zu überzeugen das wir schon eine ganze Weile in der Stadt sind. Er glaubt noch immer, dass ich direkt nach unserem letzten Treffen nach Norden geflogen bin und das soll er auch weiterhin denken. Komm, gehen wir und vergessen diesen Unsinn. Die anderen Eidolons sind mir egal, ich brauche ihre Hilfe nicht.“



„Und? Was hast du erfahren? Wo ist er hin? Und noch viel wichtiger, wer ist diese Frau?“ bestürmte eine ungeduldige Aleyandra ein ziemlich erschöpft dreinblickendes Einhorn, dass sich vor ihr ins Gras fallen ließ. Die beiden befanden sich auf einer Wiese direkt hinter einem kleinen Hügel, nicht weit von den strahlend weißen Mauern Navea´s entfernt. Vor den Stadttoren warteten Reisende darauf, dass die Templer sie durch winkten und das taten sie auch fast immer anstandslos. Nur bei Naruz war eine von ihnen sofort auf ihn zugegangen und hatte ihn abgefangen. Nachdem sie sich eine Weile unterhielten, war Naruz dann mal wieder abgehauen und zwar nicht in die Stadt, sondern nach Osten.
„Immer mit der Ruhe bitte. Darf ich mich erst einmal ein bisschen ausruhen und dir erzählen wie ich es überhaupt geschafft habe so nahe an ihn heranzukommen ohne gesehen zu werden?“ schnaubte Alessa beleidigt, als ihre Herrin keinerlei Interesse daran zeigte ihre grandiose Leistung angemessen zu würdigen.
„Nein danke.“ schmetterte Aleyandra sofort alles ab was Alessa noch sagen wollte. Wichtig war ohnehin nur, dass ihr Eidolon sich ausnahmsweise einmal als nützlich herausstellte. „Ich will viel lieber wissen worüber sie geredet haben! Von hier aus konnte ich schließlich nichts hören. Wer war diese Frau mit den roten Haaren und wo will Naruz hin? Warum ist er nicht in die Stadt gegangen?“
„Den Anfang habe ich leider verpasst, da es sehr anstrengend war ungesehen in ihre Nähe zu gelangen und sehr viel Fingerspitzengefühl erforderte. Außerdem...“
„Du hast keine Fingerspitzen, du hast nicht einmal Finger! Also spare dir das ganze Gerede und beantworte meine Frage!“
„Die Templerin soll ihm eine Audienz bei dem Erzbischof verschaffen und dafür hilft er ihnen bei einem kleinen Problem. Nach der Audienz will er dich in der Stadt besuchen gehen oder so. Mehr weiß ich nicht. Zufrieden?“
„Nicht wirklich, aber ich habe auch nicht viel erwartet.“ murmelte Aleyandra enttäuscht. Das reichte ihr nicht, sie musste wissen was sie davor noch besprochen hatten und ob die Frau hübsch genug war um eine Bedrohung darzustellen. „Am besten ich frage diese Templerin persönlich aus.“
„Willst du denn nicht Naruz folgen? Ich dachte du drehst durch, wenn du ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen verlierst.“
„Ich muss vor ihm in der Stadt sein und noch dazu ein Zimmer finden, damit er mir glaubt, dass ich schon eine Weile da bin. Dann muss ich mir die Gegend ansehen und mich mit der Stadt vertraut genug machen um ihn herumzuführen. Danach muss ich noch...“
„Schon gut, schon gut. Du willst ihm vorspielen schon eine Woche dort zu leben. Anstatt ihm einfach die Wahrheit zu sagen, willst du irgendein albernes Spiel spielen, richtig?“
„Richtig. Außerdem, wenn er zum Erzbischof will, wird er früher oder später wieder zurückkommen und muss nach Navea, wo wir auf ihn warten werden. Also los, setz dich in Bewegung.“

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Damit war das Gespräch für Aleyandra beendet und sie ging mit raschen Schritten auf die Mauern von Navea zu. Ihr Eidolon flog offen sichtbar neben ihr her. Sie befanden sich nicht mehr in Helonia. Hier kannte sie niemand, also musste sie auch nicht mehr verbergen das sie zu den Auserwählten der Göttin gehörte, was vor allem Alessa freute, die es ohnehin satt hatte sich zu verstecken. Aleyandra wollte sich sofort unter die Menschenmenge am Tor mischen, erhielt dazu aber keine Gelegenheit mehr, denn die Templerin mit den langen, roten Haaren kam sofort auf sie zu, um sie noch vor den Toren abzufangen. Ein weiteres halbes Dutzend Templer blieb bei den Reisenden und winkte sie gelangweilt hindurch, ohne sich weiter um Aleyandra zu kümmern. Immerhin etwas. Mit einem Templer wurde sie fertig wenn es Probleme geben sollte, mit einer ganzen Truppe eher weniger.
„Glaubst du Naruz findet sie hübsch?“ fragte Aleyandra ihr Eidolon, während sie stehen blieb und zusah wie die Templerin näherkam. Es war schwer ihre Figur genau zu erkennen solange sie diese Rüstung trug, aber ihr Gesicht war hübsch und das traf vermutlich auch auf den Rest ihres Körpers zu. Hoffentlich verbrachte Naruz nicht zu viel Zeit mit ihr nachdem er sich der Kirche angeschlossen hatte und wurde einer ganz anderen Einheit zugewiesen. Am besten eine ohne Frauen, die weit außerhalb von Navea stationiert war. Vielleicht in einer menschenleeren Wüste oder auf einer unbewohnten Insel.
„Oh, ähm...nein, natürlich nicht. Er findet sie sicher vollkommen abstoßend. Sieh sie dir doch nur einmal an, sie sieht furchtbar aus. Außerdem mag Naruz ja kurze Haare und ihre sind viel zu lang.“
„I-ich habe aber auch l-l-lange Haare...“ stotterte Aleyandra, jetzt erst recht verunsichert, während sie hilfesuchend ihr Eidolon ansah und kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen schien.
„So war das nicht gemeint!“ setzte Alessa hastig nach, bevor sie noch anfangen konnte zu weinen. Wenn es um Naruz ging, war es sehr leicht sie aus der Fassung zu bringen und es war für das Eidolon noch immer ein Rätsel wie ihre Herrin manchmal eiskalt und düster sein konnte und im nächsten Moment alleine ihr Anblick einem das Herz erweichte und man sich fühlte als würde man von einem Rudel niedlicher Katzenbabys angegriffen. Im Moment erinnerte nichts mehr an die Aleyandra vom Strand, die ohne mit der Wimper zu zucken dutzende Leben auslöschte. „Ihre sind etwas ähm...kürzer?“
„Wie soll mir das helfen? Er mag doch kurze Haare! Also sind ihre besser als meine?“
„Ich meinte...sie sind vielleicht etwas kürzer, aber ihre wirken hässlich, durch die Farbe. Dein wundervolles Silber lässt deine Haare viel einzigartiger und mystischer und schöner wirken als ihre blutigen Borsten jemals sein könnten.“
„Findest du wirklich?“
„Natürlich! Naruz sagte doch mal das er nur kurze Haare toll findet und trotzdem mag er dich, also müssen ihm deine Haare so gut gefallen, dass ihm die Länge egal ist. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen das er sie liebt. Und...oh, sie ist da.“ wechselte Alessa erleichtert das Thema. Viel mehr wäre ihr auch nicht mehr eingefallen, da sie das Aussehen von Menschen schlecht einschätzen konnte und zum Glück, stand die rothaarige Templerin inzwischen mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen vor ihnen und musterte die beiden eindringlich.
„Willkommen in Navea. Mein Name ist Anya Bladelli. Es ist meine Aufgabe unter den Reisenden nach Botschaftern Gaias Ausschau zu halten und sie in Navea willkommen zu heißen.“
„Ich bin Aleyandra und das ist mein Eidolon, Alessa.“ stellte sie sich langsam und zurückhaltend vor. Ihr gefiel absolut gar nichts an diesem Mädchen. Ihre Stimme war nervig, viel zu laut und vollkommen überdreht, ihre Haut sah aus wie verblichenes Pergament und ihre Haare wirkten wie ein dreckiges Vogelnest...zumindest in Aleyandras Vorstellung, in Wahrheit suchte sie noch immer nach irgendetwas, was es an dieser Anya auszusetzen gab, aber konnte bisher nichts entdecken, was sie erst recht in den Wahnsinn trieb. Von nahem betrachtet wirkte sie sogar noch hübscher und selbst die Rüstung konnte ihr nicht viel von ihrer Anmut nehmen. Navea war vielleicht doch nicht der richtige Ort für Naruz.
„Willkommen im Herzen Midgards, Aleyandra und Alessa.“ die Templerin neigte kurz den Kopf in die Richtung des Eidolons. Selbst hier in Navea waren Eidolons ein seltener Anblick und gleich zwei von ihnen an einem Tag zu Gesicht zu bekommen, musste ein gutes Omen sein. „Bevor es Euch erlaubt ist die Stadt zu betreten, muss ich leider einen kleinen magischen Test durchführen. Alle Botschafter Gaias müssen diese Prozedur über sich ergehen lassen wenn sie die Stadt betreten möchten. Keine Sorge, es ist vollkommen harmlos und dient nur zur Sicherheit der Bewohner und der Kirche.“
„Und wenn ich kein Interesse an diesem albernen Test habe?“ wehrte Aleyandra sofort ab, als sie sich an die Szene am Strand erinnerte. Sie war schon einmal dem Blutrausch verfallen und war sich daher nicht sicher, ob sie in der Lage war so einen Test zu bestehen. Vor allem die Worte von Aelius drängten sich wieder an die Oberfläche und hallten in ihren Ohren wieder. „Ich habe mit den Templern und der Kirche nichts zu tun, lasst mich einfach durch.“
„Wenn Ihr euch weigert, muss ich Euch leider bitten wieder zu gehen. Niemand der ein Eidolon besitzt darf die Stadt ohne Überprüfung betreten, es ist eines der wichtigsten Gesetze der Hauptstadt. Wir müssen sichergehen, dass sich unter den einreisenden Botschaftern Gaias keine befinden, die ihre Macht missbrauchen und sich vielleicht sogar mitten in der Stadt in Dämonen verwandeln. Es ist eine Sicherheitsmaßnahme, die ganz einfach nötig ist, wie Ihr sicher verstehen werdet. Die Kräfte der Botschafter können zerstörerisch und brutal sein, wenn man sie in die falschen Hände legt. Es ist die Pflicht der Kirche, die Menschen davor zu beschützen.“
„Ich...“ Aleyandra brach ab, als sie die Entschlossenheit in Anyas Augen wahrnahm. Man würde sie wirklich nicht ohne diese Überprüfung durchlassen. Am einfachsten wäre es wieder zu gehen und am Abend zu versuchen über die Mauern zu fliegen, aber irgendetwas sagte Aleyandra, das es ihr nicht gelingen würde. Die mächtigste Stadt des Landes verfügte sicher über eine Art magischen Schutz, der es ihr unmöglich machte so leicht einzudringen. Einfach wegzugehen war auch keine Option. Naruz erwartete sie in Navea zu finden, also musste sie auch da sein. „Wie du meinst. Wenn es das Gesetzt ist, dann teste mich halt. Immerhin habe ich keine große Wahl.“
„Danke.“ Anya schien ziemlich erleichtert zu sein, als die Botschafterin sich fügte. Sie kommandierte die Wachen am Südtor noch nicht sehr lange und musste noch nie gegen einen Auserwählten der Gaia kämpfen, sondern hatte es bisher ehrlich gesagt nur mit Naruz zu tun gehabt, dessen Seele zum Glück rein war. „Ich brauche dazu nur kurz die Hilfe Eures Eidolons.“
„Alessa, mach was sie sagt, aber wenn sie irgendetwas seltsames versucht, dann benutz einfach dein Horn und spieß sie auf.“ flüsterte Aleyandra dem Einhorn zu, das nervös vor der Templerin in der Luft schwebte und sich unruhig umsah.
„Keine Angst, es wird nicht lange dauern. Halt einfach still und konzentriere dich am besten auf die Verbindung zu deinem Botschafter, dann geht es leichter.“ erklang Anyas sanfte und freundliche Stimme, während sie ihr Schwert zog und die flache Seite der Klinge an Alessas Stirn legte. Gleißendes Licht wanderte den Stahl entlang und verschwand in dem Einhorn. Ließ es in einem hellen Licht erstrahlen. Aus ihrem Eidolon erschien eine Art Kugel aus goldenem, warmen Licht, die langsam zu Boden sank und vor Anya´s Füßen liegen blieb. Die Templerin senkte rasch den Blick, um sie sich anzusehen und trat einige Schritte von dem Einhorn zurück. Verwirrt runzelte Anya die Stirn, als sie keine Ahnung hatte was genau sie eigentlich vor sich hatte und wie sie es deuten sollte. Es war eine magische Kugel aus Licht, genau wie bei Naruz, doch nicht überall sah man die goldene Strahlen hervorbrechen. Eine schwarze Masse überzog die Kugel mit unregelmäßigen dunklen Flecken, die das Licht verschlangen, es gierig aufsaugten, und das Leuchten immer schwächer werden ließen.
„Ist alles in Ordnung?“ platzte es aus der nervösen Aleyandra hervor, als die Lichtkugel sich nach und nach auflöste, bis sie letztendlich vollständig verschwunden war und Anya noch immer nichts dazu sagte. „Ist der Test beendet?“
„Ja, alles ist bestens. Die Überprüfung von dir und deinem Eidolon wurde erfolgreich abgeschlossen und es ist euch jetzt erlaubt die Stadt zu betreten.“ antwortete Anya unsicher, während sie den Griff ihres Schwertes fester umklammerte, anstatt es zurück in die Scheide gleiten zu lassen. „Nur eines noch. Ich muss dich bitten mir zu folgen. Es gibt noch etwas das wir erledigen müssen, bevor wir dich als Botschafter Gaias in Navea begrüßen können.“
„Und wohin willst du mich bringen?“ fragte Aleyandra argwöhnisch. Irgendetwas stimmte nicht. Anyas Haltung hatte sich vollkommen verändert. Von der lockeren, freundlichen Art war nichts mehr geblieben, stattdessen umklammerte sie ihr Schwert und ihre Augen folgten nervös jeder Bewegung Aleyandras.
„Dorthin, wo Ihr sowieso hin wolltet, nach Navea, allerdings müsst Ihr einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, bevor es Euch erlaubt sein wird Euch frei in Navea zu bewegen. Ein weiteres unserer Gesetze, mit dem die Kirche die Bürger vor der Macht Gaias beschützen will. Es wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen und danach wird es euch beiden gestattet sein zu gehen wohin ihr wollt.“
„Und wenn ich dir das nicht glaube?“ setzte Aleyandra nach, als das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend immer stärker wurde, je länger Anya redete. Die schwarzen Flecken, das musste es sein. Etwas stimmte nicht mit ihrem Test.
„Dann zwingt Ihr mich dazu Euch...“ doch weiter kam die Templerin nicht mehr, denn Aleyandra beschloss zu handeln, bevor sie es tun konnte und sprang auf Anya zu. Das Schwert der Templerin fuhr nach oben. Aleyandra blockte die lange Klinge mit einer ihrer Pistolen und richtete die andere auf das Gesicht der Templerin. Anstatt jedoch abzudrücken zögerte sie, diese Frau hatte ihr nicht wirklich etwas getan, und wollte lediglich ihre Pflicht erfüllen, war es wirklich richtig... Aleyandras Gedankengang wurde unterbrochen, als die Templerin sich schnell zur Seite drehte und den Knauf ihres Schwertes gegen Aleyandras Schulter rammte, woraufhin diese zurückwich, und beinahe ihre Pistolen verlor. Sie sammelte sich jedoch recht schnell, und wich einem Schwertstoß der Templerin aus, ehe sie etwas Distanz zwischen sich und die Templerin brachte, und erneut ihre Pistolen abfeuerte. Anya wich den ersten beiden Kugeln geradeso aus, und sah sich suchend um, ehe sie einen Stein vom Boden aufhob. Aleyandra wartete nicht ab um zu sehen, was die Templerin damit vorhatte, sondern feuerte erneut mit ihren Pistolen, bevor die magischen Geschosse jedoch Anya treffen konnten, leuchtete der Stein in ihrer Hand golden auf und verschwand, kurz darauf erschien ein durchsichtiger Schild, mit goldenem Rand direkt vor der Templerin, welcher die Geschosse abfing. Anyas Gesicht verhärtete sich, und sie hob ihr Schwert vor sich in die Luft, als wäre sie ein Duellant, der seinen Gegner begrüßt. Aleyandra wusste zwar nicht, was das sollte, beschloss jedoch dass es besser wäre, den Kampf so schnell wie möglich zu beenden, was jedoch leichter gesagt als getan war, da die Templerin anscheinend keine Mühe hatte, ihren Angriffen auszuweichen.
Nun begann diese auch etwas vor sich hin zu murmeln, während sie einem weiteren Geschoss elegant auswich. Der Geschosshagel brachte die Templerin nicht wirklich aus der Ruhe. Sie vertraute auf ihre eigene Magie, die ihren Körper fast von alleine bewegte, um Treffer zu vermeiden. Aleyandra wollte gerade wieder in den Nahkampf übergehen, als sie merkte das ihre Pistolen nichts ausrichten konnten, als die Templerin ihre Augen wieder öffnete und verstummte. In dem Moment, ging ein Strahl aus gleißendem, goldenen Licht auf Aleyandra nieder und sie warf sich erschrocken zur Seite. Sie spürte die heiße, vibrierende Luft die ihr entgegen wehte und sie noch ein Stück weiter weg springen ließ. Als das Licht verblasste, erstreckte sich an der Stelle an der Aleyandra gestanden hatte ein tiefer Krater. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an und schluckte nervös, als sie es kurz mit der Angst zu tun bekam. Sie sollte die Templerin nicht unterschätzen. Als Aleyandra wieder zu ihrer Kontrahentin blickte, war von deren Überlegenheit aber nicht mehr viel zu sehen. Sie hatte einen Großteil ihrer Kraft in den magischen Angriff gelegt und erwartet das er traf, aber sie musste die verbesserten Reflexe einer Auserwählten unterschätzt haben, schoss es Aleyandra durch den Kopf. Ohne weiter zu zögern und noch mehr Zeit zu verschwenden, rannte sie auf die benommen umher taumelnde Templerin. Der schwere, massige Griff der Pistole krachte gegen Anyas Schläfe, riss sie von den Beinen und schleuderte sie davon, als hätte ein Riese auf sie eingeprügelt. Mühsam kämpfte Anya sich auf die Knie hoch und schüttelte benommen den Kopf. Sie wusste, dass die Auserwählten stärker waren als normale Menschen, aber es am eigenen Leib zu erfahren, war etwas ganz anders. Als sie sich wieder etwas gefangen hatte und den Kopf hob, blickte sie direkt in die Mündungen von Aleyandras Pistolen.
„Was ist bei diesem Test wirklich herausgekommen? Und diesmal will ich die Wahrheit hören.“ zischte Aleyandra und umklammerte schwer atmend ihre beiden Waffen. Kurz huschten ihre Augen zu dem kleinen Krater einige Meter entfernt. Die Magie der Templerin hätte sie beinahe getroffen und in ein Häufchen Asche verwandelt.
„Die Kugel zeigt den Zustand der Seele des Auserwählten und zeigt uns, ob sie noch rein ist, oder bereits verdorben wurde.“ antwortete Anya widerwillig. Sie hatte einen Kampf vermeiden wollen. Mitten unter den anderen Templern, hätte Aleyandra gar nicht erst die Gelegenheit erhalten sich großartig zu wehren und alles wäre viel einfacher abgelaufen. „Diese...Verunreinigungen sind eigentlich nicht normal. Normalerweise ist die Kugel entweder dunkel oder vollkommen rein, aber das habe ich noch nie gesehen und deshalb wollte ich dich zu meinem Orden bringen, damit sie letztendlich entscheiden ob du bestanden hast oder nicht.“
„Wie hoch ist die Chance, dass dein Orden mich wieder gehen lässt, nachdem sie diese Kugel auch gesehen haben?“
„Nicht sehr hoch. Die Kirche geht in diesen Dingen kein Risiko ein und selbst wenn die Überprüfung nicht eindeutig ist, würde man sich dafür entscheiden, dass die Seele bereits nicht mehr zu retten ist.“
„Und was genau passiert dann mit mir? Was macht die Kirche mit Auserwählten die nicht bestehen?“
„Man tötet sie.“ flüsterte Anya und wandte die Augen ab. Diesen Teil ihrer Stellung mochte sie am wenigsten, aber es war nötig, um zu verhindern, dass die Welt von Dämonen überschwemmt wurde. Man musste das Übel bereits im Keim ersticken, solange man es noch leicht bekämpfen konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihre Männer sie inzwischen eingekreist hatten, sich aber für den Moment nicht trauten anzugreifen und das Leben ihrer Anführerin zu riskieren.
„Ich werde jetzt gehen und es wäre besser wenn mir niemand folgt. Wie du gesehen hast, kann ich mich gut genug verteidigen und ich will nicht das jemand verletzt wird.“
„Das wird sich nicht verhindern lassen.“ erwiderte Anya leise, während Aleyandra einen Schritt zurückwich und das halbe Dutzend Templer um sich herum aufmerksam beobachtete. „Es ist unsere Pflicht dich zu jagen, bevor du jemandem Schaden zufügen kannst. Du kannst dich dem Einfluss der Kirche nicht auf Dauer entziehen. Eines Tages, holen wir dich ein. Die Frage ist nur, wie viele Menschen wirst du bis dahin töten? Wenn du jetzt deine Waffen ablegst, wird niemand leiden müssen und es ist schnell vorbei.“
„Nein danke. Ich bin sicher nicht bereit mich hinrichten zu lassen, nur weil deine Magie rumspinnt und falsche Ergebnisse anzeigt. Meinetwegen jagt mich, es ist mir egal. Wenn ihr mich verfolgt, werde ich euch töten.“ entgegnete Aleyandra kalt und sie spürte noch immer wie der Kampfrausch das Blut durch ihre Adern pumpte. Am liebsten würde sie gleich hier und jetzt gegen die Templer kämpfen, aber sie sollte lieber versuchen vorerst so weit wie möglich von Navea wegzukommen, auch wenn es bedeute Naruz eine Weile nicht zu sehen. Er konnte ja nicht für immer in der Stadt bleiben, irgendwann würden sie sich wiedersehen. Als sie sich gerade umdrehen wollte, schob sich ein Mann in einer dunklen, leichten Rüstung durch die Reihen der nervösen Schaulustigen, die ihm sofort Platz machten. Er war Mitte zwanzig und hatte langes, blondes Haar. Selbst die Templer starrten ihn voller Unruhe an, während seine hellen blauen Augen Aleyandra musterten. Ruhig ging er an den Wachen vorbei, auf Aleyandra zu und wandte er sich an die kniende Anya, ohne sich großartig um die angespannte Situation zu kümmern.

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„Anya, der Bote den du geschickt hast, hat berichtet, dass ein reiner Auserwählter Gaias in der Stadt angekommen ist und sich in die Obhut der Kirche begeben will. Ist sie das?“ fragte er mit ausdrucksloser Miene und deutete kurz auf Aleyandra, die überlegte ob sie einfach verschwinden sollte. Aber irgendetwas hielt sie im Moment noch davon ab. Der Mann schien keine Angst vor ihr oder ihren Pistolen zu haben, sondern verhielt sich als würde er mit Anya ein ganz gewöhnliches Gespräch führen. In seiner Stimme schwang ein leichter Befehlston mit, der zeigte, dass er es gewohnt war andere zu kommandieren, außerdem jagte sie Aleyandra kurz einen kalten Schauer über den Rücken. Irgendetwas an dieser Stimme gefiel ihr, oder eher, es erinnerte sie an etwas. Während sie noch darüber nachdachte, fuhr der Mann mit einem leicht spöttischen Unterton in der Stimme fort „Wenn ja, dann kommen bei mir langsam Zweifel an deinen magischen Fähigkeiten auf, Anya.“
„Sie ist nicht der Botschafter den ich meinte, sondern ein Neuankömmling, Herr.“
„Also lässt du dich von einem wilden Tier besiegen?“ damit verlor der Mann jegliches Interesse an Anya und heftete seinen Blick wieder auf Aleyandra, die ihre Pistolen fester an Anyas Stirn drückte. Sie merkte wie sie begann unter dem Blick seiner kalten, prüfenden Augen zu schwitzen. „Das macht die Situation nicht unbedingt besser, eher im Gegenteil.“
„Verzeiht, Großmeister. Ich war unachtsam und habe nicht damit gerechnet dass sie mir so viel Ärger bereiten könnte. Ihr Test war...seltsam.“
„Viel Spaß noch bei eurer Unterhaltung, ich verschwinde.“ unterbrach Aleyandra die beiden, als sie sich endlich dazu durchringen konnte die Augen von dem Neuankömmling abzuwenden. Sie hatte genug Zeit hier verschwendet und mit ihm wollte sie sich lieber nicht anlegen. Er strahlte ein Gefühl der Macht aus, mit dem sie nicht mithalten konnte. Es war klüger sich aus dem Staub zu machen.
„Das kann ich leider nicht zulassen.“ erwiderte der Mann leise und ging langsam auf Aleyandra zu.
„Noch einen Schritt weiter und ich töte sie!“ rief Aleyandra, die Finger an den Abzügen ihrer beiden Pistolen, während sie versuchte so zu klingen als würde er ihr keine Angst einjagen. In Wahrheit, musste sie sich zusammenreißen, damit ihre Hände nicht anfingen zu zittern, als sie spürte wie viel Magie von diesem Mann ausging. Außerdem wollte sie Anya nicht erschießen. Piraten und Dämonen waren etwas anderes als Unschuldige.
„Nur zu, drück ruhig ab. Dann kann nichts auf dieser Welt, nicht einmal die Eidolons oder Gaia selbst, dich noch beschützen.“
Ihre Reise würde nicht hier enden und schon gar nicht auf diese Weise. Wenn Naruz erfuhr, dass man sie hingerichtet hatte, weil sie gefährlich war...nein, das würde sicher nicht passieren. Im dem Moment dachte sie nicht einmal daran wegzufliegen, denn etwas sagte ihr, dass sie der Magie des Mannes nicht entkommen konnte. Als er fast schon vor ihr stand, richtete Aleyandra panisch beide Pistolen auf den Mann und drückte ohne weiter nachzudenken ab. Die magischen Kugeln rasten auf ihn zu und explodierten, als sie ihn erreichten. Er verschwand in einer hohen, lodernden Feuersäule, die ihn verschlingen würde. Doch bevor Aleyandra ihren Sieg feiern und verschwinden konnte, erlosch das Feuer und der Templer kam wieder zum Vorschein. Unverletzt. Sie wollte erneut abdrücken und ihn solange mit tödlichen Geschossen eindecken bis selbst seine Magie ihn nicht mehr beschützen konnte, aber plötzlich begannen ihre Waffen in einem roten, grellen Licht zu glühen. Aleyandra schrie vor Schmerz auf, als von dem glatten Holz eine zerstörerische Hitze ausging die sich erbarmungslos in ihr Fleisch fraß. Sofort ließ sie die Pistolen fallen und betrachtete ihre verbrannten Hände. Die Hitze war intensiv genug gewesen, um ihre Haut in dieser kurzen Zeit zu verbrennen und nur rohes, blutiges Fleisch zurückzulassen. Sie konnte spüren wie Alessa zum ersten mal ihre Seelenverbindung nutze, um ihr im Kampf zu helfen. Das Eidolon nutze seine Energie um die Haut in Sekundenschnelle nachwachsen und die Brandwunden verschwinden zu lassen.
Aleyandra blieb keine Zeit um sich bei ihr zu bedanken, denn der Templer war in der Zwischenzeit herangekommen. Sie ignorierte ihre Waffen vorerst, sie wusste nicht genau wie der Mann das gemacht hatte, aber es war auch egal. Sie war eine Auserwählte der Göttin und jedem gewöhnlichen Menschen überlegen. Sollte er nur versuchen sie im Nahkampf zu besiegen, letztendlich würde er dabei genauso versagen wie die Piraten oder diese Anya. Sie konnte ihn auch ohne Waffen besiegen. So schnell sie konnte, ließ sie ihre Faust auf den Kopf des Mannes zurasen. Die meisten Menschen hätten ihren Angriff nicht einmal kommen sehen, so schnell wie sie sich bewegte. Doch er drehte sich rechtzeitig zur Seite und wich ihrem Schlag spielend leicht aus. Anschließen rammte er seine Faust in Aleyandras Magen, die zu überrascht war, um auch nur zu versuchen sich dagegen zu verteidigen. Die Wucht des Schlages ließ sie zurücktaumeln, während sie die Arme um ihren Körper schlang und Aleyandra musste sich zusammenreißen, um nicht in die Knie zu gehen. Er musste Magie in seinen Schlag gelegt haben. Aber wieso hatte sie ihn nicht getroffen?
„Ein weiterer frischgebackener Botschafter Gaias. Ich bin schon so vielen von deiner Sorte begegnet und letztendlich seid ihr doch immer wieder gleich langweilig. Ihr haltet euch für Götter, für übermächtige Wesen, die auserkoren wurden um über der Menschheit zu stehen.“ gelangweilt wischte er einen weiteren ihrer Schläge zur Seite. Er wehrte all ihre Angriffe beiläufig ab, während er ruhig mit ihr redete und sich vollkommen unbeeindruckt zeigte. „Aber letztendlich, seid ihr noch immer nur Menschen und eure kleinen Tricks sind kein echter Ersatz für eine gute Ausbildung oder Talent.“
„W-wieso...?“ Aleyandra brach keuchend ab und sparte sich ihren Atem lieber, während sie den Mann langsam umkreiste. Wieso konnte sie ihn nicht besiegen? Sie sollte schneller und stärker sein als er, immerhin war er nur ein Mensch und besaß kein Eidolon. Er bewegte sich auch nicht besonders schnell, zumindest verglichen mit Naruz oder Aleyandra, aber es reichte trotzdem um all ihre Angriffe abzuwehren. Es war, als wusste er immer schon vorher, was sie tun würde, von wo sie zuschlagen würde und was sie als nächstes vor hatte. Trotzdem, sie war ihm überlegen, das musste sie einfach sein, ansonsten war sie so gut wie tot. Verzweifelt stürzte sie sich auf ihn, wenn sie ihre letzten Kräfte mobilisierte, würde sie gewinnen. Doch bevor sie ihn auch nur erreichen konnte, setzte er seine Magie frei und beendete ihren Kampf. Eine unsichtbare Druckwelle ging von ihm aus und schleuderte das Mädchen wie eine Puppe davon. Aleyandra schlug mit dem Hinterkopf auf den Pflastersteinen auf und blieb stöhnend liegen, während Schmerzen durch ihren ganzen Körper fuhren. So hatte sie sich ihren Kampf nicht vorgestellt. Sie versuchte aufzustehen und es noch einmal zu versuchen. Wenn sie nur wirkliche Magie einsetzen könnte, genauso wie er, aber dazu war sie nicht in der Lage. Ohne ihre Pistolen oder Fallen, wusste sie nicht wie sie die Magie kanalisieren sollte. Sie spürte die magische Kraft in sich, aber konnte sie nicht nutzen um ihn zu bekämpfen. Plötzlich spürte sie einen schmerzhaften Druck auf ihrer Brust, der ihr den Atem raubte und öffnete blinzelnd die Augen. Der Templer hatte einen seiner schweren Stiefel auf sie gestellt, um sie am Boden zu halten, und zielte mit einer ihrer eigenen Pistolen genau auf Aleyandras Kopf.
„Die Überprüfung war nicht eindeutig.“ begann er nachdenklich, während er sie noch immer interessiert betrachtete und zusah wie sie sich unter ihm wand und vergeblich nach einem Ausweg suchte „Deswegen, stelle ich dich vor eine einfache Wahl, Auserwählte. Willst du eine wilde, unberechenbare Bestie bleiben oder willst du die Macht die Gaia dir in ihrer unendlichen Weisheit verliehen hat zähmen? Lernen sie zu kontrollieren und einzudämmen, um sie für das Wohl der heiligen Kirche Gaias einzusetzen?“
Erwartet er darauf wirklich eine ehrliche Antwort, schoss es Aleyandra durch den Kopf. Es war recht eindeutig was sie wählen würde, immerhin blieb ihr keine echte Wahl. Aleyandra gelang es sich ein schwaches Nicken abzuringen. Sofort gab er sie frei und nahm den Fuß von ihr herunter. Wenn Naruz sich auch der Kirche anschloss, dann war sie in den Reihen der Templer vielleicht genau richtig. Ihr fehlte noch immer die Kraft um wieder aufzustehen, aber sie spürte das wenigstens Alessa sich beruhigt hatte. Das Einhorn war die ganze Zeit wie verrückt um sie herum geflogen und hatte nicht wirklich gewusst was sie machen sollte. Ihr Eidolon war wirklich nutzlos, dachte sie mit einem schwachen Lächeln. „Wie...wie heißt Ihr eigentlich?“
„Meine Ordensbrüder und Schwestern nennen mich einfach nur Silberblatt.“ mit einem überraschend freundlichen Lächeln half der blonde Mann ihr wieder auf die Beine. Aleyandra taumelte ein paar Schritte vorwärts, bevor es ihr gelang sich wieder zu fangen. Die magische Druckwelle hatte sie vollkommen erschüttert und selbst ihre Knochen taten weh. Vorsichtig tastete sie über ihren Hinterkopf und als sie das Blut an ihrer Hand sah wurde ihr schlecht. Immerhin hatte sie nur ein paar Kratzer abbekommen und war nicht tot, noch nicht. Diese Templer schienen es sich andauernd anders zu überlegen. Die einen wollten sie hinrichten, die anderen plötzlich zu einer Templerin machen. Während sie noch mit ihrem Schicksal haderte, ging Silberblatt auf Anya zu, die ihren kurzen Kampf beobachtet hatte. „Anya, ich vertraue darauf, dass es keine weiteren Zwischenfälle mehr geben wird, ansonsten muss ich dich vom Wachdienst an den Toren abziehen und deine Vorgesetzten informieren. Nur weil deine Vorfahren sich im Dienst der Kirche verdient gemacht haben und du einer einflussreichen Familie entstammst, heißt das noch lange nicht, dass man dir deine Unachtsamkeit und lasche Führung auf Dauer verzeihen wird. Man hat dir das Kommando über eine eigene Einheit wegen deiner Fähigkeiten übertragen und nicht nur auf Grund deines Namens, zumindest dachte ich das bisher. Streng dich gefälligst mehr an, sonst wirst du das Vertrauen der Kirche schneller wieder verlieren als Aleyandra dich entwaffnen kann.“
„Ja, Großmeister, aber...“ stammelte Anya verwirrt, als er sich daran machte Aleyandra in die Stadt mitzunehmen und das ohne die Erlaubnis des Erzbischofs.
„Aber was?“ hakte er ungeduldig und mit einem leicht bedrohlichen Unterton nach, was Anya kurz dazu brachte den Blick zu senken. Sie sollte sich lieber nicht mit ihm anlegen, das würde ihre Karriere innerhalb der Kirche nicht überstehen, aber dieses Mädchen war gefährlich und sollte Navea nicht einfach so betreten dürfen.
„Sie hat den Test nicht bestanden! Es ist uns nicht erlaubt sie in die Stadt zu lassen und vor allem ist es nicht sicher. Was ist wenn sie...“
„Wenn sie sich heute noch in einen Dämon verwandelt und Amok läuft, dann übernehme ich die Verantwortung für meine Entscheidung und werde sie töten. Zufrieden? Letztendlich zeigt deine Magie nur, dass in ihr Potential vorhanden ist sich in einen Dämon zu verwandeln, mehr nicht und es wird meine Aufgabe sein genau das zu verhindern.“
„Wenn Ihr euch da sicher seid, Herr.“
„Das bin ich.“ entgegnete er mit fester Stimme. Er hatte schon schlimmere Schüler gehabt als dieses weißhaarige Mädchen und würde mit ihr fertig werden. „Was ist eigentlich mit dem anderen Botschafter Gaias. Wegen ihm bin ich immerhin hier.“
„Er hat uns seine Hilfe angeboten. Es gibt ein Problem in den Ruinen östlich der Stadt und ich konnte das Tor nicht unbewacht lassen, also hat er sich auf den Weg gemacht, um sich dort umzusehen. Oh, und er bittet um eine Audienz bei dem Erzbischof. Ich glaube er möchte in den Dienst der Kirche treten.“
„Das lässt sich leicht einrichten. Als Botschafter Gaias hätte man ihn sowieso vor den Erzbischof gebracht. Ich möchte ihn nach dieser Audienz gerne sehen. Bring ihn umgehend zu mir sobald er Zeit hat.“
„Natürlich, Großmeister Silberblatt.“
„Komm, wir gehen.“ sagte Silberblatt zu Aleyandra und ging auf die Stadttore zu, ohne sich noch einmal nach ihr umzusehen. Gemeinsam mit Alessa folgte sie ihm gezwungenermaßen. Wenn er ihr wirklich helfen konnte ihre dunkle Seite zu bändigen, würde sie eines Tages vielleicht gemeinsam in einer Einheit mit Naruz in den Kampf ziehen. Alleine der Gedanke reichte schon um Aleyandras Erschöpfung zu vertreiben und sie beeilte sich, um Silberblatt nicht in der Menge zu verlieren.
„Ah, verflucht.“ Anya zuckte kurz zusammen und hielt sich die vor Schmerz pochende Seite. Diese Aleyandra hatte mit einer Wildheit gekämpft, die sie überrascht hatte. Aber noch einmal würde sie sich nicht so leicht überrumpeln lassen. Anya war sich sicher dass sie in der Lage war die Botschafterin Gaias zu besiegen falls sie noch einmal gegeneinander kämpfen sollten, aber das änderte nichts daran, dass sie vor den Augen eines Großmeisters der Templer versagt hatte. Silberblatt verfügte über beträchtlichen Einfluss innerhalb ihres Ordens und wenn sie sich mit ihm anlegte, würde er sie zermalmen. Silberblatt führte seinen eigenen kleinen Orden, innerhalb des Ordens und befehligte die Elite der Templer. Außerdem entschied meistens er alleine, wer welcher Einheit zugeteilt wurde. Vermutlich lag es auch an ihm zu entscheiden was mit diesem Naruz geschah, sobald er von seinem Auftrag zurückkehrte und welchen Rang er innerhalb der Kirche einnehmen durfte. „Ich hätte ihm nicht widersprechen sollen. Wenn er das nächste mal schlechte Laune hat versetzt er mich vermutlich an den äußersten Rand des Reichs, in irgendein langweiliges Nest weit im Süden.“
„Langweilige Dörfer im Süden haben auch ihre schönen Seiten. Man wird zum Beispiel nicht in einer Schlacht abgestochen oder trifft auf riesige, blutrünstige Monster.“ erklang eine belustigte Stimme hinter ihr und als sie sich umdrehte seufzte Anya genervt. Vor ihr in der Luft schwebte ein kleiner Drache.

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„Du hast mir gerade noch gefehlt...“
„Ich freue mich auch immer wieder dich zu sehen, Anya. Aber sparen wir uns die Nettigkeiten, sie hat mich geschickt, um dir zu sagen das dein neuer Schützling in Schwierigkeiten steckt.“
„Schützling?“ einen Moment lang hatte sie keine Ahnung wovon der kleine Drache sprach, aber dann erinnerte sie sich wieder an Naruz, der sich in diesem Moment irgendwo in den Ruinen herumtreiben musste. Sie hatte ihn wegen dem ganzen Ärger mit Aleyandra und dem Großmeister vollkommen vergessen. „Meinst du diesen Botschafter Gaias?“
„Ja, er könnte etwas Verstärkung in den Ruinen gebrauchen. Am besten du nimmst auch einige deiner Männer mit, da ist ziemlich viel los.“ nach diesen Worten flog der Drache einfach davon, ohne sich um die verwirrte Anya zu kümmern. Er hatte seinen Auftrag erfüllt und hoffte, dass sie nicht zu lange nachdenken würde, sondern sich endlich mit ihrem Trupp in Bewegung setzte.
Zuletzt geändert von Vanidar am 10. Juni 2014 23:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 3. Juni 2014 19:40

11. Sonjuno der Verfluchte (Öffnen)
Kapitel 11 – Sonjuno der Verfluchte


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Naruz saß auf einem Hügel, und ließ seinen Blick aufmerksam über die Alabaster Ruinen schweifen, die sich vor ihm erstreckten. Er hatte nicht viel über sie gehört, genau genommen gar nichts, er wusste nicht einmal, was diese Ruinen ursprünglich einmal waren, aber er vermutete, dass es sich um eine Art Tempel handelte. Sein Aussichtspunkt war recht nahe an den Ruinen, so dass er die Situation vollkommen im Blick hatte, auf der Straße, welche zu den brüchigen Säulen und Torbögen führten, die hier einst stolz in die Luft ragten, lag ein gutes Dutzend toter Menschen. Nach dem zu urteilen, was Naruz sehen konnte, waren die Golems dafür verantwortlich, welche auf ihren endlosen Patrouillengängen durch die Ruinen streiften, begleitet von einigen Goblins. Irgendwie musste es den Goblins, oder den Makar, gelungen sein, die Golems zu beeinflussen, so dass sie sich gegen die Menschen wandten. Ohne weiter darüber nachzudenken schloss er die Augen und konzentrierte sich, kurz darauf flammten vor seinen geschlossenen Augen kleine, grünliche Flammen auf, dort, wo sich ungefähr die Golems befinden mussten, als Naruz die Augen öffnete, stieß er jedoch ein enttäuschtes 'Tch' aus, und runzelte die Stirn. Dort unten befanden sich weit mehr Golems, als er Flammen gesehen hatte, es wollte ihm einfach nicht gelingen die Magie aller nahen Lebewesen zu spüren, was er als eine ziemliche Schwäche an sich empfand, vor allem da Serif ihm gesagt hatte, dass praktisch jeder Botschafter Gaias zumindest so viel konnte. Wo er gerade an Serif dachte, erschien die... Fee, auch schon direkt vor Naruz' Gesicht, nachdem er seinen kleinen Erkundungsflug beendet hatte.
„Ich will ehrlich mit dir sein, Partner, irgendwas stimmt hier nicht, ich weiß nicht ob die Templerin uns angelogen hat, oder ob sie selber nichts weiß, aber die Sache gefällt mir nicht. Hier sind viel zu viele Golems, als dass man ihre Anwesenheit mit ein paar wilden Tieren oder Monstern rechtfertigen kann, außerdem sind verdammt alte Golems dabei, die sind schon länger als ein paar Wochen hier, und der Haupteingang des Tempels, zumindest vermute ich, dass es ein Tempel ist, nun ja, es lag einmal eine starke, magische Barriere über ihm, die nun verschwunden ist, ich kann die Reste des Zaubers spüren. Die Ruinen waren versiegelt und schwer bewacht, ich glaube nicht, dass sie so wertlos sind, wie die Templerin uns glauben machen wollte.“ Naruz seufzte und ließ sich auf den Rücken fallen. Während er in den Himmel starrte, fragte er sich innerlich, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Er könnte jetzt nach Navea zurückkehren, und sagen, dass er alles ausgekundschaftet hatte, aber würde das reichen, für eine Audienz beim Erzbischof? Wahrscheinlich nicht, er sollte zumindest den Anführer der Makar aufspüren, ehe er wieder mit Anya sprach. Langsam richtete er sich wieder auf, und sah Serif erwartungsvoll an.
„Nun? Wie lange willst du mich noch warten lassen? Wo sind die Makar hin?“
„Du willst das doch nicht wirklich durchziehen, oder?“
„Bleibt mir eine andere Wahl? Ich werde den Erzbischof darum bitten, der Kirche beizutreten, von da an wird mein ruhiges Leben wahrscheinlich sowieso für immer vorbei sein, und wenn ich sowieso für die Kirche arbeiten werde... warum sollte ich nicht jetzt schon einmal damit anfangen?“ Serif zuckte nur mit den Schultern.
„Es ist deine Entscheidung, also gut. Es wird bestimmt keine Überraschung sein, wenn ich dir sage, dass die Makar in den Haupttempel gegangen sind, mit ihrem Anführer an der Spitze, was immer sie vorhaben, es hat mit dem Hauptkomplex zu tun.“
„Wo befindet sich der Eingang?“
„Da ganz hinten, wo die Mauern an den riesigen Berg grenzen, der Eingang scheint unter den Berg zu gehen.“
„Sehr gut, wie sieht es mit Wachen aus?“
„Nur die Patrouillen im Inneren der Ruinen, draußen gibt es keine, und auf den zerstörten Mauern, können nur vereinzelte Wachposten stehen. Übrigens hast du richtig gehört, 'zerstörte' Mauern, irgendetwas hat sie ziemlich mitgenommen, ich bezweifle, dass das alles ein natürlicher Prozess war.“
„Das hört sich gut an, also die Sache mit den Wachen, die geheimnisvollen, zerstörten Mauern eher weniger. Aber wenn es stimmt, was du sagst, können wir einfach die äußeren Mauern entlang schleichen, bis wir beim Eingang sind. Gibt es noch etwas, dass ich wissen sollte?“
„Nicht wirklich... obwohl, hast du schon einmal einen Makar gesehen? Zwei, drei Köpfe größer als du, muskelbepackt, Fell und gute Krieger, die durchaus auch Magie verwenden können. Versprich mir, dass du sie nicht unterschätzen wirst.“
„Natürlich, also los, lass uns gehen.“ Mit diesen Worten sprang Naruz vom Hügel, und landete leichtfüßig, vor der Mauer, die sich am Nordwestlichen Rand der Ruinen befand. Niemand bemerkte ihn, natürlich nicht, immerhin war niemand dort. Anscheinend wurde den Golems noch immer befohlen, die Ruinen nicht zu verlassen, und die Goblins hielten es nicht für nötig, außerhalb Wachen aufzustellen, immerhin würden mögliche Eindringlinge durch einen der Eingänge kommen müssen, und würden nicht einfach so über die Mauern fliegen... normalerweise. Aber normalerweise waren Eindringlinge auch keine Botschafter der Gaia. Nachdem sie der Mauer bis zum Berg gefolgt waren, nutzte Naruz seine Magie, um sich in die Luft zu befördern, und von dort aus innerhalb der Ruinen zu landen, direkt vor dem Eingang der Ruinen, und direkt vor den Füßen von zwei Löwenmenschen, die ihn äußerst verwirrt ansahen. Naruz ließ sie sich gar nicht erst sammeln, er rammte seine Schwerter direkt in den Brustkorb des Feindes, der vor ihm stand, während Serif den zweiten mit einem magisch verstärktem Tritt enthauptete. Naruz sah sich kurz um, unsicher, ob noch jemand in der Nähe war, aber niemand anderes schien sie bemerkt zu haben. Misstrauisch näherte er sich dem Eingang, und starrte die Treppe hinab, die tief unter den Berg zu führen schien, und von bläulich schimmernden Fackeln beleuchtet war.
„Stimmt etwas nicht?“ fragte Serif, als er Naruz' Gesichtsausdruck bemerkte.
„Ich spüre etwas... es erinnert mich ein wenig an die riesige Spinne aus Helonia... nur bösartiger, älter. Was, bei allen Dämonen Pandämoniums, haben die Makar vor?“
„Vielleicht wollen sie eben jene Dämonen beschwören?“
„Serif, ich weiß, dass ich deine Witze und Sprüche meistens lustig finde, aber es gibt Dinge, über die man keine Scherze macht, zum Beispiel, über eine große Dämoneninvasion.“
„Schon gut, tut mir ja leid.“ meinte Serif, und sah leicht verwundert über die, für Naruz' Verhältnisse, heftige Reaktion. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass die ganze Sache für seinen Partner vielleicht doch schwerer war, als er sich ansehen ließ. Vielleicht war er innerlich noch immer nicht ganz über das hinweg, was in Skandia geschehen war, oder darüber, was hätte passieren können, wenn er den Dämon nicht aufgehalten hätte. Er sollte in Zukunft vorsichtiger sein, wenn es um Dämonen ging, vielleicht wäre es besser, nicht zu viel über diese Kreaturen zu reden. Naruz holte einmal tief Luft, und setzte dann einen Fuß auf die Treppe, kaum hatte er diesen Schritt gewagt, spürte er kurz eine Art kalten Luftzug, der über ihn fuhr, dann war das Gefühl jedoch wieder weg.
„Komm, lass uns rausfinden, was diese verfluchten Makar vorhaben.“ meinte er, an Serif gewandt, und machte sich an den Abstieg, dicht gefolgt, von seinem Eidolon.

