[HOI3 AAR] "Three Lions & no Lord Byron"

AARs zum Zeitpunkte der beiden Weltkriege

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[HOI3 AAR] "Three Lions & no Lord Byron"

Beitragvon Löschzement » 30. August 2012 11:47


Three Lions & no Lord Byron


Bild



[Jerusalem Song, Quelle: youtube.de]





Vorwort:

Hallo lieber Leser!
Viele von euch werden mich als Schreiberling eines Deutschland AAR in einem vor kurzem, untergegangenen Forum noch kennen.
Doch keine Sorge, da es sich hier "nur" um ein Großbritannien AAR handelt und ich wahrlich kein Brite bin, fehlt mir diesbezüglich auch der Anreiz sowie Hintergrundwissen diesen Spielbericht literarisch zu vertiefen.
Mitumgezogene Spieler können da mit mehr Kenntnis über die Insel glänzen und ich hoffe das werden sie auch hier hin und wieder mit Anregungen und Kritiken.
Es wird hier leider selten selbstgebastelte Bilder meinerseits geben, ebenso wird wohl der Beitragsintervall höher ausfallen und die Dichte der Geschichte wird gestreckt.
Ich kanns nicht leugnen, mein Herz liegt literarisch bei der vielleicht bekannten Bande der Familie von Düsterwald, die sich noch in Physiotherapie befindet, dennoch hoffe ich die Leserschaft mit dieser kleinen Geschichte zu unterhalten.

NACHTRAG 30.10.2012
Gut, es ist anscheinend entgegen meiner Ankündigung doch eine Geschichte entstanden - Asche über mein Haupt - ich kann das Schreiben nicht lassen ;)



Zum Spiel:

Ich benutze immer noch HOI3 und einzigst die Erweiterung SemperFi, zuzüglich den BashMod4.0 (Ereignis-/Entscheidungsmod).
Ach ja, ein bisschen schraubte ich global an den Provinzen rum, fand das ausbalancierter....abgesehen von Schweden, das war ein Unfall ;)
Gespielt wird auf der normalen Schwierigkeitsstufe.
Ich fang mittendrin an...das hier war nämlich gar nicht geplant.



Kommentare bitte...

...hier!


Kapitel:

Kapitel 1 - Wer ist wo?
Kapitel 2 - No Lord Byron
Kapitel 3 - Oh O'Connor
Kapitel 4 - Auf der Insel wird es eng
Kapitel 5 - Verschiffungen
Kapitel 6 - Plymouth
Zuletzt geändert von Löschzement am 31. Oktober 2012 14:48, insgesamt 12-mal geändert.

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 30. August 2012 13:35

Kapitel 1 - Wer ist wo?

Eine zeitlose, grau-schwarze Masse, endlos und seltsam, gar ohne Empfinden die ein und alles vielleicht auch nichts war. Jetzt und für immer. Dann kamen die Kopfschmerzen, ein ungewohntes aber gleichzeitig bekanntes Gefühl durchdrang diesen lichtlosen, ewigen Ort.
Irgendwann war da etwas zu spüren, was war das noch gleich? Ah, irgendetwas fummelte da herum, was wohl ein Gesicht sein mußte. Aber wessen Gesicht?

"Doktor, sehen Sie, ich glaube er kommt zu sich!" sprach eine süße Stimme. Ein Rascheln war zu vernehmen, quitschende Sohlen auf gummierten Grund und irgendwo tockte eine Uhr unaufhörlich, gnadenlos vor sich hin.
Deutlich war nun eine Hand zu spüren die das Gesicht überprüfte und schließlich die Augenlider öffnete um mit einer Handlampe einen Lichtstrahl, der dem Blitze Zeus wohl gleichgekommen wäre, in die bis vorhin noch dunkle Welt zu leuchten.
Der Mann im Bett stöhnte, versuchte seine Hände hochzuhalten um dem schmerzenden Licht eine Abfuhr zu erteilen, doch die Schwäche verbot es ihm.

"Beth, holen Sie einen Krug Wasser und bereiten Sie vorsichtshalber eine Spritze Morphium vor." war zu hören, während der Mann im Bette durch langsames Blinzeln der zugekniffenen Augen versuchte seine Umgebung wahrzunehmen. Alles drehte sich, ob mit geschlossenen Augen oder mit offenen. Wenn nur nicht diese pochenden Kopfschmerzen wären zu denen sich allen Überdruß jetzt auch noch eine gewisse Übelkeit gesellte.
Der Doktor entfernte die Bettdecke des Patienten, der daraufhin durch die ungewohnte Kälte anfing zu zittern.

Der Patient schaffte es nach einiger Zeit mühselig die Augen offenzuhalten, wollte sich im Gesicht reiben und Aufrichten, doch sein Körper verriet ihm, daß er hier länger schon lag, denn beides gelang ihm ohne die Hilfe des Doktors nicht. Der Doktor, ein Mann im weißen Kittel und übergroßen Schnauzer im Gesicht, der eingerahmt wurde von einem Wangenbart wie er schätzungsweise seit Viktorias Zeiten nicht mehr getragen wurde, bemühte sich sehr um den Aufwachenden.

Trapsende Sohlen der Schwester kündigten das erlösende Wasser an, vielleicht auch eine Portion Morphium, das erkannte er noch nicht, zumindest auf letzteres wollte der Patient nicht zurückgreifen. Als Schwester Beth einen Krug Wasser auf die nahe Kommode neben das Bett stellte, hing ihr Duft von Kernseife mit Zitronenwasser nun deutlicher im Raum.
Der Bettlägrige sah noch ihr Lächeln, dann beugte er sich zur Seite über und übergab sich beinahe brüllend auf des Doktors Schuhe.

"Mister Byron, ich muß doch bitten!" war die erste Reaktion des Doktors, doch Schwester Beth huschte schnell hinaus um flink mit einer eigens für solche Zwecke angefertigten Krankenhausschale aus Metall wieder ins Zimmer zurückzukehren. Gleich danach nahm die leidenschaftliche Krankenschwester einen Waschlappen, befeuchtete ihn unter einem Waschbecken und kühlte des Patienten Gesicht so gekonnt ab, daß es ihm, der Byron genannt wurde, beinahe liebevoll erschien.

"Doktor, gehen Sie ruhig und hinaus, Ihre Schuhe wechseln. Ich werde mich um den Patienten schon kümmern."
Der Mann im weißen Kittel nickte und trat auf quitschenden Sohlen den Weg hinaus an, während Schwester Beth Mister Byron noch mehr aufrichtete, ihm ein Glas Wasser gab, dann noch eines und nach dem Wegwischen des Erbrochenen die Vorhänge des Fensters zuzog. Kurz darauf verschwand sie für eine Weile, in der sich der Patient im Zimmer noch mit schmerzenden Augen umschaute, um mit einer warmen Suppe wiederzukommen.
"Sie müssen etwas essen. Hier, ich lege Ihnen auf die Kommode noch ein paar Kopfschmerztabletten hin, damit Sie sich dann ausruhen können."

Schwester Beth, eine junge, gutaussehnde Frau Mitte zwanzig, verschwand daraufhin aus dem Krankenzimmer, schloß die Türe hinter sich und Mister Byron begann die Suppe auf dem Tablett auszulöffeln. Das Schlucken war schwierig, doch ein Heißhunger packte ihn...

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 30. August 2012 15:39

Der Nachmittag ging zu Ende, die Kopfschmerztabletten wirkten und die Suppe füllte seinen Magen wie schon lange nichts mehr.
Er war nicht alleine auf dem Krankenzimmer, ein paar Männer die übelst zugerichtet aussahen, teilten mehr oder minder sein Leid.
Mister Byron hatte nach der ausgelöffelten Suppe gründlich unter die Bettdecke geschaut, alles war noch dran, keine äußeren Verletzungen sichtbar, nur fiel ihm auf, wie dünn er geworden war.
War er früher schon so schmächtig gewesen?
Wo genau war er jetzt eigentlich, vor allem, wer war er überhaupt?

Als er sich langsam aufrichtete um irgendwo eine Toilette aufzusuchen, grummelte ein anderer Patient im Krankenbett gegenüber, während durch die zogezogenen Fenster auffiel, wie der Tag immer mehr der Abenddämmerung wich:
"Hee Mister, stehen Sie lieber nicht auf. Sie liegen hier schon ne Weile, ich glaube nicht, das Sie das alleine schaffen."
"Wie lange bin ich hier schon?" fragte Mister Byron nach.
"Über einen Monat....zieh lieber an der Glocke...nein, da der Bindfaden. Schwester Beth hat heute Nachtdienst, die ist recht taff."
Der Bindfaden wurde gezogen und läutete am anderen Ende, draußen auf dem Flur eine kleine Glocke.

Einen Moment später kam auch die dunkelhaarige Beth herein und Mister Byron erklärte ihr, er müsse einen stillen Ort aufsuchen.
Das Angebot eine Bettpfanne zu benutzen, lehnte er dankend ab, bestand sogar darauf unverzüglich zu einer Toilette gebracht zu werden.
"Aber Sie sind noch zu schwach um aufzustehen." warf Beth ein.
"Jetzt kommen Sie schon, ich machs auf eigene Verantwortung, lieber mache ich mir in die Hose als in eine Bettpfanne."
Die Krankenschwester willigte ein und machte sich daran den Patienten langsam aufzurichten, seine Beine aus dem Bett zu hieven. Dann legte sie seinen rechten Arm um ihre Schulter und stand behutsam auf um ihn vorsichtig in einen eigens gebrachten Rollstuhl zu setzen.

Sie schob ihn durch die Türe hinaus auf den Flur, vorbei an Rollbetten, beschäftigten Schwestern und einigen anderen Patienten die mit blutdurchtränkten Verbänden teilweise auf jenen Rollbetten lagen.
"Was ist denn hier los? Ein Zugunglück?" fragte Mister Byron.
"Sir, ich darf Ihnen nichts erzählen. Eine Anordnung vom Doktor bis er sie auf Amnesie und ein mögliches Traume morgen Früh untersucht hat."

Während Beth ihn so durch den langen Flur schob um die Toilette mit Wasserspülung aufzusuchen, überlegte Mister Byron angestrengt nach, wer er eigentlich war und was das alles hier sollte. Sein Erinnerungsvermögen war, trotz aller Anstrengung wie weggefegt. Gut, daß er seine Sprachkenntnis noch besaß. Ein paar Männer in Uniform rannten am rollenden Byron vorbei und plärrten irgendetwas unverständliches, als sie auch schon vor der Toilette hielten.

Mister Byron fühlte sich einsam, verlassen und hilflos. Er griff mit seiner linken Hand quer über die Schulter um die anschiebende Hand der Schwester Beth zu fassen und bat sie:
"Bitte, sagen Sie mir wer ich bin. Was ist passiert?"
Der Mann machte sicherlich einen rührenden, bedürftigen Eindruck, so daß Beth gar nicht anders konnte als nach kurzer Überlegung ihm leise ins Ohr zu flüstern:
"Wenn der Doktor das erfährt, kann mich das meine Stelle kosten. Versprechen Sie mir nichts zu sagen."
Mister Byron nickte, hielt immer noch die ihre Hand halbfest umklammert.
"Sie sind William Byron, geboren am 12. Juni 1910 in Liverpool, Sie sind unverheiratet und Seefahrer von Beruf. Das stand in ihrem Pass, mehr darf ich Ihnen zu Ihrem eigenem Besten nicht erzählen."
Beth machte die Tür auf und schob den Rollstuhl mit Mister Byron darauf in die gekachelten Räume des WC's...

