[HoI III TFH AAR] Das Blatt hat sich gewendet

AARs zum Zeitpunkte der beiden Weltkriege

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Taras
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Sommeroffensive

Beitragvon Taras » 21. Dezember 2015 09:41

Die Heeresgruppe Süd, hatte Ende April 43 die rettende Dnjepr Linie erreicht. Gedeckt von den gepanzerten Kräften, denen die Kettenfahrzeuge auch während der Rasputiza – der Zeit der Weglosigkeit – Mobilität erlaubten, strömten die Divisionen durch die Nadelöhre von Dnjeprpetrowsk und Saporoschje um sich am anderen Ufer wieder über die Front zu verteilen und einzugraben. Endlich Ruhe, endlich Halt! Seit Jahresbeginn waren die Truppen in ununterbrochene Kämpfe verwickelt und standen oft genug am Rande des Unterganges. Der breite Dnjepr Strom mit seinen steilen Ufern versprach nun endlich eine stabile Front.

Generalfeldmarschall Erich von Manstein war im Mai 43 in die Lage versetzt worden, von der gesamten Ostfront Kräfte heranzuziehen. Truppen fehlten überall. Regimenter mussten oft Divisionsabschnitte decken und jeder Armeekommandeur war froh, wenn er sich eine mobile Reserve schaffen konnte um Durchbrüche zu verhindern. Aber Manstein forderte ausschließlich Panzer an. Jede Heeresgruppe musste – soweit es irgend möglich war – Panzereinheiten nach Süden abgeben.
Aus den zugeteilten Truppen bildete Manstein gepanzerte Großverbände. Er kehrte auch wieder zu der Bezeichnung aus dem Jahre 41 zurück, indem er zwei Panzergruppen formierte. Jede Panzergruppe bestand durchweg aus motorisierten und an der Spitze aus gepanzerten Einheiten. Eine Panzergruppe bildete eine operativ selbständige Einheit, die strukturmäßig zwischen den üblichen Armeekorps und den Armeen stand. Beide Panzergruppen verfügten über je 5 Panzerdivisionen die ihrerseits im Regelfall jeweils aus einem Panzerregiment und zwei Panzergrenadierregimentern bestand.

Seit die Luftwaffe die Luftherrschaft über dem Reich zurückgewonnen hatte, war die Industrieproduktion von 231 wieder auf 355 Einheiten gestiegen. Produktionskapazitäten wurden wieder hergestellt und Ressourcen, die bisher für die ständige Abwehr und Reparatur des Luftterrors belegt waren, wurden nun wieder frei verfügbar. Damit war die deutsche Industrie in der Lage, wenigstens Mansteins Panzerregimenter durchgängig mit dem Panzer IV mit der ‚Kanone lang auszurüsten‘. Die Panzergrenadiere mussten vielfach weiter mit Panzer III und teilweise sogar noch mit dem Panzer II operieren.
Für die 7,5 cm Kanone stand ein breites Spektrum an Munition zur Verfügung. Die Gefechtserfahrung hatte jedoch gezeigt, dass nur noch die Kanone mit 43 Kaliberlängen, den T-34 Rudeln Herr werden konnten. Die kurze 7,5 cm Stummel Kanone konnte zwar absolut tödliche Hohlladungsmunition verschießen, jedoch nur auf Entfernungen, auf denen der Panzer IV seinerseits durch die russischen T-34 oder durch die zahlreichen englischen Lend-Lease Valentine vernichtet werden konnten.
Die im Panzer IV verbaute Kampfwagenkanone 40 - 7,5 cm / 43L (Länge 3,23 m) erreichte ein Mündungsgeschwindigkeit von 740 m/s. Zur Panzerbekämpfung hatten sich Wuchtgeschosse mit einem Hartmetallkern als am effektivsten herausgestellt. Das für den Kern notwendige Wolfram musste importiert werden und wurde daher immer knapper, so dass man zu gehärteten Stahlkernen übergehen musste. Die vernichtende Wirkung wurde also nicht durch Sprengkraft erzielt sondern dadurch dass möglichst viel kinetische Energie auf die generische Panzerung entladen wurde.

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Um die Panzerdivisionen führen zu können, strukturierte Manstein seine 1. Panzerarmee komplett um. Als neuen Kommandeur konnte er Generalfeldmarschall Erwin Rommel gewinnen. Trotzdem Rommel ranggleich zu Manstein war, machte es ihm nichts aus, in untergeordneter Position zu dienen. Dafür konnte er Deutschlands mächtigsten Kampfverband befehligen. Die Panzergruppe II übernahm Generaloberst Hoth und für die Führung der Panzergruppe I drängelte sich der Inspekteur der Panzertruppe Generaloberst Heinz Guderian geradezu auf. Gern nahm Manstein das Angebot des Vordenkers des Panzerkrieges an.

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Für den lohnenden Einsatz der Panzerarmee musste man kein überragender Stratege sein. Der Blick auf die Karte verlangte außerordentlich dazu, mit einem raschen Stoß aus dem Raum Saporoschje nach Süden, die vorragende russische Gruppierung abzuschneiden.

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Im Mai 43 waren die Russen in das Gebiet zwischen Dnjepr und Asowschen Meer eingerückt. Einerseits suchten sie nach einer Schwachstelle, an welcher der Dnjeprübergang erzwungen werden konnte. Andererseits winkte die Einnahme der Krim als lohnendes Ziel. Von hier aus hätten russische Bomber Zugriff auf die rumänische Ölindustrie und damit auf den Lebensnerv der Deutschen.

In den Morgenstunden des 4. Juni brach der Angriff über die Russen herrein. Manstein war es gelungen räumlich und zeitlich eine erhebliche Überlegenheit herzustellen. Den Divisionen der Panzergruppe I gelang es überraschend schnell die russische Verteidigung zu überwinden und nach Südosten in Richtung Nowoasowsk vorzustoßen.

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Zwei Tage später brach der Angriff der Panzergruppe II in Richtung Mariupol los. Durch den gestaffelten Angriff war ein ausweichen des Gegners in die Tiefe des Raumes nicht möglich. Drei Tage später war die gesamte sowjetische Armeegruppierung durch einen doppelten gepanzerten Bogen abgeschnitten.

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Mansteins Ziel war es nicht Land einzunehmen daher musste der genommene Raum auch nicht gedeckt werden. Sein Ziel war allein die Vernichtung der russischen Wehrkraft. Ohne sich um die Rückendeckung zu kümmern, drangen die Panzerdivisionen Richtung Perekop vor. Die russischen Verbände außerhalb des Kessels waren nicht in der Lage durch energisches Nachstoßen die Vernichtung ihres Südflügels zu verhindern. Am 28. Juni endeten die Kämpfe mit einem überragenden deutschen Erfolg.
Innerhalb von vier Wochen waren teils auf dem Rückzug, teils in der Endschlacht 38 sowjetische Divisionen untergegangen. Darunter waren 4 Gardeschützendivisionen und 3 Panzerdivisionen mit immerhin 9 Panzerregimentern. Die Rote Armee verlor über 342.000 Mann an Toten und Gefangenen.

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Nach Abschluss der Kämpfe befahl Manstein die Rücknahme der Panzerdivisionen über den Dnjepr. Nun waren wieder die Politiker gefragt. Jetzt musste erneut ausgelotet werden, ob Stalin bereit war diesen Preis für die Fortsetzung des Krieges zu zahlen.

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Re: [HoI III TFH AAR] Das Blatt hat sich gewendet

Beitragvon Taras » 22. Dezember 2015 13:30

Anfang Juni 43 war der Großteil der Abteilung Abwehr der Heeresgruppe Mitte nach Süden abgeordnet worden. Die Aufklärung der Heergruppe Süd war mit den zu zehntausenden in Gefangenschaft geratenen sowjetischen Soldaten völlig überfordert.
Im Gefolge der 7. Panzerdivision stand Hauptmann von Stargard am 21. Juni in der brettebenen Steppe unweit von Melitopol. In den Morgenstunden hatte die 7. Panzerdivision eine russische Wagenkolonne überrollt und war ohne Halt weiter nach Westen vorgestoßen. Die Abteilung, der Stargard zugeteilt war, sollt Gefangene einsammeln, Technik vernichten und möglichst viele Informationen über den Gegner sammeln.
In der sonnendurchglühten Ebene standen wahllos verstreut hunderte Fahrzeuge – vorwiegend amerikanischer Bauart. Etliche waren umgekippt oder zerschossen, viele qualmten noch. Zerschlagene Pferdefuhrwerke, tote Pferde, durch Explosionen verstreute Waffen und Ausrüstungsgegenstände vervollständigten das Chaos. Und dazwischen auch immer wieder gefallene Rotarmisten. Mehrere Dutzend Überlebende waren bei einem russischen Spähpanzer, der in den Straßengraben gekippt war, zusammengetrieben worden. Völlig apathisch erwarteten sie ihr weiteres Schicksal. Zu ihrer Bewachung war lediglich ein alter Gefreiter abgestellt. Der Krieg war weitergezogen und hatte seine apokalyptischen Spuren hinterlassen.

Stargard und seine Unteroffiziere kamen hinzu, wie einige Soldaten der Panzernachrichtenabteilung 83 einen Jeep untersuchten. Es handelte sich wohl eher um eine Plünderung, denn bei einem Jeep konnte man davon ausgehen, dass es sich um das Fahrzeug eines Offiziers handelte. Die Soldaten beeilten sich dann auch, dem fremden Hauptmann hilfreich beiseite zu stehen um jeden Verdacht von sich zu weisen.
Neben dem Jeep lag ein junger russischer Leutnant hingestreckt. Zwei Einschüsse hatte er in der Brust und der Tot hatte ihn noch nicht entstellt. Der warme Wind spielte in seinen strohblonden Haaren.
„Herr Hauptmann!“ rief ein Obergefreiter der Nachrichtenabteilung. Mit der Fußspitze wies er auf den Toten. „Ich hab seine Tasche untersucht. Da sind Papiere.“
„Zeigen Sie mal her!“ Ein kurzer Blick genügte um sich darüber klar zu werden, dass hier nichts Wichtiges gefunden wurde. Ein Gefechtsbefehl, Briefe, die der Leutnant erhalten hatte und einen, den er wohl geschrieben hatte und nicht abschicken konnte. „Is nichts!“ brummte Stargard. „Nur belangloses Zeug. Wir nehmen‘s aber trotzdem mit. So lässt sich wenigstens die Einheit feststellen.“
„Sie können das lesen?“ Der Obergefreite schob sich seine Mütze staunend in den Nacken. „Lesen sie doch mal vor! Was schreibt der denn?“
Stargard überlegte kurz, ob der den fremden Soldaten zurechtweisen sollte. Aber des Trümmerfeld und der junge Tote vor ihm drückten auf seine Stimmung und so blieb er nachsichtig. Er blätterte kurz in den Briefen und Umschlägen. „Das hier war wohl Leutnant Iwanow.“ Stargard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Tatsächlich, ist ja wie im Ufa Film. Der hieß tatsächlich Iwan Iwanowitsch Iwanow.“
Die jüngeren Soldaten lachten und kamen neugierig näher. Den älteren Kameraden unter ihnen war angesichts der Toten ringsumher nicht nach Lachen zumute. Ein blutjunger Milchbubi, der sich wohl selbst seine Unerschrockenheit beweisen wollte krähte dazwischen: „Da hat sich die Mutter von dem Iwan aber nicht viel Mühe gegeben - bei der Namenswahl.“
„Ach halt doch die Klappe!“ fuhr ihn ein Kamerad an. „Heißt doch selber nur Fritz!“
Stargard schwieg und überflog die Zeilen.
„Was steht denn da?“ hakte der Obergefreite von vorhin wieder nach.
„Nichts Wichtiges. Is wohl ein Brief an seine Mutter.“
„Bitte Herr Hauptmann, sagen Sie doch, was er geschrieben hat.“
„Na schön. Also er schreibt, dass ein großer Angriff bevorsteht und dass die Faschisten – damit meint er dann wohl uns - schon bald aus dem Land geworfen werden. Er hofft, dass er ihr bald aus Berlin schreiben kann. Er verspricht ihr aus Deutschland was Schönes mitzubringen.“
Jetzt lachten die Soldaten laut heraus. „Ist das zu glauben!“
„Er verspricht gut auf sich aufzupassen und gesund und heil zu ihr zurückzukommen.“
„Na das ist ja wohl gründlich schief gegangen!“ rief von hinten jemand. Aber nach Lachen war nun keinem mehr zu Mute.
„Sie soll gut auf Janka aufpassen. Und wenn der Nachbar sie wieder schlägt, wird er an den Kolchosvorsitzenden schreiben. Achja, das ist die Kuh!“
„Kieck!“ brummte ein alter Landser in breitem Platt. „Macht sich Sorgen um de Kau. Bei mie tou Hus stehn över teen im Stall. Die muss nu meene Alde vertüddern. Mit dem polnischen Knecht.“
Die Gedanken der Männer gingen nach Haus. Wer kümmert sich um ihre Mütter und Frauen.
„Dann bittet er noch, dass seine Mutter mit Katarina Michailowna reden möchte, ob die ihm nicht schreiben könne. Seine Soldaten bekämen Briefe von ihren Mädchen zu Haus und da würde er sich freuen wenn Katja ihm schreiben würde. Sie sei ein anständiges Mädchen und aus dem gleichen Dorf, so das, wenn sich alles richtet sie sich später um die Mutter kümmern könnten.“ Jetzt wurde Stargard immer schneller. „Der Vater ist schon lange tot. Zwei Brüder sind im Krieg geblieben und die Schwester hat weit fort geheiratet. Aber seine Mutter bräuchte sich keine Sorgen machen, denn er würde sich ja um sie kümmern.“
Stargard ließ die Papiere sinken und sah sich im Kreis um. Überall betroffene Gesichter. Ein Landser warf seine Kippe weg und ging, einen stillen Fluch brummend, davon. Ein anderer flüsterte: „Die arme Sau!“.
Der Obergefreite sagte mit rauer Stimme: „Ist schon gut, dass ich kein Russisch kann.“ Dann ging auch er grußlos davon.



Im Reich konnte ab Mai 43 die Kriegswirtschaft wieder reibungslos funktionieren. Die vier Jagdgruppen, die zur Deckung des deutschen Luftraumes eingesetzt waren, hatten die unangefochtene Lufthoheit erobert. Allerdings machte es der nicht nachlassende alliierte Druck unmöglich Fliegerkräfte an die Ostfront abzugeben. So litt der Angriff der 1. Panzerarmee nicht so sehr am sowjetischen Wiederstand als vielmehr an der Luftüberlegenheit der roten Luftstreitkräfte.
Das Reichluftfahrtministerium versprach für den Sommer Abhilfe. Beginnend ab Ende Juli sollten aus neuaufgestellten Einheiten kontinuierlich Luftverteidigungsgruppen gebildet werden.

Im Mai war mit Rumänien ein umfangreicher Vertrag über die Lieferung von Rohöl geschlossen worden, so dass zusammen mit dem Ausstoß der deutschen Hydrierwerke die Treibstoffversorgung der deutschen Wehrmacht vorerst gesichert werden konnte.
Sorge machten die abnehmenden Vorräte an seltenen Materialien. Hierfür müsste so schnell wie möglich ein Ersatz gefunden werden.

Im Mai-Juni 43 gelang es der deutschen Industrie die Jagdflugzeuge weitgehend auf das erfolgreiche Muster Focke-Wulf 190 umzurüsten. Dieser Jäger war mit seiner Motorleistung, seinen Flugeigenschaften und vor allem mit seiner Bewaffnung den englischen und amerikanischen Bombern weit überlegen. Die alliierten Verluste an Maschinen und Besatzungen waren nahezu unerträglich. Bald erhielt der gefürchtete Jäger von seinen Gegnern den Namen ‚Butcher Bird‘.

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Gefechtserfahrungen und daraus folgend lange Experimentalreihen der Heeresversuchsanstalt hatten ergeben, dass die Bekämpfung gegnerischer Flugzeuge mit Maschinengewehren nicht mehr effektiv war. Es wurden Brand- und Explosionsgeschosse entwickelt. Hierfür musste zwangsläufg das Kaliber der eingesetzten Waffen größer werden. Gute Ergebnisse erzielten die 20 mm Minengeschosse. Die Wirkung der dünnwandigen Geschosse basierte nicht länger auf ihrer Durchschlagsleistung und auch nicht auf einer Splitterwirkung sondern auf dem Gasschlag des zur Explosion gebrachten Sprengstoffs. Um die Wirkung dieses Gasschlags zu erhöhen, wurde die Dicke der Geschosshülle auf ein Minimum reduziert und im Gegenzug der Sprengstoffanteil deutlich erhöht. Ferner wurden für die Geschosse Verzögerungszünder konstruiert. Diese bewirkten , dass die Geschosse nicht unmittelbar bei Kontakt mit dem Ziel explodierten, wodurch ein Großteil des Gasschlags außerhalb des Flugzeugs verpufft wäre. Stattdessen bewirke diese Zünderart eine minimale Verzögerung, was dazu führte, dass sich das Minengeschoss zum Zeitpunkt der Explosion schon teilweise innerhalb des getroffenen Flugzeugs befand. Dadurch wurden tellergroße Löcher in die Aluminiumaußenhaut eines getroffenen Flugzeugs gerissen und die Stabilität der Zelle nachhaltig beschädigt.

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Trotz der schweren Niederlage im Juni hatte das russische Oberkommando bis Mitte Juli bereits wieder eine starke Angriffsgruppierung am Nordrand des Asowschen Meeres versammelt. Auch wenn Manstein eine Falle befürchtete, ließ er seine Panzerarmee erneut vorschnellen. Er konnte unmöglich Zuwarten, bis die gegnerische Gruppierung eine kritische Stärke erreichen würde. In einer völlig identischen Operation der beiden Panzergruppen gegen Mariupol und anschließend auf die eigenen Linien bei Perekop zu, wurden vom 18. Juli bis 3. August 1943 mehr als 32 sowjetische Divisionen vernichtet. Die Rote Armee verlor auf demselben Schlachtfeld wie sechs Wochen zuvor, annähernd 288.000 Mann.

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Nord- und Mittelabschnitt

Beitragvon Taras » 27. Dezember 2015 13:37

Ab Mitte August 1943 zeichnete sich zusehends der Untergang Finnlands ab. In Nord- und Mittelfinnland mussten die hochmotivierten aber schlecht ausgerüsteten und von der Mannstärke weit unterlegenen Finnen weichen. In der Schlacht von Tali-Ihantala konnten die Finnen den Russen noch einmal hohe Verluste beibringen. Am Endergebnis des Kampfes um Ihre Heimat vermochte der Abwehrerfolg jedoch nicht zu ändern. Verbittert über den Verrat der deutschen Verbündeten sucht der 77 jährige Marschall Mannerheim – Oberkommandierende der finnischen Streitkräfte – den Freitod, in dem er sich in vorderster Linie ungedeckt auf den Grabenrand stellte und mit einem alten Karabiner auf die Russen schoss, bis er von einer MG Salve niedergestreckt wurde.
Der schwedisch stämmige und russisch sozialisierte Adlige, der selbst nur mäßig finnisch sprach, war in der schwierigen Geburt des Nationalstaates für die Finnen zu einer Vaterfigur geworden. Sein Tod war ein schwerer Schlag für den Widerstandswillen seines Volkes.

Die Mannerheim-Linie an der karelischen Landenge war durchbrochen. Die sowjetischen Divisionen drangen nach Helsinki vor. Hier entschloss sich die deutsche Luftwaffe von Riga aus zum massiven Einsatz ihrer Bombenflieger. Diese Operation geriet innerhalb weniger Tage zum Fiasko.
Die deutschen Bomberflotten mit ihren He-111 und Ju-87 Bombern waren technisch veraltet. Teilweise waren die Geschwader noch mit Dornier Bombern ausgerüstet.

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Moderne Jäger der Luftwaffe waren über dem Reich fixiert und darum in viel zu geringer Stückzahl über Südfinnland verfügbar. In zahlreichen Tageinsätzen wurden die russischen Bodentruppen angegriffen.