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Währenddessen ritt Anya Bladelli, gefolgt von zwei Dutzend Templern, in Richtung Alabaster Ruinen. Ihr Aufbruch war ein wenig verspätet gewesen, es hatte gedauert, alle Männer zu sammeln und genug Pferde für den hastigen Aufbruch bereitzumachen, aber nun befand sie sich endlich auf dem Weg, um diesem Naruz in den Ruinen beizustehen. Sie hoffte nur, dass dieser verdammte Drache sich nicht einen Scherz mit ihr erlaubt hatte, und sie nun vollkommen umsonst zu den Ruinen ritt. Vor allem, weil sie dann noch lächerlicher dastehen würde, als nach ihrem verlorenen Kampf, gegen Aleyandra. Ehe sie jedoch wieder an die merkwürdige Botschafterin denken konnte, und an Silberblatt, der sie trotz eher negativem Ergebnis in die Stadt gebracht hatte, fuhr ein stechender Schmerz durch ihren Kopf, woraufhin ihr kurz schwindlig wurde, und sich die Welt zu drehen schien, dann war jedoch alles wieder normal und beim alten, abgesehen von der gelangweilten Stimme eines Mädchens, die in ihrem Kopf ertönte.
„Test, Test... kannst du mich hören, Anya?“ Die Templerin zuckte zusammen, es war schon lange her, dass jemand so mit ihr Kontakt aufnahm, und es war immer wieder aufs Neue unangenehm. Sie musste sich beherrschen, um nicht laut zu antworten, sondern die Antwort nur zu denken, aber es gelang ihr.
„Ja, kann ich! Was fällt dir eigentlich ein? Musstest du wirklich dein Haustier schicken, wenn du dich sowieso nochmal so meldest?“
„Man könnte meinen, du magst diese Art der Kontaktaufnahme nicht.“
„Es tut weh.“
„Es ist einfacher, als einen Boten zu schicken.“
„Was mich zu meiner ursprünglichen Frage führt, warum hast du einen Boten geschickt?“
„Ich hatte den Grimoire verlegt, und ihn gerade eben erst wieder gefunden.“
Nicht einmal der Versuch, unschuldig zu klingen, ließ sich aus der Stimme heraushören.
„Verlegt? Du hast einen Grimoire verlegt? Wenn der Rat dies wüsste...“
„Wäre er wütend, aber unfähig, etwas dagegen zu tun. Wie auch immer, ich nehme an, dass du schon auf dem Weg zu den Ruinen bist?“
„Ja, bin ich, so wie du es mir gesagt hast.“
„Sehr schön, dann habe ich eine Bitte an dich, Anya. Beeile dich, und komme so schnell wie möglich wieder zurück. Ich habe hier ein kleines Problem.“
„Was? Was für ein Problem?“
fragte Anya besorgt. Wenn es jetzt auch noch in Navea Schwierigkeiten gab...
„Ich habe mich verlaufen.“
„...“
„Anya?“
„...“
„Anya? Bist du noch da?“
„Du hast dich verlaufen? Wie hast du das geschafft?“
„Ich kann nichts dafür, dein Haus ist zu groß.“
„Darum geht es nicht, ich habe dir doch gesagt, bleib in dem Zimmer, dass wir dir zur Verfügung gestellt haben!“
„Auch dafür kann ich nichts, ich bin ja nicht freiwillig rausgegangen, ich bin im Schlaf aus dem Zimmer gewandert. Du weißt doch, dass ich Tendenzen zum... Schlafwandeln habe.“
„Es ist helllichter Tag!“
„Willst du jetzt auch noch meinen Schlafrhythmus kritisieren?“
Wenn Anya die Person, mit der sie sich gerade unterhielt, nicht kennen würde, hätte sie schwören können, dass sich die Stimme belustigt angehört hatte.
„Wir reden später darüber, du hast mich doch nicht nur kontaktiert, um mir zu sagen, dass du dich verlaufen hast, oder?“
„Was? Achso, ja, natürlich. Deine Kirche hat es vermasselt.“
„Es ist auch deine Kirche, vergiss das nicht.“
„Willst du streiten, oder Informationen kriegen?“
„Schon gut, schon gut. Also, was hat meine Kirche vermasselt?“
meinte die Templerin genervt, mit der Betonung auf 'meine'.
„Geht doch. Also, vor ein paar hundert Jahren, waren die Alabaster Ruinen mal der größte Tempel für Gaia, den es in Midgard gab, dann gab es jedoch einen Zwischenfall. Sämtliche Informationen darüber fehlen übrigens in den Archiven der Kirche, besser gesagt, sie sind gut versteckt, nur zwei Personen haben Zugang zu diesen Aufzeichnungen, der Erzbischof höchstpersönlich, und der Hochgeneral der Templer, selbst dein guter Freund, Silberblatt, weiß nichts davon, du darfst dich also geehrt fühlen, es von mir zu hören.“
„Moment, woher weißt du es?“
„Ich würde jetzt meinen Titel nennen, wenn du ihn nicht schon kennen würdest. Sagen wir einfach, ich weiß so einiges, was du nicht weißt. Und auch einiges, was der Erzbischof nicht weiß. Wie auch immer... wo war ich?“
Anya wollte gerade antworten, als sie ein Geräusch vernahm, dass sich ziemlich nach Kauen anhörte.
„Isst du gerade?“
„Das ist das praktische an dieser Art der Kommunikation, man kann essen und sprechen.“
„Ich dachte du hast dich verlaufen, wie... vergiss es, kommen wir zurück zum Thema! Was hat es mit diesem alten Tempel der Gaia auf sich?“
„Ah ja, stimmt. Vor ein paar hundert Jahren, gab es einen Bischof namens Sonjuno, er war talentiert, im Gebrauch von Magie, und äußerst klug, er wurde als Nachfolger für den damaligen Erzbischof gehandelt. Leider war Sonjuno auch arrogant, sehr arrogant sogar. Er hielt sich für etwas besseres, als andere Menschen, selbst besser, als die Botschafter der Gaia. Aus diesem Grund nutzte er das Imitat des Würfels der Gaia, welches sich damals im Tempel befand, für seine eigenen Zwecke. Er versuchte mit Hilfe von Magie etwas zu tun, dass nur der Göttin selbst gelungen ist, er versuchte, ein Eidolon zu kreieren. Das ganze schlug fehl, und er wurde für seinen Frevel verflucht und in einen Dämon verwandelt, weshalb man ihn auch Sonjuno den Verfluchten nennt. Wie auch immer, nach seiner Verwandlung lief er Amok und hat den Tempel ziemlich ruiniert, er hat vier Inquisitoren und zwei Marschälle getötet, ehe ein Botschafter der Gaia ihn besiegen konnte. Allerdings nur, mit Hilfe eines Tricks, es gelang ihm, Sonjuno im Imitat einzusperren, welches sich am Ort des Kampfes befand. So wurde der Dämon also außer Gefecht gesetzt, das Imitat wurde tief unter dem Berg begraben, und der Eingang magisch versiegelt, auf dass Sonjuno niemals entkommen möge. Dem damaligen Erzbischof gefiel die Sache jedoch nicht, weshalb er den verantwortlichen Botschafter ermorden, und alle Aufzeichnungen zu diesem Vorfall... 'verschwinden' ließ. Der Tempel und Sonjuno sind in Vergessenheit geraten, und alle dachten, dass die Golems, welche dort seit diesem Tage herumlungerten, aus ganz anderen Gründen dort stationiert waren. Dabei ist ihre einzige Aufgabe zu verhindern, dass jemand in den Tempel kommt, und den Dämon befreit... allerdings scheint jemand eine Möglichkeit gefunden zu haben, die Golems und die Barriere zu umgehen.“
Beinahe hätte Anya ihr Pferd gestoppt, als sie diese Information bekam. Dass die Kirche ein so großes Geheimnis hatte, hätte sie nicht erwartet. Vor allem aber war sie überrascht, von der Verwüstung zu hören, die der Dämon verursacht hatte. Gut, Inquisitoren waren nicht unbedingt die besten Kämpfer, immerhin war es nicht ihre Hauptaufgabe, aber Marschälle waren etwas ganz anderes, ihre Aufgabe war es, die Truppen von der Frontlinie aus zu führen und zu inspirieren, ein jeder von ihnen war ein talentierter Kämpfer. Plötzlich wanderten ihre Gedanken zu Naruz, dem jungen Botschafter, der sich bereit erklärt hatte die Ruinen zu erkunden, und der keinerlei Ahnung hatte, was sich dort eigentlich befand.
„Dieser Sonjuno... wie stark ist er?“
„Hast du mir nicht zugehört? Er hat vier Inquisitoren getötet, und zwei Marschälle! Ich würde sagen, er ist ein klein wenig schwächer, als ein durchschnittlicher Erzdämon, was noch immer recht mächtig ist.“
„Das meintest du also, als du sagtest, der Botschafter ist in Schwierigkeiten... falls es zu einem Kampf zwischen ihm und Sonjuno kommt... glaubst du, er kann durchhalten, bis wir da sind?“
„Nein.“
lautete die rasche Antwort, was Anya überraschte, sie hätte nicht mit einer sofortigen Antwort gerechnet.
„Wie kannst du dir da so sicher sein? Er ist immerhin ein Botschafter der Gaia.“
„Ich habe es gesehen, mehrmals. Wenn Naruz aus Skandia gegen Sonjuno kämpft, wird er sterben. Selbst die Valkyre wird ihn nicht retten können, also beeile dich lieber, wenn du nicht willst, dass un... dass ein vielversprechender Botschafter stirbt.“
„Du hast es gesehen? Bist du dir sicher, dass du dich nichts falsches gesehen hast?“
fragte Anya, beinahe schon flehentlich, es würde noch eine Weile dauern, bis sie die Ruinen erreichen würde, und wer weiß, was bis dahin dort passieren konnte.
„Ich habe definitiv nichts falsches gesehen, 'Raemons Tagebuch' zeigt immer die Wahrheit. Deswegen solltest du lieber ein wenig schneller reiten... außerdem...“
„Außerdem? Was, 'außerdem'?“
„...“
„Hallo? Bist du noch... bist du eingeschlafen? Bitte sage mir, dass du nicht eingeschlafen bist...“
Anya bekam keine Antwort mehr, entweder war ihre Gesprächspartnerin wirklich eingeschlafen, oder ignorierte sie nur. „Das wird noch ernsthafte Folgen haben, sobald ich wieder in Navea bin!“ zischte Anya, woraufhin ihre Begleiter sie fragend ansahen, was sie jedoch ignorierte, und stattdessen ihrem Pferd die Sporen gab. Wenn es stimmte, was sie gerade gehört hatte, steckte Naruz wirklich in Schwierigkeiten.

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Dieser war in jenem Moment am Ende der ewig langen Treppe angelangt, und sah sich einer neuen Herausforderung gegenüber, namentlich einer äußerst engen Brücke, auf der sich eine große Gruppe Makar befand. Eine Möglichkeit sich zu verstecken gab es nicht, weshalb die Löwenmenschen sofort auf ihn aufmerksam wurden. Ihr Anführer, ein Makar mit goldenem Fell, und einer gewaltigen Axt in seiner Hand, brüllte einen Befehl, woraufhin drei Makar auf Naruz zuhielten, der Rest folgte dem Anführer weiter ins Innere des Tempels.
„Serif, geh schonmal vor und fange ein paar dieser Typen ab, mit denen hier werde ich alleine fertig.“
„Wenn du meinst, aber schiebe die Schuld nicht auf mich, falls du stirbst.“ Ohne auf Naruz' Reaktion zu warten, schoss Serif an den Makar vorbei, tiefer ins Innere der Ruine. Die Löwenmenschen ignorierten ihn, und hielten weiter auf Naruz zu, zum Glück bot die Brücke jedoch nur genug Platz für zwei Menschen nebeneinander, was bedeutete, dass die Makar mit ihren wuchtigen Waffen einzeln auf ihn zu gehen mussten. Dem ersten Schlag wich er mit Leichtigkeit aus, und sprang über den Löwenmenschen, so dass er zwischen diesem und einen von dessen Kollegen landete, dieser hob seine Axt zum Schlag, wurde dabei jedoch vom Makar hinter sich behindert. Naruz nutzte die Chance, und stieß ein Schwert in den Bauch dieses Gegners, während er mit der zweiten Klinge in das Knie des anderen stach, woraufhin dieser brüllend zu Boden sank. Der Makar, dem er in den Bauch gestochen hatte, taumelte, und fiel von der Brücke, in die Tiefe, welche sich unter ihnen erstreckte. Kurz fragte er sich, welches Genie es für eine gute Idee hielt, inmitten eines Tempels einen tiefen Abgrund zu bauen, dazu noch ohne Geländer, musste dann jedoch einem Angriff des dritten Feindes mit einem Sprung nach hinten ausweichen. Die gewaltige Axt spaltete stattdessen den Schädel des verletzten Makar, der auf dem Boden lag, woraufhin der unfreiwillige Mörder Inne hielt, und entgeistert auf seinen toten Kameraden starrte, was Naruz die Möglichkeit gab unbemerkt nach vorn zu schnellen, und seine Klingen in die Brust des Makar zu rammen, direkt in dessen Herz. Umso verwunderter war er, als der Makar schmerzerfüllt brüllte, den Stich ansonsten jedoch ignorierte, und mit einer Pranke nach Naruz schlug, der diesem Angriff nur knapp ausweichen konnte. Vielleicht hätte er Serif ein wenig genauer zur Anatomie der Makar ausfragen sollen, denn anscheinend befand sich deren Herz nicht dort, wo es sich bei Menschen befand. Er meinte sich dunkel daran erinnern zu können, dass die Varan, eine Rasse bestehend aus Echsenmenschen, ihre Herzen dort hatten, wo bei einem Menschen die Leber war, vielleicht verhielt es sich bei den Makar genau so? Allerdings schien der Blutverlust schon genug zu sein, um den Makar in die Knie zu zwingen. Der Löwenmensch starrte Naruz hasserfüllt an, und ließ ein Brüllen hören, dass eine Art Herausforderung zu sein schien. Naruz schnellte nach vorn, und stieß eine seiner Klingen durch die Stirn des Löwenmenschen, woraufhin dieser endlich tot war, und der Weg frei war. Ohne sich noch einmal umzusehen, rannte Naruz die Brücke entlang und gelangte schließlich zu einer Stelle, an welcher der Großteil der Makar als Wachen stationiert waren, die Betonung lag auf 'waren', denn nun lagen sie alle tot oder schwer verletzt auf dem Boden, während Serif gelangweilt in der Luft schwebte.

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„Du... du bist so leicht mit einem Dutzend von ihnen fertig geworden?“
„Ja, es waren nicht gerade die besten Krieger, die den Makar zur Verfügung stehen, außerdem kann ich fliegen, was sollen sie da gegen mich ausrichten? Komm, ihr Anführer ist mit seinen wenigen, verbliebenen Männern im nächsten Raum, ich glaube sie haben die Kampfgeräusche gehört, und warten auf uns.“
„Also haben sie einen Hinterhalt geplant?“
„Ich glaube nicht, die Makar sind recht ehrenhaft, die würden nicht auf hinterhältige Tricks zurückgreifen... vermutlich.“
„Wunderbar, du schaffst es wirklich mich zu beruhigen.“ murmelte Naruz, machte sich dann jedoch auf den Weg, die Treppe hinab, welche mit toten Makar bedeckt war, und in das anschließende Gewölbe, wo tatsächlich der Anführer der Makar, auf seine Axt gestützt stand, und auf ihn zu warten schien.
„Wer bist du, dass du es wagst meine Männer abzuschlachten?“ knurrte er schließlich, als Naruz nahe genug war um ihn zu hören. Die Männer, und Frauen, welche unter dem Kommando dieses Makar standen, schienen keine Anstalten zu machen Naruz anzugreifen, sondern begnügten sich damit ihn hasserfüllt anzustarren. Anscheinend schien ihr Anführer sich vorerst wirklich nur unterhalten zu wollen.
„Mein Name ist Naruz, dürfte ich nun fragen, wer du bist, und was du hier vorhast?“
„Ich bin Odum Ryan, dritter Prinz der Makar, und du wirst mir den Respekt erweisen, den ich verdiene!“ brüllte der Makar, und deutete mit seiner Axt auf Naruz.
„Ein Prinz der Makar? Also ist dies eine Invasion? Falls ja, ist es eine ziemlich lächerliche.“
„Seit still, ich fordere dich zu einem Duell heraus, Mensch! Hast du genug Ehre, für einen Kampf Mann gegen Mann?“
„Natürlich... auch wenn in diesem Fall Mann gegen Katze angebrachter scheint, meinst du nicht auch?“ Erneut ließ der Makar ein markerschütterndes Brüllen hören, woraufhin seine Krieger eine Art Ring bildeten, mit Naruz und dem Prinzen in der Mitte. „Serif, halte dich raus.“
„Aber natürlich, Partner. Sei nur vorsichtig, wenn er wirklich ein Prinz ist, muss er ziemlich stark sein.“ Naruz hatte keine Zeit mehr zum antworten, da Odum Ryan ihr Duell mit einem weiteren Brüllen startete, und auf ihn zu rannte. Die Axt des Makar wirbelte durch die Luft, und hätte Naruz enthauptet, wenn dieser sich nicht im letzten Moment geduckt hätte. Verglichen mit den Makar von der Brücke, bewegte dieser hier sich weit schneller und eleganter, aber noch immer nicht schnell genug für einen Botschafter der Gaia. Odum knurrte frustriert, als Naruz all seinen Angriffen ohne größere Probleme auswich, anscheinend sah auch er langsam ein, dass er in diesem Kampf unterlegen war. Nachdem Naruz einem weiteren Angriff ausgewichen war, entschied er sich dafür, das Duell zu beenden, mit einer schnellen Drehung stand er vorm Prinzen, und rammte ihm die Knäufe der beiden Schwerter in den Bauch, ehe er die Schultern des Makar durchbohrte, woraufhin dieser seine Waffe fallen ließ. Bevor Odum irgendetwas machen konnte, stieß Naruz ihm erneut in den Bauch, und fegte mit einem schnellen Tritt das Bein des Makar zur Seite, woraufhin dieser auf dem Rücken landete, und sich Naruz' Klingen auf die Kehle des Löwenmenschen legten.
„Gibst du auf?“ fragte Naruz, nahm seine Waffen jedoch nicht von der Kehle seines Gegners, wenn dieser nun aufgab, würde es sich vermeiden lassen, gegen die ganzen anderen Makar hier zu kämpfen. Odum ließ ein leises Knurren hören, ehe er antwortete.
„Ich gebe auf... du hast dieses Duell gewonnen.“ Naruz zögerte kurz, nickte dann jedoch zufrieden, und steckte seine Schwerter weg, während der Makar aufstand. Zu Naruz' Erstaunen, sank der Makar jedoch sofort vor ihm auf die Knie, und senkte sein Haupt.
„Ähm... was ist hier los? Serif?“
„Keine Ahnung Partner, aber schau dich mal um.“ Naruz folgte dem Rat seines Eidolons und bemerkte, dass auch die anderen Makar in die Knie gegangen waren.
„Was ist hier los, Odum?“ fragte er, an den Makar gewandt.
„Ihr habt mich besiegt, Meister Naruz. Nicht nur das, Ihr hattet keinerlei Probleme, mit mir fertig zu werden, ich war Euch vollkommen unterlegen. Ich bin nicht länger würdig, als Anführer dieser Kriegergruppe zu dienen, das Kommando geht nun an Euch über.“
„Bitte was? Hast du vergessen, dass du ein Prinz bist? Und dass ich deine Kameraden getötet habe?“
„Es war ihnen sicherlich eine Ehre, von solch einem talentierten Krieger wie Euch getötet zu werden... und ich bin kein Prinz, lediglich im Namen... meine Taten sagen jedoch etwas anderes.“
„Ich nehme an, es hat mit dem zu tun, was du hier im Tempel wolltest?“
„Genau, Meister Naruz. Wie ich bereits sagte, bin ich der dritte Prinz der Makar, ich habe zwei ältere Brüder, die außerdem weit stärker als ich sind. Ich konnte mit meiner eigenen Schwäche nicht leben, in unserer Kultur wird der stärkste Prinz der nächste König, und ich wollte König werden, um jeden Preis. Jedoch wusste ich auch, dass ich nie im Leben ein Duell gegen meine Brüder gewinnen könnte, also suchte ich nach einer Möglichkeit stärker zu werden. Dann, eines Tages, traf ich auf einen Alfar, der mir von diesem Tempel erzählte, und von der Macht, die tief in seinem Inneren versiegelt ist. Ein Dämon soll hier leben, und wenn ich sein Siegel breche, wird er mir gehorchen, und für mich kämpfen, mit seiner Hilfe hätte ich der König der Makar werden können, zumindest dachte ich es... bis eine meiner Zauberinnen etwas herausgefunden hat. Der Alfar hatte mir eine Rune gegeben, mit der sich die Golems und der Dämon kontrollieren lassen sollten, und ich hatte ihm vertraut, warum auch nicht? Immerhin gehorchten die Golems sofort meinen Befehlen! Aber meine Zauberin war noch immer misstrauisch, und hat die Rune analysiert, woraufhin sie feststellte, dass der Zauber in der Rune, lediglich die Golems beeinflussen kann, auf alles andere wird er keinerlei Wirkung haben. Ich wurde benutzt, um den Dämon zu befreien, der hier seit Jahren gefangen war.“ Naruz' Miene verfinsterte sich, als er von dem Dämon hörte, der sich hier befand. Auch überraschte es ihn, was Odum zu berichten wusste, ein Alfar hatte ihn also zu der ganzen Sache angestiftet. Die Alfar waren eine mysteriöse Rasse, welche in Nord-Midgard lebte, und dort ihr eigenes Reich errichtet hatte, sie galten als Rivalen der Kirche, jedoch hatte sich selten einer von ihnen in Süd-Midgard blicken lassen.
„Wie steht es um das Siegel, welches den Dämon gefangen hält?“
„Ich weiß es nicht, wir haben uns seinem Gefängnis noch nicht genähert, es befindet sich am tiefsten Punkt dieses Tempels. Ich wollte mit meinen Männern dorthin gehen, um zu gucken wie es um das Siegel steht, da meine Zauberin befürchtete, dass wir es bereits gebrochen haben, als wir den Tempel betraten.“ Naruz biss sich auf die Lippe, und ließ seinen Blick über die Makar schweifen. Odum Ryan war mit Abstand der stärkste von ihnen, und er war verletzt, außerdem gab es noch einige andere Makar, die nach ihrem Kampf mit Serif verletzt waren, und Hilfe brauchten.
„Nimm deine Krieger und verlasse den Tempel, nehmt eure Verletzten mit. Ich werde mir mal angucken, wie es beim Siegel aussieht.“
„Nein, Meister Naruz! Dies ist meine Aufgabe, es ist meine Schuld...“
„Ich befehle es dir. Erinnerst du dich noch? Ich habe jetzt das Kommando über diese Gruppe, und ich befehle dir und den anderen, diesen Tempel zu verlassen. Wartet draußen auf die Verstärkung der Kirche, und erklärt ihnen alles, verstanden? Ich bin mir sicher, sie werden schon irgendwann jemanden schicken, wenn ich nicht bald zurückkomme.“
„...“
„Verstanden?“
„Jawohl, Meister Naruz.“ knurrte der Makar, stand auf und rief seinen Begleitern Befehle zu. „Sobald die Krieger der Kirche da sind, kommen wir Euch zur Hilfe.“ meinte er noch, ehe er sich mit seinen Leuten auf den Weg nach draußen machte. Als die Makar weg waren, wandte Naruz sich an Serif.
„Wollen wir dann mal gucken, was es mit diesem Dämon auf sich hat?“
„Natürlich Partner, aber bist du dir sicher, dass die Kirche bald Verstärkungen schickt?“
„Hast du ihm nicht zugehört? Hier ist ein Dämon versiegelt, die Kirche wird ja wohl davon wissen. Du glaubst doch nicht etwa, dass sie die Situation einem einzelnen, dahergelaufenen Botschafter der Gaia anvertrauen, oder?“
„Oh! Du hast recht.“
„Könntest du zumindest versuchen nicht allzu erstaunt zu klingen, darüber dass ich in der Lage bin, logische Schlüsse zu ziehen?“
„Nein, also los, lass uns gehen.“

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Es dauerte eine ganze Weile, ehe Naruz und Serif endlich an ihrem Ziel angelangt waren. Einige weitere, ewig lange Treppen lagen auf dem Weg, aber schließlich erreichten sie eine große Kammer, in deren Mitte ein riesiger, blauer Würfel zu schweben schien, der von einer Art schwarzen Nebel umgeben war.
„Ich vermute, dass dieses Ding das Gefängnis ist von dem Odum geredet hat. Was meinst du, wie sieht es aus, Serif?“
„Ich habe keine Ahnung von Magie, abgesehen von meinen Blitzen, aber...“
„Moment, du kannst Blitze verschießen?“
„Ja, habe ich dir das noch nicht gesagt?“
„Überhaupt nicht! Warum hast du es bisher nie gemacht?“
„Nicht jetzt, Partner. Wie ich gerade sagen wollte, ich habe keine Ahnung von Magie, aber ich vermute, dass das Siegel gebrochen ist, und...“ Weiter kam Serif nicht. Es gab ein ohrenbetäubendes Knallen, dass die gesamte Ruine erzittern ließ, dann zersprang der Würfel in tausende Teile, und offenbarte eine brennende, schwarze Flamme.
„Das ist nicht gut, oder?“ fragte Naruz nervös, während er seine Schwerter zog.
„Kommt drauf an, aus welcher Perspektive du es siehst. Aus unserer, nein, nicht gut. Aus der des Dämons, der da drinnen gefangen war, doch, durchaus gut.“ Hilflos sahen die beiden zu, wie die Flammen erloschen, und sich an ihrer Stelle eine Kreatur erhob, die der dämonischen Version von Brian äußerst ähnlich sah. Dieses Monster war jedoch größer, hatte rote Kristalle in seinem Körper, und gab eine bösartige Aura von sich, die stärker als alles war, was Naruz jemals erlebt hatte, selbst die Aura des Schattenritters aus seinen Träumen war bei weitem nicht so voller Hass und Dunkelheit, wie die dieses Monsters.
„Ah... endlich... frei...“ Naruz zuckte zusammen, als die Kreatur anfing zu sprechen, die Stimme war tief, und irgendwie fremdartig, sie schien in Naruz' Kopf widerzuhallen und ließ ihn erschaudern. „Oh? Besucher? Ah, ich sehe du bist ein Botschafter Gaias... erlaube mir, mich vorzustellen, mein Name ist Sonjuno.“
„Ähm... ich bin sehr erfreut Euch kennenzulernen, Sonjuno, mein Name ist...“
„Huh? Mein Name sagt dir nichts, kleiner Wicht?“ der Dämon schien erstaunt zu sein, dann begann er jedoch laut zu lachen. „Natürlich, der alte Narr wollte nicht, dass die Welt von seinem Fehler erfährt! Dachte er wirklich, er könnte mich für immer wegschließen? Sage mir, wo befindet sich Erzbischof Cornelius? Wenn du es mir verrätst, schenke ich dir einen schnellen Tod, Botschafter.“
„Erzbischof... Cornelius?“ erwiderte Naruz, vollkommen verwirrt. Nach allem, was er wusste hieß der derzeitige Erzbischof Belenus.
„Ich sehe schon, du bist zu nichts zu gebrauchen.“ ohne ein weiteres Wort schoss der Dämon nach vorn, und verpasste Naruz einen Hieb mit der Faust, der diesen durch den Raum schleuderte, und auf einem Schutthaufen landen ließ, wo er benommen liegen blieb. Nicht unbedingt, weil der Schlag so stark war, sondern eher, weil er vollkommen verwirrt war. Dieser Dämon... er hatte sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, die Naruz noch nie zuvor gesehen hatte, und die er von einer Kreatur dieser Größe niemals erwartet hätte. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt auszuweichen. Zum ersten mal in einem Kampf, machte sich Furcht in Naruz bemerkbar, dieser Gegner war etwas vollkommen anderes, weit mächtiger als alle Feinde, denen er bisher gegenüber gestanden hatte. Langsam richtete Naruz sich auf, und hob seine Schwerter.
„Alles in Ordnung, Partner?“ fragte Serif, und setzte sich auf seine Schulter.
„J-ja, ich glaube schon.“ antwortete Naruz, und versuchte das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
„Gut, die Seelenbindung ist fertig, wir können also anfangen, diesen Dämon fertig zu machen.“ meinte Serif, und kurz darauf begannen die weißen und silbernen Blitze, Naruz' Körper zu umspielen. Er nickte, und rannte auf den Dämon zu, so schnell er konnte. Kurz vor der Kreatur aktivierte er seine Magie, sprang in die Luft und katapultierte sich in den Rücken der Kreatur, ehe er sich auf den Kopf drehte, und sich in der Luft, mit Hilfe von Magie, abstieß, und geradewegs auf den Hals des Dämons zuraste. Die Kreatur ließ jedoch nur ein Lachen hören, und kurz darauf traf etwas unsichtbares Naruz mitten in der Luft, und schleuderte ihn durch den Raum, wo er gegen die Wand klatschte, und gewaltsam auf dem Boden aufschlug. Als er landete, hörte er etwas Knacken, und Blut lief ihm aus dem Mund. Mühsam richtete er sich ein wenig aus, und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Sonjuno ging langsam auf ihn zu, und bei jedem seiner Schritte erzitterte der Boden ein wenig. Serif landete direkt neben Naruz auf dem Boden, und echte Sorge war in seinem Blick zu sehen. „Partner! Lebst du noch?“
„Ja... noch.“ meinte Naruz, mit schwacher Stimme.
„Gut zu hören, pass auf, dieser Dämon verfügt über starke Magie, wir brauchen Hilfe. Rufe Sigrun, ich bin mir sicher, sie...“
„Warum sollte ich?“ murmelte Naruz, und schloss die Augen, während der Dämon immer näher kam.
„Was? Was meinst du? Mit ihr hätten wir eine Chance, dieses Ding zu besiegen!“
„Und was dann? Ich trete der Kirche bei, und kämpfe den Rest meines Lebens gegen solche Kreaturen, bis ich endlich von einer getötet werde, da wäre es doch leichter, die ganze Sache jetzt zu beenden.“
„Du willst aufgeben? Und dich von diesem Ding töten lassen?“ Serif war fassungslos, sein Partner musste einen harten Schlag auf den Kopf bekommen haben, anders konnte er sich die Sache hier nicht erklären. „Naruz? Hey! Naruz! Antworte mir!“ rief Serif, erhielt jedoch keine Antwort. Naruz saß einfach weiterhin mit geschlossenen Augen neben ihm, und reagierte nicht.

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Naruz öffnete blinzelnd die Augen, und sah sich überrascht um. Er befand sich in einer kleinen, dunklen Kammer, mit einem Tisch und zwei Stühlen. Auf dem Tisch stand ein Schachbrett, vorbereitet, für eine neue Partie, und auf einem der Stühle saß eine Gestalt und musterte ihn. Es war ein Mann, allem Anschein nach ein paar Jahre älter als Naruz, der sich mit verschränkten Armen in seinem Stuhl zurückgelehnt hatte. Er hatte kurze, braune Haare, aus denen Hörner zu wachsen schienen, dazu kamen violette Augen und rote, ledrige Flügel, die aus seinem Rücken wuchsen. Er trug seltsame, seidene Kleidung. Als er sah, wie Naruz ihn beobachtete, lächelte er leicht, und ließ zwei spitze Zähne sehen, wie bei einem Vampir, aber dort hörten die Gemeinsamkeiten mit diesen Untoten auch schon auf.
„Wo bin ich?“ fragte Naruz schließlich, als ihm die Stille zu viel wurde.
„Gute Frage, das weiß ich selber nicht... komm, setze dich doch.“ antwortete der Mann mit freundlicher Stimme, und deutete auf den leeren Stuhl. Naruz kam der Aufforderung auch sogleich nach und ließ sich nieder. „Kannst du Schach spielen?“
„Was? Ja, kann ich. Meine Mutter hat es mir beigebracht.“
„Deine Mutter? Ah, ich verstehe, so ist es also.“ Naruz sah den Mann verwirrt an, dieser schien es jedoch nicht für nötig zu halten etwas weiteres zu sagen, sondern begann die Partie, woraufhin Naruz nur kurz mit den Schultern zuckte, und mitspielte. Es dauerte nicht lange, bis er einsah, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen war, sein Gegenüber war weit besser, und hatte ihn schon nach wenigen Runden beinahe vollständig besiegt.
„Ich gebe auf.“ meinte Naruz, mit einem Seufzen.
„Jetzt schon? Auch wenn du noch eine Chance hast?“
„Ich habe keine Chance mehr, ich habe verloren, das ist eindeutig. In diesem Fall ist es besser, einfach aufzugeben, und es nicht unnötig in die Länge zu ziehen.“
„So wie der Kampf gegen Sonjuno?“ Naruz zuckte zusammen, er hatte den Kampf ganz vergessen! Aber jetzt, wo er darüber nachdachte... wieso war er hier? Und nicht im Tempel, bei Serif und dem Dämon, der kurz davor war ihn umzubringen? Während er überlegte spielte sein Gegenüber Naruz' Zug für diesen, und zu dessen Überraschung, sah die Situation auf dem Brett nun schon weit besser für ihn aus. „Du gibst zu leicht auf.“
„Wo bin ich? Und was ist mit Sonjuno, und mit Serif?“ Der Mann schnippte, und eine Art Loch tat sich in der Kammer auf. Durch dieses Loch, konnte Naruz sehen, wie Serif sein bestes tat um den gewaltigen Dämon zu bekämpfen, während Naruz' lebloser Körper nicht weit von ihnen entfernt lag. „Bin ich... bin ich tot?“
„Nein, noch nicht. Aber du könntest es bald sein, wenn du weiterhin diese negative Einstellung hast.“
„Und? Wen stört es?“
„Willst du Sonjuno etwa davon kommen lassen? Wer weiß, wie viel Unheil er anrichten wird.“
„Die Kirche wird ihn aufhalten, mein Tod wird sie dabei nicht wirklich stören.“
„Was ist mit deinen Freunden in Skandia?“
„Ich werde sie wahrscheinlich sowieso nie wieder sehen, sobald ich der Kirche beitrete, also spielt es keine Rolle...“
„Und was ist mit Aleyandra?“
„Was? Was soll mit ihr sein?“ Der Mann schnippte erneut, und das Bild, welches man durch das Loch sehen konnte, gefror, und veränderte sich. Anstatt des Kampfes zwischen Serif und Sonjuno, konnte man nun die lächelnde Aleyandra sehen.
„Sie wartet in Navea auf dich. Du hast ihr versprochen, sie aufzusuchen, sobald du die Truhe geöffnet hast, hast du das schon vergessen?“
„Mir bleibt leider nichts anderes übrig, ich kann nichts...“
„Daran ändern? Doch, könntest du. Du könntest die Valkyre beschwören, und Sonjuno besiegen. Wahrscheinlich könntest du auch... nein, vergiss es. Lass dir nur gesagt sein, du darfst noch nicht sterben, es ist mir äußerst wichtig, dass du am Leben bleibst.“
„Ach ja? Und warum?“
„Das brauchst du nicht wissen, oder? Es spielt keine Rolle. Also? Was ist nun? Willst du dich einfach so töten lassen? Oder wirst du dein bestes geben, um als Sieger aus diesem Kampf hervorzugehen?“
„Selbst wenn ich mich dazu entscheiden würde zu kämpfen, ich bin schwer verletzt, ich kann mich kaum bewegen, wie soll ich da gewinnen?“
„Ich kann dir helfen, zumindest ein wenig. Ich kann die Schmerzen lindern, und dafür sorgen, dass die gebrochenen Rippen nicht noch schlimmer werden.“
„Ich habe mir die Rippen gebrochen?“
„Alle Rippen und den linken Arm, um genau zu sein, der rechte Arm ist außerdem...“
„Schon gut! So genau will ich es nicht wissen.“ Naruz seufzte, und starrte eine Weile auf das Bild von Aleyandra. Es stimmte, er hatte ihr versprochen, dass er sie in Navea besuchen würde. Aber spielte das für sie überhaupt eine Rolle? Vielleicht hatte sie ihn ja schon längst vergessen, oder war schon gar nicht mehr in der Hauptstadt, vielleicht hatte sie ja auch selbst eine Möglichkeit gefunden, sich von ihrem Eidolon zu trennen. Obwohl ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, entschied Naruz für sich, dass er nicht einfach so sein Versprechen brechen konnte. Er hatte sie schon einmal zurückgelassen, in Helonia, obwohl er ihr gesagt hatte, dass sie gemeinsam nach Norden reisen würden. Noch einmal wollte er sie nicht anlügen. „Du kannst mir wirklich helfen?“
„Helfen ist relativ, ich kann dafür sorgen, dass du deinen Körper im Kampf nicht vollkommen zerstörst. Also? Was ist deine Entscheidung?“
„Ich werde kämpfen.“ murmelte Naruz leise.
„Was?“
„Ich werde kämpfen, zufrieden?“
„Na also, geht doch. Dann kannst du jetzt wieder gehen.“ Während der Mann dies sagte, löste sich die Kammer langsam auf, und alles wurde schwarz.
„Warte! Wer bist du?“
„Das ist unwichtig, du wirst es schon früh genug herausfinden.“ Dies war das letzte, was Naruz hörte, ehe die Dunkelheit ihn verschlang.

