~ 2. Kapitel - ERKENNTNIS ~
3461 a.D.
Tag + 1 seit dem Angriff
- #%&/$§ - ORTSANGABE NICHT MÖGLICH
vermutlich: Wilde Lande, Sektor D-3 – LANDEORT 001
ehem. Land der Nord-Union
ehem. Deutschland, Nahe HamburgDas erste was Carin spürte war das er aufrecht stand. Oder besser: Er wurde gehalten. Langsam öffnete er die Augen. Wieso nur war er so müde? So erschöpft? Er musste sich zwingen die Augen zu öffnen. Was war nur los? Wo war er?
Müde blickte er sich um. Er befand sich in einem größeren Raum. Er war allein. Was hielt ihn aufrecht? Sein Körper fühlte sich an, als hätte er jedes Quäntchen Kraft verbraucht. Seine Muskeln waren beinahe taub, allein das heben des Kopfs und das Umsehen war so verdammt anstrengend. Seine Sicht verschwamm. Er konnte nichts mehr scharf sehen. Alles war verschwommen.
„Oh, du bist zu dir gekommen.“
Eine Stimme. Er kannte die Stimme, aber es wollte ihm nicht einfallen woher. Was war hier nur los? Er wollte antworten, aber sein Mund gehorchte ihm nicht. Außer einem unverständlichen Ächzen konnte er nichts hervorbringen.
„Du bist erschöpft. Du hast jedes Quäntchen Kraft deines Körpers verbraucht... oder sollte ich besser sagen, dass wir es dir abgesaugt haben? Jetzt bist du weit schwächer als du jemals sein könntest. Wir haben nicht nur deine Kraft sondern auch jegliche Kraftreserve abgesaugt. Da ist nichts mehr in dir. Wir ließen dir nur gerade so viel das dein Organismus dich am Leben halten kann.“
Carin verstand nicht was gesprochen wurde. Kurz dämmerte ihm das die Stimme mit seiner Müdigkeit zu tun hatte, aber er war so müde. So müde. Nicht mal seine Gedanken konnte er im Zaum halten.
„Dabei trat erstaunliches zum Vorschein. Aber zuerst...“
Plötzlich spürte Carin wie die Müdigkeit schwand. Wie die Kraft und Energie in ihn zurückkehrte. Mit jeder Sekunde die verstrich wurde er lebendiger und wacher. Sein Sichtfeld klärte sich. Das Gefühl kehrte in seine Muskeln zurück.
Mehr noch es schien als würde unaufhörlich Kraft in ihn strömen. Er fühlte sich so ausgeruht und Energie geladen wie noch niemals zuvor in seinem Leben.
„Ah, ich sehe es zeigt Wirkung. Deine Zellen schwingen jetzt geradezu vor Energie. Deine Kraftreserven sind bis oben hin voll. Dein Körper befindet sich auf dem Zenit der Leistung zu der er möglich ist... aber was rede ich da. Du spürst es mit Sicherheit.“
Carin wandte den Blick zu der Stimme. Ein humanoides Wesen. Es stand ungefähr 5 Schritt von ihm entfernt im Raum und blickte ihn an. Das Wesen stand im tiefen Schatten, so dass Carin nur die Umrisse erkennen konnte.
„So ist es schon besser. Die Kommunikation ist wesentlich einfacher wenn du verstehst.“
Das Wesen trat aus dem Schatten hervor ins Licht. Carin fixierte den Blick auf dieses Wesen. Das Wesen das ihn anscheinend gefangen hielt. So müde er sich vorhin gefühlt hatte so ausgeruht fühlte er sich jetzt. Sogar sein Blick schien schärfer und besser geworden zu sein.
Das Wesen war wie das Wesen auf dem Dach. Es war ein Superior. Nur kleiner und von filigranerem Wuchs. Da es nackt war, konnte Carin den Körper sehen. Er war von oben bis unten von rosa Haut überzogen und an manchen Stellen von Haaren bewachsen. Nur leicht, nicht so dass man die Haut nicht mehr sehen konnte. Außer auf dem Kopf, dort befand sich ein dichter Haarwuchs. Es war männlich.
Das Wesen sah genauso aus wie das Wesen das ihn auf dem Dach außer Gefecht gesetzt hatte. Exakt gleich. Die Gesichtszüge waren identisch.
„Du bist das also.“, befand Carin.
„Ich? Oh, nein.“, das Wesen lachte, „Du meinst den Ableger der dich auf dem Dach besiegt hat?“
„Er sah aus wie du.“
Das Wesen lachte. Genau dasselbe wie Lachen wie auf dem Dach. Ohne Hohn, Ohne Spott. Es klang freundlich. Aber Carin wollte sich nicht täuschen lassen.
„Natürlich. Es ist ich, und auch wieder nicht. Es war ein Teil von mir... und auch wieder nicht.“
Carin den diese Antwort mehr verwirrte, als das sie ihm weiterhalf, beschloss es darauf beruhen zu lassen. Es gab dringendere Fragen zu klären.
„Wo bin ich?“
„Was glaubst du?“
Carin blickte sich um. Der Raum war groß. An der Wand hingen pulsierende... Dinge. Als er den Blick darauf fixierte erkannte er zu seinem Erstaunen das diese Dinger... organisch waren. Sie sahen aus wie Muskeln die etwas pumpten. Auch die Wände, die Decke und der Boden an sich waren organisch. Es sah aus wie Fleisch.
Er zog an seinen Fesseln, doch trotz der neugewonnen Kraft gaben diese nicht nach. Ein Blick nach oben und unten bestätigte seine Befürchtungen. Sowohl seine Arme und Beine waren von einer fleischigen Fessel umschlungen. Es sah aus als wäre etwas über seine Arme und Beine gewuchert. Bis zu den Ellbogen und Knien. So sehr auch daran zog diese Wucherungen hielten ihn fest. Sie gaben zum Teil nach und zogen sich dann wieder zusammen wie Muskeln.
Er unterdrückte seinen Ekel, den er verspürte bei dem Gedanken daran das er von Muskeln und Organen gehalten wurde.
„Ich bin im Berg der vom Himmel fiel.“
„So nennt ihr ihn? Interessant... Ja, du hast Recht.“
„Was wollt ihr von mir?“
„Wir wollen dir etwas zeigen.“
Dabei wandte sich das Wesen ab und zeigte mit seiner rosa Hand auf die Wand links von Carin. Das Fleisch der Wand erbete an der Stelle, auf die das Wesen gedeutet hatte. Zuerst schien es Wellen zu schlagen wie Wasser, dann glitt mit einem schleimigen Schmatzen eine Membran zurück. Das entstehende Loch war groß wie eine Tür. Es dauerte kurz dann glitten vier lange arme daraus hervor. Deren Enden waren Fesseln wie diese in denen Carin hing. In den hervorgleitenden Fesseln hing ein Homo Sapiens Lupus. Soweit Carin sehen konnte ein Reinrassiger. Der Lupus hing leblos in den Fesseln. Da er gefesselt war ging Carin davon aus dass er noch Leben war. Inwiefern der Lupus ohnmächtig war oder in denselben Zustand versetzt worden war wie Carin anfangs, konnte er nicht beurteilen.
„Wir haben dieses... Wesen geerntet.“, erklärte das Wesen. Wandte sich dann von dem Lupus ab und blickte zur gegenüberliegenden Wand. Auch dort deutete er mit der Hand hin. Die Wand rechts von Carin begann sich ebenfalls zu kräuseln und Wellen zu schlagen wie die Wand auf der linken Seite zuvor. Wieder öffnete sich die Membran, und wieder glitt die Konstruktion mit den langen Armen hervor. In den Fesseln hing ein Homo Sapiens Superior. Wie es schien ein reinrassiger. Von verblüffender Ähnlichkeit mit dem Wesen vor ihm, aber größer, mit goldbrauner Haut und komplett haarlos. Auch der Superior hing leblos in den Fesseln. Carin konnte bei beiden sehen dass Sie unverletzt waren, bis auf einen Einstich unterhalb der Schulter. Dort musste der Dorn der Odonata-Wesen eingedrungen sein bei der Gefangennahme. Kurz dachte Carin überrascht daran dass ihm das erspart geblieben war, als das Wesen weiter sprach.
„Auch dieses Wesen haben wir geerntet.“
„Wie sind wir hierhergekommen?“, verlangte Carin zu wissen.
„Oh. Ihr seid durch die Ausläufer gekommen. Die Dienerwesen haben euch eingesammelt und dadurch hierher geschickt.“
Carin erinnerte sich an die große Ranke und wie die Odonata-Wesen ihre Gefangen dort hinein geworfen hatten. Er unterdrückte erneut ein Ekelgefühl als er daran dachte ins Innere einer dieser Ranken geworfen worden zu sein.
Das Rosa-Superior-Wesen ging zu dem gefangenen Superior und blieb seitlich vor diesem stehen. Dann blickte er zu Carin hinüber.
„Pass jetzt genau auf.“
Das Wesen deutete nacheinander auf alle vier der Fesseln des Superior. Zuerst passierte nichts, doch dann konnte Carin sehen wie die Adern, die über die Fesseln liefen anfingen zu pumpen. Es sah so aus als würde durch sie etwas hindurchgeleitet und die Adern begannen grün zu glimmen.
Selmark wusste nicht wo er war. Irgendetwas hielt ihn aufrecht. Und irgendwo hörte er zwei Wesen miteinander sprechen. Er war so müde. Zu müde zum zu hören. Er hörte die Worte der beiden Wesen, aber er konnte mit den Worten nichts anfangen. Er war so müde. Wie war er hierhergekommen? Er wusste es nicht mehr. War ja auch egal. Er wollte nur noch schlafen.
Plötzlich spürte er wie er wacher wurde. Das Leben in seinen Leib zurückkehrte. Mit jeder Sekunde die verging wurde er wacher. Er hob den Kopf und blickte sich verwirrt um. Wo war er? Zuerst sah er das ihm gegenüber ein Lupus in einer seltsamen Vorrichtung hing. Sah ziemlich tot aus. Links davon war eine weitere dieser Vorrichtungen. In ihr hing ein anderes Wesen. Soweit Selmark es beurteilen konnte war es ein Mischling. Ein Unreiner. Ein Lupus hatte sich mit irgendetwas gekreuzt. Voller Ekel betrachtete er den Mischling. Der Mischling war auf alle Fälle höchst lebendig und er starrte wiederum ihn voller Faszination an.
Er wandte den Blick ab und versuchte sich zu orientieren. Was hielt ihn fest? Zu seinem Erschrecken hing er in der gleichen Vorrichtung wie der Lupus und der Mischling. Erst jetzt sah er dass die Vorrichtung aus organischem Gewebe – lebendigem Fleisch – bestand. Und die Adern auf seinen Fesseln leuchteten und etwas schien sie zu durchströmen. Mit wachsender Panik und immer weiter steigender Kraft zog er an den Fesseln die ihn festhielten. Doch diese gaben nicht nach. Seine ganze optimierte Gen-Struktur brachte ihm hier nichts.
Plötzlich Durchschnitt eine neue Stimme den Raum, in dem bis dato Schweigen geherrscht hatte.
„Gleich wird es passieren.“
Erst durch diese Stimme erkannte Selmark das noch ein weiteres Wesen im Raum war. Selmark wandte den Kopf zu der Stimme und blickte das Wesen an. Es sah so ähnlich aus wie er selbst. War aber kleiner und filigraner. Seine Haut war rosa und es besaß leichten Haarwuchs.
Er blickte das Wesen an und stellte augenblicklich die Bemühungen zur Befreiung ein. Er war schockiert. Schließlich öffnete er den Mund um auszusprechen was ihn so fassungslos machte.
„Du bist ein Vorläufer.“
Selmark konnte hören wie der Mischling erschrocken die Luft einzog. Das Vorläufer-Wesen hingegen blickte ihn nur lächelnd an.
„Nein.“
Doch Selmark war sich ganz sicher.
„Doch. Du siehst so aus wie die Schriften und Überlieferungen meiner Rasse die Vorläufer beschreiben!“
Das Vorläufer-Wesen lachte hell.
„Ich habe mich falsch ausgedrückt. Einst war ich das, was du einen Vorläufer nennst. Doch ich bin längst kein Homo Sapiens Sapiens mehr.“
„Aber...“
„Still jetzt.“, schnitt das Vorläufer-Wesen Selmark das Wort ab.
Dann wandte sich das Wesen dem Mischling zu.
„Es beginnt.“
Bevor Selmark fragen konnte was beginnt, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Er war die ganze Zeit, seit seinem Erwachen permanent stärker geworden. Seine Kraft und seine Energie waren permanent angestiegen. Doch das wohltuende Gefühl der Stärkung kehrte sich inzwischen um. Es brannte und schmerzte. Seine Haut schien zum Zerreißen gespannt. Die Hitze wurde immer stärker. Was war los? Was passierte mit ihm? Er spürte seine Knochen knacken, als stünden Sie unter großem Druck. Was war das? Mit einem knirschenden Geräusch hörte er den ersten seiner Knochen zersplittern. Seine Haut zerriss. Er schien innerlich zu verbrennen.