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Die Einsätze waren schlecht koordiniert und wendige russische Jäger fügten den veralteten deutschen Bombern schwere Verluste zu. Nach einer Woche mussten die Luftangriffe eingestellt werden. Mehrere Geschwader hatten so viele Maschinen verloren, dass sie aufgelöst werden mussten.

Nachdem auch die letzte Unterstützung verloren war, entschloss sich die finnische Regierung am 31. August 1943 zur Kapitulation. Der von finnischer Seite sogenannte Fortsetzungskrieg war beendet. Das Land wurde von russischen Truppen besetzt.
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Nach dem Vorbild der Heeresgruppe Süd hatte das Oberkommando Ost im August 43 einen weiteren gepanzerten Großverband geschaffen in dem alle übrigen Panzerdivisionen zusammengefasst wurden. Die 2. Panzerarmee wurde Generaloberst Eberhard von Mackensen unterstellt.
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Sie verfügte über 14 Panzerdivisionen die in drei Panzergruppen aufgeteilt waren. Aus ehemaligen Einheiten der Waffen-SS waren zwei Kürassier Divisionen gebildet worden. Diese wurden zu einem eigenen Korps unter Generalleutnant Wolfgang von Kluge - dem jüngeren Bruder des Kommandeurs der Heeresgruppe Mitte – zusammengefasst.

Nach dem Zusammenbruch Finnlands, war dem deutschen Generalstab klar, dass der Gegner mit den freiwerdenden Truppen ziemlich rasch Angriffsschwerpunkte bilden würde. Wie bereits 41 und 42 war mit einer Winteroffensive zu rechnen. Mit der neu geschaffenen 2. Panzerarmee gedachte man daher selbst offensiv zu werden bevor sich das Kräfteverhältnis weiter zur russischen Seite neigte.
Der Plan sah eine klassische Zangenbewegung aus den Räumen Smolensk im Norden und Gomel im Süden vor. Ziel war auch hier nicht die Gewinnung von Raum sondern die Zerschlagung der russischen Truppenmassierung am Ostufer des Dnjepr.

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Am 2. September eröffnete die Panzergruppe III von Generalleutnant Brennecke die Angriffsoperation mit der Zerschlagung der sowjetischen Kräfte westlich des Flusses Sosch. Brennecke hoffte in der Verwirrung der zurückflutenden russischen Verbände die Flussübergänge über den Sosch rasch zu gewinnen und dann tief in das Hinterland der gegnerischen Gruppierung vorstoßen zu können.

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Der Angriff der Panzergruppe V (aufgestellt aus Haussers ruhmreichen III Armeekorps) erfolgte zeitlich und räumlich versetzt 4 Tage nach der Eröffnung durch die Panzergruppe III. Brennecke sollte die Sichel bilden, die ein Ausweichen der russischen Kräfte in den Raum verhindern sollte. Haussers Panzergruppe V sollte der Dampfhammer seine, der den Kessel zerschlagen sollte.

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Am 7. September erfolgte bei schönstem Sommerwetter der Angriff des nördlichen Zangenarmes, bestehend aus der Panzergruppe IV und Kluges Kürassierkorps. In dem wald- und wasserreichem Gebiet Mittelrusslands gestaltete sich der Vorstoß jedoch nicht so einfach wie in den Steppengebieten bei der Heeresgruppe Süd. Die Russen fanden reichlich Rückhalt für hartnäckigen Widerstand.

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Bis 12. September war der Kessel dennoch geschlossen. Die 40. Armee des Generals Watutin und große Teile der 58. Armee waren abgeschnitten. Aus dem Norden wurden eilig zahlreiche sowjetische Divisionen herangeführt um die Kesselwand von außen aufzubrechen. Besonders im Bereich der 1. Und 2. Kürassier Division kam es zu tagelangen erbitterten Gefechten.

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Im Kessel dauerten die Kämpfe bis zum 20. September an dann war der letzte Widerstand im Raum Gorki gebrochen. Zu zehntausenden wankten paralysierte Rotarmisten in die Gefangenschaft. Im Laufe der Septemberkämpfe hatte die Rote Armee 19 komplette Divisionen verloren. Die Verluste wurden von der deutschen Aufklärung auf mehr als 170.000 Mann geschätzt. Watutin befand sich nicht darunter. Ihm war der Ausbruch nach Osten gelungen.
Nach erfolgreichem Abschluss der Kämpfe wurden die Verbände der 2. Panzerarmee planmäßig über den Dnjepr zurückgeführt. Es wurden nur minimale Frontkorrekturen nördlich Gomel vorgenommen. Das deutsche Oberkommando plante – nach einer kurzen Auffrischung der Panzertruppe – so rasch wie möglich eine weitere begrenzte Offensive durchführen zu können.
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Beitragvon Taras » 29. Dezember 2015 17:12

Im September 1943 waren die Vorräte an seltenen Materialien für die deutsche Industrie aufgebraucht. Ohne Chrom konnte kein Kugellager gebaut werden, ohne Bauxit kein Aluminium gewonnen werden. Gummi wurde für Reifen, Stoßdämpfer und Puffer benötigt. Hartmetalle fehlten bei der Produktion von leistungsfähigen Stahllegierungen genauso, wie bei der Fertigung von Geschoßkernen. Die deutsche Industriekapazität sackte dadurch von 360 auf 230 teilweise auch auf 200 Einheiten ab.
Das reichte gerade noch für die Aufrechterhaltung der wichtigsten Funktionen (Konsumgüter, Mannschaftsersatz, Nachschub). An einen nennenswerten Ausbau der Wehrmacht oder an eine weitere Modernisierung war nicht mehr zu denken. Ab jetzt wurde Flickschusterei betrieben.
Mit der bisherigen Industrieproduktion war es noch gelungen, die Infanterieverbände der Ostfront auf den Stand der Entwicklung aufzurüsten. Die herausragende Neuerung war die flächendeckende Einführung des Maschinenkarabiners.
Fronterfahrungen hatten gezeigt, dass 90 % der Infanteriegefechte auf Distanzen unter 400 Metern geführt wurden. Das Standardgewehr – der Karabiner 98 – mit seiner 7,92 x 57 mm Munition war hierfür überdimensioniert. Andererseits entsprach er in Schussabfolge, Gewicht und Rückstoß nicht mehr den Erfordernissen. Weiterhin verlangte die Truppe nach mehr Maschinenwaffen pro Einheit und einem größeren Munitionsvorrat je Infanteristen. Dieses Dilemma konnte nur überwunden werden, wenn völlig neue Wege beschritten werden.
Nach den Vorgaben des Heereswaffenamtes entwickelte die Magdeburger ‚Polte Armaturen- und Maschinenfabrik‘ eine neue leistungsreduzierte Munition im Kaliber 7,92 x 33 mm, die in ihrer Fertigung auch der zunehmenden Rohstoffknappheit angepasst war. Da bei der Produktion der Hülsen auf Messing verzichtet werden sollte, war es notwendig, ihr eine stark konische Form zu geben. Daher musste ein größerer Munitionsvorrat in Kurvenmagazinen transportiert werden.

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Zu dieser ‚Kurzpatrone‘ entwickelte die Suhler Waffenschmiede ‚Haenel‘ unter der Leitung von Hugo Schmeisser eine neue automatische Waffe. Entgegen den Vorgaben des Heereswaffenamtes entschloss sich Schmeisser dafür, über eine Bohrung im Lauf einen Teil der Geschossenergie für den Auswurf der Patrone und den Wiederladeprozess zu verwenden. Die Heeresleitung hatte sich nicht nur gegen Gasdrucklader im Besonderen sondern gegen automatische Infanteriewaffen im Allgemeinen gestemmt. Munitionsverschwender, die dazu noch die Geschoßleistung reduzierten, passten nicht in ihr Soldatenbild. Im Bündnis mit den Frontoffizieren konnte Minister Popitz trotzdem die Einführung der neuen Waffe als ‚Maschinenkarabiner 43‘ durchsetzen. Die Propaganda machte daraus jedoch bald das ‚Sturmgewehr 44‘.

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Als Maschinengewehr auf Zugebene hatte sich das MG 42 durchgesetzt. Ressourcensparend in der Produktion, war das Maschinengewehr im Feld zuverlässig und effektiv. Wegen der hohen Kadenz (1.200 Schuss pro Minute) und dem daraus resultierenden Schussgeräusch, wurde die Waffe von den Landsern auch lakonisch als Knochensäge bezeichnet.

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Als leichte Artillerie war das Infanteriegeschütz 42 eingeführt worden.

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Die zur Panzerabwehr im Kompanierahmen übergebene Schwere Panzerbüchse 41 (2,8 cm) war jedoch bereits überholt. Hier verlangte die Truppe nach neuen Waffen, die der starken Panzerung der russischen Kampfwagen gewachsen war.

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Bevor die Industrieproduktion spürbar zusammensackte, war es auch noch gelungen die Fliegerkräfte der Reichsluftverteidigung auf die Messerschmitt 109 K genannt ‚Kurfürst‘ umzustellen. Mit dieser Maschine war der Höhepunkt der Entwicklung dieses Flugzeugmusters erreicht. Eine weitere Leistungssteigerung wäre mit dieser Zelle technisch kaum noch umsetzbar.

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Durch Flugleistung und Feuerkraft behielt die Reichsluftwaffe mit diesem Modell weiterhin die Luftherrschaft über Deutschland obwohl die alliierten Bomber inzwischen von weitreichenden Mustang Jägern begleitet wurden.



Nach Abschluss der Kämpfe im Vorfeld der Heeresgruppe Mitte wurde die 2. Panzerarmee aus der Front gelöst und zur Auffrischung ins Hinterland verlegt. Auf der Suche nach dem Raum für eine neue begrenzte Offensive, verfiel man im Oberkommando der Ostfront auf eine mögliche Operation im Gebiet der Heeresgruppe Nord. Mit einem Stoß aus dem Raum südlich von Pskow in die allgemeine Richtung Finnischer Meerbusen, sollte die nördliche Gruppierung des Gegners zerschlagen werden. Als Tarnbezeichnung wurde ‚Operation Hjalfnar‘ verwendet.

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Nach den drei zurückliegenden erfolgreichen Kesselschlachten fühlte sich der deutsche Generalstab unfehlbar und schlug alle Warnungen in den Wind. Insbesondere die Kommandeure der 18. Armee und der 16. Armee – die Generale Lindemann und Busch – hielten eine Offensive in ihrem Frontabschnitt zu dieser Jahreszeit für wenig zielführend.
Bereits beim Aufmarsch im Oktober 43 stellten sich erste Schwierigkeiten ein. Das schlechte Straßennetz und die mit aller Stärke einsetzende Schlammperiode erschwerten die Versorgung der Panzerverbände.
Die schlechten Geländebedingungen sorgten dann auch dafür, dass der ohnehin verspätete Angriff am 29.10.1943 recht schnell ins Stocken geriet. Der äußerste Zangenarm – bestehend aus der Panzergruppe III von General Brennecke – zielte auf Simsk / weiter Nowgorod.

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Die versetzt angreifende Panzergruppe IV unter General Harpe sollte den Angriff verstärken und in Richtung Leningrad vorantreiben. Wieder hoffte man, dass der Russe in Auflösung geraten und keine Zeit finden würde die Übergänge an den Zuflüssen des Ilmensees (insbesondere über den Fluss Schelon) standhaft zu verteidigen.
Die innere Zange zur Zerschlagung der eingeschlossenen gegnerischen Verbände wurde aus der Panzergruppe V (Hausser) und dem I Kürassier Korps (Kluge) sowie dem XXV Armeekorps der 18. Armee gebildet.
Die stockend angreifenden Panzergruppen III und IV gerieten bald durcheinander, stauten sich im Angriff auf die Flussübergänge und erreichten nie eine überholende Verfolgung geworfener russischer Sperrverbände. Nachdem die Russen sich gefasst hatten und die Zielrichtung des deutschen Angriffs zu erkennen war, gelang es ihnen immer weitere Divisionen heranzuführen und zum massiven Gegenangriff vorzugehen. Immer wieder musste die Panzergruppe IV in mühsamen Umgehungsmärschen dem äußeren Zangenarm zu Hilfe eilen. Das Überraschungsmoment war damit verloren.
Hinzu kam, dass es den spärlichen Kräften Luftverteidigungsgruppe II (drei Geschwader unter Führung von General Galland) nicht gelang die Lufthoheit zu erobern. Die drei Geschwader wurden von den zahlenmäßig weit überlegenen Russen arg zerzaust. Als dann die Reichluftwaffe zur Unterstützung des Bodengriffes eine Luftlandung im Raum Peterhof – an den Stadtgrenzen von Leningrad – versuchte, wurde auch dieser von der russischen Luftwaffe zusammengehauen.

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Die beiderseits verlustreichen Kämpfe zogen sich unerwartet lange hin. Bis Anfang Januar 44 waren im Raum Kingisepp 12 sowjetische Divisionen abgeschnitten. Nach Zerschlagung des Kessels, hatte die 2. Panzerarmee noch Mühe, sich durch wegloses Gelände unter drängenden russischen Angriffen in die Ausgangsstellungen zurückzuziehen. Zwar hatte die Rote Armee wiederum mehr als 110.000 Mann verloren aber auch die Verbände der 2. Panzerarmee mussten erst zeitraubend aufgefüllt werden, bevor sie zu neuen Offensivhandlungen in der Lage wäre.
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Beitragvon Taras » 5. Januar 2016 18:25

Nach Abschluss der Kämpfe an der Nordflanke, dauerte es bis Mitte Februar 44 um die 2. Panzerarmee zurückzuführen und aufzufüllen. An der gesamten Ostfront war nun Ruhe eingekehrt. Die deutsche Führung wollte nicht noch eine Offensive bei schlechter Witterung riskieren und die russischen Gegenspieler mussten ihre Wunden lecken. Offensichtlich waren die Verluste der Roten Armee im Jahr 1943 so stark, dass die befürchtete Winteroffensive ausbleiben musste.

Rohstoffmangel und alliierter Bombenkrieg hemmten zunehmend die deutsche Wirtschaft. Neuaufstellungen waren so gut wie unmöglich geworden. Mit dem Jägernotprogramm wurden die Verteidigungskräfte der Reichsluftwaffe verstärkt. Um die Versorgungslage der Ostfront zu stabilisieren, musste in strategischen Abschnitten die Infrastruktur ausgebaut werden. Ansonsten sollten die bestehenden Divisionen der Ostfront mit selbständigen Artillerieregimentern verstärkt werden. Damit waren die Kapazitäten der Mangelwirtschaft bereits ausgeschöpft.

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Die Konzentrationslager waren bereits in der ersten Jahreshälfte 43 aufgelöst worden. Die dort verübten Verbrechen mussten noch juristisch und vor allem gesellschaftlich aufgearbeitet werden. Jedoch angesichts der Bedrohung an allen Fronten, sollte dies entgegen den Vorstößen von Minister Joseph Wirmer erst nach Kriegsende geschehen.
Deutschland blieb des Weiteren im großen Maße auf die Zwangsarbeit angewiesen. Mehr als 4,5 Millionen Kriegsgefangene mussten die an die Front berufenen Männer ersetzen.

Trotz der immer effektiver werdenden Luftverteidigung war es den Alliierten im zurückliegenden Jahr gelungen immer wieder schmerzhafte Bombenangriffe gegen die deutsche Industrie zu fliegen.

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Amerikanische und vor allem britische Bomber hatten Schäden im Wert von annähernd 18.200 IK verursacht. Das entsprach dem Wert von ungefähr 2,5 Panzerdivisionen und war angesichts der allgemeinen Knappheit nicht unerheblich.
Der U-Bootkrieg der deutschen Kriegsmarine hatte dem Gegner dagegen weit größere Schäden zugefügt.

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Trotz der weiter verbesserten alliierten Konvoi Verteidigung und der steigenden Verlustzahlen, hatten die Grauen Wölfe 3,76 Mio. Tonnen Fracht versenkt. Dem Gegner war damit ein Schaden von 40.200 IK zugefügt worden. Nach deutschen Kosten waren das immerhin 35 Divisionen die nicht aufgestellt werden konnten.

Auf dem asiatischen Kriegsschauplatz waren die Amerikaner auf dem Vormarsch. Die Kaiserlich Japanische Flotte hatte schwere Verluste hinnehmen müssen. Im Februar 44 hatten die Amerikaner Iwojima und dann sogar Okinawa eingenommen. Von hier aus bestand die Möglichkeit das japanische Mutterland mit strategischen Bombern anzugreifen. Der asiatische Bundesgenosse war in großer Gefahr.
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Auch der Krieg Japans gegen China stagnierte. Die Sowjetunion nutzte ihrerseits die Bindung Chinas aus um die von beiden Mächten beanspruchte riesige Provinz Sinkiang ihrem Machtbereich einzuverleiben.
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Hauptmann von Stargard hatte im März 44 ein Versetzungsgesuch eingereicht, dem durch seinen Vorgesetzten Oberst Henning von Tresckow auch stattgegeben wurde. Am 28. März trafen sich die Offiziere der Abteilung Abwehr noch einmal zum geselligen Beisammensein. Bei gutem Essen und Cognac nahmen sie Abschied voneinander.
„Sehr bedauerlich, dass Sie uns verlassen wollen.“ Sagte Fabian von Schlabrendorff, der inzwischen zum Hauptmann befördert war. Er war schon etwas tapsig vom Cognac. Ihre Erlebnisse im März hatten sie zusammengeschweißt aber zum Du waren sie noch immer nicht übergegangen.
„Unseren Helden zieht’s zur kämpfenden Truppe!“ rief Tresckow aufgesetzt fröhlich. Er konnte ahnen, dass Stargards offizielle Begründung nicht die tatsächliche Ursache für das Versetzungsgesuch war.
Stargard erwiderte diplomatisch: „Sie wissen, ich muss für mein Fortkommen sorgen. Hier im Stab sind die Aussichten für eine Beförderung für mich nicht so hoch, wie an der Front.“
„Stimmt!“ gab Tresckow zu. „Die Stellung, die Sie bei der 28. Infanteriedivision einnehmen werden, hat gerade ein russischer Artillerieüberfall frei gemacht.“
„C'est la guerre!“ erwiderte Stargard lakonisch. „Es ist nun mal so, dass ich der Zweitgeborene bin. Mein älterer Bruder hat in Frankreich einen glücklichen Schuss abbekommen – ist nicht mehr kriegsverwendungsfähig und verwaltet nun das Familiengut in Mecklenburg. Ein Erbe hab ich nicht zu erwarten.
Meine Familie hielt treu zum Kaiser, hat im letzten Krieg nicht nur Männer geopfert sondern auch Anleihen gezeichnet, soweit es wirtschaftlich überhaupt vertretbar war. Nun ja, sie kennen das Ende der Geschichte. 1923 wurden diese Anleihen komplett wertlos und uns blieb nicht viel mehr als unser alter Name.“
„Mensch Stargard.“ Rief Oberst von Gersdorff, der auch bereits ziemlich aufgeräumt war. „Sie haben ja keine Ahnung, wie oft ich die Geschichte schon gehört habe. Nicht von Ihnen aber bestimmt schon vom halben Offizierskorps der Wehrmacht. So, nun aber mal der wahre Grund, warum sie den warmen Ofen verlassen wollen!“
Stargard überlegte kurz, der Alkohol lockerte die Zunge und sie waren ja in vertraulicher Runde. Gemeinsam waren sie große Risiken eingegangen und wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. „Es ist so.“ Begann er zögernd. „Dass zu unseren Aufgaben nicht nur die Auswertung von Feindberichten gehört sondern, dass ich häufig genug an den unerfreulichen Auswirkungen des sogenannten Bandenkrieges beteiligt bin. Gerade seit meine Russischkenntnisse ruchbar geworden sind, werde ich immer wieder bei Verhören zugezogen. Meistens sind die Menschen, deren Gestammel ich übersetzen soll, vor oder während des Verhörs barbarischen Foltern unterworfen. Und zu meinem Bedauern werde ich auch häufig genug angefordert, wenn mal wieder einer unser Leute verschwunden ist und der Mann dann wenige Tage später zu Tode gemartert und furchtbar verstümmelt aufgefunden wurde.“
„Die Guerilla zeigt uns ihre hässliche Fratze.“ Brummte Tresckow. „Sie bringt in den Menschen die schlimmsten Züge zum Vorschein.“
Gersdorff nickte. „Was war zuerst da, die Henne oder das Ei?“
Schlabrendorff warf ein: „Wenn schon, dann unser Überfall im Sommer 41.“
„Und was ist mit der imperialen russischen Politik ab 1939?“ Fragte Gersdorff zurück. „Meinst du nicht auch, dass dieser Krieg unvermeidlich war?