Naruz öffnete schlagartig die Augen, und richtete sich auf, während er sich umsah. Er war wieder im Tempel, und direkt vor ihm befand sich der Dämon Sonjuno, Serif landete direkt neben Naruz auf dem Boden, in seinen Händen hielt er die Schwerter seines Botschafters.
„Wurde auch Zeit! Ich dachte schon du wärst tot!“
„Tut mir leid, Serif... halte ihn noch ein wenig auf, ja?“
„Oh, du willst nicht mehr sterben?“
„Nicht jetzt, ja?“ Serif lachte nur, und gab Naruz seine Waffen wieder, ehe er erneut auf Sonjuno zuhielt. Langsam zog er den Stein, den ihm die Eidolons überlassen hatten, aus seiner Tasche und betrachtete ihn. Der Stein war noch vollkommen in Ordnung, und wies keinerlei Risse auf, selbst nachdem er zusammen mit Naruz durch das Gewölbe geworfen wurde. „Im Namen der Gaia befehle ich dir: Komme in unsere Welt und vernichte das Böse! Erscheine und kämpfe an meiner Seite, Sigrun!“ rief er, während er den Stein in die Luft hielt. Kaum hatte er die Worte gesprochen, verschwand der Stein, und die Frau mit den langen, weißen Haaren erschien direkt neben ihm.
„Ich grüße Euch, mein Botschafter.“ begrüßte sie ihn, mit einer Verbeugung. „Ich habe diesen Kampf beobachtet, und ich muss sagen, ich bin froh, dass Ihr Euch dafür entschieden habt, nicht aufzugeben.“
„Ähm, ja, danke. Also... Sigrun? Wollen wir dann... du weißt schon, Serif helfen und gegen diesen Dämon kämpfen?“
„Ihr müsst mich nicht um Hilfe bitten, ich bin Euer Eidolon, wenn Ihr den Befehl gebt, würde ich mit Euch gegen alle Heerscharen Pandämoniums ziehen.“ mit diesen Worten wandte Sigrun sich um, und raste auf Sonjuno zu, welcher noch immer mit Serif beschäftigt war. Naruz zögerte nur einen kleinen Augenblick, dann folgte er ihr.
„Wie ich sehe, bist du noch immer am Leben, Botschafter, und du hast Verstärkung mitgebracht, wie nett.“ höhnte der Dämon, und schlug nach Naruz. 'Zu schnell' schoss es diesem durch den Kopf, während er die Faust des Dämons auf sich zurasen sah. Bevor der Schlag ihn jedoch treffen konnte, war Sigrun im Weg und blockierte den Angriff mit ihrem Schild.
„Ihr dürft eines nicht vergessen, Botschafter.“ meinte sie, und wandte den Kopf zu Naruz. „Ihr seid ein Botschafter der Gaia, und als solcher seid Ihr nie alleine, wir werden immer an Eurer Seite stehen.“
„Genau das sage ich ihm auch immer, aber er will einfach nicht hören.“ meinte Serif, und schwebte an Naruz' Seite.
„Lass es uns hinter uns bringen, Partner.“
„Aber gerne doch.“ meinte Serif, mit einem Grinsen, und richtete seine Hände auf Sonjuno, woraufhin die Ringe an den Armen des Eidolons zu rotieren begannen, kurz darauf schoss ein silberner Blitz aus Serifs Händen, und durchbohrte die Schulter des Dämons, der daraufhin ein Kreischen hören ließ.
„Hättest du das nicht schon früher machen können?“ fragte Naruz, und sah zu Serif, zu seiner Überraschung sank das Eidolon jedoch auf den Boden, und schien vollkommen erschöpft zu sein.
„Was glaubst du, was ich gemacht habe, als du ohnmächtig warst? Das war alles, was ich noch konnte, mehr schaffe ich nicht, jetzt liegt es an dir, und an Sigrun.“
„Wie könnt ihr es wagen? Ich bin Sonjuno! Ich bin der Auserwählte, der einzig rechtmäßige Anführer dieses Reichs!“ brüllte der Dämon, und schlug erneut nach Naruz. Durch die Verletzung war das Monster jedoch langsamer, und Naruz wich dem Schlag aus. Sofort rannte er weiter auf Sonjuno zu, dieser versuchte erneut ihm einen Schlag zu verpassen, wurde jedoch wieder von Sigruns Schild blockiert, während ein Speer aus Eis aus dem Boden wuchs, und den anderen Arm des Dämons durchbohrte. Erneut benutzte Sonjuno seine Magie, um einen unsichtbaren Angriff auf Naruz zu schicken, nur war er nicht länger unsichtbar. Naruz konnte deutlich eine grünliche Welle erkennen, die direkt auf ihn zuhielt, so dass er mit einem schnellen Sprung zur Seite ausweichen konnte. Währenddessen schlug Sigrun mit ihrem Schild den Arm des Dämons zur Seite, und bohrte ihre Lanze in den Bauch der Kreatur, ehe sie zurückwich und an Naruz' Seite stand.
„Im Namen Forsetis, verleihe ich Euren Klingen die Macht, das Böse zu vernichten und Frieden in diese Welt zu bringen.“ sprach die Valkyre, woraufhin die Schwerter des Botschafters anfingen blau zu leuchten. „Ich werde ihn ablenken, nutzt die Macht, die ich Euch gegeben habe, um ihn zu vernichten.“ meinte sie an Naruz gewandt, ehe sie erneut auf Sonjuno zuhielt, während dutzende Eissplitter aus dem Boden schossen, und den kreischenden Dämon durchbohrten. Ohne zu zögern folgte Naruz der Valkyre, die mit ihrem Schild und ihrer Waffe die Arme des Dämons blockierte. Mit einem Satz sprang Naruz über Sigrun hinweg, und befand sich direkt vor dem Dämon, der die Augen aufriss. „Das kann nicht sein! Ich bin Sonjuno!“ brüllte er erneut, während Naruz' Klingen sich in seinen Hals fraßen. Wieder ließ die Kreatur ein Kreischen hören, und begann zu schwanken. Naruz stieß einen erstickten Schrei aus, als seine Schwerter sich schwarz färbten, und begannen zu Staub zu zerfallen.
„Wir sollten von hier verschwinden, Botschafter.“ meinte Sigrun, und zog Naruz vom Dämon fort, der kurz darauf auf den Boden fiel, und leblos liegen blieb.
„Ist er tot?“ fragte Naruz, schwer atmend.
„Ja, ist er. Sonjuno der Verfluchte ist gefallen, und wird nie wieder Unheil über diese Welt bringen.“
„Sehr gut... dann kann ich ja... eine Pause... machen.“ meinte Naruz, und ließ sich auf den Boden fallen, von wo aus er an die Decke starrte. Serif und Sigrun knieten sich neben ihn.
„Geht es Euch gut, Botschafter?“
„Ja, mir geht es...“ begann Naruz, schrie dann jedoch vor Schmerz auf, und fasste sich an die Hüfte. Allem Anschein nach ließ die Hilfe seines seltsamen Freundes nach, und seine Verletzungen zeigten nun ihre Wirkung.
„Dir geht es ziemlich mies, Partner.“ kommentierte Serif, unnötiger Weise. „Vielleicht sollten wir...“ Serif brach ab, als plötzlich Schritte in der Nähe erklangen, Schritte von gepanzerten Stiefeln.
„Botschafter?“ fragte Sigrun, als die Schritte immer näher kamen. „Mit Eurer Erlaubnis, werde ich Euch nun verlassen, bis Ihr mich erneut braucht. Ruft einfach meinen Namen und ich werde dort sein, die Formel braucht Ihr nicht mehr.“
„Natürlich... gehe ruhig, und danke für deine Hilfe, Sigrun.“ murmelte Naruz, die Valkyre war jedoch schon verschwunden. Vielleicht wollte sie nichts mit den Leuten zu tun haben, die auf dem Weg hier her waren? Keine zwei Minuten später betraten die Neuankömmlinge die Kammer, und zu Naruz' Überraschung erkannte er sogar zwei von ihnen. Bei der einen Person handelte es sich um Odum Ryan, dem Prinzen der Makar, und die zweite Person war Anya Bladelli.

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„Was bei Gaia ist hier passiert?“ fragte Anya, und sah sich um. Ihre Männer schienen ebenso erstaunt zu sein, wie sie. Als sie die Ruinen erreicht hatten, wurden sie von den Makar erwartet, die sich ihnen ausgeliefert hatten. Der Prinz hatte ihr dann von allem berichtet, was hier vorgefallen war, auch dass Naruz sich um den Dämon kümmern wollte. Kaum hatte sie das gehört, war sie so schnell wie möglich in den Tempel gerannt, zusammen mit dem Prinzen der Makar, der es sich nicht nehmen lassen wollte 'Meister Naruz' zur Hilfe zu eilen. Und nun stand sie hier, vor einem toten Dämon, und einem schwer verletzten Botschafter der Gaia.
„Ah... Lady Bladelli, richtig? Schön Euch zu sehen.“ meinte Naruz, und versuchte sich aufzurichten, was ihm jedoch nicht ganz gelang. „Wenn ich... Euch Bericht erstatten dürfte...“
„Ja?“
„Ich habe einen Dämon gefunden... Ihr hättet mich durchaus warnen können.“
„Ich wusste selber nichts von diesem Dämon, erst auf dem Weg hierher...“ begann Anya, brach jedoch ab, als sie sah wie Naruz erneut das Gesicht vor Schmerz verzog. Sofort gab sie ihr Schwert an einen ihrer Untergebenen weiter, und kniete sich neben Naruz, ehe sie vorsichtig über dessen Körper tastete. Naruz zuckte bei jeder Berührung zusammen, es schien fast so, als ob er sich jeden Knochen im Körper gebrochen hatte. „Wie konntet Ihr in diesem Zustand den Dämon besiegen?“ fragte Anya erstaunt, während sie die wenige Magie, die sie nach ihrem Kampf mit Aleyandra noch hatte, benutzte, um Naruz so gut es ging zu heilen.
„Mit viel Glück, und mit der Hilfe meiner Eidolons.“ murmelte Naruz noch, bevor er die Augen schloss.
„Hallo? Botschafter? Botschafter?“
„Keine Sorge, er lebt noch.“ beruhigte Serif die Templerin. „Er ist nur ohnmächtig, das wird schon wieder.“ Anya atmete erleichtert auf, das hätte ihr gerade noch gefehlt, für den Tod eines Botschafters verantwortlich gemacht zu werden.
„Ich habe seine Wunden so gut es ging geheilt, ihr da, tragt ihn nach oben, dann werden wir sehen, wie wir ihn nach Navea bringen.“ befahl sie ihren Männern, bevor diese jedoch reagieren konnten, trat Odum nach vorne, und hob Naruz behutsam auf.
„Ich werde ihn tragen, es ist das mindeste, dass ich für ihn tun kann, nachdem, was ich hier getan habe.“ Anya wollte schon protestieren, kam jedoch nicht so weit, da sich erneut ein stechender Schmerz in ihrem Kopf bemerkbar machte.
„Test, Test, kannst...“
„Ja! Kann ich! Und du weißt es! Was fällt dir eigentlich ein, einfach so während unseres Gesprächs einzuschlafen?“
„Bist du in der Ruine?“
„Wage es ja nicht, mich zu ignorieren!“
„Bist du da, oder nicht?“
„Ja, bin ich! Warum?“
„Dort müssten noch Splitter des Imitats liegen, einer von ihnen wird eine schwarze Färbung haben, siehst du ihn irgendwo?“
„Das soll jetzt ein Scherz sein, oder?“
„Siehst du ihn, oder siehst du ihn nicht?“
Anya seufzte kurz, und sah sich suchend um, tatsächlich, nicht allzu weit von ihr entfernt lag ein kleiner, schwarzer Splitter. Sie ging hinüber und hob ihn auf.
„Ich habe ihn gefunden.“
„Sehr gut, dann warst du doch nicht zu spät.“
„Wo wir gerade bei diesem Thema sind... der Botschafter hat gegen Sonjuno gewonnen!“
„Ich weiß.“
„Was soll das heißen? Du hast mir gesagt, dass Raemons Tagebuch dir seinen Tod gezeigt hat, und dass das Tagebuch nicht lügt!“
„Das Tagebuch vielleicht nicht, aber ich bin durchaus in der Lage zu lügen, ich wollte dich nur dazu bringen, ein wenig schneller zu den Ruinen zu reiten, damit mir niemand den Splitter wegschnappt. Bring ihn mir, sobald du wieder in Navea bist, ja?“
„Ich kann nicht glauben, dass du mich aus so einem Grund angelogen hast!“
„Ach ja, noch was.“
„Was?“
„Kannst du auf dem Weg ein paar Äpfel und ein wenig Zucker kaufen? Ich will...“
Mit einem Seufzen trennte Anya die telepathische Verbindung.
„Ist mit dir alles in Ordnung?“ Anya zuckte zusammen, als das Eidolon Serif direkt vor ihrem Gesicht schwebte und sie anstarrte.
„Ja... ja, alles in bester Ordnung.“ meinte sie, und wandte sich dann an ihre Männer. „Also los, setzt euch in Bewegung, wir kehren nach Navea zurück, wir haben hier einen Botschafter, der einen Heiler braucht!“ Mit diesen Worten setzte sie sich an die Spitze ihrer Leute, und führte sie aus dem Tempel hinaus, während sie immer wieder nervöse Blicke zum ohnmächtigen Naruz warf, und hoffte, dass er die Reise überstehen würde.
Zuletzt geändert von Mimir am 21. Juni 2014 13:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 10. Juni 2014 23:44

12. Die Kinder Gaias (Öffnen)
12. Die Kinder Gaias


Bild
Bild
Marktplatz
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Militärbezirk

Sobald Aleyandra und Silberblatt die Stadttore passiert hatten, schlug ihnen ohrenbetäubender Lärm entgegen. Tausende Menschen waren auf den breiten Straßen der Weißen Stadt unterwegs und erfüllten das Herz Midgards mit geschäftigem Leben. Aleyandra war stehen geblieben und sog einfach nur die Atmosphäre in sich und den Anblick. So lange sie zurückdenken konnte, hatte sie nichts anderes gewollt als nach Navea zu reisen und jetzt war sie endlich hier! Doch viel Zeit blieb ihr nicht um die Stadt ihrer Träume zu bewundern, denn Silberblatt eilte hastig durch die Menschenmengen und sie war gezwungen ihm zu folgen. Am meisten hatte sie der Marktplatz verwundert. Die weite, offene Fläche im Zentrum von Navea erinnerte teilweise eher an einen Wald, als an eine Stadt. Der Grund dafür war ganz einfach. Über den Köpfen der Menschen, schwebte eine Kopie des Gaia Kristalls. Die göttliche Macht die von ihm ausging ließ sich nicht einmal ansatzweise mit der des verborgenen Originals messen, aber es reichte um Navea erblühen zu lassen, im wahrsten Sinne des Wortes. Viel mehr hatte sie leider nicht von der Stadt zu sehen bekommen, denn Silberblatt führte sie auf direktem weg in den Nordosten der Stadt, in die Unterkünfte der kirchlichen Streitmacht. Leider waren sie an den fast schon Palastähnlichen Gebäuden der höheren Generäle vorbeigezogen und betraten letztendlich ein eher unscheinbares, graues Gebäude, das neben den anderen verblasste.
Silberblatt brachte sie in ein kleines, karg eingerichtetes Zimmer. Ein Bett, ein paar grobe Schränke und ein Schreibtisch, an dem Silberblatt sich sofort niederließ. So hatte sie sich die Unterkunft eines Großmeisters der Kirche nicht unbedingt vorgestellt. Er sagte kein Wort, während sie sich unter den starrenden, blauen Augen wand. Was wenn er am Tor gelogen hatte und ihr gar nicht helfen wollte? Vielleicht war es nur besser sie irgendwo in einem abgeschiedenen, einsamen Teil der Stadt zu töten, anstatt vor so vielen Augenzeugen. Als sie langsam begann sich unter seinen bohrenden Blicken unbehaglich zu fühlen, durchbrach die Stimme des Großmeisters endlich die erdrückende Stille um sie herum, auch wenn Aleyandra kurz zusammenzuckte, als er anfing zu sprechen. Seine Stimme bewirkte noch immer spielend leicht, dass sie eine Gänsehaut bekam, vielleicht lag es nur an der Magie die er ausstrahlte und die in jede seiner Bewegungen einzufließen schien. Verglichen mit ihm, war ihr bisschen Magie nichts weiter als ein alberner Taschenspielertrick und das strahlte er auch aus.
„Wie heißt du?“
„Ähm...“ Aleyandra brach ab und wich seinen Augen aus. Irgendetwas an ihm schüchterte sie ein und das gefiel ihr nicht. Außerdem versuchte sie noch immer zu verdauen was sie gerade alles gesehen hatte. Navea war unglaublich! Sie glaubte sogar ein Luftschiff gesehen zu haben, bevor es leider hinter einer Villa verschwand. Aber Silberblatt gab ihr keine Gelegenheit sich in ihren schwärmerischen Gedanken zu verlieren und riss sie in die Wirklichkeit des langweiligen Arbeitszimmers zurück.
„Ich weiß das du reden kannst, also los.“
„Aleyandra.“ flüsterte sie, noch immer etwas eingeschüchtert, von ihrem kleinen Kampf am Tor. Wenn sie ein falsches Wort von sich gab, könnte er sie einfach zerquetschen wie eine Ameise, also hielt sie es für besser nicht zu viel zu reden.
„Gut, immerhin kennst du deinen Namen noch, das ist ein Anfang. Wo kommst du her?“
„Aus Helonia, das ist eine kleine Stadt an der südöstlichen Küste, aber woher ich ursprünglich stamme weiß ich nicht mehr. Vor fast sieben Jahren...“
„So genau wollte ich das jetzt gar nicht wissen. Es wird später noch genug Zeit sein, um mir deine gesamte Lebensgeschichte anzuhören, aber jetzt, haben wir wichtigeres zu besprechen.“ würgte er gleich zu Beginn ihren eifrigen Vortrag ab, als wäre sie irgendein lästiger Verkäufer auf dem Marktplatz von Helonia. Warum fragte er sie überhaupt, wenn ihn die Antwort sowieso nicht interessierte, dachte Aleyandra verärgert und biss sich auf die Zunge um eine schnippische Erwiderung zu verhindern.
„Ja.“ war alles was sie dazu sagte, auch wenn sie nur knapp dem Drang widerstand eingeschnappt die Arme vor der Brust zu verschränken. Als er sie trotzdem nur wieder schweigend mit Blicken durchbohrte, seufzte sie schicksalsergeben und erinnerte sich daran um wie vieles mächtiger als sie dieser Mann war. Nach einer Weile fügte sie ein genervt klingendes „Ja, Herr.“ hinzu.
„Schon etwas besser. Jedenfalls, ist es vielleicht an der Zeit das ich mich erst einmal vorstelle. Mein Name ist Silberblatt, Großmeister der kirchlichen Streitkräfte und Anführer der Kinder Gaias.“
„Die Kinder Gaias? Was soll das sein?“
„Eine besondere Gruppe aus heiligen Kriegern und Kriegerinnen, die im Dienste der Kirche die Welt von der Saat des Bösen und Dämonischen reinigen. Die Inquisition säubert die Reihen der Kirche von unseren inneren Feinden und Verrätern, die Templer und Soldaten verteidigen unseren Glauben auf den Schlachtfeldern Midgards und wir, agieren aus dem Hintergrund und den Schatten heraus.“ Damit endete sein kleiner Vortrag bereits wieder. Silberblatt erhob sich von seinem Schreibtisch und umrundete ihn langsam, um sich vor ihr aufzubauen. Er deute zu ihrer Überraschung sogar eine kurze Verbeugung an, während er ein freundliches Lächeln aufsetzte, das zum Glück schnell wieder verschwand. Er sah zwar gut aus wenn er lächelte, aber noch immer jagten er und seine Fähigkeiten ihr etwas Angst ein. „Willkommen in unseren Reihen, Aleyandra aus wo auch immer. Wenn deine Ausbildung abgeschlossen ist, wirst du zur Elite Süd-Midgards gehören, zu den besten und eifrigsten Dienern der Kirche.“
„T-tatsächlich? Das bezweifle ich irgendwie. Was genau ist denn jetzt der Zweck dieser Kinder Gaias?“ fragte sie verständnislos. Seiner Erklärung hatte sie nur halbherzig gefolgt, das ganze war ihr inzwischen etwas zu viel. Sie sollte eine heilige Kriegerin Gaias werden? Das konnte sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen. Was war mit ihrer Überprüfung am Tor? Die rothaarige Templerin wollte sie hinrichten lassen und sicher nicht in die höchsten Ränge der Kirche aufnehmen!
„Hat Probleme selbst einfachen Erklärungen zu folgen, Denken fällt ihr offensichtlich sehr schwer, begrenzte Auffassungsgabe“ murmelte Silberblatt und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Nachdem er sich gesetzt hatte, begann er irgendetwas auf ein Blatt Papier zu kritzeln und führte sein kleines Selbstgespräch fort. „und sie stellt häufig dämliche Fragen. Geschätzte Überlebensdauer falls sie sofort ihren ersten Auftrag erfüllen müsste...ein paar Stunden, mit sehr viel Glück und dem Segen Gaias.“
„W-was?“ brach es aus der verwirrten Aleyandra hervor, die gleichzeitig spürte wie Zorn in ihr aufstieg. Er konnte doch nicht einfach so über sie reden, während sie daneben stand und alles hörte! Für einen Moment war sie versucht nach ihren Pistolen zu greifen und zu vergessen wie überlegen der junge Mann ihr war. Vielleicht gelang es ihr ja ihn irgendwie zu überraschen? Nein er verfügt sicher über eine Art magischen Schutz, schoss es ihr zum Glück noch rechtzeitig durch den Kopf und sie ließ seine Bemerkungen vorerst auf sich beruhen.
„Oh, nichts, ignoriere das am besten einfach. Ich habe mir nur ein paar Notizen gemacht.“ er legte die Feder zur Seite und fing wieder an sie anzustarren. „Um deine Frage zu beantworten: Es wird deine Aufgabe sein Gefahren für die Kirche aufzuspüren und aufzuschalten. Habe ich es diesmal einfach genug ausgedrückt?“
„Was für Gefahren? Ich dachte die Templer...“
„Die Templer kümmern sich um unsere offensichtlichen Feinde und den Schutz der heiligen Grenzen von Süd Midgard. Es wird deine Aufgabe sein Ziele auszuschalten die eher sind wie, nunja, eher wie du um ehrlich zu sein. Gefallene Botschafter Gaias, Rebellen, politische Feinde der Kirche, aber vor allem, operieren wir außerhalb von Süd Midgard. Der Kirchenstaat ist umgeben von feindlichen Nationen und Völkern, die nichts lieber sehen würden als die brennenden Ruinen von Navea und wir sind dazu da die politischen Geschicke dieser Länder zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Wenn nötig auch mit einem Dolch zur richtigen Zeit, an der richtigen Stelle. Aber es wird später noch genug Zeit sein um dich in deine neuen Aufgaben einzuweisen, immer ein Schritt nach dem anderen.“
„Verstehe. Also wollt ihr eine Meuchelmörderin aus mir machen.“ Aleyandra klang alles andere als begeistert, es war ihrer Meinung nach sogar die dümmste Idee aller Zeiten. Das würde ihr sicher nicht dabei helfen im Notfall ihre Verwandlung in einen Dämon zu verhindern, eher im Gegenteil. Aber Silberblatt hatte ihr versprochen, dass er ihr beibringen konnte die Kräfte eines Auserwählten zu kontrollieren und einzudämmen. Wenn es ihm gelang, dass sie bei der nächsten Überprüfung ihres Geistes eine reine und gefestigte Seele vorweisen konnte, würde das Naruz vielleicht sogar beeindrucken. Wenn diese Kinder Gaias die absolute Elite der Kirche darstellten, dann würde Naruz sicher auch bald zu ihrer Einheit gehören und mit ihm zusammen würde sie jeden Auftrag mit spielender Leichtigkeit meistern. „Und wie hoch ist meine Bezahlung?“
„Bezahlung?“ Silberblatt bedachte sie mit einem spöttischen Blick, der sie nur noch mehr verärgerte. Sie meinte das vollkommen ernst. Wenn sie schon ihr Leben für die Kirche riskieren sollte, dann wollte sie wenigstens auch gut genug bezahlt werden, um sich auf den Marktplätzen von Navea einmal so richtig auszutoben. Sie könnte Naruz sogar ein paar neue Schwerter kaufen. Die Elite wurde sicher auch hervorragend bezahlt, immerhin bildeten sie angeblich die vorderste Frontlinie in der Verteidigung des Kirchenstaates. Hohes Risiko, hohe Entlohnung, ein teures Gasthaus, Naruz in edlen Kleidern, sie in einem eleganten Kleid das die rothaarige Templerin neben ihr verblassen ließ. Das alles war das mindeste für die Risiken und Gefahren in die sich stürzen sollte. Aber ihr kleiner Traum vom großen Geld sollte nicht lange anhalten als er weiter redete. „Vorerst wird dir eine Unterkunft hier in den Kasernen der Templer zur Verfügung gestellt. Sobald deine Ausbildung vorbei ist, wirst du in einem der Gasthäuser Navea´s untergebracht und die Kirche übernimmt deine Unterhaltskosten. Wenn du einen Auftrag zu erfüllen hast, wird man dir genug Gold mitgeben, um deine anfallenden Ausgaben zu decken. Reisekosten, Bestechungsgelder, Vorräte und so weiter, halt alles was nötig ist um deine Ziele zu erreichen. Ansonsten wirst du leider kein einziges Kupferstück zu Gesicht bekommen.“
„Aber ich dachte die Kinder Gaias sind die wichtigste und beste Einheit der Kirche. Selbst die einfachen Soldaten werden bezahlt, also warum nicht wir?“ und mit ´wir` meinte sie vor allem sich selbst.
„Die Männer und Frauen meiner Einheit sind die eifrigsten Diener der Kirche. Der Dank und das Wohlwollen Gaias sollte ihnen Lohn genug sein. Sie sind Leuchtfeuer des Glaubens an die Herrlichkeit und Macht der einzig wahren Göttin. Es wird erwartet, dass jeder von ihnen sich mit Leib und Seele der Kirche verschreibt und nichts anderes neben seinen Pflichten duldet das ihn von seiner Bestimmung ablenken könnte. Wenn du Reichtümer anhäufen willst bist du hier leider falsch. Man wird dir aber alles bezahlen, was du benötigst, um deine Aufgaben angemessen zu erfüllen. Waffen, Rüstungen, Kleidung, sonstige Ausrüstung, alles was du brauchst, aber für Luxus wird dir sowieso keine Zeit bleiben. Gibt es damit ein Problem?“
„Nein, natürlich nicht, Herr.“ zischte Aleyandra und ballte kurz die Hände zu Fäusten. Damit war sie also noch immer arm. Ob Silberblatt ein Problem damit hätte wenn sie sich etwas Geld stahl? Vielleicht könnte sie ihm das sogar als Training verkaufen. Als Dieb musste man immerhin genauso unauffällig sein wie als Meuchelmörder.
„Habe ich auch nicht erwartet. Also dann, je eher wir mit deiner Ausbildung beginnen, desto besser für uns alle. Es wird immer mehr als genug Dinge geben die du noch lernen musst, aber bevor man dich auf deinen ersten Auftrag schickt, kann ich dir wenigstens einige grundlegende Dinge noch beibringen und hoffen das man dich nicht tötet.“ Silberblatt runzelte die Stirn und sah sie zweifelnd an, er wusste gar nicht wo genau er anfangen sollte bei ihrer Ausbildung. Es so viele Ansatzpunkte und noch eine Menge Raum für Verbesserungen. „Kannst du eigentlich lesen?“
„Ja, natürlich. Ich bin schließlich kein hinterwäldlerischer Idiot.“ entgegnete Aleyandra zerknirscht. Für wie dumm hielt er sie denn? In Helonia hatte sie zwar nicht oft Gelegenheit dazu erhalten sich mit Büchern zu beschäftigen, aber sie wusste, dass sie es konnte. Man musste es ihr vor ihrer Zeit in Helonia beigebracht haben. Das Alphabet und ihren eigenen Namen, viel mehr wusste sie nicht aus ihrem früheren Leben. Hoffentlich blieb ihr während der Ausbildung wenigstens etwas Zeit um Nachforschungen über ihre Pistolen anzustellen.
„Und wie wird mein Training aussehen? Was darf ich machen, während Ihr meiner Herrin beibringt eine heilige Kämpferin zu sein? Oh, ich weiß! Ich könnte mächtige Magie erlernen, oder euren verweichlichten Templern einmal zeigen wie man richtig kämpft! Die Rothaarige unten am Tor hätte ich locker erledigt. Ich hätte sie mit meinen eigenen Hufen auseinandergenommen, jawohl!“ freute sich Alessa und schwebte aufgeregt dem mürrisch dreinblickenden Silberblatt entgegen, der bei ihrem Anblick dieselbe Miene aufsetzte wie Aleyandra, als sie das Einhorn zum ersten Mal gesehen hatte. Ihr Eidolon wirkte ihrer Meinung nach einfach nicht besonders angsteinflößend oder nützlich und Silberblatt schien ziemlich schnell zu dem selben Ergebnis zu kommen.
„Ach ja, richtig. Dich hätte ich fast vergessen. Was genau kannst du eigentlich? Was für nützliche Fähigkeiten wirst du im Kampf und während der Aufträge beisteuern, um deine Herrin zu unterstützen?“
„Ich kann Energiestrahlen aus purem Licht auf die Feinde abfeuern und sie zu einem Häufchen Asche verbrennen.“ behauptete Alessa großspurig. Anscheinend hatte sie heute mal wieder viel zu gute Laune, was bei Silberblatt nicht unbedingt gut ankam.
„Wirklich? Warum hast du das noch nie eingesetzt um mir zu helfen? Ich wusste bis eben nicht einmal dass du so etwas kannst!“ fuhr sie Aleyandra von der Seite aus aufgebracht an. Die ganze Zeit musste sie alleine kämpfen und dann so etwas?
„Ähm, naja um ehrlich zu sein, weiß ich selber noch nicht so genau ob es mir gelingen wird, aber rein theoretisch müsste ich dazu in der Lage sein...ich weiß nur nicht mehr wie.“ gestand Alessa stammelnd ein. Aleyandras Frage hatte sie etwas aus dem Konzept gebracht und verhindert, dass sie sich noch mehr um Kopf und Kragen redete mit ihrer Prahlerei. Dementsprechend etwas kleinlauter fuhr das Einhorn fort. „Es wird mir schon irgendwann wieder einfallen sobald wir mal in Gefahr geraten.“
„Mhm, ist die Rüstung eigentlich aus Gold?“ warf Silberblatt ein, ohne sich um das kleine Geplänkel zwischen Eidolon und Auserwählter zu kümmern. Er hatte in der Zwischenzeit das Einhorn genau unter die Lupe genommen und war nicht besonders beeindruckt von dem Anblick der sich ihm bot.
„Ja, aus purem Gold sogar. Hübsch oder? Ich poliere es regelmäßig mithilfe von Magie und achte darauf das kein einziger Kratzer ins Metall kommen. Die Edelsteine funkeln auch wundervoll und ich finde es verleiht mir einen tollen mystischen Glanz.“ plapperte Alessa stolz drauf los.
„Gold...zu weich, zu schwer, zu nutzlos.“ murmelte Silberblatt vor sich hin und ließ den Blick weiter über das kleine Eidolon wandern. „Dein Fell glänzt ziemlich auffällig. Diese Mischung aus poliertem Gold und strahlendem Weiß ist sowieso nicht wirklich hilfreich. Es ist lebenswichtig für euch beide, dass ihr in der Lage seid euch unbemerkt zu bewegen. Ihr müsst unsichtbar werden und mit eurer Umgebung eins werden. Das ganze Strahlen und Glänzen ist dabei eher hinderlich und könnte euch eines Tages umbringen, oder euren Auftrag gefährden.“
„Aber dafür sieht es großartig aus, oder? Ich meine, seht mich an? Ich bin das niedlichste unter allen Eidolons und das flauschigste, außerdem...“
„Vielleicht könnte man das Fell färben und die Rüstung irgendwie abnehmen, ich hoffe sie ist nicht mit deinem Fleisch verwachsen.“ unterbrach sie Silberblatt gelangweilt und seine Idee brachte Aleyandra ungewollt zum Lächeln. Wenn Silberblatt das in die Tat umsetzte, würde Alessa durchdrehen und sicher versuchen den Großmeister aufzuspießen, vielleicht wäre es lustig zuzusehen wie Alessa gegen ihn in einem Sekundenbruchteil verlor. „Es gibt einige Eidolons die Metall in oder an ihren Körpern tragen und meistens ist es nicht ratsam es zu entfernen, aber einen Versuch ist es sicher wert. Ich werde darüber nachdenken und am besten einen Magier zurate ziehen, ob es möglich ist das Fell irgendwie dunkler zu machen, sehr viel dunkler und die rosa Mähne erst recht. Vielleicht sollten wir sie sogar ganz abschneiden.“
„W-w-was?“
„Und ohne das Horn könntest du dann sogar als gewöhnliches schwarzes Pony durchgehen. Es würde helfen, ein unauffälliges Eidolon an seiner Seite zu haben. Vielleicht gelingt es uns das Horn irgendwie abzutrennen oder setzt sie es häufig im Kampf ein?“
„Sie setzt generell recht wenig im Kampf ein. Eigentlich schwebt sie nur am Schlachtfeldrand herum und wartet darauf das es vorbei ist.“ begann Aleyandra, noch immer lächelnd und fand das Gespräch zum ersten Mal unterhaltsam. Alessa sah sie verzweifelt an und mit einem theatralischen Seufzer machte Aleyandra sich daran ihr Eidolon zu retten. Auch wenn das Einhorn nicht viel leistete, es war immerhin da und gab ein tolles Kissen ab. „Aber Alessa unterstützt mich. Sie kann meine Verletzungen heilen und mir ihre Kraft leihen. Vielleicht sieht es so aus, als würde sie immer nur rumstehen und darauf warten das der Kampf endet, aber ohne sie hätte ich nicht einmal gegen diese Templerin gewonnen.“
„Mhm, wir werden sehen. Ich weiß nicht wie man ein Eidolon vernünftig trainieren soll. Meine Erfahrungen mit diesen Kreaturen beschränken sich hauptsächlich darauf sie zu jagen und zu töten. Im Moment befinden sich auch keine erfahrenen Botschafter Gaias in der Stadt-“
„Aber es ist ein Botschafter in der Stadt, der immerhin stark genug wirkt, um mir weiterhelfen zu können. Vielleicht kann man ihn dazu überreden sich etwas Zeit für mich zu nehmen? Immerhin sind wir alle Auserwählte der Göttin. Er befindet sich im Moment auch nicht weit weg von uns.“
„W-woher weißt du das?“ zum ersten Mal seit seinem Auftritt wirkte Silberblatt überrascht und sah sie aus großen Augen ungläubig an. Sie konnte nichts von der Botschafterin wissen, das war unmöglich.
„Was? Oh, ach so. Ich kann den anderen Auserwählen spüren und weiß, dass er ganz in der Nähe sein muss. Irgendwo hier bei den Unterkünften. Genau könnte ich es erst sagen wenn ich ihn aufsuchen würde, aber immerhin weiß ich die ungefähre Richtung.“
„Du...du kannst sie spüren?“
„Es ist also eine Sie?“ setzte sie neugierig nach. Sie verstand sein beinahe schockiertes Verhalten nicht ganz, aber sie konnte genau spüren das sie sich jemand wie sie in der Nähe befand. Die Ausstrahlung dieser Person war allerdings mächtiger als die von Naruz, viel mächtiger.
„Ja, und sie wohnt derzeit wirklich in einem Haus nahe der Kasernen, also nicht weit von uns entfernt.“ antwortete er langsam und strich sich nervös eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Er hatte eigentlich ein Treffen zwischen den beiden Auserwählten vermeiden wollen, aber so ließ es sich kaum verhindern. Sorgen bereitete ihm dabei nicht einmal Aleyandra, sondern Sie. Immerhin war sie keine Dienerin der Kirche und man wusste nie genau was sie gerade dachte oder plante, auch wenn sie meistens wie ein freundliches, etwas tollpatschiges Mädchen wirkte. „Allerdings wird sie keine Zeit für dich und deine Ausbildung haben. Ihre anderen Verpflichtungen sind zu wichtig und ich bezweifle, dass sie sich überhaupt für dich interessieren würde. Sie ist eine der mächtigsten Hexen unserer Zeit und ja, du hast richtig gehört, sie ist wirklich eine Hexe. Ein Grund mehr, warum sie sicher nicht bei der Ausbildung einer heiligen Kriegerin helfen wird.“
„Eine Hexe so nahe am Zentrum der kirchlichen Macht? Ich dachte man würde hier in Navea schon seit Jahren keine Hexer und Hexen mehr antreffen und sie sind auch nicht gerne gesehen in diesem Teil Midgards.“
„Das ist richtig, aber manchmal gibt es Ausnahmen, immerhin ist sie eine wahre Auserwählte Gaias und steht alleine deswegen schon über den meisten gewöhnlichen Menschen. Gaia verlieh ihr eine reine Seele und es ist nicht ihre Schuld, dass sie leider in Vo Astur, der Stadt der Hexer, geboren wurde. Eigentlich bedauerlich, innerhalb der Kirche hätte sie es sehr weit bringen können. Du solltest sie im Laufe deiner Ausbildung vielleicht doch einmal kennenlernen, sie ist nämlich wirklich unglaublich und...“ und irgendwie niedlich, wollte er eigentlich als nächstes sagen, aber bekam sich schnell genug wieder unter Kontrolle. Das letzte was er wollte, war sich vor seiner neuen Schülerin zu blamieren. Silberblatt räusperte sich kurz und schien für einen Moment fast schon verlegen zu sein, weil er eine Hexe in so hohen Tönen lobte. Nach einer Weile fing er sich und setzte wieder seine ausdruckslose Miene auf. „Wie auch immer. Du bist wirklich in der Lage andere Botschafter aufzuspüren? Und das so einfach?“
„Ja, klar. Wieso auch nicht? Es ist sicher nur natürlich, dass die Auserwählten Gaias sich untereinander spüren können. Immerhin sind wir alle mit der Göttin und einem Eidolon verbunden. Wir stechen aus der Menge hervor, also sollte es auch Möglichkeiten geben wie wir uns untereinander erkennen. Ich habe angenommen das ist völlig normal.“ Naruz hatte ihre Anwesenheit zwar nie gespürt, aber er war auch ein hoffnungsloser Fall wenn es um den Umgang mit Magie ging. Er hatte einfach keinerlei Gespür für den Fluss der Magie und die Kräfte Gaias.
„Nein, das ist es nicht.“ sagte er eher zu sich selbst als zu Aleyandra. „Ich werde einige Nachforschungen anstellen müssen und nach vergleichbaren Fällen suchen, aber woran auch immer es liegt ist eigentlich nicht weiter wichtig. Wir werden es aber bei der Zuteilung deiner Aufträge berücksichtigen. Es ist immer gut jemanden zu haben, der ein Experte darin ist abtrünnige Botschafter Gaias aufzuspüren und auszuschalten. Wie lange es genau dauern wird bis du deinen ersten Auftrag erhältst, kann ich noch nicht sagen. Es kommt darauf an wann ein entsprechend leichter Auftrag eintrifft, mit dem du beginnen kannst, aber es wird eine Weile dauern, bevor du Navea das nächste mal verlassen kannst. Die kommenden Monate werden jedenfalls nicht leicht. Außer um zu Schlafen wird man dir keine einzige Minute Ruhe gönnen. Ich bin sicher du freust dich schon auf den Beginn deiner Ausbildung.“
„Ja...toll.“
„Wahnsinn, diese unbändige Begeisterung.“ meinte Silberblatt lächelnd, immerhin fand er ihren Unwillen bisher noch eher lustig als ein wirkliches Problem. „Verstehst du nicht was für eine einmalige Gelegenheit sich dir hier bietet? Noch vor einer halben Stunde, warst du nichts weiter als Freiwild und eine potentielle Gefahr in den Augen der Kirche und jetzt wird dir eine der größten Ehren zuteil die Gaia ihren Geschöpfen zu bieten hat.“
„Oh doch, ich bin begeistert. Muss ich ja auch sein, ansonsten macht man mich sofort einen Kopf kürzer und verbrennt den Rest.“ murmelte Aleyandra unbeeindruckt und zuckte kurz zusammen, als sie merkte, dass sie es nicht gedacht sondern laut ausgesprochen hatte. Mit einem zaghaften Lächeln sah sie zu Silberblatt, dessen gute Laune einer versteinerten Miene gewichen war, während er sie nachdenklich betrachtete.
„Womit du endlich unser dringendstes Problem ansprichst. Du bist nur hier, weil die Templer dich jagen und auslöschen würden, falls du dich weigerst mit uns zusammenzuarbeiten und du weißt, dass du keine Chance gegen uns hast. Du schließt dich uns an, weil du Angst hast und nicht weil du wirklich von der Herrlichkeit der Kirche und Gaias überzeugt bist. Und genau das, müssen wir so schnell wie möglich ändern.“