Dann brüllte er voller Schmerz auf und wurde in einer Explosion aus Fleisch und Blut zerfetzt. Die Gewalt der Entladung war so heftig das Blut bis zu Carin spritzte, welcher fassungslos zu den Überresten des Superior hinüber blickte. Außer einer großen Lache Blut und einem Haufen Fleisch am Boden war nichts geblieben. Lediglich die Bein- und Armstümpfe hingen noch in den Fleisch-Fesseln.
Das Vorläufer-Wesen kam zurück zu Carin. Es war viel näher an dem Superior gestanden, doch kein Bluttropfen hatte seine rosa Haut getroffen.
„Hast du gesehen?“, fragte es Carin in einem sachlich nüchternen Tonfall.
Carin riss seinen fassungslosen Blick von den Überresten des Superiors los und blickte das Wesen an.
„Warum?“, fragte er mit erstickter Stimme.
„Weil ich dir etwas zeigen will.“, erklärte das Wesen in einem Tonfall, wie ein Lehrer der einem kleinen Kind das addieren beibringen wollte.
„Blicke jetzt dort hinüber.“, dabei deutete das Wesen zum gefangenen Lupus.
Das Wesen ging zum Lupus und machte dieselbe Handbewegung wie beim Superior. Auch hier begannen die Adern auf den Fesseln grün zu glimmen. Dann blickte das Wesen zu Carin zurück.
„Keine Sorge, es wird nicht sterben.“, erläuterte es ihm.
Fassungslos, angeekelt und doch auch fasziniert betrachtete Carin den gefangen Lupus. Wie beim Superior zuvor begann dieser immer reger zu werden und warf sich in seinen Fesseln knurrend hin und her. Alles schien genauso abzulaufen wie beim Superior, doch dann geschah etwas Neues.
Das Vorläufer-Wesen machte erneut eine Handbewegung und aus dem Loch hinter dem Lupus glitten drei weitere Arme hervor. Zwei endeten mit spitzen Knochen. Der dritte schien ein handgroßes Stück Fleisch zu halten.
Wie auf ein Kommando stießen die beiden Arme mit den Knochenspitzen zu. Einer Drang mit einem Knacken in den Hinterkopf des Lupus ein, der zweite bohrte sich in dessen Rücken und schlitzte diesen dann von oben bis unten auf.
„NEIN!“, brüllte Carin und zog nun seinerseits an den Fesseln.
„Still. Es wird nicht sterben. Schau zu und verstehe.“, antwortete das Vorläufer-Wesen.
Der Lupus hing nun ganz still in seinen Fesseln. Carin konnte sehen wie sich die Brust heftig hob und senkte. Der dritte Arm mit dem handgroßen Stückfleisch bewegte sich und glitt in die große Wunde am Rücken des Lupus. Der Lupus verkrampfte sich schlagartig, dann glitt der dritte Arm zurück. Ohne das Stück Fleisch. Kurz darauf glitten auch die beiden anderen Arme zurück. Noch zweimal warf sich der Lupus hin und her, bevor er schließlich still in seinen Fesseln hing.
Zwei Minuten lang sagte weder Carin noch das Vorläufer-Wesen etwas. Carin versuchte zu verstehen was hier geschah. Und er fragte sich was mit ihm geschehen würde.
„Es ist beendet.“, brach schließlich das Vorläufer-Wesen die Stille.
Das Vorläufer-Wesen machte eine weitere Handbewegung und die Fesseln des Lupus öffneten sich. Mit einem Schmatzen glitten die Hände und Füße des Lupus aus den Wucherungen und er fiel zu Boden. Heftig atmend kniete er dort.
Das Vorläufer-Wesen ging zu dem Lupus und blickte ihn neugierig an.
„Was bist du und wem dienst du?“, fragte er den Lupus.
Dieser erhob sich und blickte das Vorläufer-Wesen direkt an, bevor es antwortete.
„DIENER. HEROLD.“
Das Vorläufer-Wesen nickte.
„Geh und regeneriere dich. Lass die Umwandlung vollständig geschehen dann komm zu mir zurück.“
„JA.“
Dann ging der Lupus davon und verschwand durch eine Membran in der Wand. Nein, das Lupus-Wesen korrigierte sich Carin. Dieses Wesen war kein Lupus mehr. Was auch immer es war, aber ganz bestimmt kein Homo Sapiens Lupus mehr.
Das Vorläufer-Wesen trat nun wieder vor Carin, während die beiden Halterungen in die Wand zurückglitten und die Membran sich wieder schloss. Nun war wieder alles zu dem Zeitpunkt an dem er erwacht war, sah man von der großen Blutlache des Superiors ab. Carin blickte das Wesen direkt an. Einige Sekunden verstrichen in denen keiner der beiden etwas sagte. Dann brach Carin das Schweigen.
„Bevor du das gleiche mit mir tust, möchte ich etwas fragen.“
„Dann frage.“
„Wenn der Superior Recht hat bist du ein Vorläufer. Warum tust du uns das an? Wir sind eure eigenen Kinder!“
„Die Vorläufer haben einen Fehler begangen. Sie verärgerten etwas Höheres. Sie störten die Harmonie. Ich... Wir... sind zurück um das zu korrigieren.“
„Wir?“
„Ich bin kein Individuum. Ich bin viele.“
Carin verstand kein Wort von dem was ihm das Wesen erzählte. Vielleicht hatte sich der Superior auch geirrt und das Wesen war keiner der mystischen Vorläufer? Carin wusste es nicht und wie es momentan schien würde es wohl auch nie erfahren.
„Warum hast du mir das gezeigt? Ihr hättet mich doch auch einfach vernichten ... oder verändern können?“
Diese Frage stellte er sich selbst seit er gesehen hatte was mit dem Superior passiert war.
„Weil du anders bist.“
„Anders?“
„Ja. In dir herrscht Harmonie. Etwas das wir nicht erwartet hatten zu finden. Nicht hier. Das macht dich besonders. Es ist... faszinierend.“
„Harmonie?“
Das Wesen deutete zu der Stelle an welcher der Superior explodiert war. Noch immer stand dort eine große Lache Blut.
„Dieses Wesen erhielt die gleiche Menge an Gaia wie du. Und dennoch explodierte es. Du lebst.“
Dann deutete es zu der Stelle wo der Lupus gehangen hatte.
„Dieses Wesen erhielt die gleiche Menge an Gaia wie du. Es lebt nur weil wir einen Kontrollmechanismus hinzugefügt haben. Du lebst ohne diesen Mechanismus. In dir herrscht Harmonie.“
Dann blickte es zu Carin und machte eine Handbewegung. Carin spannte sich an. Er erwartete jede Sekunde dass die drei Arme hinter ihm hervorglitten, doch zu seiner Überraschung öffneten sich die Fesseln und er fiel zu Boden.
Während er vor dem Wesen kniete redete dieses weiter.
„In dir herrscht Harmonie. Wir wollen nichts von dir.“
„Was ist Gaia?“, fragte Carin während er aufblickte.
„Gaia ist Alles. Und nichts.“
„Wer bist du?“
„Ich bin der erste Herold von Gaia.“
Carin erhob sich und stand auf eigenen Beinen vor dem Wesen. Er war ungefähr genauso groß und hätte das Wesen jeden Moment attackieren können. Doch das Wesen zeigte keinerlei Regung. Keine Angst, keine Freude, keine Hoffnung. Nichts.
„Geh Carin. Geh deiner Wege. Wir wollen nichts von dir. Wir wollten das du verstehst.“
Das Wesen machte eine weitere Handbewegung und um Carin wurde es schwarz. Das letzte was er dachte war, das es er viel weniger verstand wie vorher. Dann umfing ihn die Dunkelheit.
3461 a.D.
Tag +1 seit dem Angriff
Aufklärungsteam Zentaur, auf dem Weg in nördlicher Richtung
Wilde Lande, Sektor D-3
ehem. Land der Nord-Union
ehem. Deutschland, Nahe HamburgDie Raketentriebwerke fauchten brüllend und trieben den Angriffstransporter der Warhammer-Klasse unermüdlich in nördliche Richtung. Gleich einem stählernen Vogel mit brennendem Schweif donnerten sie über den Himmel. Mehr als ein Mischling unter Ihnen hob den Kopf um nach dem Ausschau zu halten was solch einen Lärm verursachte. Ein Angriffstransporter der Homo Sapiens Superior war in den Wilden Landen ein seltener Anblick. Aufklärungsflüge war man gewohnt. Diese glitten fast unbemerkt über den Himmel. Ein Angriffstransporter hingegen war keine subtile Erscheinung sondern eine brutale Waffe. Die Subtilität des Angriffstransporters konnte man mit der Subtilität eines Vorschlaghammers gleichsetzen. Praktisch nicht vorhanden.
Die vier Raketentriebwerke waren Hochleistungsmaschinen, eine Geräuschdämpfung war nicht vorhanden und hätte nur die Leistung vermindert. Die Bewaffnung reichte aus um eine komplette feindliche Division im Alleingang aufzureiben und die Panzerung sollte genau der gleichen Bewaffnungsstärke standhalten können.
Von all dem Krach war natürlich innerhalb des Fluggeräts nichts zu hören, die Panzerung sorgte für eine optimale Geräuschdämpfung.
„Die Mischlinge unter uns werden ganz schön schauen, was da über ihre Köpfe hinweg donnert.“, lachte Person der Pilot des Angriffstransporters und blickte dabei aus den Sichtfenstern.
„Ja, so was sehen die hier nicht alle Tage.“, fiel Mitch der Ko-Pilot ein.
Beide Männer lachten herzhaft über ihren Witz, während die Maschine sie weiterhin Richtung Norden trieb. Angriffstransporter wurden von einer besonderen Gattung an Piloten geflogen. Tatsache war das man in einem Angriffstransporter zwar so gut geschützt war wie in einem Panzer, daher auch der Spitzname „Geflügelte Panzerdivision“ für Angriffstransporter-Divisionen, aber leider entsprach die Manövrierbarkeit und Handhabbarkeit eines Angriffstransporters denen eines schweren Panzerfahrzeugs am Boden. Für echte Piloten, die die Manövrierbarkeit und Wendigkeit am Himmel schätzten, war ein Angriffstransporter damit denkbar ungeeignet. Nicht das diese Tatsache Person und Mitch gestört hatte. Sie genossen es schlicht Ihren fliegenden Backstein in der Luft zu halten und die Macht inne zu haben alles wegblasen zu können was ihnen die Quere kam.
„Wir sind noch ungefähr 5 Minuten von der Absetzzone entfernt, ich mach mal eine Durchsage nach hinten.“, merkte Mitch an.
„Gut.“
Schar-Führerin Timka hatte sich gerade auf dem HUD ihres Kampfhelms das Gebiet rund um den Absatzpunkt angesehen als sie die Durchsage des Piloten hörte.
„Verehrtes Frachtgut, hiermit machen wir sie freundlichst darauf aufmerksam das wir in 5 Minuten unsere Abwurfzone erreichen. Bitte bleiben Sie ruhig und bereiten Sie sich auf den Aufschlag vor.
Vielen Dank.“
Timka konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie kannte Person und Mitch inzwischen seit einigen Jahren und war bereits einige Einsätze mit den beiden geflogen. Sie respektierte die beiden für Ihre unerschütterliche Ruhe unter Feindfeuer und hatte auch kein Problem mit den Witzchen der Beiden. Die meisten Krieger rissen Witze vor dem Feindkontakt um ihre Anspannung zu überspielen, aber die beiden waren schlicht Witzbolde. Musste man wohl sein wenn man im einem Fluggerät mit den aerodynamischen Eigenschaften eines Backsteins saß.
Mit einem Blinzeln schob sie die Karte des Einsatzgeländes zur Seite und öffnete mit einem Handgriff die Halterungen des Sitzes. Daraufhin stand sie auf und blickte zu ihrer Truppe. Ihre Schar saß entspannt in den beiden Sitzreihen auf jeder Seite des Warhammers. Alle saßen regungslos da, was aber nichts heißen musste, immerhin waren sie alle von Kopf bis Fuß in Panzerung verhüllt.
„Okay, Gentleman. Ihr habts gehört in 5 Minuten geht’s los. Macht euch bereit!“
Sie selbst griff dabei nach dem schweren Hochenergie-Sturmgewehr das neben ihrem Sitz in einer speziellen Halterung hing. Timkas Schar war schon eine erstaunliche Sache. Die Homo Sapiens Superior hielten beide Geschlechter für gleichberechtigt, dennoch kam es selten vor das Frauen in den Kriegsdienst zogen. Timka war eine absolute Ausnahme. Umso interessanter war die Tatsache das Timkas Schar bis auf sie selbst nur aus Männern bestand. Anfangs hatte das für Spott und Hohn in der männlichen Domäne der Krieger gesorgt, aber Timka hatte bei den Übungen und Testgefechten alle auf ihre Plätze verwiesen. Sie schoss genauer, schneller und effizienter als die anderen Scharführer. Seitdem wurde ihre Schar unter den anderen Teams nur noch scherzhaft „Timkas harte Bande“ gerufen.