Sie kamen nicht weiter dazu düsteren Gedanken und Erinnerungen nachzuhängen, denn die Tür sprang auf und Major Freiherr von Boeselager platzte herein. „Was ist denn hier los!“ rief er ausgelassen. „Stargard desertiert?“
„Den zieht’s an die Front.“ Antwortete Gersdorff.
Boeselager kippte sich als erstes einen großen Cognac hinter. „Warte, warte, warte!“ rief er, während er seinen Mantel weglegte. „Erst muss ich Euch was erzählen!“ Mit weit ausgebreiteten Armen stellte er sich in die Mitte des Raumen. „Ich komme vom Führungslehrgang in Soljonoje. Is unten bei Saporoschje. Da hab ich den neuen Panzer gesehen. Den Panzer, der den Panzer IV ablösen soll. Darum heißt er sinnigerweise Panzer V und hat den Beinamen ‚Panther‘ bekommen.“
Die Offiziere waren wissbegierig.
„Und, wie ist er?“ fragte Gersdorff. „Welche Waffe? Kann er den russischen Modellen standhalten?“
„Warte, warte, warte.“ Rief Boeselager fröhlich. „Pass auf, stell dir einen Panzer mit einer langen Kanone vor!“ Wie bei einer Bühnenvorstellung sah er Gersdorff erwartungsvoll an. „Und, hast du’s?“
Gersdorff nickte verunsichert, weil er nicht wusste, welchen Scherz sein Kamerad mit ihm treiben wollte.
Boeselager sah sich triumphierend in der Runde um. Machte eine dramaturgische Pause… „Sie ist länger!“ platzte er endlich lachend raus.

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„Wat für’n Ding!“ Boeselager war begeistert wie ein kleiner Junge. „Schräge Panzerung, 7,5 cm Kanone mit 70 Kaliberlängen. Der Kampfwagen ist unschlagbar. Wenn wir mehr von denen hätten, können die Russen dichtmachen. Aber bei uns fahren ja noch mehrere Panzerdivisionen mit dem Panzer III rum.“
Boeselager stopfte sich einig Pelmeni in den Mund, goss sich noch einen großen Cognac ein und legte Stargard den Arm um die Schultern. „Und nun zu Dir, Kamerad.“ Sagte er, nachdem er runtergekaut hatte. „Du willst uns verlassen? Wohin soll‘s denn gehen?“
Stargard zögerte. Tresckow, Schlabrendorff, Gersdorff, Ritterkreuzträger Boeselager waren ihm Kameraden geworden, es war schwer sie zu verlassen. „Bei der 28. Infanteriedivision, ist im Infanterieregiment 7 die Stelle des Stabschefs zu besetzen. Das wäre eine Majorsplanstelle.“ Erklärte er sachlich.
Boeselager überlegte. „Das ist bei der 9. Armee. Du weißt aber schon, dass der Model keine Junggesellen mag. Ich glaub nicht, dass Du dir das gut überlegt hast.“
„Sie haben doch mal von dieser jungen Dame erzählt.“ sagte Tresckow. „Können Sie da nicht mal einen Urlaub einreichen und die Sache vorantreiben. Als deutscher Offizier sollte Ihnen das doch nicht so schwer fallen.“
„Alles nicht so einfach.“ Winkte Stargard melancholisch ab. „Ihr Vater möchte nicht, dass sie einen Soldaten heiratet. Sie soll nicht kurz nach der Hochzeit als Kriegerwitwe zurückbleiben. Als wohlerzogene Tochter hört sie auf ihn, wehrt sich aber auch gegen seine anderen Heiratspläne. So bleiben wir denn – wie man so schön sagte – zwei Königkinder, die nicht zueinander finden können.“
„Auch das ist sehr bedauerlich.“ Tresckow nickte verständnisvoll. „Da werden Sie tatsächlich kein leichtes Vorankommen haben - in der 9. Armee. Aber egal, passen Sie nur auf, dass sich das Unken Ihres Schwiegervaters in Spe nicht bewahrheitet. Ich denke, wir gehen stürmischen Zeiten entgegen.
Wie Sie alle wissen, werde auch ich die Abteilung verlassen und nach Berlin zum Chef des Nachrichtendienstes Oster gehen.“ Henning von Tresckow erhob sein Glas. „Bei mir sind es für den Wechsel nicht die Ursachen die Hauptmann von Stargard bewegen. Auch wenn niemand in vollem Umfang weiß wie wir hier tatsächlich in die Märzereignisse des letzten Jahres verstrickt waren, so sind die offenen Anhänger des Umsturzes in weiten Bereichen der Truppe nicht wohl gelitten. Also sitzen wir vielleicht das letzte Mal in dieser Runde zusammen. Meine Herren! Kameraden, ich bitte Sie mit mir anzustoßen.“
„Auf den Sieg!“ rief Boeselager.
„Auf das möglichst rasche Ende des Krieges!“ fügte Schlabrendorff hinzu.
„Darauf, dass wir alle ungeschoren durch die kommenden stürmischen Monate kommen!“ schloss Tresckow.
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Sommerfeldzug

Beitragvon Taras » 9. Januar 2016 15:28

Der - aus den Kommandeuren der Oberkommandos West und Ost sowie den Befehlshabern der einzelnen Heeresgruppen gebildete - Große Generalstab war im März 1943 zu der Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen für einen länger währenden Abnutzungskrieg, der die Feinde zu einem moderaten Friedensschluss zwingen sollte, zunehmend schlechter wurden.
Im Westen sammelten die Alliierten Truppen und es drohte der Angriff auf das europäische Festland. Wo dieser Angriff stattfinden würde, war derzeit nicht erkennbar. In jedem Fall fehlten Rundtstedt die mobilen Truppen um die Abwehr einer Invasion zusichern zu können.
Die wirtschaftliche Gesamtlage des Deutschen Reiches verschlechterte sich fortwährend. Nach den Seltenen Materialen drohten nun auch die Rohölvorräte zu versiegen. Die rumänischen Förderkapazitäten reichten nicht mehr aus, den Bedarf des modernen motorisierten Krieges zu decken und damit drohte die deutsche Triebstoffproduktion zusammenzubrechen.
Im Osten zeigte sich die Sowjetunion trotz gewaltiger Verluste nicht friedensbereit. Mit der Unterstützung der westlichen Alliierten war Sowjetrussland weiterhin in der Lage die erlittenen Verluste wieder aufzufüllen und es wuchs die Gefahr, dass der Gegner an einer verwundbaren Stelle die operative Überlegenheit hergestellt werden könnte.
Die Abteilung ‚Fremde Heere Ost‘ schätzt die aufmarschierte gegnerische Streitmacht auf 250 Divisionen – davon 25 Panzer- oder motorisierte Divisionen. Wenn diese Informationen korrekt waren, hatten sich die sowjetischen Streitkräfte im zurückliegenden Jahr annähernd um 130 Divisionen gemindert. Dessen ungeachtet war die gegnerische Überlegenheit immens.
Dieser Streitmacht standen unter dem Kommando von Generalfeldmarschall von Arnim 153 Divisionen der Wehrmacht und 10 Divisionen der Verbündeten (Ungarn, Italien) gegenüber.

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Die deutsche Luftwaffe war durch Modernisierung und Neuaufstellung leicht ausgebaut worden.

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Die Marine spielte am wichtigsten Kriegsschauplatz zwar eine völlig untergeordnete Rolle, war aber strategisch gesehen von großer Bedeutung. Die deutsche U-Bootwaffe war innerhalb des zurückliegenden Jahres halbiert worden. Neubauten waren nicht möglich. Dennoch kam den deutschen U-Booten eine bedeutende Rolle dabei zu, die Westalliierten im Ausbau und bei der Dislozierung ihrer Streitmacht spürbar zu hindern.

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Das Ostheer war im Frühjahr 1944 von Nord nach Süd wie folgt aufgestellt:
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Angesichts der strategischen Gesamtlage entschloss sich der Große Generalstab an der Ostfront – sobald es die Witterung zuließ – zur Offensive aufzumarschieren und den Gegner in einem Sommerfeldzug niederzuwerfen. Die Truppe war ausgeruht, erfahren, aufmunitioniert und hoch motiviert. Unter diesen Voraussetzungen sollten dem Gegner in einer umfassenden Sommeroffensive Verluste zugefügt und strategische Räume genommen werden, mit dem Ziel, dass bis Wintereinbruch ein Friedensschluss im Osten erreichbar war.

Bis Anfang April 1944 wurden folgende Bereitstellungsräume bezogen:

1. Die Heeresgruppe Nord unter Generalfeldmarschall von Küchler
1.1. 18. Armee unter Generaloberst Lindemann
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1.2. 16. Armee unter Generaloberst Busch
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2. Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall von Kluge
2.1. 9. Armee unter Generaloberst Model
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2.2. 3. Armee unter Generaloberst Jacob
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2.3. 4. Armee unter Generaloberst Heinrici
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2.4. aus der Reserve des OB Ost die 2. Panzerarmee unter Generaloberst Mackensen

3. Heeresgruppe B unter Generalfeldmarschall von Weichs
Die Heeresgruppe hatte zwar zahlenmäßig gerade die Stärke einer Armee, ließ sich jedoch strukturmäßig nicht mehr auf die angrenzenden Heeresgruppen aufteilen.
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4. Heeresgruppe Süd unter Generalfeldmarschall von Manstein
4.1. Armee Hollidt
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4.2. 5. Armee unter Generaloberst Bach-Zelewski
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4.3. 17. Armee unter Generaloberst Ruoff
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4.4. aus der Reserve des OB Ost die 1. Panzerarmee unter Generalfeldmarschall Rommel

Der strategische Gedanke war, dass durch Zangenbewegungen – ausgeführt durch die beiden Panzerarmeen – die Flanken der beabsichtigten Operation vorbereitet werden. Nach der Zerschlagung der gegnerischen Bereitstellungsräume vorwärts Brjansk (Heeresgruppe Mitte) und vorwärts Jefremofka (Heeresgruppe Süd), sollen die beiden Panzerarmeen in einer großen Zangenoperation in die tiefen Räume der südlichen Gruppierung des Gegners vorstoßen. Unter dem gleichzeitigen Vormarsch des gesamten Ostheeres muss ein Ausweichen des Gegners in die Tiefe des Raumes verhindert werden. Die gesamte Südgruppe des gegnerischen Heeres sollte dann im Raum zwischen dem Dnjepr im Osten und den Städten Kursk und Charkow im Westen eingeschlossen und vernichtet werden.

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Um dem Gegner das Manöver mit den Kräften unmöglich zu machen, erhielt die Heeresgruppe Nord den Auftrag gegen Leningrad vorzurücken. Die Heeresgruppe Mitte würde nach Moskau greifen.
Im Anschluss an die Zerschlagung der russischen Südgruppe, würde sich die 2. Panzerarmee gegen Moskau wenden und nach Einnahme der Stadt die Zerschlagung der gegnerischen Nordgruppierung unterstützen. Die 1. Panzerarmee sollte im Weiteren die Spitze der Heeresgruppe Süd bilden. Deren Auftrag wird die möglichst rasche Besetzung strategisch wichtiger Räume, insbesondere des Industriegebietes um Stalino und der Übergänge über den Don, sein.
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Vorbereitungen

Beitragvon Taras » 4. Februar 2016 17:44

Während sich das deutsche Unternehmen ‚Hjalfnar‘ Anfang Dezember 1943 durch Russen, Eis und Schlamm in das Vorgelände Leningrads gekämpft hatte, fand im russisch und englisch besetzten Persien eine bedeutende Konferenz der drei Hauptgegner statt.

Die Osters Ministerium und dort Wilhelm Canaris unterstellte ‚Abwehr‘ hatte im Sommer 43 Teile des Spionagenetzes des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS mit Walter Schellenberg an der Spitze übernommen. Damit war der Abwehr eine besonders wichtige Quelle namens Cicero zugefallen. Über diese Quelle hatte die deutsche Abwehr bereits sehr frühzeitig von der Konferenz erfahren und wusste auch zeitnah, dass die drei Staatsoberhäupter der Haupt Gegner anwesend waren. Das Gesamtbild ergab sich Canaris jedoch erst nach der Auswertung verschiedener Quellen im Frühjahr 44.
Nach mehreren vorhergehenden Treffen der Minister und Militärs, trafen in Teheran erstmals Theodor Roosevelt, Winston Churchill und Josif Stalin persönlich aufeinander um das weitere Vorgehen im Krieg gegen Deutschland und Japan abzustimmen.

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Stalin gelang es die Kämpfe des Jahres 43 als eine Reihe russischer Erfolge darzustellen. Beginnend mit der Vernichtung der 6. Armee in Stalingrad, war es der Roten Armee nach seinen Ausführungen gelungen, zahlreiche deutsche Offensiven abzuwehren und gegen den verzweifelten Widerstand der deutschen Soldateska gewaltige Gebiete zurückzugewinnen. Da Russland die Last des Kampfes alleine trug, verlangte er von den westlichen Alliierten mehr Unterstützung und drang hartnäckig auf die versprochene Eröffnung der Zweiten Front.
Roosevelt und Churchill ließen ein erschreckend umfassendes Bild der deutschen Kräfte erkennen, während ihnen die russischen Kräfte schleierhaft blieben. Trotzdem war ihnen klar, dass sich der Krieg bis zu einer endgültigen Niederlage Deutschlands noch erheblich in die Länge ziehen würde. Auch wollten sie bei der Neuordnung Europas nach dem Sieg Mitsprache haben und befürchteten von ihrem ungeliebten russischen Verbündeten übers Ohr gehauen zu werden. Für den Sommer 44 sagten sie Stalin die alliierte Landung in Europa zu. Stalin versprach im Gegenzug – mit Bruch des japanisch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages – nach dem Sieg über Deutschland den unverzüglichen Angriff auf dem pazifischen Kriegsschauplatz.
Die drei Großen waren sich darüber einig, dass der Tod Hitlers und der anschließende Regierungswechsel in Deutschland keinen Einfluss auf die weitere Kriegsführung haben sollte. Die Friedensappelle der neuen Reichsregierung wurden als Zeichen des sich abzeichnenden Zusammenbruches gedeutet. Wenn man bisher gegen das faschistische Nazideutschland gekämpft hatte, würde nun eben das militaristische Junker Regime zerschlagen werden. Die Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation wurde bekräftigt. Um ein Wiedererstarken Deutschlands zu verhindern, sollte es erhebliche Gebietsverluste leisten müssen und in mehrere voneinander unabhängige Staaten aufgeteilt werden.
Darüber hinaus schlug Stalin beim gemeinsamen Dinner vor, nach Kriegsende exemplarisch 100.000 deutsche Offiziere erschießen zu lassen, da sie die Träger des reaktionären und aggressiven deutschen Militarismus wären. Roosevelt wandte lakonisch ein, dass mit der Hinrichtung von 49.000 Offizieren der Gerechtigkeit wohl Genüge getan wäre. Churchill drohte daraufhin mit einem Abbruch der Verhandlungen. Doch er hatte keine ausreichend starke Position und konnte nur drohen und Stalin wie auch Roosevelt versicherten schließlich, dass es sich lediglich um einen Scherz gehandelt hätte.
Angesichts der zwischen den Alliierten sorgsam umschifften tausendfachen Ermordungen der in sowjetische Kriegsgefangenschaft geratenen polnischen Offiziere, war dieses Manöver mehr als durchsichtig.
Dies war nicht der einzige Fauxpas der Konferenz. In Anerkennung des Sieges von Stalingrad, hatte Churchill Stalin ein Zeremonialschwert überreicht. Stalin nahm das Schwert gerührt entgegen und gab zum Fortgang der Verhandlungen an seinen langjährigen Getreuen, den Marschall der Sowjetunion Woroschilow weiter. Dieser war augenscheinlich bereits ziemlich angetrunken und so ließ er das Schwert ungeschickt aus der kostbaren Scheide gleiten und klirrend zu Boden poltern.

Bei allen diplomatischen Förmlichkeiten blieb nach Abschluss der Konferenz die Verstimmung zwischen den Verbündeten. Großbritannien hatte seine Rolle als Weltmacht verloren und Churchill musste diese bittere Erkenntnis klaglos schlucken. Wäre es nach Roosevelt allein gegangen, würden ab sofort nur noch die USA und die Sowjetunion die weiteren Geschicke der Welt bestimmen.

Was die deutsche Abwehr bei all den Spionageinformationen besonders beunruhigte, waren die – besonders von britischer Seite gezeigten – detaillierten Kenntnisse über die Kräfteverteilung der Wehrmacht und industriellen Möglichkeiten, die Deutschland noch besaß. Zusammen mit der sinkenden Effizienz der U-Bootwaffe bei gleichzeitig steigenden Verlusten, legte dies die Vermutung nahe, dass es den Alliierten gelungen war, den Deutschen in die Karten zu schauen.
Schellenberg konnte versichern, dass keinerlei Anzeichen darauf hindeuteten, dass in den deutschen Führungsstäben ausländische Agenten platziert waren. Alle Spionagenetze waren 1942 und 43 zerschlagen worden. Also musste es den Alliierten gelungen sein, den deutschen Funkverkehr zu entschlüsseln!
Einige Experten der Abwehr hielten einen gegnerischen Einbruch in das deutsche Codesystem für ausgeschlossen. Die Codier Maschine Enigma war durch die maschinelle Verschlüsselung mittels rotierenden Buchstabenwalzen unknackbar. Durch die Drehung der Walzen wurde erreicht, dass jeder Buchstabe eines zu übermittelnden Textes mit einem neuen Alphabet verschlüsselt wurde.
Schellenberg wandte ein, dass es dem Feind durchaus gelungen sein könnte, sich Enigma Maschinen mit den zugehörigen Code-Tabellen zu verschaffen. Einerseits gab es die kommerziellen Vorkriegsmodelle und andererseits musste davon ausgegangen werden, dass es beispielsweise den Kommandanten von aufgebrachten U-Booten nicht in jedem Fall gelungen war, die Enigma Maschinen rechtzeitig zu vernichten.
Die Kryptologen verteidigten die Enigma dennoch. Selbst wenn dies geschehen sei, benötigten die Gegner so etwas wie einen täglich geänderten Schlüssel um die wechselnden Walzenstellungen auslesen zu können. Mathematisch und technisch war das mehr als unwahrscheinlich.

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Schellenberg blieb bei seinem Urteil. Wenn bei einer Problemstellung mehrere zunehmend komplizierte Lösungsansätze vorlagen, so war die einfachste Lösung auch die wahrscheinlichste. Gemeinsam wurde besprochen, wie man der Gefahr begegnen konnte. Die Techniker der Abwehr schlugen vor, das Walzensortiment aller Enigma Maschinen auszutauschen. Dies wäre jedoch eine sehr aufwendige Methode um der hypothetischen Bedrohung zu begegnen. Eine weitere Methode wäre die rasche Verteilung der bereits entwickelten Umkehrwalze ‚Dora‘. Durch das frei wählbare Verstöpseln konnte hiermit die innere Verdrahtung - schlüsselabhängig variabel gestaltet werden.

Als im Spionagekrieg erfahrener Ränkeschmied schlug der gerade 34 jährige Walter Schellenberg vor, einerseits die vorhandenen Verschlüsselungsgeräte mit der Umkehrwalze nachzurüsten und andererseits mittels der bisher verwendeten Codier Methoden eine Verlegung zahlreicher Wehrmachtsverbände nach Nordfrankreich zu simulieren. Mit zwei Dutzend Scheingefechtsständen von Ostdivisionen könnte man den Gegner eine Weile an der Nase herumführen und durch den Ausschluss von Möglichkeiten die wirkliche Lücke in der deutschen Spionageabwehr ausfindig machen.