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Fünf Tage später, befand sie sich gemeinsam mit Silberblatt auf dem Übungsgelände der Templer im Nordteil der Stadt und ließ sich von ihm eine Tracht Prügel erteilen, mal wieder. Auf Tischen am Rand des Platzes lagen unterschiedliche Waffen ausgebreitet, mit denen Aleyandra noch üben und die sie noch meistern musste. Keine davon gefiel ihr besonders. Sie wollte lieber ihre Pistolen haben und ihren Gegner über den Haufen schießen, aber stattdessen musste sie sich mit einem gewöhnlichen Schwert irgendwie gegen die Angriffe Silberblatts verteidigen. Sie trug genau wie er bei ihrem ersten Treffen eine leichtere Version der Templerrüstungen, allerdings in Schwarz, anstatt in Weiß gehalten. Aleyandra fühlte sich unbehaglich in dem schwarzen Stahl. Sie war es nicht gewohnt ständig eine Rüstung zu tragen und langsam wusste sie auch warum. Es war furchtbar unbequem. Außerdem fiel sie unter den in Weiß oder Gold gekleideten Templern zu sehr auf. Silberblatt trug eine gewöhnliche Rüstung und musste nicht die neugierigen Blicke der anderen Soldaten ertragen. Schon nach wenigen Tagen, wurde das für Aleyandra langsam zu einem richtigen Ärgernis. Die ersten Templer hatten bereits versucht mit ihr ins Gespräch zu kommen und manche waren sogar recht offen was ihre Absichten gegenüber der wunderschönen, weißhaarigen neuen Templerin angingen. Sie versuchte das ganze zu ignorieren und sich nicht weiter um die Annäherungsversuche der Soldaten zu kümmern. Im Moment hatte sie sowieso ganz andere Probleme als die Blicke der anderen Templer. Und ihr größtes Problem, hieß Silberblatt. Der Großmeister holte schon wieder zu einem Schlag aus und fegte ihre Klinge einfach zur Seite. Jeder seiner Schläge fuhr ihr durch Mark und Bein. Noch immer verprügelte er sie regelrecht während ihrer Übungskämpfe. Selber kam sie fast nie dazu in die Offensive überzugehen, sondern ließ sich hilflos von ihm über das Übungsgelände jagen.
Immerhin gelang es Aleyandra inzwischen ihr Schwert nicht mehr andauernd fallen zulassen. Die Waffe war einfach nichts für sie. Am schlimmsten an dem Großmeister aber fand sie diesen elendigen Zeitplan, den Silberblatt ihr aufgehalst hatte und der ihr an jedem einzelnen Tag der Woche und in jeder einzelnen Stunde exakt vorgab, was sie wann zu tun hatte. Beten, Lesen, Sprachen lernen, Kämpfen, Treffen mit Magiern der Kirche um ihre magischen Fähigkeiten zu verbessern und noch vieles mehr. Sie musste sogar Kochen lernen, auch wenn die kirchlichen Rezepte meistens geheime und vor allem giftige Zutaten enthielten, aber sie war überzeugt davon die ganzen Gerichte auch ohne Gift zubereiten zu können, mit etwas Übung. Immerhin eine kleine Überraschung für Naruz, falls sie jemals die Gelegenheit erhielt ihn zu besuchen, oder auch nur herauszufinden wo er sich gerade aufhielt. In den einzigen Stunden die noch nicht verplant waren schlief sie tief und fest wie ein Stein. Ein erschöpfter Stein voller blauer Flecken. Bereits nach dem ersten Tag hatte sie mit dem Gedanken gespielt einfach davonzufliegen, wenn Silberblatt gerade nicht in der Nähe war um auf sie aufzupassen. Ein Gedanke der sich schnell wieder gelegt hatte, nachdem sie mehr über die Verteidigungsanlagen der Stadt erfuhr. Die mächtigsten Magier der Kirche überwachten den Luftraum über der Stadt. Sollte jemand versuchen über die Mauern zu fliegen oder sich über den Dächern der Stadt herumtreiben, bombardierten sie ihn ohne zu zögern mit tödlichen Zaubern.
„Nenne mir sämtliche Völker Midgards.“ unterbrach ihr neuer Lehrmeister plötzlich ihre Gedankengänge und sorgte damit dafür, dass ihr bisschen Konzentration endgültig zerbrach.
„W-was?“ Verwirrt ließ Aleyandra ihr zur Abwehr erhobenes Schwert sinken, um ihm zu antworten. Bevor sie allerdings ein Wort sagen konnte krachte die flache Seite des Schwertes gegen ihre Schläfe und sie taumelte zur Seite. Als es ihr gelang sich nach einer Weile wieder von dem Schock des plötzlichen Angriffs zu erholen, vergaß sie seinen Rang und fauchte Silberblatt wütend an. „Was sollte das!? Wieso fangt Ihr mitten im Kampf an mich mit Fragen abzulenken!? Es ist schon schwer genug mich mit diesem nutzlosen Stück Metall zu verteidigen! Können wir das nicht später noch durchgehen? Vielleicht wenn mir nicht gerade jeder Knochen im Körper wehtut und mein Kopf dabei ist zu zerspringen?“
„Natürlich können wir das.“ entgegnete Silberblatt mit gespieltem Großmut, während er ihre Gereiztheit überspielte. Er war nicht hier um es ihr leicht zu machen, auch wenn es ihm nicht gefiel wie unbegabt sie im Kampf mit den meisten Waffen war. Er würde ewig brauchen um eine halbwegs passable Kämpferin aus ihr zu machen. „Darf ich dir auch noch eine schöne Tasse Tee und etwas Kuchen reichen, während du es dir gemütlich machst?“
„Das wäre nett.“ antwortete Aleyandra zaghaft. Etwas Ruhe könnte sie jetzt gut gebrauchen, vor allem nachdem er sie schon den ganzen Vormittag über das Gelände hetzte. Aber bevor sie sich noch weiter mit dem Gedanken an eine gemütliche Politikstunde weit weg von diesem Übungsplatz anfreunden konnte, raste Silberblatts Arm nach vorne. Der Schwertknauf traf sie an der Brust und raubte ihr den Atem, während sie einige Schritte zurück stolperte. Zum Glück legte er nur einen Teil seiner Kraft in die Angriffe und brach ihr nicht sämtliche Knochen.
„Uns bleibt nicht viel Zeit für deine Ausbildung. Wenn du deinen ersten Auftrag überleben willst, muss ich dir immer mehrere Dinge gleichzeitig beibringen. Außerdem, kann es nicht schaden deinen hübschen, leeren Kopf endlich einmal mit etwas sinnvollem zu füllen. Aber gut, wenn du nicht gleichzeitig zuhören und kämpfen kannst, legen wir halt eine kleine Pause ein, aber das wird dir von deiner Freizeit abgezogen.“
„Ich habe Freizeit? Davon stand auf dem Plan gar nichts.“
„Doch natürlich. Zwischen deinem Abendgebet und dem Morgengebet hast du um die sechs Stunden frei, jetzt vielleicht etwas weniger, je nachdem wie lange diese Unterhaltung noch dauert.“
„Aber da schlafe ich! Das ist nicht...!“
„Was du mit deiner freien Zeit anfängst geht mich nichts an und jetzt hör auf abzulenken.“ fiel Silberblatt ihr genervt ins Wort. Sie begann seine Geduld auf eine harte Probe zu stellen. „Also, beginnen wir mit einer einfachen Frage. Welche zwei großen Staaten leiten derzeit die Geschicke Midgards und teilen die ganze bekannte Welt untereinander auf?“
„Ähm, Süd- und Nord Midgard?“
„Kommt drauf an, in welchem Jahrhundert glaubst du leben wir gerade? Wenn wir nämlich ein halbes Jahrtausend zurückgehen, hast du sogar recht.“
„Gut, dann können wir uns immerhin die Geschichtsstunde morgen sparen.“ murmelte Aleyandra genervt.
„Die Welt ist unterteilt in den Kirchenstaat von Süd-Midgard und die Yggdrasil Republik der Alfar im Norden. Einst war es wirklich das Königreich Nord-Midgard, aber vor etwa 500 Jahren brach das nördliche Königreich in sich zusammen. Das Königshaus verging und der Adel riss das Land in dutzende verfeindete Fürstentümer, die sich untereinander um den verwaisten Thron stritten. Nach einem halben Jahrhundert Bruderkrieg reichte es den Alfar in einigen Gegenden des zerstörten Landes und sie ermordeten ihre Fürsten. Danach führten sie eine Revolte gegen den Adel an und überrollten nach und nach ganz Nord-Midgard.“
„Wie sehen sie eigentlich aus?“ hakte sie wissbegierig nach. Zum ersten mal seit Beginn des Gesprächs wirkte sie aufmerksam und interessiert. Irgendwo tief in ihrem Innersten, verbarg sich ein Bild, dass sie einfach nicht zu fassen bekam. Sie hatte das Gefühl schon einmal einem Alfar begegnet zu sein, oder sogar mehreren.
„Bleiche Haut, schwarze Haare und ihre Augen funkeln wie geschliffene Edelsteine. Sie sind ein Volk aus Magiern und Dämonenbeschwörern, alles in allem ein seltsamer Haufen. Jedenfalls unterwarf diese neue Macht im Norden nach und nach die anderen zersplitterten und über den ganzen Kontinent verstreuten Reichen ihres Volkes. Heute ist fast ganz Nord Midgard erneut zu einem Staat vereint. Inzwischen sind die Alfar wieder genauso mächtig wie vor dem Zusammenbruch ihres Reichs, von den guten Beziehungen zwischen Süden und Norden ist dagegen nicht mehr viel übrig geblieben. Die Alfar werden von dem Wunsch getrieben die ´Werte` und Ansichten ihrer Republik auch in den Süden zu tragen und die Menschen aus der angeblichen Sklaverei der Kirche zu befreien, um sie in die Knechtschaft zu zwingen. Es kam bereits zu einigen kleineren Scharmützeln auf See. Was den Kampf auf dem Wasser angeht, sind wir den Alfar nicht gewachsen und sie gewinnen nach und nach die Kontrolle über die Handelswege und vor allem über unsere Versorgungsrouten, dadurch sind wir gezwungen Vorräte über den langsamen Landweg bis nach Norden in unsere Grenzfestungen zu schicken. Außerdem könnten sie mit ihrer überlegenen Flotte jederzeit diese Befestigungen umgehen. Sie rüsten für den Krieg gegen Süd Midgard und bisher hält sie nur ihre geringe Anzahl davon ab bei uns einzufallen. Alles in allem keine Situation die die Kirche noch lange dulden kann.“
„Dann wird es Krieg zwischen Norden und Süden geben?“ davon hatte sie noch nie etwas gehört. Zumindest nicht in Helonia, aber ein verschlafenes Küstenstädtchen bekam so etwas sicher erst mit wenn der Krieg bereits ausbrach. Ob das der Krieg war vor dem das Eidolon namens Aelius sie warnen wollte? Wenn ja, dann war sie bei Silberblatts Einheit vielleicht doch richtig, immerhin war es ihre Aufgabe solche Kriege bereits im Keim zu ersticken und zu verhindern, indem sie zum Beispiel die Kriegstreiber unter den Alfar unbemerkt ausschalteten.
„Vielleicht, aber wenn, dann sind wir nicht das erste Ziel der Alfar. Ein Teil des nördlichen Kontinents befindet sich in den Händen der sogenannten Sanknie Allianz. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus allen Rassen und Völkern Midgards, die sich ein Stück der östlichen Küste von Nord Midgard sichern konnten und sich dort seit dem Ende des nördlichen Königreichs gegen die Angriffe der Alfar behaupten. Sie gingen aus dem Chaos des zerfallenden Alfarreiches hervor und zeigen kein Interesse daran sich der neuen Republik anzuschließen. Wenn die Alfar ihr Land von der Allianz zurück wollen, werden sie dafür kämpfen müssen und es ist nicht sicher ob dieser Kampf zu ihren Gunsten ausgehen würde. Die Sanknie Allianz verfügt über unermesslichen Reichtum und gut ausgebildete Söldnerheere.“
„Sind wir jetzt endlich fertig mit dem ganzen sinnlosen Gerede? Das ist ja alles ganz interessant und so weiter, aber ich glaube nicht, dass ich dieses Wissen wirklich dringend brauche.“
„Nein, wir fangen gerade erst an. Eines Tages werden dich deine Pflichten gegenüber der Kirche vielleicht bis in diese Länder führen und dann musst du in der Lage sein dich dort unbemerkt unter den Bewohnern zu bewegen. Hoffen wir, dass dein erster Auftrag dich nicht allzu weit weg führt, denn du wirst vermutlich Jahre brauchen um die Sprachen und Bräuche unserer Nachbarn zu meistern, falls du überhaupt so lange überlebst. Aber wenn es erst einmal so weit ist und du gezwungen sein wirst dich unbemerkt unter Alfar oder den Mitgliedern der Allianz zu bewegen, wirst du mir dankbar sein, spätestens wenn dieses Wissen dein Leben und ganz Süd-Midgard rettet.“ zum Glück bemerkte er nicht wie Aleyandra genervt die Augen verdrehte. Sie befand sich in einer Stadt mit Naruz, aber anstatt zu ihm zu gehen, musste sie sich Silberblatts langatmige Vorträge anhören. „Kommen wir also als nächstes zu Süd Midgard, denn so geeint und frei von Problemen wie die Kirche es gerne behauptet, ist unsere Heimat noch lange nicht. Es existieren viele Gruppierungen und Völker innerhalb des Kirchenstaates die weder mit der Führung der Kirche, noch mit der Führung der Menschheit an sich einverstanden sind. Aber wirklich mächtig und bedeutend ist unter ihnen nur das Reich der Makar. Die Löwenmenschen kontrollieren die Savanne im nördlichen Teil des Landes, bis hin zu den Wäldern Nord-Midgards, an deren Rand unsere letzten Außenposten und Festungen stehen. Deswegen ist die Hilfe der Makar auch so wichtig für die Kirche. Wenn sie sich jemals von uns lossagen, ist ein großer Teil unseres Heeres abgeschnitten und könnte nur noch über den Seeweg versorgt werden. Ein Bündnis zwischen Alfar und Makar wäre vermutlich unser Tod, aber zum Glück können die Nordlinge und Löwenmenschen nicht viel miteinander anfangen. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass man dich jemals in ihr Königreich schickt.“
„Warum? Ich denke nicht, dass ich vor ihnen Angst haben müsste. Letztendlich sind selbst sie einem Botschafter Gaias an Stärke und Schnelligkeit unterlegen.“ erwiderte Aleyandra selbstsicher. Gut, ihre ständigen Niederlagen gegen Silberblatt versetzten ihrem Selbstvertrauen als Auserwählte Gaias einen schmerzhaften Stich, aber der Großmeister konnte sicher kein normaler Mensch sein.
„Das ist richtig, und unter ihnen finden sich auch kaum begabte Magier, aber trotzdem solltest du dich von ihnen fernhalten. Die Makar verfügen über eine Art siebten Sinn, der sie empfindsamer gegenüber der Macht und Ausstrahlung Gaias werden lässt. Auf kurze Entfernung, werden sie einen Botschafter Gaias spüren. Stell es dir vor wie deine eigene Fähigkeit, nur um ein vielfaches schwächer.“
„Gut, ich werde es mir merken, falls ich jemals einem Löwenmenschen über den Weg laufe. Reicht das jetzt endlich?“
„Vorerst.“ murmelte Silberblatt und fragte sich, ob es ihm jemals gelingen würde sie dazu zu bringen ihm länger als fünf Minuten zuzuhören. Er fürchtete sich schon vor ihrem ersten Auftrag. Ihre Arbeit konnte leicht mehr Schaden als Nutzen anrichten. Anstatt einen Krieg zu verhindern, konnte ein Fehlschlag genauso leicht einen Krieg erst provozieren. Allerdings würden ihre ersten Aufträge zum Glück sowieso nur im Inland stattfinden, da konnte sie kaum Schaden anrichten und vielleicht überraschte Aleyandra ihn ja noch. Bisher bildete er sie noch keine Woche aus und vor ihnen lagen noch immer viele, viele Monate.
„Gut, dann können wir uns ja wieder dem mindestens genauso aufregenden Training widmen.“ murmelte Aleyandra genervt und stapfte zu einem der Tische voller Waffen, die man extra für sie aufgestellt hatte. Darauf lagen Beile, Dolche, Langschwerter, Kurzschwerter und schwerere Waffen, die sie gar nicht erst beachtete. Es war sicher nicht hilfreich, wenn sie sich eine Waffe aussuchte die fast größer war als sie selbst. So etwas verhältnismäßig kleines wie ein Schwert war ja schon zu viel für sie. „Ich komme mit dem Schwert einfach nicht zurecht. Warum darf ich nicht mit meinem Pistolen trainieren? Man kann sie auch im Nahkampf einsetzen. Ich denke selbst Ihr würdet keinen einzigen Kratzer auf ihnen hinterlassen.“
„Ich weiß, dass du mit den Pistolen umgehen kannst.“ erwiderte Silberblatt etwas gelangweilt und nickte in Richtung ihrer beiden Waffen, die auch auf einem der Tische lagen. Dieses Gespräch führten sie jeden Tag aus Neue und jedesmal versuchte Aleyandra ihn so lange zu nerven bis er ihr endlich erlaubte die Pistolen zu benutzen. „Immerhin ist es dir damit gelungen Anya zu besiegen, also kannst du bereits mit ihnen umgehen. Hier geht es darum dich auch noch im Umgang mit anderen Waffen zu schulen, also hör auf zu quengeln und nimm dir irgendetwas was dir am besten gefällt.“
Das ließ sich Aleyandra nicht zwei mal sagen. Sofort warf sie das Schwert achtlos auf den Tisch und schwor sich diese verfluchte Waffe nie wieder zu berühren. Ihre Augen wanderten jetzt wieder etwas interessierter umher, bis sie etwas fand, was wenigstens toll aussah, auch wenn sie am Nutzen der Waffe zweifelte. Es waren zwei Armschienen, an denen jeweils vier lange Klingen befestigt waren. Unter Silberblatts zweifelndem Blick schnallte sie sich ihre neuen Waffen um. Es fühlte sich seltsam an die Krallen zu bewegen. Sie reagierten auf die kleinsten Bewegungen ihrer Finger und eine dünne, magische Schutzschicht bewahrte sie davor ihre Hand und die Finger in Stücke zu schneiden. Sie konnte sich nicht vorstellen damit zu kämpfen. Vorsichtig hob sie ihre Arme mit den Krallen an und begann damit ein paar Probeschläge auszuführen, was Silberblatt gelangweilt beobachtete. Immer schneller sprang sie umher und stach und hackte wild in der Luft herum. Plötzlich stolperte sie und wäre beinahe in ihre eigenen Krallen gestürzt. Doch statt sich selbst aufzuspießen, warf sie sich im letzten Moment zur Seite und es schrammte nur eine der Klingen leicht über ihren Hals. Unsanft landete Aleyandra auf dem Boden und schnallte sofort die Armschienen ab, dann tastete sie an ihrem Hals entlang. Der Schnitt war winzig und konnte kaum als Kratzer bezeichnet werden. Blinzelnd sah sie ihren Lehrmeister vom Boden aus an und ihre Augen füllten sich mit glitzernden Tränen, während sie einen herzzerreißenden Blick aufsetzte.
„I-ich habe mich geschnitten, Meister...“
„Wir haben noch einen sehr sehr langen Weg vor uns...“ seufzte Silberblatt und schüttelte genervt den Kopf.

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Vielleicht sollte er sämtliche Waffen mit scharfen Klingen aus Aleyandras Reichweite entfernen. Mit den Pistolen konnte sie sich immerhin nicht aus Versehen mitten im Kampf selbst die Kehle durchschneiden. Kaum war es Aleyandra gelungen sich von ihrer Nahtoderfahrung zu erholen, als sie unerwarteten Besuch erhielten. Eine rothaarige Templerin in weißer Rüstung hielt schnurstracks auf Silberblatt zu und Aleyandras Laune sank endgültig ins Bodenlose. Erst spießte sie sich beinahe selbst auf und jetzt auch noch das.
„Was führt dich hierher, Anya? Willst du mit uns trainieren? Ich denke Aleyandra würde ganz gerne zur Abwechslung einmal ein Duell gewinnen.“ begrüßte Silberblatt ihren Besuch steif und betrachtete die Templerin mit einem fast schon abfälligen Blick.
„Vielleicht ein anderes mal, Großmeister.“ begann Anya ohne Umschweife und überging das kühle Verhalten Silberblatts, sie war es gewohnt dass er sie verachtete. „Ihr wolltet über die Genesung des Botschafters auf dem Laufenden gehalten werden und es ist ihm heute gelungen wieder aufzustehen. Dank der Heiler und ihrer Magie, ist er wieder auf den Beinen und erholt sich schneller als erwartet. Es kann nicht mehr lange dauern, bis er wieder gesund ist und seinen Dienst antreten kann. Die Audienz mit dem Erzbischof findet noch diese Woche statt. Wenn Naruz sich entscheidet den Reihen der Kirche beizutreten, werde ich ihn umgehend zu Euch bringen.“
„Moment, er war noch immer nicht bei dem Erzbischof?“ fragte Aleyandra verwirrt und verhinderte damit eine Antwort von Silberblatt, der ihr einen tadelnden Blick zuwarf, den sie geflissentlich ignorierte.
„Wir konnten ihn ja kaum halbtot vor Belenus tragen.“
„H-halbtot...Naruz ist verletzt?“ Aleyandra stockte der Atem als sie das hörte. Warum bekam sie eigentlich nie irgendetwas mit? Silberblatt hatte ihr nur gesagt das Naruz sich in Navea aufhielt, mehr nicht.
„Ja, allerdings schon seit einer ganzen Weile.“ antwortete Anya stirnrunzelnd. Sie hatte Naruz vor vier Tagen zurück nach Navea gebracht und sich seitdem um ihn gekümmert.
„Wo wird er behandelt? Ich muss sofort zu ihm und nachsehen ob es ihm gut geht! Und dann...“
„Aleyandra, hör auf die Templerin zu belästigen.“ unterbrach sie Silberblatt ungeduldig „Ich bin mir sicher Lady Bladelli hat wichtigeres zu tun, zum Beispiel eine Kneipenschlägerei zu beenden oder einen Taschendieb zu fangen.“
„Großmeister, ich muss zu Naruz.“ Aleyandra sah ihn flehend an und konnte kaum noch an sich halten. Naruz war verletzt! Sie hatte bereits völlig vergessen das er sich laut Anya schon auf dem Weg der Besserung befand. „Ich werde auch härter an mir arbeiten und mich mehr auf die Ausbildung konzentrieren sobald ich bei ihm war. Aber ich muss sehen wie es ihm geht. Bitte.“
„Meinetwegen.“ gab er seufzend nach, als sie ihn aus großen, roten Augen ansah. Sie würde sich eh nicht konzentrieren können bis sie Naruz gesehen hatte. Er kannte ihre Vorgeschichte, zumindest ein bisschen. Er vermutete das Aleyandra ihm nicht alles über ihre Zeit vor Navea erzählt hatte. Am ersten Tag ihrer Ausbildung hatte er sie ausgefragt, aber wenn es um Naruz ging war sie immer etwas verschlossen. Vielleicht sollte er einen Weg finden Naruz aus Navea zu schaffen, damit er sie nicht mehr von wichtigeren Dingen ablenken konnte. Silberblatt hatte diesen Auserwählten Gaias noch nie getroffen, und er ging ihm schon jetzt auf den Geist. „Aber du bist vor Sonnenuntergang zurück und wenn du dich verspätest wirst du die Nacht in der Kapelle der Kaserne verbringen und dich deinem Gebet widmen, verstanden?“
„Ja, vielen Dank.“



„Willkommen im Anwesen der Familie Bladelli.“ Anya deutete eine leichte Verbeugung an, während sie Aleyandra in die Eingangshalle der Villa führte. Ein teurer, weinroter Teppich bedeckte den Fußboden, und gegenüber der Eingangstür befand sich eine große Treppe, welche sich auf halbem Weg in zwei kleinere spaltete, und in den zweiten Stock der Villa führte. Am Fuße der Treppe standen zwei Büsten, welche die Gesichter von zwei Männern zeigten, die Gesichter konnte man auch auf einigen der Dutzenden Porträts erkennen, welche überall an den Wänden hingen.
„D-dann wohnst du a-a-auch hier in diesem Haus? Z-z-z-z-zusammen mit Naruz? Nur ihr beide? A-a-alleine?“ Aleyandra spürte wie ihre Beine anfingen zu zittern. Naruz lebte in diesem prächtigen Anwesen, zusammen mit der hübschen Templerin? Das musste ein Alptraum sein.
„Nicht ganz, es sind noch ein paar andere Gäste hier untergebracht. Da ich die vielen Zimmer nicht wirklich brauche, habe ich das Haus der Kirche zur Verfügung gestellt um Abgesandte oder hohe Besucher hier einzuquartieren. Immerhin hat die Kirche einst den Bau dieser Villa finanziert und es meinem Großvater sogar erlaubt möglichst nahe bei den Kasernen zu bauen, damit er in der Nähe seiner Männer sein konnte.“
„Dann ist dein Großvater auch in der Armee?“
„Ja, er ist ein Marschall und genießt das Vertrauen des Erzbischofs. Er begann genau wie ich in den untersten Rängen der kirchlichen Streitkräfte und arbeitete sich über die Jahre bis an die Spitze vor. Ihm verdankt unsere Familie ihren Wohlstand und Einfluss innerhalb von Navea.“
„Tolle Geschichte.“ überging sie lustlos die Ausführungen zur Familiengeschichte der Bladelli. Wichtiger war es in diesem Labyrinth Naruz zu finden, was ihr im Moment noch unmöglich erschien. Sie konnte seine Anwesenheit spüren, aber viel half ihr das nicht weiter. „In welchem Zimmer liegt Naruz?“
„Ich bring dich hin. Es ist schwer den Weg jemandem zu beschreiben der noch nie hier war. Es gibt genug Gäste die sich oft hier verlaufen...wie auch immer sie das schaffen.“ eine Weile gingen sie Seite an Seite durch lange, edel ausgeschmückte Gänge, bis sie vor einer Tür stehen blieben. „Wir sind da, aber es kann sein das er gerade schläft. Am besten...“ Aber Aleyandra ließ sie gar nicht erst aussprechen, sondern stieß sofort die Tür auf und stürmte in das Zimmer. Auf einem breiten Bett, lag Naruz und starrte gelangweilt die Decke an. Als er sie in der Tür stehen sah, setzte er sich überrascht auf und starrte sie an.
„Naruz!“ erleichtert lachend stürzte sie sich auf ihn und fiel ihm um den Hals, wobei sie ihn zurück auf das Bett drückte. Es ging ihm also wirklich gut.
„Ah!“ Naruz keuchte kurz schmerzhaft auf, als sie ihr Knie in seine halb verheilten Rippen bohrten und sie ihm mit ihrer überschwänglichen Begrüßung die Luft abschnürte. „Ich bin auch froh dich zu sehen Aleyandra, aber bitte lass mich am Leben!“
„Tut mir leid. Ich...ich freue mich nur so, dass es dir gut geht.“
„Oh ja, mir geht es fantastisch. Ich spüre es kaum noch, dass man mir fast alle Knochen gebrochen hat.“ meinte Naruz leichthin, was ihm einen ängstlichen Blick von Aleyandra einbrachte, die ihn sofort genauer ansah, um nachzusehen ob er nicht doch noch verletzt war. „Es ist alles in Ordnung. Die Heilmagie der Kirche hat wahre Wunder bewirkt.“
„Ich wäre schon früher gekommen, aber ich wusste nichts von deinem Kampf und den Verletzungen. Anya hat mir erst auf dem Weg hierher alles erzählt. Du hast wirklich ganz alleine einen so mächtigen Dämon ausgelöscht? Das ist unglaublich!“
„Naja, alleine ist etwas übertrieben. Meine Eidolons haben mir dabei geholfen, ohne sie wäre ich in den Ruinen gestorben. Ohne sie und ohne...“ Naruz brach ab. Er wollte jetzt nicht über seine seltsame Erfahrung während des Kampfes reden und auch nicht über sein Gespräch mit diesem Unbekannten, der ihn gerettet hatte. „Aleyandra, es tut mir leid, aber ich war nicht in der Lage einen Weg zu finden, um die Verbindung zwischen unseren Eidolons zu trennen. In der Truhe war nichts weiter drin als Schrott. Außerdem habe ich noch einige andere Eidolons getroffen uns es sieht so aus als gäbe es keinen Weg um..“
„Schon in Ordnung, das ist nicht weiter wichtig. Ehrlich gesagt gewöhne ich mich langsam daran eine Botschafterin Gaias zu sein und selbst Alessa nervt nicht mehr ganz so sehr wie vorher. Ich bin jetzt ein Teil der kirchlichen Armee, genau wie Anya und genau wie du es hoffentlich bald sein wirst.“
„Tatsächlich? Du hast dich den Templern angeschlossen? Aber ich dachte du wolltest nach deinen Eltern suchen und herausfinden wie du nach Helonia gelangt bist.“
„Damit hatte ich nicht besonders viel Erfolg.“ log Aleyandra beiläufig, sie hatte bisher ehrlich gesagt nicht einmal versucht Nachforschungen anzustellen. Vielleicht wenn sie über etwas mehr Zeit verfügte um sich damit zu beschäftigen, aber im Moment war nur eins wichtig, Naruz. Nur für ihn würde sie ihre Ausbildung gelegentlich unterbrechen und etwas vernachlässigen. Ansonsten gab es nichts was es ihr wert war den Ärger von Silberblatt auf sich zu ziehen. Hoffentlich ließ er sich dazu überreden ihr etwas mehr Freizeit zu geben, damit sie Naruz noch oft besuchen konnte. Mit ihm ließ sich ihr nervtötender neuer Alltag sicherlich leichter ertragen. „Und es sind auch nicht direkt die Templer, sondern eine Art Spezialeinheit.“
„Und was genau ist die Aufgabe dieser Einheit?“
„Das ist geheim, aber es ist die Elite von Süd Midgard, die Kinder Gaias.“
„Also genau der richtige Platz für dich.“
„Tut mir leid, ich rede die ganze Zeit über mich. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen? Wie konnte der Dämon dich überhaupt so zurichten? Ich weiß wie schnell du sein kannst und mir fällt niemand ein der es mit dir und Serif aufnehmen könnte.“
„Konnte unser Gegner letztendlich auch nicht. Wie wärs wenn ich dir erzähle was seit unserem letzten Treffen passiert ist, während du mich ein bisschen durch Navea führst? Mir fällt hier noch die Decke auf den Kopf und ich würde gerne mehr von der Stadt sehen als dieses Zimmer.“
„D-darfst du denn schon einfach so aufstehen?“ stammelte Aleyandra drauf los, das war nicht gut. Sie hatte keinerlei Ahnung von Navea! Bisher war sie nie aus dem Militärbezirk rausgekommen, aber Naruz glaubte das sie sich schon seit mehr als zwei Wochen hier aufhielt und sich zumindest ein bisschen auskannte. „Das ist sicher keine gute Idee. Du solltest dich ausruhen und...“
„Doch, doch. Es ist die beste Idee die ich seit Tagen hatte.“ Naruz setzte sein freundlichstes Lächeln auf und erhob sich langsam von seinem Bett. „Also, gehen wir.“



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Kurze Zeit später, standen sie vor einem Gebäude im nordwestlichen Teil der Stadt. Ein weißer Turm von gigantischen Ausmaßen, der die Wolken durchbrach. Kleinere und größere magische Kristalle umkreisten ihn langsam und ein friedlicher See umgab ihn. Sie hatte den Turm schon einmal von weitem gesehen und wollte sich ihn schon die ganze Zeit genauer ansehen. Doch etwas trübte die Idylle und verhinderte, dass Aleyandra den kleinen Ausflug wirklich genießen konnte: Anya. Die Templerin hatte es sich nicht nehmen lassen sie zu begleiten, um darauf zu achten, dass Naruz sich nicht zu sehr verausgabte. Ihrer Ansicht nach war sie Schuld an seinen Verletzungen, weil sie ihn ganz alleine und unvorbereitet in den Kampf gegen einen Dämon geschickt hatte. Schlimmer als die Anwesenheit der Bladelli war für Aleyandra nur noch eines, nämlich das er Anya nicht davon abgehalten hatte sie zu begleiten. Naruz widersprach ihr nicht einmal, damit sie beide alleine sein konnten, sondern ließ sie ohne Widerstand mitkommen, was in Aleyandra einen schrecklichen Verdacht weckte, der ihr gar nicht so abwegig vorkam. Die beiden lebten immerhin zusammen unter einem Dach!
„Wow, ich kann die Spitze des Turms von hier aus gar nicht sehen.“ Naruz legte den Kopf in den Nacken „Wozu baut man so etwas überhaupt? Ob man sich da oben ein Zimmer mieten kann? Der Ausblick muss fantastisch sein.“
„Das ist der Himmelsturm.“ begann Aleyandra, anfangs noch relativ sicher. Immerhin wusste sie den Namen von dem Ding...jetzt musste sie nur noch die Geschichte des Turms kennen und seinen Zweck. „Er wurde erbaut um Navea zu verteidigen und den...den Luftraum über der Stadt zu sichern. Überall in den Turm sind mächtige, magische Geschütze eingelassen und dutzende Magier halten dort Tag und Nacht Wache, um unsere Leben und den Frieden in dieser Stadt zu verteidigen.“
„Gibt es hier etwa Drachen in der Nähe? Was genau bekämpfen diese Geschütze?“
„V-vögel?“
„Kann ich gut nachvollziehen. Der erste Erzbischof muss ein sehr weiser Mann gewesen sein.“ murmelte Naruz vor sich hin und warf Aleyandra aus den Augenwinkeln einen kurzen Blick zu. Erwartete sie das er diesen Unsinn glaubte?
„Jedenfalls heißt er aus diesem Grund Himmelsturm. Er wurde gebaut, um im Namen Gaias selbst den Himmel im Sturm zu erobern. Operation Himmel-Sturm. Im Volksmund wurde der Name dann irgendwann zu Himmelsturm, weil sie von dem schrecklichen, ewigen Krieg über den Wolken nichts mehr wissen wollten, sondern versuchten all das Leid und die Schrecken zu vergessen. G-gehen wir weiter, ja?“ Damit zog Aleyandra ihn schnell hinter sich her, den Blick gesenkt, um nicht die Templerin ansehen zu müssen. Anya folgte ihnen mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen und war immerhin so freundlich Aleyandra nicht sofort zu entlarven. Sie wollte sich in die ganze Angelegenheit sowieso so wenig wie möglich einmischen. Also lief sie ihnen stumm hinterher, bis sie vor einem prächtigen Gebäude aus weißem Marmor hielten. Der Sitz des Erzbischofs...zumindest normalerweise, in Aleyandras Version dagegen erfüllte es einen ganz anderen Zweck.

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„Das ist eine...ähm, naja das ist doch offensichtlich, oder? Es ist eine...Burg!“ schloss sie nach kurzem zögern und betrachtete die dicken Mauern und patrouillierenden Templer. Vielleicht hatte sie diesmal sogar recht! „Eine Festung um den nördlichen Teil der Stadt zu schützen und zwar vor...Kobolden.“
„Kobolde?“
„Ja, sie leben unterhalb der Stadt. Ganze Heerscharen von widerlichen, kleinen Kobolden, die nur darauf warten aus dem Boden hervorzubrechen und uns allen im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Navea kann sehr gefährlich sein wenn man nicht vorsichtig ist.“
„Und was hält sie davon ab genau das einfach zu tun?“ warf Naruz neckend ein. Er wusste nicht warum Aleyandra ihm diesen Blödsinn erzählte, aber er wusste dass sie vor Scham im Boden versinken würde, wenn er sie darauf hinwies das Anya ihm schon ein wenig über die Stadt erzählt hatte. „Wenn sie unter unseren Füßen leben, müssten sie sich doch nur nach Oben graben und uns alle töten, während wir nicht damit rechnen. Die ganze Stadt müsste schon in ihrer Kontrolle sein.“
„D-das ist richtig.“ Aleyandra brach ab und verlor endgültig den Faden. Eine Weile stammelte sie hilflos vor sich hin, bevor sie immerhin wieder ein paar Worte rausbekam. „Allerdings ist der Boden der Stadt...magisch. Nur hier ähm ist ein Ausgang aus ihrem unterirdischen K-königreich. Bewacht wird der Ausgang von furchtbaren Monstern, die diese Koboldplage bekämpfen.“
„Oh, was für Kreaturen?“
„Große, mächtige und brutale Bestien. In ganz Midgard wispert man ihre Namen voller Furcht und sie verbreiten Schrecken in den Herzen der tapfersten Krieger. Man nennt sie...“ schnell versuchte sie sich alle Tiere und Monster ins Gedächtnis zu rufen über die sie in letzter Zeit etwas gelesen hatte. Aber in ihrem Kopf herrschte nur gähnende Leere, während Naruz sie erwartungsvoll anlächelte. „Elche.“
„Elche?“
„Wilde Monster aus dem Norden Midgards. Sie leben am äußersten Rand der Yggdrasil Republik. Riesengroß, tödliche Geweihe, gewaltige Reißzähne und ein Blutdurst der den eines jeden Dämons übersteigt.“ Bevor sie sich noch weiter um Kopf und Kragen reden konnte, merkte sie wie sie plötzlich etwas an der Schulter berührte. Aleyandra begann schon rot anzulaufen, als sie merkte das es Naruz war, aber das legte sich wieder, als sie merkte warum er sich sich an sie lehnte. Es war kein plumper Annäherungsversuch, sondern Naruz war kreidebleich und schwankte leicht hin und her. „I-ist alles in Ordnung, mit dir?“
„Oh, ähm, es nichts.“ erklang es leise, während er sich wieder aufrecht hinstellte und versuchte seine Schwäche zu überspielen. „Mir war nur etwas schwindelig.
„Dann solltest du dich irgendwo hinsetzen!“ Aleyandras Augen sahen sich fast schon panisch um. Bank. Bank. Bank. Das Wort dominierte gerade ihr ganzes Bewusstsein. Sie musste irgendwie vor Anya eine Bank finden. Sie musste gegen die Templerin gewinnen, wenigstens einmal!
„Keine Sorge, ich kenne den perfekten Ort zum ausruhen und er befindet sich ganz in der Nähe.“ hörte sie hinter sich die freundliche Stimme von Anya und unterbrach damit ihre verzweifelte Suche. Mit hängenden Schultern folgte sie Anya und Naruz. Damit hatte sie diese Schlacht verloren, aber noch lange nicht den Krieg!