„Hey Boss, hab gehört das ist eine Aufklärungsmission?“, mischte sich Tarek, eines der fünf anderen Mitglieder des Teams ein.
„Korrekt.“
„Was wollen wir auf einer Aufklärungsmission?“
„Aufklären.“
„Boss, wir fliegen in nem verdammten Warhammer und tragen schwere Kampfrüstungen. Nicht gerade geeignet für ne Leisetretermission wenn du mich frägst!“
„Ja, Boss. Uns ruft man nur wenns was zu Töten gibt oder etwas kaputt zu machen ist.“, bekräftigte Scortch, der Sprengexperte des Teams den Einwurf von Tarek.
Timka zog aus dem schweren Tornister auf dem Rücken Ihres Kampfanzugs ein ungefähr Daumendickes Kabel hervor und schob den Stecker in die dafür vorgesehene Buchse ihres schweren Gewehrs. Sofort schalteten die Dioden auf dem Gewehr auf Grün um Feuerbereitschaft zu signalisieren. Auch auf Ihrem HUD tauchte das ICON für das Sturmgewehr auf und der Computer des Systems meldete die Waffenbereitschaft.
„Schweres Sturmgewehr X-876/5 erkannt. Feuerbereit.“
Gleichzeitig erschien auf ihrem HD ein Fadenkreuz, das anzeigen wohin sie mit der Waffe gerade zielte. Dieses intelligente Waffensystem erleichterte einem das Zielen enorm. Dann wandte sie sich Scortch und Tarek zu.
„Hört auf rumzuheulen wie kleine Kinder. Unsere Einsatzparameter sind eindeutig: Erkunden, Daten sammeln und Rückkehr. Im Zweifelsfall haben wir die Erlaubnis zur Zerstörung aller Hindernisse. Verstanden?“
Beim Wort Zerstörung ging ein „Boooh-ja“ über die Funkfrequenzen als alle fünf Mitglieder des Teams ihre Zustimmung bekundeten. Timka grinste. Sie wusste dass in diesem Moment alle fünf Männer unter ihren Helmen gegrinst hatten. Nicht das sie das hätte sehen können. Die Helme verbargen jegliche Menschlichkeit. Sie umschlossen den Kopf komplett und das einzige Merkmal auf das man schauen konnte waren die zwei Augen – zwei kreisrunde Dioden – auf der Frontplatte. Die beiden Augen waren für die Sensorik zuständig und übereinander angeordnet.
Ob wichtig oder unwichtig. Tarek hatte verdammt Recht. Timkas Schar war eine spezielle Einsatztruppe. Sie wurden in der Regel nicht mit Aufklärung oder Standard-Manövern betreut. Sie rief man nur wenn die Scheiße wirklich am Dampfen war!
„Waffen integrieren und Panzerungscheck.“
Jedes der fünf Männer ging daran die Waffen ans System anzukoppeln wie Timka es bereits getan hatte und ließ dann den internen Computer einen Check aller Rüstungskomponenten durchführen. Jetzt war die letzte Gelegenheit eine mögliche Fehlfunktion der ARES-Panzerung zu beheben. Niemand wusste mehr wofür das Wort ARES stand, lediglich Zayron der Magister für Sciencia grinste jedes Mal wenn er eine Schar in ARES-Panzerung sah. Timka war sich sicher das der alte Mann wusste wofür der Name stand. Niemand kannte sich mit Technik und den Vorläufern so gut aus wie er.
Tatsache ist das die ARES-Panzerung das modernste war das die Superior an technischer Ausstattung zu bieten hatten. Das Panzerungssystem bestand aus mehreren Schichten und war dafür konzipiert worden die Einsatzfähigkeit des Trägers auch in den widrigsten Umständen und Verhältnissen zu garantieren.
Die oberste Schicht des Panzerungssystems bestand aus einer Nano-Kohlefasernverbindung mit Diamantenbeschichtung und gewährte daher neben extremer Panzerungshärte auch hohe Hitzebeständigkeit. Diese Panzerungsplatten waren starr und wenig flexibel, daher waren sie vor allem an Körperpartien angebracht die wenig Bewegungsfreiheit benötigten, wie Brust, Schultern, Beine, Arme und Rücken. Die mittlere Schicht bestand aus Valydium. Valydium war eine Metalllegierung die während der Selektions-Kriege entwickelt worden war. Ihr besonderes Merkmal war ihre unglaubliche Flexibilität, sie war weich und biegsam wie Stoff, und gleichzeitig ihre hohe Widerstandsfähigkeit. Dies garantierte auch in den Gelenken die benötigte Bewegungsfreiheit. Die unterste Schicht bestand aus einer Kohlefasernverbindung und bildete einen enganliegenden Anzug der 100% des Körpers bedeckte. Sie bildete die letzte Barriere für eindringende Geschosse und war ein extrem zerreißfestes Gewebe. Zwischen der Mittleren und der untersten Schicht war zudem die komplette Hardware der Rüstung untergebracht. Das bedeutete hier saß die Sensorik, das Computersystem und die künstlichen Muskelstränge der Rüstung, die die Kraft des Trägers potenzierte. Die tiefste und letzte Schicht bildete die Nanoflüssigkeit die den Körper des Trägers umgab. Eine Schicht dieser semi-organischen Flüssigkeit umgab den kompletten Körper des Trägers. Sie diente zur Verbindung des Nervensystems des Trägers mit der Rüstung, versorgte den Körper des Trägers mit Nährstoffen und nahm Ausscheidungsprodukte auf. Daneben konnte Sie Wunden desinfizieren und versiegeln.
Alle diese Schichten sorgten dafür das ein Träger der ARES-Panzerung um einiges breiter und größer wirkte als ein normaler Homo Sapiens Superior. Insbesondere die schweren Schulterpanzerplatten und der große Tornister mit der Energieversorgung auf dem Rücken des Panzeranzugs sorgte dafür das der Träger einer ARES-Panzerung über 2,70 m groß war und eine Breite von 2,00 m an der Schulter aufwies.
„Absetzpunkt erreicht. Timka-Baby, mach dich bereit!“
„Irgendwann ramme ich dir meinen Stiefel so tief in den Arsch das du meine Fußsohle ablecken kannst, Person!“
„Wie wärs? Lass uns das heute Abend doch ausprobieren?“
Timka schüttelte den Kopf und grinste.
„Setz uns ein ab, Person!“
„Okay... aber das Date steht!“
Über die Funkfrequenz erscholl das Gelächter der fünf Mitglieder ihrer Schar.
„Achtung. Absetzen in 5... 4... 3... 2... 1... LOS!“
Mit dumpf wummernden Raketentriebwerken ging der Warhammer in den stationären Flug über und blieb in der Luft stehen. Gleichzeitig öffneten sich laut zischend die Seitenschotts des Warhammers und Timka war die erste die sprang.
Mit einem lauten Krachen schlug sie acht Meter tiefer auf dem Boden auf. Die drei Tonnen schwere ARES-Panzerung fing den Aufprall mit den integrierten Dämpfungssystemen ab. Die restliche Aufprallenergie kompensierte Timka indem Sie beim Aufprall in die Knie ging. Die künstlichen Muskelstränge der Rüstung unterstützen Sie danach sofort in der Bewegung, als Timka in Deckung eines Mauerrests hechtete und sich dagegen drückte. Kaum das der letzte Mann den Warhammer verlassen hatte, drehte selbiger auch wieder ab und entfernte sich mit dröhnenden Triebwerken.
„Umgebungsscan durchgeführt. Keinerlei Bedrohung gefunden.“, meldete das Computersystem der Rüstung, während hinter ihr mit weiteren Krachen die restlichen Scharmitglieder eintrafen. Keine drei Sekunden später drückten sich sechs ARES-Rüstungen gegen die Überreste der Mauer.
„Höchste Vorsicht. Vergesst nicht wir sind zur Aufklärung hier, aber ich möchte keinen meiner Schar verlieren. Also Augen auf und keine Risiken!“
Der Umgebungsscan hatte zwar keinerlei Gefahren erkannt, aber Timka vertraute der Technik nicht uneingeschränkt. Sie rief zur Orientierung die Karte des Geländes auf Ihrem HUD auf und einige Augenblicke später wusste sie wohin sie mussten.
„Erstes Ziel ist drei Kilometer nördlich. Bewegung. Scortch und Tarek nehmen die Flanken. Fixxer, Sev und Dark folgen mir.“
Die Panzerungen von Scortch und Tarek setzten sich sofort in Bewegung, während die restlichen Teammitglieder Timka folgten. Mit Hilfe ihrer Panzerungen konnten Sie die meisten Hindernisse leicht überwinden, aber es war gar nicht so einfach mit einer schwergepanzerten Angriffspanzerung leise und heimlich vorzugehen.
Da Sie umfassende Vorsicht walten mussten benötigten Sie fast 20 Minuten um zum ersten Ziel vorzurücken. Das erste Ziel war ein langer Riss im Boden, der so aussah als wäre hier vor kurzem eine gigantische Lebensform entlang gekrochen. Während Scortch und Tarek Deckung gaben stiegen die restlichen Teammitglieder zur Sohle des Risses hinab.
„Verdammt. Was war das nur?“, fragte Fixxer über Funk.
„Was verdammt Großes auf alle Fälle!“, hörte man Dark murmeln.
„Okay, Leute. Macht euch auf die Suche nach Spuren, Proben oder irgendetwas Verwertbarem!“
„ACHTUNG! Wir bekommen Besuch. Eine Lebensform, humanoid, nähert sich von Norden.“
„Verstanden. Bereithalten. Aber erschreckt mir ihn nicht zu sehr, vielleicht kann er uns erzählen was hier passiert ist.“
Noch während Timka und die anderen aus der Sohle wieder nach oben stiegen hörte man oben einen Entsetzensschrei. Es schien so als hätte der Besucher bemerkt dass er hier nicht allein war. Mit einem letzten Sprung überwand Timka die Wand des Risses und war oben. Sie sah wie Scortch auf sie zu kam. Neben ihm eine Gestalt, wahrscheinlich ein Mischling, in Fetzen gekleidet.
„Tarek hält Wache.“, erklärte Scortch über Funk.
„Verstanden.“
Timka ging langsam auf die Gestalt zu und sank zwei Meter vor ihr auf die Knie. So waren sie immerhin auf Augenhöhe.
„Oberflächliche Analyse: Mutierter Piscis-Lupus.“, meldete ihr die Computerstimme. Bei genauerem Hinsehen erkannte es auch Timka. Der Mischling zeigte eindeutig Lupus-Merkmale, hatte aber auch Merkmale von Homo Sapiens Piscis. Unter anderem waren große Teile des Körpers mit Schuppen bedeckt.
„Ich werde dir nichts tun.“, sprach Timka über die Außenlautsprecher den Mischling an. Tatsächlich stimme das sogar. Timka war für einen Superior sehr liberal gegenüber Mischlingen eingestellt. Der Mischling nickte zaghaft.
„Weißt du was hier passiert ist?“
Mit leiser Stimme fing der Mischling an zu antworten.
„Sie kamen bei Nacht. Haben alle mitgenommen. Eingefangen und in die Ranke geworfen.“
„Wer kam?“
„Die Monster...“
„Wohin sind sie gegangen?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe mich versteckt.“
Timka dachte über das gehörte nach. Es klang nach ziemlichem Mist, aber andererseits würde es erklären wieso man einen Trupp Elite-Krieger in Angriffspanzerungen eine Erkundungsmission durchführen lässt.
Plötzlich fing der Boden an zu Beben.
„Was ist das?“
„SIE KOMMEN ZURÜCK!“, kreischte der Mischling und lief davon.
„HALT!“, brüllte Scortch dem Mischling nach und war bereits daran seine Waffe anzulegen.
„Egal, lass ihn!“, herrschte Timka ihn an.
„Schar, formieren bei mir. Diamant-Formation.“, befahl sie, während das Beben immer stärker wurde. Während sich die Schar bei ihr versammelte erreichte das Beben seinen Höchstpunkt, bis es schlagartig aufhörte.
Es gab eine letzte große Erschütterung und etwas Gewaltiges brach aus dem Boden hervor und krachte auf den Boden.
„SCHEIßE!“, brüllte Scortch.
„WAS ZUR HÖLLE IST DAS?“, schrie Tarek.
„DECKUNG UND WAFFEN FEUERBEREIT MACHEN!“, befahl Timka.