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 1. September 2012 20:23

...am nächsten Morgen wachte der Patient Byron durch ein mehrmaligs "Guten Morgen!" des herangetretenen Ärztepulks auf. Auch zwei Schwestern, darunter die junge Beth, standen um das Bett herum.´
"Ja, guten Morgen." brachte der noch müde Mann hervor, lag er doch noch die halbe Nacht wach und hatte versucht aus seinen Zimmergenossen etwas brauchbares, was seine Herkunft oder zusätzlich etwas Tagesaktuelles angeht, zu erfahren.
Diese wollten ihm leider aber nichts verraten, denn der zuständige Doktor hatte es ihnen deutlich erklärt, als er selbst noch im Koma lag:
'Keine Auskünfte oder Informationen dürfen den Patienten erreichen, bevor nicht ein Doktor nach seinem Aufwachen ihn untersucht hätte.'

"Hatten Sie eine erholsame Nachtruhe?" fragte der Doktor von gestern und hatte dabei ein vorsichtiges Grinsen zwischen seinem Wangenbart.
"Danke Doktor, für jemanden der nicht weiß wer und wo er ist, doch recht angenehm." antwortete Mister Byron sich dabei im Bett aufrichtend.
"Ja, ..." fuhr der Mann im Doktorkittel fort und faltete beinahe bedächtig seine Hände; "...dann wollen wir Sie nicht unnötig länger auf die Folter spannen. Sie können sich also an nichts erinnern?"
Mister Byron schüttelte den Kopf.
"Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, Merkmale oder Begebenheiten die Ihnen bekannt vorkommen?"
Einen Augenblick schaute der Patient rüber zu Schwester Beth, die aber hob halb drohend ihre Augenbrauen, so daß er nur von sich gab:
"Ich habe eine Tätowierung am linken Arm. Ein blauer Anker umschlungen von einer grünen Krake. Vielleicht bin oder war ich bei der Navy? Außerdem habe ich das Gefühl, daß ich nicht immer so dünn gewesen bin."

"Jaa, Herr Kollege, ich denke das wäre doch schon mal ein guter Ansatzpunkt." sprach der Doktor zu einem anderen Doktor, quer übers Bett.
Dieser trug eine Brille und hielt seinen Kopf in seiner rechten Hand während dieser kopfstützende Arm von seinem linken Arm wiederrum gehalten wurde.
Der Doktor nickte bestätigend und schaute weiterhin sehr interessiert auf den Patienten.
Der bärtige Mann in weiß wendete sich wieder Mister Byron zu.
"Sie sind vor 35 Tage in der Hafenbehörde Plymouth abgegeben bzw. in einer Art Komazustand eingeliefert worden. Zwei Tage später nahmen wir hier, im St. Barholomew's Hospital, ein Universitäts- und Lehrkrankenhaus, Sie unter unsere medizinische Obhut."
Nachdem sein Patient weiterhin einen unaufgeklärten Eindruck machte, ergänzte der Doktor:
"Sie befinden sich in London."

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 3. September 2012 14:51

Die Anwesenden Doktoranden und Medizinstudenten nebst Schwesternduo schauten gespannt auf den Patienten im Bett.
Der wohl stationsleitende Doktor mit viktorianischen Bartwuchs und gütiger Aussprache fragte nach kurzer Pause daraufhin:
"Können Sie sich an Ihren Namen erinnern?"
"Mister Byron, Sir. Auf jeden Fall werde ich hier so genannt, aber an meinen Vornamen gelange ich bei besten Willen leider nicht, Sir. Können Sie mir sagen was heute für ein Tag ist?"
"Nun, heute ist der..." setzte der Doktor an, als er auch schon von dem nun aus der Runde leicht nach vorne tretenden, brillenbehafteten Arzt unterbrochen wurde:
"...heute ist der 03. August 1940 und Sie heißen William Byron. Entschuldig Doktor!"
Dieser winkte ab und stellte den Mann im weißen Kittel und Brille als, in seinem Bereich, einen der führenden Doktoren des ganzen Empire vor:
"Das ist Doktor Bennet, Spezialist für Trauma- und Amnesieforschung. Er hat Ihren Fall bereits bei Ihrer Einlieferung begutachtet und wird sich Ihrer annehmen."
"Sehr erfreut, Sir. Ich hoffe es gibt eine Möglichkeit mich meinem Erinnerungsvermögen wieder näherzubringen." sprach Mister Byron, dem naturgemäß so einige Fragen und Ungewissheit plagte.

"Nun, Sie waren in einem außerordentlich geschwächten und angeschlagenem Zustand, eine gewisse Art von Koma, wahrscheinlich ausgelöst durch ein traumatisches Ereignis. Als Sie in unser Hospital ankamen, veranlassten wir sofort eine Röntgenaufnahme und führten an Ihnen äußere Untersuchungen durch. Abgesehen von einigen schweren Hämatomen sowie mehreren Stauchungen ihrer Extremitäten konnten keine Verletzungen festgestellt werden. Sie können Gott danken, daß Sie einen funktionierenden Schluckreflex hatten, so war es Schwester Beth möglich Ihnen pürierte und flüssige Nahrung zu geben, denn Ihr Verdauungstrakt funktionierte ebenso einwandfrei. Sie war es auch die ihre Muskulatur und Gelenkapparatur mittels täglicher Kontraktionsübungen und Massagen vor Thrombose und Verkalkung bewahrte." erläuterte Doktor Bennet ausführlich.
Bei den Worten 'Verdauungstrakt' und 'Massagen' spürte der Patient einen Anflug von Errötung seines Gesichtes.

"Und wie sind die Aussichten jetzt mit meiner Erinnerung?" hakte der Patient ratlos nach.
"Gar nicht mal so schlecht, Mister Byron. Wenn jemand wie Sie, dessen Leben einige Zeit wirklich am seidenen Faden hing, körperlich in so relativ kurzer Zeit einigermaßen genesen kann, dann läßt das meiner Erfahrung nach auf einen starken Charakter mit all seinen definierenden Eigenschaften schließen. Solche Eigenschaften haben in der Regel ganz tief in ihrem Unterbewußtsein einige Anker gesetzt die einige auslösende Ereignisse bedürfen, die zu Erinnerungspuzzlestücken führen können." antwortete der Spezialist Bennet und stützte seinen Kopf wieder mit seiner rechten Hand.

"Ist es möglich, ich meine, hier auf dem Zimmer und draußen auf dem Gang habe ich bereits einige Schwerverletzte gesehen, daß ich Opfer einer Katastrophe, eines Unglücks wurde? Vielleicht ein Großbrand oder ein schwerer Zugunfall?"
Einige der Medizinstudenten, aber auch die Doktoren schauten sich kurzzeitig an, wie als hätten sie etwas zu verbergen, was Mister Byron etwas Bange werden ließ.
"Äh,...tjaaa,..." säufzte Doktor Bennet aus: "...das können wir wirklich nicht ausschließen, aber wahrscheinlich ist dieser Umstand kaum. Wissen Sie, viel eher war es ein Seeunglück. Dafür spricht auch, daß, als Sie im Koma lagen, jedesmal wenn Schwester Beth Sie mit einem feuchten Waschlappen und Seife wusch, sie die Worte aussprachen 'Alle von Bord. Alle von Bord.', exakt zweimal."
Nun wurde Schwester Beth ein wenig rot, räusperte sich und schaute kurzeitig gen Boden.

"Unseres Wissen nach, gab es in letzter Zeit in Plymouth auch keinerlei hausgemachte Katastrophen oder Unfälle." ergänzte der Stationsdoktor.
"Was meinen Sie mit hausgemacht?"
Plötzlich war durch das gekippte Zimmerfenster ein entferntes, aber dennoch starkes dumpfes Grollen zu vernehmen, gefolgt von einigen, schwächeren Donnergeräuschen. Sofort hurtete Schwester Beth unaufgefordert zum Fenster um es gänzlich zu verschließen.
"Haa, hähä...nun sagen Sie es dem armen Teufel schon!" lachte höhnisch, vielleicht schadenfroh, doch von Schmerzen gequält der Mann mit dem riesengroßen, blutdurchtränkten Kopfverband gegenüber im Bette.
"O'Connor, seien Sie bitte still und nehmen Rücksicht auf Ihren Mitpatienten. Dieser Fall erfordert äußerste Vorsicht und ein behutsames, therapeutisches Vorgehen. Sonst könnte es sein, daß sich sein Unterbewußtsein der Lage nicht gewappnet sieht und komplett verschließt." forderte Doktor Bennet.
Der Patient O'Connor murmelte noch etwas unverständliches, wahrscheinlich auf gälisch, wahrscheinlich Flüche.

"Was sollen Sie mir sagen?" wollte Mister Byron jetzt wissen, kratzte sich dabei an seinem rotblonden Haupthaar.
"Sie werden alles erfahren, keine Sorge, nur das Tempo der nun auf Sie einstürzenden Informationen werden wir heute in einer Sitzung nach dem Mittagessen in meinem Arbeitszimmer in Ruhe besprechen, Mister Byron."
Des Patienten weitere Frage, was denn los sei, beantwortete die ärztliche Morgenvisite vor dem Verlassen des Raumes nicht mehr.
Schwester Beth blieb noch kurz stehen und huschte dann den Doktoren hinterher.

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 5. September 2012 15:02

Kapitel 2 - No Lord Byron


Ein paar Stunden später, saß Mister Byron in einem Rollstuhl an einem wuchtigen Mahagonischreibtisch, ihm gegenüber Doktor Bennet, der ihn durch seine Brille teils sorgenvoll wie auch fürsorglich betrachtete. Einige Unterlagen stapelten sich geordnet auf jenem Tisch, in der Ecke war ein Sofabereich und ein lederner Sessel rundete diesen Bereich ab, alles ganz majestätisch betrachtet durch den König, welcher in Öl von einer der mit hellbraunen Muster übersähten Tapete spähte.
"Mister Byron, wie fühlen Sie sich jetzt?" fragte Doktor Bennet und lehnte sich dabei in den sehr bequemen wirkenden Arbeitsstuhl zurück.
Durch das große Fenster, rücklings zum Doktor, schien die Mittagssonne grell herein.
"Danke der Nachfrage, Sir, ganz gut."
"Wenn ich Ihnen eine Frage stellen dürfte; sind Sie mit dem Dichter George Gordon Byron irgendwie verwandt?"