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„Hier gibt es ja wirklich Heiße Quellen...“ Nur mit einem weißen Handtuch bekleidet ging Aleyandra langsam über den glatten, weißen Steinboden. Das Becken war nicht besonders groß, sondern eher für eine kleinere Gruppe von Leuten angelegt. Es gab laut Anya mehrere davon und jedes war von hohen Holzzäunen umgeben. Der Rand war mit Steinen und hochgewachsenen Gräsern gesäumt. Überall hingen durchsichtige Nebelschwaden über dem dampfenden Wasser. Sie hatte nicht gewusst, dass es so etwas in Navea gab. Anya ging an ihr vorbei und auf den Beckenrand zu. In ihrem Kopf war im Augenblick sowieso nur noch Platz für einen einzigen Gedanken: Heiße Quellen! Sie und Naruz, unbekleidet und alleine zusammen in einem Becken, mehr konnte sie sich eigentlich gar nicht erhoffen. „Wo ist eigentlich Naruz hin? Ich dachte wir wollten zusammen baden.“
„Das wird nicht möglich sein.“ meinte Anya und lachte kurz angesichts von Aleyandras unbegründeter Verwirrung „Die Becken sind nach Geschlecht getrennt und Naruz wird inzwischen am anderen Ende der Anlage sein.“
„G-getrennte Becken?“ Aleyandras Stimme begann zu zittern und ihr ganzer schöner neuer Plan fiel in sich zusammen. Wer hatte sich denn so was ausgedacht? Versuchte hier denn wirklich jeder sie zu manipulieren? Gaia selbst musste sich gegen sie und ihre Beziehung zu Naruz verschworen haben.
„Wir haben Glück, dass es noch so früh ist. Die meisten Besucher kommen erst gegen Abend hierher und selbst dann bleibt es recht leer, vor allem hier. Die kleineren Becken gehören teilweise den Adelsfamilien, während die größeren für alle zugängig sind. Früher konnte jeder die Quellen benutzen, aber seit einigen Jahren muss man recht unverschämte Preise bezahlen um hier zu baden.“ während Anya noch in ihre Ausführung vertieft war, hatte Aleyandra sich hastig ihres Handtuchs entledigt und war so schnell sie konnte im Wasser verschwunden. Sie hatte kein Problem sich vor Naruz nackt zu zeigen, aber nicht vor ihrer Konkurrenz, die jeden kleinen Makel an ihrem Körper sofort gegen sie verwenden würde und davon gab ihrer Meinung nach mehr als genug. Sie versuchte die Gedanken an Anyas Anwesenheit zu vertreiben so gut es ging. Immerhin konnte sie sich endlich einmal etwas ausruhen und das warme Wasser ließ sie das anstrengende Training mit Silberblatt rasch vergessen. Sie spürte bereits die erholsame und wohltuende Wirkung. Ihre Ruhe und Gelassenheit wurde allerdings jäh unterbrochen, als Anya sich neben ihr in das Becken gleiten ließ. Ohne wirklich zu wissen warum, wanderten Aleyandras Augen bemüht unauffällig zur Seite, um einen Blick auf ihre angebliche Konkurrentin zu werfen. Sie musste immerhin wissen gegen was sie ankämpfen musste. Das Naruz bei dieser Frau wohnte, trieb sie schon genug in den Wahnsinn, aber der Anblick der nackten Anya half nicht dabei sie zu beruhigen, eher im Gegenteil, es beunruhigte sie erst richtig.
Unbehaglich sank Aleyandra tiefer ins Wasser und versank bis zum Kinn in der Heißen Quelle. Die ganze Situation entwickelte sich leider nicht ganz so wie erhofft. In diesem Moment war sie sogar froh darüber, dass Naruz sich nicht bei ihnen befand. Sie hatte die Sache mit Alesia noch lange nicht vergessen und abgesehen von den Haaren, sah der Rest von Anya der Schlampe aus Helonia recht ähnlich. Wenn die Templerin sich jemals die Haare schnitt, wäre vermutlich alles vorbei, aber bis dahin hatte Aleyandra immerhin noch eine Chance Naruz vor ihr zu retten. Ihre Augen wanderten über Anyas Körper. Sie war drei oder vier Jahre älter als Aleyandra und hatte nichts von der zierlichen Statur des weißhaarigen Mädchens an sich. An ihren wohlgeformten Brüsten blieb Aleyandras Blick am längsten hängen und sie schluckte nervös. Nicht zu groß und auch nicht zu klein, sondern genau wie bei Alesia einfach nur perfekt. Anya hatte es sich in der Zwischenzeit im Wasser gemütlich gemacht und teilte Aleyandras Gedanken nicht im geringsten. Aber nach einer Weile spürte sie förmlich die bohrenden Blicke des Mädchens auf ihrer Haut. Als sie zu Aleyandras herüber sah, fand sie von Entspannung und Erholung keine Spur. Im Gegenteil, Aleyandra hockte vollkommen verkrampft im Wasser und rutschte immer weiter nach unten.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Nein...nein, alles bestens. Ich ähm, mag nur deine Haare.“ stammelte Aleyandra drauf los und lief rot an.
„Oh, danke. Ich finde deine aber auch sehr schön. Die Farbe sieht man hier in Navea selten. Sie passen gut zu dir. Genau wie deine helle Haut und deine feingliedrige, zierliche...“
„Naruz wird der kirchlichen Armee beitreten und ist dann ein Soldat, genau wie du.“ sprudelte es plötzlich aus Aleyandra hervor, als sie verzweifelt versuchte das Thema zu wechseln. Es war ihr egal ob diese Frau sich über sie lustig machte oder ihre Komplimente wirklich nett meinte, es half nicht wirklich zierlich zu sein, wenn Naruz Geschmack damit nicht viel anfangen konnte. „Würde er dann auch über dir stehen oder wirst du zufällig seine Vorgesetzte?“
„Er würde über mir stehen, vermutlich. Welchen Rang genau er innerhalb der Kirche einnehmen wird weiß ich allerdings auch noch nicht. Da er einen mächtigen und gefürchteten Dämon besiegt hat, kann es sogar sein, dass man ihn sofort zum Marschall ernennt, aber das lässt sich erst nach seiner Audienz beim Erzbischof mit Gewissheit sagen. Letztendlich liegt es an Silberblatt das zu entscheiden. Er ist dafür zuständig das Potential in Naruz zu erkennen und ihn dementsprechend einer Einheit zuzuteilen. Der Erzbischof vertraut seinem Urteil und sein Wort hat genug Gewicht, um Naruz den Befehl über eine kleine Armee zu geben, vielleicht sogar über eine der Grenzfestungen.“
„Steht Silberblatt wirklich so weit oben in der Hierarchie der Kirche, dass er solche Entscheidungen einfach so alleine treffen kann?“ vor lauter Überraschung, hätte Aleyandra sich beinahe etwas zu sehr aufgerichtet. Hastig versank sie wieder bis zum Mund im Wasser und dachte an Silberblatt. Er war ein mächtiger Magier, so viel war sicher, aber war er nicht trotzdem etwas zu jung für so eine hohe Position?
„Er ist ein Großmeister, aber sein wahrer Einfluss kommt eher von den Männern und Frauen die er anführt. Sie sind sein verlängerter Arm und gleichzeitig der Dolch der Kirche. Wenn man sich gegen ihn stellt, kann es sein das man schon sehr bald rein zufällig auf der Liste seiner Schlächter landet.“
„Es klingt nicht so, als würden du und Silberblatt besonders gut miteinander auskommen.“
„Mein Großvater und er verstehen sich nicht besonders gut, deswegen sieht er es nicht gerne das meine Karriere innerhalb der Kirche voranschreitet. Allerdings beruht ihre Abneigung auf Gegenseitig, da mein Großvater aufgebracht war über Silberblatts raschen Aufstieg zum Großmeister. Letztendlich ist es aber keine ernste, handfeste Feindschaft und wenn nötig können die beiden sogar zusammenarbeiten ohne sich gegenseitig an die Kehle zu gehen, jedenfalls manchmal.“
„Woher hat er eigentlich diesen Namen? Er wird ja wohl nicht wirklich Silberblatt heißen.“
„Keine Ahnung. Ich weiß wie gesagt nicht viel über ihn, dafür stehe ich als gewöhnlicher Templerin zu weit unten in der Rangordnung. Selbst seinen echten Namen kenne ich nicht und habe mich auch nie getraut zu fragen. Jeder in der Kirche weiß zwar das die Kinder Gaias existieren, aber nur wenige Auserwählte wissen wer sie anführt und kennen Mitglieder der Einheit. Es ist bereits ein beachtlicher Vertrauensbeweis das man mir von ihm und seinen Leuten erzählt hat.“
„Und mir hat man es einfach so gesagt, nachdem er mich ein paar Minuten kannte. So schwer kann es also nicht sein sich das Vertrauen der Kirche zu erarbeiten.“
„Natürlich war es für Euch nicht besonders schwer. Wenn Ihr es jemandem erzählt, werdet Ihr ja auch auf der Stelle getötet.“
„Sollte das ein Scherz sein?“
„Ja, natürlich. Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben.“ lachend drehte Anya sich um und legte die Arme auf den Beckenrand, um ihren Kopf darauf auszuruhen. Ihre Brüste drückten gegen die Steine, während sie die Augen schloss und leise, mit entspannter Stimme, weitersprach. „Hört mir bitte zu, unsere erste Begegnung verlief vielleicht nicht besonders harmonisch, aber letztendlich stehen wir jetzt auf der selben Seite und sollten uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen. Immerhin sind wir fast so etwas wie Nachbarn und werden uns noch häufiger sehen. Frieden?“
„Mhm, was? Achso, ja, natürlich. Frieden.“ murmelte Aleyandra abgelenkt. Das hier war Zeitverschwendung. Silberblatt würde ihr so schnell nicht wieder freigeben, Sie musste die geschenkte Zeit nutzen um bei Naruz zu sein und nicht um sich die falschen Versprechungen dieser Frau anzuhören.
„Das Leben in Navea wird dir gefallen, wenn du dich erst einmal eingelebt hast. Es gibt keine großartigere Stadt in Midgard.“ beendete Anya gähnend ihr Gespräch und damit war die Sache für sie vorerst erledigt, auch wenn sie noch immer ein seltsames Gefühl hatte, wenn sie an Aleyandras Überprüfung zurückdachte. Außerdem sie spürte sie genau, wie sehr es Aleyandra missfiel sie in Naruz nähe zu wissen, dabei wusste sie gar nicht wieso. Glaubte dieses Mädchen etwa, das sie in Naruz verliebt war? „So ein Schwachsinn.“ dachte sie schläfrig.
Als Anya eingeschlafen war, erhob Aleyandra sich sofort aus dem Wasser. Leise stieg sie aus dem Becken und schlang sich ihr Handtuch um den Körper. Das war ihre Chance endlich einmal ein bisschen Zeit mit Naruz zu verbringen und zwar ohne dass dieses rothaarige Biest um sie herumschlich. Dem Friedensangebot der Templerin traute sie kein bisschen. Alesia hatte sich auch in Naruz verknallt und das auf den ersten Blick, bei ihr war es genauso gewesen. Warum sollte Anya gegen seinen Charme gefeit sein? Je schneller Naruz einer Einheit zugewiesen wurde und dieses Haus verließ, desto besser.
Auf Zehenspitzen verschwand Aleyandra aus dem eingezäunten Bereich und fand sich in dem Gängen des einfachen Gebäudes wieder, das den Eingang zu den Quellen bildete. Und damit begann ihre lange und ereignislose Suche, nach dem Becken in dem sich Naruz befand. Dabei stolperte sie ein paar mal in Umkleidekabinen und Becken voller Fremder, was sie jedesmal wieder peinlich weiter rennen ließ, aber endlich fand sie ihn. Er lehnte am Beckenrand und drehte dem Eingang den Rücken zu. Gerade wollte sie das Handtuch fallen lassen und zu ihm gehen, als direkt vor ihr wie aus dem Nichts ein überraschter Serif erschien. Diese Fähigkeit der Eidolons einfach überall aufzutauchen nervte Aleyandra jetzt schon. Es war fast unmöglich unbemerkt an ihnen vorbeizuschleichen.
„Oh, Aleyandra. Was...“ begann Serif überrascht, doch verstummte sofort als sie ihre Hände fest auf seinen Mund presste und daran hinderte weiterzureden.
„Ganz ruhig, dir wird nichts passieren solange du leise bist, verstanden?“ Aleyandra versuchte so bedrohlich wie möglich zu klingen und atmete erleichtert auf, als Serif vorsichtig nickte. „Gut. Dann warte irgendwo draußen, ansonsten suche ich gleich morgen einen hübschen, kurzen Rock für dich, meine kleine Fee.“
„Ich bin keine Fee. Keine Ahnung wie du auf so etwas überhaupt kommst. Ich ähm, bin ein Troll. Ein großer, hässlicher, ekelhafter Troll der furchtbar in einem Kleid aussehen würde und...“
„Sagte ich nicht du sollst still sein, Fee?“ ihr Tonfall wurde freundlicher und vor allem flehender. Sie musste bis Sonnenuntergang wieder im Militärbezirk sein, ihr rannte die Zeit davon. „Bitte, verschwinde. Ich will mit ihm alleine sein.“
„Meinetwegen, aber wenn du noch ein einziges mal mit diesem Kleid anfängst, dann schreie ich um Hilfe.“ damit löste er sich wieder in Luft auf und sie war endlich einmal mit Naruz alleine. Ohne das Handtuch stieg sie in das Becken und setzte sich direkt neben Naruz ins Wasser. Er hatte die Augen geschlossen und bemerkte sie im ersten Moment gar nicht. Eine Weile betrachtete sie ihn nur verträumt. Sie waren endlich wieder zusammen. Vorsichtig rutschte sie näher an ihn heran und sah ihn einfach nur verträumt an. Dann lehnte sie sich an seine nackte Schulter und er bemerkte ihre Anwesenheit.
„A-aleyandra. Was machst du hier?“ blinzelnd öffnete er die Augen und starrte sie verblüfft an. Vielleicht lag es nur daran dass sie sich eine Weile nicht gesehen hatten, oder dass ihm noch immer schwindelig war, aber sie wirkte hübscher als in Helonia. Die Zeit in Navea schien ihr gut zu tun, auch wenn sie das selber vielleicht noch nicht wusste. In Helonia wäre sie niemals nackt zu ihm ins Wasser gestiegen, da war sie viel zu scheu und schüchtern gewesen, aber jetzt lächelte sie ihn einfach nur an und in ihren roten Augen lag ein Strahlen, dem er sich schwer entziehen konnte. Es hatte ihm irgendwie gefehlt wie sie ihn ansah. „Ähm, ich bin mir sicher, dass du nicht hier sein solltest.“
„Anya schläft und es ist langweilig mit ihr, außerdem wollte ich bei dir sein.“ damit legte sie den Kopf auf seine Schulter und umklammerte seinen Arm. Eine Weile sagte keiner von beiden etwas, bis Naruz einen verzweifelten Versuch unternahm ein Gespräch anzufangen, vor allem als er merkte wie Aleyandra begann seinen Arm langsam aber sicher näher an ihren zierlichen Körper heranzuziehen.
„Wie gefällt es dir für die Kirche zu arbeiten und zu kämpfen? In Helonia hattest du sicher nicht viel mit der Kirche zu tun und ich ehrlich gesagt auch nicht.“
„Keine Ahnung. Darüber habe ich bisher nicht viel nachgedacht.“ meinte sie nachdenklich und auch ein wenig desinteressiert. Sie war eigentlich nicht hier um großartig zu reden, sondern um endlich wieder seine Nähe zu spüren. Wenn sie sich Mühe gab, konnte sie ihn sicher dazu bringen Anya und Alesia zu vergessen und nur noch Augen für sie zu haben. „Es ist in Ordnung, denke ich. Immerhin muss ich nicht mehr befürchten zu seinem Dämon zu werden solange ich Gaia diene.“
„Weißt du, während meines Kampfes gegen den Dämon hatte ich ein seltsames Erlebnis, von dem ich bisher noch niemandem erzählt habe und...“
„Ich...ich will dich und deine Erzählung ja nicht einfach so abwürgen, aber...ich...“ Sie senkte den Blick und richtete ihre Augen auf die ruhige Wasseroberfläche. Wie sollte sie das jetzt sagen? Wenn er bereits mit Anya zusammen war, würde er sie abweisen und dann konnte sie Navea auch gleich verlassen. Vielleicht wäre es besser gar nicht erst zu fragen? Sie schluckte nervös und überwand sich dann doch irgendwie dazu weiterzusprechen. „Ich dachte wir könnten dort weitermachen, wo wir in Helonia aufhören mussten. Seit unserem letzten Treffen konnte ich an nichts anderes mehr denken, als daran endlich wieder bei dir zu sein. Ich habe dich vermisst, Naruz.“
Er erwiderte nichts, sondern sah sie nur kurz überrascht an, bevor er lächelte. Naruz hätte nicht erwartet dass sie ihn wirklich vermissen würde und irgendwie freute es ihn. Langsam beugte er sich zu ihr herüber und küsste sie sanft auf die Lippen, die sofort anfingen zu beben. Aleyandra schloss kurz die Augen und wurde von ihren Glücksgefühlen überwältigt. Dann konnte sie spüren wie eine seiner Hände langsam über ihre Hüfte nach oben wanderte. Sie strich sanft über Aleyandras Brüste und die andere legte sich auf ihren Schenkel. Erschrocken wich Aleyandra vor Naruz zurück und unterdrückte den plötzlichen Impuls seine Hand voller Panik wegzuschlagen. Verwirrt sah er sie an und sie wäre am liebsten aufgesprungen und verschwunden. Erst warf sie sich ihm um den Hals und dann wies sie ihn wieder zurück, er musste sie für vollkommen durchgeknallt halten. Aber in ihrem Kopf wiederholten sich die Bilder aus ihren Träumen. Sie spürte die kalten, forschenden Hände die in ihrem Körper wühlten, die sie überall berührten und die Angst vor diesen Händen. Selbst seine Berührung erinnerte sie sofort wieder daran und riss sie aus der Wirklichkeit zurück in diese Traumwelt.
„Ist alles in Ordnung?“ Naruz wich unsicher ein Stück zurück und als sie merkte, dass sie dabei war schon wieder einen Fehler zu machen, riss sie sich zusammen. Sie hatte sich schon in Helonia zu sehr von ihren Träumen beeinflussen lassen und ihm dadurch nie wirklich zeigen können wie sehr sie ihn liebte. Diesmal sollte es mit ihnen funktionieren und zwar nicht nur für ein paar glückliche Tage, sondern dauerhaft. „Tut mir leid. Ich dachte du wolltest…“ Naruz brach verdutzt ab, als sie auf einmal wieder neben ihm saß und begann ihn leidenschaftlich zu küssen. Nicht mehr so zaghaft und ängstlich wie in Helonia, sondern voller Verlangen. Genau wie sie schaltete Naruz ab und hörte endlich auf zu Denken. Er beugte sich über sie und Aleyandra öffnete sofort ihre Beine, um ihn mit ihren Schenkeln zu umschließen und nie wieder loszulassen. Sie würde ihn nie wieder in den Armen einer anderen Frau sehen und dafür würde sie alles tun was nötig war.
Zuletzt geändert von Vanidar am 19. Juni 2014 11:47, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Mimir » 11. Juni 2014 21:15

13. Die Hüterin der 666 Unheiligen Grimoire (Öffnen)
Kapitel 13 – Die Hüterin der 666 Unheiligen Grimoire:


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Nachdem sie die Heißen Quellen verlassen hatten, hatte Aleyandra sich schnell von Naruz und Anya verabschiedet, und meinte, sie müsse so schnell wie möglich zu ihrer Ausbildung zurückkehren. Also kehrten Naruz und Anya alleine zur Villa der Bladelli zurück, in Naruz' Fall ohne Unterhose, diese war wie von Geisterhand verschwunden gewesen, als er aus dem Becken ging, und sich anziehen wollte. Wahrscheinlich ein Streich, den Serif ihm gespielt hatte, denn dieser war nirgendwo zu finden gewesen und war noch immer verschwunden. Allerdings war dies nicht der beste Zeitpunkt, um ihn zu rufen und über das fehlende Kleidungsstück auszufragen, das konnte warten, bis sie wieder alleine waren. Den Weg zurück zur Villa schwiegen Naruz und die Templerin größtenteils, nur hin und wieder stellte er ihr kurze Fragen, zur Stadt, oder einem Gebäude, das ihm besonders ins Auge stach. Als sie die Tür zur Villa öffnete, wandte Anya sich an ihn.
„Ihr solltet Euch den Rest des Tages ausruhen, und Euch auch Morgen nicht allzu viel bewegen. Ihr habt übermorgen eine Audienz beim Erzbischof, da solltet Ihr...“ die Templerin brach ab, als sie merkte, dass Naruz mit aufgerissenen Augen an ihr vorbei starrte. Als sie sich umdrehte und seinem Blick folgte, merkte sie auch, was seine Aufmerksamkeit gefangen hatte. Aus einer Tür, nahe der Treppe, stieß eine gewaltige Mehlwolke, dicht gefolgt von einem hustenden Mädchen mit kurzen, silbernen Haaren und violetten Augen. Obwohl ihre Kleidung von Mehl bedeckt war, erkannte Naruz sofort, dass es sich um eine rote Robe handelte, und dass dieses Mädchen ohne Zweifel die Hexe war, der er in der Nähe von Helonia begegnet war. Bevor er etwas sagen konnte, fiel der Blick des Mädchens auf Anya, und sie winkte ihr schwach zu.
„Hallo Anya, ich wusste nicht, dass du heute ein Date hattest.“ meinte sie, und warf einen Blick auf Naruz.
„D-date? Wovon redest du? Das ist Naruz aus Skandia, er ist ein Botschafter der Gaia und...“
„Es war ein Scherz.“
„Was?“
„Ein Scherz.“
„Du... du hast einen Sinn für Humor?“
„Einen sehr guten, wie auch immer, ich kenne ihn, wir sind uns schonmal über den Weg gelaufen.“ meinte die Hexe, und hustete erneut.
„Ja, sind wir... du bist die Hexe, der wir in der Höhle begegnet sind, du hattest eine riesige Monsterspinne erschaffen, und...“
„Nein.“
„Was? Ich hatte damals gefragt, ob du dafür verantwortlich bist, und du hattest 'ja' gesagt!“ meinte Naruz, und bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor, auch wenn er nicht wusste, ob er überhaupt in der Lage war zu kämpfen.
„Verantwortlich, ja. Aber ich habe die Spinne nicht erschaffen, egal, erlaube mir mich vorzustellen. Mein Name ist Aynaeth, die Drachenflüsterin, Hüterin der 666 Unheiligen Grimoire, Diplomatin von Vo Astur, mächtigste, lebende Hexe unserer Zeit!“ meinte das Mädchen, noch immer mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht, und reckte ihre Arme in die Luft.
„Aynaeth?“ begann Anya, die inzwischen zur Hexe gegangen war, und an ihr vorbei in die Küche sah, denn dort führte die Tür hin, aus der Aynaeth gekommen war.
„Ja?“
„Würde die mächtigste Hexe unserer Zeit...“
„Mächtigste, lebende Hexe, unserer Zeit.“ berichtigte Aynaeth sie sofort.
„Spielt das überhaupt eine Rolle?“
„Natürlich tut es das, alles spielt eine Rolle.“
„Wenn du meinst, würde die mächtigste, lebende Hexe unserer Zeit mir bitte erklären, was in der Küche passiert ist?“ Naruz hatte sich während des Wortwechsels zu den beiden gesellt, allem Anschein nach ging von dieser Aynaeth keine Gefahr aus, Anya schien sie sogar gut zu kennen, also konnte er sich zumindest ein wenig beruhigen. Als er die Küche sah, wusste er auch, was Anyas Frage heißen sollte, denn dort sah es aus, als wenn eine Wirbelsturm hindurch gefegt wäre. Alles war voller Mehl, überall lagen Äpfel, Eier und Töpfe auf dem Boden, und der Herd, welcher lichterloh brannte, wurde gerade von zwei Dienern gelöscht.
„Ich habe versucht einen Apfelkuchen zu backen.“
„Was? Hast du dir die Küche mal angeguckt?“
„Ich sagte ich habe es versucht. Ich habe nie behauptet, dass es mir gelungen ist.“
„Ich habe schon viele schlechte Köche erlebt, aber so eine Katastrophe habe ich noch nie gesehen! Wie hast du das geschafft?“
„Ein Experiment, ich wollte gucken, ob sich 'Die Feuer des Mithras' zum kochen eignen. Es hat nicht funktioniert.“
„Das sehe ich selber. Ich hoffe, du wirst den Dienern dabei helfen aufzuräumen.“
„Oh! Das war ein guter Witz, den muss ich mir merken.“
„Ich meine das vollkommen ernst!“ meinte Anya, bevor sie sich jedoch weiter streiten konnte, mischte Naruz sich in das Gespräch ein.
„Entschuldigung... aber was sind 'Die Feuer des Mithras'?“
„Ah, das ist der 133. Grimoire der Verbotenen Sammlung, und Teil der 666 Unheiligen Grimoire.“
„Und was genau heißt das?“
„Oh... Anya? Er weiß nichts über Grimoire.“
„Das sehe ich, was soll ich daran... Moment! Du erwartest ernsthaft, dass ich es ihm erkläre?“
„Wer sonst?“
„Du! Du bist hier die mächtigste, lebende Hexe!“
„Ich esse aber gerade.“ ehe Anya protestieren konnte, hatte Aynaeth einen kleinen Beutel in der Hand, und fischte etwas heraus, dass sehr nach ganz gewöhnlichen Kaffeebohnen aussah.
„Ähm... sollte man die nicht...“ begann Naruz, verstummte jedoch, als die Hexe ihn ignorierte und munter auf den Bohnen herumkaute. Anya seufzte, entschied sich dann jedoch dafür, dass es besser wäre, Naruz alles zu erklären.
„Die Hexer und Hexen von Vo Astur bezeichnen sämtliche Grimoire, die es in dieser Welt gibt, als 'die Verbotene Sammlung', es gibt in etwa 8.600...“
„8.678.“ warf Aynaeth ein, ehe sie eine weitere handvoll Bohnen in ihrem Mund verschwinden ließ.
„8.678.“ berichtete Anya, und warf der Hexe einen vernichtenden Blick zu. „Es gibt 8.678 Grimoire in dieser Welt. Die ersten 666 von ihnen wurden jedoch als so mächtig und gefährlich eingestuft, dass sie als 'Unheilige Grimoire' betitelt wurden, und ihr Gebrauch verboten ist. Sollte jemand gegen diese Regel verstoßen, würde der Rat der Dreizehn umgehend gegen ihn oder sie vorgehen.“
„Aber... hat sie nicht gerade einen von ihnen verwendet? Würde der Rat nicht gegen sie vorgehen?“
„Der Rat? Gegen mich... vorgehen?“ meinte Aynaeth ungläubig, und ließ vor Verwunderung eine Bohne auf den Boden fallen. „Anya... dieser Naruz ist lustig.“
„Habe ich etwas falsches gesagt?“ Erneut seufzte die Templerin, warum musste sie alles erklären? 'Weil Aynaeth zu faul dafür ist' schoss es ihr durch den Kopf. Sie lebte nun schon seit über einem Jahr mit der Hexe unter einem Dach, und kannte sie recht gut, was allerdings nicht hieß, dass sie nicht trotzdem von ihr zur Weißglut getrieben wurde.
„Aynaeth ist... eine Ausnahme, sie trägt ihren Titel nicht umsonst. Sie besitzt sämtliche, der 666 Unheiligen Grimoire, hinzu kommen ein paar gewöhnliche Grimoire, die sie im Laufe der Jahre gesammelt hat.“
„Und wie viel ist das, verglichen mit den anderen Hexern? Verglichen, mit diesem Rat?“
„Das mächtigste Ratsmitglied verfügt über 73 Grimoire.“ meinte Aynaeth, als Anya sie fragend ansah. Naruz klappte der Mund auf, als er das hörte, so konnte sogar er sich vorstellen, wie mächtig Aynaeth in Vo Astur sein musste, zumindest nach dem, was Serif ihm über die Hexer und Grimoire erzählt hatte. „Ah, davon kann er aber nur sieben gleichzeitig einsetzen.“ fügte Aynaeth hinzu, als wenn es unglaublich wichtig wäre.
„Aha, und wie viele kannst du verwenden?“
„Hm... keine Ahnung, habe es noch nie ausprobiert. Aber egal, ich bin dann mal in meinem Zimmer, wir sehen uns später.“ meinte sie gähnend, und winkte den beiden zum Abschied. Nachdem sie weg war, wandte Naruz sich wieder an Anya.
„Also wohnt sie auch hier?“
„Ja, schon seit über einem Jahr, angeblich ist sie hier, um die Beziehungen zwischen Vo Astur und der Kirche zu verbessern... aber ich habe noch nie gesehen, dass sie irgendetwas in dieser Form gemacht hat, außer einem kurzen Treffen mit dem Erzbischof.“
„Eine Hexe also... und die mächtigste, lebende Hexe unserer Zeit?“ murmelte Naruz nachdenklich, und seine Gedanken wanderten zu dem Kristall, den er in der Sternentruhe gefunden hatte. Cyril meinte, es handele sich um ein Artefakt aus dem Dämonenreich, vielleicht könnte Aynaeth ihm sagen, was genau er da gefunden hatte? Er sollte versuchen, so bald wie möglich noch einmal mit ihr zu reden. „Vielen Dank dafür, dass Ihr Aleyandra und mich begleitet habt, Lady Bladelli. Ich will Euch nicht weiter aufhalten, den Weg zu meinem Zimmer finde ich schon alleine.“ meinte er schließlich, mit einem freundlichen Lächeln, und entfernte sich von der Templerin, die nur abwesend etwas murmelte. Erst als Naruz schon lange weg war, und sie die Diener hinter sich hörte, ging ihr auf, dass Aynaeth sich jetzt doch noch um das Aufräumen gedrückt hatte. Leise fluchend machte Anya sich auf den Weg zu den Gemächern der Hexe, so leicht würde sie ihr nicht davonkommen.

Naruz hatte inzwischen sein Zimmer erreicht, und sich auf dem Bett niedergelassen. Müde schloss er die Augen, und rief sich noch einmal die Ereignisse des heutigen Tages in Erinnerung, oder besser gesagt, seinen Spaziergang durch die Stadt. Er lächelte, als er an Aleyandra dachte, und ihre Versuche, ihm von allem möglichen Unsinn zu überzeugen.
„Du scheinst gute Laune zu haben.“ Naruz öffnete ein Auge, als er Serifs Stimme hörte. Das Eidolon schwebte direkt über ihm in der Luft, und grinste ihn an.
„Ist das so ungewöhnlich?“
„Du hattest nicht mehr viel gelächelt, seit unserem Kampf mit Sonjuno, dabei kriegt man doch sonst dieses dämliche Grinsen nicht aus deinem Gesicht. Hat es dich so gefreut, Aleyandra wiederzusehen?“
„Natürlich, ich mag sie. Und ich bin froh, dass sie mir verziehen hat. Sie war so niedlich, als sie mich durch die Stadt geführt hat.“
„Glaubst du ihr etwa den Unsinn, den sie von sich gegeben hat?“
„Natürlich nicht, aber das muss sie ja nicht wissen, oder?“ meinte Naruz, und streckte sich.
„Ich glaube, sie hat dich angelogen, ich bezweifle, dass sie schon seit unserem letzten Treffen in Navea ist, wenn das der Fall wäre, hätte sie nicht solche Geschichten erfinden müssen.“
„Mhm, du hast wahrscheinlich recht.“
„Stört es dich nicht?“
„Sollte es mich stören? Sie wird schon ihre Gründe gehabt haben, falls sie wirklich gelogen hat.“ Eine Weile lang schwiegen die beiden, dann wandte Naruz sich wieder an sein Eidolon. „Kommst du Morgen mit?“
„Was? Mit? Wohin?“
„Zum Marktplatz, ich möchte etwas kaufen.“
„Hatte Anya nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben?“
„Ich bin mir sicher, ein kleiner Ausflug wird nicht schaden. Also, kommst du mit oder nicht?“
„Da meine einzige Alternative ist, in diesem Zimmer zu bleiben und mich zu langweilen... komme ich mit.“
„Danke, Serif.“ meinte Naruz, mit einem müden Lächeln und schloss wieder die Augen. „Ich denke, ich werde mich eine Weile ausruhen.“
„Mach das, gute Nacht Partner.“
„Ach ja, Serif?“
„Ja?“
„Wo ist meine Unterhose?“

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Zwei Tage später stand Naruz vor der 'Burg, welche die Stadt vor den Kobolden beschützt', wie Aleyandra das Gebäude genannt hatte, und sah beeindruckt zu den Soldaten hinüber, die hier Wache standen. Sie alle hatten ernste Gesichter und trugen Rüstungen, welche der von Anya ähnelten, allerdings prächtigere und feinere Verzierungen aufwiesen.
„Bei diesen Männern handelt es sich um die Hohetempler deren Aufgabe es ist, den Erzbischof zu beschützen.“ erklärte Anya, während sie Naruz einen missbilligenden Blick zuwarf. Er war nicht so, wie sie es eigentlich erwartet hatte. Als sie ihn aus den Ruinen zurückgebracht hatte, hatte sie noch viel Respekt vor ihm, da er es geschafft hatte einen mächtigen Dämon zu besiegen, in den letzten Tagen allerdings, ging der Botschafter ihr eher auf die Nerven. Ständig beschwerte er sich, dass es ihm in seinem Zimmer zu langweilig war, oder stellte ihr Fragen über die Stadt. Gestern hatte er sich einfach so aus der Villa geschlichen, um einen Spaziergang auf dem Marktplatz zu machen, Anya hatte das erst mitbekommen, als sie ihn zufällig in der Eingangshalle getroffen hatte, nachdem er zurückgekehrt war. Kaum hatte sie ihn dort gesehen, hatte sie sich auch nicht mehr halten können, und hatte dem Botschafter eine wahre Standpauke zu hören gegeben, was ihm denn einfiel, sich in seinem Zustand wegzuschleichen und ob er sich überhaupt bewusst war, was hätte passieren können. Sie hatte erst aufgehört, als Naruz sich zum zehnten mal entschuldigt hatte, und sie bemerkte, dass eine ganze Schar von Dienern sich um sie versammelt hatte, und amüsiert grinsten.
„Hohetempler? Stehen sie im Rang über Euch?“
„Ja, ein Templer steht über den gewöhnlichen Soldaten der Kirche, und über uns stehen die Hohetempler. Über diesen wiederum sind die Marschälle und Inquisitoren, sie gehören mit zu den mächtigsten Dienern der Kirche, lediglich die Großmeister und Großmarschälle können ihnen Befehle erteilen. Und natürlich der Erzbischof und Hochgeneral.“ Während des Gesprächs gingen die beiden weiter auf den Palast zu, dessen Tore wahrhaft riesig wirkten. Überhaupt schien der gesamte Palast übergroß zu sein, und angeblich befand sich dort nicht mehr, als der Sitz des Erzbischofs und die Tempelbibliothek.
„Ach ja...“ begann Naruz, als ihm etwas einfiel, dass er sich schon gefragt hatte, seit er Aleyandra begegnet war. „Was sind die Kinder Gaias?“
„Was? Wieso die plötzliche Frage?“
„Aleyandra meinte, sie ist Mitglied dieser Einheit, was machen sie?“ Anya zögerte kurz, entschied sich dann jedoch dafür, es Naruz zu erzählen, es würde schon nicht schaden.
„Die Kinder Gaias sind ein Orden, welcher von Großmeister Silberblatt angeführt wird. Sie... jagen Dämonen und abtrünnige Botschafter Gaias, um das Reich vor ihnen zu schützen, eigentlich eine noble Aufgabe, aber...“
„Aber?“
„Ihre Methoden sind... falsch, die Art wie sie vorgehen, sie tun alles was nötig ist, um ihren Auftrag zu erfüllen, sie sind rücksichtslos. Wenn Hochgeneral Andre und seine Hohetempler das strahlende Licht des Reiches sind, dann sind die Kinder Gaias sein dunkler Schatten, ein Schatten der nötig ist, um das Reich in Sicherheit zu wissen, aber nichts desto trotz ein dunkler Fleck innerhalb der Kirche.“
„Also sind sie Attentäter.“ Erneut zögerte Anya, nickte dann jedoch. „Was denkt sie sich dabei?“ murmelte Naruz vor sich hin, woraufhin Anya ihm einen fragenden Blick zuwarf. „Hm? Oh, nichts, nichts, ich rede nur mit mir selbst.“ meinte Naruz, mit einem fröhlichen Lächeln, innerlich schweiften seine Gedanken jedoch wieder zu Aleyandra. Er dachte eigentlich, dass sie nie wieder jemanden umbringen wollte, warum schloss sie sich dann den Attentätern der Kirche an? Das ergab keinen Sinn. Schließlich hatten sie die Tore des Palasts erreicht und Anya blieb stehen, weshalb Naruz es ihr gleichtat. Kurz darauf trat auch schon einer der Hohetempler auf sie zu, ein recht junger Mann, der seinen Helm unter dem Arm trug, weshalb man seine kurzen, rotbraunen Haare sehen konnte.
„Seid gegrüßt, Lady Bladelli und... Sir Naruz, nehme ich an?“ meinte er und verbeugte sich vor den beiden. „Ich bin Ser Gus, Anführer der Leibwache seiner Heiligkeit, Erzbischof Belenus.“ Als der Mann sich vorgestellt hatte, verbeugte sich Naruz vor ihm.
„Ihr habt recht, ich bin Naruz aus Skandia, seit kurzem Botschafter der Gaia, es freut mich Euch kennenzulernen, Ser Gus. Ich bin hier, weil ich um eine Audienz bei Erzbischof Belenus bitten wollte.“ Anya sah Naruz nach diesen Worten erstaunt an. Förmlich und höflich, nach dem was sie in den letzten Tagen gesehen hatte, hätte sie nie gedacht, dass Naruz sich so verhalten könnte.
„Natürlich, Lady Bladelli hat mich bereits vor einigen Tagen darüber informiert, ich werde Euch sofort zu ihm führen, Lady Bladelli wird hier auf Euch warten.“ Erneut verbeugte Gus sich, und bedeutete Naruz, ihm zu folgen. Dieser warf kurz einen Blick zu Anya, die nickte, um ihm zu bedeuten, dass sie warten würde. Also folgte Naruz dem Leibwächter, und gemeinsam betraten sie den Palast.
„Netter Palast, muss teuer gewesen... bei Gaia! Wozu eine so große Halle? Hier könnte man einen Wal unterbringen!“ entfuhr es Naruz, kaum dass er das Innere des Palasts gesehen hatte. Gus lachte kurz auf.
„Diese Reaktion gibt es öfters, auch wenn die meisten es nicht aussprechen, und es ihnen nur ins Gesicht geschrieben steht. Seht Ihr die Tür zu unserer Linken? Sie führt in die Tempelbibliothek, der größten Ansammlung von Büchern und anderen Texten, im gesamten Reich.“
„Ah, ich habe gehört, dass sich hier eigentlich auch ein Grimoire befinden sollte, 'Die Geheimnisse des Waldes', wurde er gestohlen?“
„Was? Nein, wie kommt Ihr darauf?“
„Auf meiner Reise ist mir jemand begegnet, der diesen Grimoire verwendet hat.“
„Ihr seid Lady Aynaeth begegnet?“
„Genau, also wisst Ihr, dass sie diesen Grimoire hat?“ Gus nickte bestätigend.
„Es hatte uns alle verwundert, vor knapp einem Jahr kam sie als Diplomatin aus Vo Astur hier an, und ihr wurde eine private Audienz mit dem Erzbischof gestattet, außer mir durfte niemand sonst anwesend sein. Während dieser Audienz wurde ein Vertrag ausgehandelt, worum genau es dabei geht, darf ich leider nicht sagen. Eine Bedingung der Hexe war es jedoch, dass wir ihr drei Grimoire überlassen, die sich in der Tempelbibliothek befanden.“
„Ich verstehe, also ist Aynaeth eine Verbündete der Kirche?“
„Hm, das ist schwer zu sagen, sie ist noch immer eine Hexe aus Vo Astur, aber der Erzbischof mag sie und hat ihr gestattet, die Villa der Bladelli zu einer Art Botschaft für die Stadt der Hexer zu machen.“ Bevor Naruz eine weitere Frage stellen konnte, erreichten sie ein zweites Tor und Gus hielt an. „Wir sind da, hinter diesem Tor, sitzt Erzbischof Belenus, er wird sich anhören, was Ihr zu sagen habt. Ich denke zwar nicht, dass es notwendig ist, aber ich muss Euch trotzdem darum bitten respektvoll zu sein, Ihr werdet mit dem mächtigsten Mann des Reiches reden.“ Naruz nickte zur Bestätigung, dann öffneten die Wachen, welche hier standen, das Tor, und Naruz betrat den Thronsaal, zusammen mit Gus. Ein roter Teppich führte bis hin zum Thron, auf dem ein alter Mann in weißer Robe saß. Er hatte ein faltiges Gesicht, freundliches Gesicht und einen weißen Bart, in seiner Hand ruhte eine Art Stab oder Zepter, welches golden verziert war. Als er die Treppe erreicht hatte, welche zum Thron hinauf führte, kniete Naruz nieder, und senkte den Kopf, während Gus die Treppe hinauf ging, und sich neben den Thron kniete. „Erzbischof, dies ist Sir Naruz aus Skandia, Botschafter der Gaia. Er ist...“
„... derjenige, der Sonjuno besiegt hat.“ beendete der Erzbischof den Satz, mit einer kräftigen, warmen Stimme. „Ihr dürft aufstehen, Sir Naruz, es gehört sich nicht, für einen Auserwählten der Gaia zu knien, und sei es vor dem Erzbischof.“
„Mein Lord!“ entfuhr es Gus, während Naruz zögernd aufstand. „Ihr seid das Oberhaupt dieses Reiches, es ist nur natürlich, dass man Euch Respekt zollt.“
„Ich bin vor allem ein Diener der Gaia, wie kann ich da von einem ihrer Auserwählten verlangen, vor mir zu knien?“ Gus antwortete nicht, sondern senkte sein Haupt noch ein wenig weiter. „Was kann ich also für Euch tun, Naruz? Ihr kommt aus Skandia? Ein recht weiter Weg, was genau führt Euch nach Navea?“ Naruz holte tief Luft, und erzählte dann seine ganze Geschichte, von Serifs Auftauchen, über den Kampf mit Brian, dem Zwischenstopp in Helonia, das Treffen mit den anderen Eidolons, bis hin zum Kampf mit Sonjuno, nur ein paar Dinge ließ er außen vor, zum Beispiel das Gespräch mit dem seltsamen Fremden, während des Kampfes in den Ruinen.
„Also möchte ich Euch darum bitten, mich in den Reihen der Kirche aufzunehmen, damit ich lernen kann, wie es sich verhindern lässt, zu einem Dämon zu werden.“ schloss Naruz, und sah zum Erzbischof hinauf. Dieser strich sich nachdenklich durch seinen Bart, während er Naruz musterte.
„Ihr seid also Aelius begegnet? Und Uzuriel und Cyril?“
„Genau, und noch zwei weiteren Eidolons, Shirayuki und Sigrun.“
„Aelius, Uzuriel und Cyril gehören zu den Kindern der Gaia, welche von der Kirche ganz besonders respektiert werden, Ihr habt Glück, ihnen allen gleichzeitig begegnet zu sein, nicht viele Botschafter können von sich behaupten, auch nur mit einem von ihnen gesprochen zu haben. Ich werde Eurer Bitte nachkommen, und Euch in den Reihen der Kirche willkommen heißen.“ Während er dies sagte, stahl sich ein Lächeln auf das Gesicht des Erzbischofs, das Naruz nicht ganz deuten konnte. „Gus, bring mir Feder, Tinte und Papier.“
„Sofort, mein Lord.“ meinte Gus, erhob sich und verschwand. Während sie auf seine Rückkehr warteten, sah Naruz sich neugierig um, allerdings gab es außer Säulen und dutzenden, grimmig dreinblickenden Wachen nicht allzu viel zu sehen. Als die Stille ihm zu viel wurde, wandte er sich mit einer Frage an den Erzbischof, die ihm schon eine Weile im Kopf herumspukte.
„Lord Belenus? Ähm... Erzbischof Belenus?“
„Beides ist in Ordnung, wie kann ich Euch helfen?“
„Was hat es mit dem Himmelsturm auf sich? Any... Lady Bladelli konnte mir nicht viel sagen, sie meinte, sie wüsste selber nicht, was genau es mit diesem Turm auf sich hat.“
„Ah, eine gute Frage, um ehrlich zu sein weiß auch ich nicht genau, warum der erste Erzbischof diesen Turm errichtet hat, ich weiß nur, dass es eine Legende gibt, derzufolge man vom höchsten Punkt des Turms aus, mit Hilfe eines magischen Artefakts, mit Gaia selbst in Kontakt treten kann. Meine Theorie ist, dass der erste Erzbischof genau dies versucht hat, ob es ihm jedoch gelungen ist, kann ich nicht sagen, ich vermute jedoch, dass er scheiterte und, um sein Versagen zu vertuschen, alle möglichen Gerüchte über den Turm verbreiten ließ, eines der lächerlichsten ist, dass der Turm errichtet wurde, um die Stadt vor Vögeln zu beschützen.“
„Moment, das ist wirklich ein Gerücht?“
„Was? Nein, jemand hat diesen Witz schon einmal benutzt?“ Naruz starrte den Erzbischof eine ganze Weile einfach nur ungläubig an. Erst als Gus zurückkam und sich räusperte, wandte Naruz den Blick ab. Der Leibwächter gab Belenus die Schreibutensilien, und Naruz wartete schweigend, während Belenus seinen Brief schrieb, ehe er ihn mit Hilfe seines Ringes versiegelte, anstatt Wachs nutzte er Magie dafür, was Naruz erstaunte, er hätte nicht gedacht, dass man Magie wirklich für alles nutzen konnte. Den fertigen Brief gab Belenus an Gus, welcher ihn wiederum an Naruz überreichte. „Lady Bladelli wird Euch zu Großmeister Silberblatt führen, er wird Euch einer Einheit zuteilen und einen Rang verleihen. Gebt ihm diesen Brief, sobald Ihr ihn seht. Ich muss Euch nun bitten zu gehen, ich habe Heute noch einige andere Gäste, um die ich mich kümmern muss.“ Naruz verbeugte sich ein letztes mal vor dem Erzbischof, ehe er sich umwandte und den Thronsaal verließ.
„Naruz aus Skandia...“ murmelte Gus vor sich hin, während er erneut an die Seite des Erzbischofs trat. „Mein Lord, ist er nicht...“
„Doch, ist er.“ meinte Belenus, und erneut stahl sich ein geheimnisvolles Lächeln auf sein Gesicht. „Ich bin gespannt, ob Paolo es auch merken wird. Wie auch immer, lass uns mit den Audienzen fortfahren, ich glaube als nächstes wollte mich ein Bote aus dem Cactaraka Dschungel sehen...“

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Als er den Palast verlassen hatte, ging Naruz direkt auf Anya zu, verlangsamte jedoch seine Schritte, als er merkte, dass sie sich mit jemandem unterhielt. Vor ihr stand ein alter Mann, mit einem strengen, bartlosen Gesicht. Sein Kopf war kahlrasiert und eine große Narbe zog sich quer über sein Gesicht. Er trug eine feuerrote Rüstung und an seiner Seite hing ein Langschwert in einer goldenen Scheide. Anya sah ziemlich nervös aus, so hatte Naruz sie noch nie gesehen, wer auch immer dieser Mann war, er musste ziemlich mächtig sein. Als er merkte wie Naruz sich näherte verstummte er, und wandte sich an den Botschafter.
„Kann ich Euch helfen?“ fragte er, und musterte Naruz, leicht herablassend.
„Nein, tut mir leid, Ihr könnt mir nicht helfen, aber Lady Bladelli hier.“
„Oh? Und was kann meine Enkelin für Euch tun?“
„Enkelin?“
„Das habe ich gerade gesagt, ich bin Paolo Bladelli, Großmarschall der Templer. Wer seid Ihr?“
„Ah, Verzeihung, ich bin Naruz aus Skandia, Botschafter der Gaia. Ich hatte gerade eine Audienz bei Erzbischof Belenus und er meinte, Eure Tochter soll mich zu Großmeister Silberblatt führen, damit er mir einen Rang und eine Einheit zuteilen kann.“
„Naruz? Ihr seid also der Botschafter, der den Dämon getötet hat. Ich muss Euch dafür danken, dass Ihr Anyas Fehler ausgebadet habt.“ meinte Paolo, mit einem strengen Blick zu seiner Enkelin. Als er in Naruz' Augen blickte, spiegelte sich kurz Überraschung auf seinem Gesicht. „Ihr sagtet, Ihr kommt aus Skandia?“
„Ja, wart Ihr schon einmal dort?“
„Zwei mal, aber das ist schon lange her.“ Erneut warf Paolo einen Blick auf Anya, dieses mal lächelte er. „Zufälle gibt es. Naruz aus Skandia, lass mich dir einen Rat geben, halte dich von den Alfar fern.“ mit diesen Worten wandte er sich ab, und marschierte geradewegs auf die Palasttore zu.
„Ähm... netter Mann.“ meinte Naruz an Anya gewandt, als sie alleine waren.
„Wenn auch ein wenig einschüchternd.“ kommentierte Serif, der in diesem Moment an Naruz' Seite erschien.
„Da bist du ja, wo warst du die ganze Zeit?“
„Ich war...“
„Wenn es Euch nichts ausmacht, werde ich Euch nun zu Großmeister Silberblatt führen.“ zischte Anya, und Serif verstummte.
„Ist alles in Ordnung? Habe ich etwas gesagt, um Euch zu verärgern? Oder war es das Gespräch mit Eurem Großvater?“ fragte Naruz.
„Das geht Euch nichts an! Folgt mir!“ ohne auf eine Antwort zu warten setzte Anya sich in Bewegung, in Richtung Militärbezirk. Naruz warf Serif kurz einen Blick zu, der zuckte jedoch nur mit den Schultern und schweigend folgten die beiden Anya. Nach einer Weile hatten sie ihr Ziel erreicht, ein kleines, graues, tristes Gebäude mitten im Militärbezirk. Sie standen vor einem Zimmer im Inneren des Gebäudes und Anya klopfte an die Tür, nachdem sie tief Luft geholt hatte.
„Herein.“ ertönte eine Stimme aus dem Inneren, und Anya öffnete die Tür. Das Zimmer selbst war recht klein und hatte nicht besonders viel, es erinnerte Naruz ein wenig an sein 'Haus' in Skandia. Hinter einem Schreibtisch mitten im Zimmer saß ein Mann, bei dem es sich wohl um diesen Silberblatt handeln musste. Er hatte lange, blonde Haare, blaue Augen und ein, zumindest Naruz' Meinung nach, ziemlich arrogantes Gesicht. „Ah, Anya. Ich nehme an, dies ist der Botschafter, von dem du mir erzählt hast?“ fragte er und würdigte die Templerin keines Blickes, während er Naruz musterte.
„Mein Name ist Naruz, Erzbischof Belenus hat mich so eben in die Reihen der Kirche aufgenommen, und er meinte ich soll Euch diesen Brief geben.“ stellte Naruz sich mit einer leichten Verbeugung vor, ehe er etwas näher an den Schreibtisch ging, und den Brief an Silberblatt übergab.
„Naruz, ja... ich habe schon von dir gehört.“ meinte Silberblatt, während er mit der Hand über den Brief fuhr, woraufhin sich das Siegel löste. Er überflog schnell das Schreiben, ehe er es zerknüllte und in einen nahen Korb warf. „Normalerweise überlässt der Erzbischof es mir ganz alleine, einen neuen Rekruten einer Einheit oder einem Rang zuzuteilen... es ist ungewöhnlich, dass er eine Empfehlung macht. Sag mir, warum bist du der Kirche beigetreten? Was für Ziele hast du?“
„Ich bin der Kirche beigetreten, weil die Eidolons mir gesagt haben, dass ich so verhindern kann, zum Dämon zu werden. Das ist... war mein einziges Ziel.“
„War?“ Naruz nickte.
„Ich will der Kirche helfen, so gut es geht, ich will verhindern, dass Kreaturen wie dieser Sonjuno in unserer Welt ihr Unwesen treiben können. Nach allem was ich gehört habe, hätte diese Bestie beinahe für eine Katastrophe gesorgt, nur weil ein Erzbischof sämtliche Informationen über den Zwischenfall, bei dem er versiegelt wurde, verschwinden ließ. Ich strebe einen Rang in dieser Kirche an, der dafür sorgt, dass solche Geheimnisse mich nicht länger daran hindern können, die Gefahren für das Reich auszuschalten.“
„Also willst du einen Rang, der dir die Geheimnisse der Kirche offen legt...“ Silberblatt überlegte kurz, dann nickte er langsam. „Ich sehe schon, der Erzbischof hatte mal wieder recht. Nun gut, eigentlich würde ich dich erst zu einem Rekruten machen, trotz deiner Leistungen, aber auf Grund von Belenus' Empfehlung werde ich eine Ausnahme machen. Naruz, von nun an bist du Teil der Inquisition, du bist ein Inquisitor im Diensten der Kirche, deine Aufgabe wird es sein, das Reich vor Bedrohungen im Inneren zu beschützen. Jeder Inquisitor wird zusammen mit drei Templern arbeiten, deren Aufgabe es ist ihren Vorgesetzten während seiner Ermittlungen zu unterstützen und zu beschützen, denn ein Großteil deiner Arbeit wird genau daraus bestehen, Ermittlungen und Nachforschungen. Jedes Team von Inquisitoren hat einen Rufnamen, der Name deiner Gruppe wird 'Mantikor' sein.“
„Ich verstehe.“ meinte Naruz, das ging alles schneller, als er erwartet hatte. „Werde ich die Mitglieder dieser Gruppe selber zusammenstellen?“
„Nein, ich werde dir deine Untergebenen zuteilen... lass mich kurz überlegen... Anya Bladelli.“
„Ja, Herr?“
„Du wirst Inquisitor Naruz als Stellvertreterin zur Seite stehen, als Mitglied von Gruppe Mantikor. Deine Villa wird zudem als Hauptquartier von Mantikor dienen.“
„W-was? Aber...“
„Das war keine Bitte.“
„I-ich verstehe, Herr.“ Anya senkte den Kopf, damit hatte sie bei weitem nicht gerechnet. Sie hatte zwar nichts dagegen einem Inquisitor zu dienen, aber Naruz... sie war sich nicht sicher, ob er wirklich das Zeug dazu hatte, überhaupt ein Inquisitor zu sein. Ja, er hatte Sonjuno besiegt, aber abgesehen davon... ihre Gedanken wurden unterbrochen, als Silberblatt fortfuhr.
„Die letzten beiden Mitglieder von Mantikor werden...“ er zögerte kurz, und blätterte durch ein schweres Buch, welches auf seinem Schreibtisch lag, ehe er bei einer Seite anhielt. „Victoria Courtis und Nikodemus Starkas, ich werde ihnen so bald wie möglich die Befehle zukommen lassen, sich der Einheit anzuschließen, momentan sind sie jedoch nicht in Navea, es kann also eine Weile dauern, ehe du sie treffen kannst. Außerdem würde ich dir empfehlen, noch nicht auf Aufträge zu gehen, du hast zwar den Rang eines Inquisitors, aber du hast keine Ausbildung... und keine Waffen, wie es scheint.“ meinte Silberblatt, und warf einen Blick auf den unbewaffneten Naruz. „Ich habe gehört, deine Waffen wurden im Kampf mit Sonjuno vernichtet, gehe am besten zu den Schmieden im Bezirk der Handwerker, direkt südlich von hier, dort wird man dir helfen können. Außerdem wirst du einen Lehrer brauchen...“
„Verzeiht, Großmeister Silberblatt.“ unterbrach Naruz ihn. „Aber würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich mir meinen Lehrer selbst suche?“
„Du hast schon jemanden in Gedanken?“
„Ja.“ Silberblatt schwieg kurz, dann zuckte er jedoch mit den Schultern.
„Wenn du meinst, dann suche dir deinen Lehrer selbst. Kann ich dir noch mit etwas helfen?“
„Nein... obwohl, doch. Seid Ihr derjenige, der Aleyandra ausbildet?“
„Ja, warum?“
„So wie ich es verstanden habe, hat sie einen ziemlich vollen Zeitplan, und ist größtenteils mit ihrem Training beschäftigt. Ich wollte Euch fragen, ob es möglich wäre, ihr ein wenig mehr Freizeit zu geben.“
„Oh? Warum?“
„Sie hat mir viel geholfen, und mich auch durch die Stadt geführt, und ich wollte ihr gerne dafür danken.“ Silberblatt musterte ihn mit einem kalten Blick, ehe er die Augen schloss.
„Wir werden sehen, falls ihre Ausbildung Fortschritte macht... könnte ich ihr vielleicht ein wenig mehr Freizeit einräumen, ich verspreche jedoch nichts.“
„Ich danke Euch, Großmeister.“ meinte Naruz, und verbeugte sich erneut.
„Gibt es sonst noch etwas?“
„Nein, das wäre alles.“
„Gut, dann gehe jetzt bitte, ich bin ein vielbeschäftigter Mann.“
„Natürlich, auf Wiedersehen. Und noch einmal vielen Dank.“