Was zur Hölle ging hier nur ab? Als sich der Staub endlich legte sah Timka das vor Ihnen eine gigantische Ranke lag. Eine organische Ranke. Mit dutzenden von Knospen auf der Oberfläche.
„Was ist das?“, fragte Fixxer.
„Keine Ahnung.“, meinte Dark.
„Haltet die Klappe. Irgendwas stimmt hier nicht.“
Ihre Intuition trug Timka nur selten. Und auch dieses Mal sollte ihr verdammt mieses Gefühl Recht behalten, als sie plötzlich eine Stimme hörte. Zuerst war es nur eine, dann wurden es immer mehr. Und alle Stimmen riefen ein einziges Wort.
„ERNTE.“
3461 a.D.
Tag +1 seit dem Angriff
Wilde Lande, Sektor D-3
ehem. Land der Nord-Union
ehem. Deutschland, Nahe HamburgAls Carin wieder zu sich kam, lag er unter freiem Himmel. Er sah Wolken vorbeiziehen. Weich und flauschig. Der Himmel dahinter war strahlend blau. So einen schönen Tag hatte er lange nicht mehr gehabt. Eigentlich wusste er gar nicht wann er das letzte Mal zum Himmel hinauf geschaut hatte? Vielleicht war es so, dass man manchmal, mit dem ganzen Stress und dem ganzen Wahnsinn auf der Erde und dem Boden vergaß, dass es noch einen Himmel gab?
Er konnte kaum glauben was er erlebt hatte. Er wandte den Blick ab vom Himmel und rappelte sich auf. Dieses Wesen, der erste Herold, hatte ihn wieder auf das Dach bringen lassen, auf dem Sie ihn gefangen hatten. Er blickte sich um. Bis auf den gewaltigen Riss im Boden, den die Ranke hinterlassen hatte erinnerte nichts daran was hier letzte Nacht passiert war. Es war so unwirklich, das er sich selbst unwillkürlich fragte ob er nicht alles nur geträumt hatte? Vielleicht hatte er einen Hitzschlag bekommen? Er war immerhin den ganzen Tag unter der strahlenden Sonne marschiert. Dann blickte er sich nochmals um. Nein, er hatte nicht geträumt. So etwas träumte man nicht. Es war real gewesen. Was ein paar interessante Fragen aufwarf.
Was wollte der Herold von Gaia? Und wer war Gaia?
„Scheiße. Warum muss so etwas ausgerechnet mir passieren?“, knurrte er während langsam das Treppenhaus hinab stieg. Er dachte sogar daran nach seinem Rucksack zu suchen, aber der war nicht mehr da, wobei ihn vermutlich eher andere Mischlinge während seiner... Abwesenheit mitgenommen hatten, als die Odonata-Wesen. So oder so war der Rucksack weg und damit auch alle seine Besitztümer, sogar die gute Plastiktüte.
Er hatte nichts mehr.
„Scheiße. Immer ich.“
Das warf die Frage auf was er jetzt tun sollte? Anscheinend hatte er von den Odonata-Wesen nichts zu befürchten, da der Herold gemeint hatte in ihm war alles harmonisch. Oder so ähnlich. Er verstand noch immer nicht was dieser Herold damit gemeint hatte. Also was sollte er jetzt tun? Einfach gar nichts? Jemanden warnen?
Nach einigem hin und her entschied er sich die Homo Sapiens Superior zu warnen. Sie hatten in einiger Entfernung von hier eine Stadt. Valkyria oder so ähnlich. Typisch Superior, hochtrabender Name für ein Kaff. Natürlich bestand die Gefahr dass sie ihn nicht mal anhörten und davon jagten, aber er wollte wenigstens versuchen die Warnung zu überbringen. Denn die Welt wie sie war, war zwar bei weitem nicht perfekt, aber eine bessere hatte er noch nicht gesehen. Davon abgesehen traute er diesem Herold und den Odonata-Wesen nicht. Besser er sagte Bescheid, dann stände er immerhin nicht alleine da, wenn es Ärger geben sollte. Und es sah so aus als käme gewaltiger Ärger auf die Erde zu!
Er wanderte den halben Tag durch eine trostlose Wüstengegend. Vermutlich war dieser Ort das Schauspiel einer Schlacht in den Selektions-Kriegen gewesen. Es gab zwar kaum einen Ort auf diesem Planeten der das nicht gewesen war, aber das vollkommene Fehlen von Vegetation ließ ihn vermuten dass hier mit anderen Kalibern, als normalen Waffen aufeinander geschossen worden war. Die Tatsache durch den vermutlichen Aufschlagspunkt einer Massenvernichtungswaffe zu laufen störte ihn nicht sonderlich. Wenn die Waffe nuklear gewesen war, wäre er längst hindurch, bevor die Strahlendosis seinem Körper tödlich zusetzen konnte. War die Waffe biologisch gewesen, waren die Wirkstoffe längst im Boden versickert oder zerfallen.
Einzig und allein die Sonne machte ihm Schwierigkeiten. Sie brannte hier ohne Gnade auf ihn hinab. Und einen Schatten sah er meilenweit nicht. Auch Wasser hatte er keins und eine Suche danach in dieser trostlosen Gegend war wohl vergebene Liebesmüh.
„Scheiße.“, murmelte er zum gefühlt 2453x dieses Tages.
Aber es half nichts, er musste sich einfach weiter bewegen. Hinlegen und sterben war keine Option. Davon abgesehen spürte er noch die Nachwirkungen dieser Energie im Berg der vom Himmel fiel. Obwohl er den ganzen Tag marschiert war, fühlte er sich fit und ausgeruht als wäre er gerade erst aufgestanden. Was auch immer das für eine Energie war, für ihn zumindest war sie perfekt. Lediglich der Durst piesackte ihn.
Plötzlich verspürte er ein leichtes Beben in der Erde. Ein Erdbeben? Ein Erdrutsch? Oder eine dieser Ranken? Letzteres wäre gar nicht gut. Er wusste nicht ob ihn diese Odonata-Dinger wirklich in Frieden lassen würden und nicht mal sein Messer war ihm geblieben.
Da verspürte er ein zweites Beben. Viel schwächer und nicht weit entfernt. Aufmerksam spitzte er die Ohren. Da war noch etwas. Ganz schwach und kaum hörbar. Er konzentrierte sich darauf. Bemühte sich das Geräusch besser zu hören. Zu erkennen was es ist. Langsam hörte er es besser. Aber das bedeutete nicht dass er schlau daraus wurde. Es hörte sich an wie hohes Pfeifen und Zischen.
Es nützte nichts aus dem Geräusch wurde er nicht schlau. Er musste näher heran. Immer noch durstig machte er sich daran eine steinige Düne in der Nähe zu erklettern. Aus dieser Richtung kam das Geräusch. Der Tag wurde irgendwie nicht besser.
„Scheiße.“, knurrte Carin.
3461 a.D.
Tag +1 seit dem Angriff
Ungefähr 3 km südöstlich von Carins Position
Wilde Lande, Sektor D-3
ehem. Land der Nord-Union
ehem. Deutschland, Nahe Hamburg„Scheiße.“, murmelte Timka. Was zur Hölle waren das nur für Dinger? Sie hob den Kopf etwas und lugte über den Rand der Erddüne hinter der sie in Deckung gegangen war. Diese grün gepanzerten Dinger waren aus den Knospen der Ranke gefallen und hatten sofort das Feuer auf sie eröffnet. Und es kamen immer mehr.
Sie streckte den Lauf Ihrer Waffe über den Rand und gab schnell hintereinander ein paar Schüsse ab. Das schwere Hochleistungs-Sturmgewehr in ihrer Hand ruckte bei jedem Schuss und gab zischend und fauchend einen rotleuchtenden Energiestrahl ab. Traf einer der Hochenergie-Strahlen eines der Dinger in die Brust brach dieses brennend zusammen.
Terek warf sich aus vollem Laufschritt neben Sie hinter die Düne. Die drei Tonnen Gewicht der Panzerung knallten gegen die Düne, sodass diese erbebte.
„Verdammt, es werden immer mehr, Boss!“
„Ich sehs.“
„Was sollen wir tun?“
Timka schob erneut den Lauf ihres Gewehrs über den Rand und gab drei Schüsse ab. Drei von den Dingern brachen brennend zusammen. Zuerst hatten sie auf die Köpfe der Dinger geschossen, aber das hatte sie nicht aufgehalten. Selbst nach einem direkten Kopftreffer bewegten sie sich weiter. Aber ein sauberer Brustschuss schaltete sie komplett aus. Musste wohl irgendein wichtiges Organ oder sonst etwas Wichtiges treffen.
„Wir legen Sie um. Du wolltest doch Aktion!“, antwortete sie Terek.
„Du weißt das ich andere Aktion wollte.“, murrte Terek, doch Timka hörte ihn schon nicht mehr. Sie hatte etwas weit gefährlicheres auf dem Schlachtfeld erspäht.
„ACHTUNG! DA KOMMT WIEDER EINS!“, brüllte Sie in den Funk.
„Scheiße.“, murmelte Terek.
„Verdammt.“, hörte man von Scortch.
„Ach Mist.“ Das war Fixxer.
„Hatte mich schon gefragt wann es wieder so weit wäre.“, meldete sich Sev.
Nur von Dark hörte man wie üblich nichts. Dafür konnte Sie sehen wie von Darks Stellung ein Schwall Hochenergie-Schüsse auf die Viecher peitschte und fünf davon in Fetzen riss. Der gute Dark. Doch diese kleinen Viecher waren nicht das Problem.
Beim ersten Angriff hatten Timka und ihr Team relativ schnell bemerkt, das die Schüsse der kleinen Viecher nicht durch Ihre Panzerungen kamen und waren dem Gefecht recht sorglos begegnet. Doch dann war das erste große Viech aufgetaucht.
Es war ungefähr dreimal so groß wie die kleinen Viecher und war von grotesker Gestalt. Timka war sich sicher, dass es schlicht aus drei kleinen Viecher bestand, die irgendwie zusammengewachsen waren. Was es aber gefährlicher machte war das es ein großes Geschütz trug und dieses verschoss ein weit größeres Kaliber. Davon konnte Scortch ein Lied singen. Er war getroffen worden und der Schuss war bis zur untersten Panzerungsschicht durchgedrungen, bevor er gestoppt worden war. Leider waren diese Viecher auch nicht ganz so einfach zu vernichten. Die grüne Panzerung war komplett überwuchert und diese Wucherungen nahmen die Hochenergie-Schüsse erstaunlich gleichgültig hin. Zu allem Übel deckten es diese kleinen Mistviecher auch noch mit ihren Körpern.
„Feuer konzentrieren. Macht eine Schneise frei, damit wir die Schienenkanone einsetzen können!“
„Was gäbe ich jetzt für einen Destroya.“, murmelte Terek und spielte damit auf das größte gepanzerte Landfahrzeug der Superior an.
„Tja, wir haben aber keinen. Also halt die Klappe und schieß!“, antwortete ihm Timka, die bereits aufrecht stand und die kleinen Viecher mit wohlgezielten Salven davon fegte.
Es dauerte etwas doch dann ging der Plan auf. Die Salven fegten ein Loch in die Reihen der kleinen Viecher, so dass Timka ihre Schienenkanone zum Einsatz bringen konnte.
Die Schienenkanone war ein auf Massebeschleunigung basierendes Waffensystem und bei den ARES-Kampfanzügen in der Schulter untergebracht. Der Lauf wurde nur bei Bedarf ausgefahren. Und der Bedarf war jetzt gerade recht groß.
„Ziel erfasst.“, meldete der Computer von Timka und kreiste das Ziel mit einem roten Dreieck ein.
„DECKUNG!“, befahl Timka ihrem Team, dann drückte sie durch einen Gedankenbefehl ab.
Die Schienenkanone verschoss ein Antimaterie-Projektil mit fast 10%iger Lichtgeschwindigkeit. Binnen Sekundenbruchteilen erreichte das Projektil sein Ziel und drang tief in den Körper des Wesens ein bevor der Antimaterie-Sprengkopf darin zündete. Der Sprengkopf bestand nur aus 10 mg Antimaterie, aber als das Eindämmungsfeld im Sprengkopf versagte und die Antimaterie mit der Materie in Berührung kam wurde explosionsartig eine gewaltige Menge an Energie freigesetzt.
Mit einem gewaltigen dunkelblauen Blitz löste sich das große Wesen auf und riss die im Umkreis befindlichen kleinen Wesen mit in den Tod.
Timkas Kampfanzug kippte nach hinten zusammen. Das war der Preis der Schienenkanone. Neben der begrenzten Munition benötigte sie derartige Mengen an Energie, das der Feuernde danach 60 Sekunden außer Gefecht war, weil die Rüstung keine Energie mehr hatte. Der Fusionsreaktor in ihrem Tornister musste das System erst wieder versorgen. Und bis der nötige Level erreicht war dauerte es.