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Ohne auch nur kurz darüber nachzudenken, antwortete Mister Byron:
"Nein, Sir."
Jetzt erhoben sich Doktor Bennets Arme aus seinem Schoße um sie auf dem Tische abzulegen.
"Das ist interessant. Woher wollen Sie das wissen?"
"Ja, ...ich, ich weiß es einfach. Bin nicht sicher warum, aber schon in der Schule haben mich alle damit aufgezogen." sprach Mister Byron, angestrengt überlegend.
"Haben Sie etwas dagegen?" fragte der Doktor als er aus einer Schublade eine Pfeife holte und diese bereits stopfte.
Mitster Byron schüttelte den Kopf, schon fragte der Doktor ihn erneut:
"Das war sicher schwer für Sie in der Schule. Kinder können wirklich gemein sein. Sagen Sie, in welche Schule sind sie gegangen?"
Während der aromatische Pfeifenrauch dem gut eingerichteten Zimmer eine duftende Note verlieh, überlegte Mister Byron abermals, diesmal einen längeren Moment in dem es zwischen Patient und behandelnden Arzt still wurde.
"Mir fällt dazu nichts ein. Keinen Namen, kein Ort, nur diesen kleinen Tommy habe ich gerade im Kopf. Ich habe einmal einen Liebesbrief in der Klasse geschrieben, heimlich. Den wollte ich einem Mädchen in der Mädchenklasse geben, aber dieser Tommy hat ihn mir weggenommen und ihn allen laut vorgelesen."

"Wie hieß das Mädchen, können Sie sich auch an den vollen Namen von Tommy erinnern?" fragte Doktor Bennet in ruhigen Ton nach.
Mister Byron verkniff die Augen, es dauerte eine Weile, dann erklärte er:
"Da ist nichts mehr, Doktor. Gar nichts..."
"Gut, ich denke das wird schon wiederkommen. Machen wir woanders weiter. Wann haben Sie beschlossen zur See zu fahren?"
"Ich glaube ich mußte, das war kein bewußter Entschluß."
"Aha, war es also ein Drang, die Lust auf fremde Küsten, die Gischt, der Salzgeruch, ja, ein Abenteuerdrang wahrscheinlich."
"Nein Sir, ich meine, ich glaube, jetzt da Sie es so erwähnen,...doch, irgendwann hat es mir viel Freude bereitet, aber den Entschluß habe ich nicht ganz freiwillig getan. Das war eine finanzielle Angelegenheit. Das habe ich im Gefühl."
Doktor Bennet paffte hin und wieder an seiner Pfeife, dann hatte sein Patient eine Frage:
"Hatte ich nicht irgendwelche Dokumtene, Notizen oder Ausweispapiere bei mir? Wer hat mich in der Hafenbehörde in Plymouth abgegeben?"

"In der Tat, Mister Byron, in der Tat. Sie trugen Ihren Ausweis bei sich und einige Daten konnten wir daraus entnehmen, der andere Teil aber ist leider unkenntlich. Wohl aufgrund dieses, äh...Unglückes, dessen Opfer Sie mit Sicherheit geworden sind."
"Wie unkenntlich denn?"
"Jaaa, ich denke hierauf möchte ich Ihnen noch keine Antwort geben, da dies im direkten Zusammenhang des Trauma- und Komaverfalls einzuordnen ist. Machen wir doch weiter, wo waren wir nochmal stehengeblieben,....ja, die finanzielle Situation die Sie zur Seefahrt bewog."
"Doktor, ich spüre doch das mir seit meinem Aufwachen gestern alle Menschen etwas verheimlichen. Irgendwie sind alle schrecklich angespannt und nervös. Eine Schwester hat mir erzählt, ich sei unverheiratet, also habe ich meine Familie nicht bei irgendeiner Katastrophe verloren, weil ich keine habe wahrscheinlich. So eine Katastrophe muß sich aber zugetragen haben, bei all der Hektik hier im Krankenhaus und den vielen Schwerverletzten. Was meinte eigentlich O'Connor, der Ire, der mit mir auf dem Zimmer liegt? Ich höre überall nur Andeutungen, vage Aussagen, während ich krampfhaft versuche mich an etwas brauchbares zu erinnern...." bei den letzten Sätzen wurde Mister Byron zusehendst ärgerlicher, wenngleich nicht weniger verzweifelter im Tonfall.

Doktor Bennet, legte die Pfeife auf ein kleines Tellerchen und lehnte sich wieder zurück in seinen gut gepolsterten Arbeitsstuhl, während er seinen Patienten eindringlich, wortlos begutachtete. Er schien sichtlich abzuwägen, nahm dann die Akte von Mister Byron vom Stapel, blätterte kurz darin herum, um sie schnell wieder auf den Tisch zu legen.
"Ja, ich verstehe. Sie werden es ja früher oder später sowieso erfahren, obwohl mir aus Mediziner und der einhergenden Sorgfaltspflicht für mir angetraute Patienten ein später in ihrem Fall lieber wäre."
"Ich bin nicht nur ein Fall, für Sie natürlich ja, aber ich will meine Identität und Erinnerung wieder haben. Vor allem will ich wissen was passiert ist, was die Leute so bedrückt." warf Mister Byron im Rollstuhl sitzend sehr athletisch ein.

Doktor Bennet fasste sich an die Stirn, rieb sie ein paar mal und wollte dabei wissen:
"Gut, in Ordnung, wenn Sie so darauf bestehen. Kennen Sie sich ein bisschen in Politik aus?"
"Nicht so richtig, denke ich. Warum, ist der König gestorben aus Gram darüber das sein Bruder eine Amerikanerin geheiratet hat?"
"Nein,..." ein wenig schmunzelte Doktor Bennet; "...der König hat zwar noch ein paar Probleme öffentlich aufzutreten, ist aber wohl auf.
Wissen Sie was in Deutschland los ist?"
"Ja, die Nazis sind an der Macht, warum?" fragte ahnungslos Mister Byron gegen.
"Sie wissen auch von den diplomatischen Schwierigkeiten unserer beiden Länder?"
"Ich hörte davon und hatte schon Angst es gäbe Krieg, Gott sei Dank hat Premierminister Chamberlain das noch vor 2 Jahren richten können."


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"Dann kläre ich Sie mal auf eigenen Wunsch auf. Gleich werden Sie verstehen, weswegen wir hier aus Sorge Ihnen gegenüber uns in Zurückhaltung übten. Sie scheinen mir gefestigt und stark genug zu sein, diese Informationen bereits jetzt in diesem Stadium unserer Therapie, verkraften zu können. Also, Chamberlain hat es damals nur für kurze Zeit richten können. Ein Friede für beinahe zwei Jahre.
Zugeständnisse an die Nazis zu machen, ist beinahe das selbe wie Blut in ein Haibecken zu schütten. Die Tschechoslowakei gibt es nicht mehr, die wurde von Deutschland teilannektiert. Bis zu letzt haben wir alle an einen diplomatischen Ausweg geglaubt, Polen bat uns um ein Bündnis nach dem Tschechoslowakeivorfall und unsere Regierung willigte ein. Deutschland davon nicht abgeschreckt, stellte ein Ultimatum an Polen um die Danzigfrage und nachdem die Polen nicht bereit waren nachzugeben, griff Deutschland Polen an und überrannte es innerhalb kürzester Zeit. Für uns und Frankreich bedeutete das natürlich den Bündnisfall. Jetzt befindet sich das ganze Britische Empire im Kriegszustand mit Deutschland."


Ein Anflug von Entsetzen machte sich auf des Patienten Gesicht breit, schon fragte er nach:
"Ach du meine Güte. Frankreich wird sie mit Sicherheit aufhalten können, wie sie es im großen Krieg getan haben, nicht?"
Der Doktor runzelte die Stirn und fügte dann etwas leiserer bei:
"Die Franzosen wurden ebenso überrannt, Mister Byron. Das hat nicht wesentlich länger gedauert als in Polen."



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Mister Byron wurde etwas weiß im Gesicht:
"Sie meinen, wir sind tatsächlich im Kriegszustand mit Deutschland?"
"Äh, jaaa..." säufzte Doktor Bennet; "...das Commonwealth und die überranten Länder Polen, die Niederlande, Belgien und Luxembourg. Ebenso Dänemark, sie haben gleich bei der deutschen Kriegserklärung kapituliert und Norwegen auch."
Mister Byron hielt sich nun an den Rädern des Rollstuhles fest, schluckte mehrmals bevor er wieder sprechen konnte:
"Die Beneluxländer und Norwegen?"
"Und die Republik Spanien nicht zu vergessen. Die Deutschen haben nicht vor den Pyrenäen halt gemacht und sind gerade dabei in Nordspanien einzufallen. Immerhin hat unsere Regierung ein Expeditionschor nach Narvik gesandt um die Norweger zu unterstützen."



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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 6. September 2012 16:14

"Seit wann befinden wir uns im Krieg mit Deutschland?"
"16. Mai 1939, also über ein Jahr schon. Aus medizinischer Sicht ist das sehr aufschlußreich. Sie erinnerten sich an die Abdankung Eduard VIII., aber an den Kriegsausbruch nicht. So lange waren sie aber sicherlich nicht im Koma, woraus sich schlußfolgern läßt, das Ihrer Erinnerungsverdrängung ein kriegsbedingtes Auslöseereignis vorangegangen sein muß. Ich bin recht zuversichtlich Ihnen helfen zu können Ihre Erinnerung wiederzuerlangen, sofern regelmäßige Therapiesitzungen Sie langsam an jenes Ereignis heranführen, wobei das Tempo..."
der Doktor wurde von Mister Byron unterbrochen:
"Entschuldigen Sie Doktor wenn ich Sie unterbreche, aber was ist noch passiert als ich im Koma war?"

"Wie meinen Sie das genau? Wollen Sie die Ergebnisse der Football League, first division?"
"Nein,...vielleicht später. Was ist noch passiert, wie sieht es auf dem Kontinent aus?"
"Das Königreich Italien ist mit Deutschland verbündet und ihre afrikanischen Kolonien bedrohen Ägypten und den Suezkanal. Doch momentan verhält sich Mussolini ruhig, wahrscheinlich ist die italienische Armee noch nicht kampffähig genug. Krieg mit Italien scheint auch unausweichlich zu sein, nachdem was unsere Zeitungen berichten."


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"Und wie sieht es mit den anderen Kolonien aus, Sir? Jetzt kommt etwas wieder, warten Sie, ...hat es Krieg in Asien gegeben?" fragte Mister Byron wißdurstig.
"Das wird ja regelrecht eine Schocktherapie Mister Byron. Ich bin mir nicht sicher ob der Weg der direkten Konfrontation für Sie unbedingt vorteilhaft ist. Wie bereits besprochen, reden wir im Moment gerade über mit Ihrem Traume themenverwandte Dinge."
Mister Byron krazte sich an seinem 3-Tage Bart und wurde etwas aufgeregter.
"Doktor, ich muß die Dinge im großen Maßstab ersteinmal realisieren bevor ich mich an die kleinen, persönlichen Sachen erinnern kann."
"Mister Byron, wir bewegen uns jetzt schon auf dünnem Eis." verlieh Bennet mit nachdrücklichen Tonfall seinen Worten Bedeutung, doch als eine Reaktion seines Patienten ausblieb, erzählte er weiter:
"Das ist richtig. Das Kaiserreich Japan erklärte im Sommer '37 China den Krieg, der Zwischenfall auf der Marco-Polo Brücke durfte offiziell als Grund herhalten, doch die japanischen Agressoren haben es auf die reichen chinesischen Provinzen abgesehen, unter anderem der damals noch demilitarisierten Stadt Shanghai."
"Ja, ja! Ich glaube ich kenne Shanghai. Die Stadt mit den internationalen Konzessionen. Wie ist der Konflikt ausgegangen?"