„Ihr seid nicht zufrieden damit, in meiner Gruppe zu arbeiten?“ Anya zuckte zusammen, als sie Naruz' Stimme hörte. Die beiden befanden sich auf dem Weg zum Bezirk der Handwerker, Naruz hatte entschieden, dass es am besten wäre, so schnell wie möglich wieder eine Waffe zu haben. Außerdem würde man ihm hier auch eine Robe anfertigen, wie sie die Inquisitoren trugen. Den ganzen Weg über hatten sie geschwiegen und Anya war in Gedanken versunken gewesen.
„W-was? Nein, nein, keinesfalls... Sir.“ Naruz seufzte, er konnte deutlich spüren, dass die Templerin zumindest nicht gerade begeistert war, unter ihm zu dienen.
„Gut, erste Regel für Gruppe Mantikor; niemand nennt mich Sir.“
„Was?“
„Richtig gehört, niemand nennt mich Sir, nenne mich einfach Naruz. Ich werde dich auch nur Anya nennen. Außerdem, zögere nicht, wenn du etwas an mir auszusetzen hast, ich kann mit Kritik leben.“
„Gut, wenn Ihr... wenn du es so willst.“ meinte die Templerin, hielt an und holte tief Luft, ehe sie sich zu Naruz umdrehte. „Ich glaube nicht, dass du das Zeug zum Inquisitor hast, du magst stark sein, und ein Botschafter Gaias, aber du bist zu sprunghaft, zu lasch und viel zu...“ '...freundlich.' beendete sie den Satz in Gedanken, sprach es jedoch nicht laut aus, das würde irgendwie nicht ganz als Grund passen, warum er kein guter Inquisitor sein würde. Aber es stimmte, dass der Großteil der Inquisition aus humorlosen, strengen Menschen bestand.
„Wenn du meinst.“ war Naruz' Antwort, während der mit den Schultern zuckte und weiterging.
„Was? Hast du mir nicht zugehört?“
„Doch, habe ich, aber würde es etwas daran ändern, jetzt mit dir darüber zu streiten, ob ich ein geeigneter Inquisitor bin, oder nicht? Ich werde einfach beweisen müssen, dass du Unrecht hast, meinst du nicht auch?“ Anya wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, besser gesagt, sie wusste nicht wie sie mit dieser Einstellung von Naruz umgehen sollte. Beinahe ihr ganzes Leben lang, hatte sie mit ihrem Großvater verbracht, einem strengen Mann, der die Ehre der Familie und der Kirche über alles andere stellte. Naruz' zurückgelehnte Einstellung war einfach etwas, dass Anya überhaupt nicht kannte und womit sie nicht wirklich klar kam.
„Oho! Herzlich willkommen im Bezirk der Handwerker!“ ertönte plötzlich eine Stimme neben den beiden, und sie wandten sich um. Vor ihnen stand eine junge Frau, mit kurzen, rosafarbenen Haaren und einem freundlichen Lächeln im Gesicht.

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„Ah, du bist es Anya! Ist mit deinem Schwert alles in Ordnung? Es ist doch nicht kaputt gegangen, oder?“
„Nein, alles in Ordnung, danke.“
„Warum bist du dann hier? Und wer ist das? Dein Freund?“
„Auf gar keinen Fall!“ fauchte Anya und es blitzte gefährlich in ihren Augen.
„Ah... verstehe, nicht dein Freund. Wer bist du?“ wandte die Fremde sich direkt an Naruz und ignorierte Anya.
„Naruz... Inquisitor Naruz, seit heute.“
„Aha! Naruz! Von dir habe ich schon gehört!“ die Fremde sprang förmlich nach vorn, packte Naruz' Hände und schüttelte sie. „Schön dich endlich kennenzulernen, du ahnst gar nicht, wie sehr du mir geholfen hast! Oh! Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Analisa, die Leute hier nennen mich 'die Heilige Schmiedin', einfach weil ich ein wenig bessere Waffen und Rüstungen herstelle als die meisten anderen.“
„Sie untertreibt, und nicht zu wenig.“ schaltete Anya sich ein. „Ihre Waffen sind die besten im gesamten Reich, sie hat zum Beispiel das Schwert des Hochgenerals geschmiedet, das heilige Schwert Excalibur, welches mit einem einzigen Streich einen mächtigen Dämon vernichten kann.“
„Ah, du machst mich ganz verlegen Anya.“ lachte Analisa, und verschränkte ihre Hände hinter ihrem Kopf.
„Wie genau habe ich Euch geholfen, Lady Analisa?“ fragte Naruz, mit einem freundlichen Lächeln. Diese Frau erinnerte ihn von ihrer Art her an Corey, seinen Freund aus Skandia. Er war auch immer bescheiden gewesen, obwohl er für einen Dorfschmied verdammt gute Waffen und Werkzeuge hergestellt hatte.
„Nur Analisa, bitte. Und wie? Du hast diesen Sonjuno getötet, wodurch es mir endlich möglich war, eine Expedition in den alten Tempel der Gaia durchzuführen! Du ahnst gar nicht, was wir gefunden haben! Seltene Metalle und Anleitungen, für neue Kombinationen von Metallen! Und Baupläne für mächtige Waffen, die ich nur aus Legenden kannte!“
„Ähm, ja, gern geschehen.“ meinte Naruz, er hätte nie erwartet, dass die Ruinen sich noch so nützlich für die Kirche erweisen konnten. Das letzte, was er über den Zwischenfall bei den Ruinen gehört hatte, war, was mit den Makar geschehen war. Man hatte sich entschieden, dass Odum und seine Leute Opfer einer Intrige der Alfar waren, und ihnen gestattet, in ihre Heimat zurückzukehren, solange sie auf ihre Ehre schworen, nie wieder gegen die Kirche vorzugehen.
„Also, wenn mit Anyas Schwert alles in Ordnung ist, was führt euch zwei hier her? Einfach ein kleiner Rundgang durch die Stadt?“
„Nicht ganz, wie ich bereits sagte, wurde ich gerade von Großmeister Silberblatt zum Inquisitor ernannt. Leider sind meine Schwerter während des Kampfes mit Sonjuno zerstört worden. Deswegen wollte ich gucken, ob ich hier neue Waffen für mich finden kann.“
„Schwerter? Du kämpft mit mehreren Schwertern?“
„Ja, zwei um genau zu sein, warum? Ähm... Analisa?“ fragte Naruz nervös, als er merkte, dass die Augen der Schmiedin förmlich zu glitzern schienen.
„Zwei Schwerter... hm, gewöhnliche Kurzschwerter? Nein, nein, nicht gut genug, Langschwerter sind ungeeignet... das könnte lustig werden.
„Analisa?“
„Gut! Es ist entschieden, ich werde dir zwei neue Schwerter herstellen!“
„Was? Ich glaube nicht, dass ich genug Geld habe, um dafür zu bezahlen, immerhin seid Ihr eine berühmte Schmiedin.“
„Ach was, du bezahlst nichts. Sieh die Schwerter eher als Bezahlung dafür, dass du mir den Weg in die Ruinen geöffnet hast. Komm mit.“ ohne auf eine Antwort zu warten, packte sie Naruz am Arm und schleifte ihn hinter sich her, bis sie vor einer großen Schmiede zustehen kamen. „Das ist meine Werkstatt... hm... hier und hier.“ meinte sie, und warf Naruz zwei Holzschwerter zu, jedes ungefähr so lang wie Naruz' Unterarm. „Passen die von der Länge her?“
„Was?“
„Passen diese Schwerter von der Länge her? Sind sie zu kurz? Zu lang?“
„Nein, sie sind genau richtig.“ antwortete Naruz, und sah die Schmiedin fragend an. „Was soll...“
„Gut, dann verteidige dich!“ mit diesen Worten schoss die Schmiedin nach vorn, in ihren Händen hielt sie ein Langschwert aus Holz.
„Wie bitte?“ meinte Naruz, und blockte ihren Schlag, in dem er seine beiden Schwerter kreuzte, und die Holzklinge mitten in der Luft aufhielt.
„Ich werde dir neue Waffen herstellen, da muss ich wissen, wie du kämpfst, ansonsten hat es keinen Sinn.“ erklärte Analisa, und schlug erneut nach Naruz, der mit einer schnellen Drehung auswich. In diesem Moment erschien Serif an seiner Seite.
„Ich lasse dich einmal kurz aus den Augen, und schon hast du einen Kampf angefangen, beeindruckend.“
„Ja, ja, halte dich raus.“
„Sicher? Du bist noch immer nicht vollkommen genesen.“
„Ich werde einfach dafür sorgen, dass sie nicht meine Rippen trifft... oder meine Arme... oder Beine.“
„Bleibt also nur der Kopf, nicht, dass es ein Treffer dort großartigen Schaden anrichten würde.“ Naruz ignorierte sein Eidolon, und blockierte den nächsten Schlag von Analisa, ehe er seine zweite Waffe auf ihre Kehle zu schnellen ließ, zu seiner Überraschung gelang es ihr geradeso auszuweichen. Der Schlagabtausch setzte sich ganze zehn Minuten fort, ehe Naruz erschöpft auf ein Knie sank, und zu Analisa hinüber sah, die noch immer vollkommen ausgeruht zu sein schien, sie schwitzte nicht einmal wirklich.
„Für eine Schmiedin, ist sie eine verdammt gute Kämpferin.“ meinte Naruz, an Anya gewandt, die dem Kampf schweigend zusah.
„Ich sagte doch, dass sie das Schwert des Hochgenerals hergestellt hat.“
„Und?“
„Glaubst du, du bist der einzige der gegen sie kämpfen muss, bevor sie ihm eine Waffe herstellt? Sie duelliert sich mit jedem, der eine Waffe von ihr will und das schon seit Jahren, natürlich ist sie im Laufe der Jahre zu einer guten Kämpferin geworden.“
„Also musstest du auch gegen sie kämpfen?“
„J-ja.“ Anya wandte den Blick ab, während sie antwortete, sie hatte keine drei Minuten gegen Analisa bestanden, was sie aber auf keinen Fall zugeben würde. Zumindest nicht vor ihrem neuen Vorgesetzten. Langsam erhob Naruz sich wieder, und raste nach vorn. Er holte mit seiner rechten Klinge zu einem Schlag von oben aus, während die linke Waffe zu einem Stich nach Analisas Brust ansetzte.
„Netter Versuch.“ meinte die Schmiedin mit einem Lächeln, und hob ihr Schwert zur Verteidigung. Naruz war ihr erster Gegner, der mit zwei Schwertern kämpfte, aber sein Kampfstil unterschied sich nicht allzu sehr von denen derjenigen, die lediglich ein Schwert führten. Naruz war noch jung, und nicht allzu kampferfahren, Analisa hatte bereits seine größte Schwachstelle entdeckt, er versuchte sein bestes, mit beiden Waffen anzugreifen, aber er schaffte es nicht ganz, sich auf beide zu konzentrieren, meistens führte er seine Angriffe mit der linken Waffe aus, während die rechte lediglich als Ablenkung diente. Wenn er eine Finte plante, und die Rollen der Waffen umdrehte, warf er immer einen kurzen Blick auf seine rechte Hand, wie um sich vollkommen auf diese Waffe zu konzentrieren, dies war hier nicht der Fall, mit anderen Worten, der Schlag von oben war eine Ablenkung, und würde nur mit wenig Kraft geführt werden, während der Stich der eigentliche Angriff war. Schnell drehte Analisa sich zur Seite um dem Stich zu entgehen, während das erhobene Schwert den Schlag von oben blockierte. Sofort drehte sie sich um, und wollte das Duell mit einem Schlag in Naruz' Rücken beenden, der Botschafter war jedoch nicht mehr da. Stattdessen merkte sie, wie sich eines der Holzschwerter auf ihre Kehle legte, während das andere von hinten gegen ihre Schulter drückte. Seufzend ließ Analisa ihr Schwert fallen. „Gut, ich habe mir ein Bild von deinem Kampfstil gemacht, ich werde dir Klingen herstellen, die perfekt zu dir passen.“ sagte sie, nachdem Naruz sich von ihr entfernt, und die Holzschwerter auf eine nahe Werkbank gelegt hatte.
„Freut mich, das zu hören.“ meinte Naruz erschöpft, während er sich an der Wand der Werkstatt niedersinken ließ.
„Naruz, ist mit Euch... ist mit dir alles in Ordnung?“ fragte Anya, als sie zu ihm hinüber ging, und sah leicht besorgt aus.
„Ah ja, kämpfen ist nur so anstrengend, du brauchst dir keine Sorgen machen.“
„Würde mir nicht einmal im Traum einfallen, aber wenn dir etwas passiert wäre, während ich mit dir unterwegs bin, hätte Silberblatt dafür gesorgt, dass ich nie wieder etwas anderes mache, als in einer Bäckerei Wache zu stehen.“
„Natürlich.“ antwortete Naruz, mit einem Lächeln, und richtete sich wieder auf. „Ich danke Euch dafür, Analisa, dass Ihr mir meine Waffen schmieden werdet. Ich werde mein... Großmeister Silberblatt nannte es 'Hauptquartier', in der Villa der Bladelli haben, schickt einen Boten, solltet Ihr noch Fragen an mich haben, oder wenn die Waffen fertig sind.“
„Wird gemacht, Inquisitor!“ Analisa salutierte, während sie dies sagte, und ging dann ohne Umschweife direkt zu ihrer Werkstatt. „Dann entschuldigt mich jetzt, ich muss gucken, welche Materialien am geeignetsten sind.“
„Wollen wir dann zurück zur Villa gehen?“ fragte Naruz, an Anya gewandt.
„Ja, natürlich... aber wolltest du nicht noch nach einem Lehrer suchen.“ Als Naruz, anstatt zu antworten lediglich lächelte, bekam Anya ein schlechtes Gefühl, und betete, dass er nicht das vorhatte, was sie glaubte.

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Ein wenig später betraten sie die Villa der Bladelli, und wurden von einer Schar von Dienern und Mägden begrüßt, die Anya besorgt ansahen.
„Was ist los?“ fragte die Templerin. „Hat... war Aynaeth wieder in der Küche?“ fragte sie besorgt, und erinnerte sich an das Chaos, welches der Apfelkuchen der Hexe hinterlassen hatte.
„Nein, Herrin... aber die Küche ist Teil unseres Problems. Lady Aynaeth hat die Bibliothek okkupiert.“
„Bitte was?“
„Ihr habt richtig gehört, okkupiert. Kurz nachdem Ihr heute Morgen mit Sir Naruz verschwunden wart, hat sie sich mit einer Decke und einem Kissen in die Bibliothek begeben, und sämtliche Diener rausgeschmissen. Sie hat uns verboten, die Bibliothek zu betreten und gedroht, uns alle in kleine Aschehäufchen zu verwandeln, wenn wir in ihre Nähe kommen.“
„Diese verrückte, exzentrische... Naruz! Wo willst du hin?“ entfuhr es Anya, als Naruz einfach an ihr vorbei ging.
„Zur Bibliothek natürlich, ich muss mit Aynaeth reden.“
„Warte auf mich, ich muss auch ein Wörtchen mit ihr reden.“ meinte Anya und folgte Naruz in Richtung Bibliothek. Kurz vor der Tür blieb sie stehen und wandte sich an die Dienerschaft. „Geht euren Aufgaben nach, wir kümmern uns um Aynaeth.“ Naruz war bereits in der Bibliothek und sah sich suchend um. Überall lagen Bücher und Schriftrollen verstreut, aber von der Hexe war keine Spur zu sehen.
„Hm, wo ist sie? Hat sie die Bibliothek doch wieder verlassen?“ fragte Naruz, während er sich an einem Tisch in der Mitte des Raumes niederließ und seinen Blick über die Bücher schweifen ließ, die hier lagen.
„Wer weiß schon, was in ihrem Kopf vorgeht.“ seufzte Anya und ging zu einem Regal, vor dem ein wahrer Berg aus Büchern lag.
„Ah, Anya schön dich mal wieder zu sehen.“ ertönte eine Stimme hinter Naruz, woraufhin dieser sich umdrehte und erstarrte. Vor ihm in der Luft flog ein kleiner Drache, der ihn aus großen, neugierigen Augen ansah. „Und das muss der neue Botschafter sein... ah, Serif! Lange nicht mehr gesehen!“ entfuhr es dem Drachen, als er Naruz' Eidolon bemerkte, und flatterte zu ihm hinüber.
„Oh, es ist wirklich eine Weile her... Naruz? Das ist Grimm 'Der Rasende Drache', er ist auch ein Eidolon.“
„Erfreut dich kennenzulernen, Naruz.“ meinte der Drache. „Ich bin Aynaeths Eidolon, und eines Tages werde ich ein großer, mächtiger...“
„Wo ist eigentlich deine Partnerin?“ fragte Serif und würgte den Drachen ab.
„Ach ja, da.“ meinte Grimm, und deutete auf den Bücherhügel, vor Anya.
„Was?“ fragte die Templerin verwirrt, und hob eines der Bücher an, woraufhin ihr Blick auf das schlafende Gesicht der Hexe fiel, die plötzlich blinzelte und die Augen öffnete.
„Hallo Anya, ist es schon Zeit zum essen?“
„Würdest du mir bitte erklären, warum du die Diener aus der Bibliothek gejagt hast?“
„Ich habe dir doch gesagt, ich will keine Diener in meinem Zimmer haben.“
„Dein Zimmer ist in der zweiten Etage.“
„War. Jetzt ist mein Zimmer hier, meine Messungen haben es ergeben.“
„Was für Messungen?“
„Ich spare jeden Tag drei Stunden, die ich auf dem Weg zur Küche verschwenden würde, wenn ich hier wohne, also ist es jetzt mein Zimmer.“
„Kommt überhaupt nicht in Frage! Diese Bibliothek ist für alle Bewohner der Villa da! Und was meinst du mit 'drei Stunden'?“
„Plus minus vierzig Minuten, um genau zu sein.“
„Erstens, ist das überhaupt nicht genau, und zweitens, ist dein Zimmer gerademal drei Minuten von der Küche entfernt!“
„Vorausgesetzt, man verläuft sich nicht auf dem Weg.“
„Wie schaffst du das? Du wohnst seit über einem Jahr hier! Du solltest den Weg schon längst kennen! Wir haben Diener hier, die nicht einmal halb so lange hier waren wie du, und die finden sich auch zurecht! Wie auch immer, du kriegst nicht die Bibliothek!“
„Du bist gemein.“ murmelte Aynaeth, während sie sich endgültig aufrichtete, und dabei die Bücher von sich schüttelte. Naruz wandte schnell den Blick ab, als er merkte, dass die Hexe lediglich ein Nachthemd trug, diese schien seine Anwesenheit jedoch vollkommen zu ignorieren, streifte das Kleidungsstück ab, und schleuderte es irgendwo hin. Naruz drehte den Rücken zu ihr und vertiefte sich in ein Gespräch mit Serif und Grimm, während Aynaeth durchs Zimmer stolperte und ihre Robe suchte. „Anya? Hast du meine Robe gesehen?“
„Ja, sie liegt direkt neben dem Bücherhaufen, unter dem du begraben warst.“
„Ah, Tatsache.“
„Wie fühlt es sich eigentlich an, ein Drache zu sein und Feuer zu spucken?“ fragte Naruz gerade an Grimm gewandt, als Aynaeth vor ihm auftauchte und Grimm packte. Inzwischen trug sie wieder eine Robe, auch wenn diese vollkommen anders aussah als die, die sie bisher angehabt hatte.
„Grimm ist kein Drache.“ meinte sie, während sie Grimm in den Arm nahm, und an ihre Brust drückte.
„Was? Aber sein Titel ist doch 'Der Rasende Drache', oder nicht?“
„Das ist egal, Grimm ist kein Drache, guck ihn dir doch einmal an.“ meinte sie, und hielt Grimm direkt vor Naruz' Gesicht, während ihre Augen Naruz auffordernd anstarrten. „Er ist viel zu klein und zierlich um ein Drache zu sein, er ist eine Flugechse.“ Bei diesen Worten der Hexe verschwand der fröhliche Gesichtsausdruck, den der Drache bisher aufgesetzt hatte, und wich einer äußerst deprimierten Miene.
„Nicht schon wieder, Aynaeth! Ich bin ein Drache! Ich bin ein Drache! Drache, Drache, Drache!“
„Ist er nicht niedlich?“ fragte Aynaeth, und ignorierte Grimm, der versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien. „Ich hasse Drachen, aber ich mag Grimm, also kann Grimm kein Drache sein.“ kommentierte sie, ehe sie den Drachen wieder an sich drückte.
„Eine unerschütterliche Logik.“ meinte Naruz lachend. „Ich habe aber etwas, um das ich dich bitten will, Aynaeth.“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Ich bin nun ein Mitglied der Inquisition, allerdings muss ich gestehen, dass ich ein totaler Anfänger bin, wenn es um den Gebrauch von Magie geht, und ich habe auch keine Ahnung, wie ich verhindern kann, eines Tages zu einem Dämon zu werden. Also dachte ich mir, dass du als mächtigste, lebende Hexe, und erfahrene Botschafterin der Gaia, mir helfen könntest. Ich möchte dich darum bitten, meine Lehrerin zu werden.“
„Was?!“ entfuhr es Grimm, Serif und Anya gleichzeitig. Die Templerin hatte so etwas schon befürchtet, aber trotzdem konnte sie nicht glauben, dass Naruz die Hexe um Hilfe bat. Serif war überrascht, weil er nie erwartet hätte, dass Naruz sein Training und seine Ausbildung wirklich ernst nehmen würde, und Grimm, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass jemand tatsächlich dachte, dass seine Herrin irgendjemandem etwas beibringen konnte.
„Nein.“ lautete die sofortige Antwort der Hexe. „Das wäre viel zu anstrengend, und ich habe wichtigeres zu tun.“ Gerade als Aynaeth sich abwenden wollte, bemerkte sie das hinterhältige Lächeln in Naruz' Gesicht, und hielt inne. „Dein Lächeln sagt mir, dass du mich davon überzeugen kannst, dich zu unterrichten.“
„Ganz genau.“
„Und wie willst du das schaffen? Mich zu einem Duell herausfordern?“
„Nein, nein, ich hätte nicht den Hauch einer Chance, gegen eine Hexe.“
„Wie willst du es sonst schaffen mich zu überzeugen?“
„Ich bin jetzt ein Inquisitor.“
„So viel habe ich schon mitbekommen.“
„Anya ist meine Untergebene, und diese Villa wurde zu meinem Hauptquartier gemacht.“
„Und weiter?“
„Ich kann Anya befehlen, dir diese Bibliothek zu überlassen.“
„D-das würdest du wirklich tun?“ fragte die Hexe, mit großen Augen.
„Natürlich, es wäre wirklich einfacher, hier zu wohnen, man würde Energie sparen, da alle wichtigen Räumlichkeiten direkt in der Nähe liegen, nicht nur die Küche. Von der Bibliothek aus ist auch der Weg zum Eingang am kürzesten, und ein Bad ist auch direkt in der Nähe, außerdem ist es näher an den Räumlichkeiten der Diener, falls man mal ihre Hilfe braucht, muss man nicht so lange auf sie warten.“ Alle Anwesenden starrten Naruz ungläubig an, alle außer Aynaeth, die ihn aus großen, aufgerissenen Augen geradezu anzufunkeln schien.
„Ein Seelenverwandter!“ brach es aus ihr hervor, und sie wischte sich eine nicht existente Träne aus dem Augenwinkel. „Endlich jemand, der mich versteht! Lass uns sofort mit deiner Ausbildung anfangen!“
„Moment, was?“ entfuhr es Anya, die ganze Sache ging ihr gerade zu schnell. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dem zugestimmt zu haben!“
„Anya?“
„Ja, Naruz?“
„Es ist ein Befehl deines Vorgesetzten, die Bibliothek wird fortan Aynaeth gehören, und jeder der hinein will, muss ihre Erlaubnis haben.“ meinte Naruz mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht, welches jedoch gleichzeitig sagte, dass er es vollkommen ernst meinte.
„Womit habe ich das verdient?“ Anya fasste sich an die Stirn, und wandte sich von den anderen ab. „Ich werde die Diener von der Situation unterrichten, und ihnen sagen, dass sie sich, wenn es geht, von der Bibliothek fernhalten sollen.“
„Und dass sie mir ein Bett hier her bringen sollen.“ fügte Aynaeth hinzu, woraufhin Anya sich ungläubig zu ihr umdrehte. „Das war ein Scherz.“
„Gut, ich wollte schon sagen...“
„Immerhin kann ich mir jederzeit mit meinen Grimoiren ein Bett holen, ich bin mir sicher, wenn ich die richtigen Luftmagie Grimoire verbinde, kann ich das Bett...“
„Wenn ich es mir recht überlege... lass mich kurz mit den Dienern reden, und sehen was sich wegen dem Bett machen lässt.“

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Eine Woche später stand Naruz an eine Säule des Marktplatzes gelehnt, und starrte in den Himmel, während er wartete. Er trug eine leichte, rote Rüstung mit verzierten Schulterstücken, an denen das Symbol der Bladelli Familie zu sehen war, dazu eine weiße Hose und rote Stiefel. Während er wartete, dachte er an die letzten Tage zurück. Seine Ausbildung bei Aynaeth verlief nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hatte. Anstatt ihm etwas über Magie beizubringen, oder ihm zu sagen, wie er verhindern konnte zu einem Dämon zu werden, hatte sie ihm alles mögliche und wissenswerte über die Welt erzählt. Sie meinte, es sei äußerst wichtig für einen Inquisitor alles über die Welt zu wissen, dass es zu wissen gibt. Zumindest konnte Naruz sich dank ihren Erklärungen aus einer Sache einen Reim machen, und zwar aus dem seltsamen Mann, dem er und Aleyandra im Lager der Piraten begegnet waren. Nach allem, was Aynaeth ihm erzählt hatte, hegte Naruz keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei ihm um einen Alfar handelte. Laut Aynaeth waren die Alfar die einzige Rasse auf der Welt, die Magie mit Hilfe einer gesprochenen Formel wirkte, wenn man von der Lichtmagie der Kirche absah, welche mit Hilfe einer Art Gebet gewirkt wurde. Außerdem hegte Naruz die Hoffnung, dass die Hexe ihm mit dem Kristall aus der Truhe helfen konnte. Nachdem er ihr den Gegenstand gezeigt, und ihr alles gesagt hatte, was er von Cyril darüber wusste, war sie regelrecht begeistert gewesen, und meinte, sie würde den Kristall umgehend untersuchen, was Naruz ein paar freie Tage beschert hatte. Gut, eigentlich hätte er sich jederzeit frei nehmen können, Aynaeth hätte es nicht gestört, aber Anya wäre wohl alles andere als zufrieden gewesen, wenn er einfach so faulenzen würde. Überhaupt schien die Templerin in letzter Zeit ziemlich aggressiv zu sein, es schien ihr überhaupt nicht zu gefallen, dass er die Bibliothek ihrer Familie praktisch verschenkt hatte, aber darüber konnte er sich auch noch später Sorgen machen. Vorgestern hatte er Aleyandra bei ihrem Training besucht und ihr ein wenig zugeguckt. Sie schien wirklich Fortschritte zu machen, so weit Naruz es beurteilen konnte bewegte sie sich bereits viel schneller und geschickter als noch in Helonia. Während einer kurzen Pause waren sie ins Gespräch gekommen, und Naruz hatte ihr erzählt, dass er von Silberblatt in den Rang eines Inquisitors erhoben wurde. Aleyandra hatte ihm dann gesagt, dass sie bald einen freien Abend haben würde, als 'Belohnung' für ihre Fortschritte im Training, also hatten sie sich für den heutigen Tag verabredet, sie wollten sich gegen Abend am Marktplatz treffen, nahe des Militärbezirks. Naruz' Blick glitt zu seinem Rucksack, den er neben sich abgestellt hatte, er war sich noch immer nicht sicher, wie Aleyandra darauf reagieren würde, aber er hoffte, dass es ihr gefallen würde. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, kam Aleyandra aus einer nahen Seitenstraße und winkte ihm zu, woraufhin er sie mit einem Lächeln begrüßte und auf sie zu ging.
„Tut mir leid, das Training hat ein wenig länger gedauert, hast du lange gewartet?“ fragte Aleyandra, und schien ein wenig nervös zu sein. Sie trug den Rock und die Bluse, die sie getragen hatte, als sie ihm auf dem Weg nach Lunarin begegnet war, und es stand ihr ziemlich gut.
„Nein, nein, ich musste vorher noch etwas erledigen.“ log Naruz, um sie zu beruhigen. „Du siehst gut aus.“
„W-was? Oh, danke, du siehst auch gut aus... ich habe dich noch nie in diesen Sachen gesehen, sind die neu?“

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„Ja, es wird noch eine Weile dauern, bis meine Robe fertig ist, anscheinend handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Kleidungsstück, sondern um eines, welches mit diversen Zaubern belegt wird, um den Träger zu schützen. Da ich ansonsten nicht allzu viele Sachen habe die meinem neuen Stand... angemessen sind...“ Naruz zog eine Grimasse, als er dies sagte, die deutlich zeigte, was er von der ganzen Sache hielt, wenn es nach ihm ginge, würde er in einfachen Wollhemd und Hose rumlaufen. „... und mein Hauptquartier in der Villa der Bladelli ist, meinte Paolo Bladelli, Anyas Großvater, dass es seine Pflicht ist, mich 'ansehnlich' zu machen, weshalb er mir diese... Rüstung? Uniform? Wie auch immer, er hat sie mir machen lassen, wofür ich ihm ziemlich dankbar bin, um ehrlich zu sein, es ist bequem und sieht ganz nett aus.“
„Dein Hauptquartier ist in Anyas Villa?“ entfuhr es Aleyandra schockiert, woraufhin Naruz sie überrascht ansah.
„Ja, ist es. Anya ist außerdem meine Stellvertreterin, Großmeister Silberblatt hat es so entschieden, erzählt er dir denn gar nichts?“
„Nein, ich wusste davon nichts... generell sagt er kaum etwas, außer es hat mit dem Training zu tun.“
„Wie dem auch sei, wir sind ja nicht hier, um uns über unser Training zu beschweren, lass uns ein wenig über den Marktplatz gehen, ich war zwar schon einmal hier, aber ich hatte noch keine Zeit, um mir alles anzusehen, dir geht es bestimmt genau so, immerhin hast du ständig Training.“ mit diesen Worten hob Naruz seinen Rucksack auf, während Aleyandra seinen Arm packte, und ihren Kopf an seine Schulter lehnte.
„Gut, dann lass uns gehen.“ meinte sie, mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Zusammen gingen die beiden eine Weile über den Marktplatz, und hielten an einigen Ständen an, darunter an einem Stand, wo tatsächlich Haustiere verkauft wurden. Aleyandra beugte sich hinab, und streichelte ein kleines Kätzchen, dass in seinem Käfig hockte, und die Botschafterin aus großen, neugierigen Augen anstarrte.
„Ihr mögt Katzen?“ fragte der Verkäufer, freundlich an Aleyandra gewandt, während Naruz ein wenig Abstand hielt und sie dabei beobachtete, wie sie mit der Katze spielte.
„Ja, ich finde sie unglaublich niedlich.“ antwortete Aleyandra, mit einem Nicken.
„Wie wäre es, wenn ich Euch einen kleinen Rabatt gebe? Es ist selten, dass hier jemand kommt der...“
„Leider muss ich ablehnen, ich habe keine Zeit mich um ein Haustier zu kümmern.“ unterbrach Aleyandra den Mann, mit einem leicht enttäuschten Unterton in der Stimme.
„Oh, ich verstehe. Nun gut, solltet Ihr es Euch jemals anders überlegen, Ihr wisst wo Ihr mich finden könnt!“ Kurze Zeit später verabschiedete Aleyandra sich vom Verkäufer, und vom Kätzchen, und ging zusammen mit Naruz weiter. Nach einer Weile saßen die beiden vor einem Gasthaus und aßen zu Abend, auch wenn Naruz eher damit beschäftigt war Aleyandra beim Essen zuzusehen, sie sah einfach unglaublich niedlich aus, während sie versuchte ihr Gericht mit zwei Stäbchen zu essen, die sie an Stelle einer Gabel und eines Messers dazu bekommen hatte, anscheinend war es Tradition hier in Navea so zu essen. Naruz hatte damit keinerlei Probleme, bei ihm zuhause hatten sie immer so gegessen, seine Mutter stammte aus Navea, so weit er wusste, auch wenn sie angeblich ihr ganzes Leben in Skandia verbracht hatte, vermutlich hatte sie es einfach von ihren Eltern übernommen. Zwar wurde nie viel über seine Großeltern gesprochen, aber Naruz wusste, dass sie ihr ganzes Leben in Navea gelebt hatten, zumindest mütterlicherseits. Nach einer Weile erbarmte Naruz sich Aleyandra, und zeigte ihr, wie genau sie die Stäbchen halten musste, wodurch es ihr immerhin gelang langsam aber sicher die Nahrung in ihren Mund zu bringen. Nach einer Weile legte sie die Stäbchen zur Seite und trank einen Schluck Wasser, dass sie sich zum Essen bestellt hatte, Silberblatt wäre sicherlich nicht begeistert, wenn sie Wein trank, oder Bier, wie Naruz.
„Ähm, bist du dir eigentlich sicher, dass du das alles bezahlen kannst?“ fragte Aleyandra nervös, als auch Naruz fertig war. Die Preise hier waren recht hoch gewesen, zumindest verglichen mit dem, was sie gewohnt war.
„Natürlich.“ meinte Naruz, und ließ einen schweren Geldbeutel auf den Tisch fallen. „Aynaeth hat während ihren Nachforschungen...“
„Wer ist Aynaeth?“ fuhr Aleyandra dazwischen, und senkte sofort den Blick, während sie leicht rot anlief. „Entschuldigung, ich wollte dich nicht unterbrechen, ich war nur... ähm, neugierig.“
„Kein Problem.“ antwortete Naruz, und lächelte sie freundlich an, woraufhin sie sich beruhigte. „Aynaeth ist meine Lehrerin, sie ist die Hexe, der wir nahe Helonia begegnet sind, falls du dich an sie erinnerst.“
„Ah... ja, ich kann mich daran erinnern. Moment, sie ist kein Feind?“
„Anscheinend nicht, sie bildet mich jedenfalls aus, nebenbei stellt sie alle möglichen Nachforschungen an. Und während einer hat sie etwas herausgefunden, die Kirche hat eine Art Kopfgeld auf alle Dämonen ausgesetzt, die auf Terra wandeln, je mächtiger der Dämon, desto größer die Belohnung. Dieses Kopfgeld galt auch für Sonjuno, weshalb ich vor ein paar Tagen einen Haufen Geld von der Kirche bekommen habe... es ist zwar bei weitem kein Vermögen, aber weit mehr, als ich jemals gehabt habe.“
„Oh? Es gibt also ein Kopfgeld auf Dämonen?“ das musste sie sich merken, wenn es stimmte, gäbe es vielleicht eine Möglichkeit sich ein wenig Geld extra zu verdienen, während ihren Aufträgen.
„Scheint so... ach ja, einen Augenblick.“ meinte Naruz, und wühlte kurz in seinem Rucksack herum, ehe er etwas herauszog und an Aleyandra übergab. Diese nahm es verdutzt an, und betrachtete es genauer, ehe sie merkte, dass es sich um ein Plüschtier in Katzenform handelte. Es hatte weißes Fell und große, violette Augen.
„Das ist für mich?“ fragte sie, und starrte Naruz aus großen Augen an. Dieser nickte.
„Ich musste sofort an dich denken, als ich sie gesehen habe, außerdem wollte ich mich sowieso noch irgendwie dafür bedanken, dass du mir die Stadt gezeigt hast. Gefällt es dir?“ Aleyandra nickte. „Gut, das freut mich.“ meinte Naruz erleichtert, er war sich nicht sicher gewesen, was Aleyandra von einem Plüschtier als Geschenk halten würde, aber wenn es ihr gefiel, war ja alles in Ordnung. Ein wenig später verließen sie das Gasthaus und machten sich auf dem Heimweg. Gut gelaunt gingen sie nebeneinander her zur Villa, während sie sich unterhielten. Aleyandra drückte die ganze Zeit über die Stoffkatze an sich, als wäre es der wertvollste Schatz der Welt. Als sie den Eingang des Anwesens erreichten, öffnete er ihr die Tür und Aleyandra huschte an ihm vorbei. Silberblatt würde sie sicher nicht gleich umbringen, nur weil sie einmal ihr Abendgebet verpasste. Plötzlich fuhr Naruz nervös herum und starrte stirnrunzelnd in die dunkel werdenden Gassen und Straßen hinter sich. Er hatte irgendwie das Gefühl beobachtet zu werden, als er aber nach einer Weile niemanden sah, zuckte er kurz mit den Schultern, und betrat hinter ihr die Villa.