„Guter Schuss, Boss.“, meldete sich Dark zu Wort.
„Aber das Arschloch auf der Ranke ist immer noch da.“, kommentierte Fixxer den Schuss.
Timka wusste sofort welches Arschloch Fixxer meinte. Bereits relativ am Anfang hatten Sie festgestellt dass auf der Ranke ein weiteres Wesen aufrecht stand. Es unternahm nichts um Sie anzugreifen, es stand lediglich da. Es hatte ebenfalls eine grüne Chitinpanzerung wie die anderen Viecher, aber ihr war sofort klar gewesen das dieses Wesen etwas anderes war. Es hatte nur zwei Beine und auch eine ganz andere Haltung als die Viecher die sie pausenlos angriffen. Timka hatte Dark befohlen das Wesen abzuknallen und Dark hatte auch prompt das Feuer auf dieses Wesen konzentriert. Aber die Schüsse waren alle an einer durchsichtigen Barriere vor dem Wesen abgeprallt. Es trug zwar eine Rüstung, aber keiner der Schüsse war überhaupt so weit gekommen. Die Barriere war nicht zu sehen, bis auf den Augenblick in dem ein Schuss auf sie traf.
„Timka an Person. Benötigen Evakuierung und schwere Luftunterstützung.“
Wie schon einige Male seit Kampfbeginn versuchte sie die beiden Piloten des Warhammers zu erreichen.
Nichts. Nur statisches Rauschen in der Funkverbindung. Irgendwas stimmte da nicht.
„Scheiße.“, murmelte sie.
„System wieder zu 100% einsatzfähig.“, meldete die Computerstimme. Immerhin etwas. Sie stemmte sich nach oben und wollte wieder anzufangen zu schießen. Die grünen Mistkerle strömten schon wieder auf sie zu.
„Hey, seht mal! Was macht der denn da?“, hörte sie Darks Frage und dann sah sie es auch.
Carin stand auf einem Hügel und blickte hinab in das kleine Tal wo das Gefecht tobte. Jetzt wusste er was er gehört hatte. Das Zischen und Pfeifen waren die Schüsse von Lasergewehren gewesen. Vom Geräusch her, Schüsse von ziemlich effektiven und guten Lasergewehren. Nicht dass es so schien als Nütze es den Trägern etwas. Sie mähten die Odonata-Dinger zu hunderten nieder, aber für jeden erschossenen erschienen zwei neue. Davon abgesehen wusste Carin dass die Herolde beinahe unbegrenzte Ressourcen hatten. Jeder gefangene Erdbewohner würde bald ein Krieger der Herolde sein. Und Carin war sich sicher dass sie bereits Tausende verschleppt hatten. Wahrscheinlich würden Sie sogar die Toten Wesen wieder zusammenflicken und zurück in den Kampf schicken. Es war ziemlich aussichtslos. Und doch wusste Carin dass er etwas tun musste. Die Superior waren schwer bewaffnet und gut gerüstet und anhand ihrer Bewegungen und ihrer Feuermuster konnte selbst Carin sehen, dass sich diese Superior nicht zum ersten Mal in so einer Situation befanden. Als er das Vorläufer-Wesen auf der Ranke sah wusste er auch was zu tun war. Oder zumindest hoffte er das.
Carin duckte sich tief hinter einer Sanddüne um nicht von dem Vorläufer-Wesen gesehen zu werden. Sofern es einen überhaupt sehen musste um zu wissen das man da war. In seiner rechten Hand hielt er ein totes Stück Holz. Einen Knüppel wenn man so wollte. Was er vor hatte war ziemlich wahnsinnig, aber er musste es probieren. Er musste zu den Superior und die sechs da unten würden seine Reise um viele Tage verkürzen.
Plötzlich blitzte es blau und eine gewaltige Explosion fegte einen Großteil der Odonata-Wesen davon. Man konnte von den Superior halten was man wollte, aber ihre Waffen waren effektiv. Andererseits waren sie eine von vier überlebenden Rassen des Selektions-Kriegs. Wahrscheinlich musste man effektive Waffen haben um das zu schaffen. Carin schätzte dass die Explosion soeben mindestens 30 Odonata-Wesen getötet hatte, doch als er zum Vorläufer-Wesen blickte sah, hörte er dieses nur lachen, so als sähe er etwas sehr lustiges. Wieder dieses Lachen. Ohne Hohn, ohne Spott, ohne Verachtung. Fast freundlich.
Er griff den Knüppel fester und begann auf die Ranke zu klettern. Jetzt oder nie. Es fühlte sich komisch an auf die Ranke zu klettern. Ihre Oberfläche war warm und fühlte sich fleischig an. Ein gewisses Ekelgefühl stieg in Carin auf, aber er kletterte unbeirrbar weiter. Schließlich kam er genau hinter dem Vorläufer-Wesen ob an.
So leise er konnte erhob er sich und pirschte sich hinter das Wesen. Er holte aus und schlug mit aller Kraft zu. Direkt auf den Kopf dieses Wesen. Der Knüppel traf den Hinterkopf des Wesens und alles was Carin spürte war Schmerz. Schmerz vom Aufprall des Knüppels. Hinauf bis in die Schulter. Das Vorläufer-Wesen jedoch drehte sich um als sei nichts gewesen und drehte ihm den Kopf zu ohne den Helm abzunehmen.
„Oh. Hallo, Carin.“, begrüßte es ihn wie einen alten Freund mit dieser verdammt freundlichen Stimme.
„Eine faszinierende Wendung der Ereignisse, auch wenn sie ohne Bedeutung ist.“
Dann lachte das Wesen kurz und verschwand dann. Verpuffte einfach, als sei es nie da gewesen.
Timka sah wie sich ein Mischling von hinten an dieses Wesen anpirschte. Mit nichts weiter als einem hölzernen Knüppel in der Hand. Zuerst dachte sie daran was für ein Idiot dieser Mischling war. Dann hoffte sie, dass sein Vorhaben Erfolg haben würde. Sollte er sie hier herausholen können, würde sie jeden persönlich erschießen der den Mischling blöd anmachte.
Sie sah wie der Mischling ausholte und zuschlug. Und dann zurückzuckte. Sie sah wie das Wesen sich zu dem Mischling umwandte und war sich bereits sicher dass es das gewesen war, aber das Wesen tötete den Mischling nicht. Es blickte ihn an, oder sprach zu ihm, das war auf diese Entfernung nicht zu sehen und verschwand dann. Ohne weiteres. Der Mischling schien genauso verwirrt zu sein.
„Was war denn das jetzt?“, meldete sich Terek.
„Timka, schau die Knospen an.“ Das war Dark.
Timka tat wie geheißen und betrachtete die Knospen auf der Ranke, aber sie konnte nichts Ungewöhnliches daran erkennen. Beziehungsweise nichts Ungewöhnlicheres als vorher auch schon.
„Was ist damit?“
„Sie stoßen keine weiteren Wesen mehr aus.“
Jetzt wo Dark sie mit der Nase darauf gestoßen hatte, konnte Timka es auch sehen. Die Knospen blieben verschlossen. Es kam nichts mehr daraus hervor. Das war die Chance worauf sie gewartet hatten.
„Putzt den Rest weg und dann will ich mit unserem Retter ein paar Wörtchen reden!“, befahl Timka ihrem Team und erhob sich um ihrerseits noch ein paar Schüsse abzugeben.
Carin saß noch immer auf der Ranke und sah zu wie die Superior die verbliebenen Odonata-Wesen beschossen. Da die Wesen jetzt keinen Nachschub mehr bekamen war es bald erledigt. Und zum ersten Mal seit Stunden kehrte Ruhe in diesem Tal ein.
Er konnte sehen wie die sechs Gestalten in Ihren schweren Anzügen auf ihn zu kamen und fragte sich ob das so eine gute Idee war. Vielleicht knallten sie ihn einfach ab wie ein Tier? Aber er hatte sich für diese Vorgehensweise entschieden, jetzt musste er sie durchziehen. Er stieß sich ab und rutschte die Außenhaut der Ranke hinab und ging auf die Superior zu. In Ihren Anzügen waren diese Kerle verdammt riesig.
Er hob beide Hände und schrie.
„NICHT SCHIESSEN! ICH MUSS EUCH UNBEDINGT ETWAS SAGEN! ES IST SEHR WICHTIG!“
Er hoffte dass diese Superior nicht zur schießwütigen Sorte gehörten. Andererseits waren sie Superior die in verdammt riesigen Kampfanzügen mit verdammt riesigen Schusswaffen um sich schossen. Carin kam sich in diesem Moment ziemlich dämlich vor und er erwartete jeden Augenblick erschossen zu werden, doch dieses Mal entpuppte sich seine Hoffnung als berechtigt.
Fünf der Sechs Anzüge blieben stehen und der sechste kam auf ihn zu. Dabei konnte er ihn sprechen hören. Aus den Lautsprechern drang eine weibliche Stimme.
„Nun, zuerst einmal möchte ich Danke sagen.“
Carin wusste nicht was ihn mehr schockierte. Die Tatsache das dieses... Ding eine Frau war, oder das sich ein Superior bei ihm bedankt hatte! Ein Superior... bei einem Mischling! So etwas hatte es mit ziemlicher Sicherheit noch nie gegangen.
„Ich bin Schar-Führerin Timka und wie darf ich dich nennen?“
Carin der etwas überrumpelt war von den Ereignissen, nie hatte er erwartet das ein Superior mal Dankbarkeit zeigen würden, stammelte eine Antwort.
„Ähm... ja... äh... ich bin Carin. Äh... man nennt mich Carin.“
Der große Kampfanzug ging vor Carin in die Knie, so dass er direkt den Helm anblicken konnte. Natürlich sah er kein Gesicht, aber immerhin musste er nicht mehr den Kopf in den Nacken legen.
„Nun Carin, du sagtest du musst uns etwas sehr wichtiges sagen?“
„Ja, ja!“, beeilte sich Carin zu sagen.
Dann deutete er auf die herumliegenden Leichen der Odonata-Wesen und begann zu erzählen was ihm wiederfahren war. Von seiner Gefangennahme und den Dingen die er dabei erfahren hatte.
„...und deswegen muss ich euer Magistrat sprechen.“, endete der Mischling namens Carin vor Timka gerade. Das soeben gehörte kam ihr ganz und gar unglaubhaft vor. Es war geradezu lächerlich.
„Der will uns wohl verscheißern!“, brachte Terek es auf den Punkt.
„Ein ziemliches Märchen.“, murmelte Scortch.
Fixxer, Sev und Dark schwiegen.
„Haltet die Klappe.“, befahl Timka über den internen Funk.
Sie blickte den Mischling genau an. Es schien nicht so als würde er lügen. Im Gegenzug er schien wirklich aufrichtig daran interessiert seine Warnung zu überbringen. Und wenn nur die Hälfte seiner Warnung stimmte, musste das Magistrat davon erfahren.
Sie war geneigt Carin zu glauben. Außerdem hatte er Ihnen den Arsch gerettet. Dafür war Timka durchaus bereit auch einem Mischling etwas Vorschuss-Vertrauen einzuräumen. Auch wenn sie sich bewusst war das sie wohl eine der wenigen Superior war die so dachten.
„In Ordnung, Carin. Ich weiß nicht ob ich das alles glauben kann, aber du kommst mit uns. Ich bringe dich zum Magistrat, aber keine Dummheiten, verstanden?“
Der Mischling Carin nickte eifrig und schien froh darüber zu sein das man ihn zumindest zum Magistrat brachte.
„WAS? WIR NEHMEN DIESEN PARASITEN MIT?“, schrie Terek über den Funk.
„Klappe, Terek. Ich habe hier das Kommando. Ich entscheide!“
„Aber, Boss! Er ist ein MISCHLING!“, das letzte Wort betonte er dabei als spräche er etwas unglaublich ekliges aus.
Dark war inzwischen hinter Terek aufgetaucht und schlug diesem mit seinem Gewehrkolben an den Helm. Das würde keinen bleibenden Schaden hinterlassen, aber es schüttelte zumindest Tereks Kopf ordentlich durch.
„Du hast doch selbst gesehen was das für Wesen waren.“
„Aah, Dark. Spinnst du?“, zischte Terek zurück.
„Der Boss entscheidet.“, damit ging er an Terek vorbei. Dieser jedoch war noch lange nicht bereit es dabei beruhen zu lassen und wandte sich an die anderen Teammitglieder.
„Und ihr? Was haltet ihr davon?“
„Der Boss entscheidet.“, wiederholte Fixxer.
„Was immer Timka sagt.“, antwortete Sev und zuckte mit den Schultern.
„Sie ist die Schar-Führerin“, bekräftigte Scortch die Entscheidung von Timka.
Als er realisierte das er gnadenlos überstimmt war, warf Terek hilflos die Arme in die Luft.