Unmittelbar vor Beginn der geplanten Sommeroffensive konnte die Umrüstung der Panzerdivision ‚Großdeutschland‘ abgeschlossen werden. Die Division unter dem Kommando von Generalmajor Walter Hörnlein verfügte nun über zwei schwere Panzerabteilungen, ein Panzergrenadierregiment und ein Sturmartillerieregiment. Sie war die einzige Panzerdivision, die nicht einer der beiden Panzerarmeen zugeteilt war. Stattdessen war sie zur Deckung der Südflanke der deutschen Ostfront der 17. Armee unterstellt worden.
Die beiden schweren Panzerabteilungen waren nun durchgängig mit dem Panzerkampfwagen VI ‚Tiger II‘ ausgerüstet.
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Aufgrund der Forderungen nach immer stärker Panzerung und Bewaffnung, war mit diesem Modell der vorläufige Höhepunkt der Panzerentwicklung erreicht. Die fast unbezwingbare Panzerung war auf Kosten der Geländegängigkeit erkauft worden. Für diese 70 Tonnen Giganten stellte jede Flussquerung eine Herausforderung dar, weil es auf dem russischen Kriegsschauplatz kaum Brücken gab, die einer solchen Belastung standhalten konnten. Ebenfalls war der Motor zu schwach um die erforderliche Manövrierbarkeit zu gewährleisten. Dies war auch der Grund, warum dieser Verband nicht den Panzerarmeen zugeteilt war.
Ein weiterer Schwachpunkt war, dass bei der Panzerung - bedingt durch die allgemeine Knappheit an seltenen Materialien (hier Molybdän) - auf minderwertigen Stahl zurückgegriffen werden musste.
Bei der Hauptwaffe hatten sich die Panzerbauer für das bewährte Kaliber 8,8 cm entschieden. Der Trend zu immer längeren Rohren zur Erreichung einer möglichst hohen Mündungsgeschwindigkeit führte zu einer Kanone mit 71 Kaliberlängen (6,25 m). Mit dieser Waffe konnten alle russischen Panzer aus großen Entfernungen auch frontal vernichtet werden.
Panzer allein konnten keinen Durchbruch gewährleisten. Um diese Aufgabe sicherzustellen, verfügte die Division über das Panzergrenadierregiment Großdeutschland. Das Regiment war voll motorisiert, die Kampfkompanien waren mit Schützenpanzerwagen ausgestattet.
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Um dem ohnehin starkem Verband noch mehr Durchschlagskraft – vor allem auch gegen Infanterie in Stadt- oder Feldbefestigungen – zu geben, war der Division das Sturmartillerieregiment Großdeutschland zugeteilt worden. Das Regiment war ebenfalls komplett motorisiert um auch im forcierten Angriff mit der Division Schritthalten zu können. Es bestand aus drei Sturmabteilungen mit jeweils drei Batterien, jede Batterie verfügte planmäßig über vier Sturmgeschütze. Dabei waren die beiden ersten Abteilungen mit der Panzerhaubitze Wespe (leichte Feldhaubitze 105 mm auf Panzer II Lafette) ausgerüstet, die dritte Abteilung verfügte über die Panzerhaubitze Hummel (schwere Feldhaubitze 150 mm auf Panzer III Fahrgestell).
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In den ersten April Tagen des Jahres 1944 erreichten die letzten Fahrzeuge und Männer die Stellungen der Division nahe des Perekop um den Sollstand aufzufüllen. Währenddessen war 200 km den Dnjepr stromaufwärts bereits der Sturm losgebrochen!

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Beitragvon Taras » 9. Februar 2016 19:33

Der März 1944 fiel in der Südukraine ungewöhnlich warm und trocken aus. Der wenige Schnee war bereits Mitte des Monats geschmolzen und das Ende der Rasputiza zeichnete sich ab. Das Oberkommando Ost befahl daher den geplanten Feldzug so früh wie möglich ganz im Süden zu beginnen. Das gewaltige Unternehmen, das zur Zerschlagung der gesamten Südgruppierung des Gegners führen sollte, hatte den Namen ‚Leuthen‘ erhalten. Die Anlehnung an die berühmte Schlacht im Siebenjährigen Krieg war richtungsweisend. 1757 hatten die Preußen unter Friedrich II dem mehr als doppelt überlegenen Gegner in Schlesien eine schwere Niederlagen zugefügt.

Die erste Operation der Offensive war jedoch keine militärische sondern eine politische. Die Reichsregierung beschloss das Besatzungsregime im Osten so weit wie möglich abzumildern. Mit zahlreichen Vertretern der von Deutschland besetzten Nationen wurden Verhandlungen geführt und in der Folge eine weitgehende Autonomie zugestanden. Im Generalgouvernement Polen, In Litauen, Lettland und Estland, in Weißrussland und in den besetzten Teilen der Ukraine wurden Kollaborationsregierungen eingesetzt. Zwar gingen Deutschland damit umfangreiche industrielle Kapazitäten verloren dafür erhoffte man sich jedoch ein Nachlassen des gefährlichen Partisanenkrieges.

In Smolensk, Dnjeprpetrowsk und Saporoschje waren von den deutschen Funktruppen im Verlauf des zurückliegenden Jahres starke und weitreichende Funkpeil- und Radaranlagen errichtet worden. Diese dienten einerseits der Führung der Luftwaffe, der Funkaufklärung sowie der Störung der generischen Funkaufklärung. In Verbindung mit der permanent schlechten Funkdisziplin russischer Truppen und Stäbe, konnte sich die deutsche Heeresleitung ein relativ genaues Bild der sowjetischen Dislozierung machen.

In den Morgenstunden des 2. April 1944 brüllten nördlich von Saporoschje die Geschütze auf. Nach einer kurzen Artillerievorbereitung trat Guderians Panzergruppe I zum Angriff an. Weit nach Norden greifend, sollte der Südflügel der russischen Heeresgruppe aus den Angeln gehoben werden.

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Um der Offensive die notwendige Luftdeckung zu gewährleisten, waren in Dnjeprpetrowsk und Soporoschje die Luftverteidigungsgruppe III und IV unter Galland und Bogatsch mit jeweils 3 Geschwadern Messerschmidt 109 stationiert worden. Die russische Überlegenheit war auch in der Luft erheblich, so dass es der Luftwaffe trotz erheblicher Verluste nicht gelang, die Luftherrschaft zu erringen.

Zeitlich versetzt wurde die Panzergruppe II unter Generalleutnant Hoth am 6. April in die Offensive geworfen. Sie stieß ebenfalls aus dem Raum Saporoschje in südöstliche Richtung nach Nowoasowsk vor um die Küste des Asowschen Meeres zu erreichen und die Falle hinter der russischen Südflanke zuschnappen zu lassen.

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Bereits am 9. April waren der russischen Heeresgruppierung die Versorgung und der Rückzug abgeschnitten. Aus dem Raum Perekop stieß nun das XLV Armeekorps unter Generalleutnant Bräuer nach Osten vor, um die eingeschlossenen Feindverbände zu vernichten. An der Spitze dieser Angriffsbewegung operierte die Panzerdivision Großdeutschland als Rammbock.

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Nach und nach griffen auch die anderen Verbände der 17. Armee und der 5. Armee in die Kesselschlacht ein. Die Kämpfe bei Akimowka zogen sich bis zum 24. April hin. Dann waren die sowjetische 2. Stoßarmee unter General Antonow sowie große Teile der 1. und 2. Gardearmee untergegangen. Die Russen verloren am Südflügel 31 Divisionen darunter die 18. Panzerdivision mit 3 Panzerregimentern sowie die 3. und die 6. Gardeschützendivision. Schätzungsweise 280.000 Mann waren gefallen oder in Gefangenschaft geraten. Noch bevor der deutsche Sommerfeldzug richtig begonnen hatte, hatte die 1. Ukrainische Front die Masse ihrer Truppen verloren.

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Während die Schlacht um Akimowka noch andauerte und das sowjetische Oberkommando – die Stawka – auf die Verstärkung der bedrohten Südflanke fixiert war, brach am 21. April 44 auch der Angriff im Nordabschnitt des Unternehmen ‚Leuthen‘ los. Generaloberst Mackensen hatte befunden, dass die Böden für seine Kettenfahrzeuge nun auch in Zentralrussland trocken genug seien um die erforderliche Angriffsgeschwindigkeit zu gewährleisten. Der Widerstand der russischen Truppen zwischen Dnjepr und Sosch brach unter den Schlägen der Panzergruppe III unerwartet rasch zusammen.

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Bevor der Gegner zum Gegenschlag ausholen konnte, eröffneten auch die übrigen Verbände der 2. Panzerarmee die Offensive. General Haussers Panzergruppe V hatte die Aufgabe die russische Deckung am linken Ufer des Dnjepr zu zerschlagen, während die Panzergruppe IV aus dem Raum Smolensk in südöstliche Richtung vorstieß um ein ausweichen der gegnerischen Truppen zu verhindern.

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Zeitgleich mit dem Zusammenbrechen der russischen Verteidigung, gingen nun auch die deutschen Infanterieverbände über den Dnjepr hinweg zum Angriff vor. Nach Zersprengung des sich abzeichnenden Kessels, sollte die Panzergruppe III zusammen mit dem 1. Kürassier Korps den weiteren Vorstoß nach Südosten gegen die aus Osten zu erwartenden russischen Gegenangriffe decken.
Ende April war die russische Bereitstellung an linken Dnjepr Ufer vernichtet. Zwölf sowjetische Divisionen waren untergegangen. Die Abteilung Fremde Heere Ost schätzte die gegnerischen Verluste auf 110.000 Mann.

Nach der Zerschlagung der beiden Kessel, hing der gesamt russische Frontabschnitt von Gomel in Zentralrussland bis hinunter nach Dnjeprpetrowsk in der Südukraine in der Luft. 600 Kilometer Frontlinie entlang des Dnjepr hatten beide Flanken offen. Es war, als wenn die deutsche Apriloffensive dem gegnerischen Boxer die rechte und die linke Deckung heruntergeschlagen hätte. Nun ging es darum, ihn zu Boden zu schicken bevor er sich wieder sammeln konnte.

Unverzüglich – noch vor Abschluss der Kesselschlachten - begannen die beiden gepanzerten Zangenarme der Operation ‚Leuthen‘ ihre Umfassungsbewegungen. Aus dem Raum Dnjeprpetrowsk stieß Guderians Panzergruppe I in nördliche Richtung - an Charkow vorbei - in die kaum verteidigte Nordukraine vor. Die Panzergruppe II rückte versetzt vor und musste immer wieder Truppen abordnen um russische Ausbruchversuche abzuwehren und den deutschen Infanteriedivisionen, die jetzt ebenfalls im Rahmen des Unternehmen ‚Leuthen‘ vorgehen sollten, den Dnjeprübergang zu erleichtern.

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Die nördliche Gegenbewegung wurde durch die 2. Panzerarmee in südostliche Richtung ausgeführt, mit dem Ziel, die gesamte russische Südfront vorwärts Brjans, Kursk, Charkow einzuschließen und zu vernichten. Die Rote Armee fand in der Verwirrung des April und Mai 44 kein Gegenrezept gegen den scheinbar unaufhaltsamen deutschen Vormarsch. Als das Angriffsziel endlich erkannt wurde, war es bereits zu spät. Am 18. Mai 1944 hatte sich der Kessel geschlossen.

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Dies war jedoch erst der Auftakt des Sommerfeldzuges. Ob es trotz der allgemeinen numerischen Überlegenheit des Gegners gelingen würde, einen Ausbruch der eingeschlossenen Verbände zu verhindern, war Mitte Mai 44 mehr als fraglich.
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Offensive

Beitragvon Taras » 12. Februar 2016 17:34

Durch die schwere schwarze Decke, die ihn umhüllte, hörte Taras Freiherr von Stargard den schweren Schlag einer großen Glocke. Dröhnend schwang der tiefe Klang anhaltend durch seinen Körper. Sonst hörte er keine weiteren Geräusche. Er konnte auch nichts sehen. Nur undurchdringliche Schwärze umgab ihn.
Irgendetwas zerrte an ihm, an seinen Beinen. Stechend Schmerzen ließen helle Lichter in seinem Kopf aufblitzen. Er schmeckte Staub und Qualm. Die schwarze Decke wurde fortgespült und direkt über ihm erschien ein bekanntes Gesicht. Ein zerzauster Kopf, rußgeschwärzt. Der Gefreite Burmeister schien ihn mit weit geöffnetem Mund anzubrüllen doch Stargard hörte nichts als den sich entfernenden Klang der Glocke. Hastig sammelte Burmeister Bretter und Schutt von seinen Armen und Beinen.
Ein weiterer Soldat zerrte an ihm. Gemeinsam zogen sie ihn unter einem Balken hervor und stemmten ihn hoch. Stargard konnte sich umblicken. Er hatte in einem Haus gelegen von dem zwei Wände und das Dach fehlten. Durch Staub und Qualm konnte er den Russenpanzer in weniger als 100 Meter Entfernung sehen. Über Balken und Trümmer stolpernd drängten sie sich aus der Ruine durch die einzig verbliebene Tür.

Stargard konnte langsam seine Beine und Arme wieder spüren. Er konnte laufen. Nur hören konnte er nichts. Nicht einmal mehr die Glocke denn die war von einem Meeresrauschen verdrängt worden.
Der zweite Mann, der ihn stützte war Feldwebel Schmidt aus der Funkstelle. Der blutete am Kopf und an der Schulter. Zu dritt brachte sie sich hinter die nahen Stallgebäude in Deckung.
Burmeister rief Stargard wieder etwas zu doch der konnte außer einem dumpfen Geblubber nichts verstehen. Schmidt winkte ab und wies auf die anderen Gebäude. Dann rissen sie sich wieder hoch und rannten in die zugewiesene Richtung. In einem Entwässerungsgraben an einer langgestreckten Mauer trafen sie auf andere deutsche Soldaten.
Stargard hörte Schüsse und Detonationen. Jetzt konnte er auch wieder die Soldaten verstehen.
„Herr Hauptmann!“ brüllte ihm Burmeister ins Ohr. „Die Russen sind durchgebrochen!“
Stargard zuckte zurück. „Nicht so laut.“ Brummte er schwerfällig. „Ich hör Sie doch!“
„Herr Hauptmann.“ Stieß Burmeister nun noch einmal etwas ruhiger hervor. „Die Russen sind durchgebrochen! Die haben den Stab in Klump gehauen. Der Regimentskommandeur ist tot!“

Oberstleutnant Bries war tot? Wer hat denn jetzt das Kommando? Stargard sah sich um. Er blickte in fragende Gesichter, die eine Entscheidung von ihm hören wollten. Wenn Bries ausgefallen war, hatte der nächst ranghöhere Offizier das Kommando. War denn keiner der Bataillonskommandeure hier? Nein? Dann war der ranghöchste Offizier er selbst, Hauptmann Freiherr von Stargard, Stabschef des Infanterieregiment 7.

Burmeister nestelte an seiner Feldflasche und goss seinem Hauptmann vorsichtig Wasser über das Gesicht. Das brannte wie die Hölle aber der Blick wurde klarer. Während sich Stargard das schwarze Wasser im Gesicht verrieb, spürte er die schmerzenden unnatürlichen Bartstoppeln.
Ein Sanitätsunteroffizier kam geduckt angerannt. Stargard lag mit weit ausgestreckten Beinen an die Mauer gestützt. Der Sani hockte sich vor ihm auf den Boden und blickte ihm intensiv ins Gesicht. „Was ist mit ihm?“ fragte er schließlich.
Burmeister antwortete: „Die Russen haben den Regimentsstab zusammengeschossen. Der Hauptmann wurde unter dem Dach begraben. Wir haben ihn ausgebuddelt und hier hergeschleppt. Ich glaub der war ne Minute bewusstlos.“
Der Sani nickte und drehte sich Stargard zu. „Wie heißen Sie?“
„Was?“ stammelte Stargard.
„Herr Hauptmann.“ Wiederholte der Sani konzentriert. „Wie heißen Sie!“
Stargard begriff, das der Sani herausfinden wollte, ob er zurechnungsfähig sei. „Hauptmann Taras Gunther von Stargard.“ Haspelte er rasch herunter. „Infanterieregiment 7. Geboren am 16. April 1919 in Hohenzieritz. Feldpostnummer 08953!“
Der junge Sanitätsunteroffizier blickte sich unter den anwesenden Soldaten um, die mit ihrem Nicken bestätigten, dass die Angaben stimmten. Dann tastete er vorsichtig die Arme und Beine des Offiziers ab, der noch immer regungslos vor ihm lag. Anschließend stellte er nach kurzem grübeln seine Diagnose: „Ich denk, is alles in Ordnung!“
Stargard schaffte es ihn am Arm zu greifen. „Mein Gesicht!“ fragte er. „Was ist mit meinem Gesicht? Es brennt so! Ist mein Gesicht verbrannt?“
„Nein, nein, Herr Hauptmann.“ Beruhigte ihn der Sani. „Sie haben ein paar Dutzend Holzsplitter im Gesicht. Die paar großen kann ich jetzt rausziehen und dann Alkohol rüber gießen. Der Rest muss rauseitern.“
Noch heißer als das Brennen in seiner Gesichtshaut spürte Stargard nun den Scham in sich aufsteigen. Er dachte, dass er auf den Tod verwundet sei und hatte sich lediglich einige Splitter eingefangen…
Mit aller Willensstärke zog er die Beine zu sich heran und stemmte sich an der Mauer hoch. Der Gefechtslärm dauerte unvermindert an und die Männer in diesem Graben erwarteten seine Entscheidungen.

Am 2. April hatte Hauptmann Stargard seinen Dienst im Stab des Infanterieregiment 7 angetreten. Das Regiment unter dem Kommando des wenig entschlußfreudigen Reserveoffiziers Oberstleutnant Brieß war Bestandteil der faktisch neuaufgestellten 28. Infanteriedivision. Die Nummer und einige Offiziere und Unterführer waren von der alten 28. Jägerdivision übernommen worden ansonsten handelte es sich bei dem Verband eine der wenigen Neuaufstellungen des Jahres 43. Aufstellungsort war Stettin und das taktische Zeichen blieb das Schinkelkreuz. Zur Division gehörte neben dem Infanterieregiment 7 die Infanterieregimenter 8 und 15 sowie das Artillerieregiment 28. Kommandeur war Generalmajor Hyazinth Graf Strachwitz von Groß-Zauche und Camminetz – ein zupackender, mitreißender Offizier und erklärter Nazigegner. Mit der Empfehlung von Tresckow war Stargard bei der Divisionsführung gut angesehen. In seinem Regiment hatte er dagegen keinen leichten Anfang. Der tödlich verwundete Stabschef, den er ersetzen sollte, stammte aus dem alten Kader und war bei Offizieren, Unterführern und Mannschaften sehr beliebt.
Stargard hatte kaum Zeit sich in seine neue Aufgabe einzuarbeiten. Die 28. Infanteriedivision gehörte zum Verband des XXVII Armeekorps, das wiederum zur 9. Armee unter General Model gehörte und war nordöstlich Witebsk in der Front. Am Tag seines Dienstantritts begann die Offensive in der Südukraine. Am 21. April begann die Offensive der 2. Panzerarmee im Raum Smolensk-Gomel im Frontabschnitt der Heeresgruppe Mitte. Nach der Zerschlagung der gegnerischen Gruppierung am Oberlauf des Dnjepr erhielt das XXVII Armeekorps unter General der Infanterie Walter Weiß am 7. Mai den Auftrag, den Gegner vor der Front zu werfen und in Richtung Welikie Luki – Toropez vorzurücken. Durch diese Flankierung sollte der 16. Armee, die zur Heeresgruppe Nord gehörte, der Übergang in die allgemeine Offensive erleichtert werden.