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"Die Chinesen konnten der gut gerüsteten kaiserlichen, japanischen Armee nicht standhalten. Es gab fast zwei Jahre erbitterte Kämpfe, bis tief hinein in chinesisches Kernland, doch für die Kuomintang war es hoffnungslos. Wahrscheinlich fehlte ihnen auch die Unterstützung der Landbevölkerung." erklärte Doktor Bennet, hielt kurz inne und erklärte nach kurzer Pause weiter:
"Japan hat in China einen Vasallenstaat ausgerufen und trotz des Massakers von Nanking haben die Japaner dort viele freiwillige Helfer gefunden. Dieser Vasallenstaat hat uns mit Wirksamkeit ihrer Regierungsgeschäfte sofort den Krieg erklärt. Tja, das britische Empire ist ja in der Vergangenheit auch nicht gerade zimperlich mit der hiesigen Bevölkerung umgegangen."
"Und die Kolonien in Fernost? Gibt es die noch?" wollte Mister Byron unbedingt wissen, hielt sich mittlerweile schon leicht verkrampft am Rollstuhl fest.


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"Die einzig nennenswert, verteidigte Kolonie ist Malaysia mitsamt der Festungsstadt Singapur, die ganzen kleinen Inseln sind unverteidigt, Truppen wurden, als sich der Konflikt auf dem Kontinent abzuzeichnen begann, schleunigst nach Hause beordert.
HongKong wurde auch zur Festung erklärt, doch die dortige Garnision kämpft auf verlorenem Posten. Die jap.chinesischen Truppen haben aber auch noch nicht angegriffen. Sie sitzen noch in den Bergen ringsum und es scheint als warteten sie auf etwas."


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Doktor Bennet, der jetzt mit seinen Ausführungen über die Geschehenissen der letzten Monate so richtig in Fahrt gekommen war, erklärte weiter:
"Naja, so schlecht schaut die Lage zumindest aber hier in der Heimat für uns nicht aus. Das Dominion Kanada hat einige Truppen hierher verschifft, De Gaulle, ein französischer General des gegründeten Komitee 'Freies Frankreich' rief per Radioansprache zu seinen Landsleuten ebenfalls auf, die Waffen nicht zu strecken, woraufhin einige freifranzösische Truppen sich auf unserer Insel über Umwege einfanden. Ein paar belgische Divisionen ebenso. Auch ist eine Generalmobilmachung seitens unserer Regierung erfolgt, alle wehrfähigen Männer älterer und jüngerer Jahrgänge gehen zu den 'Home Guards'."


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Mister Byron wurde zusehendst nervöser, ein paar Schweißtropfen tropften ihm bereits von der Stirn, doch Doktor Bennet fiel das erstmal, trotz seines hypokratischen Wesens augenblicklich, nicht auf:
"Der Nahe Osten ist bisher von, zumindest äußeren Konflikten, verschont geblieben...."


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"...doch unsere Commonwealthländer Australien und Neuseeland sind dem wohl zukünftigen Feind Japan nahezu schutzlos ausgeliefert."


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Doktor Bennet wollte wieder nach seiner erkalteten Pfeife greifen, aber als sein Patient Mister Byron die Worte Australien und Neuseeland vernahm, wurde er nur noch weißer, verdrehte die Augen und fiel schließlich in Ohnmacht. Mister Byron hörte noch das Rufen des Doktors nach ihm und Schwester Beth, bevor er wieder in die schwarze, dunkle Welt eintauchte, das Klopfen seines Herzens wurde leiser...

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 12. September 2012 20:43

...sehr langsam fand das Bewußtsein Mister Byrons wieder zurück in die reale Welt, die, kaum hatte er seine Augen wieder geöffnet, ihm nicht minder im Glauben ließ sich in einem dieser neumodischen surrealen Gemälde zu befinden, ja sogar dort gefangen zu sein.
Der Rahmen der ihm zugeflossenen Informationen seit seinem gestrigen Aufwachen war das einzige, handfeste Paddel mit dem der Mann ohne Vergangenheit durch ein Meer der über ihn hereinstürzenden Begebenheiten trieb.
Wohin er trieb, er wußte es nicht. Nicht einen Deut Erkenntnis wie tief die See der untergegangenen Erinnerungen war, allein eine Ahnung beschlich ihn noch im erneuten Komazustand, daß er darin sehr tief tauchen müsse um wieder Land zu sehen.

"Wachen Sie auf, Mister Byron. Ja, ganz ruhig." hörte Mister Byron, während die Hand des Doktor Bennets ihm fieberprüfend über die Stirn strich.
"Tsl...tsl..i...ich bin Will...-...iam Byron." stöhnte der Patient auf, seine Augen öffnend.
"Ja, das sind Sie." antwortete ruhig der Doktor.
Mister Byron kam auf jener vorhin begutachteten Sofaecke zu sich, Schwester Beth stand mit einem Glas Wasser am Sofaende und schaute mitleidig auf den blassen Patienten.
"Sie sind während unserer Unterhaltung plötzlich bewußtlos geworden. Wie fühlen Sie sich jetzt?" wollte Bennet wissen.
Schwester Beth reichte Mister Byron das Glass Wasser, daß er rasch und trotz der darin enthaltenen Medizin, welche er am bitteren Geschmack erahnte, leerte.

"Doktor Bennet, soll ich ihn wieder aufs Zimmer bringen?" sprach Schwester Beth.
Der noch auf den Knien, neben dem Sofa verweilende Doktor antwortete:
"Das werden wir gleich wissen. Also, Mister Byron, wie fühlen Sie sich?"
"Schwach."
"Können Sie sich daran erinnern, über was wir vor ihrer Bewußtlosigkeit gesprochen haben?"
In Byrons Kopf drehte sich noch ein wenig alles, doch er strengte sich kurzzeitig an sich das geführte Gespräch noch einmal zu vergegenwärtigen.
"Ja, Sie sprachen von der gegenwärtigen Situation. Die Kriegssituation genauer gesagt. Das letzte was ich noch so halb mitbekommen habe, war etwas über Australien."

"Danke Schwester Beth. Warten Sie am besten draußen, ich werde Sie rufen, wenn ich Sie brauche."
Mit diesen Worten verabschiedete der Doktor Beth, bevor er selbst auf dem Sessel neben dem liegenden Mister Byron Platz nahm.
Aus seinem Doktorkittel nahm Bennet schweigsam einen Notizblock und Bleistift, schaute dann eine Weile auf seinen Patienten und erklärte schließlich:
"Das Sie sich an den Inhalt unseres Gespräches sowie die offensichtlichen auslösenden Worte Ihres Ohnmachtsanfalles erinnern, zeigt mir, daß Sie innerlich gefestigt genug sind den schrittweisen Weg der Auseinandersetzung in Gesprächen zu gehen. Deswegen sollten wir jetzt auch gleich weitermachen. Je mehr wir über allgemeine Dinge reden, umso wahrscheinlicher ist auch hier und da eines Ihrer Erinnerungspuzzlestücke wieder an das Tageslicht zu befördern, wie mir die Unterhaltung über Ihre Schule und die Seefahrt gezeigt haben. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie sind hier, wenn ich das so sagen darf, in besten Händen. Vorsichtshalber habe ich Ihnen ein gewisses Mittel im Wasserglas verabreichen lassen, etwas was Sie emphatischer und gesprächiger machen wird. Vielleicht wird Ihnen ein bisschen warm werden, schwitzige Hände und ein trockener Mund sind gewöhnlich die Symptome dieses Mittels. Vor allem beruhigt es meine Patienten und läßt sie alles etwas entspannter wahrnehmen."

"Was für ein Mittel, Doktor?"
"Ein Mittel welches auch ein paar befreundete Psychologen einsetzen. Es wurde ursprünglich sogar vor 28 Jahren in Deutschland patentiert und ich benutze es erfolgreich für meine Traumatherapie. Völlig ungefährlich." erklärte Doktor Bennet ernst durch seine runden Brillengläser.
"Also, ich habe mir hier ein paar Notizen aufgeschrieben. Das was wir bisher haben ist folgendes; Sie heißen William Byron, ledig, geboren am 12. Juni 1910 in Liverpool. Laut Ihres halbverwertbaren Ausweisdokumentes waren Sie darüberhinaus noch Seefahrer von Beruf. Das wird durch ihre Tätowierung am linken Oberarm, ein blauer Anker umschlungen von einer grünen Krake unterstrichen, ebenso davon, daß Sie im Koma zweimal die Worte 'Alle von Bord.' murmelten, als Sie gewaschen wurden. Ihre Mundart ist die eines Mannes aus Liverpool, was bedeuten könnte, Sie sind dort auch aufgewachsen. Sie konnten mir ohne zu zögern sagen, daß Sie nicht mit dem Dichter Lord Byron verwandt sind und Sie deswegen von einem Tommy in Ihrer Schulzeit gehänselt worden sind. Sie sind also irgendwann zur See gefahren, auch wenn Ihnen am Anfang der Entschluß vermuteterweise nur einen finanziellen Hintergrund hatte. Sie sagten, Sie kennen Shanghai, waren also sicher einmal dort als Seefahrer, konnten sich auch aus eigener Kraft an den Krieg in Asien erinnern, nicht aber an den Kriegsausbruch hier in Europa. Davon wurde ihr bewußtes Gedächtnis vorhin total überrascht. Was Sie aber wirklich aus der Fassung gebracht hat, war das Erwähnen von den Fernostkolonien beziehungsweise von Australien und Neuseeland. Die Abdankung des Königs wegen dieser Misses Simpson sowie der Premierminister Chamberlain blieben Ihnen auch im Gedächtnis. Nebenbeigesagt, ist er aktuell nicht mehr Premierminister. Wußten Sie das?"

Mister Byron schüttelte den Kopf, dann sprach der Traumaspezialist Doktor Bennet weiter:
"Aufgrund all dieser Tatsachen, und dem, daß Sie vor 35 Tagen in der Hafenbehörde Plymouth abgegeben worden sind, kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, daß Sie in der Tat zur See gefahren sind. Ich vermute weiter, Ihr traumaauslösendes Ereignis hängt mit einem Unglück auf hoher See zusammen, die Eingrenzung Ihrer vagen Erinnerung des Krieges in Asien, nicht aber in Europa, denke ich, Sie wurden nicht von Japanern angegriffen. Das ist auch schon alles was ich dazu sagen möchte. Ich will mich wirklich nicht weiter aus dem Fenster lehnen. Der Rest muß in Zusammenarbeit mit Ihnen aufgedeckt werden."

Erst jetzt konnte Mister Byron die Geräusche der allgemeinen Betriebsamkeit des Krankenhauses, draußen auf den Gängen bewußt wahrnehmen. Er dachte nach. Die Sonne schien von dem mittlerweile weit geöffneten Fenster in diesem heißen Augustmonat hell herein und erleuchtete das im Stil der Jahrhundertwende eingerichteten Arbeitszimmer des Spezialisten Bennet.
Dann setzte der Patient ohne Erinnerungsvermögen zum sprechen an:
"Wenn ich zur See gefahren bin, dann muß es doch im Marinearchiv eine Auflistung geben mit deren Hilfe weiteres über mich zu erfahren ist."
Der Doktor lächelte müde:
"Mister Byron, diese Idee hatten wir bereits am Tage Ihrer Einlieferung auch. Doch unglücklicherweise, ist jenes Marinearchiv noch nicht restlos evakuiert worden und die Deutschen haben das Gebäude in einem Nachtangriff schwer beschädigt. Der Trakt mit den Akten brannte dabei völlig aus."