„Aber ich werde dieses Ding nicht beim Namen nennen! Und sagt mir nicht ich hätte euch nicht gewarnt, wenn es uns verscheißert und bescheißt!“
„VERDAMMT, TEREK! JETZT HALT ENDLICH DEN MAUL SONST PASSIERT HIER GLEICH ETWAS!“.
Timkas Stimme war kalt wie Eis und schnitt doch wie ein glühendes Messer in den Gehörgang. Sie war echt stinkig. Und niemand legte sich mit Timka an wenn sie sauer war. Das verstand sogar Terek, der sich sogar jede Erwiderung darauf verbiss.
Timka atmete noch einmal tief durch und öffnete dann die Funkverbindung zu Person und Mitch. Dieses Mal bekam sie fast sofort eine Verbindung.
„Timka-Baby, was war los? Hab lange nichts von dir gehört. Wir haben versucht euch zu erreichen.“
„Person... Halt die Klappe. War ein anstrengender Tag und ich hab jetzt keinen Nerv für deine Witze. Hol uns ab.“
Zuerst war es kurz still in der Funkverbindung. Selbst Person schien kapiert zu haben das man sich mit Timka in der aktuellen Laune besser nicht anlegte.
„Habt ihr was ihr gesucht habt?“, fragte er in normalem Tonfall nach.
„Besser. Wir haben einen Augenzeugen der eine extrem wichtige Warnung überbringen muss.“, antwortete sie Person.
„Gut. Die Magister wird’s freuen. Bin in 5 Minuten da.“
„Verstanden.“
Dann wandte sich Timka an Carin.
„Sie holen uns in 5 Minuten ab.“
Dieser nickte und setzte sich auf den Boden um zu warten. Währenddessen wandte sich Timka an ihr Team.
„Sammelt ein paar der Leichen ein, wir wollen dem Magister der Sciencia was zum Spielen mitbringen.“
Während die restlichen Teammitglieder möglichst intakte Leichen suchte, Carin am Boden saß und sich neugierig umschaute und langsam das Dröhnen der Warhammer-Triebwerke näher kam, dachte Timka daran wie gerne Sie jetzt einen Drink hätte. Und wie viele Drinks sie brauchen würde wenn das stimmte was Carin zu erzählen hatte.
3461 a.D.
Tag +1 seit dem Angriff
Zitadelle im Zittergebirge, Sphäre der Homo Sapiens Superior
ehem. Land der Nord-Union
ehem. Deutschland, AlpenDer Abend neigte sich dem Ende entgegen. Die Sonne schien mit letzter Kraft ihre Strahlen auf die Erde zu senden, bevor sie komplett hinter dem Firmament verschwinden würde. Schon jetzt war nur noch ein dünner Streifen von ihr zu sehen.
Magister Zayron genoss diese kurze Zeitspanne der Halb-Dunkelheit am Abend. Es war zu einem festen Ritual in seinem Leben geworden. Jeden Tag bemühte sich der alte Mann genau diesen Zeitpunkt des schwindenden Lichts nicht zu verpassen. Es hatte etwas äußerst magisches an sich.
Und nun, seit dem ersten Angriff schien ihm dieser Moment umso kostbarer. Es schien als bräche ein neues Zeitalter für die Superior an.
Dies war keine Vorstellung die Zayron schockierte. Sein Leben hatte lange genug gedauert, auch wenn man ihm das nicht unbedingt ansah. Die optimierte Gen-Struktur des Homo Sapiens Superior sorgte dafür, dass er bis kurz vor dem Tode einsatzfähig blieb. Seine Kraft und Ausdauer ließen zwar nach, aber bis auf mehr Falten in seiner Haut konnte man ihm sein Alter von beinahe 150 Jahren nicht ansehen. Er hatte in seinem Leben allerlei Dinge gesehen. Hatte es ganz dem Streben nach neuem Wissen und dem Erhalt des Wissens der Superior gewidmet. Er bereute nichts. Und er fürchtete das Ende nicht.
Aber für die Jungen tat es ihm leid. Sie standen am Anfang ihres Weges. Ein Ende wäre zu verfrüht.
Ein letztes Mal noch wollte er all sein Wissen aufbieten um den Weg der Superior zu korrigieren, wie er es bereits hin und wieder getan hatte. Auch wenn die jetzige Situation eine große Korrektur nötig machte. Eine Korrektur, zu der er vielleicht nicht im Stande war. Dennoch wollte er es probieren. Um den nachfolgenden Generationen ein Leben zu ermöglichen und auch um so viel wie möglich über die Gegenschöpfung zu erfahren. Die Gegenschöpfung interessierte ihn brennend. Sein Wissensdurst war beinahe ein größerer Antrieb als die Gefahr seiner Rasse unterzugehen.
Er erhob sich von der Bank auf dem kleinen Balkon, hoch oben am Hauptturm der Zitadelle und ging zurück ins Innere.
Seit der Nachricht während der Magistrats-Sitzung gestern grübelte er darüber nach was eine „Gegenschöpfung“ sein sollte? Zayron hatte alle bekannten Fakten über die Vorläufer studiert und kannte den Entstehungsmythos dem diese vor langer Zeit angehangen waren. Eine omnipotente Wesenheit hatte angeblich das Universum, die Welt und den Menschen geschaffen. Dieses Wesen wurde „Gott“ genannt. Das war die sogenannte „Schöpfung.“ Wenn die Schöpfung also bedeutete etwas Neues zu erschaffen, was war dann das Gegenteil davon? Vernichtung und Zerstörung? Der Tod? Andererseits stellte sich die Frage wieso dieses Ereignis etwas mit den Vorläufern zu tun haben sollte? Als Indiz dafür blieb nur das sezierte Odonata-Wesen. Aber vielleicht war das nur Zufall?
Zayron betrat den Aufzug der nach unten zu den Labortrakten in den tiefsten Schichten der Zitadelle führte und grübelte weiter vor sich hin. Es nützte alles nichts. Auf Basis der vorhandenen Daten konnte keine vernünftige Analyse erfolgen. Er würde warten müssen bis die Erkundungsteams zurück waren und hoffen dass sie brauchbare Daten hatten finden können.
Mit einem Klacken kam der Aufzug zum Stillstand und öffnete die Türen. Er verließ den Aufzug und wurde fast sofort von einem seiner Assistenten über den Haufen gerannt.
„Immer mit der Ruhe, mein Junge.“
„Verzeihung Magister. Ich war gerade auf der Suche nach Ihnen.“
„So? Was gibt es denn so Wichtiges?“
„Herr Magister, der Superior-Magister hat uns eine Nachricht weitergeleitet: Erkundungsteam Zentaur hat sich zurückgemeldet. Sie hatten in den Wilden Landen Feindkontakt mit Wesen, deren Beschreibung frappierend an die veränderten Odonata erinnert.“
„Faszinierend.“, murmelte Zayron. Es schien so als breiteten sich diese Wesen aus. Doch was bezweckten Sie damit? Bisher war noch kein koordinierter Angriff erfolgt. Wäre es nicht sinnvoll gewesen den Feind möglichst hartnäckig zu attackieren, bevor man das Überraschungsmoment verlor? Zumindest hätte ein Superior so gehandelt, aber vielleicht dachten diese Wesen in anderen Bahnen? Ein interessanter Aspekt. Zayron nahm sich vor ihn später in aller Ruhe nochmals zu durchdenken.
„Was gibt es noch?“, wandte er sich an seinen Assistenten.
„Schar-Führerin Timka hat sich gemeldet. Sie bringen einen Mischling mit, der behauptete er wäre von den Angreifern gefangen genommen und hätte dann fliehen können.“
Zayron erinnerte sich an Timka. Jeder in der Zitadelle kannte die einzige weibliche Schar-Führerin bei den Elite-Trupps der Superior. Und sie kam mit äußerst guten Nachrichten zurück. Ein ehemaliger Gefangener! Das würde sie voranbringen in der Erforschung dieser Bedrohung!
Er zog eine haarlose Augenbraue nach oben, wie er es oft tat wenn seine Neugierde entfacht war.
„Na, das sind doch mal gute Neuigkeiten! Wann werden sie eintreffen?“
Der Assistent tippte etwas auf dem schmalen Brett das er bei sich trug – ein miniaturisierter Computer – und blickte dann wieder zu Zayron.
„Sie werden Valkyria heute Nacht mit einem Warhammer-Angriffstransporter verlassen und werden morgen Früh hier eintreffen.“
Zayron nickte.
„Hervorragend. Bereiten Sie alles vor, ich möchte nach der Sitzung sofort mit der Arbeit beginnen können.“
„Natürlich Herr Magister.“
Mit einem Lächeln ging Zayron an dem Assistenten vorbei. Endlich begann es.
3461 a.D.
Tag +2 seit dem Angriff
Im Anflug auf die Zitadelle im Zittergebirge, Sphäre der Homo Sapiens Superior
ehem. Land der Nord-Union
ehem. Deutschland, AlpenDie Sonne warf ihre ersten Strahlen dem durch die Wolken pflügenden Warhammer entgegen, als sich dieser seinem Ziel näherte. Die Raketentriebwerke waren komplett vertikal ausgerichtet um eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen, dennoch hatte der Flug fast drei Stunden gedauert. Sie waren in Valkyria während eines heftigen Angriffs der Wesen gestartet und seitdem schnurstracks auf ihr Ziel, die Zitadelle, zugesteuert.
Carin saß unruhig auf dem harten Plastiksitz, der für ihn zu groß war, da er eigentlich Superior in voller Kampfmontur beherbergen sollte. Wahrscheinlich war er der erste Mischling überhaupt der einen Angriffstransporter der Superior freiwillig von innen sah.
„Zitadelle kommt in Sichtweite. Sieht so aus als hätte es hier keinen Angriff gegeben. Wir werden in wenigen Minuten landen.“, meldete der Pilot durch ein Lautsprechersystem.
Die weibliche Superior, die ihn auch im Kampfanzug angesprochen hatte, ging daraufhin zu dem Lautsprecher, drückte darunter eine Taste und sprach dann in den Lautsprecher hinein.
„Sehr gut. Danke, Person. Bring uns heil runter.“
„Logo, Baby.“, war vom Piloten noch zu vernehmen, bevor die Frau grinsend zurück zu ihrem Platz ging. Carin fragte sich ob die beiden etwas miteinander hatten, oder ob das nur Spaß war.
Die Superior-Frau, Timka hatte sie sich vorgestellt, setzte sich ihm gegenüber. Obwohl Superior-Frauen kleiner sind als die Männer, war Timka dennoch genauso groß wie Carin. Was wohl daran lag das er nur zur Hälfte ein Superior war. Nicht das das bei den Reinrassigen etwas zählte. Die Glatze fand er persönlich etwas befremdlich, aber alle Superior waren kahlheutig und hatten nirgends am Körper Haare. Frauen wie Männer. Davon abgesehen war sie eine ansehbare Frau. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig und schön. Lediglich die Narbe über die halbe rechte Gesichtshälfte zerstörte die Gleichmäßigkeit etwas.
„Wir werden bald landen, Carin. Bist du aufgeregt?“
Das war eine wirkliche Überraschung für Carin. Ein Superior der ihn nicht wie Unrat behandelte. Im Gegenzug, sie war sogar richtig nett zu ihm. Ironischerweise wäre er mit Verachtung und Beleidigungen viel besser zu Recht gekommen als mit der Freundlichkeit. Verachtung und Beleidigungen wäre er gewohnt gewesen. Freundlichkeit nicht.
„Geht. Gibt es in der Zitadelle andere Mischlinge?“
Carin konnte sehen wie sich Timkas Stirn in Furchen legte.
„Nein, keinen einzigen. Zitadelle ist unser Regierungssitz und der wichtigste Ort der Superior. Nie, wurde einem Mischling gewährt es zu betreten. Bis heute.“
„Oh. Na dann hoffe ich das jeder Bescheid weiß das ich komme und ich nicht versehentlich erschossen werde.“
Die letzte Aussage war in einem bitteren Tonfall gefallen. Es war leider nicht allzu unwahrscheinlich dass genau das passierte.
„Keine Sorge. Das wird nicht passieren.“
„Na hoffen wir es. Ich hänge an meinem Fell.“
Diese Frau verwirrte ihn. Carin war sich schnell bewusst geworden das Timka genauso hart war wie jeder männliche Krieger der Superior. Vielleicht sogar noch härter, aber dennoch begegnete sie ihm mit mehr Freundlichkeit als jeder andere.
Carin ließ den Blick zu den anderen beiden Passagieren des Transporters wandern. Der eine hieß Fixxer und der andere Dark, wie sich Carin erinnerte. Fixxer hatte bisher kein Wort mit ihm gesprochen, aber damit kam er klar. Dark sprach anscheinend grundsätzlich nicht viel, aber er hatte bereits zwei Sätze an Carin gerichtet. Und der Tonfall war normal gewesen. Irgendwie war ihm das unheimlich. Freundliche Superior.