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Am 15. Mai hatte das Regiment den Fluss Lowat am Dorf Tschestnokowo im Raum Welikie Luki erreicht. Die Offensive war bisher planmäßig verlaufen auch wenn sich der Russe hartnäckig verteidigte. Mit Unterstützung der Regimentsartillerie konnte jeder Widerstand rasch gebrochen werden. Die Bataillone gingen entfaltet gegen das Flussufer vor um in Abstimmung mit den anderen Truppen der Division die Stadt Welikie Luki in den nächsten Tagen einzunehmen. Der Stab hatte in einer Kolchose Stellung bezogen als am Morgen des 16. Mai russische Panzer mit Begleitung von Infanterie aus dem nahen Wald hervor brachen. Erste Meldungen sprachen von wenigsten 5 Panzern, die versuchten die Ansammlung aus Scheunen und Ställen zu umgehen um in den Rücken der Division zu gelangen.
Der Regimentsstab verfügte nur über geringe Deckungskräfte und schon gar nicht über ausreichende Panzerbekämpfungsmittel. Die Bataillone waren mehr als 2 Kilometer entfernt und bevor noch ein Entschluss gefasst werden konnte und Hilfe herbeigerufen werden konnte, war dieser eine Russenpanzer vom Typ T-34 mit der 8,5 cm Kanone mitten in den Wirtschaftshof der Kolchose gefahren. Aus nächster Nähe feuerte er seine Granaten in die Funkstellen, in die Bereitstellungen und dann in das Stabsgebäude.

Dort hatte es Brieß erwischt. Stargard sah die Bilder erschreckend klar vor sich. Das Regiment war Führungslos und er musste einen Entschluss fassen.
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Beitragvon Taras » 14. Februar 2016 15:00

Erschüttert musste Stargard feststellen, dass er unbewaffnet, ohne Koppel und ohne Kopfbedeckung das Kommando übernehmen sollte. „Melder zu mir!“ brüllte er. „Burmeister, Papier und Stift!“
Der Gefreite reichte ihm einen Meldeblock und einen Bleistift doch Stargard war nicht in der Lage zu schreiben. Seine Hände gehorchten ihm nicht. Wütend stieß er Block und Stift an Burmeister zurück. „Schreib!“ zischte er grimmig. „An Bat I IR 7. Durchbruch von fünf Russenpanzern mit Infanterie. Regimentsstab überrannt. Stellung halten! Rundumsicherung! Panzerbekämpfungstrupp zum Regimentsstab senden!“ Stargard forderte den Zettel zur Unterschrift. Er überflog kurz die ausgemalte Kinderschrift mit mehreren Rechtschreibfehlern und unterschrieb dann mit zitternd und krakelig mit ‚Stargard, IR 7 Ia‘.

Ein Soldat hatte sich als Melder bereit erklärt. Stargard wies ihn ein. „Gehen Sie um den Weiler herum, durch den Graben zum Waldrand! Dort liegt das erste Bataillon. Achten Sie auf feindliche Infanterie! Beeilung! Sie gehen nicht allein!“ Stargard sah sich um und wies auf einen Obergefreiten der rauchend in dem Graben saß. „Sie gehen mit und geben Deckung!“
Der angesprochene Soldat warf verbittert die Kippe weg und brummte irgendetwas, was sich nach ‚Zu Befehl, Herr Hauptmann.‘ anhören konnte. Dann putzte er den Dreck von seinem Maschinenkarabiner und machte sich gemeinsam mit dem Freiwilligen auf den gefährlichen Weg.

„Zahlmeister!“ gab Stargard den nächsten Befehl. „Sie halten hier mit den Soldaten der Schreibstube die Stellung! Sammeln sie zurückgehende Soldaten und weisen Sie feindliche Infanterie ab. Neuer Sammelort des Stabes ist der Regimentsverbandsplatz bei der Kirchenruine!“ Stargard richtet sich trotz sporadischem Maschinengewehrfeuer kerzengerade auf: „Der Rest!“ brüllte er. „Aufschluss zur Stabskompanie, mir nach!“

Gefolgt von einem Dutzend Soldaten rannte Stargard durch den Entwässerungsgraben am Rand der Kolchose entlang. Links der Wirtschaftsgebäude sollte die Stabskompanie im Kampf gegen den feindlichen Durchbruch stehen. Kaum hatten sie die Hofmauer hinter sich gelassen, konnten sie den gegnerischen Angriff wie im Sandkasten vor sich sehen.
Vier russische Panzer – drei Matilda und ein T-34 Mickey Mouse – wollten an der Kolchose vorbei in die Tiefe des unvereidigten Raumes. Die begleitenden Schützen waren von der Stabskompanie zu Boden gezwungen worden und ohne infanteristische Deckung wagten sich die Panzer nicht weiter vor. Langsam ruckten die Panzer vor und feuerten auf jede erkannte Feindstellung.

Über den Waldrand kamen zwei Ju-87 getorkelt. An ihrer charakteristischen Krümmung der Tragflächen konnte man sie sofort erkennen. Während die beiden Maschinen geradezu gemächlich eine Runde über der Kolchose drehten, konnte Stargard sie als ‚Kanonenvögel‘ identifizieren. Die Kanonengondeln mit ihren langen Läufen konnte er unter den Tragflächen deutlich erkennen. Jetzt waren die Panzer dran!

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Ju-87 G, Schlachtflieger mit zwei 3,7-cm-Flak 18 in Gondeln unter den Tragflächen. Je Gondel zwei Laderahmen mit jeweils 6 Schuss

Ein russischer Jäger erschien einsam am Horizont. Doch bevor er den langsamen deutschen Sturzkampfbombern gefährlich werden konnte, wurde er von zwei Focke-Wulff, die blitzartig aus dem Himmel herunterstießen, in den Wald genagelt.

Die Sturzkampfbomber hatten ihre erste Runde beendet und kippten nun zum Angriff ab. Nervtötend setzten die Jerichogeräte ein. Dann bellten die Bordkanonen auf. Bumm! Ein Matilda ging in Flammen auf, dem anderen wurde der Turm weggesprengt. Die Stukas fingen ab und stiegen wieder auf. Mit beruhigendem Motorengebrumm drehten sie ihre nächste Runde. Die russischen Panzer verfügten nicht über Funkgeräte und konnten die plötzliche Bedrohung daher nicht erkennen. Nervös krochen sie zurück. Wieder setzte das Gejaule ein. Beide Stukas kippten über ihre linke Tragfläche ab und stürzten sich auf den Feind. Die Kanonen belferten. Der T-34 hüllte sich in schwarzen Qualm. Dem verblieben Matilda Panzer wurden die Turmluken aufgesprengt und eine meterhohe Feuerzunge schoss in den Himmel.
Die Stukas zogen noch eine Runde und ballerten auf Ziele, die Stargard nicht ausmachen konnte, dann drehten sie mit wackelnden Tragflächen ab zum Heimflug. Der gefährliche Durchbruch war abgewehrt!

Trotzdem ebbte der Gefechtslärm nicht ab. Aus der Kolchose konnte Stargard Kanonenfeuer hören. Wo der Entwässerungsgraben auf den Forstweg traf, fand Stargard den Kommandeur der Stabskompanie. Oberleutnant Müller berichtete, dass in der Ebene vor ihnen zwischen und hinter den vier vernichteten Panzern haufenweise russische Infanterie lag – teils tot, teils verletzt, teils in Deckung und in jedem Fall gefährlich.

Ein Melder kam angerannt und berichtete, dass der T-34, der die Stabsgebäude zusammen geschossen hatte nur beschädigt sei und weiter auf jeden schoss, der den Kopf hob.
Oberleutnant Müller informierte daraufhin, dass beim Regimentsverbandsplatz eine Panzerabwehrkanone des 2. Bataillons liegengeblieben sei. Die Lafette war beschädigt aber die Kanone funktionierte noch. Sie im Mannschaftszug in Schußposition zu ziehen würde vielleicht eine halbe Stunde dauern.
„Verdammt!“ fluchte Stargard. „Damit ist das Regiment eine weitere halbe Stunde führungslos.“ Er musste einen Entschluss fassen. „Müller, veranlassen Sie, dass die Pak zur Kolchose geschleppt wird. Informieren Sie die Leute, dass ich vom ersten Bataillon einen Panzerbekämpfungstrupp angefordert habe. Wir können aber nicht abwarten. Solange der gegnerische Panzer kämpfend mitten in unserer Stellung steht, kann die Führung nicht wieder hergestellt werden.
"Schicken Sie einen Melder zur Division und informieren Sie dort über unsere Situation. Wir benötigen unbedingt Ersatz für unsere zerstörte Funkstelle.
Im Weiteren ordnen Sie mir ein Gewehr, ausreichend Handgranaten und drei verlässliche Männer zu. Gemeinsam werden wir den Panzer direkt angehen.“

Kurz darauf eilte Stargard durch den Graben zum Gehöft zurück. Gedeckt durch die Wirtschaftsgebäude näherten sie sich dem russischen Panzer. Da stand das Monstrum, an derselben Stelle, an der Stargard den T-34 aus dem zerfetzten Stabsgebäude gesehen hatte. Das rechte Fahrwerk schien zerstört zu sein. Ansonsten war der Panzer noch funktionstüchtig. Wie ein böses Tier stand der Panzer mitten in der Kolchose, drehte Wanne und Turm mal in die eine – mal in die andere Richtung und ballerte mit Maschinengewehren und Kanone auf erkannte und vermeintliche Ziele.
„Na Munition scheint der ja noch ausreichend zu haben.“ Brummte einer der Obergefreiten, die Stargard zugeteilt waren, grimmig.
Sein Kamerad erwiderte: „Ich versteh nicht, warum die nicht abgehauen sind, nachdem sie gemerkt haben, dass das Fahrgestell im Eimer ist. Ich mein, denen muss doch klar sein, dass die jetzt fertig gemacht werden.“

„Wir machen es wie folgt.“ Ordnete Stargard an. „Sie beide gehen an den Ruinen entlang. Sichern Sie gegen russische Infanterie, die dem Panzer eventuell gefolgt sind! Sie lassen uns beiden Zeit, damit wir durch den Stall auf Wurfweite rankommen. Dann werfen Sie zwei Granaten und wenn sich der Panzer in ihre Richtung dreht, versuche ich ranzukommen.“
Sie hatten zwar keine Panzerbrechenden Granaten, hofften aber den Kampfwagen mit den vorhandenen Mitteln in Brand stecken zu können oder so schwer zu beschädigen, dass er außer Gefecht war. Die Landser bestätigten den Schlachtplan teils ungläubig, teils ehrfurchtsvoll nickend.

Durch das langestreckte leere Gebäude arbeiteten sie sich zu zweit an den gegnerischen Panzer heran. Kaum hatten sie das hintere Tor erreicht, detonierten draußen zwei Handgranaten. Tatsächlich dreht sich der Turm in die Richtung aus der die Granaten geworfen wurden. Während sein Begleiter mit einer MPi sicherte, verließ Stargard den Stall und schleuderte seine Stielgranate. Trotz fehlender Übung traf er den hinteren Teil des ungefähr zehn Meter entfernten Panzers aber seine Granate hatte zu viel Schwung, so dass sie einfach vom Motorengehäuse abprallte und fort sprang.
So klappt es nicht! Die feindliche Besatzung hatte etwas bemerkt. Die Wanne mittels der unbeschädigten Kette drehend, versuchte der Panzer sein Bord-MG in Position zu bringen. Die fehlgegangene Granate explodierte hinter dem Panzer. Kurz entschlossen rannte Stargard gegen das stählerne Ungetüm an. im Laufen riss er zwei Granaten ab und legte sie auf der Motorenabdeckung ab. Dann hetzte er in die Deckung der Ruinen.
Beide Granaten explodierten zeitgleich. Jetzt stand der Panzer still. Der Motor war verstummt und der Panzer schoss auch nicht mehr. Die Turmluke und die Fahrerluke sprangen auf und mehrere schwarze Bälle wurden herausgeworfen. Handgranaten! Deckung!
Während die Granaten explodierten, verließ die russische Besatzung behände ihren Panzer und begann aus Pistolen und Maschinenpistolen auf die umstehenden Gebäude zu schießen. Bevor Stargards Trupp richtig wusste, was los war, hatten sich die Russen abgesetzt. Wütend ballerten alle Vier hinter den fliehenden Gegnern her.
Völlig unvernünftig begannen alle vier Soldaten ungedeckt vorzustürmen um die Panzerbesatzung doch noch zu schnappen. Doch der Vorsprung zum nahen Wald war bereits zu groß. An den letzten Gebäuden der Kolchose, stießen sie auf einen hingestreckten Panzermann. Der war mehrfach getroffen worden und lag im Sterben.

Sie gaben die Verfolgung auf und knieten sich neben dem sterbenden Soldaten nieder. Ein kleiner Mann in schwarzer Uniform, mit asiatischen Gesichtszügen. Keuchend stieß der Feind irgendwelche Laute hervor. Russisch war das nicht, Hauptmann Stargard verstand kein Wort. Der Fremde wurde langsam ruhiger, während sein Leben aus mehreren Wunden aus ihm herauspulste.
Stargard hockte sich keuchend neben den Soldaten und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Der Atem des Feindes wurde flacher während er ihn mit seinen schrägen Schlitzaugen anblinzelte. Mit blutverschmierten Lippen hauchte der Sterbende in schlechtem Russisch: „Slawa sowjetskowo sajusa!“. Dann richtete sich sein schielender Blick in den blauen Himmel und es war Ruhe.
Zuletzt geändert von Taras am 28. Juni 2018 12:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Taras » 20. Februar 2016 17:50

Ermutigt durch die britische Inaktivität hatte sich der italienische Bundesgenosse im Mai 44 entschieden, einen neuen Versuch zur Eroberung Nordafrikas zu wagen. Mit zwei parallelen Landungsoperationen in Alexandria / Ägypten und Oran in Französisch Algerien bedrohten die Italiener sowohl die Meerenge von Gibraltar als auch den Suezkanal.

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Am 15. Mai 1944 ging – aufschließend auf die Angriffsbewegung der Heeresgruppe Mitte – auch die Heeresgruppe Nord in die allgemeine Offensive über. Die 18. Armee hatte den Auftrag Leningrad einzunehmen. Die vor ihr liegenden Feindverbände hatten zahlreiche Regimenter abgeben und nach Süden verlegen müssen. Daher gelang es dem rechten Flügel von Generaloberst Fritz Lindemanns Armee den Gegner bereits am 1. Operationstag zu werfen und in die allgemeine Richtung Ilmen-See vorzurücken.

Die 16. Armee hatte den Auftrag erhalten, die am östlichen Oberlauf der Düna stehende Feindgruppierung in Zusammenarbeit mit der Heeresgruppe Mitte möglichst einzuschließen und zu vernichten. Der aus der ‚Gruppe Thiemann‘ bestehende linke Flügel brach, gegen erheblichen Widerstand durch die gegnerische Verschanzung und rückte gegen Toropez vor. Hier sollte sich der Verband mit dem XXVII Armeekorps der 9. Armee treffen und den Kessel schließen.

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Im Verband des XXVII Armeekorps operierte auch das Infanterieregiment 7, das seit dem 15. Mai von Hauptmann Stargard geführt wurde. In Vertretung des gefallenen Regimentskommandeurs musste er als Stabschef die Truppenführung übernehmen, bis die Division einen neuen Kommandeur ernennen würde. Seine Verletzungen hatten sich tatsächlich als oberflächlich erwiesen. Sein entschlossenes Handeln beim russischen Durchbruch, hatte ihm bei den Männern des Regiments erhebliches Ansehen verschafft.

Bereits am 16. Mai gelang es der 28. Infanteriedivision den Lowat zu überschreiten und am Folgetag Cholm einzunehmen. Die Gruppe Thiemann hatte mit ihren vier Divisionen erhebliche Probleme, sich in dem wald- und flussreichen Gelände durch einen Gegner durchzuboxen, der ein Jahr Zeit hatte sich einzugraben.
Als am 25. Mai die Stadt Staraja Russa im südlichen Gebiet des Ilmen-Sees von der 225. Infanteriedivision eingenommen wurde, war es der Masse der 11 gegnerischen Divisionen am rechten Dünaufer gelungen, sich aus der erkennbaren Falle zurückzuziehen.

Die 18. Armee rückte Ende Mai mit ihren fünf Korps auf Leningrad und Nowgorod am Nordufer des Ilmen-Sees vor.

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Am 31. Mai eröffnete das XXVI Armeekorps den Sturm auf Leningrad. Das LIV Armeekorps ging südlich davon gegen Schlüsselburg vor. Die Straßenkämpfe in Leningrad waren nicht so heftig, wie von der Wehrmachtsführung befürchte worden war. Die russische Leningrader Front unter dem Kommando von General Wassiljewski war ausmanövriert worden und hatte nicht ausreichend Verteidiger in dem Gebiet zusammenführen können. Bereits am 6. Juni war die strategisch wichtige Stadt an der Newa Mündung erobert.

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Die Einnahme der Geburtsstätte der bolschewistischen Revolution war eine schwerwiegende Niederlage für die Sowjetarmee, die erhebliche Auswirkungen auf die Kampfmoral hatte. Darüber hinaus war die Stadt ein bedeutender Verkehrsknoten und Flottenstützpunkt. Der russischen Nordflanke fehlte nun der wichtigste Rückhalt.
Annähernd zeitgleich neigten sich auch die Kämpfe vor Kiew ihrem Ende zu. Den Truppen des russischen Südflügels war es nicht gelungen aus dem Kessel auszubrechen, der von den deutschen Panzerverbänden Mitte Mai geschlossen worden war.

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Auch der Entsatz von außen war der Roten Armee nicht gelungen. Die teilweise fanatischen Angriffe, die den Einschließungsring von Norden oder Osten aufsprengen sollten wurden in ständigem Manöver mit den gepanzerten deutschen Verbänden abgewiesen. In der gewaltigen Umfassungsoperation zwischen Kiew, Brjansk und Charkow verlor die Rote Armee mehr als 50 Divisionen. Das waren Verlustzahlen wie im Sommer 41. Die Heeresgruppe Süd war kaum in der Lage die Masse an Gefangenen zu versorgen und abzutransportieren.

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Seit Beginn der deutschen Offensive vor 10 Wochen, hatte die Rote Armee damit insgesamt 93 Divisionen komplett verloren. Mehr als eine halbe Million Rotarmisten waren in Gefangenschaft geraten, ca. 400.000 Mann waren durch Tod und Verwundung ausgefallen. Im Großen Generalstab in Berlin keimte die Hoffnung auf, den Krieg doch noch siegreich beenden zu können.

Dennoch geriet die hoffnungsvoll begonnene deutsche Offensive ab Mitte Juni zunehmend ins Stocken. Der Luftwaffe war es insgesamt nicht gelungen, die Luftherrschaft an der Ostfront zu erringen. Russische Bombenflieger waren tief in das deutsche Hinterland eingedrungen und hatten systematisch Brücken, Rangierbahnhöfe und Straßenknoten angegriffen. Der Nachschub an die kämpfende Truppe wurde immer spärlicher. Ab Mitte Juni war die Heeresgruppe Nord zu großen Teilen und die Heeresgruppe Mitte fast gänzlich vom Nachschub abgeschnitten.
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Die russischen Bomber der Konstruktionsbüros Petljakow und Tupolew waren fast so schnell wie die deutschen Focke-Wulff Jäger und die Reichweite der schnelleren Me-109 Kurfürst war zu gering um die eindringenden Bomber wirksam abfangen zu können.

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Den Russen genügte die Verschnaufpause um die eigene Truppe nach den fürchterlichen Niederlagen wieder fest in den Griff zu bekommen. Vor der deutschen Front tauchten ein Dutzend neu aufgestellter mechanisierte Divisionen auf. Die deutschen Verbände im Angriffsabschnitt Moskau gerieten wegen des Mangels an Sprit und Munition sogar in die Defensive.

Das Bild änderte sich erst, als sich der Große Generalstab Anfang Juli entschloss, die Kampfgruppe I unter dem General der Flieger Bruno Lörzer nach Riga zu verlegen. Die Kampfgruppe bestand aus den Jagdgeschwadern 26, 51 und 53 und war bereits mit den völlig neuartigen Düsenjägern Messerschmitt Me-262 ausgerüstet.