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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 14. September 2012 13:46

Kapitel 3 - Oh, O'Connor


Die weitere Sitzung mit Doktor Bennet verlief leider wenig aufschlußreich, trotz oder gerade wegen des verabreichten Mittels, welches Mister Byron wie erwartet sehr entspannt werden ließ. Sein Mund war die restliche Therapiestunde mehr als trocken, auch schüttete er sich Unmengen an Wasser in den Hals, gleichzeitig stieg sein Bewegungsdrang trotz seines noch geschwächten Körpers massiv an und er erwischte sich selbst bei dem Gedanken, das seine erinnerungslose Situation vielleicht doch nicht so schlimm sei. Er nahm Geräusche auch anders war, besonders aber die dann für ihn nervenden Fragen des Doktor Bennet, der wiederum versicherte, daß jene Symptome völlig normal wären.

Endlich war die Stunde um und Schwester Beth schob den unter Einfluß dieses Mittels stehenden Mister Byron per Rollstuhl zurück in sein Zimmer, verfrachtete den leicht schwitzenden Patienten in sein Bett und deckte ihn zu. Kaum war sie aus dem Krankenzimmer verschwunden, schob Mister Byron die Decke von sich, die auch gleich zu Boden fiel:
"Meine Güte, was ist denn bloß los hier. Leute, warum ist hier so eine miese Stimmung?" fragte Mister Byron mit erhöhter Temperatur.
Mit ihm im Raume lag ein halbes Dutzend Verletzter, doch antwortete keiner, lediglich ein schmerzverzerrtes Stöhnen war von irgendwem zu vernehmen.
Dann richtete sich der Ire mit dem Kopfverband gegenüber im Bett auf, schaute auf den offensichtlich unter Drogen stehenden Patienten Byron.
"Hat der Doktor mit einem von euch Traumapatienten wieder einmal eines seiner Experimente gemacht, was?"

"O'Connor war dein Name, richtig? Ja, der Doktor ist ganz nett, wir haben uns unterhalten und ich bin vorhin nocheinmal bewußtlos geworden, dann gab er mir dieses Mittel, sehr seltsam, ich habe noch nie zuvor die Umwelt so wahrgenommen. Hast du auch schon einmal davon gekostet? Ist etwas bitter aber nach einer halben Stunde fängt es an zu wirken, wirklich du solltest..."
"Hey!" rief der Patient O'Connor lauter im Raume, so daß sich ein paar Mitpatienten im Bette zu ihnen umdrehten.
"Mach mal einen Punkt Byron! Dieses Mittel hat dich zu redselig gemacht und später wirds dir schlecht gehen." fuhr der Kopfverletzte fort.
"Wie meinst du das? Oh, pardon, darf ich Sie duzen?" fragte Mister Byron mit leicht verdrehten Augen nach.

"Ist jetzt eh schon egal. Ich heiße Micky mit Vornamen. Und wie ich das meine? So wie ich es gesagt habe. Der liebe Doktor Bennet wendet hier dieses Mittel zu seiner Therapie an und die meisten seiner Traumapatienten öffnen sich dann auch tatsächlich. In gewisserweiße ist es erfolgreich, aber wenn sie aus den Sprechstunden zurückkommen, dauert es nicht lange und das Mittel läßt nach. Dann fühlen sie sich kalt und alleingelassen. Das ging soweit, daß sich sogar einer hier mal aus dem Fenster stürzen wollte. Und dir, Byron, wirds bald auch so gehen." erklärte Patient O'Conner, der vermuteterweise schon länger in diesem Lehr- und Universitätskrankenhaus zugegen war.

"Oh Gott, das ist ja schrecklich. Das sind jetzt gerade keine guten Nachrichten..." sprach Mister Byron nach kurzer aber hektischer Überlegung.
"...was kann man dagegen tun?"
"Das was ich mit allen mache wenn sie von Doktor Bennets 'Therapiestunde' zurück in dieses Zimmer kommen."
"Was denn?"
"Das wirst du schon sehen. Wirst schon sehen....aber erst wenn es dunkel ist."
Langsam aber stetig veränderte sich der Lichteinfall und die Schattenlinien im Raum, kündigten den späten Nachmittag an. Mister Byrons euphorisches Glücksgefühl wich tatsächlich einer kalten Leere in ihm, gefolgt von der körperlichen Kälte. Alsbald hob der Patient Byron die am Boden liegende Decke wieder auf und verkroch sich in ihr.

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 20. September 2012 22:33

Eine halbe Ewigkeit und ein paar Minuten später, das Abendessen welches von den Schwestern auf dieses physiologisches und psychologisches Invalidenzimmer gebracht wurde, blieb nur vom Patienten Byron unangerührt, dann verschwand auch die Augustsonne tief hängend, draußen hinter einer Häuserwand gegenüber des Zimmerfensters. Eine quälende Sinnlosigkeit machte sich mittlerweile in den noch geschwächten Patienten Byron breit, ein hervorragender Nährboden für traurige Gedanken und depressive Fragen über den Zweck des Lebens.

"Pssst!" zischte O'Connor von gegenüber. Mister Byron der leicht erschöpft von dem ihm am frühen Nachmittag verabreichten Mittel schon beinahe eingeschlafen wäre, fuhr erschrocken hoch. Dann sah er wie der kopfverwundete O'Connor langsam aus dem Bett stieg und am Zimmerschrank Klamotten rausholte um sich damit einzukleiden. Kurz kam Mister Byron in den Sinn, es wären gar nicht die Kleidungsstücke von dem Iren, er würde wahllos welche herausnehmen, doch als er ihn fertig angezogen betrachtete, hätte selbst ein Blinder es nicht von der Hand weisen können - diese Kleidungsstücke gehörten zu ihm.


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"Was starrst du mich so an, Byron? Mach das du aus dem Bett rauskommst." flüsterte leise der Ire der sich die Schiebermütze über seinen Kopfverband zurechtrückte.
"Und dann?"
"Dann ziehst du dich an und wir verschwinden für ein paar Stunden unauffällig. Keine Faxen jetzt, vertrau mir einfach!" flüsterte O'Connor abermals, nun schon etwas genervter.
"Ich weiß nicht was ich anhatte!" wollte der erinnerungsschwache als Einwand geltend machen, doch Micky kramte schon im Schrank und zauberte eine Hosen- und Jackenkombination schlechten Geschmackes heraus.
"Sind das meine Sachen?" fragte Byron nach, während er sich langsam aus dem Bett erhob.
"Um Himmels Willen nein. Aber in Seemannskluft gehst du jetzt nicht raus. Komm schon, beeil dich!"

Einige Momente später standen beide angezogen mitten im Zimmer zwischen all den Betten. Ein kleines Nachtlämpchen erhellte das Buch eines anderen Patienten, welches hingebungsvoll von diesem alten Mann gelesen wurde. Zu tiefst versunken in einen Groschenroman machte er keine Anstallten, blätterte ab und zu um und leckte sich die Unterlippe dabei.
"Wohin gehen wir?" flüsterte nun auch William Byron, gestützt von dem kriminell anmutenden, verwegenen Micky.
"Zum Fenster gehen wir raus. An der Nachtwache der Schwestern kommen wir auf dem Flur nicht vorbei."
Schon schob der Ire den Seemann in Richtung Fenster, als dieser widersprach:
"Dort hinaus? Hattest du nicht vorhin gesagt, da wollte sich mal jemand umbringen, aus dem Fenster stürzen nach einer Therapiestunde?"
Micky O'Connor war mit dem eingehakten Byron schon am Fenster:
"Das ist ja das traurige. Der Typ war auch einer von der Sorte die nie aus dem Bett wollen und nur das machen was Doktoren einem sagen. Dem armen Teufel hat niemand gesagt das wir hier im Erdgeschoss sind." erklärte er und zeigte die 1,5m bis zum Grund.
Als beide aus dem Fenster stiegen, sprach der lesende, ältere Mann ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen die Worte aus:
"Bis später Jungs. Ich richte gleich eure Betten her."

Die Klettereinlage heil überstanden befanden die zwei Ausreißer sich auf einem Bürgersteig einer verkehrsarmen Seitenstraße. Das nächtliche London war abgedunkelt und nur sehr wenige Fahrzeuge waren in der Gegend zu hören und noch weniger Menschen zu sehen.
Den Arm um des Iren Schulter gelegt, machten sich die beiden wortlos auf den Weg. William Byron fragte nach wohin es ginge und ihm wurde kurz und knapp erklärt:
"Wir sind gleich da. Zwei Minuten. Wird sich lohnen, du Amnesist!"

Als das komische Paar nocheinmal um eine Ecke bog, war zwar noch nichts zu sehen, aber schon von weitem zu hören. Sie näherten sich der ausgelassenen Feiergeräuschkulisse und als sie schon beinahe über die Eingangsschwelle stolperten, konnte William noch ein Schild lesen: 'Ned's Pub'
Der Krieg hatte der Weltstadt London in der Nacht zwar das Licht geraubt, doch nicht den Bewohnern die Lust am Ausgehen.
So kam es, daß dieser Ort der Begegnungen der Arbeiterklasse auch in Kriegszeiten gut gefüllt war.


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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 28. September 2012 12:55

Das seltsame Paar drängte sich durch die, bei näheren Betrachten, ebenfalls seltsame Publikumsmasse. Hier, zwischen Alkoholdunst und Zigarettenrauch, mischte sich Schweiß und billiges Frauenparfum in den überfüllten Pub, so daß man glauben konnte, der Plattenspieler in irgendeiner Ecke mit samt vorgebrachten Swingtönen, brauchte nur auf all diesen in der Luft hängenden Zutaten zu tanzen.
Da waren leichte Mädchen mit wahrscheinlich absichtlich einblickbaren Hautdarbietungen, oberhalb üppig und unterhalb durch Strapse als letzte Bastion einer gewissen Art von Bürgerlichkeit getrennt. Der hintere Teil von Ned's Pub war fest in der Hand von Soldaten aller Waffengattungen, die, angeheizt durch Stouts sowie einer vielleicht dunklen Ahnung bald sterben zu können, aus fester Kehle Shantys anstimmten.
Einige Arbeiter mit großen Mützen präsentierten stolz auf ihren dunkelblauen Latzhosen die Öl- und Schmierfettflecken die sie sich am hellichten Tag bei harter und ehrlicher Arbeit in den Fabriken in den außenbezirken Londons zuzogen. Es war laut, es wurde gesungen, gelacht, hier und da in der Menschenmenge zwischen Barhockern und Stehpublickum in der Enge getanzt.

O'Connor hatte alle Mühe den armeingehakten Patienten Byron durch diesen ausgelassenen Ort der vergänglichen Glückseligkeit zu dirigieren, aber wie eine Hummel im Sommer nur gewisse Blüten ansteuert, so steuerte der Ire zielgerichtet an einen kleinen Wandtisch.
"Setz dich hierher. Ich hole uns was zu trinken." waren die Worte und Micky verschwand in Richtung Bar.
An der Wand entlang waren einige kleine Tische, William nutzte die Wand als Lehne und betrachtete so das bunte Treiben um ihn herum.
Er fühlte sich angeschlagen, von der Therapiestunde inklusiver Medikation, sowie der langen Bettlägrigkeit. Er öffnete die ersten zwei Knöpfe seines geborgten Hemdes, als auch schon Micky mit Gläsern dunklen Bieres in der Hand am Tisch Platz nahm.