„Wir setzen zur Landung an. Könnte etwas rucklig werden.“
Carin schlang den Sicherheitsgurt um seinen Körper wie Timka es ihm gezeigt hatte. Sie hatte ihm beim Abheben angeboten ihn anzuschnallen, aber er hatte darauf bestanden es selbst zu machen. Irgendwie wäre er sich kindisch vorgekommen wenn man ihn angeschnallt hätte, außerdem traute er den Superior nicht zu 100%. Davon abgesehen wäre es ihm unangenehm gewesen wenn er Timka so nahe gekommen wäre.
„LANDUNG.“
Ein letztes Mal brüllten die vier Triebwerke auf und dann setzte der Transporter mit einem metallischen Klonk auf. Dabei ging ein zittern durch den ganzen Rumpf. Doch dann passierte nichts mehr. Neugierig blickte sich Carin um. Wieso gingen die Türen nicht auf?
„Wir müssen abwarten bis die Triebwerke abgekühlt sind, sonst werden wir gegrillt wenn wir den Transporter ohne Schutzanzüge verlassen.“, erklärte ihm Timka, die seine Gedanken erraten hatte.
„Wo habt ihr eigentlich eure Kampfanzüge gelassen?“
„Beim Rest des Teams in Valkyria. Es war keine Zeit mehr sie zu verladen. Sie werden mit dem nächsten Transport her gebracht. Sofern Valkyria dann noch steht...“
Benommen nickte Carin und erinnerte sich an die Nacht in Valkyria. Er hatte gedacht die Angriffe der Monster in den Wilden Landen waren schlimm, aber das war nicht mit dem Angriff auf Valkyria zu vergleichen. Während die Monster in den Wilden Landen anscheinend vor allem Mischlinge jagten, hatten Sie Valkyria frontal angegriffen. Carin hatte vor ihrem Not-Start nicht weniger als drei Ranken auf den Mauern liegen gesehen und aus denen waren pausenlos Odonata-Wesen geströmt. Timka hatte drei Mitglieder ihres Teams zurückgelassen um die Verteidigung der Stadt zu unterstützen.
Mit einem Klacken öffnete sich das Seitenschott und verdrängte Carins dunkle Erinnerungen.
„Auf geht’s.“, murmelte Timka und erhob sich.
Carin öffnete den Sicherheitsgurt und tat es ihr gleich. Das erste was ihm beim Aussteigen auffiel war das Timka Recht gehabt hatte. Selbst jetzt strahlten die Triebwerke noch eine immense Hitze aus. Gleich nach der Landung wäre ihm wohl der Pelz abgefackelt.
Die beiden anderen Superior, Dark und Fixxer, folgten ihm, während von dem Piloten nichts zu sehen war. Wahrscheinlich wollten sie nicht zusammen mit einem Mischling gesehen werden.
„GenExcubitoren.“, zischte Timka mit verärgerter Stimme.
Carin konnte mit dem Wort nichts anfangen sah jedoch vier Superior in einer sonderbaren Panzerung auf ihn zu kommen. Die Panzerung war wesentlich filigraner und enganliegender als die ARES-Panzerung und strahlte in einem reinlichen Silber. Sie schien auf Hochglanz poliert worden zu sein. Dazu trugen die vier Superior Lanzen. Wobei Carin davon ausging das diese Lanzen zu wesentlich mehr in der Lage waren als einen nur zu erstechen.
Begleitet wurden die vier Superior von einem weiteren Superior in der gleichen Rüstung, jedoch ohne Lanze und ohne Helm. Misstrauisch betrachtete Carin den Mann und wurde sogleich in seinem Misstrauen bestätigt. Der Mann verbarg es gut, aber für einen kurzen Moment war Abscheu in seinem Gesicht aufgeblitzt als er Carin angeblickt hatte. Vielen wäre es wohl nicht aufgefallen, aber Carin hatte in den Wilden Landen gelernt andere einzuschätzen. Das war dort überlebenswichtig, da man nie sicher sein konnte ob einen ein anderer Mischling übers Ohr hauen wollte, oder es wirklich ernst meinte mit freundlichen Angeboten. Wobei übers Ohr hauen noch zu den harmloseren Dingen zählte, die einem in den Wilden Landen passieren konnten.
Auch Timka schien den Blick richtig gedeutet zu haben. Auf einen kaum merkbaren Fingerzeig hin tauchten neben Carin Dark und Fixxer auf und nahmen ihn in die Mitte. Es schien so als gäbe es zwischen beiden Gruppierungen Spannungen. Zwar trugen Timka, Fixxer und Dark keine Rüstungen aber der Militärdienst hatte sie geformt. Sie waren noch ein Stück muskulöser und härter als normale Superior. Und aus irgendeinem Grund schien Timka der Meinung zu sein, er wäre es wert dafür Ärger zu bekommen.
Der Neuankömmling trat direkt von Timka und lächelte ein falsches Lächeln, während sich die vier anderen Superior um die Gruppe verteilten.
„Ah, Schar-Führerin. Wie ich sehe seid ihr zurück. Mit unserem... Gast.“
Die Art wie der Neuankömmling „Gast“ formulierte ließ keine Zweifel darüber was er wirklich von Carin hielt. Das Wort „Scheißhaufen“ würde man ungefähr genauso betonen.
„Natürlich, verehrter Purgatus. Und würdet ihr mir nun bitte aus dem Weg gehen? Ich muss unseren Gast beim Magistrat abliefern und befürchte ich habe keine Zeit für euch und eure... Spielzeugkrieger.“
Timkas Stimme war so honigsüß wie nur irgendwie möglich und dennoch war die Botschaft klar. Kurz blitzte es verärgert in den Augen des Mannes namens Purgatus auf. Es war klar das Timka einen Nerv getroffen hatte. Neugierig fragte sich Carin was zwischen den beiden wohl vorgefallen war.
„Überlasst das uns. Wir geleiten ihn zum Magistrat.“
Carins Stimmung verdüsterte sich. Das fehlte ihm noch.
„Bedauere, der Befehl ist eindeutig, wir bringen den Gast selbst zum Magistrat. Direkter Befehl vom Superior Magister.“
Dabei grinste sie hinterhältig. Der genaue Wortlaut des Befehls ließ zwar Interpretation zu, aber Purgatus würde niemals wagen den Befehl des Superior Magisters in Frage zu stellen.
„Nun gut. Wir begleiten euch. Bitte folgt mir.“, murrte der Mann deutlich verärgert.
Daraufhin wandte er sich ab und die komplette Gruppe setzte sich in Bewegung, wobei Fixxer und Dark ständig darauf achteten Carin in ihrer Mitte zu halten.
Zuerst durchschritten Sie einen langen Gang und fuhren dann mit einem Aufzug mehrere Minuten in die Tiefe. Unter anderem Umständen hätte sich Carin höchst neugierig umgesehen, aber er beschloss, dass es sinnvoller war Purgatus im Auge zu behalten, falls er es noch mit ihm zu tun bekommen sollte.
Schließlich blieben Sie vor einer großen zweiteiligen Tür stehen.
„Hier sind wir. Das Herz des Magistrats.“
Dann wandte er sich an Timka.
„Ich hoffe euer Haustier ist stubenrein?“
Carin hatte nichts anderes erwartet und ließ den Spott an sich abperlen ohne eine Regung zu zeigen. Für einen Sekundenbruchteil dachte er daran die Warnung für sich zu behalten. Sollte ein Purgatus doch in ein seelenloses Wesen umgewandelt werden oder in einer Explosion aus Fleisch vergehen. Aber er hatte sich entschieden die Warnung zu überbringen und das würde er jetzt auch durchziehen.
Timka grinste Purgatus hinterhältig an. Carin lief es kalt den Rücken hinab als er das Grinsen sah. Darin lag das Versprechen eines baldigen Wiedersehens. Und das würde kein schönes Wiedersehen werden.
Dann wandte sie sich an Carin.
„Ab hier bist du auf dich gestellt. Pass auf dich auf, und nochmals Danke für die Hilfe.“
Carin konnte genau sehen wie Purgatus angeekelt das Gesicht verzog als sich ein Superior bei ihm, einem Mischling, bedankte und er war sich in diesem Moment sicher das die Dankbarkeit seitens Timka genauso sehr darauf zielte Purgatus eins auszuwischen wie ihm aufrichtig für die Hilfe zu danken.
„Wird schon.“, murrte er ohne große Begeisterung.
Dark klopfte ihm kurz auf die Schulter als sie gingen und dann waren die drei in einem Gang verschwunden und die große Tür öffnete sich. Umringt von den Gen-Wächtern betrat Carin als erster Mischling überhaupt, das innerste Heiligtum der Homo Sapiens Superior.
Iliam trug wieder die Rote Robe, die er insgeheim so gerne abgelegt hätte, als sich die Türen öffneten und vier GenExcubitoren und deren Anführer Purgatus herein kamen. In ihrer Mitte führten Sie einen Mischling herein.
Was Iliam sofort auffiel, waren die Lupus-Gene in dem Mischling. Beim Rest war er nicht ganz sicher, es war aber auch unerheblich. Wenn man dem Bericht von Schar-Führerin Timka glauben durfte hatte der Mischling äußerst wichtige Neuigkeiten für das Magistrat. So wichtig das einem Mischling zum ersten Mal in der Geschichte der Homo Sapiens Superior der Zugang zur Zitadelle gewährt wurde. Iliam erhob sich und blickte dem Mischling in die Augen.
„Ich bin Superior Magister Iliam und das sind die fünf Magister die mich beraten.“, erläuterte Iliam und deutete dabei auf die fünf Magister, wobei er jeden einzeln vorstellte.
Der Mischling nickte und schien erstaunt zu sein, dass das Magistrat an einer runden Tafel tagte. Ein sechster Stuhl war für den Gast bereitgestellt worden, auch wenn Syrion, Magister der GenExcubitoren lautstark protestiert hatte. Der Stuhl stand direkt gegenüber von Iliam. Er deutete darauf.
„Nimm Platz und verrate uns doch bitte wie wir dich nennen dürfen.“
„Man nennt mich Carin, Superior Magister.“, antwortete der Mischling ohne Zaudern in der Stimme und setzte sich auf den angebotenen Stuhl. Zwei Genexcubitoren standen dicht hinter ihm. Verärgert zeigte Iliam mit dem Finger auf die beiden und deutete dann zur Wand.
„Entfernen sie sich bitte etwas von unserem Gast.“
Die GenExcubitoren blickten daraufhin zu Syrion welcher zum Protest ansetzte.
„Aber Superior Magister...“
„Ruhe. Noch entscheide ich was wie zu geschehen hat.“
Syrion guckte finster drein und bedeutete dann den beiden Excubitoren etwas Abstand von Carin zu halten. Iliam nickte.
„Gut. Nachdem das geklärt wäre, möchte ich Sie bitten uns Ihre Nachricht zu überbringen, Carin.“
Carin nickte und begann dann seine unglaubliche Geschichte zu erzählen. Von seiner Gefangennahme und dem Gespräch mit dem Wesen. Auch die Demonstration ließ er nicht aus.
Die Magister lauschten neugierig.
Carin war überrascht wie gut es bisher lief. Der Superior Magister behandelte ihn sogar wie einen Menschen. Der Tag war voller Überraschungen. Zuerst die Freundlichkeit von Timka und nun die des Superior Magisters.
Er hatte neugierig die einzelnen Mitglieder des Magistrats begutachtet. Alle waren recht durchschnittlich. Er schätzte alle auf ein mittleres Alter, außer einen Magister der älter aussah. Was ihn besonders erstaunte war das er an einem runden Tisch empfangen wurde. Irgendwie hatte er erwartet dass die Magister vor ihm thronen würden.
Als er dazu aufgefordert wurde begann er seine Warnung zu überbringen und die Geschichte seiner Gefangenschaft zu erzählen.
Es dauerte etwas bis er alles erläutert hatte und schließlich wartete er angespannt auf eine Reaktion.
Der erste der reagierte war Syrion.
„So ein Schwachsinn!“
„Nun, ich gebe zu es ist nicht leicht zu glauben. Insbesondere das dieses Wesen ein Vorläufer gewesen sein soll.“
„Superior Magister, das ist ein ausgemachter Blödsinn was uns dieser Parasit da auftischt!“
„Ich bin der Meinung von Magister Syrion, Superior Magister.“, mischte sich Alkay ein.
„Wer sagt uns denn dass die Mischlinge nicht für das alles verantwortlich sind?“, fragte er demonstrativ in die Runde. Der Superior Magister gestand sich innerlich ein, dass auch er bereits darüber nachgedacht hatte.
„Ich glaube ihm.“
Ruckartig drehten alle den Kopf zum Sprecher. Zayron war die ganze Zeit ruhig auf seinem Platz gesessen und hatte neugierig den Erzählungen des Mischlings Carin gelauscht.
„Aus welchem Grund?“, zischte Syrion.