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Gegenüber den russischen Jägern hatte dieses modernste Jagdflugzeug einen Geschwindigkeitsvorteil von 200 km/h, gegenüber den russischen Schnellbombern von über 300 km/h. Hinzu kam, die große Reichweite und die vernichtende Bewaffnung mit vier Maschinenkanonen. Von Riga aus konnten die Jäger den gesamten Luftraum der Heeresgruppen Nord und Mitte abdecken. Die Jagdverbände wurden von den leistungsstarken Radarstationen im Raum Smolensk geführt. Binnen zweier Wochen mussten die Russen die Angriffe gegen die deutsche Infrastruktur einstellen.
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Moskau

Beitragvon Taras » 27. Februar 2016 15:28

Im Juli 1944 konnte endlich der deutsche Flugzeugträger Graf Zeppelin fertiggestellt werden. Das Schiff war bereits im Dezember 1938 in Kiel vom Stapel gelaufen. Wegen des ausgebrochenen Krieges fehlten anschließend die Ressourcen um den Flugzeugträger einsatzfähig zu machen. Nach der Machtübernahme durch die Regierung Beck, entschloss sich die Marineführung, das Projekt wieder voranzutreiben. Das riesige Schiff wurde nach Stettin geschleppt um es vor alliierten Bombenangriffen zu schützen und dort fertiggestellt. Die Baukosten betrugen von der Kiellegung im November 1935 bis zur Übergabe an die Kriegsmarine im Juli 1944 mehr als 98 Millionen Mark. In dieser Summe waren noch nicht die trägergestützten Flugzeuge enthalten, denn die waren noch nicht gebaut.

Mit 263 Metern war die ‚Zeppelin‘ noch länger als die 1941 gesunkene ‚Bismarck‘. Gegenüber dem gepanzerten Schlachtschiff hatte sie jedoch mit ca. 28.000 Tonnen annähernd nur halb so viel Wasserverdrängung.

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Die Maschinenleistung betrug 200.000 PS und ermöglichte eine maximale Geschwindigkeit von 34 Knoten (ca. 63 km/h). Die ‚Zeppelin‘ konnte 43 Flugzeuge aufnehmen. Geplant waren 33 Torpedo- und Sturzkampfbomber und 10 Jagdflugzeuge. Nach der Übernahme der Fliegergruppe würde die Besatzung des Flugzeugträgers 1.800 Mann betragen.
Zur Selbstverteidigung verfügte die ‚Zeppelin‘ über 16 x Schiffskanonen im Kaliber 15 cm und hatte damit die Feuerkraft eines leichten Kreuzers. Die Luftverteidigung verfügte über die Bewaffnung: 12 mal 105 mm Flak, 22 mal 37 mm Flak und 28 mal 20 mm Flak.

Marinesachverständige, die Erfahrungen aus dem Pazifik-Krieg des japanischen Verbündeten auswerten konnten, sahen die Konzeption dieses Flugzeugträgers im Jahr 1944 bereits als überholt an. Die Fliegergruppe wurde als zu klein, Flugabwehrbewaffnung als zu schwach und die Schiffskanonen als unnötig und insgesamt hinderlich eingeschätzt. Der moderne japanische Flugzeugträger ‚Zuikaku‘ konnte im Vergleich eine Fliegergruppe mit 84 Flugzeugen ins Gefecht führen und verteidigte sich mit 96 Fliegerabwehrkanonen zuzüglich weiterer Raketenwerfer zur Luftabwehr.
Ob die ‚Zeppelin‘ den Anforderungen des modernen Gefechtes im Zuge von Umbauten gerecht werden konnte oder eine völlig neue Schiffsklasse konzipiert und gebaut werden musste blieb strittig.



Im Juli 44 erreichte der italienische Vormarsch in Nordafrika im Westen Casablanca an der marokkanischen Atlantikküste und im Osten den Suez Kanal. Nur Tunesien, die französische Kolonie, die sich den Freifranzosen unter de Gaulle angeschlossen hatte blieb weiterhin in alliierter Hand. Ebenso blieben Gibraltar, Malta, Zypern, Korsika und das italienische Sardinien unter englischer Besatzung. Von hieraus konnten die Alliierten das gesamte Mittelmeer maritim und aus der Luft bedrohen. Wenn es den Italienern nun aber gelang, die alliierte Versorgung durch die Straße von Gibraltar abzuschneiden, lagen all diese gegnerischen Truppen auf verlorenem Posten.
Um auf die neue strategische Lage zu reagieren, verlegt die deutsche Marineführung den Schwerpunkt des U-Bootkrieges in den Bereich vor der nordafrikanischen Atlantikküste.
Die Briten führten Ihrerseits aus dem Nahen Osten Verstärkungen zum Kampf um Palästina und zur Rückeroberung des überragend wichtigen Kanal von Suez heran.



An der Ostfront war der Sommer durch ununterbrochene Kämpfe gekennzeichnet. Die Russen konnten aus der Tiefe ihres Landes immer neue Verbände in die kritischen Richtungen werfen. Die Ostukraine und die südrussische Steppenregion wurden kaum noch verteidigt. Das Vorrücken deutscher Verbände wurde hier hauptsächlich von der schlechten Infrastruktur behindert.
Nach erfolgreichem Abschluss des Unternehmen ‚Leuthen‘ mit der Vernichtung des eingeschlossenen russischen Südflügels, wurde Generaloberst Models 9. Armee in ihrem Vormarsch auf Moskau durch von Mackensens 2. Panzerarmee unterstützt.

Ende Juli war das XXVII Armeekorps unter Generalleutnant Weiss - aus nordwestlicher Richtung gegen Moskau vorgehend - auf die innerste Verteidigungslinie an der Wolokolamsker Chaussee gestoßen. Die 28. Infanteriedivision war zur Einnahme von Krasnogorsk im unmittelbaren Moskauer Vorfeld eingesetzt. Der Stabschef des zu dieser Division gehörenden Infanterieregiment 7, Freiherr von Stargard war zwischenzeitlich zum Major befördert worden und hatte für seinen Einsatz nach dem Ausfall des Regimentskommandeurs das Eiserne Kreuz 1. Klasse erhalten. Der gefallene Kommandeur des Regimentes war Ende Juni durch einen jungen und energischen Oberstleutnant ersetzt worden und Stargard hatte wieder seine eigentliche Aufgabe übernommen.

Der 28. Infanteriedivision war neben der, ebenfalls zum XXVII Armeekorps gehörenden, 8. Infanteriedivision ein eigenes Artillerieregiment zugeteilt. Das machte diese beiden Divisionen wegen ihrer stärkeren Durchschlagskraft zu den Sturmspitzen des Armeekorpses.
Die Infanterieregimenter 8 und 28 verfügten jeweils über drei Abteilungen. Jeder Artillerieabteilung waren drei Batterien mit jeweils vier Geschützen unterstellt. Das Artillerieregiment 28 zeichnete aus, dass die zwei leichten Abteilungen (jeweils 12 leichte Feldhaubitzen 105 mm), mit Beutelastkraftwagen motorisiert worden waren. In den begrenzten Offensiven des zurückliegenden Sommers waren so viele Lend&Lease LKW erobert worden, dass sie auch auf die Infanterieverbände verteilt werden konnten und dort gern genommen wurden.
Die zugeteilten Lastkraftwagen stammten aus amerikanischer Produktion. Mit 94 PS auf drei Achsen war der Studebaker zwar nicht so leistungsstark wie die leichten und mittleren Zugkraftwagen aus deutscher Produktion – aber die Truppe nahm, was sie kriegen konnte.

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Die schwere Abteilung, des Artillerieregiment 28, wurde weiterhin im Pferdezug bewegt. Die 150 mm Feldhaubitzen wurden für den Transport in zwei Lasten zerlegt und wie zu Napoleons Zeiten im Gespann mit jeweils sechs Pferden manövriert. In dem schwierigen russischen Gelände kamen die Gespanne oft besser zurecht als die amerikanischen Lastkraftwagen.
Das XXVII Armeekorps rückte mit drei Divisionen in der ersten Staffel gegen Moskau vor und hielt zwei Divisionen in der Reserve um die Flanken zu decken und gegebenenfalls erzielte Durchbrüche zu erweitern. Die Feuerkraft der beiden Artillerieregimenter mit jeweils 36 Geschützen (Soll Stärke) bahnte dem Korps den Weg.

Links der 28. Infanteriedivision war die 7. Fliegerdivision von Generalmajor Richard Heidrich in die, dem Gegner geschlagene Lücke eingeführt worden und ging gegen den Moskau-Wolga-Kanal vor. Eigentlich ein Luftlandeverband, wurde die Division an der Ostfront vorwiegend im infanteristischen Einsatz benötigt.

Die Russen verteidigten ihre Hauptstadt verbissen, waren aber zu Beginn des August deutlich in Unterzahl. Die Feindaufklärung der Heeresgruppe informierte, dass im Angriffsraum Moskau 15 gegnerische Großverbände vergleichbar einer Division ausgemacht wurden. Dagegen hatte Generalfeldmarschall von Kluge mehr als 20 Divisionen gegen die russische Hauptstadt angesetzt – die Hälfte davon Panzerdivisionen.

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Heidrichs 7. Fliegerdivision war im Kern bereits 1938 aufgestellt worden. Das taktische Zeichen der Division war der Fallschirm. Im Gegensatz zu den meisten anderen Divisionen, galt für diesen Eliteverband nicht das Territorialprinzip. Das bedeutete, dass sich die Soldaten, Unterführer und Offiziere dieser Truppe nicht aus einem Landkreis rekrutierten sondern nur die schneidigsten und unerschrockensten Männer aus der gesamten Wehrmacht aufgenommen wurden.
Hinzu kamen die Erfahrungen, die vom Stamm der legendären Luftlandetruppen eingebracht wurden. Fast die gesamte Führungsebene war bei den verschieden Husarenstücken der deutschen Fallschirmjäger dabei gewesen - ob Norwegen, Eben Emael oder Kreta. Entsprechend draufgängerisch führte die Division auch ihre Angriffe im Rahmen des XXVII Armeekorps durch.

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Während die 28. Infanteriedivision in Krasnogorsk an der Moskwa fest hing und sich mit eilig aufgestellten Arbeitermilizien und fanatischen Komsomolbrigaden blutige Häuserkämpfe lieferten, war die 7. Fliegerdivision tollkühn vorgeschnellt und hatte am 2. August das unmittelbare Stadtgebiet der sowjetischen Hautstadt erreicht. Im alten Drang nach Vorwärts, hatten die Fallschirmjäger-Regimenter den Mauskau-Wolga-Kanal überwunden und waren nach Schukino – einem der Moskauer Stadtteile eingedrungen. Von hier waren es nur noch 12 km Luftlinie bis zum Kreml.

Während sich das XXVII und das VI Armeekorps von Nordosten in die Stadt vorkämpften, wurden die Truppen der 2. Panzerarmee weitgehend aus dem Kampf im bebauten Gelände herausgehalten. Haussers Panzergruppe V und Kluges Kürassierkorps hatten die Aufgabe erhalten, Moskau weiträumig zu umgehen und vom Hinterland abzuschneiden. Eine Verstärkung und Versorgung der Stadtverteidiger sollte mit dieser Operation verhindert werden.

Am 5. August war die 28. Infanteriedivision bis an den Petroff Palast vorgedrungen. In dem zugehörigen Park wurde die Artillerie aufgestellt. Von hier konnten die Feldhaubitzen den im Häuserkampf vorgehenden Angriffsspitzen bis zum Roten Platz zuverlässige Feuerunterstützung liefern.
Am Rande des Parks hatte sich der Stab des Infanterieregiments 7 in einer Schule einquartiert. An den Wänden des Klassenzimmers hingen noch die Propagandaplakate, die einen baldigen Sieg prophezeiten und wie zum Hohn den vereinten Kampf mit den Westalliierten lobte.

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In den Feuerpausen zogen Ströme von verängstigten Menschen auf der Magistrale am Palast vorbei um dem Inferno irgendwie zu entgehen. Die Feldgendarmerie durchsuchte sie nur flüchtig nach Waffen und sortierte mitziehende russische Soldaten aus.
Bereits am 7. August hatten die Spitzen der 7. Fliegerdivision den Kreml erreicht. Von Norden drängte die zum VI Armeekorps gehörende 25. Infanteriedivision gegen das ehemalige Machtzentrum der Sowjetunion.

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Widerstandspunkte wurden in engem Zusammenwirken von der Artillerie zusammengehauen und anschließend mit Handgranate, Sturmgewehr und Flammenwerfer ausgeräuchert.
Am 8. August war der Kreml in deutscher Hand. Dieser Erfolg hatte jedoch nur symbolischen Charakter denn die Sowjetregierung war bereits vor dem direkten Angriff auf Moskau nach Stalingrad ausgewichen. Die letzten Kämpf in den Ruinen des Kaufhaus GUM wurden am 9. August eingestellt. Eine reguläre Kapitulation irgendeines Befehlshabers oder Stadtkommandanten fand nicht statt. Es war einfach vorbei. Das Schießen und Sterben hatte aufgehört die überlebenden völlig demoralisierten Rotarmisten kamen mit erhobenen Händen aus den Ruinen gekrochen.

Moskau war gefallen!


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Sommerfeldzug

Beitragvon Taras » 1. März 2016 19:44

Die politische und militärische Führung Deutschlands musste erschüttert zur Kenntnis nehmen, dass die Sowjetführung auch nach der Einnahme der russischen Hauptstadt nicht bereit war, sich auf Verhandlungen über einen Separatfrieden einzulassen. Mit Moskau war das wichtigste Industriegebiet, die bevölkerungsreichste Region, der bedeutendste Verkehrsknoten, das kulturelle und ideologische Zentrum verloren gegangen. Das rote Reich schwankte – aber es fiel nicht!

Generalfeldmarschall von Manstein – Kommandeur der Heeresgruppe Süd – entschloss sich, rasch einen weiteren schweren Schlag gegen den russischen Widerstandwillen zu führen. Am 11. September erteilte er Guderians Panzergruppe I aus dem Raum zwischen Rostow am Don und Woroschilowgrad, einen Stoß gegen Stalingrad auszuführen. Nach der gescheiterten Offensive von 1942 war die Stadt an der Wolga für beide Parteien von höchster Bedeutung.

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Ohne auf ernsthaften Widerstand zu treffen, eilten die fünf Panzerdivisionen auf demselben Weg den die untergegangene 6. Armee im Sommer 42 genommen hatte der Wolga zu. Die Flankendeckung wurde gemäß Gurderians altem Motto völlig vernachlässigt. Vom Don her marschierten die Infanterieverbände der Armeeabteilung Hollidt den schnellen Verbänden hinterher. Deren Vormarsch sollte dann die Flanken der weit exponierten Panzergruppe Guderian sichern.

Mitte August trafen die Panzerspitzen Guderians nördlich Stalingrads auf die Wolga. Der größte russische Strom und der strategisch wichtige Verkehrsweg für das Öl der Kaukasus Region und die alliierten Güter über die persische Route, war seit dem Herbst 42 zum zweiten Mal durchtrennt. Die Gefechtsaufklärung ergab, dass es dem Gegner nicht gelungen war, stärkere Kräfte zu Verteidigung der Stadt heranzuziehen. Stalingrad war noch immer eine Trümmerlandschaft. Die Industrie konnte noch nicht wieder aufgebaut werden und Menschen lebten auch kaum in der verwüsteten Gegend. Es blieb allein die symbolische Bedeutung!
Eine Panzerdivision ist nicht der geeignete militärische Verband für einen Kampf im bebauten Gelände. In der Enge von Häusern, Trümmern und Barrikaden verloren die gepanzerten Fahrzeuge ihre Vorteile und wurden leicht die Beute von flexibel reagierenden Infanterietrupps. Die Kommandeure der Panzerdivisionen warnten ihren Befehlshaber daher davor, in die Stadt einzudringen. Der Angriff sollte erst erfolgen, wenn ausreichend Infanterie nachgerückt wäre. Doch Guderian wollte den Russen nicht die Möglichkeit geben, noch einmal Zeit zu gewinnen um den Wiederstand zu organisieren. Er ordnete den sofortigen Angriff an. Hier ging Geschwindigkeit vor Zweckmäßigkeit.
Der blutige Kampf dauerte dann auch 15 Tage. Auf russischer Seite kämpften lediglich zwei Schützendivisionen und etliche Alarmverbände in zähem Widerstand gegen die nach und nach eingreifenden deutschen Panzertruppen. Am 4. September verebbten die Kämpfe im Raum Stalingrad endgültig. Die Stadt war gefallen und dieses Mal blieb sie in deutscher Hand.

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In Nordafrika war der italienische Vormarsch im September 44 ins Stocken geraten.

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Den Briten war es gelungen Teile Algeriens, Tunesien und Teile Libyens besetzt zu halten. Noch verhängnisvoller war, dass sie auch Gibraltar, Sardinien, Malta und Zypern unter ihrer Kontrolle behielten. Damit konnten die Alliierten die Versorgung ihrer Truppen sicherstellen und andererseits die Versorgung der italienischen Truppen in Nordafrika immer wirkungsvoller bekämpfen. Italien geriet in die Defensive.

Diplomatische Bemühungen, Franco-Spanien auf die Seite der Achse zu ziehen, kamen nicht voran. Anscheinend wollte Madrid noch weiter abwarten, zu welcher Seite sich die Waagschale des weltweiten Ringens neigen würde. Und dann war noch die Frage des Preises, für ein spanisches Eintreten in den Krieg.



Bei dem japanischen Verbündeten sah es noch weit dramatischer aus. Seit einem Jahr verloren sie eine Position nach der anderen. Siam – der wichtige Verbündete an den Grenzen zu Burma und Malaya war untergegangen. Von dort aus hatten die Briten Französisch Indochina eingenommen.

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Die von den Japanern 1942 besetzten holländischen Kolonien Java, Batavia, Kalimantan, Sulawesi und Neu Guinea fielen Stück für Stück an Briten und Australier. Die Amerikaner waren auf den Philippinen gelandet um sie zurückzuerobern. Auch Iwo Jima hielten die Amerikaner besetzt. Von hier konnten die strategischen Bomber die japanischen Hauptinseln erreichen und die – durch Rohstoffmangel ohnehin bereits geschwächte Industrie angreifen.

Wie bei den Italienern gelang den Alliierten der Vormarsch nicht, indem sie sich zur Schlacht stellten sondern über die Strategie der ‚Indirekten Annäherung‘. Sie griffen die Japaner dort an, wo sie mit geringsten eigenen Verlusten die größte Schwächung des Feindes erreichen konnten.

Im blutigen Krieg in China verbrauchte sich die gefürchtete japanische Armee. Die technisch und taktisch völlig unterlegenen Truppen des korrupten Potentaten Tschiang Kai Schek wurde von Briten und Amerikanern am Leben gehalten und immer aufs Neue gegen die kaiserlich japanischen Armee gehetzt. China konnte den Aderlass ertragen, den Japanern fiel es zunehmend schwerer, die Reihen ihrer Truppen wieder aufzufüllen.
Die Alliierten griffen anstatt der schlagkräftigen japanischen Trägerflotte, die empfindlichen und kaum zu verteidigenden Versorgungsrouten der Japaner an. Von einem stabilen Seetransport war die Kwantung Armee in China genauso abhängig wie die Rüstungsindustrie der japanischen Heimatinseln und die weit verstreuten japanischen Stützpunkte in der asiatischen und pazifischen Inselwelt. Es war eine Frage der Zeit, wann das japanische Kaiserreich zusammenbrechen würde. Und die Alliierten – mit ihrem Zugriff auf die weltweiten Ressourcen – hatten einen langen Atem.



Der Große Generalstab musste sich entscheiden, wie es weiter gehen sollte. Die beiden wichtigsten Bundesgenossen benötigten dringend Hilfe. Jedoch der derzeit gefährlichste Gegner – Russland – zeigte sich auch nach der Eroberung Stalingrads nicht zu Waffenstillstandverhandlungen bereit. Die Rote Armee war geschlagen aber noch nicht besiegt. Hinter dem Ural verfügten die Bolschewisten scheinbar über unendliche Reserven an Industrie, Rohstoffen und Menschen.
Hitler hatte bei seinen Planungen für den Angriff auf die Sowjetunion einst das Gespenst eines immer währenden Krieges an einer asiatischen Wehrgrenze an die Wand gemalt. Dazu durfte es nicht kommen. Einen Abnutzungskrieg würde Deutschland verlieren. Daher entschloss sich die deutsche Wehrmachtsführung den Feldzug – trotz des anstehenden Winters und trotz der nach Osten immer schlechteren Infrastruktur und der immer länger werdenden Versorgungswege – in ausgewählten Richtungen fortzusetzen.