"Oh, nein. Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist in meiner Verfassung." kam es aus William als er das Stout rübergerutscht bekam.
"Das ist sogar eine sehr gute Idee. Und jetzt trinken wir." sprach Mickey, hob sein Glas, überlegte kurz und fuhr dann mit lauterer Stimme fort:
"Auf die Gesundheit, das Leben und auf das Nichtwissen unseres Todes. Darauf das manche dem Tod noch einmal von der Schippe springen konnten. Cheers!"
Die Gläser klirrten nach einer Sekunde des Zögerns dann doch aneinander, auch wenn William Byron nicht ganz so tiefe Schlücke vollbrachte wie der Ire.
"Sag mal, bist du mit Lord Byron, dem Dichter verwandt?" fragte Micky ernst.
Der abgemagerte Byron schüttelte den Kopf: "Nein. Er hat nur meinen Namen."
Micky lachte ein wenig und zündete sich eine Zigarette an.

"Woher kommst du denn genau? Irland?"
"Ich bin 1903 geboren in Dublin, als es noch zum Königreich Großbritannien gehörte. Eine schöne Stadt und heutzutage noch schöner, weil dort nicht mehr so viele Engländer rumlungern."


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William machte noch einen kleinen Schluck des dunklen Stouts, schnell stieg ihm der leicht säuerliche Alkoholgeschmack die Speiseröhre etwas hoch und im Kopfe wich die Niedergeschlagenheit des Doktors Therapiemittel der wonnigen, flüssigen Promille, die ihn innerlich ruhiger werden ließ.
"Dann bist du ein Engländer oder was?" fragte William nach.
Mickys Mine verfinsterte sich etwas, dann nahm er noch einen Schluck der das Glas zur Leere zwang.
"Bist du verrückt? Naja, technisch gesehen...ich bin mit einer Engländerin verheiratet. Ich bin Ire aus ganzem Herzen, hab damals den Osteraufstand als Kind mitbekommen, war später in den Unabhängigkeitskampf verwickelt und Laufbursche für Michael Collins. Als wir unseren Freistaat hatten, gab es weiterhin Bürgerkrieg und einige Organisationen führten den Kampf um den Nordteil der Insel fort. Ich bin in die neuaufgestellte irische Armee gegangen, hab dort Karriere gemacht aber wegen meiner Vergangenheit und der Ehe mit meiner englischen Frau gab es immer Argwohn seitens der Menschen."


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William Byron trank nun ebenfalls das Glas aus, nachdem Micky sich bereits ein neues holte und weitererzählte:
"Von der einen Seite wurde ich später beschuldigt an Michael Collins Spezialeinsätzen teilgenommen zu haben, in denen es darum ging, Symphatisanten und britische Spione unschädlich zu machen. Aus der anderen Ecke wurde mir misstraut weil ich eine englische Protestantin geehelicht habe. Letztendlichst habe ich den Dienst bei der Armee quittiert nachdem meine Familie drüben bedroht wurde und ich bin dann tatsächlich nach England gegangen. Unfassbar, was? So hat es mir mein schizophrenes Land gedankt."
"Das tut mir leid zu hören, Micky. Wie steht eigentlich Irland im Kampf da?"
"Machst du Witze? Wir sind zwar offiziell ein Dominion, doch der irische Freistaat setzt alles daran neutral zu bleiben. Viele hoffen die Deutschen geben den Briten mal eins richtig auf die Mütze. Der Osteraufstand 1916 wurde finanziell ja vom Deutschen Reich unterstützt."


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Dann erzählte Micky O'Connor wie seine Frau aufgrund der Verdunkelungsanweisung einen tödlichen Verkehrsunfall hatte vor ein paar Monaten und auf die Frage von William Byron hin was es mit der Kopfverwundung auf sich hatte, sagte Micky lediglich:
"Querschläger eines ME110er Tiefflugangriff, aber nur ein Streifschuß."
"Entschuldigung wenn ich nicht so viel von mir erzählen kann, ich habe alles vergessen, nur Ahnungen. Was willst du machen, zurück nach Irland gehen?" sprach der rausgeschlichene Patient Byron etwas beschwipst, dem Bier entwöhnt.
"Nach Eiré zurück? Nein! Und hier bleibe ich mit Sicherheit auch nicht. Die Behörden wollen mich hier einziehen, weil ich hier lebe und früher Soldat war. Aber nicht mit mir. Ich habe in meiner Vergangenheit genug Kämpfe ausgefochten und für die Engländer kämpfe ich sicher nicht." antwortete der Ire unter Schiebermütze und Kopfverband entschlossen.

So saßen beide noch ein oder drei Stunden im prall gefüllten Pub, sprachen von nun an nur noch über allgemeingültige Dinge, unterhielten sich über Musik und erwähnten nach einer weiteren Runde Stouts keine Toten und keinen Krieg mehr. Später, als sich Ned's Pub zur späten Stunde etwas lichtete, brachen sie Arm in Arm zusammen auf, zurück in das Krankenhaus.
William Byron kannte den Mann nicht, doch war er froh jemanden getroffen zu haben mit dem er eine, so schien es im Moment, vertraute Bindung aufbauen konnte und die Art des Iren war vielleicht genau das, was ein unter Amnesie leidender Mann gebrauchen konnte, so ein unter Alkohol aufkommender Gedanke.

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Re: [HOI3 AAR] Three Lions & no Lord Byron

Beitragvon Löschzement » 29. September 2012 12:34

Kapitel 4 - Auf der Insel wird es eng


Wenige Stunden später, am nächsten Morgen, weckte Schwester Beth das Krankenzimmer, wunderte sich über das offengelassene Fenster, schloß es rasch und schob dann von draußen einen Wagen mit Frühstück für alle herein. Als jeder sein Tablet mit Schinken und gebratenen Eiern vor sich liegen hatte, moserte der ältere Mann mit der Lesevorliebe von gestern rum:
"Schwester, wo ist meine Zeitung? Sie wissen doch, ich brauche meine Zeitung."
Professionell wie Schwester Beth aber, ohne ihre Liebenswürdigkeit und Engagement dabei zu verlieren, war, antwortete sie morgenfrisch:
"Kommt natürlich sofort, einen Augenblick bitte." stoppte beim herausgehen aus dem Zimmer auf Höhe von Byrons Bett, lächelte ihn an und fragte ihn: "Wie geht es Ihnen?"
William Byron, der als einer der wenigen jüngeren Männer im Raume das Problem hatte, welches alle gesunden Männer haben - das Tablet aufgrund der frühen Morgenstunde gerade auf seinem Schoße zu halten, gab noch mit Schlaf in den Augen die Antwort:
"Hervorragend, vielen Dank der Nachfrage. Und Ihnen?"
"Danke, gut. Die Morgenvisite der Doktoren verschiebt sich ein wenig." sagte Schwester Beth, ging heraus und brachte dem älteren Mann nahe des Fensters seine geforderte Zeitung.

Mister Byron verspürte ein wenig Kopfschmerzen, trank den Tee und dachte daran welche Schritte er tun würde um herauszufinden wer er war, wenn er hier baldigst raus könnte.
"Hä, hähää..." kicherte mit tiefer Stimme der Ire O'Connor, unterbrochen von Schmatzgeräuschen des hineingeschaufelten Frühstücks "...hast du gesehen wie sie dich angeschaut hat? Die Kleine steht auf dich, habe ich schon gemerkt als du noch im Koma warst, so oft sie dich gewaschen hat."
Der Patient Byron wollte etwas sinnvolles darauf antworten, doch der Mann mit der Zeitung teilte den anderen mit:
"Unfassbar, die Royal Navy hat die französische Flotte in Nordafrika angegriffen!"


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"Ach was..." stöhnte ein erwundeter Zimmergenosse.
"Doch, seht selbst!" rechtfertigte sich der ältere Mann und hielt dabei die Zeitung hoch, so daß die immerhin außergewöhnlichen Schlagzeilen für jedermann sichtbar wurden.
Micky O'Connor schlürfte seinen schwarzen Tee aus, beinahe schaffte er es gleichzeitig dabei zu sprechen:
"Wäre ja mal was neues, das die britische Armee nicht auf alles schießt, was ihnen nicht passt."
Der Mann mit der Zeitung in der Hand schaute rüber zu Micky, musterte ihn kurz und erzählte dann:
"Waren Sie im großen Krieg? Haben Sie an der Somme gedient, oder in Galipoli? Nein? Dann können Sie auch gar nicht wissen was im Krieg alles notwendig sein kann."
Es wurde kurz still im Raum, keiner bewegte sich, schlagartig war eine gewisse Spannung in der Luft, denn auch wenn anzunehmenderweise es erahnbar war, aufgrund Mickys Akzent was er früher vielleicht gemacht haben könnte, so dachte Mister Byron nicht im entferntesten daran, daß der Ire jemanden anderem hier im Zimmer außer ihm selbst die Offenheit im Gespräch entgegenbrachte, wie des gestrigen Abends in Ned's Pub.
Gespannt beobachtete William Byron den kopfverwundeten Mann gegenüber im Bette. Der allerdings blieb gelassen, schlürfte weiter den Tee, erwiderte danach:
"Ich war Gott sei Dank zu jung für die schrecklichen Schlachtfelder in Frankreich. Ich habe meinem Land in einer anderen Art von Krieg gedient, daher weiß ich sehr wohl was alles passieren kann. Blutig war es allemal auch, und so wie ich Respekt vor ihrer Generation besitze, für das was sie durchgemacht haben, erwarte ich selbigen von Ihnen."
"Ist ja schon gut, ihr Streithammel. Komm George, erzähl weiter! Was steht da noch in der Zeitung?" stöhnte ein anderer Zimmergenosse.

George las vor:
"Das Parlament des Vereinigten Königreiches und der Rat des Commonwealth haben wegen der bedrohlichen Lage auf dem Kontinent und der fortwährenden Agression der Deutschen einvernehmlich beschlossen, weitere Truppen vom Dominion Kanada anzufordern. Vorbereitungen werden getroffen und diese 3 Divisionen, anders als die schon auf unserer Insel befindlichen kanadischen, neuseeländischen, belgischen sowie freifranzösischen Truppen, gänzlich in die britische Armee eingegliedert und nicht als Expeditionstruppe.
Somit wird es eng auf unserer heimatlichen Insel, die nach der Aufstellung der "Home Guards" nun auch alliierte und weitere Truppen des Empire beherbergt. In den Häfen unserer Küsten fanden sich belgische, französische und polnische Marineeinheiten zusammen, während die Royal Air Force bemüht ist mit allen Kräften die Luftherrschaft zu bewahren. Die britische Insel ist im Moment ein Bollwerk, strotzt vor Waffen und rachsüchtigen Männern aus allen überfallenen Ländern.