„Es ergibt Sinn.“
„Sinn? Das ist ausgemachter Blödsinn! Das Gebrabbel eines Parasiten.“
„Machen Sie sich bitte nicht noch mehr selbst zum Idioten.“
Auf diese Entgegnung blieb Syrion erst mal die Spucke weg. Zayron war stets zurückhaltend in den Sitzungen. Eine solche Äußerung von ihm hatte denselben Stellenwert wie ein Tobsuchtsanfall von jedem anderen Magister. Doch Syrion gewann schnell die Beherrschung zurück.
„Dann seziert ihn! Was auch immer die mit ihm gemacht haben, es muss Spuren geben!“
Iliam sah wie der Mischling Carin Syrion einen hasserfüllten Blick zu warf und bevor er etwas einwenden konnte, sprach bereits Zayron.
„Unsinn. Lebendig ist er viel wertvoller. Bitte halten Sie den Mund wenn Sie nichts Sinnvolles beizutragen haben.“
„Wie könnt ihr es wagen, ihr alter...“
In einem gewaltigen Schwall aus Blut und Fleisch zerriss es Syrion, Magister der Genexcubitoren in seine Einzelteile. Alkay und Kardan die neben ihm gesessen wurden von oben bis unten mit Blut und Fleischfetzen besudelt. Beide sprangen erschrocken auf. Auch Iliam, Signum und Carin sprangen geschockt auf. Alle drei waren zu weit weg gesessen um von Blut getroffen zu werden. Lediglich Zayron blieb mit unnatürlicher Ruhe sitzen.
Purgatur und die vier GenExcubitoren im Raum starrten Fassungslos auf die Überreste ihres Anführers. Da erscholl plötzlich Gelächter im Raum und alle schauten sich fassungslos um, doch die Quelle des Lachens war nicht auszumachen.
Bis sie sahen dass auf dem Stuhl von Syrion jetzt ein anderes Wesen saß. Niemand wusste wie es dorthin gekommen war. Das Wesen trug einen grünen Chitinpanzer, hatte jedoch auf den Helm verzichtet. Es sah genauso aus wie das Wesen in Carins Erzählung.
„Wer seit ihr!“, verlangte Purgatus von dem Wesen zu wissen.
„Ich bin der erste Herold.“, antwortete das Wesen mit freundlicher Stimme.
„Erschießt es!“, brüllte Purgatus und die vier GenExcubitoren richteten ihre Speere auf das Wesen.
Plötzlich blitzten die Augen des Wesens hellgrün auf und sofort darauf konnte man sehen wie die GenExcubitoren und Purgatus zu schrumpfen begannen.
Nein, nicht schrumpfen. Zu vertrocknen, berichtigte sich Iliam in Gedanken. Es dauerte lediglich Sekunden bis die fünf Superior zu Staub zerfielen. Klappernd fielen die Rüstungen und Waffen zu Boden.
„Das verursacht weniger Dreck.“, kommentierte das Wesen.
Alle Magister blickten das Wesen, das in ihrer Mitte erschienen war, im sichersten Raum der Sphäre der Homo Sapiens Superior und sechs Männer getötet hatte, fassungslos an. Lediglich Zayron schien sich bereits daran gewöhnt zu haben.
„Ein Vorläufer.“, sprach er das Wesen mit ruhiger Stimme an.
„Einst, vor langer Zeit.“, antwortete ihm das Wesen mit freundlicher Stimme.
„Und jetzt seid ihr?“
„Mehr und doch auch weniger. Ich bin der erste Herold.“
„Der Erste? Wie viele Herolde gibt es?“
„Unbegrenzt viele.“
„Wann wird der nächste kommen?“
„Es war bisher nie mehr als einer nötig.“
Zayron nickte und schien nachzudenken, dann stellte er die alles entscheidende Frage.
„Seid ihr hier um uns zu töten?“
Das Wesen lachte sein freundliches Lachen.
„Nein.“
„Warum seid ihr dann hier?“
„Ich bin neugierig.“
„Neugierig worauf?“
„Auf das was ihr unternehmt um der Korrektur zu entgehen. Es wird euch nichts nützen.“
„Korrektur?“
„Ihr seid unharmonisch. Nur Carin bildet eine Ausnahme.“
Dabei deutete er auf Carin.
„Unharmonisch?“
„Die Energie fließt falsch in euch.“
Zayron nickte nachdenklich.
„Und in Carin fließt sie richtig?“
„Korrekt.“
„Wieso kommst du zu uns? Sind wir nicht deine Feinde? Solltest du uns nicht töten?“
„Ihr seid nicht meine Feinde. Die Vorläufer haben einen Fehler gemacht. Und wir korrigieren ihn.“
„Aber du bist ein Vorläufer.“
„Nein, nicht mehr. Ich bin mehr...“
„...und doch weniger. Du bist viele und doch wenige.“, setzte Zayron den Satz fort.
Das Wesen schien außerordentlich erfreut zu sein über die Fortsetzung von Zayron.
„Du verstehst.“
Zayron lächelte.
„Nicht ganz. Aber ich weiß was du bist.“
Das Wesen lächelte freundlich.
„Eine Manifestation eines höheren Wesens. Eine Superintelligenz.“
„Das war das Wort derer, die ihr Vorläufer nennt.“
„Dennoch bestehst du aus Vorläufern. Warum?“
„Sie erkannten ihren Fehler. Das war ihr Ausweg.“
„Aber du existierst nicht selbstständig oder immer?“
„Nein ich bin ein Teil.“
„Ein Teil von was?“
„Ein Teil von Gaia.“
Zayron nickte erneut nachdenklich.
„Wieso bist du zu uns gekommen?“
„Ich bin neugierig.“
„Neugierig worauf?“
„Was ihr unternehmt.“
„Wir werden die Harmonie wieder herstellen.“
„Das ist unmöglich. Nur die Vorläufer hätten das vermocht.“
„Du bist ein Vorläufer.“
„Nicht mehr.“
Dann verschwand das Wesen wie es gekommen war. Ohne einen Ton war es von einem Augenblick auf den nächste verschwunden. Zayron saß lächelnd auf seinem Stuhl. Zuerst sagte er nichts, dann wandte er sich an Iliam.
„Superior Magister, wenn ihr erlaubt möchte ich mich mit Carin in mein Labor zurückziehen.“
Der Superior Magister nickte nur benommen und verwirrt.
Carin hatte dem Wortwechsel zwischen dem Vorläufer-Wesen und dem alten Superior wie benommen gelauscht. Der alte Mann, Zayron, wenn sich Carin richtig entsann, schien viel zu wissen. Er machte auch keinen erschrockenen Eindruck. Es schien als habe er keine Angst vor dem Kommenden. Viel mehr machte er den Eindruck eines Wissbegierigen.
Schließlich war er der Bitte des alten Mannes nachgekommen und ihm in sein Labor gefolgt. Als sie dieses erreicht hatten, bat der Mann Carin auf einer Liege Platz zu nehmen. Argwöhnisch blickte Carin den Mann an.
„Warum?“
Der Mann lächelte.
„Ich möchte dir etwas Blut und eine Gewebeprobe abnehmen.“
„Wozu?“
„Ich möchte wissen was bei dir anders ist, wie bei mir.“
„Ich bin ein Mischling.“
„Es kann nicht nur das sein.“
Mit einem Murren legte sich Carin auf die Liege und ließ zu, das Zayron ihm etwas Blut und etwas Gewebe entnahm. Was konnte es schon Schaden? Außerdem hätten sie ihn auch zwingen können.
„Danke.“
„Was passiert jetzt?“
„Wenn ich mich nicht irre bist du eine Mischung aus Homo Sapiens Superior und Homo Sapiens Lupus, richtig?“
Carin der von der Entgegnung etwas überrumpelt war nickte nur.
„Ich habe hier die Gen-Strukturen von Superior und Lupus vorliegen. Etwas in dir ist anders. Es kann nicht nur die Mischung beider Gen-Strukturen sein, da gibt es zu viele Variablen. Ich vermute eher dass deine Gen-Struktur eine Besonderheit aufweist, die dich bei diesen Wesen als harmonisch kennzeichnet. Diese Besonderheit möchte ich finden.“
Der alte Mann begann damit die Proben von Carin zu untersuchen, Tests durchzuführen und mit den Proben der Lupus und Superior abzugleichen. Es dauerte mehrere Stunden bis Zayron sich sicher war etwas gefunden zu haben. Carin blieb die ganze Zeit interessiert bei ihm, auch wenn er kaum etwas von dem verstand was dort passierte. Aber immerhin ging es um das was ihn ausmachte.
Gegen Abend hatte Zayron erneut eine Sitzung einberufen. Iliam betrat den Sitzungsraum und als erstes fiel ihm auf wie sich Carin und Zayron angestrengt unterhielten. Der alte Magister war nie ein besonders eifriger Verfechter genetischer Reinheit gewesen. Trotz er Lage trotzte er sich ein knappes Lächeln ab.
Die... Überreste von Syrion und den GenExcubitoren hatte man entfernt und niemand zweifelte mehr an der Wahrheit von Carins Worten. Iliam konnte es immer noch nicht fassen. Nie hatte er daran gedacht dass die Vorläufer zurückkehren konnten. Die Evolution verbot es. Die Evolution hatte die Vorläufer ausgedünnt und die Nachfolgerassen erschaffen. Und selbst wenn, hätte er nicht gedacht das die Vorläufer so zurück kehrten. Das sie sozusagen ihre eigenen Kinder töteten.
Als alle saßen, wandte sich Iliam an den Magister der Sciencia.
„Magister Zayron. Bitte beginnt. Ihr habt um das Treffen gebeten.“
Zayron erhob sich und blickte in die Runde bevor er begann.
„Verehrtes Magistrat, die letzten Stunden seit unserem... Besucher habe ich damit zugebracht herauszufinden was unseren Gast Carin von uns unterscheidet.“
„Seid ihr fündig geworden?“, unterbrach ihn Kardan, der sichtbar nervös war.
„Ja. Wurde ich. Zumindest denke ich das. Zu 100% kann ich es natürlich nicht garantieren.“
Mit einem Summen erwachte der Holoprojektor in der Mitte des Tisches zum Leben und zeigte zwei DNA-Sequenzen bis ins letzte Detail. Beide waren zu ca. 70% identisch und wichen dann deutlich voneinander ab.
„Die linke Sequenz ist die meinige. Die eines Homo Sapiens Superior. Die rechte Sequenz ist die eines reinrassigen Homo Sapiens Lupus. Wie sie sehen können sind beide Sequenzen zu 70% identisch. Das gemeinsame Erbe beider Spezies. Die Überreste der Sequenz der Vorläufer.“
Das Bild des Holoprojektors wechselte zu einer Ansicht über ins Leere laufende DNA-Sequenzen.
„Bei beiden Rassen finden sich tote Enden in der Gen-Struktur. Die Eingriffe zur Schaffung beider Rassen waren künstlicher Natur. Nicht immer war es möglich die Sequenz der Vorläufer, die Grundlage, mit den zusätzlichen Sequenzen sauber zu verbinden. Es blieben unvermeidlich Fehler zurück.“
Dann wechselte das Bild zurück zu den beiden DNA-Sequenzen und eine dritte erschien in der Mitte.
„Diese Sequenz ist die unseres Gastes Carin. Wie sie sehen kombiniert sie die Sequenzen von Superior und Lupus zu etwas neuem. Dabei ist es zu einer unvorhersehbaren Entwicklung gekommen: Es treten keine toten Enden auf. Die beiden DNA-Sequenzen haben sich perfekt miteinander verwoben und die toten Enden aufgehoben.“
„Das bedeutet nur Mischlinge aus Superior und Lupus können überleben?“, stellte Alkay die Frage die jedem im Raum auf der Zunge lag.
„Inkorrekt.“
„Aber sie sagten doch...“
„Das sich die beiden Sequenzen bei Carin perfekt verwoben haben ist Zufall. Unter Tausenden von Mischlingen könnte genau einer die richtige Sequenz haben.“
„Was können wir tun?“, erkundigte sich Iliam.
„Sofern meine Vermutung richtig ist, gibt es nur eine Lösung... außer der Auslöschung, versteht sich.“
„Die wäre?“
„Wir müssen unsere DNA-Sequenzen reparieren.“
„Können wir aus Carins Sequenz die nötigen Daten ableiten?“
„Leider nein. Was wir dazu brauchen ist etwas das nur schwer zu beschaffen sein dürfte.“
„Das wäre?“
„Die korrekte und vollständige Sequenz eines Vorläufers und eine Möglichkeit Eingriff in die Gen-Struktur aller Lebewesen auf der Erde zu erhalten.“
Iliam lehnte sich zurück. Die Vorläufer waren vor über 600 Jahren verschwunden. Eine korrekte und vollständige Gen-Struktur eines Vorläufers zu bekommen war faktisch unmöglich.