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Im Norden sollte den Russen mit dem Griff nach Murmansk und Archangelsk die letzte direkte Verbindung mit den Westalliierten gekappt werden. Murmansk war dauerhaft eisfrei und Archangelsk den Sommer über mit alliierten Hilfskonvois erreichbar. Beide Häfen waren an das russische Schienennetz angeschlossen.
Im Süden war Astrachan der letzte bedeutsame russische Hafen, über den alliierte Versorgungsgüter über die persische Route die Rote Armee erreichen konnten. Waren diese beiden Verbindungen getrennt, musste die alliierte Versorgung aus dem Fernen Osten über Wladiwostok und die eingleisige Transsibirische Eisenbahn erfolgen.

Der Angriff auf Baku galt den bedeutsamen Ölfeldern der Gegend, in deren Besitz sich Deutschland bringen musste.
Die Vorstöße auf Saratow und Gorki (dem alten Wladimir) trugen eher symbolischen Charakter um die russische Kampfmoral zu drücken.
Sollten die Russen dann noch immer nicht nachgeben, dann war die Heeresführung tatsächlich ratlos. Dann müsste die Wehrmacht eine Verteidigungslinie vom Weißen Meer, entlang der nördlichen Dwina, der Wolga bis zum Kaspischen Meer installieren und einen strategischen Bombenkrieg gegen die verbliebenen Industriegebiete führen.
Jedoch die dafür erforderlichen strategischen Kampfmittel waren noch nicht entwickelt – geschweige denn gebaut.
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Im Hohen Norden

Beitragvon Taras » 3. März 2016 17:33

Die zur Heeresgruppe Nord gehörende 18. Armee unter Generaloberst Fritz Lindemann, hatte nach der Einnahme Leningrads die schwierige Aufgabe zu bewältigen, einerseits russische Einbrüche aus dem besetzten Finnland abzuwehren und anderseits nach Karelien in Richtung Weißes Meer – Onegabusen vorzugehen. Erst mit Erlangen der Weißmeerküste wäre die strategisch wichtige Murmanbahn endgültig ausgeschaltet. Denn die Luftaufklärung hatte ergeben, dass die Russen unmittelbar nach dem Verlust Leningrads, neue Abzweige von der Murmanbahn nach Archangelsk und in die Tiefe Russlands gebaut hatten. Mit dem Erreichen der Weißmeerküste wäre andererseits auch die gesamte russische Heeresgruppierung in Norwegen, Finnland und Karelien von der Versorgung abgeschnitten, was mittelfristig den Widerstand dieser Truppen erlahmen lassen würde.

Ein hohes Ziel. Lindemann ließ Mitte September zwei Korps zur Deckung Leningrads zurück und stieß mit drei Armeekorps südlich am Ladogasee vorbei nach Karelien vor. Von Leningrad aus gingen die deutschen Deckungstruppen nach Norden gegen die alte finnische Verteidigungslinie an der russisch finnischen Grenze vor. Die Kommandeure der russischen Karelischen Front hatten die sich schließende Falle natürlich erkannt und versuchten mit ihren Kräften darauf zu reagieren. Die ehemalige Mannerheimlinie war zwar noch besetzt, sie wurde jedoch nicht in dem Maße verteidigt, wie es von deutscher Seite erwartet worden war.
Ende September war die von den Russen notdürftig wieder errichtete Befestigungslinie an der karelischen Landenge an vielen Stellen durchbrochen. Der Befehlshaber des I. Armeekorps Generalleutnant Kuno-Hans von Both entschloss sich, den unerwarteten Erfolg auszunutzen und zügig nach Finnland hineinzustoßen.

Am 11. Oktober 1944 war Helsinki befreit.

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„Oh Finnland sieh, aus Dunkel Strahlen dringen!“ tönt die Finnlandia durch Helsinkis Straßen. Ein Jahr und vierzig Tage nach dem Zusammenbruch war Finnland wieder auferstanden. Bei aller Freude über die Befreiung von der russischen Fremdherrschaft, war bei vielen Finnen jedoch auch Verbitterung über den deutschen Verrat im Sommer 43 zu spüren.

Auch untereinander wurden durch die Finnen nun alte Rechnungen beglichen. Mit dem Zusammenbruch des zaristischen Russland 1917 und der nationalen Unabhängigkeit, war ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den Roten und den Weißen ausgebrochen. Nach dem Sieg unter Mannerheim erreichte der Weiße Terror gegen Russen, Kommunisten, Anarchisten und linke Sozialdemokraten seinen Höhepunkt. Gemessen an der Bevölkerungszahl und den Opfer zählte der finnische Bürgerkrieg zu den Blutigsten dieser stürmischen Epoche.
Im Winterkrieg 39-40 konnte das kleine Finnland seine Unabhängigkeit mit bitteren Zugeständnissen an den mächtigen Nachbarn erkaufen. Dann ab Sommer 41 der erfolglose Fortsetzungskrieg gegen Russland. Nach der russischen Besetzung ab September 43 spülte der Rote Terror in einer Mischung aus Unterwerfung, Rache und Kollaboration durchs Land. Hierfür sollte jetzt wieder die Rechnung aufgemacht werden. Die deutsche Wehrmacht hatte keine Kapazitäten um ein weiteres Morden zu verhindern. Jedoch wirkten Lindemann und von Both mildernd auf die neu konstituierte finnische Regierung ein. Nach so viel Leid sollte die wieder auferstandene finnische Gesellschaft endlich zur Ruhe und nationaler Versöhnung finden.


Mit dem Abschneiden der Murmanbahn, brach der russische Widerstand in Karelien und Mittelfinnland nicht zusammen. In Finnland agierten kleine russische Einheiten mit Guerillamethoden und an der Weißmeerküste unternahm die Rote Armee massive Durchbrüche.
Gleichzeitig setzte hier im hohen Norden der Winter mit aller Macht ein, so dass der deutsche Vorstoß auf Archangelsk fast völlig zu erliegen kam. Aus Norwegen war ein deutsches Gebirgskorps nach Nordfinnland vorgestoßen. Die kaum erträgliche Witterung im Hohen Norden behinderte aber auch hier die Operationen der Wehrmacht.

Der Große Generalstab in Ostpreußen entschloss sich angesichts der verfahrenen Situation zu einem riskanten Unternehmen. Solange die russische Karelien Front ihren Druck auf die Nordflanke der Heeresgruppe Nord aufrecht erhielt, würde ein Vormarsch nach Archangelsk äußerst schwierig – wenn nicht unmöglich sein. Die russische Gruppierung konnte sich anscheinend noch immer über den Hafen von Murmansk versorgen. Also musste dieser Hafen unter allen Umständen so schnell wie möglich fallen!

Wenn dies nicht gelang, würde die Sowjetunion den Winter 44-45 nutzen können um neue Kräfte zu sammeln, um den Krieg zeitlich unabsehbar auszudehnen. Darüber hinaus wuchs mit jedem Tag, an dem die Wehrmacht im unwegsamen Osten gebunden war, die Gefahr einer alliierten Landung in Europa.

Da Murmansk im Verlauf des Winters auf dem Landweg nicht zu erreichen war, befahl der Große Generalstab die Durchführung einer Seelandung.

Das LIX Armeekorps der 16. Armee unter Generalleutnant Erich Brandenberger – ebenfalls zur Heeresgruppe Nord gehörend – wurde Mitte Oktober aus der Front gelöst und nach Riga verlegt. Hier erfolgte die mehrtägige Einweisung und einige wenige oberflächliche Übungen von amphibischen Operationen. Anschließend wurden die drei Infanteriedivisionen unter strengster Geheimhaltung per Schiff nach Narvik in Norwegen verlegt.
Ende Oktober wurden unter Anwendung aller Mittel der Geheimhaltung und Verschleierung im Ofotfjord vor Narvik alle großen Überwassereinheiten der Kriegsmarine zusammengezogen. Lediglich die ‚Graf Zeppelin‘ wurde nicht eingesetzt weil die erforderliche Fliegergruppe noch immer nicht fertiggestellt war. Sie blieb Kern der Täuschung und Gegenspionage.

Die langen Novembernächte und das schlechte Wetter dienten dem gedeckten Anmarsch der Landungsgruppe. Für den 2. November 1944 hatten die Meteorologen der Kriegsmarine den Sonnenaufgang für 9 Uhr 20 und den Sonnenuntergang um 15 Uhr 40 berechnet. Von der Sonne würden die Landungstruppen jedoch nichts sehen weil regnerisches aber ruhiges Wetter erwartet wurde.

Die Kampfflotte, bestehend aus dem Schlachtschiff Tirpitz, den vier Schlachtkreuzern Scharnhorst, Gneisenau, Schlesien und Schleswig-Holstein und den vier schweren Kreuzern Admiral Scheer, Admiral Hipper, Lützow und Prinz Eugen blieb in der Mündung des Murmansker Fjordes liegen und eröffnete aus 15 Kilometer Entfernung, noch in der Dunkelheit des 3. November das Feuer auf Ziele, die im Vorfeld durch die Luftaufklärung ausgemessen wurden.
Mit zunehmender Helligkeit fuhren die schweren Kreuzer weiter den Fjord hinauf und gaben den Landungstruppen direkte Artillerieunterstützung. Die Kriegsmarine verfügte nicht über spezialisierte Landungsboote. Stattdessen mussten Infanteriedivisionen mit einer ganzen Reihe unterschiedlich großer Behelfsschiffe an verschiedenen Stellen an Land gebracht werden. Die taktische Überraschung war jedoch das bestimmende Element. Völlig überrumpelt, fanden sich die schwachen russischen Deckungskräfte um Murmansk zu keinem nennenswerten Widerstand zusammen. In der Stadt befanden sich vor allem Transporttruppen, andere Einheiten der Rückwärtigen Dienste und zahlreiche Flak Einheiten. Wegen des schlechten Wetters waren jedoch keine Luftangriffe möglich und daher waren auch diese Verbände nicht gefechtsbereit.

Die drei Infanterieregimenter der 205. Division wurden als erste Welle mit Fischerkuttern, Sturmbooten und behelfsmäßig motorisierten Lastprämen angelandet. Sie stürmten die Batterien im Murmansker Vorfeld und von dort den Hafen. Die beiden anderen Divisionen wurden in ganz normalen Handelsschiffen an der Mole in Murmansk angelandet und gingen von hier aus in den Kampf.

Am Morgen des 3. November konnte Generalleutnant Brandenberger die Einnahme des strategisch bedeutsamen Hafens von Murmansk vermelden.

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SIEG

Beitragvon Taras » 13. März 2016 17:09

Der alte Mann hielt die Augen geschlossen und atmete tief durch. Die Vielzahl der einströmenden Probleme und die Schwere der zu fällenden Entscheidungen erforderten Ruhe und Abwägung. Ruhe war ihm jedoch nicht vergönnt. Alle schauten auf ihn, erwarteten Stärke und Entschlossenheit. Er war ihr Anker, ihre Stütze und auch die Fuchtel, die sie antrieb. Von seinen Zweifeln durfte niemand wissen. Wollte niemand wissen!

Der Sieg des Kommunismus war gesetzmäßig, so wie Wasser gesetzmäßig den Berg hinab und nicht hinauf floss. Das bedeutete jedoch nicht, dass es auf diesem gesetzmäßigen Weg nicht auch Schwierigkeiten, Abzweigungen, Irrwege und auch Rückschläge geben würde. Daher benötigten die progressiven Kräfte und erst recht die Werktätigen, denen es an Bildung mangelte, einen unfehlbaren Kompass, an dem sie ihren Kampf ausrichten konnten. Dieser Kompass war die Kommunistische Partei der Arbeiterklasse!
Doch wenn die Kompassnadel zitterte, wenn selbst die bedeutendsten Köpfe, welche die kommunistische Bewegung hervorgebracht hatte, und die sich unermüdlich in die Werke von Marx, Engels und Lenin eingearbeitet hatten, an der eingeschlagenen Richtung zweifelten, dann schauten sie auf ihn. Sie erhofften von ihm die erforderliche Weitsicht und die unbezwingbare Durchsetzungskraft um dem richtigen Weg folgen zu können. Er war die Fackel die sie in der Finsternis vor sich hertrugen.

Jetzt musste intensiv analysiert werden, wie es zu derart herben Niederlagen und Rückschlägen kommen konnte. Nach dem verbrecherischen Überfall der deutschen Faschisten im Sommer 1941 konnte eine Niederlage der Roten Armee nur unter der Aufbietung aller Kräfte abgewendet werden. Große Teile des Landes mussten dem Besatzer überlassen und hunderttausende Rotarmisten mussten in blutigen Abwehrschlachten geopfert werden.
Aber die Flut konnte zum Stehen gebracht werden, auch wenn man die Hilfe der englischen und amerikanischen Bourgeoisie annehmen musste. Die Herren des Großkapitals in London und New York hätten wohl liebend gern dem Untergang der Sowjetunion applaudiert jedoch nur um den Preis, dass das Nazideutschland mit in den Tod gerissen wurde. Anderenfalls mussten sie befürchten, dass sich Deutschlands Expansionsstreben gegen sie richten würde.

Vor Moskau im Winter 41/42 konnte der faschistischen Wehrmacht erstmals eine schwere Niederlag beigebracht werden. Die Welt horchte auf und schaute voll Ehrfurcht auf den Arbeiter- und Bauernstaat, der vollbracht hatte, was den Söldnerarmeen der Bourgeoisie nicht gelungen war. Aber mit diesem historischen Sieg war die Wende im Krieg noch nicht errungen. Die Kommunistische Partei sah sich gezwungen, immer weitere Schritte zur Festigung der Roten Armee einzuleiten. Die Funktion des Politstellvertreters wurde zugunsten des Ausbaus der Position der Militärfachleute zurückgeführt. Auch wenn alle höheren Offiziere Kommunisten waren und damit persönlich der Partei rechenschaftspflichtig waren, blieben sie darüber hinaus in ihrer militärischen Funktion dem Primat der Kommunistischen Partei untergeordnet. Aber die KPdSU gab den Kommandeuren zunehmend Handlungsfreiheit um den Kampf gemäß den aktuellen militärischen Erfordernissen zu führen.

Die freigesetzten schöpferischen Kräfte ermöglichten es, den deutschen Aggressoren im Winter 42/43 bei Stalingrad eine weitere entscheidende Niederlage zu zufügen. Dann der Coup d’État in Deutschland. Die faschistische Führung wurde durch die Wehrmacht ausgetauscht. Dies schien nun endlich die Wende in dem blutigen Ringen zu bedeuten. Die Rote Armee stürmte von der Wolga bis an den Dnjepr. Vertrieb die Deutschenaus dem Vorfeld Moskaus und zerschlug die eiserne Umklammerung Leningrads. Doch mit den Erfolgen der Roten Armee und bedingt durch die Vorgänge in Deutschland, wuchs im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und im nationalen Verteidigungsrat das Misstrauen gegenüber den eigenen Offizieren. Was, wenn schwache Charaktere oder Ehrgeizlinge dazu verleitet wurden, zu glauben, dass sie besser geeignet seien den Kampf siegreich zu Ende zu führen?
Noch im Frühsommer 43 ging die Rote Armee auf Vorschlag des Zentralkomitees der KPdSU wieder zur kollektiven Führung aller militärischen Verbände über. Das bedeutete, dass alle Befehle wieder mit dem Stellvertreter für Politische Arbeit besprochen werden und von diesem abgezeichnet werden mussten. So sollte die unmittelbare Wirkung der Direktiven der Kommunistischen Partei die volle Kampfkraft der Roten Armee entfalten.

Den Deutschen gelang es dennoch die Front zu stabilisieren und der Roten Armee wiederholt starke Verluste zu zufügen. Auch die kompromisslose Härte, mit der gegen Versager, Defätisten, Verräter und Dummköpfe vorgegangen wurde, konnte an der mangelnden Effektivität der Roten Armee nichts ändern.
Hinzu kam der hinterhältige Verrat durch die Alliierten. Die zugesagte Eröffnung der Zweiten Front wurde unter fadenscheinigen Ausreden immer weiter hinausgezögert. Ganz offensichtlich wollten die Herren des Großkapitals abwarten, bis Deutschland und die Sowjetunion aneinander verblutet waren um dann die Welt in ihrem Sinne neu zu ordnen.

Und dann plötzlich – Das Blatt hat sich gewendet!

Im Frühling diesen Jahres brach der unerwartete Sturm los. Woher nahmen die Deutschen noch einmal die Energie, die Ressourcen und den Willen, die Rote Armee wie 1941 aus dem Feld zu werfen? Binnen Kurzem gelang es den deutschen Militaristen, die mechanisierten Speerspitzen und die Gardeverbände der Roten Armee abzuschneiden und zu vernichten. In der Folge eroberten sie Stalino, Rostow, das herrliche Leningrad und schließlich sogar Moskau. Mit gierigen Fingern griffen sie nach Astrachan, Saratow, Gorki und auch hierher nach Archangelsk.
An der opferbereiten Kampfkraft der Rotarmisten lag es nicht, dass die Deutschen so weit vorstoßen konnten. Auch nicht an der Militärtechnik, die den modernsten Standards gerecht wurde und die von den unermüdlich arbeitenden Werktätigen in den neugeschaffenen gewaltigen Industriekomplexen hinter dem Ural in ausreichender Zahl zu Verfügung gestellt wurde. Der Roten Armee fehlte - ganz offensichtlich - durch alle Ebenen der Führung, die erforderliche Flexibilität, um auf die sich ständig ändernden Bedingungen des Gefechtsfeldes zu reagieren. Dies galt es zu analysieren und zu verbessern.

Der alte Mann öffnete langsam die brennenden Augen und rieb sich mit schwerer Hand über das müde Gesicht. Langsam sah er sich in der Runde um. Da saßen die Mitglieder des Staatlichen Verteidigungskomitees und schauten ihn erwartungsvoll an. Alles hochgebildete und erfahrene Kommunisten, in den Stürmen des Lebens und in den bitteren Niederlagen der letzten Zeit gereift und dennoch erwarteten sie seinen Ratschluss. Teilweise blickten sie ihn ängstlich, teilweise hündisch ergeben an. Einige Blicke blieben völlig leer, wie Gefäße, die nur darauf warteten, mit seiner Erkenntnis und seiner Entscheidung gefüllt zu werden.

Der alte Mann tippte mit dem Zeigefinger drei Mal – quälend langsam – auf den leeren Tisch vor sich. „Genosse Kaganowitsch!“ begann er mit rauer Stimme und mit starkem georgischem Akzent. „Wie kommt der Ausbau der Verkehrsverbindung durch Sibirien voran?“

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Der Volkskommissar für das Eisenbahn- und Transportwesen nestelte nervös an seiner dünnen Aktenmappe. „Genosse Stalin, die Bemühungen wurden verstärkt. Allein, der Winter hat nicht nur hier sondern in ganz Sibirien eingesetzt. Der Aufwand für jeden Streckenkilometer des zweiten Gleises der Transsibirischen Eisenbahn wächst ins unermessliche. Doch noch schlimmer ist es bei der parallel konzipierten völlig neuen Strecke der Baikal-Amur-Magistrale. Hier frisst jeder Meter Menschenleben!“

„Hm!“ erwiderte der alte Mann. „Menschenleben frisst auch jeder Tag an der Front. Jede Stunde! Was uns die sogenannten Alliierten bisher über Murmansk und über Persien geliefert haben, mag nicht viel taugen. Aber jede Büchse Corned Beef die wir als Ersatz für eine Zweite Front erhalten, ermöglicht es, einen Kolchosbauern zu den Waffen zu rufen, ermöglicht es einer Sowchose Waffen zu produzieren statt Büchsenfleisch.
Wir haben tiefstes Verständnis für die Sorgen Deiner Leute, die sich wohl scheuen, bei den Temperaturen dort, Frostblasen zu bekommen. Und wir werden überlegen, ob wir nicht fähigere Genossen finden können, die diese Projekte von überragender strategischer Bedeutung mit größerer Schöpferkraft angehen.“

Kaganowitsch schnappte ein paar Mal nach Luft. Schweiß trat ihm auf die Stirn. „Genosse Stalin.“ Antwortete er schließlich mit brüchiger Stimme. „Das wird nicht nötig sein. Ich werde persönlich die planmäßige Fertigstellung der Bahnverbindungen vorantreiben.“

„Planmäßig? Wir haben Krieg, was verläuft da schon planmäßig!“

Nun wurde Kaganowitsch noch unsicherer. „So schnell wie möglich…“ Auf einen Hinweis hoffend, sah er den Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungskomitees fragend an.“

„Das ist gut!“ brummte der alte Mann. „Kümmer dich persönlich um die Fertigstellung der Gleise und wälze die Verantwortung nicht auf deine Untergebenen oder auf das Wetter ab! Wir vertrauen Dir und erwarten Deinen Bericht über die Fortschritte!“
„Und.“ Wandte er sich nun an den Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten. „Genosse Molotow, wie geht es mit unseren Verbündeten voran!“ wobei das Wort Verbündete mit einem deutlichen ironischen Unterton hervorgepresst wurde.