Nicht allzu weit entfernt starrte ein Paar goldener Augen aus einer dunklen Gasse, direkt in Richtung Villa der Bladelli. Eine Kapuze bedeckte den Kopf der Gestalt, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie beobachtete, wie der junge Mann die Villa betrat.
„Bruder.“ ertönte ein Flüstern hinter der Gestalt, woraufhin sie sich umdrehte. Vor ihr kniete eine weitere Gestalt, weiblich, die ebenfalls eine Kapuze trug.
„Hast du getan, worum ich dich gebeten habe?“
„Ja, Bruder. Sein Name ist Naruz, und er kommt aus Skandia... er könnte es sein... vielleicht.“
„Vielleicht ist nicht gut genug!“ zischte die Gestalt, woraufhin die andere, allem Anschein nach die Schwester, zusammen zuckte. „Aber trotzdem gute Arbeit.“ fügte der Bruder mit freundlicher Stimme hinzu, woraufhin die andere Gestalt sich erhob und ihn anlächelte.
„Ich bin Eures Danks nicht würdig, Bruder.“
„Sag so etwas nicht, du bist der Stolz unserer Familie, eines Tages wirst du mich übertreffen, dessen bin ich mir sicher.“ flüsterte er, und strich ihr kurz über die Wange. „Gehe nach Skandia, stelle dort deine Nachforschungen an... unauffällig und vor allem ohne Tote, Tote sorgen immer für Fragen, und ich kann keine Fragen gebrauchen.“
„Natürlich, Bruder. Was werdet Ihr tun?“
„Ich werde hier ein wenig herumstöbern, mal sehen was ich herausfinden kann. Solltest du in Skandia nichts genaues finden gehe nach Helonia und Lunarin, wenn es sein muss auch in die Ruinen, überall, wo er war, ich muss es genau wissen.“
„Jawohl, Bruder.“ lautete die Antwort, und die Gestalt verbeugte sich erneut.
„Dann gehe jetzt, Ruhm und Ehre für den Blutenden Turm...“
„... unser Leben für die Herrin und den Drachen der Endzeit.“
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Re: [AAR] Kawaii Kingdom

Beitragvon Vanidar » 18. Juni 2014 17:16

14. Der erste Auftrag (Öffnen)
14. Der erste Auftrag


Gut gelaunt erklomm Aleyandra die Stufen in dem kleinen, unscheinbaren Haus ihres Großmeisters. Heute Abend hatte sie endlich wieder frei. Nur einmal in der Woche durfte sie ihr Abendgebet vernachlässigen und sich stattdessen mit Naruz treffen. Ein Privileg, für das sie hart arbeiten musste und das nicht leicht zu bekommen gewesen war. Silberblatt war im Laufe der Zeit nur noch strenger geworden und hatte sogar die Zeit gekürzt die sie eigentlich zum Schlafen nutzte. Zu seiner Verteidigung musste man allerdings sagen, dass Aleyandra in vielen Bereichen der Ausbildung keine gute Figur machte. Den Kampf mit Schwertern, Dolchen, Äxten, Krallen und eigentlich allem was scharfe Klingen oder Spitzen besaß, hatte sie mittlerweile verzweifelt aufgegeben. Silberblatt war zumindest in dem Punkt ganz ihrer Meinung. Man sollte ihr keine scharfen Waffen in die Hand drücken, damit gefährdete sie ihr eigenes Leben und das aller auf dem Trainingsgelände. Einmal war ihr das Schwert aus der Hand gerutscht und hätte fast einem Templer den Kopf abgetrennt. Seitdem durfte sie die Übungen mit Klingenwaffen weglassen.
Sechs Monate waren inzwischen vergangen, seit sie mit ihrer Ausbildung unter Silberblatt begonnen hatte und langsam gewöhnte sie sich an ihren geregelten Tagesablauf, auch wenn er sie noch immer oft langweilte und nervte. Neben dem Training gab es eigentlich nur noch eins für sie, Naruz. Sie hatte kaum Zeit für sich selbst und die verbrachte sie meistens in der Villa der Bladelli, oder erkundete mit ihm die Stadt. Inzwischen kannte sie sich etwas besser aus und lief regelmäßig rot an, wenn sie zusammen mit Naruz am Himmelsturm oder der Residenz des Erzbischofs vorbeiging. Aber er war rücksichtsvoll genug, um niemals anzusprechen, was sie ihm alles für einen Unsinn erzählt hatte und dafür war sie ihm dankbar. Ohne Naruz, wäre sie in ihrer Zeit in Navea durchgedreht. Es war nicht ganz so wie erwartet. Eigentlich hatte sie immer davon geträumt eine große Magierin zu werden, die auf dem Weg zu wahrer Macht ganz Midgard durchstreifte, aber ihre magischen Fähigkeiten machten als einziges keine Fortschritte. Noch immer, war sie kaum in der Lage Zauber ohne die Hilfe ihrer Pistolen oder Fallen zu weben und das ärgerte sie. Dazu kam, dass sie keine Zeit hatte in der Stadt Freunde kennen zu lernen. Die Mitglieder der Kinder Gaias hielt man voneinander fern und sie hatte noch keinen von ihnen kennengelernt. Nur hin und wieder sah sie wie Männer und Frauen in schwarzen Rüstungen sich mit ihrem Meister unterhielten oder sein Haus verließen. Sie selbst hatte auch ein Zimmer in diesem Haus, aber hielt sich dort nur selten auf. Möglicherweise hätte sie sich auch mit Naruz neuen Freunden anfreunden können. Mit seinem ach so tollen Team und den Bladelli, aber Aleyandra hielt sich eher von ihnen fern. Sie hatte noch immer Angst davor, dass Naruz sie verlassen könnte. In Helonia hatte sie auch geglaubt, dass er sie liebte und dann war er mit Alesia ins Bett gesprungen, ohne auch nur ein einziges mal an sie zu denken. So etwas konnte jederzeit wieder passieren. Verglichen mit den anderen Frauen in seiner Umgebung und in der Stadt war sie ihrer Meinung nach einfach nur hässlich.

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Im Moment hatte sie aber ein neues Problem, Silberblatt wollte sie sehen. Kaum hatte sie sein Zimmer betreten, trat er auch schon auf sie zu und begann zu sprechen.
„Wir müssen reden, Aleyandra. Es ist wichtig.“ er setzte eine ernste Miene auf...also noch ernster als sonst, was sie sofort aufhorchen ließ.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Im Gegenteil, der Erzbischof hat mich Heute davon in Kenntnis gesetzt, dass es an der Zeit ist, dir deinen ersten Auftrag zu erteilen, dein erstes Ziel. Falls du schon dazu bereit bist.“ Prüfend musterte er die überraschte Aleyandra, die im ersten Augenblick zu verwirrt schien um jemals wieder etwas sagen zu können. „Bist du es?“
„Selbstverständlich. Ich warte schon die ganze Zeit darauf, mich endlich zu beweisen und Gaia mit Leib und Seele zu dienen.“ Ehrfurchtsvoll kniete sich Aleyandra vor ihm hin und senkte den Kopf. Ihr Herz klopfte vor Aufregung. Endlich, ihr erster Auftrag und danach wäre sie ein festes Mitglied der Kinder Gaias. Dann müsste sie keine Angst mehr davor haben das Templer wie Anya sie einfach festnahmen und hinrichten ließen, dann war sie eine wahre Dienerin der Göttin.
„Die Auserwählten Gaias knien vor niemandem.“ erinnerte Silberblatt sie mit einem leicht spöttischen Unterton, machte aber keine Anstalten sie zum Aufstehen zu bewegen. Er hielt nicht viel von den Botschaftern.
„Ich bin keine Auserwählte der Göttin und es ist mir nicht erlaubt diesen Titel zu tragen, das wisst Ihr.“ antwortete sie ein wenig zerknirscht, als er sie daran erinnerte. Im Gegensatz zu Naruz, war sie bisher jedesmal durch die magische Überprüfung der Templer gefallen und galt damit in den Augen der Kirche nicht als eine Botschafterin Gaias. Man duldete ihre Existenz nur, weil Silberblatt sich für sie und ihren potentiellen Nutzen verbürgte und genau deswegen würde sie ihn auch nicht enttäuschen.
„Was bist du dann?“
„Eine schwarze Templerin.“ murmelte sie, den Blick noch immer demütig gesenkt. „Eine Dienerin Gaias, die nur dazu existiert den Willen der Göttin auszuführen.“
„Es ist wichtig, dass du deinen Platz in Midgard kennst, den Weg den die Göttin dir vorgegeben hat.“ endlich bedeutete Silberblatt ihr mit einer kurzen Handbewegung aufzustehen, anscheinend hatte ihn ihre Antwort zufrieden gestellt „Wenn du der Meinung bist, dass du bereit bist, dann werde ich deinem ersten Auftrag nicht im Weg stehen.“
„Ihr seht nicht überzeugt aus. Denkt Ihr ich bin noch nicht so weit?“ unsicher erhob sie sich wieder und fragte sich kurz, ob sie in letzter Zeit irgendwelche besonders schwerwiegenden Fehler begangen hatte, aber ihr fiel nichts ein.
„Doch, es ist alles in Ordnung...denke ich. Ich hatte nur für den Anfang mit einem etwas einfacheren Auftrag für dich gerechnet, aber du solltest in der Lage sein damit fertig zu werden. Einem gewöhnlichen Schüler würde ich diese Aufgabe nicht so leichtfertig übertragen, aber für dich ist es genau das Richtige. Um ehrlich zu sein, bist du dafür besser geeignet als meine erfahrensten Kinder Gaias.“
„Ach? Ich bin unfähig darin mich an jemanden heranzuschleichen, ohne über meine eigenen Füße oder eine übereifrige Alessa zu stolpern, wenn man mir ein Schwert in die Hand drückt töte ich mich damit fast selbst, meine magischen Fähigkeiten sind lächerlich und ich habe keinerlei Orientierungssinn. Also muss es mit meinem besonderen Gespür für die Auserwählten der Göttin zu tun haben. Richtig?“
„Genau, gut erkannt. Du wirst einen Botschafter Gaias jagen, der außer Kontrolle geraten ist und sich möglicherweise schon bald in einen Dämon verwandeln wird. Es wird deine Aufgabe sein den Botschafter noch vor seiner Verwandlung zu finden, bevor er Schaden anrichten kann.“
„Einen einfacheren Auftrag hättet Ihr mir nicht zuteilen können.“ meinte Aleyandra überheblich und strotzte plötzlich nur so vor Selbstvertrauen. Etwas besseres hätte ihrer Meinung nach gar nicht passieren können. Wenn sie etwas konnte, dann andere Auserwählte aufspüren. Silberblatt dagegen zog überrascht eine Augenbraue hoch. Ihr etwas übertriebenes Selbstvertrauen gefiel ihm nicht. Das Ganze würde nicht so einfach werden wie sie es sich jetzt noch vorstellte.
„Dein Ziel.“ Silberblatt machte eine beiläufige Handbewegung und wie aus dem Nichts, erschien vor ihr in der Luft das Abbild eines dreizehnjährigen Mädchens mit langen, etwas wirr aussehenden, blonden Haaren und blauen Augen, die sie freundlich anfunkelten und ihr strahlendes, offenes Lächeln widerspiegelten. „Yuki Akashi. Sie stammt aus einer der einflussreichsten Familien Naveas.“

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„Das ist bloß ein kleines Mädchen...“ man konnte Aleyandra deutlich ihre Enttäuschung anhören. Sie hatte etwas anderes erwartet.
„Ihr Vater, ist Kyosuke Akashi, das derzeitige Oberhaupt der Akashi-Familie. Eine der ältesten Familien im Kirchenstaat und ohne Zweifel die mächtigste. Sie haben in der Vergangenheit sogar schon mehrfach den Erzbischof gestellt und konnten im Laufe der Jahrhunderte unvergleichliche Reichtümer anhäufen. Dazu kommen weite Ländereien im fruchtbaren und reichen Süden des Landes. Vermutlich gehört ihnen sogar der Boden auf dem Helonia steht. Verglichen mit ihnen, sind die Bladelli nichts weiter als gewöhnliche Soldaten, die in den letzten Jahren etwas Glück hatten.“
„Dann ist sie also auch eine Botschafterin Gaias? Sie sieht so jung aus verglichen mit mir oder Naruz.“
„Normalerweise ist es ungewöhnlich, dass sich die Gabe schon in so jungem Alter zeigt. Eigentlich tauchen die Eidolons erst auf, wenn die Auserwählten sich ihrer magischen Kräfte bewusst werden und das passiert nicht früher als bei gewöhnlichen Magiern auch, also etwa im Alter von Sechzehn bis Zwanzig. Bei ihr dagegen, ist die magische Macht, die sie mit sich herumträgt, so gewaltig, dass sie bereits früher hervorbrach und plötzlich tauchte eines Tages ein Eidolon an ihrer Seite auf. Ihre Familie war sehr stolz darauf, einen Botschafter Gaias hervorgebracht zu haben. Es gilt als die höchste Ehre, die man von der Göttin empfangen kann und die Akashi betrachteten es als Segen, was auch verständlich war. Soweit ich weiß, galt das Mädchen schon immer als ausgesprochen kränklich und schwach. Sie erkrankte jedes Jahr aufs neue und jedes mal schwerer als zuvor. Die Auserwählten Gaias erfreuen sich beinahe perfekter Gesundheit. Nur wenige Krankheiten können nicht durch die Verbindung mit einem Eidolon geheilt werden.“ nachdenklich hielt Silberblatt inne und dachte zurück, an dem Moment, in dem er davon gehört hatte. Es klang schon damals einfach zu schön um wahr zu sein, fast wie ein richtiges kleines Wunder. „Allerdings fiel die Überprüfung bei ihr nicht so aus wie erwartet. Die Magie der Templer, entdeckte in ihr großes zerstörerisches Potential. Eine sich beständig ausbreitende Dunkelheit, die von ihrem Herzen und ihrer Seele Besitz ergriff.“
„So wirkt sie gar nicht. War es so wie bei mir? Wenn ja, hätte ihre Familie sie sicher beschützen können. Euch ist es ja auch gelungen mir zu helfen.“
„Das stimmt, aber bei ihr ist es weitaus schlimmer. Deine Überprüfung war bisher nie eindeutig und kein Templer weiß, was damit nicht stimmt. Aber bei dem Mädchen ist es anders. Jeder mit ein bisschen Gespür für den Fluss der Magie, wäre in der Lage, die Finsternis in ihr zu erkennen, auch wenn sie nach außen hin immer aufgeweckt und freundlich wirkte. Der Einfluss ihrer Familie bewahrte sie vor einem schnellen Tod und die Akashi versuchten ihre Hinrichtung zu verhindern. Letztendlich gelang es ihr zu fliehen, bevor der Erzbischof eine endgültige Entscheidung treffen konnte. Die Flucht fand bereits vor mehr als drei Monaten statt. Ich habe damals einige erfahrenere Kinder Gaias auf ihre Spur angesetzt, aber niemand konnte sie finden. Wir denken, dass sie sich im Cactaraka Dschungel versteckt hält, zumindest haben meine Männer dort ihre Fährte verloren und mussten erfolglos umkehren.“

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„Der Cactaraka Urwald. Er erstreckt sich im Norden des Kirchenstaates und endet erst an der Grenze des Stammesgebietes des Makar. Die Wälder sind kaum erforscht und die Feen und anderen Geschöpfe dort verhindern schon seit ewigen Zeiten erfolgreich, dass die Menschen an das Holz und die anderen Rohstoffe des Waldes gelangen können.“ begann Aleyandra wie aus der Pistole geschossen. Sie wollte ihm zeigen, dass sie für diesen Auftrag bestens geeignet war und nicht versagen würde „Mitten in dem Dschungel, liegt das bedeutendste und größte Zwergendorf Midgards. Die Clans der Zwerge leben im Einklang mit der Natur und den Geistern des Waldes. Sie erforschen dort die natürliche und kreative Macht Gaias, um sie in ihre Maschinen einzubinden und die besten Stahlgolems der Welt zu erschaffen.“
„Wie es aussieht können wir uns die Einführung in den großen Wald des Nordens sparen, immerhin etwas. Es ist gut zu sehen, dass du deine Zeit in der Kirchenbibliothek vernünftig genutzt hast.“
„Aber das ergibt keinen Sinn.“ führte Aleyandra ihre Ausführungen energisch fort, was Silberblatt kurz zum Schmunzeln brachte „Was sollte sie in diese Wälder führen? Es ist ein gefährlicher Ort, selbst für richtige Krieger und ausgebildete Templer. Dort leben gewaltige Krokodile und wilde Stämme der Sarpa, die Jagd auf Reisende machen. Jemand wie sie überlebt dort keine einzige Nacht, selbst mit einem Eidolon an ihrer Seite. Mir fallen leicht ein dutzend freundlicherer Orte ein, an denen man sich genauso leicht versteckt halten könnte, ohne dabei gefressen zu werden.“
„Ich nehme alles zurück, du hast eindeutig viel zu viel gelesen. Es wird wirklich höchste Zeit für deinen ersten Auftrag, damit du die Gebiete im Norden einmal selber kennenlernst. Der Cactaraka Dschungel ist mit Sicherheit nicht der schlimmste Ort in Midgard und ja, ich gehe davon aus, dass sie noch am Leben ist. Ihr Eidolon wird ihr dabei helfen sich versteckt zu halten, aber du solltest ohne Schwierigkeiten in der Lage sein sie zu finden, egal wie dicht der Wald ist oder wie gut sie sich versteckt. Dein Spürsinn für ihre Kräfte wird dich direkt zu ihrem Unterschlupf führen. Damit hast du ihr gegenüber einen bedeutenden Vorteil, aber das ist noch lange kein Grund unvorsichtig zu werden.“
„Übertreibt Ihr nicht etwas, Großmeister?“ spielte Aleyandra seine Warnung gelassen herunter. Ein kleines Mädchen ohne jegliche Ausbildung konnte ihr nicht gefährlich werden, alleine die Vorstellung war lächerlich „Sie sieht nicht besonders bedrohlich aus. Wie ist es ihr überhaupt gelungen zu entkommen? Die Kirche hat sie doch sicher sofort unter angemessene Bewachung gestellt. Instabile Auserwählte sind eine der größten Bedrohungen für die Menschen, sie können sich jederzeit in machtvolle Dämonen verwandeln und ein Massaker anrichten.“
„Ihr Eidolon hat ihr geholfen. Es ist ein gewaltiger grauer Wolf namens Fenris, eine Kreatur, vor der selbst Götter vor Angst erzittern. Yuki Akashi, wurde bis zur endgültigen Entscheidung des Erzbischofs auf einem abgelegenen Anwesen ihrer Familie außerhalb von Navea untergebracht. Zu ihrer Bewachung gehörten ein Dutzend Templer, ein Hohetempler und eine Kompanie aus einfachen Soldaten. Eigentlich hätte man sie sofort in die magisch verstärkten Kerker unter der Stadt werfen müssen, aber ihre Familie bestand darauf, dass sie in ihrer Nähe bleiben sollte. Laut ihnen ging keine Gefahr von ihr aus und niemand wollte sich unbedingt mit der Akashi Familie anlegen.“ Silberblatt schüttelte genervt den Kopf. Wenn er auch nur daran dachte, dass die Akashi das Leben guter Männer und Diener der Kirche mit ihrem Leichtsinn geopfert hatten wurde ihm schlecht. Der Erzbischof hätte sofort den Befehl geben sollen sie zu beseitigen. „Eine Entscheidung, für die unsere Templer und Soldaten mit dem Leben bezahlen mussten. Als sich immer mehr und mehr abzeichnete, dass der Erzbischof sich für die Beseitigung der Gefahr entscheiden würde, drehte ihr Eidolon durch. Er riss ihre Bewacher in Stücke und laut den Überlebenden trug er Yuki dann einfach davon. Wir wissen bisher auch nicht mit Sicherheit, ob das Mädchen ihm den Befehl dazu gab, oder ob Fenris eigenständig handelte um sie zu beschützen, was unwahrscheinlich wäre. Normalerweise haben Botschafter die vollständige Kontrolle über ihre Begleiter, aber vielleicht ist sie aufgrund ihrer Jugend unfähig sich gegen einen mächtigen Seelenbegleiter wie Fenris zur Wehr zu setzen.“
„Verstehe, dann ist das Eidolon der eigentliche Gegner und von ihm geht die wahre Gefahr aus. Ich werde das Mädchen leicht aufspüren, ihr Eidolon beruhigen und beide einfangen. In einem Monat kann ich mit ihr wieder hier sein und sie sicher der Obhut der Templer übergeben. Ich bin mir sicher, wenn sie im Schutz der Kirche ausgebildet und unterrichtet wird, kann sie mit einem so mächtigen Eidolon...“ sie brach verwirrt ab, als Silberblatt sie unwirsch abwürgte und von dieser Idee absolut nichts hielt.
„Zurückbringen? Davon war niemals die Rede, Aleyandra. Die magische Überprüfung war eindeutig, ihre Seele ist nicht mehr zu retten und das einzige was wir noch tun können, ist sie von ihrem Dasein zu erlösen.“ seine blauen Augen durchbohrten sie suchend und er schien nur auf eine Schwäche ihrerseits zu warten. Eigentlich könnte er sich keinen besseren Test für ihre Loyalität wünschen, aber trotzdem hätte er Aleyandra einen leichteren ersten Auftrag gewünscht, einen der sie nicht so belasten würde. „Es wird deine Aufgabe sein jegliche Gefahr die von ihr ausgeht zu beseitigen und sie zu töten. Gibt es damit ein Problem?“
„Nein, Herr.“ Aleyandras Gesicht war inzwischen zu einer ausdruckslosen Maske erstarrt und sie senkte ehrerbietig den Kopf, um zu zeigen, dass sie mit seiner Entscheidung einverstanden war. Insgeheim arbeitete es in ihrem Kopf aber noch immer, um nach einem Weg zu suchen das Mädchen nicht töten zu müssen. Sie war keine Schlächterin. „Es wird mir eine Ehre sein, ihr Leben im Namen Gaias zu beenden und die Welt von ihrer unreinen Existenz zu säubern.“
„Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet. Ich weiß, dass es nicht das ist, was du als ersten Auftrag erwartet hättest, aber lass dich nicht von ihrer Jugend und ihrem Aussehen täuschen, Aleyandra. Aus der Akashi Familie, ging einst der größte Feind der Kirche hervor, ein Mann, der es sogar wagt Gaia selbst herauszufordern und droht die Göttin eines Tages zu vernichten. Jeder Akashi, trägt tief in sich das Potential zu einem Segen oder Fluch für die Kirche zu werden. Aus den Reihen dieser Familie stammen unsere größten Helden und gleichzeitig auch unsere größten Feinde.“
„Wovon redet Ihr?“ fragte Aleyandra verwirrt nach, als sie mit seinen Worten nicht das geringste anfangen konnte. Sie hatte die Kirchenbibliothek gründlich studiert und schon ein oder zwei mal von den Akashi gelesen, aber niemals von diesem angeblichen Feind.
„Er war ein Templer aus der Akashi-Familie und konnte einst seinen Verfolgern entkommen, nachdem er die Kirche auf schändliche Art und Weise verriet. Aus diesem Fehlschlag, erwuchs das größte Übel unserer Zeit. Selbst der gesamten Macht der Kirche, konnte es bisher nicht gelingen diesen Mann aufzuspüren und zu vernichten.“ mehr wollte Silberblatt nicht dazu sagen, es war kein Thema, über das er reden durfte. Zumindest nicht mit jemandem der so weit unten in der Hierarchie stand wie Aleyandra. Man musste schon ein Großmeister sein um darin eingeweiht zu werden „Wenn das Mädchen, genau wie er damals, entkommt und man es ihr erlaubt ihren Weg in die selbe Dunkelheit fortzusetzen...niemand weiß, was am Ende aus ihr entstehen wird und welche Gefahr von ihr ausgeht. Wir können ihr nicht erlauben zu leben. Wir können nicht noch einmal versagen und jemanden der so mächtig ist an die Finsternis zu verlieren. Hast du das verstanden?“
„Ja, ich denke schon.“
„Sei außerdem vorsichtig, wenn du ihrem Eidolon gegenüberstehst. Man kann es nicht mit Aelius, Alessa oder Serif vergleichen, nicht einmal ansatzweise. Es gehört zu einer Gruppe von Eidolons, mit der du bisher noch nicht viel zu tun hattest und der du eigentlich auch aus dem Weg gehen solltest, aber ich schätze es lässt sich diesmal nicht vermeiden. Die Eidolons die du bisher getroffen hast, waren mächtige Geister oder gottähnliche Wesen aus dem Himmelsreich. Machtvolle, aber gleichzeitig auch gutherzige Wesen, die von den Menschen hoch in Ehren gehalten werden und das zu recht. Aber Fenris und seinesgleichen sind anders, vollkommen anders. Diese Eidolons werden auch respektiert, aber vor allem gefürchtet. Er ist ein gnadenloser Jäger, ein gewaltiges Raubtier, nur angetrieben von seinen Instinkten und seinem Blutdurst.“ es war wirklich kein guter erster Auftrag, dachte Silberblatt ärgerlich. Zu viel konnte schief gehen. Das Mädchen verfügte vielleicht über keine Ausbildung und konnte nicht kämpfen...aber das konnte Alessa auch nicht. Also würde es auf Fenris gegen Aleyandra hinauslaufen und das könnte gefährlich für seinen Schützling werden. „Es ist unglücklich, dass ein schwächliches Mädchen wie sie, ein derart mächtiges Eidolon erhalten konnte, aber selbst die Kirche ist nicht in der Lage die Verbindung zu trennen, nachdem ihre Seelen erst einmal miteinander verschmolzen sind.“
„Ist er so gefährlich? Ich habe noch nie gegen ein anderes Eidolon gekämpft.“ das beunruhigte Aleyandra langsam. Ein menschlicher Gegner war etwas vollkommen anderes als ein gottgleiches Wesen das sie auf sie stürzte und ihr Vertrauen in die Fähigkeiten ihres eigenen Eidolons hielten sich in Grenzen.
„Ich kann dir nicht viel über Fenris eigene Stärke sagen, aber sein Meister, ist Tigerius Cäsar. Der unbezwingbare König der Raubtiere. Im Gegensatz zu Aelius und Egilios, herrscht er nicht über ein eigenes Reich, sondern zieht rastlos durch die Welten, während er seine ewige Jagd fortsetzt. Die Eidolons, die ihm folgen, sind die gewaltigsten Krieger und furchtbarsten Bestien, die Gaia jemals erschuf.“ Dazu zählten vor allem Eidolons die Blutdurst, Raserei und Krieg brachten. Die Hass in den Herzen der Menschen säten und seit jeher als Vorboten von Leid und Chaos galten. „Es heißt Tigerius kümmert sich um seine Brüder und Schwester, um sein unberechenbares Rudel aus Monstern. Hoffen wir einfach, dass er es nicht für nötig hält einzugreifen, um Fenris zu beschützen, ansonsten könnte nicht einmal ich ihn davon abhalten Rache an dir zu nehmen.“
„Ich weiß zwar nicht viel über Tigerius, aber ich bin sicher, dass er sich nicht in unseren Kampf einmischen wird. Dazu gibt es keinen Grund, denn letztendlich töte ich nicht das Eidolon, sondern den Botschafter.“ ehrlich gesagt wusste sie nicht einmal, ob es für Sterbliche überhaupt möglich war Eidolons zu töten. Es würde wohl darauf hinauslaufen Fenris so lange wie möglich zu beschäftigen und nach einer Möglichkeit zu suchen an seine Botschafterin zu gelangen. Danach würde Fenris sich einfach in Luft auflösen und zurück zu Tigerius geschickt.
„Richtig, hoffen wir das Tigerius die ganze Angelegenheit genauso sieht. Jedenfalls, wird es ein weiterer wichtiger Teil deiner Aufgabe sein, die Leiche des Mädchens verschwinden zu lassen.“ bei diesen Worten zuckte Aleyandra kurz zusammen und verzog unwillig den Mund. Der Auftrag gefiel ihr immer weniger. Es war schlimm genug, dass sie dieses Mädchen töten musste. „Es ist notwendig, damit sie niemals jemand findet und in der Lage wäre sie zu identifizieren. Die Akashi haben auch eigene Leute dort draußen, die nach ihr suchen und nicht im Dienst in der Kirche stehen. Es ist besser, wenn man Yuki niemals findet, nicht einmal einen Teil von ihr. Lassen wir die Familie glauben, dass sie noch immer irgendwo dort draußen durch Midgard streift, lebendig. Ihr Vater würde ansonsten der Kirche die Unterstützung seiner Familie entziehen und das müssen wir um jeden Preis vermeiden. Der Reichtum der Akashi ist eine wichtige Stütze unserer Streitmacht. Ihre Ländereien versorgen die Armee mit Vorräten und die Mitglieder der Familie stellen unsere bedeutendsten Generäle und Krieger. Sie waren schon immer leicht reizbar, vor allem wenn es um ihre Familienmitglieder ging. Ihrer Ansicht nach, stehen sie weit über den heiligen Gesetzten der Kirche. Sie werden nicht verstehen warum es nötig war das Mädchen zu töten.“
„Ich werde einen Weg finden, um keine Spuren zu hinterlassen.“ murmelte Aleyandra, auch wenn sie noch keine Ahnung hatte wie sie das anstellen sollte.
„Gut. Da das Ganze ja jetzt endlich geklärt ist...“ der ernste, auf die Arbeit konzentrierte Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht und er lächelte sie plötzlich wissend an. „Kommen wir zu deinem letzten Test.“



Kurze Zeit später standen Aleyandra und Silberblatt vor der Tür zum Anwesen der Bladelli. Beide trugen sie die leichten, schwarzen Rüstungen ihrer Einheit und Aleyandra versuchte ihre Nervosität zu überspielen, indem sie laufend ihre Rüstung zurechtrückte. Was wollten sie hier? Nervös warf Aleyandra ihrem Großmeister einen fragenden Blick zu, der nur zufrieden vor sich hinlächelte. In Momenten wie diesen, wirkte er nicht mehr wie der kaltherzige Anführer einer Einheit aus Mördern, der ohne mit der Wimper zu zucken den Tod eines jungen Mädchens befahl. Ihre Augen wanderten zu seinem Rücken, um endlich zu sehen was er schon die ganze Zeit versuchte vor ihr zu verbergen. Doch er drehte sich schnell so, dass ihr der Blick wieder versperrt war. Seit sie sein Zimmer verlassen hatten, versteckte er irgendetwas mit seiner Linken Hand hinter seinem Rücken und es ließ sie unruhig werden, dass sie keine Ahnung hatte was er plante. Sie vertraute Silberblatt, aber er betrachtete ihre Beziehung zu Naruz argwöhnisch und hielt nicht viel davon dass sie sich von ihm ablenken ließ, also versuchte sie ihr bestes, damit die beiden sich so selten wie möglich sehen mussten.
„Was wollen wir hier, Meister?“
„Ich möchte, dass du deine besonderen Fähigkeiten unter Beweis stellst und einen Botschafter Gaias für mich findest und zwar in diesem Haus.“
„Ich soll Naruz aufspüren? Wozu?“ verwirrt starrte sie ihn an, während er noch immer lächelnd an die Tür klopfte. Wollte er Naruz umbringen? Möglich wäre es, aber dann würde er es sicher unauffälliger tun.
„Achso...der ist ja auch noch hier.“ Silberblatt verdrehte genervt die strahlend blauen Augen. Meistens blendete er die Existenz dieses Naruz erfolgreich aus und hatte ihn vollkommen vergessen. Der unfähigste Inquisitor der ihm jemals begegnet war. „Nein, den meinte ich nicht. Ich will dass du die Hexe aus Vo Astur findest, ich habe etwas wichtiges mit ihr zu besprechen.“
„Aynaeth?“ im ersten Augenblick war Aleyandra so überrascht von seiner Antwort, dass sie gar nicht merkte wie ein Diener die Tür öffnete und sie bat einzutreten.
„Gut, du kannst dir immerhin einen Namen merken. Fenris wird sicher vor Angst erzittern, wenn du ihm zeigst wie klug du bist und jetzt bring mich endlich zu ihr.“ damit packte Silberblatt sie ungeduldig an der Schulter und stieß sie durch die Tür. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Er bebte vor Aufregung und trat nervös von einem Fuß auf den anderen, während sie ihn vollkommen verwirrt durch die Gänge der Villa führte, auf direktem Weg zur Bibliothek. Dafür musste sie nicht einmal ihre Kräfte einsetzen, sie wusste, dass Aynaeth die Bibliothek der Bladelli besetzt hielt. Sie selbst hatte die Hexe ein paar mal getroffen. Beim ersten mal stand sie kurz davor Aynaeth zu hassen. Sie hatte ebenfalls diese hellen, silbernen Haare...allerdings waren ihre kurz! Genau so wie Naruz es mochte! Die Hexe war damit eine deutlich bessere Version von ihr selbst und wohnte noch dazu im selben Haus wie Naruz! Aber ihre Eifersucht hatte sich schnell gelegt. Aynaeth interessierte sich nicht für Naruz und er nicht für sie, also kamen sie gut miteinander aus. Aleyandra wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie die Bibliothek betraten und im ersten Moment glaubte sie hier hätte ein Kampf oder eher eine ausgewachsene Schlacht stattgefunden. Bei ihren wenigen Besuchen hier hatte es noch nie so unordentlich ausgehen. Der Boden war bedeckt von Büchern und es fiel ihr schwer den Boden überhaupt noch zu finden. Einige Regale schwankten bedrohlich und sahen mitgenommen aus. Generell wirkte das ganze Zimmer so, als könnte es jeden Moment in sich zusammenfallen. „Was ist denn hier passiert?“
„Beeindruckend oder?“ Silberblatt ignorierte ihren schockierten Zustand und betrat aufgeregt die Bibliothek, während er versuchte nicht über zu viele Bücher zu laufen. „Sie ist so mächtig, dass alleine ihre eigentlich harmlose Anwesenheit Chaos und Zerstörung anrichten kann. Verglichen mit den Magiern der Kirche ist ihre Macht auf einem ganz anderen Niveau. Aber sagtest du nicht sie wäre hier irgendwo?“ Bevor er Aleyandra für ihr angebliches Versagen tadeln konnte, verstummte Silberblatt augenblicklich und riss überrascht die Augen auf. Hinter einem wackligen Regal, das so aussah, als könnte es jeden Moment einstürzen, schlürfte eine verschlafene Aynaeth hervor. Sie trug nichts weiter als ein dünnes, weißes Nachthemd, bei dessen Anblick Silberblatt so aussah, als wollte er gleich panisch die Flucht ergreifen.
„Was ist? Ich bin gerade erst ins Bett gegangen...“
„Bett?“ fragte Aleyandra verwirrt nach, bis ihr einfiel, dass es nie eine gute Idee war die Hexe etwas zu fragen.
„Ja, das ist dieses Ding auf dem man schlafen kann. Irgendwo in einem der Bücher findest du sicher eine Zeichnung, die es dir erklärt.“ murmelte Aynaeth und rieb sich müde die Augen. Als ihr Blick auf Silberblatt fiel, wurde sie ein kleines bisschen wacher und blinzelte kurz. „Oh, Blättchen. Bist du auch hier um ein Nickerchen zu machen?“
„V-vielleicht später...“ Silberblatt starrte zur Decke, da er bei dem dünnen Nachthemd nicht wusste wo er sonst hingucken sollte und holte hinter seinem Rücken einen Strauß aus roten Blumen hervor die Aleyandra nicht kannte und hielt ihn Aynaeth vor die Nase. „D-d-die sind für dich.“
„Kann man die essen?“ sie roch vorsichtig an den Blumen und nieste heftig in die Blütenblätter, woraufhin Silberblatt sie schnell auf einem der Regale ablegte.
„N-nein...aber...ich habe dir noch etwas mitgebracht. Hier.“ hastig holte er einen Stoffbeutel hervor und reichte ihn Aynaeth, wobei er darauf achtete den Blick nicht zu senken und ihr dünnes Nachthemd anzustarren. Stattdessen konzentrierte er sich auf sein zweites und leider bereits letztes Geschenk. Es war ein Beutel voller Kaffeebohnen aus dem Norden, für die er ein kleines Vermögen bezahlen musste. „ D-die magst du, richtig?“
„Mhm...“ Aynaeth öffnete langsam den Beutel und fischte eine Kaffeebohne hervor. Sie wirkte größer als die aus Süd-Midgard und hatte eine dunklere Färbung. Ohne sich lange mit dem Aussehen aufzuhalten, biss die Hexe hinein, als wäre es ein Stück Schokolade. Langsam kauend wandte sie sich an Silberblatt „Lecker, aber irgendwie seltsam.“
„Sie sind aus einem Tal in Nord-Midgard. Normalerweise ist es schwer an Waren vom nördlichen Kontinent zu kommen, aber wenn sie dir nicht schmecken, kann ich dir auch etwas anderes...“
„Ich habe nicht gesagt, dass sie mir nicht schmecken.“
„Aber du sagtest dass sie seltsam sind und...“
„Seltsam. Aber seltsam gut.“ Silberblatt atmete erleichtert auf und entspannte sich etwas. Allerdings kehrte seine Anspannung sofort zurück, als Aynaeth plötzlich die kurze Distanz zwischen ihnen überwand und ihn umarmte. „Vielen Dank.“
„A-aleyandra?“ brachte Silberblatt stockend hervor, als ihm wieder einfiel das seine Schülerin noch immer am Eingang der Bibliothek stand. Er wusste nicht wirklich was er mit seinen Armen machen sollte und traute sich nicht die Umarmung zu erwidern, also wedelte er damit hilflos in der Luft umher.
„Ja, Meister?“ Aleyandra musste sich zusammenreißen, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Er wirkte wie ausgewechselt und sie liebte es ihn verlegen zu sehen.
„Du darfst jetzt gehen. Wir sehen uns Morgen früh in deinem Zimmer, für eine letzte Besprechung.“
„Natürlich, Meister.“ grinsend machte sie sich aus dem Staub, um die beiden alleine zu lassen, auch wenn sie liebend gerne noch weiter zugesehen hätte, wie Silberblatt versuchte, sich an die Hexe heranzumachen. Die in der Zwischenzeit so wirkte, als wäre sie an Silberblatts Brust eingeschlafen, denn sie hatte die Augen geschlossen und schien den Großmeister für ein gemütliches Kissen zu halten. Aleyandra machte sich gut gelaunt auf den Weg zu Naruz Zimmer und stieß vor lauter Enthusiasmus die Tür auf ohne anzuklopfen. „Morgen!“
„Hat dir niemand beigebracht anzuklopfen?“ Naruz saß an einem Schreibtisch und musste wohl gerade irgendwelchen Papierkram für sein Team bearbeiten.
„Nicht wirklich, auf meiner Insel gab es recht wenig Türen.“ sie schloss die Tür hinter sich und ging auf ihn zu, während sie sich ihrer Rüstung entledigte. Sie wollte das Metall keine Sekunde länger tragen müssen und die normale Uniform unter den kleinen Metallplatten reichte vollkommen aus. Sie war ebenfalls in Schwarz gehalten und Aleyandra mochte sie, mehr oder weniger. Wenn sie gewusst hätte, dass man ihr den Rest des Tages freigab, hätte sie sich etwas hübscheres angezogen. „Wo steckt Serif?“
„Er ist mit Anya unterwegs, um irgendetwas einzukaufen oder so.“ Naruz legte mit einem genervten Seufzer die Feder zur Seite und stand kurz davor den Schreibtisch aus dem Fenster zu werfen. „Seit wann gibt Silberblatt dir eigentlich schon so früh frei? Ich hatte dich erst in ein paar Stunden erwartet.“
„Wer sagt denn das ich frei habe? Silberblatt ist auch hier.“
„Hier? Wieso denn das? Er kommt sonst nie in die Villa, außer um Anya zu ärgern oder sich über mein Team lustig zu machen. Er hat irgendetwas gegen mich, am besten ich bleibe in meinem Zimmer, bis er wieder weg ist, ansonsten degradiert er mich noch.“
„Keine Angst, er ist nicht wegen dir oder Anya hier. Sondern um Aynaeth zu besuchen.“
„A-aynaeth?“ damit verlor Naruz endgültig den Faden und starrte sie verwirrt an „Warum sollte sie sich mit ihm treffen wollen? Ich wette sie hat ihn sofort aus der Bibliothek gejagt, sie lässt sogar mich nur selten ihr ´Zimmer` betreten.“
„Eigentlich verstehen sie sich ziemlich gut und unterhalten sich gerade über Bücher und...Essen, denke ich.“
„Was? Das kann ich mir nur schwer vorstellen...“
„Warum? Denkst du etwa die beiden passen nicht gut zusammen?“ fragte sie neugierig nach, während er sich endlich von seinem Stuhl erhob und langsam um den Tisch herum ging.
„Nicht wirklich. Sie sind so verschieden. Aynaeth ist manchmal etwas seltsam, aber auch freundlich, er dagegen...ich weiß du magst ihn, aber Silberblatt ist eiskalt wie ein toter Fisch und sieht aus wie ein eingebildeter Schnösel. Alleine wie er mich immer ansieht, als wäre ich eine widerliche Kakerlake. Gegenüber dem Rest meines Teams ist er genauso überheblich.“
„Er kann auch nett sein.“
„Zu dir vielleicht.“ murmelte Naruz mürrisch, aber seine Laune hellte sich wieder auf, als er vor ihr stand, die Arme um ihre Hüften legte und sie zu sich heranzog. Sanft küsste er sie und sofort verschwand seine genervte Stimmung und löste sich in Luft auf. Er wünschte nur sie könnten mehr Zeit miteinander verbringen. „Ich will mich nicht beklagen, aber warum bist du nicht am trainieren?“
„Ach ja richtig, das hätte ich fast vergessen!“ sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und suchte nach den richtigen Worten. Sein Anblick hatte wie immer dafür gesorgt, dass sie ihre Sorgen erfolgreich in eine dunkle, winzige Ecke ihres Verstandes verbannen konnte und sie wünschte sich, dass er sie nicht wieder daran erinnert hätte. Leider konnte sie es nicht ewig vor ihm geheim halten, also seufzte sie kurz und sprach dann weiter „Silberblatt hat mir heute endlich meinen ersten Auftrag erteilt. Ich werde Morgen früh aufbrechen müssen. Es geht in den Cactaraka Dschungel im Norden.“
„Also wirst du losziehen um jemanden zu ermorden...“ flüsterte Naruz bedrückt. Nicht unbedingt weil es ihm selber so schwer fallen würde ein Leben zu beenden. Sie waren in der kirchlichen Armee, jeder von ihnen musste bereit sein die Feinde der Göttin zu bekämpfen und auch er hatte schon Leben ausgelöscht, aber Aleyandra konnte damit nicht so gut umgehen. Er hatte sie am Strand erlebt. Hatte gesehen, wie sie sein konnte sobald es darum ging Blut zu vergießen und der Gedanke an Tod und Kampf alles andere in ihr verdrängte. „Was siehst du mich so überrascht an? Genau das ist doch der Zweck eurer Einheit, oder etwa nicht? Ich weiß du redest nicht gerne über die Kinder Gaias, aber letztendlich bildet man euch zu eiskalten, gewissenlosen Mördern aus. Ich denke noch immer nicht, dass es die richtige Einheit für dich ist, das passt nicht zu dir, Aleyandra.“
„I-ich...“ stammelte sie kurz vor sich hin, bis sie zu dem Entschluss gelangte, dass es doch keine gute Idee wäre ihm alles zu erzählen. „Du liegst falsch, Naruz. Diese Bladelli hat dir zu viele Horrorgeschichten über die Kinder Gaias erzählt. Es geht nicht um ein Attentat oder einen kaltblütigen Mord, sondern nur darum einen Dämon zu jagen.“
„Das ist alles?“ verwirrt sah er in die roten Augen, die unschuldig zurück starrten.
„Ja, es gibt also nichts worüber du dir Gedanken machen müsstest. Es ist meine Aufgabe einen außer Kontrolle geratenen Botschafter Gaias zur Strecke zu bringen, mehr nicht. Das unterscheidet sich nicht von deinen eigenen Pflichten.“
„Da...da hast du recht. Es tut mir leid. Ich habe vielleicht etwas übertrieben.“ entschuldigte er sich, unsicher ob er ihr glauben sollte oder nicht. Für die Jagd nach einem Dämon hätte man auch die Templer schicken können, dazu brauchte man die Kinder Gaias nicht. Aber die Gedanken daran verblassten, als ihm klar wurde, dass sie sich eine ganze Zeit lang nicht mehr sehen würden. „Wie lange wirst du weg sein?“
„Die Reisezeit bis zu den Ausläufern des Waldes beträgt etwa zwei Wochen. Ich könnte es in wenigen Tagen schaffen, wenn ich fliegen dürfte, aber Silberblatt meint ich brauche meine ganzen Kräfte für den Kampf und darf mich nicht schon vorher verausgaben. Ich weiß noch nicht wie lange ich brauchen werde, um mein Ziel aufzuspüren, aber mit etwas Glück, bin ich schon in einem Monat wieder zurück.“
„Mit etwas Glück und wenn alles gut läuft...Aleyandra, selbst wenn es erst dein erster Auftrag ist, solltest du vorsichtig sein. Dämonen darf man auf keinen Fall unterschätzen. Gehe kein Risiko ein. Bitte.“
„W-was? Du weißt das ich auf mich aufpassen kann.“ wischte sie seine Warnung leichthin beiseite, auch wenn es ihr gefiel, dass er sich Sorgen um sie machte „Warum auf einmal so besorgt?“
„Ganz einfach.“ Naruz zog sie näher zu sich heran und legte sacht seine Stirn auf ihre. „Ich will nicht das dir etwas zustößt, oder du wieder dem Blutdurst der Auserwählten verfällst. Weil ich dich liebe.“
„I-i-ich...ich...“ eine Weile stammelte Aleyandra völlig weggetreten vor sich hin, zu überwältigt davon endlich diese paar Worte zu hören, auf die sie seit Monaten vergeblich warten musste. „Ich liebe dich auch Naruz. Schon seit Helonia, seit ich dir beigebracht habe wie man fliegt und...“ er unterband ihren beginnenden Redeschwall, indem er sie küsste und für den Augenblick musste sie nicht mehr an ihren Auftrag denken. Wenigstens blieb ihr noch etwas Zeit, bevor sie ihr neues Leben als gnadenlose und unberechenbare Mörderin beginnen musste.