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Die Republik Spanien steht seit wenigen Tagen gegen Deutschland im Kampf, eine kleine Expeditionstruppe sichert Narvik nach der Kriegserklärung der Nazis an das unbescholtene, skandinavische Land. Schweden neigt außenpolitisch immer mehr zur Seite Deutschlands und hat massiv in den letzten Jahren aufgerüstet.
Alle Menschen im Empire, von Neuseeland über Südafrika, Indien bis Kanada und auch hier in Großbritannien, fragen sich wann unsere Regierung endlich mit voller Kraft gegen den Faschismus vorgeht. Selbstverständlich haben die Blitzsiege der Nazis für Aufsehen und ein Aufhorchen gesorgt, die deutsche Wehrmacht ist zahlenmäßig und technisch, sowie auf taktischer Ebene sehr stark und hat der bis dato stärksten Armee der Welt, der französischen, klar den Rang abgelaufen.
Unsere Regierung hat sich leider nicht gerade mit Ruhm bekleckert als vor 2 Jahren die britische Armee aus Nordfrankreich heim verlegt wurde. Frankreich focht alleine und wenn der britische Löwe nicht bald etwas Tatenkraft zeigt, wird das Ansehen des Empires auf lange Zeit beschädigt und die Gefahr vergrößert, daß das Empire tatsächlich untergehen könnte.
Einmal jedoch muß sich der britische Löwe mit den Hunnen von drüben messen.
Es bleibt abzuwarten wie die angesagte Diskussion im Parlament verläuft und wie die abgeordneten abstimmen!
"


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(OFF:
Zur Abgeordnetenabstimmung über das weitere Vorgehen des Empires, geht es hier :strategie_zone_78: )



Nachgereichte BBC-Meldung am Nachmittag des 04. August 1940:
Das faschistische Königreich Italien hob seine bisherige, neutrale Haltung gegenüber dem Empire auf und erklärte Großbritannien und somit dem Commonwealth und allen Alliierten den Krieg.

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Re: [HOI3 AAR] "Three Lions & no Lord Byron"

Beitragvon Löschzement » 2. Oktober 2012 15:30

In der folgenden Woche kam Mister Byron durch die fürsorgliche Pflege Schwester Beths mehr und mehr zu Kräften. Tägliche warme Mahlzeiten, zunehmend unflüssig und ein wenig Bewegung, gestützt durch Krankenschwestern auf den Gängen des Hospitals, sowie im Innenhof, ließ seinen Kreislauf und Stoffwechsel wieder anspringen. Die Blässe wich allmählich einer gesünderen Farbe und jeden einzelnen Tag nahm der Traumapatient an den Therapiestunden des eifrigen Doktor Bennet teil.
Jedesmal sollte er dort dieses spezielle Mittel bitteren Geschmacks einnehmen, um, so die Worte des klug und erfahren erscheinenden Spezialisten, emphatischer sowie offener zu werden, was einen Zugang zu verschütteten wie verdrängten Erinnerungen erleichtern müßte.

Jede Nacht, schlichen O'Connor und Byron durch das Fenster hinaus um in Ned's Pub zu gelangen, "...damit du nicht auf dumme Gedanken kommst!" wie der Ire meinte, denn in der Tat, nach des Doktors Therapiestunden fühlte sich Mister Byron jedesmal niedergeschlagen und kalt, sobald dieses glücksgefühlbringende Mittel nach wenigen Stunden nachließ.
Sie tranken dort nicht viel, ein oder zwei Stouts, knabberten Erdnüsse oder halbtrockenes Brot aus servieteneingelegten, kleinen Körbchen, lauschten den Gesängen die von jungen Männern in Uniform abwechselnd angestimmt wurden. Sie riefen "Zugabe!" wenn einer der Gäste plötzlich eine Mundharmonika hervorzauberte und das begeisterte Publikum mehr hören wollte.
London wurde jede Nacht von der deutschen Luftwaffe bombardiert, manchmal krachte es in unmittelbarer Umgebung, der Putz fiel von der Decke und wenn der Bombeneinschlag in der Nähe war, fiel auch schon einmal ein gefülltes Glas vom Tische, was für den Betroffenen in jenem Moment weit schwerer wog.
Aber während draußen in der abgedunkelten Stadt die Sirenen heulten und Flakgeschütze ihre Botschaft in die Nacht sendeten, rannte nie einer aus Ned's Pub in den, laut Stadtverordnung, mit Planken verstärkten und Sandsäcken eingerichteten Keller. Nicht zuletzt, weil der Barmann dort unten seine Fässer lagerte und einen abgesägten Billardkö immer griffbereit hatte.

Die Mädchen dort im bierdunstigen, lauten Pub, waren offen und blinzelten gerne den jungen Burschen zu, meist waren es Krankenschwestern oder Luftwaffenhelferinnen, die hier in London ihren freiwilligen Dienst taten, fern von Standesdünkel und Elternheim, als die meisten londoner Mädchen aufgrund der Nachtangriffe versuchten bei Verwandtschaft im Norden oder sonstwo unterzukommen.
Mister Byron war, trotz seiner geraden schwächlichen Erscheinung, Empfänger von interessierten Blicken doch hatte er nicht das Gefühl sie jetzt erwidern zu können. Denn auch wenn er hier mit dem feierlustigen, leicht draufgängerischen und mit jeder Faser seines Körpers auf Unabhängigkeit pochenden Iren sich des nächtens einfand, so betrübt war sein inneres.
Alpträume von Feuer und Schreien plagten seit kurzem den aus dem Koma erwachten Seemann Byron. Außerdem hatte er Gefallen an Schwester Beth gefunden, die ihn täglich nach des Doktors Räumen brachte. Zu gern stützte er sich an die hübsche, dunkelhaarige junge Frau im blau-weißen Schwesterngewand und atmete ihren Duft ein. Ein wenig Zitronenwasser war immer dabei. Mister Byron genoß die wenigen Augenblicke in denen Schwester Beth ihn durch die langen Gänge des Krankenhauses zu Doktor Bennet brachte.


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Am Tage der achten Sitzung, Doktor Bennet und der unter Einfluß dieses seltsamen Mittels stehende Mister Byron unterhielten sich über alltägliche Dinge, kamen ihm plötzlich, ganz entgegen der vorangegangenen Therapiestunden, Erinnerungsstücke in das Gedächtnis.
Er wußte, daß er keinen Vater mehr hatte. Im Laufe des Gespräches erlaubte es Mister Byrons Unterbewußtsein noch preiszugeben, das sein Vater Offizier bei der Royal Navy und in der vernichtenden Schlacht im Skagerrack 1916 mit dem Schlachtkreuzer HMS Invincible untergegangen war. Dann kamen ihm Bilder seiner zwei Brüder in den Kopf, er sah deutlich ihre Gesichter, deren Namen ihm aber nicht einfielen. Dann seine heulende Mutter, wie sie am Küchentisch schluchzend zusammenbrach.
Es fiel ihm wieder ein, daß er als ältester Bruder später, als die Familie aufgrund des Wegfalles des Offizierseinkommens des gefallenen Vaters schon längst gesellschaftlich abgestiegen, er damals für ein Auskommen verantwortlich war und zur See fuhr. Zur anfangs verhassten See.
Dann brach Doktor Bennet die Sitzung ab, nachdem er erkannte, wie gefährlich nahe diese zurückgekommene Erinnerung an dem Schicksal des Patienten durch Gemeinsamkeit selber war. Auch deutete der Doktor diesmal die auftretenden Schweißperlen auf William Byrons Stirn richtig.

Verwirrt und in bedrückter Stimmung saß Mister Byron auf seinem Krankenbett. Draußen schien hell die Sonne. Rasch bemerkte O'Connor die Gemütslage seines unter seine Fittiche genommenen Zimmergenossen:
"Was ist los? Hat dir der Doktor heute zu viel des Zeugs gegeben? Keine Sorge, du weißt ja wo es heute Abend hingeht." lachte Micky leise vor sich her.
Der Patient Byron wollte schon etwas unschönes zu dem Iren sagen, da kam George, der ältere Mann mit Bett nahe am Fenster, in das Zimmer, mit großen Schritten und Zeitung unter dem Arm.
"Warum schaust du so grimmig?" fragte William und wollte sogleich damit von der Frage von Micky ablenken.
George stieg ins Bett, zupfte sich seinen Schnauzer und las noch einmal vertieft in der Zeitung.
Alle im Zimmer schauten zu dem ansonsten so ruhigen Mann, der nach eigenen Angaben in Galipoli und später an der Somme gekämpft hatte, damals im großen Krieg, der eigentlich alle Kriege hätte beenden sollen. Mehr war aber aus George nicht herauszubringen. Jedesmal wenn es um Fragen bezüglich des Weltkriegs ging, dann machte George zu, schaute zum Fenster hinaus und schwieg.

"Hier, das ist los. Ich lese mal vor:
Während unsere Regierung noch über die Strategie Großbritanniens unschlüssig und diesbezüglich noch keine offizielle Pressemitteilung des High Command uns zugegangen ist, fragen sich alle Bürger unserer großartigen Nation, wie lange wir noch großartig dem Treiben in Europa und Nordafrika zusehen wollen.
Aus zuverlässiger, dem britischen Parlament nahe stehender Quelle die hier nicht weiter genannt werden darf, wissen wir, daß intern noch keine Strategierichtung beschlossen wurde. Unser Premierminister, Stanley Baldwin äußerste sich zu den Vorwürfen, die ihm mittlerweile auch öffentlich seitens der Bevölkerung entgegen wehen, noch nicht. Bisher sind Durchhalte- und Positionen-halten-Äußerungen das einzige was man von offiziellen Stellen hört.
Unterdessen die Gemüter sich noch die Köpfe, ob und wie wann gehandelt werden müßte, zerbrechen, zerbricht sich der Oberbefehlshaber der 8. Armee, General Anderson K.A.N. in Ägypten nur darüber den Kopf wie er die seit einer Woche anmarschierenden Italiener ohne Verstärkungen aufhalten wird.
Zwar hat sich das 4. Korps an der Landenge zwischen Gebirge und Meer an einem kleinen Ort namens El Alamein eingegraben, doch wird allgemein vermutet, daß die von Aufklärungseinheiten gesichteten italienischen Truppen nur die Vorhut der aus Lybien marschierenden Armee sind. So oder so, die Männer sind tapfer und werden den Vormarsch der Italiener nach Kairo verzögern, wenn nicht gleich stoppen.
Doch für wie lange?
Selbst die 127.000 französischen Soldaten die sich auf unserer Insel befinden, fragen sich langsam wo und wann sie endlich eingesetzt werden.
"


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Re: [HOI3 AAR] "Three Lions & no Lord Byron"

Beitragvon Löschzement » 5. Oktober 2012 14:07

Kapitel 5 - Verschiffungen


Mitte August wurde es zunehmend heißer und am heutigen Tag, der 22. empfindet man die trockene sowie luftraubende Hitze in einer Stadt wie London besonders lästig. Zudem gesellten sich immer häufiger Kopfschmerzen zu Mister Byron, die in ihrem stechenden Wesen der weiteren Erinnerungsfindung hinderlich waren. O'Connor meinte es läge an diesem verabreichten Mittel, der Doktor meinte es wäre Migräne und verabreichte ihm noch ein Medikament.
William Byron machte in der folgenden Woche seit der Erinnerung mit seinem Vater keine Fortschritte mehr und war mit dem irischen Zimmergenossen nur noch jeden zweiten Tag in Ned's Pub. Langsam aber sicher konnte Mister Byron die Untätigkeit nicht mehr ertragen, besonders nachdem ihm nichts mehr aus seiner Vergangenheit in den Sinn kommen wollte.