Molotow rückte seinen Zwicker zurecht. „Sie halten uns weiter hin. Die deutsche Luftwaffe sei in Technik und Taktik so erfolgreich geworden, dass die amerikanischen und die englischen Bomberverbände nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die Eröffnung einer Zweiten Front schaffen konnten. Darüber hinaus sind die britischen Truppen in Nordafrika und Indochina und die amerikanischen Truppen im Pazifik gebunden. In London und Washington versprach man aber, unseren Kampf noch stärker mit Waffen und Ausrüstung zu unterstützen und im Frühjahr 45 in Italien sowie gegebenenfalls in Frankreich zu Truppen anzulanden.
Darüber hinaus ließen die Amerikaner erkennen, dass sie an Waffen forschen, die den Krieg schlagartig beenden können.“

„Wer’s glaubt.“ Schnaufte der alte Mann. Mit beiden Händen fuhr er sich über das von körperlicher und seelischer Erschöpfung ergraute Gesicht und blickten dann mit gelblichen rotgeäderten Augen auf den Volkskommissar des Inneren Lawrenti Beria. „Glaubst du, sie meinen damit ein Uranprojekt so wie es auch die Deutschen entwickeln?“

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„Wir haben mit Sicherheit erfahren, dass die USA gewaltige volkswirtschaftliche Mittel in die Entwicklung einer Uranbombe investieren. Mit dem Bomber 29 der Firma Boeing haben sie bereits ein geeignetes Trägermittel. Was wohl fehlt, ist die einsatzbereite Waffe.
Seit dem Putsch der Militaristen Clique in Berlin, haben viele emigrierte deutsche und europäische Wissenschaftler, die das Projekt wesentlich getragen haben, ihre Zusammenarbeit scheinbar eingestellt. Dies scheint den Fortschritt der Arbeiten erheblich zu bremsen.“

„Und warum erschießt man nicht ein paar Dutzend von diesen Verrätern um die anderen zur weiteren Zusammenarbeit anzuspornen?“

„Auf dieses naheliegende Mittel scheinen die Amerikaner noch nicht gekommen zu sein, Genosse Stalin.“

„Und wie geht es mit unserem Atomwaffenprojekt voran?“

„Genosse Stalin, es freut mich berichten zu können, dass die sowjetische Wissenschaft auch auf diesem Gebiet der – von Gier und Profitstreben gehemmten – bürgerlichen Wissenschaft weit voraus ist. Die Expertengruppe um Igor Wassiljewitsch Kurtschatow hat die theoretischen Grundlagen der Beherrschung des Atoms weitgehend erarbeitet. Allein es fehlt auf dem Gebiet der Sowjetunion an ausreichend spaltbarem Material.“

„Hier müssen Geologen und Wissenschaftler Abhilfe schaffen!“ Der alte Mann stieß noch einmal seinen Zeigefinger mit einer weit ausholenden Bewegung auf die Tischplatte und wandte seinen trüben Blick dann dem stellvertretenden Volkskommissar für Verteidigung zu. „Nun Genosse Bulganin, wie steht es mit dem Befreiungskampf des sowjetischen Volkes in den besetzten Gebieten?“

Nikolai Alexandrowitsch Bulganin war noch relativ neu im Staatlichen Verteidigungskomitee und wurde rasch nervös, wenn er vom Oberkommandierenden angesprochen wurde. Er galt aber als talentierter Redner, der sich nicht aus der Fassung bringen ließ, wenn er einmal in Gang gekommen war. „Ich muss einräumen, dass dem Volkskommissariat derzeit keine genauen Zahlen vorliegen.“ Erklärte er mit einigem Räuspern. „Allgemein kann jedoch die Aussage getroffen werden, dass die Organisation des Partisanenkampfes schwere Rückschläge verzeichnen musste. Nachdem der nackte Terror der deutschen Besatzer eher eine Stärkung des Freiheitskampfes der unterdrückten Völker bewirkte, änderten die Deutschen ihre Taktik seit Beginn des Jahres 1944. Sie gingen mit Volksverrätern – die teilweise aus der Emigration zurückgekehrt waren, aber auch teilweise mit Elementen, aus unserer Gesellschaft, die der Wachsamkeit des NKWD entgangen waren – Bündnisse ein. Diesen Subjekten wurde die Selbstverwaltung übertragen. Die Rekulakisierung und die Korrumpierung der ungebildeten Dorfarmut, die nicht über das nötige Klassenbewusstsein verfügte, entzog vielen Partisanengruppierungen die Grundlage. Die Kolchose wurden zerschlagen, Sowchose teils aufgelöst, zurückgekehrte Adlige bekamen nur einen geringen Teil ihrer Güter zurück denn ein großer Teil der bewirtschafteten Fläche wurde parzelliert und den Bauern als frei verpfändbares Eigentum übergeben. Die Menschen möchten nun ihren Acker bewirtschaften, ihr Vieh versorgen und ihre Produkte auf dem Markt oder an die deutschen Kommandanturen verkaufen und haben wenig Begeisterung für den Befreiungskampf.
Ziel unserer weiteren Maßnahmen muss daher – neben der gnadenlosen Vernichtung der Verräter – die Unterstützung unserer illegalen Gebietskomitees bei der ideologischen Bildung, der unterdrückten Bevölkerung in den besetzten Gebieten, zur Herausbildungen eines klaren Klassenstandpunktes sein.
Bis wir den einfachen Menschen in der Ukraine, in Belorussland und erst recht im Baltikum, die gesetzmäßige Fortschrittlichkeit der kommunistischen Gesellschaft deutlich gemacht haben, wird sich ein weitflächiger Partisanenkrieg – erst recht unter Beachtung der Entfernung zum verblieben sowjetischen Mutterland – kaum führen lassen.
Genaue Zahlen zu Anzahl und Stärke der Partisanenorganisationen und zur Anzahl und Erfolg von durchgeführten Angriffen werden gemeinsam mit dem Lagebericht des Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers vorgelegt werden.“

Bulganin strahlte vor Zufriedenheit, dass er sich so geschickt aus der misslichen Situation manövriert hatte. Aber der alte Mann war nicht zufrieden. „Und wann, Genosse Bulganin, werden wir den Lagebericht hören dürfen?“

„Das, äh… Die… Die Genossen Schukow und Rokossowski bereiten den Lagebericht vor. Sie erklärten mir, sie würden dem Staatlichen Verteidigungskomitee umgehend vortragen, sobald der Bericht fertig ist.“

„Und wie lange gedenken die Genossen Marschälle den Oberbefehlshaber warten zu lassen!“ Der aufkommende Zorn ließ die Gesichtsfarbe des alten Mannes von blass gelblich in dunkles Grau wechseln. Der schwere Atem begann hörbar zu rasseln.
„Eine Unverschämtheit!“ hörte man das Mitglied des Obersten Gerichtshofes der Sowjetunion Lew Sacharowitsch Mechlis, der neben Berija saß, tuscheln.

Bulganin begann zu schwitzen. „Genosse Stalin, wenn Sie erlauben, rufe ich gleich im Hauptquartier an und verlange die sofortige Berichterstattung.“

Berija rief mit ätzendem Unterton: „Vielleicht haben die Genossen um Schukow vergessen, wer das Kommando hat und wem sie Rechenschaft pflichtig sind! Sollen wir vielleicht noch hinfahren und als Bittsteller den Lagebericht erflehen?“

Der alte Mann stemmte sich ächzende, auf die Tischplatte gestützt, hoch. „Richtig Genosse Berija!“ rief er mit kaum unterdrückter Wut. „Fahren wir rüber und erinnern diese Marschälle daran, dass sie vom sowjetischen Volk ernannt wurden und der Regierung sowie der Kommunistischen Partei unterstehen. Möglich, dass ihnen ihr Rang zu Kopf gestiegen ist!“

Alle anwesenden Mitglieder der Partei- und Staatsführung waren überrascht von der plötzlichen Entscheidung des Oberkommandierenden. Nachdem er aber hinkend zum Ausgang des Beratungsraumes schnaufte, beeilten sie sich ihm zu folgen und begannen sogar zu drängeln um ihre Dienstbeflissenheit herauszustellen.


Vom Gebietsparteikomitee Archangelsk, in dessen Gebäude sich das oberste Gremium der Sowjetunion niedergelassen hatte bis zum Haus des Komsomol, wo das Hauptquartier der Streitkräfte Quartier bezogen hatte, war es kaum einen Kilometer weit. Die Witterung und die körperliche Verfassung des Oberkommandierenden erforderten dennoch die Fahrt mit den drei Limousinen über die schneeverwehten Straßen. Aufgrund der Plötzlichkeit des Aufbruches und der kurzen Fahrtstrecke bestand die Bedeckung lediglich aus zwei Beiwagenkrädern des NKWD.
Beim Stab der Streitkräfte war man erstaunt über das unangemeldete Auftauchen der mächtigsten Männer der Sowjetunion. Die Wache war nicht einmal in der Lage den Marschällen die Ankunft des Oberkommandierenden zu melden. Als geschlossene Gruppe stürmten die sechs Mitglieder des Staatlichen Verteidigungskomitees und mehrere Begleiter in den Besprechungsraum.

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Die hier bei der Arbeit versammelten Offiziere schauten entsetzt auf die Eindringlinge. Marschall Schukow war der Erste, der die Fassung gewann. „Achtung!“ brüllte er. Mit steifem Paradeschritt ging er auf den Oberkommandierenden zu und erstattete Meldung. „Genosse Stalin, ich melde das Hauptquartier des Kommandos des Obersten Befehlshabers bei der Erstellung des Lageberichtes.“ In seinem markanten Gesicht war keinerlei Überraschung oder gar Verunsicherung zu erkennen. Eher schien es, dass es dem eigenwilligen Marschall kaum gelang, seine Wut über die Störung und die damit offenbarte Missachtung zu unterdrücken.

Der alte Mann sah sich zornig in dem Raum um. Er spürte die Emotionen der anwesenden Menschen. Er spürte Angst und er spürte Widerstand. „Wir erwarten Ihren Lagebericht!“ grollte er mit rasselndem Atem.

Schukow war vor Zorn außer Stande zu reden. Marschall Rokossowski sprang ihm bei. Die beiden berühmten Heerführer waren keine Freunde und sie arbeiten nur zusammen, weil es ihnen befohlen wurde, doch hier wurde dem Generalstab offensichtlich Unrecht zugefügt. „Genosse Stalin, ich bitte um Entschuldigung aber der Lagebericht ist noch nicht fertig.“ Sagte er in festem und überlegenem Tonfall. „Wie dem stellvertretenden Volkskommissar für Verteidigung übermittelt wurde, wird der Generalstab den Lagebericht vortragen, sobald er fertig ist. Wir sind bei der Aktualisierung der Karten und werden in dreißig Minuten bereit sein.“

Der alte Mann spürte, wie sich Trotz, Unbeugsamkeit und Widerstand von diesen beiden Militärs auf die anderen Offiziere ausbreitete. Der Boden schien zu schwanken. Sein Blick wurde unscharf. Nein, heute war nicht der Zeitpunkt, diese beiden in die Schranken zu weisen. Heute nicht. Heute brauchte er Ruhe. „Gut!“ brummte er, während seine rechte Hand hinter sich nach einem Halt suchte. „Dann werden wir uns wohl gedulden müssen, bis die Genossen Militärspezialisten Zeit für uns finden.“

Schukow wollte etwas erwidern aber eine leise Kopfbewegung Rokossowskis hielt ihn zurück.

Mit einer unsicheren Drehung, wandte sich der alte Mann dem Ausgang zu. Sein Schwanken fiel niemand aus seiner Umgebung auf. Seine Genossen waren viel zu empört über das starrsinnige Auftreten der Marschälle. Durch die offenstehende Tür konnte er im Vorzimmer einen breiten Ledersessel sehen. Dort könnte er sich ausruhen. Nur ein wenig Ruhe um wieder Kraft zu schöpfen für den weiteren Kampf. Dann würde er auch mit diesen widerspenstigen Offizieren abrechnen, so wie er noch immer mit allen abgerechnet hatte. Seine Gedanken flogen nach Gori, in die sonnendurchfluteten Tage seiner Jugend. Dann dachte er gar nichts mehr…

Nachdem Stalin unsicher den Lageraum verlassen hatte, trat Lew Mechlis an den viel größeren Rokossowski heran und fauchte den Marschall scharf an. „Sie glauben wohl, dass Sie sich hier alles erlauben können. Ihr Unvermögen und Ihr Auftreten wird Konsequenzen haben!“
Berija stand unmittelbar hinter Mechlis und funkelte die beiden Marschälle böse an. „Genosse Rokossowski, Sie sollten sich in Acht nehmen, sonst wird es diesmal nicht mit einigen ausgeschlagenen Zähnen und gebrochenen Rippen abgehen!“
Wenn Berija geglaubt hatte, den Marschall einschüchtern zu können, sah er sich hier schwer getäuschte. In dem Offizier kochte die kalte Wut hoch. Schukow, der dicht neben ihm stand, hatte die Drohung gehört und wusste natürlich auch, dass Berija auf die Säuberung des sowjetischen Offizierskorps anspielte. 1937 war auch der polnischstämmige Konstantin Rokossowski zwischen die Mahlräder des NKWD geraten. Bei Verhören war er schwer misshandelt worden und hatte bis 1940 eine Strafe im Gulag verbüßen müssen. Schukow war entsetzt über die Bosheit und die Dummheit Berijas angesichts der desolaten Lage an den Fronten. Aber er kam nicht mehr dazu, auf den hinterhältigen Angriff zu reagieren.

Im Vorzimmer des Besprechungsraumes war Unruhe ausgebrochen. Die Mitglieder des Verteidigungskomitees redeten aufgeregt durcheinander und umstanden Stalin, der in dem Sessel Platz genommen hatte. Irgendetwas Furchtbares war passiert! Schukow drängelte sich rücksichtslos durch die verwirrten Männer und sah, was geschehen war.

Josef Wissarionowitsch Stalin saß zusammengesackt in dem Sessel. Sein Gesicht war kreideweiß, die Haut durchscheinend wächsern, die Nase stach spitz aus den eingefallen Zügen und sein Bick war starr an die Decke gerichtet. Seine Hose hatte sich dunkel gefärbt, weil sich die Blase entleert hatte.

Ein Schlaganfall, schoß es Schukow durch den Kopf. Vorsichtig tastete er nach der Halsschlagader. Unter der von kaltem Schweiß feuchten Haut konnte er den flachen Puls spüren. Noch lebte der Oberkommandierende. Als er die Hand zurückzog, sackte Stalin nach vorn und rutschte wie ein Bündel Lumpen zu Boden.
Atemlose Stille hatte sich über den Raum gestülpt. Niemand rührte eine Hand um dem leblosen Stalin zu helfen. Zuerst starrten alle entsetzt auf den zusammengesackten Führer. Dann hetzten die Blicke von Einem zum Anderen. Wem konnte man trauen, wer würde im nächsten Augenblick über einen herfallen?

Berija reagierte als Erster. Zu Mechlis und Abakumow, dem Leiter der Hauptabteilung Gegenaufklärung SMERSCH, gewandt rief er: „Jetzt müssen rasch Entscheidungen getroffen werden! Kein Zögern Genossen!“ Damit stürmte er mit fliegendem Mantel in Richtung Ausgang. Ein Teil der Männer des Verteidigungskomitees folgte ihnen verwirrt. Es war klar, dass der Machtkampf um die Nachfolge Stalins soeben ausgebrochen war.

Nur der schwer angetrunkene Klim Woroschilow kniete sich neben seinem langjährigen Kampfgefährten nieder und griff nach Stalins kalter Hand.

Auch Schukow wusste, das gehandelt werden musste. „Konstantin Konstantinowitsch!“ rief er Rokossowski entschlossen zu. „Wenn der Hund entkommt, sind wir erledigt. Mir nach!“ Am Schreibtisch des Wachoffiziers griff er nach Koppel und Pistole und eilte Berija hinterher. Seine persönliche Wache und die ihm vertrauten Offiziere folgten ohne zu zögern.

Noch im Gebäude hatten sie die meisten Mitglieder des staatlichen Verteidigungskomitees überholt und unter Protest festgenommen. Vor dem Gebäude war Berija und seine Paladine dabei die Limousine zu besteigen, als Schukow und seine Wachen mit gezogenen Waffen angerannt kamen. Die NKWD Begleitung verstand nicht, worum es ging und leistete daher keinen Widerstand.
Berija versuchte noch das Heft des Handelns an sich zu reißen. „Genosse Marschall, der Oberkommandierende ist nicht handlungsfähig. In dieser schwersten Stunde der Sowjetunion muss das Funktionieren von Staat und Partei unverzüglich neu geregelt und damit sichergestellt werden. Bis dahin unterstehen Sie meinem Befehl. Ich bin der Stellvertretende Vorsitzende des Staatlichen Verteidigungskomitees!“

„Du bist gar nichts!“ brüllte Schukow mit befehlsgewohnter Stimme. „Los weg von dem Fahrzeug, ihr seid verhaftet!“

„Verhaftet!?“ rief Berija mit zitternder Stimme. Als wäre ein Schalter umgelegt worden, brach alle Entschlossenheit der hohen Funktionäre zusammen. „Wer hat denn den Befehl dazu gegeben? Ist der Genosse Stalin wieder zu sich gekommen.“

„Der Stab der Streitkräfte ordnet Eure Verhaftung an!“

„Aber Genosse Schukow, lassen sie uns doch gemeinsam besprechen wie es bei einer Ablösung des kranken Genossen Stalin weitergehen kann. Sie sind selbstverständlich Mitglied im neuen obersten Gremium.“

„Sei bloß ruhig du Hund!“ brüllte Schukow. Zu seinen Offizieren gewandt, rief er: „Los bringt die drei in den Hof!“

Im Treppenhaus des Komsomolgebäudes traf Schukow auf Rokossowski, der ebenfalls die Pistole in der Faust hatte und die verunsicherten Mitglieder des Verteidigungskomitees bewachte. Mit kalter Wut verfolgte er, wie Berija, Abakumow und Mechlis abgeführt wurden. „Georgi Konstantinowitsch.“ Fragte er Schukow. „Wo bringt man den Abschaum hin?“
„Nirgends!“ brummte Schukow.

Gleich darauf knatterte eine Gewehrsalve durch die Nacht, gefolgt von zwei einzelnen Pistolenschüssen. Die verhafteten Komitee Mitglieder fingen an zu zittern.

„Und was wird mit denen?“ fragte Rokossowski.

Schukow blickte kurz zu den ängstlichen Funktionären hinüber. „Ungefährlich!“ brummte er. „Und außerdem brauchen wir die noch. Staat, Partei und Armee müssen weiter zusammengehalten werden. Chaos kann jetzt keiner gebrauchen.“

„Und der Krieg!?“ fragte Marschall Rokossowski weiter.

„Du hast selbst eben die Zahlen zusammengestellt. Noch haben wir 75 Divisionen, 53 Geschwader Luftstreitkräfte und Industrien. Dies sollten wir als Pfand einsetzen. Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden, bevor wir noch mehr verlieren!“


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