Mehr als sieben Jahre zuvor, irgendwo in Nord-Midgard

Weit im Norden, noch hinter dem Königreich der Makar, den Wäldern der Zwerge und uralten Festungen des Kirchenstaates, erstreckte sich der wilde Kontinent Nord-Midgard und die junge Republik der Alfar. An der Westküste des neuen Reiches dieses magievollen Volkes, befand sich eine kleine Hafenstadt, die so gar nicht zu dem mystischen Ruf der Alfar passen wollte. Sie wurde erst vor weniger als einem Jahr gegründet und die Häuser bestanden im Moment noch aus einfachen Stein- oder Holzbauten. Die eleganten und schwungvollen magischen Paläste der Alfar, die man in den Städten im Landesinneren sah, würden erst in einigen Jahren folgen. Die kleine Stadt wurde, wie viele andere, gegründet um die Kontrolle der Küste zu erleichtern. Überall entlang der Küste bauten die Alfar Häfen und Werften für ihre Armada und zeitweise herrschte hier mehr Geschäftigkeit als im Landesinneren. Ein halbes Dutzend Schiffe befand sich im Hafen, hauptsächlich Handelsschiffe aus den Städten weiter im Süden ihres Landes, aber auch zwei Kriegsgaleeren, die von einem der wenigen Menschen, in diesem Teil der Welt, misstrauisch betrachtet wurden. Seine Augen leuchteten wie Rubine, die langen, silbernen Haare fielen ihm offenen über die Schultern und sein dunkles Gewand. Er trug einen schwarzen Umhang und wirkte nicht viel älter als Achtzehn, vermutlich war er sogar noch jünger. Immer wieder sah er sich nervös um, während er sich durch die Alfar am Hafen drängte. Wie immer war hier viel los und etwas erschwerte sein Vorankommen noch zusätzlich. An seiner Seite ging ein kleines Mädchen mit langen, weißen Haaren und roten Augen in einem weißen Kleid, die den Blick immer stumpf auf den Boden richtete. Mit einer Hand umklammerte sie die Hand ihres Bruder und in der anderen hielt sie einen kleinen, länglichen Kasten aus hellem Holz, den sie an sich presste, als wäre es ein wertvoller Schatz, den ihr gleich jemanden stehlen wollte. Es war Aleyandra nicht geheuer, sich inmitten so vieler Alfar zu bewegen. Sie war zwischen diesem seltsamen Volk aufgewachsen, doch es jagte ihr noch immer Angst ein. Die Magie der Alfar verschreckte sie und immer, wenn sie in der Menge nur kurz eines der fremdartigen Wesen berührte, zuckte sie schreckhaft zusammen. Die beiden fielen zwischen den Alfar auf, stachen aus der Menge hervor und erregten immer mehr Aufmerksamkeit. Man bekam nur selten Menschen zu Gesicht in diesem Teil der Yggdrasil Republik und schon gar nicht welche, die so seltsam aussahen. Abgesehen von einigen Ausnahmen, besaßen die meisten Alfar tiefschwarze Haare und grüne oder blaue Augen. Ihre Haut war bleicher als die der meisten Menschen und ihre Ohren etwas spitzer, aber am meisten hob sie ihre Magie von den Menschen aus Süd-Midgard ab. Sie strahlten eine Macht aus, die selbst die meisten Magier der Menschen verblassen ließ und nur die Alfar trauten sich an die gefährlicheren und dunkleren Bereiche der Magie heran. Zauber die jeden Sterblichen in den Wahnsinn treiben und vernichten würden.
Der junge Mann beschleunigte seine Schritte und Aleyandra musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten, während er sie hinter sich herzog. Er war im Moment zu sehr damit beschäftigt sich nach möglichen Verfolgern umzusehen, um Rücksicht auf ihre kürzeren Beine nehmen zu können. Letztendlich kamen sie vor einem Schiff mit drei Masten zum Stillstand, das ein Lächeln auf das Gesicht ihres Bruders zauberte, dem Aleyandra sich nicht wirklich anschließen konnte. Männer in strahlend weißen und goldenen Rüstungen hatten sich an Bord versammelt und eine breite Holzrampe wurde für sie ausgefahren. Die Alfar hielten vorsichtig Abstand zu dem Ziel der beiden Geschwister, denn es stammte nicht aus ihrem eigenen Reich, sondern aus dem gefährlichen und von Menschen verseuchten Süden.
„Wir sind da. Die ´Gaias Gnade` das einzige Schiff aus Süd-Midgard, dass sich noch traut die Häfen der Alfar anzusteuern. Wie findest du es?“
„Groß...“ flüsterte sie unbeeindruckt und hatte für das Schiff nur einen kurzen Blick übrig. Verglichen mit den filigranen Kriegsgaleeren der Alfar, wirkte es wie ein grober Holzklotz, der nur durch ein Wunder über Wasser gehalten werden konnte. Die See galt nicht unbedingt als bevorzugtes Schlachtfeld der Menschen. Auf hoher See herrschten die Alfar und die Meere gehörten ihnen allein. „Ich mag keine Schiffe. Können wir nicht mit deinem Pferd weiterreiten?“
„So kommen wir schneller voran. In wenigen Tagen schon sind wir außerhalb der Alfar Hoheitsgewässer und auf direktem Weg in die Freiheit.“ er drehte ihr kurz den Kopf zu und betrachtete sie nachdenklich, bevor er mit sanfterer Stimme weitersprach „Du erinnerst dich doch noch daran was ich dir erzählt habe, oder? Warum wir hier sind?“
„Wir gehen auf eine Reise.“ begann Aleyandra, noch immer schlecht gelaunt. Sie hatte das Pferd gemocht und liebte es zu reiten oder es einfach nur zu streicheln und anzusehen. Ein Schiff konnte sie sicher nicht Füttern. „Um die bösen Dämonen hinter uns zu lassen. Richtig, Onii-chan?“
„Du magst dieses Wort wirklich, oder?“ überspielte er ihre Bemerkung über die Dämonen mit einer belustigten Gegenfrage. Das war kein Thema, über das er mit ihr reden wollte. Sie waren immerhin hier um genau das hinter sich zu lassen. Drei Tage waren vergangen, seit ihnen die Flucht gelang und noch immer konnte er nicht fassen wie leicht es letztendlich gewesen war. Man hatte nicht damit gerechnet, dass er mit ihr abhauen könnte und ihre Bewachung war ein Witz gewesen. Hätte er nur schon früher gewusst wie einfach es war, dann hätte er vielleicht schon vor langer Zeit den Mut aufgebracht sich gegen die Peiniger seiner kleinen Schwester zu stellen und ihr viel Leid und Schmerz ersparen können.
„Hei!“ rief Aleyandra fröhlich und ließ sich nicht mehr von dem bedrohlichen Schiff einschüchtern, als sie seine bedrückte Stimmung bemerkte. Es war ein zu schöner Tag um sich von etwas Angst einjagen zu lassen. Sie würde mit ihm nach Süden reisen und musste nie wieder in diesen Raum, musste sich nie wieder auf diesen Stahltisch legen und die Untersuchungen der Dämonen über sich ergehen lassen. Wenn sie dafür eine kleine Schifffahrt ertragen musste, würde sie es überleben. Ihr Bruder hatte sich mit den Alfar, all den Wachen und sogar den Dämonen angelegt, um sie zu befreien, da konnte sie jetzt nicht die ganze Zeit mürrisch und deprimiert sein. Sie schuldete es ihm wenigstens zu Lächeln. Aleyandra drückte seine Hand fester und strahlte ihn an. „Onii-chan deiski!“
„Langsam glaube ich, dass es ein Fehler war, dich jemals in Mutters Bibliothek zu lassen. Du saugst ja alles auf wie ein Schwamm.“ er rang sich ebenfalls ein Lächeln ab, obwohl seine Augen dabei traurig das Schiff anstarrten. Es war so weit, sie hatten es geschafft und jetzt hieß es Abschied zu nehmen. Er sah sich ein letztes mal nervös um, bevor er weiterging und sie auf das Schiff führte. „Komm, wir müssen uns beeilen, das Schiff läuft bald aus.“ das war alles was er noch sagte, während sie ihm, eingeschüchtert von den Blicken der Soldaten auf dem Schiff, folgte. Aleyandra konnte es nicht wissen, aber die Besatzung war ungewöhnlich, selbst für ein Kriegsschiff der Kirche. Normalerweise reisten nicht einmal halb so viele Templer und kaum Hohetempler mit den Kriegsschiffen. Die Kirche wusste, dass sie auf See unterlegen war und wollte ihre besten Krieger nicht sinnlos ertrinken sehen, aber diesmal war es anders. Diesmal hatten sie sich darauf vorbereitet einen Kampf zu gewinnen, zumindest hofften sie das. Kaum befanden sich die beiden an Bord und betraten das weite Deck, als ihnen auch schon ein Hohetempler mit kurzen, roten Haaren und in goldener Rüstung entgegenkam.
„Da seid ihr ja endlich.“ der Mann schien erleichtert aufzuatmen und eilte auf ihren Bruder zu. Ohne sich lange mit Höflichkeiten aufzuhalten sprach er rasch weiter, man konnte ihm leicht anmerken, dass er sich hier nicht wohlfühlte. Nord-Midgard war kein Ort an den sich Menschen begeben sollten. Die Träume und Zauber der Alfar erfüllten die Luft und selbst hier an der Küste wurde jeder der ein bisschen Gespür für Magie besaß von ihrer Macht erschüttert. „Wir hatten schon befürchtet, dass ihr nicht kommen würdet und sie euch eingeholt haben.“
„Marco Bladelli, endlich begegnen wir uns einmal persönlich. Ich habe lange auf diesen Tag gewartet und darauf dir persönlich zu danken. Begrüß ihn, Aleyandra. Aleyandra?“ der junge Mann brach ab und sah sich verwirrt um, als Aleyandra sich hinter seinem Rücken versteckte und seinen schwarzen Umhang umklammerte. Sie war keine Fremden gewohnt und hatte außer ihren Eltern noch nie andere Menschen gesehen, nur Alfar. Lächelnd legte er die Hand auf ihre Schulter und zog sie sacht hinter seinem Rücken hervor. „Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Er ist ein guter Freund der Familie. Sein Name ist Marco Bladelli und er sieht nicht immer so heruntergekommen aus, zumindest manchmal.“
„Sehr witzig.“ murmelte der Hohetempler und verbeugte sich dann vor Aleyandra, um ihr keine Angst mehr einzujagen, immerhin würden sie eine Weile zusammen reisen „Willkommen auf meinem Schiff, kleines Fräulein. Wir freuen uns Euch an Bord zu haben.“
„D-danke...“ erklang es leise von Aleyandra, die auf das Deck starrte die Holzplanken unter die Lupe nahm. Hier waren ihr viel zu viele Menschen und jeder starrte sie an.
„Ich muss mir dir reden, ihr seid noch nicht in Sicherheit.“ wandte sich Marco Bladelli wieder an ihren Bruder.
„Gleich.“ antwortete er und der Bladelli nickte kurz, bevor er sich ein Stück entfernte und auf ihn wartete. Ihr großer Bruder wandte sich ihr zu, während sie sich nervös umsah „Bleib hier, Aleyandra und rühr dich nicht vom Fleck bis ich wieder da bin. Pass auf die Sachen auf, die ich dir gegeben habe. Mehr konnte ich leider nicht für dich mitnehmen.“
„Was ist da eigentlich drin?“ sie trug den kleinen Kasten jetzt schon die ganze Reise über mit sich herum und die Neugier vertrieb für einen Augenblick ihre Nervosität. Er hatte ihr verboten reinzusehen bevor sie sich in Sicherheit befanden, aber jetzt waren sie ja sicher.
„Willst du nachsehen?“ er zwinkerte seiner kleinen Schwester zu, als er einen kleinen Schlüssel reichte, mit dem sie eifrig am Schloss herfumfummelte „Na los, öffne es.“
„A-aber...d-das geht nicht...“ stammelte Aleyandra drauf los, als sie den Kasten auf bekam und sah, was sie die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte. Es waren zwei Pistolen aus schwarzem Holz und Silber. Filigrane Runen waren in das Silber eingearbeitet und eine seltsame Anziehungskraft ging von ihnen aus. Sie wusste noch, wie sie oft stundenlang diese Waffen angestarrt hatte und immer davon träumte eines Tages damit Monster zu jagen. „Das sind doch Mamas Pistolen! Sie braucht sie, um gegen die Dämonen zu kämpfen! Wir müssen sie zurückbringen, oder die Dämonen werden wieder böse zu ihr sein und dann wird sie...“
„Sie wird eine Weile ohne auskommen. Wenn du eine große und starke Templerin wirst, kannst du sie brauchen. Sie sind ein Familienerbstück und beschützen unsere Ahnen schon seit über Tausend Jahren. Pass gut auf sie auf und eines Tages wirst du sie noch besser beherrschen als unsere Mutter.“ er strich ihr kurz durch die Haare und ließ sie dann mit den Pistolen alleine. Die Waffen konnten nur von Menschen benutzt waren die über magische Fähigkeiten verfügten und Aleyandra war noch zu jung dafür. Sie waren in ihren Händen harmlos, aber eines Tages würden sie ihr vielleicht das Leben retten. Als er bei dem ungeduldig wartenden Marco Bladelli angekommen war, begann er ohne Umschweife zu dem Hohetempler zu sprechen. Er hatte etwas mehr erwartet als er Kontakt mit der Kirche aufnahm. Das Schiff war vielleicht groß, aber nicht genug. „Einen Kampf gegen ein echtes Kriegsschiff der Alfar könnt ihr mit diesem Stück Treibgut unmöglich gewinnen. Damit will die Kirche meine Schwester sicher bis nach Süd-Midgard bringen? Ihr werdet nicht weit kommen. Du weißt wer uns verfolgt. Man wird eine ganze Flotte ausschicken um sie zu suchen.“
„Du unterschätzt mein Schiff. Es ist schneller als es aussieht und wir haben einige Zauber der Alfar in das Holz eingewoben, dazu kommt ein Dutzend Magier an Bord, die uns mit magischem Wind unterstützen. Wir können vielleicht keinen Kampf gewinnen, aber müssten schnell genug sein um ihnen zu entkommen. Ich hatte schon früher mit den Galeeren der Alfar zu tun, sie sind nicht unschlagbar. Ich habe dir oft genug versprochen das sie sicher sein wird.“ versuchte der Bladelli ihn zu beruhigen. Vor etwa einem Jahr hatte der junge Mann Verbindung mit den Magiern der Kirche aufgenommen. Bisher wusste niemand wie ihm das gelungen war, aber sie hatten von ihm viel über die Pläne der Alfar erfahren und Marco hatte sich am häufigsten mit ihm unterhalten. Er würde ihn nicht enttäuschen. „Als wir uns per Magie verständigten hast du mir geglaubt. Zweifelst du an deiner Entscheidung?“
„Nein, das würde ich niemals.“ entgegnete er mit fester Stimme. Egal wie das Ganze ausging, wenigstens hatte er etwas unternommen. „Selbst wenn man sie wieder einfängt, haben wir es wenigstens versucht, aber ich hoffe, dass ich sie nie wieder in seinen Händen sehen muss. Ich liebe sie, nur deswegen habe ich mich überhaupt mit euch eingelassen. Enttäuscht mich jetzt bitte nicht.“
„Das werden wir nicht.“ versicherte der Bladelli ihm erneut und die Zuversicht in der Stimme des Hohetemplers beruhigte ihn etwas. „Man wird sie in die Obhut meiner Familie überstellen sobald wir in Navea sind und, falls sie es will, zur Templerin ausbilden. Laut dem was du mir erzählt hast, verfügt sie über beeindruckende magische Fähigkeiten, so wie du selbst, auch wenn sie bei ihr noch schlummern.“
„Ich versuche schon seit einer Weile ihr magisches Potential zu ergründen, aber es ist schwer zu erkennen und noch schwerer die Stärke ihre magische Aura wirklich einzuschätzen. Es liegt vermutlich an dem was sie durchmachen musste...ich hätte sie schon viel früher von dort wegbringen müssen.“
„Mach dir keine Vorwürfe, du bist selber noch jung und dass du, um ihr zu helfen, heimlich Kontakt zur Kirche aufgenommen hast, war sehr mutig von dir. Wir werden uns um sie kümmern und mit etwas Glück, kann sie die letzten Jahre bald vergessen.“
„Das bezweifle ich.“ seine Stimme wurde düsterer, als er daran dachte, was mit ihr passieren würde wenn man sie wieder zurückbrachte. Das durfte auf keinen Fall geschehen. „Kann ich irgendetwas tun um euch zu helfen und die Alfar irgendwie abzulenken?“
„Nein, aber du könntest noch einmal über deine Entscheidung nachdenken. Du musst nicht hier im Norden bleiben. Die Kirche würde dich jederzeit aufnehmen und mit deinen Fähigkeiten, würdest du es weit bringen. Nicht jeder ist in der Lage Magie über so große Distanz zu wirken und über diese Entfernung Kontakt mit uns aufzunehmen. Du hast gezeigt, dass du auf unserer Seite stehst und bereit bist der Göttin zu dienen.“ der Bladelli warf einen Blick zu Aleyandra, die unbemerkt näher an sie herangeschlichen war. Beide musste sie anfangen zu Lächeln, als das Mädchen sich schnell umdrehte und in die Luft starrte, um so zu tun, als würde sie die Möwen unglaublich interessant finden. „Es wäre auch für sie besser, wenn sie nicht alleine sein muss. Willst du sie wirklich ganz alleine um die halbe Welt schicken und in eine fremde Stadt werfen?“
„Da liegst du ausnahmsweise einmal falsch, Marco. Sie ist besser dran ohne mich.“
„Das hier ist vielleicht deine einzige Chance. Die Lage zwischen der Kirche und den Alfar wird immer kritischer. Schon jetzt sind wir ein Risiko eingegangen mit dieser Reise und es wird in nächster Zeit noch gefährlicher die Häfen der Yggdrasil Republik anzulaufen. Ein zweites mal können wir nicht so weit in den Norden gelangen ohne sofort ein Rudel Kriegsschiffe auf den Fersen zu haben.“
„Dann finde ich einen anderen Weg nach Navea und zwar alleine. Sie werden mich immer aufspüren, egal wohin ich gehe. Wenn ihr eine Chance haben wollt lebendig im Süden anzukommen, dann müsst ihr ohne mich gehen. Ich komme zurecht. Du weißt, dass man Zauber auf mich gelegt hat, damit ich nicht auf Dauer entkommen kann. Aber man hat nicht damit gerechnet, dass Sie verschwinden könnte und sobald ich weg bin werden sie eure Spur schnell verlieren. Bring meine Schwester in Sicherheit, alles andere ist im Moment unwichtig.“
„Es ist deine Entscheidung, aber ich wünschte, du könntest mit uns kommen.“ brummte der Hohetempler unwillig. Er hatte gehofft beide Geschwister nach Süden zu bringen, aber er wusste, dass es Wochen dauern konnte die eng verwobenen und komplizierten Zauber die auf dem jungen Mann lagen aufzulösen. Sie verrieten ihren Verfolgern wo er sich aufhielt und wenn er mitkam, standen ihre Chancen nur noch schlechter.
„Danke. Ich verabschiede mich noch schnell von ihr. Sobald ihr bereit zur Abfahrt seid, verschwinde ich.“
„Ich werde sie mit meinem Leben beschützen und dein Vertrauen nicht enttäuschen, das schwöre ich, bei der Ehre der Bladelli. Viel Glück. Hoffentlich sehen wir uns eines Tages in Navea wieder.“
„Das werden wir.“ pflichtete er dem Bladelli mit etwas weniger Enthusiasmus bei und ließ ihn dann alleine. Vor Aleyandra blieb er stehen und ging in die Hocke. Sie sah ihn schuldbewusst, aber vor allem traurig, an. „Habe ich dir nicht gesagt du sollst auf mich warten?“
„I-ich habe es gehört. Du willst mich auf diesem unheimlichen Schiff alleine lassen...“
„Es ist nicht nett andere zu belauschen.“
„T-tut mir l-leid. Gehst du etwa w-weil du böse aus mich bist?“ in ihren Augen sammelten sich Tränen und sie schien wirklich fest davon überzeugt zu sein, dass es ihre Schuld war. Ihr Anblick zerriss ihm das Herz und wenn er gekonnt hätte, wäre er spätestens jetzt geblieben. „Ich lausche auch nie wieder, versprochen!“ versuchte Aleyandra verzweifelt sich zu entschuldigen, damit er sie nicht alleine ließ.
„Das hat nichts mit dir zu tun.“ die gespielte Strenge fiel sofort von ihm ab und er begann zu Lächeln. Er konnte ihr einfach nicht böse sein, schon gar nicht in einem Moment wie diesem. Es war unwahrscheinlich das sie sich bald wiedersehen würden, aber wenigstens wusste er, dass sie sich bald weit weg von diesen Wahnsinnigen befand. „Ich muss gehen, damit du in Sicherheit bist. Ich habe dir doch von den Zaubern erzählt. Wenn ich bei dir bleibe finden sie dich.“
„A-aber...dann werden sie dich finden und fangen! Du musst mit in den Süden und dich in Sicherheit bringen und...ich...ich brauche dich...bitte...“ Aleyandra hielt es nicht mehr aus und fiel ihm schluchzend um den Hals, was ihn beinahe von den Beinen gerissen hätte.
„Es ist alles in Ordnung, Aleyandra. Hör auf zu weinen.“ er strich ihr durch die weißen Haare und war sich jetzt erst recht sicher, dass er das richtige getan hatte. Sie verdiente ein Leben ohne Schmerzen, weit weg von diesem furchtbaren Ort. „Marco Bladelli wird auf dich aufpassen und dich sicher in den Süden bringen. Du hast von Süd-Midgard gelesen und von der prächtigen Hauptstadt, Navea. Er bringt dich dorthin und es wird dir besser gehen als hier, das verspreche ich.“
„Nein! Ich will nicht ohne Onii-chan nach Navea!“ ihr Schluchzen wurde lauter und sie klammerte sich fester an ihn, damit er nicht gehen konnte „Du hast versprochen das wir uns die Stadt zusammen ansehen und dort leben werden und...!“
„Ich komme nach, sobald ich unsere Verfolger abgeschüttelt habe.“ log er und versuchte sich dazu zu zwingen möglichst zuversichtlich zu klingen. Vorsichtig löste er sich von ihr und sie ließ von ihm ab, während sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. An Aleyandras zitternden Lippen konnte er erkennen, dass er mit seinen Lügen keinen großen Erfolg hatte. Sie hatte zu viel von seinem Gespräch mit dem Bladelli gehört um sich einfach von ein paar nicht besonders einfallsreichen Worten beruhigen zu lassen. „Nur ein paar Wochen nach dir, werde ich auch in Navea ankommen, aber bis dahin, musst du tun was die Templer von dir verlangen. Mach ihnen bitte keinen Ärger, sie wollen uns helfen, verstanden?“
„Ja.“ murmelte sie schwach und versuchte sich zusammenreißen um nicht sofort wieder in Tränen auszubrechen.
„Wenn wir zusammen in Navea sind wird alles wie früher, bevor...bevor die Dämonen kamen.“ er wusste zwar nicht wie sie es jemals vergessen sollte, aber mehr als hoffen konnte er nicht tun um ihr zu helfen. Sanft gab er Aleyandra einen Kuss auf die Stirn und erhob sich dann. „Irgendwann, wird alles, was du durchmachen musstest, nur noch ein Alptraum sein. Ein Alptraum, der nach und nach verblassen wird, bis er einfach verschwindet und die schrecklichen Erinnerungen restlos ausradiert.
„Onii-chan...“ mit erstickter Stimme versuchte sie noch mehr rauszubringen, aber immer wenn sie versuchte etwas zu sagen, begann sie wieder zu Schluchzen. Er hatte sie vor den Dämonen gerettet, die sie schon seit Jahren plagten. Nur dank ihm, konnte sie endlich wieder schlafen. Die paar Tage ihrer Reise bis zu der kleinen Hafenstadt, waren bisher die glücklichsten ihres Lebens gewesen, zumindest seit die Dämonen sich ihre Eltern geholt hatten. Aber bevor sie ihn noch einmal anflehen konnte sie nicht alleine zu lassen, unterbrach sie der aufgeregte Ruf von Marco Bladelli, der auf ihren Bruder zu gerannt kam.
„Blutgardisten! Sie halten direkt auf unser Schiff zu!“ der Templer zeigte in Richtung Stadt und auf eine kleine Gruppe von Alfar, die sich durch die Menge am Hafen schob. Sie trugen rote Plattenrüstungen und ihnen folgten Männer in dunklen Roben verschiedener Farben, die ihre Gesichter unter Kapuzen verbargen. Man machte ihnen auf der Stelle Platz und als klar wurde was ihr Ziel war, entfernten die Leute sich rasch von dem kirchlichen Schiff. „Unter ihnen befinden sich auch Magier, wir müssen los!“
„Verstanden, wir haben schon zu viel Zeit verschwendet. Fahrt los, ich springe auf den Pier und werde sie ablenken, das sollte euch einen kleinen Vorsprung verschaffen.“
„In Ordnung, wir beeilen uns.“ Der Templer verschwand wieder, um seinen Männern zu helfen. Er wusste, dass es sinnlos war mit ihm zu diskutieren. Sie kannten sich zwar nicht besonders gut und hatten sich hauptsächlich über magische Nachrichten ausgetauscht, aber er konnte die Entschlossenheit in den Augen des jungen Mannes ohne Probleme erkennen.
„Ich hätte mich gerne noch länger von dir verabschiedet, aber uns bleib keine Zeit mehr.“ Ein letztes mal lächelte er ihr zu und stieg dann auf die Reling.
„Onii-chan...ich will nicht das du gehst...ich brauche dich!“ platze es unter Tränen aus ihr heraus und sie rannte zur Reling, um ihn wenn nötig von dort herunterzureißen.
„Wir werden uns wiedersehen.“ kaum hatte er diese letzten Worte ausgesprochen, stieß er sich mit aller Kraft von der Reling ab, legte Magie in seinen Sprung und katapultierte sich durch die Luft. Leichtfüßig landete er direkt vor den überraschten Alfar, die sich sofort auf ihn stürzten sobald sie ihn erkannten. Die Magie in ihren Schwertern leuchtete auf und sie schlugen auf ihn ein, doch bevor sie ihn erreichten, prallten sie an einer unsichtbaren Wand ab.
„Onii-chan!“ rief Aleyandra, während sie hilflos zusah wie ihr Bruder mithilfe seiner Magie die Angriffe der Alfar abwehrte. Plötzlich zerflossen ihre Klingen, schmolzen zu wertlosen Lachen aus flüssigem, heißem Metall, das sich selbst durch ihre Rüstungen fraß. Ohne Schmerzensschreie von sich zu geben ließen die Gardisten ihre Waffen fallen und zogen sich geordnet zurück, um Platz für die Magier zu machen, die sofort damit begannen den Schutzwall ihres Bruder anzugreifen. Immer mehr Alfar in dunklen Roben rannten auf ihn zu und überschütteten seinen schwächer werdenden Schild mit Feuer, bis er letztendlich unter ihrer Magie zusammenbrach. Entsetzt schrie sie auf, als er von Zaubern der Alfar eingehüllt und zu Boden gerissen wurde. Eine Wand aus blaue Flammen versperrte ihr den Blick und verschlang ihn erbarmungslos. „Onii-chan! Onii-chan!“ Verzweifelt versuchte sie auf die Reling zu steigen und wäre ihm fast hinterher gesprungen, aber die Hände der Templer packten sie unerbittlich von hinten und zerrten sie zurück auf das Schiff, das sich langsam in Bewegung setzte. Im nächsten Moment befanden sie sich bereits auf offener See und hielten auf eine schwarze Wolkenwand zu. Hinter ihnen flogen die schnellen, schlanken Schiffe der Alfar über das Wasser und ihre Verfolger trieben sie unerbittlich auf den Sturm zu. Gewaltige Wellen schlugen über ihr zusammen, splitterndes Holz flog um sie herum und sie hörte die Schreie der sterbenden Templer, als das Schiff von den Naturgewalten in Stücke gerissen wurde.
Blinzelnd öffnete Aleyandra die Augen und die Erinnerungen an den Traum verblassten sofort, als sie sah das Naruz noch immer neben ihr lag und sie nicht wirklich am ertrinken war. Dafür ging ihr etwas anderes auf die Nerven, nämlich ihr Eidolon.
„Aufstehen.“ Alessa stupste sie immer wieder mit dem Kopf leicht von hinten an und achtete dabei darauf ihre Herrin nicht ausversehen mit ihrem Horn zu durchbohren. „Wir müssen los. Silberblatt wartet auf uns.“
Aleyandra brummte irgendetwas vor sich hin und verscheuchte Alessa, die sich beleidigt in eine Ecke des Zimmers verzog. Am liebsten hätte Aleyandra einfach die Augen geschlossen, wäre wieder näher an Naruz herangerückt und hätte weitergeschlafen, aber durch die dünnen Vorhänge, konnte sie erkennen, dass bereits der Morgen graute. Alessa hatte recht. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, aber trotzdem blieb sie liegen. Sie wollte nicht aufstehen und Naruz verlassen. Das letzte halbe Jahr war wie ein Traum gewesen. Alles lief erstaunlich gut zwischen ihnen. Aber es war ihr auch klar gewesen, dass diese glückliche Zeit nicht ewig anhalten würde. Sie beide hatten Verpflichtungen gegenüber der Kirche zu erfüllen. Einerseits freute sie sich bereits darauf mehr von Midgard zu sehen und war aufgeregt. Andererseits, vermisste sie Naruz jetzt schon und würde am liebsten alles absagen, nur um bei ihm zu bleiben.
Während sie langsam die Müdigkeit abschüttelte, betrachtete sie den friedlich schlafenden Naruz im Halbdunkel und rang sich ein deprimiertes Lächeln ab. „Man verlangt von mir ein unschuldiges Mädchen zu töten.“ flüsterte sie mit zittriger Stimme und strich Naruz dabei sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. Nur wenn er schlief, konnte sie ihm ihr Herz ausschütten und wirklich ehrlich zu ihm sein. Es war leichter, wenn sie sprechen konnte, ohne Angst vor seiner Reaktion haben zu müssen. Wenn er erfuhr was sie wirklich tat würde er sie sicher verachten, aber zum Glück hatte er einen ausgesprochen festen und tiefen Schlaf. Mit etwas sicherer Stimme fuhr sie fort. „Aber ich werde es tun. Mir bleibt schließlich keine andere Wahl. Entweder ich beweise mich als Kind Gaias und diene der Kirche auf diese Weise, oder sie nehmen mich niemals in Silberblatts Einheit auf. Und wenn ich nicht in seine Einheit darf...dann gibt es keinen anderen Platz mehr für mich. Dann wird die Kirche mich erneut einer magischen Überprüfung unterziehen und deine neue Freundin, Anya, wird lächelnd meinen Scheiterhaufen anzünden.“ sie presste sich noch ein letztes mal fest an ihn und sog seinen Duft ein, fuhr sanft mit den Fingern über seine nackte Brust und küsste ihn. „Bis bald, Naruz und wehe du findest eine neue Alesia.“ Nachdem es ihr endlich gelungen war ihre düsteren Gedanken zumindest für den Moment zu vertreiben, kroch sie aus dem Bett und zog sich hastig an. Sie hasste lange Abschiede und wollte weg sein bevor Naruz aufwachte, das war leichter für sie. Zusammen mit Alessa machte sie sich auf den kurzen Weg zu ihrem Zimmer in Silberblatts Haus.



Sie hätte früher aufstehen sollen! Es gab noch so viele Dinge die sie dringend brauchte, oder von denen sie zumindest glaubte, dass sie sie brauchte. Unentschlossen sah sie sich in dem kleinen Zimmer um und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Der Raum war eine exakte Kopie von Silberblatts eigenem Zimmer und sie sollte hier nur während ihrer Ausbildung wohnen. Sobald sie ein vollwertiges Mitglied der Kinder Gaias wäre, würde die Kirche ihr etwas außerhalb des Militärdistrikts zur Verfügung stellen. Immerhin galt ihre Einheit nicht als regulärer Teil des Militärs und die gewöhnlichen Templer hielten sich von ihnen fern. Auf dem Boden verteilt lagen Kleidung und Waffen verstreut. Von Streitkolben bis hin zu Gewehren, verschiedenen Pistolen und sogar etwas das wirkte wie eine tragbare Kanone, die sie nur dank ihrer überlegenen Stärke als Botschafterin Gaias benutzen konnte. Nur Klingenwaffen fanden sich natürlich nicht unter dem ganzen Kram. Wirklich eingepackt hatte sie bisher allerdings nur die niedliche, weiße Stoffkatze die Naruz ihr geschenkt hatte, aber davon würde Fenris sich sicher nicht beeindrucken lassen.
„Hoffentlich gibt es bei den Zwergen und anderen Bewohnern des Waldes besseres Essen...ich bin kurz davor mitten in der größten Stadt der Welt zu verhungern.“ seufzte sie und drehte sich noch immer orientierungslos in ihrem Zimmer umher. Was würde sie alles im Urwald brauchen? Sie hatte keine Ahnung wie man einen Wolf jagte. Hoffentlich tauchte Silberblatt bald auf und gab ihr noch ein paar genauere Anweisungen. Bisher wusste sie nicht einmal was sie anziehen sollte. Auf jeden Fall keine Rüstung, dachte sie und lächelte zynisch. Sie hasste Rüstungen noch immer und in dem Dschungel war es sicher viel zu warm für das ganze überflüssige Metall.
„So schlimm ist das Essen hier doch gar nicht.“ verteidigte eine empörte Alessa die Hauptstadt, während sie ungeduldig zusah wie Aleyandra nicht vorankam. „Auch wenn ich das als Eidolon nicht wirklich beurteilen kann, aber zumindest das Gras ist lecker. Durch die Imitation des Gaia Kristalls schmecken die Pflanzen hier fast wie zu Hause im Himmelsreich.“
„Aber hier isst man überall mit diesen gefährlichen und tödlichen Stäbchen! Ich habe mir und Naruz damit schon viel zu oft fast ein Auge ausgestochen.“
„Wir reden hier von Holzstäbchen, die werden schon nicht mehr Schaden anrichten als Messer und Gabeln.“
„Eine Gabel...ich würde inzwischen für eine Gabel töten.“ verträumt dachte sie daran endlich wieder normal essen zu können. Diese Reise war vielleicht doch eine gute Idee, bevor sie noch den Hungertod starb. „Vielleicht kann ich unterwegs irgendwo eine mitgehen lassen. Eine aus Silber, die hübsch glänzt.“
„Wenn du sonst keine Probleme hast...“
„Ach sei ruhig, Alessa. Ich muss mich konzentrieren.“
„Willst du den ganzen Kram wirklich mitschleppen?“ Aleyandra zuckte erschrocken zusammen, als hinter ihr die belustigte Stimme des Großmeisters erklang. Langsam betrat er das Zimmer und sah sich das Chaos kopfschüttelnd an.
„Ich will nur vorbereitet sein, Ihr habt selbst einmal gesagt, dass wir nie wissen können, was uns erwartet, sobald wir die sicheren Mauern Naveas verlassen.“
„Aber denk daran, dass du es alles auch den ganzen Weg bis zum Cactaraka Wald tragen musst und wieder zurück. Außerdem sind die Sachen Eigentum der Kirche, wenn du etwas davon verlierst, wirst du es ersetzen müssen.“ Aleyandra lächelte kurz, weil sie seine Bemerkung für einen Scherz hielt, aber als sie den Ernst in seinen Augen erkannte schluckte sie nervös. Wie sollte sie irgendetwas bezahlen wenn sie nicht einmal bezahlt wurde? Irgendetwas an der Sache erschien ihr nicht ganz fair zu sein. Aber Silberblatt ignorierte ihr Unbehagen und fuhr lächelnd fort. „Hast du eigentlich noch gar nicht auf deinem Bett nachgesehen?“
„Mein Bett?“ zerstreut wanderte Aleyandras Blick zu ihrem ordentlich gemachten Bett, darauf lag ein blaues Kleid, dass von einer eigenartigen Machart war, die sie noch nie gesehen hatte. Der weiß-blaue Stoff war verziert und bedeckt von leuchtenden Edelsteinen und blauen Federn. Sie musste sich vor ihrer Abreise dringend etwas beruhigen. Vor lauter Aufregung hatte sie es sogar geschafft dieses auffällige Kleid in dem kleinen Raum vollkommen zu übersehen.
„Vielleicht etwas auffällig, vor allem im tiefsten Urwald, aber ich glaube du erregst auch so mehr als genug Aufmerksamkeit, also kannst du dabei wenigstens auch gut aussehen.“ meinte Silberblatt mit einem kurzen Lächeln, als er sah wie sie es beinahe ehrfurchtsvoll betrachtete. Man hatte ihr noch nie etwas so schönes geschenkt, außer natürlich alles was Naruz ihr schenkte. „Gefällt es dir?“

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„Es ist wundervoll! Sind das echte Federn?“ Erstaunt strich sie über die seidigen, blauen Federn und erschauderte bei der Berührung. Es musste sich großartig anfühlen es zu tragen und es gefiel ihr. Schade nur das Naruz mich nicht so sehen kann, schoss es ihr mit einem verträumten Lächeln durch den Kopf, aber nach ihrer Rückkehr konnte sie es ihm immer noch vorführen, falls es nicht im Kampf beschädigt wurde.
„Die Federn stammen von seltenen, riesigen Raubvögeln aus dem Norden. Es heißt sie beschützen den Träger und können härter als ein Drachenpanzer sein, solange man reinen Geistes ist und für eine ehrenhafte Sache kämpft...um ehrlich zu sein sollen sie nur hübsch aussehen, also verlass dich lieber nicht auf diese albernen Legenden.“
„Keine Sorge, ich habe nicht viel übrig für Märchen. Vielen Dank, Meister. Ich habe schon überlegt was ich an Kleidung mitnehmen sollte, damit ist immerhin ein Problem gelöst.“
„Ich kann vielleicht noch ein paar davon lösen. Hier, das ist auch noch für dich, um deine Ausgaben während der Reise zu decken.“ Silberblatt hielt ihr einen prall gefüllten Geldbeutel vor die Nase, den sie sofort begierig anstarrte. Wie hatte sie das Klimpern der Münzen vermisst! In den letzten Monaten musste Naruz immer bezahlen wenn sie Essen gingen, denn Silberblatt war erstaunlich gut darin zu erkennen wann sie etwas stahl. Er zwang sie dann immer das gestohlene Geld auf der Stelle zurückzubringen und um Verzeihung zu bitten. Aleyandra streckte ihre Hand aus, um sich den Geldbeutel zu schnappen und berührte dabei leicht Silberblatts Finger. Bevor sie sich bedanken konnte, spürte Aleyandra, wie ein kurzes Kribbeln ihren Arm hinauf wanderte. Es ging von der kurzen Berührung Silberblatts aus und verschwand sofort wieder. „Keine Angst, das ist nur ein kleiner Zauber, den ich immer wirken muss, wenn ein Kind Gaias zu einer Mission aufbricht. Wenn du gefangen wirst und es keine Chance mehr auf Rettung oder Flucht gibt, wird dieser Zauber das in deinen Gedanken erkennen und ausgelöst. Die Magie wird freigesetzt, sich in dein Gehirn fressen und dort genug Schaden anzurichten, um dich so schnell wie möglich zu töten. Es ist wichtig, dass wir uns niemals gefangen nehmen lassen. Unser Wissen, kann Kriege auslösen und die treusten Verbündeten der Kirche vom Pfad Gaias abbringen.“ Als Aleyandras Hand erschrocken an ihre Schläfe wanderte, versuchte er sie zu beruhigen. Das letzte was er brauchte was dass sie so kurz vor ihrem Aufbruch in Panik ausbrach. „Keine Sorge, bei diesem Auftrag wirst du es sicher nicht benötigen, außerdem gibt es noch keine Geheimnisse die du bewahren musst. Aber es gehört nun einmal dazu und am besten, du gewöhnst dich schnell daran.“
„Wie Ihr meint, Großmeister.“
„Da ist noch etwas das dich beschäftigt. Sprich offen, es ist besser wenn wir alles klären, bevor du aufbrichst und deine Zweifel auslöschen, ansonsten ist diese Mission bereits zum Scheitern verurteilt.“
„Ich...“ sie zögerte kurz, aber dann sprudelte es nur so aus ihr heraus „Ich habe mir ihr Bild wieder und wieder angesehen und kann keine Dunkelheit, keine Bösartigkeit in ihr entdecken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass von ihr eine Bedrohung ausgehen kann und bitte Euch um Erlaubnis das ganze ohne Blutvergießen zu klären. Vielleicht kann ich sie überreden freiwillig zurückzukehren oder...“
„Denkst du etwa mir fällt es leicht dir so einen Befehl zu geben, Aleyandra?“ plötzlich hatte seine Stimme einen gequälten Unterton und er klang müde, während er hilflos mit den Schultern zuckte „Du hast nur ein Bild von diesem Mädchen gesehen, ich dagegen kenne sie, seit sie ein kleines Kind war. Ich habe mit ihr auf dem Anwesen der Akashi gespielt und sie aufwachsen gesehen. Trotzdem musste ich diesen Befehl geben und bereue es nicht, oder zumindest hoffe ich das.“
„I-ihr kennt sie?“
„Mein richtiger Name ist Teregion Akashi und sie ist meine Cousine.“
„W-was?“ Aleyandra musste sich zusammenreißen, um vor Überraschung nicht auf ihr Bett zu fallen. Wenigstens kannte sie jetzt seinen richtigen Namen. Wenn sie genau darüber nachdachte, gab es sogar Ähnlichkeiten zwischen den beiden. Die Haarfarbe, die Augen. Erstaunlich, dass sie es nicht sofort bemerkt hatte. „Ihr setzt die Kinder Gaias auf Eure eigenen Verwandten an? Aber...“
„Glaub mir, ich erteilte dir diesen Auftrag nicht leichtfertig. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, einen Weg um sie zu retten, dann würde ich ihn gehen. Aber wir haben keine Wahl. Die einzige Frage die sich stellt, ist ob du in der Lage bist diesen Befehl auszuführen, oder ob die letzten Monate umsonst waren und du in meiner Einheit fehl am Platz bist.“
„Das bin ich nicht.“ entgegnete sie mit fester Stimme und versuchte eher sich selbst zu überreden als ihn. Aber wenn er von der Schuld des Mädchens überzeugt war, obwohl sie sich nahe standen, dann musste etwas an der ganzen Sache dran sein. Sie hielt Silberblatt für einen guten Menschen, der immer versuchte das richtige zu tun und wenn das seiner Meinung nach das richtige war...dann sollte sie ihm vertrauen. Ihm und dem Erzbischof, der diesen Auftrag im Namen Gaias erteilt hatte. „Ich werde meinen Auftrag ausführen und sie so schnell wie möglich ausschalten.“
„Dann wünsche ich dir viel Glück, Aleyandra, und werde jeden Tag zur Göttin für deine sichere Rückkehr beten.“ Silberblatt kam auf sie zu und drückte sie kurz, bevor er sich verlegen räusperte. Überrascht starrte Aleyandra ihn an. Sie dachte bisher, dass er sie nur für eine gewöhnliche Schülerin hielt, aber er sorgte sich wirklich um sie. Immerhin schützte er sie jetzt schon seit Monaten vor den Templern, die immer wieder ihren Tod forderten. Aleyandra fiel noch immer bei der regelmäßig durchgeführten magischen Überprüfung durch. Bisher hatte sie noch kein einziges mal bestanden und jedesmal war es Silberblatt der verhinderte das man sie als Gefahr für die Kirche betrachtete. Wenn er ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte, dann durfte sie ihn nicht enttäuschen. „Ich hatte vielleicht schon talentiertere Schüler und eifrigere Diener Gaias, aber ich weiß, dass du deine Sache gut machen wirst. Erfülle diesen Auftrag und verdiene dir einen Platz in unseren Reihen.“
Zuletzt geändert von Vanidar am 24. Juni 2014 22:38, insgesamt 2-mal geändert.