Schwester Beth und William Byron fingen an sich angeregter und privater zu unterhalten, immer wenn ihnen auf dem Weg vom Krankenzimmer zu Doktor Bennets Behandlungsraum, etwas Zweisamkeit vergönnt war. Doch schon bald wurde angeordnet der Patient Byron sei genug zu Kräften gekommen und könne in Zukunft allein den Weg gehen, die Krankenschwester würde auch noch wo anders gebraucht.
Micky O'Connors Kopfverletzung heilte gänzlich aus während dieser Zeit, aber ein stolzer Ire wie er nun war, zog er sich den Faden der Naht unter tränenden Augen lieber selber, anstatt seinen Kopf in englische Hände zu legen, selbst wenn es Arzthände waren. Morgen würde er entlassen werden, damit er eingezogen werden könnte und auch George, der Zeitungsliebhaber und Weltkriegsfanatiker war gesund geworden.

Heute, als George wieder durch die Türe schritt und sich seine Zeitung unterm Arm klemmend aufs Bett setzte fragte Mister Byron was er denn ab morgen machen würde.
"Ich denke, ich fahre nach Hause, bringe mein Cottage in Ordnung, kümmere mich um den Garten und melde mich dann freiwillig für Spanien." antwortete George ruhig und schaute in einer für ihn so typischen, versunkenen Denkerpose zum Fenster hinaus.
"Ach was George! Du bist doch Verwaltungsangstellter bei dir im Rathaus. Warum zur Hölle willst du nach Spanien?" fragte Micky.
George antwortete nicht. Ein neuer Zimmergenosse drängte ihn zur Antwort, doch George ließ sich Zeit und es war so, als wolle er die Frage nicht beantworten, denn täte er dies, so müsste es seinem Charakter nach eine ehrliche Antwort sein, doch er scheute sich diese preiszugeben, schwieg noch einen Moment durchs Fenster hinausschauend und nach innerlichen Ringen holte er tief Luft und erklärte sein Vorhaben:

"Diejenigen die das damals nicht erlebt haben, können es niemals verstehen. Und die wenigen die es überlebt haben, sind von den Schlachtfeldern in Frankreich nie zurückgekehrt. Es ist so, als würden die Toten uns rufen, uns anklagen warum wir und nicht sie diese Hölle von Trommelfeuer und Schlamm überlebt haben. Und ihr Ruf ließ uns nicht ins Leben zurückkehren. Da sind Bande geschmiedet worden und entstanden, die zu Hause bei noch so gutem Willen zum Verständnis, den Leuten unverständlich blieben. Wir haben unsere Pflicht als junge Männer getan, haben geblutet und gelitten. Zu Hause waren wir dann auf den Straßen unwillkommene Kriegszitterer, Verstümmelte die nicht in die Gesellschaft passen und wenn äußerlich alles heil geblieben war, so brach es bei vermeintlich gesunden Männern Jahre später aus ihnen heraus. Unfähig Quittungen auszustellen oder die Milch im Geschäft zu kaufen. Wenn ein Automobil vorbei raste und der Motor knallte, schmissen sie sich hin und wurden von feinen Damen mit seltsamen Hüten verlacht.
Wenn ich auf der Straße ging, dann konnte ich schon von weitem sehen, wer im großen Krieg im Schlamm oder in feinen Leinentüchern geschlafen hat.
Bei Gott, viele von uns haben es nicht mehr ausgehalten, sie überlebten den Krieg und wurden vom Frieden tiefer in den Boden gestoßen als uns je ein feindlicher Artillerieschlag zu Boden zwang. 1928 wollte ich mich erschiessen, ich hielt es nicht mehr aus, Nacht für Nacht, aber meine toten Kameraden in meinen Träumen verboten es mir. Ja, ich hatte die Pflicht zu leben. Und ich lebte, mehr schlecht als recht. Und jetzt, unser Land erneut am großen Schlachten beteiligt, hat mein Leben wieder einen Sinn bekommen. Ich habe es erkannt, seit dem ich hier im Krankenhaus bin und all die Verletzten gesehen habe.
Ich kann meine Schuld begleichen, zur Truppe gehen und den jungen Burschen Beistand geben. Sie sind zwar gut ausgebildet, wie wir damals, doch sie können sich nicht vorstellen was auf sie zukommt. Es war auch damals schon immer so, daß in den hitzigsten Gefechten und übelsten Stunden in denen das Metall nur so durch die Luft schnellte, ich immer meine toten Kameraden um mich herum spüren, ja beinahe schon sehen konnte."
George schwieg, holte aus seiner Bettkommode ein Photo heraus und ließ es herumgehen:
"Da ganz rechts bin ich. Die anderen waren Freunde die es nicht geschafft haben."

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Re: [HOI3 AAR] "Three Lions & no Lord Byron"

Beitragvon Löschzement » 5. Oktober 2012 15:50

"Wenn du das so erzählst, dann bestärkt mich das nur in meinem Entschluß." gab Micky von sich.
"Welchen Entschluß?" wollte William wissen.
"Das sage ich dir heute Abend bei einem kühlen Stout, in Ordnung?"
Mister Byron nickte und hatte diesbezüglich so eine Vorahnung. Dann bat er den wieder still gewordenen George um die Zeitung, Informationen aller Art, selbst die von schlechter Natur, waren ihm hier mehr oder weniger eingesperrt im Krankenhaus, gerne willkommen.
Schon auf der Titelseite wurde die missliche Lage der britischen Inseln in um Leser buhlender Manier angepriesen, die der Artikel via Inhalt unterstrich:

"Nachdem sich am vor ein paar Tagen das Ober- und Unterhaus nach langen Diskussionen und etlichen, verschiedensten Argumenten auf eine richtungsweisende Strategie als Reaktion des deutschen Angriffs auf Spanien, somit mittelbar auf Gibraltar, einigen konnte, setzte das High Command eine französische und zwei belgische Divisionen in Marsch, wie heute bekannt wurde.


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Diese Einheiten, allesamt leichte Infanteriedivisionen, darunter die belgische Garde, bilden mit dem Gibraltarregiment und der 100. Infanterie-Garnisionsdivision aus der königlich britischen Armee vor Ort das 'Expeditionschor Spanien'.
Dessen verantwortungsvolle Aufgabe wird es sein, die Gegend um den Felsen Gibraltar zu sichern und einen Verteidigungsring um das britische Gebiet zu ziehen, damit das Nadelöhr der wichtigsten Seehandelslebensader des Empires auch weiterhin in unserer Hand bleibt.



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Gleich wenn die strategischen unverzichtbaren Punkte auf dem Erdball, etwa der gibraltarische Felsen, Suez und Singapur in unserem Besitz verbleiben, so sprechen wir hier doch nur von Punkten von denen die Handelswege nicht gänzlich abgedeckt geschützt werden können.
Besonders die Handelsmarine verlor viele Fracht- und bewaffnete Trailerschiffe. Allein in den letzten zehn Tagen 20 Handelsflottillen und 5 Eskortflottillen, sprich mehr als 100 Frachter, weswegen sich die Marineleitung dazu veranlaßt sah, Rohstoffkonvois beinahe gänzlich einzustellen, damit den Seewölfen, wie die deutschen U-Boote genannt werden, nur noch ausgedünnte Gewässer angeboten werden.
Die Royal Navy versucht zwar gegnerische Unterseeboote zu versenken, doch können die Zerstörersquadrons aufgrund schwerer deutscher Überwassereinheiten in den französischen Häfen nur bedingt im Ärmelkanal und vor Westfrankreich operieren.

Einen direkten Angriff auf die Royal Navy startete die Luftwaffe. Seit mehreren Tagen fliegt sie vermehrt Einsätze im Kanal und griff sogar den mit unseren Schiffen gefüllten Hafen Dover an. Die Royal Air Force löschte in diesem Abwehreinsatz beinahe ein ganzes deutsches Marinebombergeschwader aus.
Ohne nennenswerte Luftraumdeckung müssen unsere Truppen in Ägypten auskommen. Die Italiener sind bis auf 30km vor den Stellungen der 8th Army in Angriffsposition gegangen, warten aber anscheinend noch auf weitere Unterstützung bevor sie eine Aktion wagen.

Das Kabinettsmitglied Winston Churchill, Sohn einer Amerikanerin, verurteilte in einer seiner Parlamentsreden den Premierminister Stanley Baldwin dafür, daß dieser die diplomatischen Mittel die USA auf unserer Seite zum Kriegseintritt zu bewegen, nicht ausreize.
Die industriellen Kapazitäten und Rohstoffe dieses großen Landes könnten das Ringen zwischen dem Empire und der Achse rasch zu unseren Gunsten verschieben.

Der König und der Premierminister neben vielen Abgeordneten von Labour und Torri auch, lehnten dies bisher kategorisch ab. Als Begründung hierfür wird der britische Nationalstolz genannt, sowie das Ansehen des Empires. Beides wichtige Güter unserer Werte, durch die Jahrhunderte gewahrt und teuer erkauft. Die wahren Gründe aber für die ablehnende Haltung gegenüber der USA, sind laut Kritiker folgende:
Man möchte einer agressiv expandierenden Wirtschaftsmacht den Platz nicht in Asien und schon gleich nicht in Europa frei machen. Nach mehrheitlicher Meinung reiche schon das gegensätzlich, politische Extrem im Osten Europas als Bedrohung völlig aus. Konservative Hardliner sagen voraus, die USA würde mit Großbritannien das gleiche machen, wie sie es mit der einstigen Weltmacht Spanien vor ein paar Jahrzehnten taten.
Heute liegt Spaniens Gloria nicht mehr auf Kuba oder den Phillipinen, sondern im armen Westsahara.

Der Chefsekretär der parlamentarischen Pressestelle, Lord Granit, erklärte es so:
"Die Flottenverhandlungen aus dem Jahre 1927 führten zu einer Verschärfung der Beziehungen der beiden Länder die nachhaltig wirkt und sich durch die zufällige Entdeckung amerikanischer Kriegsvorbereitungen gegen unser Dominion Kanada im März 1935 auch nicht besserte.
Die wahllose Handelspolitik der USA könnte gemeinhin auch als Feindseligkeit gegenüber uns gedeutet werden."


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Währen die politische Führung unseres Landes in Schockstarre und verwirrt anmutet, haben viele Menschen aus Südengland damit begonnen ihre Kinder und Liebsten in den Norden zu schicken, um sie vor einer möglichen deutschen Invasion zu schützen.
"


Mister Byron legte die Zeitung mit den Gedanken weg, die ganze Welt sei verrückt geworden und in Blutrausch verfallen. Gleich würde er wieder zu Doktor Bennets behäbiger Therapiestunde gehen, mysteriöse, bewußtseinsverändernde Mittel einnehmen und dann doch nichts über seine Vergangenheit, über seine Person erfahren. Dabei brannte in ihm nichts glühender als der Wunsch nach seiner Identität, beinahe egal, wie diese aussah.
Und während draußen in der Welt die Hölle los war, lag er hier im Krankenhaus und bekam schon Rückenschmerzen vom vielen Liegen. Er mußte hier raus, hier würde er wohl nichts mehr erfahren, denn wer physisch rastet, rostet auch im Geiste.